Bemerkungen über die Farben: Difference between revisions

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95. In meinem Zimmer um mich her sind verschieden gefärbte Gegenstände. Es ist leicht, ihre Farben anzugeben. Wenn ich aber gefragt würde, welche Farbe ich jetzt von hier aus, an ''dieser'' Stelle meines Tisches etwa, sehe, so könnte ich darauf nicht antworten; die Stelle ist weißlich (weil der braune Tisch hier von der hellen Wand aufgehellt wird), sie ist jedenfalls weit heller als das Übrige des Tisches, aber ich könnte nicht aus Farbmustern eins auswählen, das die gleiche Färbung hätte wie diese Stelle des Tisches.
95. In meinem Zimmer um mich her sind verschieden gefärbte Gegenstände. Es ist leicht, ihre Farben anzugeben. Wenn ich aber gefragt würde, welche Farbe ich jetzt von hier aus, an ''dieser'' Stelle meines Tisches etwa, sehe, so könnte ich darauf nicht antworten; die Stelle ist weißlich (weil der braune Tisch hier von der hellen Wand aufgehellt wird), sie ist jedenfalls weit heller als das Übrige des Tisches, aber ich könnte nicht aus Farbmustern eins auswählen, das die gleiche Färbung hätte wie diese Stelle des Tisches.
96. Daß es mir – oder Allen – so scheint, daraus folgt nicht, daß es so ist.
Also: Daraus, daß uns Allen dieser Tisch braun erscheint, folgt nicht, daß er braun ist. Aber was heißt es nur: "Dieser Tisch ist am Ende doch nicht braun"? – So folgt also doch daraus, daß er uns braun erscheint, daß er braun ist?
97. ''Nennen'' wir nicht eben den Tisch braun, der dem Normalsichtigen unter gewissen Umständen braun erscheint? Wir könnten uns freilich jemand denken, dem die Dinge unabhängig von ihrer Farbe einmal so, einmal so gefärbt schienen.
98. Daß es den Menschen so scheint, ist ihr Kriterium dafür, daß es so ''ist''.
99. So scheinen und so sein mag freilich in Ausnahmsfällen von einander unabhängig sein, aber das macht sie nicht logisch unabhängig; das Sprachspiel liegt nicht in der Ausnahme.
100. ''Goldig'' ist eine Oberflächen-farbe.
101. Wir haben ''Vorurteile'' die Verwendung der Wörter betreffend.
102. Auf die Frage "Was bedeutet 'rot', 'blau', 'schwarz', 'weiß'?", können wir freilich gleich auf Dinge, die so gefärbt sind, zeigen, – aber das ist auch alles: weiter geht unsre Fähigkeit die Bedeutungen zu erklären nicht.
103. Im übrigen machen wir uns von ihnen keine, oder eine ganz rohe, zum Teil falsche Vorstellung.
104. 'Dunkel' und 'schwärzlich' sind nicht der gleiche Begriff.
105. Runge sagt, das Schwarz 'schmutzt': was heißt das? Ist das eine Wirkung des Schwarzen auf's Gemüt? Ist hier eine ''Wirkung'' der Beimischung der schwarzen Farbe gemeint?
106. Worin liegt es, daß ein dunkles Gelb nicht als 'schwärzlich' empfunden werden muß, auch wenn wir es dunkel nennen?
Die Logik der Farbbegriffe ist eben viel komplizierter als es scheinen möchte.
107. Die Begriffe 'matt' und 'glänzend'. Wenn man sich unter 'Farbe' etwas denkt, was die Eigenschaft eines Punktes im Raum ist, dann haben die Begriffe matt und glänzend keinen Bezug auf diese Farbbegriffe.
108. Die erste 'Lösung' für das Problem der Farben, die uns einfällt, ist daß die 'reinen' Farbbegriffe sich auf Punkte oder unteilbare kleine Flecken im Raum beziehen. Frage: wie sind die Farben zweier solchen Punkte zu vergleichen? Einfach indem man den Blick von dem einem zum andern wendet? Oder durch den Transport eines farbigen Gegenstands? Wenn dieses, wie weiß man, daß dieser Gegenstand seine Farbe dabei nicht geändert hat; wenn jenes, wie kann man die Farbpunkte mit einander vergleichen, ohne daß der Vergleich durch ihre Umgebung beeinflußt wird?
109. Ich könnte mir einen Logiker vorstellen, der erzählt, er sei jetzt dahin gelangt, daß er 2 × 2 = 4 ''wirklich denken'' könne.
110. Wenn du dir über die Rolle der Logik in den Farbbegriffen nicht klar bist, beginne mit dem einfachen Fall eines gelblichen Rot, z.B.. Dies gibt es, daran zweifelt niemand. Wie lerne ich den Gebrauch des Wortes "gelblich"? Durch Sprachspiele des Ordnens z.B.
Ich kann also lernen, in Übereinstimmung mit andern, gelbliche und gelblichere Rot, Grün, Braun und Weiß zu erkennen.
Dabei mache ich selbstständige Schritte wie in der Arithmetik. Die Aufgabe, ein gelbliches Blau zu finden, mag der Eine durch ein Grünblau lösen, der Andre nicht verstehen. Wovon hängt das ab?
111. ''Ich'' sage Grünblau enthält ''kein'' Gelb; wenn mir ein Andrer sagt, doch, es enthält Gelb, wer hat Recht? Wie ist es zu prüfen? Unterscheiden sich die beiden nur durch ihre Worte? – Wird nicht der Eine ein reines Grün anerkennen, das weder zum Blauen noch zum Gelben neigt? Und was ist der Nutzen hievon? In welchen Sprachspielen läßt sich das verwenden? – Er wird jedenfalls die Aufgabe lösen können, grüne Dinge auszusondern, die ''nichts'' Gelbliches haben, und solche, die ''kein'' Blau enthalten. Darin wird der Trennungspunkt 'Grün' bestehen, den der Andre nicht kennt.
112. Der Eine wird ein Sprachspiel erlernen können, das der Andre nicht erlernen kann. Und ''darin muß'' ja auch alle Art der Farbenblindheit bestehen. Denn könnte der 'Farbenblinde' die Sprachspiele des Normalen lernen, warum sollte man ihn von gewissen Berufen ausschließen?
113. Hätte man also Runge auf diesen Unterschied von Grün und Orange aufmerksam gemacht, so hätte er vielleicht die Idee, es gäbe nur ''drei'' Grundfarben, aufgegeben.
114. Inwiefern nun gehört, ob einer ein Spiel erlernen oder nicht erlernen kann, der Logik und nicht der Psychologie an?
115. Ich sage: Wer ''dies'' Spiel nicht spielen kann, hat ''diesen'' Begriff nicht.
116. Wer hat den Begriff 'morgen'? Von wem sagen wir, er hätte ihn?
117. Ich sah auf einer Photographie einen Buben mit glatt zurückgekämmtem blondem Haar und einer schmutzigen hellen Jacke und einen Mann mit dunklem Haar vor einer Maschine stehen, die zum Teil aus schwarz gestrichenen Gußteilen, teils aus bearbeiteten, glatten Wellen, Zahnrädern u.a. bestand, und daneben ein Gitter aus hellem verzinktem Draht. Das bearbeitete Eisen hatte Eisenfarbe, das Haar des Jungen war blond, die Gußteile schwarz, das Gitter zinkfarbig, obgleich alles nur durch hellere und dunklere Töne des photographischen Papiers dargestellt war.
118. Es mag Geistesschwache geben, denen man den Begriff 'morgen' nicht beibringen kann, oder den Begriff 'ich', oder das Ablesen der Uhrzeit. Er würde den Gebrauch des Wortes "morgen" nicht erlernen etc.
119. Wem kann ich nun mitteilen, ''was'' dieser Geistesschwache nicht erlernen kann? Nicht nur dem, der es selbst erlernt hat? Kann ich Einem nicht mitteilen, der und der könnte höhere Mathematik nicht erlernen, auch wenn jener sie nicht beherrscht? Und doch: weiß er, wer höhere Mathematik gelernt hat, nicht genauer? Versteht nicht der das Wort "Schach" anders, der das Spiel gelernt hat, als der es nicht kann? Was nennt man "eine Technik beschreiben"?