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(Created page with " '''Herausgegeben von G. E. M. Anscombe und G. H. von Wright''' Gertrud Margaret Elisabeth Anscombe + Georg Hendrik Wright Die Texte dieses Buches wurden in den Jahren 1949...") |
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'''1. ''' Wenn du weißt, daß hier eine Hand | '''1. ''' Wenn du weißt, daß hier eine Hand{{check|<sup>1</sup>}} ist, so geben wir dir alles übrige zu. | ||
(Sagt man, der und der Satz lasse sich nicht beweisen, so heißt das natürlich nicht, daß er sich nicht aus andern herleiten läßt; jeder Satz läßt sich aus andern herleiten. Aber diese mögen nicht sicherer sein als er selbst.) (Dazu eine komische Bemerkung H. Newmans.) | (Sagt man, der und der Satz lasse sich nicht beweisen, so heißt das natürlich nicht, daß er sich nicht aus andern herleiten läßt; jeder Satz läßt sich aus andern herleiten. Aber diese mögen nicht sicherer sein als er selbst.) (Dazu eine komische Bemerkung H. Newmans.) | ||
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'''202. '''Moores gewisse Sätze sagen beinahe aus, wir hätten ein Recht, uns auf diese Evidenz zu verlassen. | '''202. '''Moores gewisse Sätze sagen beinahe aus, wir hätten ein Recht, uns auf diese Evidenz zu verlassen. | ||
'''203. '''[Alles | '''203. '''[Alles{{check|<sup>2</sup>}}, was wir als Evidenz betrachten, deutet darauf hin, die Erde habe schon lange vor meiner Geburt existiert. Die entgegengesetzte Hypothese hat ''keinerlei'' Bekräftigung. | ||
Wenn auch alles ''für'' eine Hypothese, nichts gegen sie spricht, – ist sie objektiv sicher? Man kann sie so ''nennen''. Aber stimmt sie ''unbedingt'' mit der Welt der Tatsachen überein? Sie zeigt uns bestenfalls, was »übereinstimmen« heißt. Wir finden es schwierig, sie uns (als) falsch vorzustellen, aber auch schwierig, eine Anwendung von ihr zu machen.] Worin besteht denn diese Übereinstimmung, wenn nicht darin, daß, was in diesen Sprachspielen Evidenz ist, für unseren Satz spricht? (Log. Phil. Abh.) | Wenn auch alles ''für'' eine Hypothese, nichts gegen sie spricht, – ist sie objektiv sicher? Man kann sie so ''nennen''. Aber stimmt sie ''unbedingt'' mit der Welt der Tatsachen überein? Sie zeigt uns bestenfalls, was »übereinstimmen« heißt. Wir finden es schwierig, sie uns (als) falsch vorzustellen, aber auch schwierig, eine Anwendung von ihr zu machen.] Worin besteht denn diese Übereinstimmung, wenn nicht darin, daß, was in diesen Sprachspielen Evidenz ist, für unseren Satz spricht? (Log. Phil. Abh.) | ||
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'''395. '''»Ich weiß das alles.« Und das wird sich darin zeigen, wie ich handle und über die Dinge spreche. | '''395. '''»Ich weiß das alles.« Und das wird sich darin zeigen, wie ich handle und über die Dinge spreche. | ||
'''396. ''' Im Sprachspiel (2), | '''396. ''' Im Sprachspiel (2),{{check|<sup>3</sup>}} kann er sagen, er wisse, daß das Bausteine sind? – »Nein, aber er ''weiß'' es.« | ||
'''397. '''Habe ich mich nicht geirrt und hat nicht Moore vollkommen recht? Habe ich nicht den elementaren Fehler gemacht, zu verwechseln, was man denkt, mit dem, was man weiß? Freilich denke ich nicht »Die Erde hat einige Zeit vor meiner Geburt schon existiert«, aber ''weiß'' ich’s drum nicht? Zeige ich nicht, daß ich’s weiß, indem ich immer die Konsequenzen draus ziehe? | '''397. '''Habe ich mich nicht geirrt und hat nicht Moore vollkommen recht? Habe ich nicht den elementaren Fehler gemacht, zu verwechseln, was man denkt, mit dem, was man weiß? Freilich denke ich nicht »Die Erde hat einige Zeit vor meiner Geburt schon existiert«, aber ''weiß'' ich’s drum nicht? Zeige ich nicht, daß ich’s weiß, indem ich immer die Konsequenzen draus ziehe? | ||
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... und schreib getrost | ... und schreib getrost | ||
»Im Anfang war die Tat.« | »Im Anfang war die Tat.«{{check|<sup>4</sup>}} | ||
'''403. '''Vom Menschen, in Moores Sinne, zu sagen, er ''wisse'' etwas; was er sage, sei also unbedingt die Wahrheit, scheint mir falsch. – Es ist die Wahrheit nur insofern, als es eine unwankende Grundlage seiner Sprachspiele ist. | '''403. '''Vom Menschen, in Moores Sinne, zu sagen, er ''wisse'' etwas; was er sage, sei also unbedingt die Wahrheit, scheint mir falsch. – Es ist die Wahrheit nur insofern, als es eine unwankende Grundlage seiner Sprachspiele ist. | ||
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'''494. ''' »An diesem Satz kann ich nicht zweifeln, ohne alles Urteilen aufzugeben.« | '''494. ''' »An diesem Satz kann ich nicht zweifeln, ohne alles Urteilen aufzugeben.« | ||
Aber was für ein Satz ist das? (Er erinnert an das, was Frege über das Gesetz der Identität gesagt hat | Aber was für ein Satz ist das? (Er erinnert an das, was Frege über das Gesetz der Identität gesagt hat.{{check|<sup>5</sup>}}) Er ist sicher kein Erfahrungssatz. Er gehört nicht in die Psychologie. Er hat eher den Charakter einer Regel. | ||
'''495. '''Man könnte Einem, der gegen die zweifellosen Sätze Einwände machen wollte, einfach sagen »Ach Unsinn!«. Also nicht ihm antworten, sondern ihn zurechtweisen. | '''495. '''Man könnte Einem, der gegen die zweifellosen Sätze Einwände machen wollte, einfach sagen »Ach Unsinn!«. Also nicht ihm antworten, sondern ihn zurechtweisen. | ||
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'''565. '''Aber hier ist von einem »Wissen«, daß dies »Platte«, ''dies'' »Säule« etc. heißt, noch gar nicht die Rede. | '''565. '''Aber hier ist von einem »Wissen«, daß dies »Platte«, ''dies'' »Säule« etc. heißt, noch gar nicht die Rede. | ||
'''566. '''Ja, das Kind, das mein Sprachspiel (No. 2##) | '''566. '''Ja, das Kind, das mein Sprachspiel (No. 2##){{check|<sup>6</sup>}} lernt, lernt nicht sagen »Ich weiß, daß dies »Platte« heißt«. | ||
Es gibt nun freilich ein Sprachspiel, in welchem das Kind ''diesen'' Satz gebraucht. Dies setzt voraus, daß das Kind, sowie ihm der Name gegeben ist, ihn auch schon gebrauchen kann. Wie wenn mir jemand sagte »Diese Farbe heißt ›...‹« – Wenn also das Kind ein Sprachspiel mit Bausteinen gelernt hat, so kann man ihm nun etwa sagen »Und dieser Stein heißt ›...‹« und man hat dadurch das ursprüngliche Sprachspiel ''erweitert''. | Es gibt nun freilich ein Sprachspiel, in welchem das Kind ''diesen'' Satz gebraucht. Dies setzt voraus, daß das Kind, sowie ihm der Name gegeben ist, ihn auch schon gebrauchen kann. Wie wenn mir jemand sagte »Diese Farbe heißt ›...‹« – Wenn also das Kind ein Sprachspiel mit Bausteinen gelernt hat, so kann man ihm nun etwa sagen »Und dieser Stein heißt ›...‹« und man hat dadurch das ursprüngliche Sprachspiel ''erweitert''. | ||
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man »Das ist mir bekannt«; und dies folgt nur auf die Mitteilung der Tatsache. Aber | man »Das ist mir bekannt«; und dies folgt nur auf die Mitteilung der Tatsache. Aber{{check|<sup>7</sup>}} was sagt man statt »Ich weiß, was das ist«? | ||
'''585. '''Aber sagt nicht »Ich weiß, daß das ein Baum ist« etwas anderes als »Das ist ein Baum«? | '''585. '''Aber sagt nicht »Ich weiß, daß das ein Baum ist« etwas anderes als »Das ist ein Baum«? | ||
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Z. B., wenn es sich um den Namen der Person handelt, könnte der Fall so stehen, daß die Person diesen Namen nie gebraucht hat, sich aber entsinnt, ihn auf einem Dokument gelesen zu haben, – und anderseits könnte die Antwort sein: »Ich habe diesen Namen mein ganzes Leben lang geführt, bin von allen Menschen so genannt worden.« Wenn ''das'' nicht der Antwort »Ich kann mich darin nicht irren« gleichkommt, so hat sie überhaupt keinen Sinn. Und ganz offenbar wird doch damit auf einen sehr wichtigen Unterschied gedeutet. | Z. B., wenn es sich um den Namen der Person handelt, könnte der Fall so stehen, daß die Person diesen Namen nie gebraucht hat, sich aber entsinnt, ihn auf einem Dokument gelesen zu haben, – und anderseits könnte die Antwort sein: »Ich habe diesen Namen mein ganzes Leben lang geführt, bin von allen Menschen so genannt worden.« Wenn ''das'' nicht der Antwort »Ich kann mich darin nicht irren« gleichkommt, so hat sie überhaupt keinen Sinn. Und ganz offenbar wird doch damit auf einen sehr wichtigen Unterschied gedeutet. | ||
'''599. '''Man könnte z. B. die Sicherheit des Satzes, daß Wasser bei ca. 100°C kocht, beschreiben. Es ist das z. B. nicht ein Satz, den ich einmal gehört habe wie etwa den und jenen, die ich nennen könnte. Ich habe das Experiment selber in der Schule gemacht. Der Satz ist ein sehr elementarer unserer Lehrbücher, denen in solchen Dingen zu trauen ist, weil ... – Man kann nun allem dem Beispiele entgegenhalten, die zeigen, daß Menschen dies und jenes für gewiß gehalten haben, was sich später, unsrer Meinung nach, für falsch erwiesen hat. Aber dieses Argument ist wertlos | '''599. '''Man könnte z. B. die Sicherheit des Satzes, daß Wasser bei ca. 100°C kocht, beschreiben. Es ist das z. B. nicht ein Satz, den ich einmal gehört habe wie etwa den und jenen, die ich nennen könnte. Ich habe das Experiment selber in der Schule gemacht. Der Satz ist ein sehr elementarer unserer Lehrbücher, denen in solchen Dingen zu trauen ist, weil ... – Man kann nun allem dem Beispiele entgegenhalten, die zeigen, daß Menschen dies und jenes für gewiß gehalten haben, was sich später, unsrer Meinung nach, für falsch erwiesen hat. Aber dieses Argument ist wertlos.{{check|<sup>8</sup>}} Zu sagen: wir können am Ende nur solche Gründe anführen, die ''wir'' für Gründe halten, sagt gar nichts. | ||
Ich glaube, es liegt hier ein Mißverständnis des Wesens unserer Sprachspiele zugrunde. | Ich glaube, es liegt hier ein Mißverständnis des Wesens unserer Sprachspiele zugrunde. | ||
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'''676. '''»Aber wenn ich mich auch in solchen Fällen nicht irren kann, – ist es nicht möglich, daß ich in der Narkose bin?« Wenn ich es bin und wenn die Narkose mir das Bewußtsein raubt, dann rede und denke ich jetzt nicht wirklich. Ich kann nicht im Ernst annehmen, ich träume jetzt. Wer träumend sagt »Ich träume«, auch wenn er dabei hörbar redete, hat so wenig recht, wie wenn er im Traum sagt »Es regnet«, während es tatsächlich regnet. Auch wenn sein Traum wirklich mit dem Geräusch des Regens zusammenhängt. | '''676. '''»Aber wenn ich mich auch in solchen Fällen nicht irren kann, – ist es nicht möglich, daß ich in der Narkose bin?« Wenn ich es bin und wenn die Narkose mir das Bewußtsein raubt, dann rede und denke ich jetzt nicht wirklich. Ich kann nicht im Ernst annehmen, ich träume jetzt. Wer träumend sagt »Ich träume«, auch wenn er dabei hörbar redete, hat so wenig recht, wie wenn er im Traum sagt »Es regnet«, während es tatsächlich regnet. Auch wenn sein Traum wirklich mit dem Geräusch des Regens zusammenhängt. | ||
{{check|Fußnoten | |||
1 S. G. E. Moore, »Proof of an External World«, in ''Proceedings of the British Academy'' 1939; »A Defence of Common Sense« in ''Contemporary British Philosophy, 2nd Series;'' J. H. Muirhead Herausg. 1925. Beide Schriften sind auch zu finden in Moores ''Philosophical Papers,'' London, George Allen and Unwin 1959. ''Herausg''. | 1 S. G. E. Moore, »Proof of an External World«, in ''Proceedings of the British Academy'' 1939; »A Defence of Common Sense« in ''Contemporary British Philosophy, 2nd Series;'' J. H. Muirhead Herausg. 1925. Beide Schriften sind auch zu finden in Moores ''Philosophical Papers,'' London, George Allen and Unwin 1959. ''Herausg''. | ||
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7 Der letzte Satz ist ein Nachtrag. (Herausg.) | 7 Der letzte Satz ist ein Nachtrag. (Herausg.) | ||
8 Randbemerkung: Kann es denn nicht auch geschehen, daß man heute einen Irrtum früherer Zeiten zu erkennen glaubt und später darauf kommt, daß die erste Ansicht ''richtig'' war? etc. | 8 Randbemerkung: Kann es denn nicht auch geschehen, daß man heute einen Irrtum früherer Zeiten zu erkennen glaubt und später darauf kommt, daß die erste Ansicht ''richtig'' war? etc.}} |