Bemerkungen über die Farben: Difference between revisions

no edit summary
No edit summary
No edit summary
Line 142: Line 142:


58. Denk, jemand zeigte auf eine Stelle der Iris in einem Rembrandtschen Auge und sagt: "Die Wände in meinem Zimmer sollen in dieser Farbe gemalt werden."
58. Denk, jemand zeigte auf eine Stelle der Iris in einem Rembrandtschen Auge und sagt: "Die Wände in meinem Zimmer sollen in dieser Farbe gemalt werden."
59. Ich male die Aussicht von meinem Fenster; eine bestimmte Stelle, bestimmt durch ihre Lage in der Architektur eines Hauses, male ich mit Ocker. Ich sage, ich sehe diese Stelle in dieser Farbe. Das bedeutet nicht, daß ich hier die Farbe Ocker sche, denn dieser Farbstoff mag, ''so'' umgeben, heller, dunkler, rötlicher (etc.) aussehen als Ocker. "Ich sehe diese Stelle, wie ich sie hier mit Ocker gemalt habe, nämlich als ein stark rötliches Gelb."
Wie aber, wenn man von mir verlangte, den genauen Farbton anzugeben, den ich dort sehe? - Wie soll er angegeben werden, und wie bestimmt werden? Man könnte verlangen, daß ich ein Farbmuster (ein rechteckiges Stück Papier von dieser Farbe) herstelle. Ich sage nicht, daß ein solcher Vergleich ohne jedes Interesse wäre, aber er zeigt uns, daß nicht von vornherein klar ist, wie Farbtöne zu vergleichen sind und was "Gleichheit der Farbe" bedeutet.
60. Denken wir uns ein Gemälde in kleine, annäherend einfärbige Stücke zerschnitten und diese dann als Steine eines Zusammenleg. spiels verwendet. Auch wo ein solcher Stein nicht einfarbig ist, soll er keine räumliche Form andeuten, sondern einfach als flacher Farbfleck erscheinen. Erst im Zusammenhang mit den andern wird er ein Stück blauen Himmels, ein Schatten, ein Glanz, durchsichtig oder undurchsichtig, etc. Zeigen uns die einzelnen Steine die ''eigentlichen Farben'' der Stellen des Bildes?
61. Man neigt dazu, zu glauben, die Analyse unsrer Farbbegriffe führe am Ende zu den ''Farben von Stellen'' unsres Gesichtsbilds, welche nun von jeder räumlichen oder physikalischen Deutung unabhängig sind; denn hier gibt es weder Beleuchtung, noch Schatten, noch Glanz, etc., etc.
62. Daß ich sagen kann, diese Stelle in meinem Gesichtsfeld sei graugrün, bedeutet nicht, daß ich weiß, was eine genaue Kopie des Farbtons zu nennen wäre.
63. Ich sehe auf einer (nicht färbigen) Photographie einen Mann mit dunklem Haar und einen Buben mit glatt zurückgekämmtem blondem Haar vor einer Art Drehbank stehen, die zum Teil aus schwarz gestrichenen Gußteilen, teils aus glatten Wellen, Zahnrädern, u.a. besteht, daneben ein Gitter aus hellem verzinkten Draht. Die bearbeiteten Eisenflächen sehe ich eisenfärbig, das Haar des Jungen blond, das Gitter zinkfarbig, obgleich alles durch hellere und dunklere Töne des photographischen Papiers dargestellt ist.
64. Aber sehe ich wirklich die Haare auf der Photographie blond? Und was spricht dafür? Welche Reaktion des Betrachters soll zeigen, daß er sie blond ''sieht'', und nicht nur aus den Tönen der Photographie schließt, sie seien blond? - Würde von mir verlangt, daß ich jene Photographie beschreibe, so würde ich es am direktesten mit jenen Worten tun. Ließe man diese Art der Beschreibung nicht gelten, so müßte ich nun erst nach einer andern suchen.
65. Wenn selbst das Wort "blond" blond klingen kann, wieviel cher können die photographierten Haare blond aussehen!
66. "Kann man sich nicht denken, daß gewisse Menschen eine andere Farbengeometrie als die unsere hätten?" Das heißt doch: Kann man sich nicht Menschen mit andern Farbbegriffen als den unsern denken? Und das heißt wieder: Kann man sich nicht vorstellen, daß Menschen unsre Farbbegriffe ''nicht'' haben, und daß sie Begriffe haben, die mit unsern Farbbegriffen auf solche Art verwandt sind, daß wir sie auch "Farbbegriffe" nennen würden?
67. Sich dein Zimmer am späten Abend an, wenn Farben kaum mehr zu unterscheiden sind - und nun mach Licht und male, was du früher im Halbdunkel gesehen hast. - Wie vergleicht man die Farben auf so einem Bild mit denen des halbdunkeln Raums?
68. Auf die Frage "Was bedeuten die Wörter 'rot', 'blau', 'schwarz', 'weiß'," können wir freilich gleich auf Dinge zeigen, die so gefärbt sind, - aber weiter geht unsre Fähigkeit die Bedeutungen dieser Worte zu erklären nicht! Im übrigen machen wir uns von ihrer Verwendung keine, oder eine ganz rohe, zum Teil falsche, Vorstellung.
69. Ich kann mir einen Logiker vorstellen, der erzählt, er sei jetzt dahin gelangt, "2 × 2 = 4" wirklich ''denken'' zu können.
70. Die Goethesche Lehre von der Entstehung der Spektralfarben ist nicht eine Theorie, die sich als ungenügend erwiesen hat, sondern eigentlich gar keine Theorie. Es läßt sich mit ihr nichts vorhersagen. Sie ist eher ein vages Denkschema nach Art derer, die man in James's Psychologie findet. Es gibt auch kein experimentum crucis, das für, oder gegen diese Lehre entscheiden könnte.
71. Wer mit Goethe übereinstimmt, findet, Goethe habe die ''Natur'' der Farbe richtig erkannt. Und Natur ist hier nicht, was aus Experimenten hervorgeht, sondern sie liegt im Begriff der Farbe.
72. Eins war für Goethe unumstößlich klar: Aus Dunkelheiten kann sich kein Helles zusammensetzen - wie aus mehr und mehr Schatten kein Licht entsteht. Und dies ließe sich so ausdrücken: Wenn man Lila ein weißlich-rötlich-Blau nennt, oder Braun ein schwärzlich-rötlich-Gelb, - so kann man nun Weiß ''kein'' gelblich-rötlich-grünlich-Blau, oder dergleichen, nennen. Weiß ist nicht eine ''Zwischenfarbe'' anderer Farben. Und ''das'' können Versuche mit dem Spektrum weder bekräftigen noch widerlegen. Es wäre aber auch falsch zu sagen "Schau Dir die Farben nur in der Natur an, und Du wirst sehen, daß es so ist." Denn über die Begriffe der Farben wird man durch Schauen nicht belehrt.
73. Ich kann mir nicht denken, daß Goethes Bemerkungen über die Charaktere der Farben und Farbenzusammenstellungen für den Maler nützlich sein können; kaum für den Dekorateur. Die Farbe eines blutunterlaufenen Auges könnte als Farbe eines Wandbehangs prächtig wirken. Wer vom Charakter einer Farbe redet, denkt dabei immer nur an ''eine'' bestimmte Art ihrer Verwendung,
74. Gäbe es eine Harmonielehre der Farben, so würde sie etwa mit einer Einteilung der Farben in Gruppen anfangen und gewisse Mischungen, oder Nachbarschaften verbieten, andre erlauben. Und sie würde, wie die Harmonielehre, ihre Regeln nicht begründen.
75. Es mag Geistesschwache geben, denen man den Begriff 'morgen' nicht beibringen kann, oder den Begriff 'ich', oder das Ablesen der Uhrzeit. Sie würden den Gebrauch des Wortes 'morgen' nicht erlernen, etc.
Wem kann ich nun beschreiben, ''was'' diese nicht erlernen können? Nicht nur dem, der es erlernt hat? Kann ich dem A nicht mitteilen, B könne höhere Mathematik nicht erlernen, auch wenn A sie nicht beherrscht? Versteht nicht der das Wort "Schach" anders, der das Spiel gelernt hat, als der es nicht gelernt hat? Es bestehen Unterschiede zwischen der Verwendung, die jener von dem Wort machen kann, und der Verwendung, die dieser gelernt hat.
76. Heißt ein Spiel beschreiben immer: eine Beschreibung geben, durch die man es lernen kann?
77. Hat der Normalsehende und der Farbenblinde den gleichen Begriff von der Farbenblindheit? Ein Farbenblinder kann nicht nur unsre Farbwörter, sondern auch das Wort "Farbenblind" nicht so verwenden lernen wie ein Normaler. Er kann z.B. die Farbenblindheit nicht auf die gleiche Weise feststellen wie dieser.
78. Es könnte Menschen geben, die unsre Ausdrucksweise, Orange sei ein rötliches Gelb, nicht verstünden, und nur dann geneigt wären, so etwas zu sagen, wo sie einen Farbübergang von Gelb über Orange nach Rot vor Augen sehen. Und für solche müßte der Ausdruck "rötliches Grün" keine Schwierigkeit haben.
79. Die Psychologie beschreibt die Phänomene des Sehens. - Wem macht sie die Beschreibung? ''Welche'' Unwissenheit kann diese Beschreibung beheben?
80. Die Psychologie beschreibt, was beobachtet wurde.
81. Kann man dem Blindem beschreiben, wie das ist, wenn Einer ''sieht''? - Doch. Ein Blinder lernt manches über den Unterschied des Blinden vom Sehenden. Aber die Frage war schlecht gestellt; als wäre Schen eine Tätigkeit und es gäbe von ihr eine Beschreibung,
82. Ich kann doch Farbenblindheit beobachten; warum also Sehen nicht? - Ich kann beobachten, welche Farburteile ein Farbenblinder - oder auch ein Normalsichtiger - ''unter gewissen Umständen'' fällt.
83. Man sagt manchmal (wenn auch mißverständlich) "Nur ich kann wissen, was ich sehe". Aber nicht: "Nur ich kann wissen, ob ich farbenblind bin." (Noch auch: "Nur ich kann wissen, ob ich sehe, oder blind bin.<nowiki>''</nowiki>)
84. Die Aussage "Ich sehe einen roten Kreis" und die "Ich sehe (bin nicht blind)" sind logisch nicht gleichartig. Wie prüft man die Wahrheit der ersten, wie die Wahrheit der zweiten?
85. Aber kann ich glauben zu sehen, und blind sein, oder glauben blind zu sein, und sehen?
86. Könnte in einem Lehrbuch der Psychologie der Satz stehen "Es gibt Menschen, welche sehen"? Wäre das falsch? Aber wem wird hier etwas mitgeteilt?
87. Wie kann es unsinnig sein zu sagen "Es gibt Menschen, welche sehen", wenn es nicht unsinnig ist zu sagen "Es gibt Menschen, welche blind sind"?
Aber angenommen, ich hätte nie von der Existenz blinder Menschen gehört und eines Tages teilt man mir mit "Es gibt Menschen, welche nicht sehen", müßte ich diesen Satz so ohne weiteres verstehen? Muß ich mir, wenn ich selber nicht blind bin, bewußt sein, daß ich die Fähigkeit des Sehens habe, und daß es also Leute geben kann, die sie nicht haben?
88. Wenn der Psychologe uns lehrt "Es gibt Menschen, welche sehen", so können wir ihn fragen: "Und was nennst Du 'Menschen, welche sehen'?" Darauf müßte die Antwort sein: Menschen, die unter den und den Umständen sich so und so benehmen.
Teil II.
1. Man könnte von dem Farbeindruck einer Fläche reden, womit nicht die Farbe gemeint wäre, sondern das Zusammen der Farbtöne, das den Eindruck einer braunen Fläche (z.B.) ergibt.
2. Die Beimischung des Weiß nimmt der Farbe das ''Farbige''; dagegen nicht die Beimischung von Gelb. - Ist das am Grunde des Satzes, daß es kein klar durchsichtiges Weiß geben kann?
3. Was aber ist das für ein Satz: daß die Beimischung des Weißen der Farbe das Farbige nimmt?
Wie ich es meine, kann's kein physikalischer Satz sein.
Hier ist die Versuchung sehr groß, an eine Phänomenologie, ein Mittelding zwischen Wissenschaft und Logik, zu glauben.
4. Was ist denn das Wesentliche des ''Trüben''? Denn rotes, gelbes Durchsichtiges ist nicht trübe, weißes ist trübe.
5. Ist trüb das, was die Formen verschleiert, und verschleiert es die Formen, weil es Licht und Schatten verwischt?
6. Ist nicht weiß das, was die Dunkelheit aufhebt?
7. Man redet zwar von 'schwarzem Glas', aber wer durch rotes Glas eine weiße Fläche sieht, sieht sie rot, durch 'schwarzes' Glas nicht schwarz.
8. Man bedient sich, um klar zu sehen, oft gefärbter Brillengläser, aber nie trüber.
9. "Die Beimischung von Weiß verwischt den Unterschied zwischen Hell und Dunkel, Licht und Schatten": bestimmt das die Begriffe näher? Ich glaube schon.
10. Wer das nicht fände, hätte nicht die entgegengesetzte Erfahrung; sondern wir würden ihn nicht verstehen.
11. In der Philosophie muß man immer fragen: "Wie muß man dieses Problem ansehen, daß es lösbar wird?"
12. Denn hier (wenn ich die Farben betrachte z.B.) ist da erst nur eine Unfähigkeit irgend eine Ordnung in den Begriffen zu machen.
Wir stehen da, wie der Ochs vor der neu gestrichenen Stalltür.
13. Denk daran, wie ein Maler die Durchsicht durch ein rötlich gefärbtes Glas darstellen würde. Es ist ja ein ''kompliziertes'' Flächenbild, was sich da ergiebt. D.h., das Bild wird nebeneinander eine Menge von Abschattungen von Rot und andern Farben enthalten. Und analog, wenn man durch ein blaues Glas sähe.
Wie aber, wenn man ein Bild malte, in dem dort, wo früher etwas bläulich oder rötlich wurde, es weißlich wird?
14. Ist der ganze Unterschied hier, daß die Farben durch den rötlichen Schein nicht ihre Sattheit verlieren, wohl aber durch den weißlichen?
Ja, man spricht gar nicht von einem 'weißlichen Schein'!
15. Wenn bei einer gewissen Beleuchtung alles weiblich aussähe, so würden wir nicht schließen, das Leuchtende müsse weiß ausschaun.
16. Die phänomenologische Analyse (wie sie z.B. Goethe wollte) ist eine Begriffsanalyse und kann der Physik weder beistimmen, noch widersprechen.
17. Wie aber, wenn es irgendwo so wäre: das Licht eines weißglühenden Körpers ließe die Sachen hell aber weiblich, also farbschwach, erscheinen, das Licht eines rotglühenden rötlich, etc.? (Nur eine unsichtbare, dem Auge nicht wahrnehmbare Quelle, ließe sie in Farben leuchten.)
18. Ja, wie wenn die Dinge nur dann in ihren Farben leuchteten, wenn, in unserm Sinne, ''kein'' Licht auf sie fällt, wenn z.B. der Himmel ''schwarz'' wäre? Könnte man dann nicht sagen: nur bei schwarzem Licht erscheinen uns die vollen Farben?
19. Aber wäre hier nicht ein Widerspruch?
20. Ich ''sehe'' nicht, daß die Farben der Körper Licht in mein Auge reflektieren.