Bemerkungen über die Farben: Difference between revisions

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119. Wem kann ich nun mitteilen, ''was'' dieser Geistesschwache nicht erlernen kann? Nicht nur dem, der es selbst erlernt hat? Kann ich Einem nicht mitteilen, der und der könnte höhere Mathematik nicht erlernen, auch wenn jener sie nicht beherrscht? Und doch: weiß er, wer höhere Mathematik gelernt hat, nicht genauer? Versteht nicht der das Wort "Schach" anders, der das Spiel gelernt hat, als der es nicht kann? Was nennt man "eine Technik beschreiben"?
119. Wem kann ich nun mitteilen, ''was'' dieser Geistesschwache nicht erlernen kann? Nicht nur dem, der es selbst erlernt hat? Kann ich Einem nicht mitteilen, der und der könnte höhere Mathematik nicht erlernen, auch wenn jener sie nicht beherrscht? Und doch: weiß er, wer höhere Mathematik gelernt hat, nicht genauer? Versteht nicht der das Wort "Schach" anders, der das Spiel gelernt hat, als der es nicht kann? Was nennt man "eine Technik beschreiben"?
120. Oder so: Haben der Normalsehende und der Farbenblinde den gleichen Begriff der Farbenblindheit?
Und doch versteht der Farbenblinde die Aussage "Ich bin farbenblind" und auch die gegenteilige.
Ein Farbenblinder kann nicht nur unsre Farbnamen sondern auch das Wort "farbenblind" nicht ganz so verwenden lernen wie ein Normaler. Er kann z.B. die Farbenblindheit nicht immer feststellen, wo der Normale es kann.
121. Und wem kann ich beschreiben, was ''wir'' Normalen alles erlernen können?
Auch das Verstehen der Beschreibung setzt schon voraus, daß er etwas gelernt hat.
122. Wie kann ich Einem beschreiben, wie wir das Wort "morgen" gebrauchen? Ich kann ein Kind dies ''lehren''; aber das heißt nicht, ihm den Gebrauch beschreiben.
Aber kann ich doch die Praxis von Leuten beschreiben, die einen Begriff haben, z.B. 'rötlichgrün', den wir nicht besitzen? – Ich kann diese Praxis doch jedenfalls niemand ''lehren''.
123. Kann ich denn auch nur sagen: "Diese Leute nennen ''dies'' (ein Braun etwa) rötlichgrün"? Wäre es dann eben nur ein andres Wort für etwas, wofür auch ich eins habe? Wenn sie wirklich einen anderen Begriff haben als ich, so muß sich das darin zeigen, daß ich mich in ihrem Wortgebrauch nicht ganz auskenne.
124. Ich habe aber doch immer wieder gesagt, man könnte sich denken, daß unsre Begriffe anders wären, als sie sind. War das alles Unsinn?
11.4
125. Die Goethesche Lehre von der Entstehung des Spektrums ist nicht eine Theorie der Entstehung, eine die sich als ungenügend erwiesen hat, sondern eigentlich gar keine Theorie. Es läßt sich durch sie ''nichts'' vorhersagen. Sie ist eher ein vages Denkschema nach Art derer, die wir in James's Psychologie finden. Es gibt für die Goethesche Farbenlehre kein experimentum crucis.
Wer mit Goethe übereinstimmt findet, daß Goethe die ''Natur'' der Farbe richtig erkannt hat. Und die 'Natur' ist hier nicht eine Summe von Erfahrungen, die Farben betreffend, sondern [liegt] im Begriff der Farbe.
126. Eins war Goethe klar: Aus Dunkelheiten kann sich kein Helles zusammensetzen – wie eben aus mehr und mehr Schatten nicht Licht entsteht. Das aber ließe sich so ausdrücken: Wenn man z.B. Lila ein "rötlich-weißlich-blau" nennt, oder Braun ein "rötlich-schwärzlich-gelb", so kann man nun Weiß ''kein'' "gelblich-rötlich-grünlich-blau" (oder dergleichen) nennen. Und ''das'' wird auch von Newton nicht bewiesen. Weiß ist nicht in ''diesem'' Sinne eine Mischfarbe.
12.4
127. 'Die Farben', das sind nicht Dinge, die bestimmte Eigenschaften haben, so daß man ohne weiteres nach Farben suchen, sich Farben vorstellen könnte, die wir noch nicht kennen, oder uns jemand vorstellen können, der andere kennt als wir. Es ist schon möglich, daß wir unter gewissen Umständen sagen würden, Lcute kennten Farben, die wir nicht kennen, aber gezwungen sind wir zu diesem Ausdruck nicht. Denn es ist nicht gesagt, was wir als ausreichende Analogien zu unsern Farben anschen sollen, um das sagen zu können. Es ist hier ähnlich, wie wenn man von infrarotem '''Licht''<nowiki/>' spricht; es ist guter Grund dafür, es zu tun, aber man kann dies auch für einen Mißbrauch erklären.
Und ähnlich geht es mit meinem Begriffe: 'im Körper des Andern Schmerzen haben'.
128. Ein Stamm von lauter Farbenblinden könnte sehr wohl leben; aber hätten sie alle unsre Farbnamen entwickelt, und wie entspräche ihre Nomenklatur der unsern? Wie sähe hier die ihnen natürliche Sprache aus?? Wissen wir's? Hätten sie vielleicht drei Grundfarben: Blau, Gelb und ein Drittes, was die Stelle von Rot und Grün einnimmt? – Wie, wenn wir so einem Stamm begegneten und seine Sprache lernen wollten? Wir würden da auf gewisse Schwierigkeiten stoßen.
129. Könnte es nicht Menschen geben, die unsre Ausdruckweise, daß Orange ein rötliches Gelb ist (etc.) nicht verstünden und die nur dort geneigt wären, so etwas zu sagen, wo ein Orange (z.B.) in einem wirklichen Farbübergang von Rot nach Gelb vorkommt? Und für solche könnte es auch leicht ein rötliches Grün geben.
Sie könnten also nicht 'die Mischfarbe analysieren', unsern Gebrauch von X-lich Y nicht erlernen. (Ähnlich Menschen ohne absolutes Gehör.)
130. Und wie wäre es mit den Menschen, die nur Farb-Form Begriffe hätten? Soll ich von ihnen sagen, sie ''sähen'' nicht, daß ein grünes Blatt und ein grüner Tisch, wenn ich ihnen diese zeige, die gleiche Farbe haben, oder: daß sie etwas gemein haben? Wie, wenn sie 'darauf nicht verfallen sind' verschieden geformte gleichfärbige Gegenstände mit einander zu vergleichen? Dieser Vergleich hatte, in Folge ihrer besonderen Umgebung, keine Wichtigkeit für sie, oder nur ganz ausnahmsweise Wichtigkeit, so daß es zur Bildung eines Sprachinstruments nicht kam.
131. Ein Sprachspiel: Über die größere Helligkeit oder Dunkelheit von Körpern berichten. – Aber nun gibt es ein damit ''verwandtes'': über das Verhältnis der Helligkeiten bestimmter ''Farben'' auszusagen. (Zu vergleichen: Verhältnis der Längen zwei bestimmter Stäbe – Verhältnis zwei bestimmter Zahlen).
Die Form der Sätze in beiden ist die gleiche (“X heller als Y<nowiki>''</nowiki>). Aber im ersten Sprachspiel sind sie zeitlich, im zweiten unzeitlich.
132. In einer bestimmten Bedeutung von "weiß" ist Weiß die hellste aller Farben.
In einem Bild, in welchem ein Stück weißes Papier seine Hellig. keit vom blauen Himmel kriegt, ist dieser heller als das Weiße. Und doch ist, in anderm Sinne, Blau die dunklere, Weiß die hellere Farbe (Goethe). Von einem Weiß und einem Blau auf der Palette, wäre dies heller als jenes. Auf der Palette ist das Weiß die hellste Farbe.
133. Ich mag mir ein bestimmtes Grau-grün so einprägen, daß ich es ohne ein Muster immer richtig wiedererkenne. Das reine Rot (Blau etc.) aber kann ich mir sozusagen immer wieder konstruieren. Es ist eben ein Rot, welches weder auf die eine noch auf die andre Seite neigt, und ich erkenne es ohne ein Muster, wie z.B. den rechten Winkel im Gegensatz zu einem beliebigen spitzen oder stumpfen.
134. In diesem Sinne gibt es nun vier (oder mit Weiß und Schwarz sechs) reine Farben.
135. Eine ''Naturgeschichte'' der Farben müßte über ihr Vorkommen in der Natur berichten, nicht über ihr ''Wesen''. Ihre Sätze müßten zeitliche Sätze sein.
136. Nach Analogie mit den andern Farben müßte eine schwarze Zeichnung auf weißem Grunde, gesehen durch ein durchsichtiges ''weißes'' Glas, unverändert als schwarze Zeichnung auf weißem Grunde erscheinen. Denn Schwarz muß Schwarz bleiben und Weiß, da es auch die Farbe des durchsichtigen Körpers ist, bleibt unverändert.
137. Man könnte sich ein Glas denken, wodurch Schwarz als Schwarz, Weiß als Weiß und alle andern Farben als Töne von Grau gesehen werden; sodaß, dadurch gesehen, alles wie auf einer Photographie ausschaut.
Aber warum sollte ich das "weißes Glas" nennen?
138. Die Frage ist: Ist die Bildung 'ein durchsichtiger weißer Körper' wie die 'regelmäßiges Zweieck'?
139. Ich kann einen Körper betrachten und etwa eine matte weiße Fläche ''sehen'', d.h. den ''Eindruck'' so einer Fläche erhalten, oder den ''Eindruck'' der Durchsichtigkeit (ob sie nun vorhanden ist oder nicht). Dieser Eindruck mag durch die Verteilung der Farben hervorgebracht werden und an ihm sind Weiß und die andern Farben nicht in ''gleicher'' Weise beteiligt.
(Ich habe eine grünlich angestrichene Blechkuppel für durch scheinendes grünliches Glas gehalten, ohne zur Zeit zu wissen, welche Besonderheit der Farbenverteilung diesen Schein hervorbrachte.)
140. Und in dem Gesichtseindruck eines durchsichtigen Körpers kann wohl Weiß vorkommen, z. B. als Spiegelung, als Glanzlicht. D.h.: Wenn der Eindruck als durchsichtig empfunden wird, wird das Weiß, was wir sehen, eben nicht als Weiß des Körpers ''gedeutet''.
141. Ich schaue durch ein durchsichtiges Glas: folgt daraus, daß ich nicht Weiß sehe? Nein, aber ich sehe nicht das Glas als weiß. Aber wie geht das zu? Es kann auf verschiedene Weise zugehen. Ich mag das Weiß mit ''beiden'' Augen als dahinterliegend sehen. Aber ich mag das Weiß auch einfach durch seine ''Stellung'' als Glanz sehen (auch wenn es vielleicht kein Glanz ist). Und doch handelt sich's hier um cin Sehen, nicht nur um ein Dafürhalten. Und es ist auch gar nicht zweiäugiges Sehen nötig, um etwas als ''hinter'' dem Glas liegend zu sehen.
142. Die verschiedenen Farben haben mit dem ''räumlichen'' Sehen nicht alle den gleichen Zusammenhang.
143. Und es ist gleichgültig, ob man dies durch die in der Kindheit von uns gesammelte Erfahrung erklärt, oder nicht.
144. Jener Zusammenhang ist wohl der zwischen Räumlichkeit und Licht und Schatten.
145. Man kann auch nicht sagen, Weiß sei wesentlich die Eigenschaft einer – visuellen – Oberfläche. Denn es wäre denkbar, das Weiß nur als Glanzlicht vorkäme, oder als Farbe einer Flamme.
146. Ja es kann auch ein in Wirklichkeit durchsichtiger Körper uns weiß erscheinen; aber er kann uns nicht als weiß und durchsichtig erscheinen.
147. Das aber sollte man nicht so ausdrücken: Weiß sei keine durchsichtige Farbe.
148. 'Durchsichtig' ließe sich mit 'spiegelnd' vergleichen.
149. Ein Element des Gesichtsraums kann weiß oder rot sein, aber weder durchsichtig noch undurchsichtig.
150. Durchsichtigkeit und Spiegeln gibt es nur in der Tiefendimension eines Gesichtsbildes.
151. Warum kann eine visuell einfarbige Ebene im Gesichtsfeld nicht bernsteinfarbig (amber) sein? Dies Farbwort bezieht sich auf ein durchsichtiges Medium; wenn daher ein Maler ein Glas mit bernsteinfarbenem Wein malt, so könnte man etwa die Fläche des Bildes, die es darstellt, "bernsteinfarbe" nennen, aber nicht ein einfarbiges Element dieser Fläche.
152. Könnten nicht auch glänzendes Schwarz und mattes Schwarz verschiedene Farbnamen haben?
153. Von etwas, was durchsichtig ausschaut, sagen wir nicht, es schaue weiß aus.
154. "Kann man sich nicht denken, daß Menschen eine andere Farbengeometrie hätten als wir?" – D.h. doch: Kann man sich nicht Menschen mit andern Farbbegriffen denken als den unsern; und das heißt wieder: Kann man sich nicht vorstellen, daß Menschen unsre Farbbegriffe ''nicht'' haben, und daß sie Begriffe ''haben'', die mit unsern Farbbegriffen in solcher Weise verwandt sind, daß wir sie auch "Farbbegriffe" nennen möchten?