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Wie aber, wenn man von mir verlangte, den genauen Farbton anzugeben, den ich dort sehe? – Wie soll er angegeben werden, und wie bestimmt werden? Man könnte verlangen, daß ich ein Farbmuster (ein rechteckiges Stück Papier von dieser Farbe) herstelle. Ich sage nicht, daß ein solcher Vergleich ohne jedes Interesse wäre, aber er zeigt uns, daß nicht von vornherein klar ist, wie Farbtöne zu vergleichen sind und was "Gleichheit der Farbe" bedeutet. | Wie aber, wenn man von mir verlangte, den genauen Farbton anzugeben, den ich dort sehe? – Wie soll er angegeben werden, und wie bestimmt werden? Man könnte verlangen, daß ich ein Farbmuster (ein rechteckiges Stück Papier von dieser Farbe) herstelle. Ich sage nicht, daß ein solcher Vergleich ohne jedes Interesse wäre, aber er zeigt uns, daß nicht von vornherein klar ist, wie Farbtöne zu vergleichen sind und was "Gleichheit der Farbe" bedeutet. | ||
{{ParFarben|part=1 |paragraph=60}} Denken wir uns ein Gemälde in kleine, annäherend einfärbige Stücke zerschnitten und diese dann als Steine eines | {{ParFarben|part=1 |paragraph=60}} Denken wir uns ein Gemälde in kleine, annäherend einfärbige Stücke zerschnitten und diese dann als Steine eines Zusammenlegspiels verwendet. Auch wo ein solcher Stein nicht einfarbig ist, soll er keine räumliche Form andeuten, sondern einfach als flacher Farbfleck erscheinen. Erst im Zusammenhang mit den andern wird er ein Stück blauen Himmels, ein Schatten, ein Glanz, durchsichtig oder undurchsichtig, etc. Zeigen uns die einzelnen Steine die ''eigentlichen Farben'' der Stellen des Bildes? | ||
{{ParFarben|part=1 |paragraph=61}} Man neigt dazu, zu glauben, die Analyse unsrer Farbbegriffe führe am Ende zu den ''Farben von Stellen'' unsres Gesichtsbilds, welche nun von jeder räumlichen oder physikalischen Deutung unabhängig sind; denn hier gibt es weder Beleuchtung, noch Schatten, noch Glanz, etc., etc. | {{ParFarben|part=1 |paragraph=61}} Man neigt dazu, zu glauben, die Analyse unsrer Farbbegriffe führe am Ende zu den ''Farben von Stellen'' unsres Gesichtsbilds, welche nun von jeder räumlichen oder physikalischen Deutung unabhängig sind; denn hier gibt es weder Beleuchtung, noch Schatten, noch Glanz, etc., etc. | ||
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{{ParFarben|part=1 |paragraph=72}} Eins war für Goethe unumstößlich klar: Aus Dunkelheiten kann sich kein Helles zusammensetzen – wie aus mehr und mehr Schatten kein Licht entsteht. Und dies ließe sich so ausdrücken: Wenn man Lila ein weißlich-rötlich-Blau nennt, oder Braun ein schwärzlich-rötlich-Gelb, – so kann man nun Weiß ''kein'' gelblich-rötlich-grünlich-Blau, oder dergleichen, nennen. Weiß ist nicht eine ''Zwischenfarbe'' anderer Farben. Und ''das'' können Versuche mit dem Spektrum weder bekräftigen noch widerlegen. Es wäre aber auch falsch zu sagen "Schau Dir die Farben nur in der Natur an, und Du wirst sehen, daß es so ist." Denn über die Begriffe der Farben wird man durch Schauen nicht belehrt. | {{ParFarben|part=1 |paragraph=72}} Eins war für Goethe unumstößlich klar: Aus Dunkelheiten kann sich kein Helles zusammensetzen – wie aus mehr und mehr Schatten kein Licht entsteht. Und dies ließe sich so ausdrücken: Wenn man Lila ein weißlich-rötlich-Blau nennt, oder Braun ein schwärzlich-rötlich-Gelb, – so kann man nun Weiß ''kein'' gelblich-rötlich-grünlich-Blau, oder dergleichen, nennen. Weiß ist nicht eine ''Zwischenfarbe'' anderer Farben. Und ''das'' können Versuche mit dem Spektrum weder bekräftigen noch widerlegen. Es wäre aber auch falsch zu sagen "Schau Dir die Farben nur in der Natur an, und Du wirst sehen, daß es so ist." Denn über die Begriffe der Farben wird man durch Schauen nicht belehrt. | ||
{{ParFarben|part=1 |paragraph=73}} Ich kann mir nicht denken, daß Goethes Bemerkungen über die Charaktere der Farben und Farbenzusammenstellungen für den Maler nützlich sein können; kaum für den Dekorateur. Die Farbe eines blutunterlaufenen Auges könnte als Farbe eines Wandbehangs prächtig wirken. Wer vom Charakter einer Farbe redet, denkt dabei immer nur an ''eine'' bestimmte Art ihrer Verwendung | {{ParFarben|part=1 |paragraph=73}} Ich kann mir nicht denken, daß Goethes Bemerkungen über die Charaktere der Farben und Farbenzusammenstellungen für den Maler nützlich sein können; kaum für den Dekorateur. Die Farbe eines blutunterlaufenen Auges könnte als Farbe eines Wandbehangs prächtig wirken. Wer vom Charakter einer Farbe redet, denkt dabei immer nur an ''eine'' bestimmte Art ihrer Verwendung. | ||
{{ParFarben|part=1 |paragraph=74}} Gäbe es eine Harmonielehre der Farben, so würde sie etwa mit einer Einteilung der Farben in Gruppen anfangen und gewisse Mischungen, oder Nachbarschaften verbieten, andre erlauben. Und sie würde, wie die Harmonielehre, ihre Regeln nicht begründen. | {{ParFarben|part=1 |paragraph=74}} Gäbe es eine Harmonielehre der Farben, so würde sie etwa mit einer Einteilung der Farben in Gruppen anfangen und gewisse Mischungen, oder Nachbarschaften verbieten, andre erlauben. Und sie würde, wie die Harmonielehre, ihre Regeln nicht begründen. | ||
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{{ParFarben|part=1 |paragraph=80}} Die Psychologie beschreibt, was beobachtet wurde. | {{ParFarben|part=1 |paragraph=80}} Die Psychologie beschreibt, was beobachtet wurde. | ||
{{ParFarben|part=1 |paragraph=81}} Kann man dem Blindem beschreiben, wie das ist, wenn Einer ''sieht''? – Doch. Ein Blinder lernt manches über den Unterschied des Blinden vom Sehenden. Aber die Frage war schlecht gestellt; als wäre Sehen eine Tätigkeit und es gäbe von ihr eine Beschreibung | {{ParFarben|part=1 |paragraph=81}} Kann man dem Blindem beschreiben, wie das ist, wenn Einer ''sieht''? – Doch. Ein Blinder lernt manches über den Unterschied des Blinden vom Sehenden. Aber die Frage war schlecht gestellt; als wäre Sehen eine Tätigkeit und es gäbe von ihr eine Beschreibung. | ||
{{ParFarben|part=1 |paragraph=82}} Ich kann doch Farbenblindheit beobachten; warum also Sehen nicht? – Ich kann beobachten, welche Farburteile ein Farbenblinder – oder auch ein Normalsichtiger – ''unter gewissen Umständen'' fällt. | {{ParFarben|part=1 |paragraph=82}} Ich kann doch Farbenblindheit beobachten; warum also Sehen nicht? – Ich kann beobachten, welche Farburteile ein Farbenblinder – oder auch ein Normalsichtiger – ''unter gewissen Umständen'' fällt. | ||
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{{ParFarben|part=3 |paragraph=33}} Hier möchte ich eine allgemeine Bemerkung über die Natur der philosophischen Probleme machen. Die philosophische Unklarheit ist quälend. Sie wird als beschämend empfunden. Man fühlt: man kennt sich nicht aus, wo man sich auskennen ''sollte''. Und dabei ''ist'' es doch nicht so. Wir können sehr wohl leben, ohne diese Unterscheidungen, auch ohne sich hier auszukennen. | {{ParFarben|part=3 |paragraph=33}} Hier möchte ich eine allgemeine Bemerkung über die Natur der philosophischen Probleme machen. Die philosophische Unklarheit ist quälend. Sie wird als beschämend empfunden. Man fühlt: man kennt sich nicht aus, wo man sich auskennen ''sollte''. Und dabei ''ist'' es doch nicht so. Wir können sehr wohl leben, ohne diese Unterscheidungen, auch ohne sich hier auszukennen. | ||
{{ParFarben|part=3 |paragraph=34}} Wie hängen Farbenmischung und "Zwischenfarbe zusammen? Man kann offenbar von Zwischenfarben in einem Sprachspiel reden, worin Farben gar nicht durch Mischung erzeugt werden, sondern nur vorhandene Farbtöne ''gewählt'' werden. | {{ParFarben|part=3 |paragraph=34}} Wie hängen Farbenmischung und "Zwischenfarbe" zusammen? Man kann offenbar von Zwischenfarben in einem Sprachspiel reden, worin Farben gar nicht durch Mischung erzeugt werden, sondern nur vorhandene Farbtöne ''gewählt'' werden. | ||
Und doch ist ''ein'' Gebrauch des Begriffes der Zwischenfarbe auch, die Farbenmischung zu erkennen, die einen Farbton erzeugt. | Und doch ist ''ein'' Gebrauch des Begriffes der Zwischenfarbe auch, die Farbenmischung zu erkennen, die einen Farbton erzeugt. | ||
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Darum waren die Farben für Goethe Schatten. | Darum waren die Farben für Goethe Schatten. | ||
{{ParFarben|part=3 |paragraph=58}} Es scheint einen fundamentalern | {{ParFarben|part=3 |paragraph=58}} Es scheint einen fundamentalern Farbbegriff zu geben, als den der Oberflächenfarbe. Er wäre, möchte man denken, darzustellen entweder durch kleine farbige Elemente des Gesichtsfeldes, oder durch leuchtende Punkte nach Art der Sterne. Aus diesen Punktfarben, oder kleinen Farbflecken setzten sich auch die größeren farbigen Ausdehnungen zusammen. So daß man also den Farbeindruck von einer Oberfläche beschreiben könnte, indem man die vielen kleinen Farbflecken in ihren Lagen angäbe. | ||
Aber wie soll man z.B. so ein kleines Farbmuster mit einem Stück der größeren Oberfläche vergleichen? Welche Umgebung soll das Farbmuster haben? | Aber wie soll man z.B. so ein kleines Farbmuster mit einem Stück der größeren Oberfläche vergleichen? Welche Umgebung soll das Farbmuster haben? | ||
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{{ParFarben|part=3 |paragraph=84}} Wäre es denkbar, daß jemand alles, was wir weiß sehen, schwarz sähe, und umgekehrt? | {{ParFarben|part=3 |paragraph=84}} Wäre es denkbar, daß jemand alles, was wir weiß sehen, schwarz sähe, und umgekehrt? | ||
{{ParFarben|part=3 |paragraph=85}} In einem bunten Muster könnte Schwarzes und Weißes neben Rotem und Grünem etc. sein, ohne als andersartig sich abzusondern | {{ParFarben|part=3 |paragraph=85}} In einem bunten Muster könnte Schwarzes und Weißes neben Rotem und Grünem etc. sein, ohne als andersartig sich abzusondern. | ||
Nur im Farbenkreis fiele es heraus. Schon weil sich Schwarz und Weiß mit allen andern Farben mischen; besonders auch: beide mit ihrem Gegenpol. | Nur im Farbenkreis fiele es heraus. Schon weil sich Schwarz und Weiß mit allen andern Farben mischen; besonders auch: beide mit ihrem Gegenpol. | ||
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{{ParFarben|part=3 |paragraph=140}} Und in dem Gesichtseindruck eines durchsichtigen Körpers kann wohl Weiß vorkommen, z. B. als Spiegelung, als Glanzlicht. D.h.: Wenn der Eindruck als durchsichtig empfunden wird, wird das Weiß, was wir sehen, eben nicht als Weiß des Körpers ''gedeutet''. | {{ParFarben|part=3 |paragraph=140}} Und in dem Gesichtseindruck eines durchsichtigen Körpers kann wohl Weiß vorkommen, z. B. als Spiegelung, als Glanzlicht. D.h.: Wenn der Eindruck als durchsichtig empfunden wird, wird das Weiß, was wir sehen, eben nicht als Weiß des Körpers ''gedeutet''. | ||
{{ParFarben|part=3 |paragraph=141}} Ich schaue durch ein durchsichtiges Glas: folgt daraus, daß ich nicht Weiß sehe? Nein, aber ich sehe nicht das Glas als weiß. Aber wie geht das zu? Es kann auf verschiedene Weise zugehen. Ich mag das Weiß mit ''beiden'' Augen als dahinterliegend sehen. Aber ich mag das Weiß auch einfach durch seine ''Stellung'' als Glanz sehen (auch wenn es vielleicht kein Glanz ist). Und doch handelt sich's hier um | {{ParFarben|part=3 |paragraph=141}} Ich schaue durch ein durchsichtiges Glas: folgt daraus, daß ich nicht Weiß sehe? Nein, aber ich sehe nicht das Glas als weiß. Aber wie geht das zu? Es kann auf verschiedene Weise zugehen. Ich mag das Weiß mit ''beiden'' Augen als dahinterliegend sehen. Aber ich mag das Weiß auch einfach durch seine ''Stellung'' als Glanz sehen (auch wenn es vielleicht kein Glanz ist). Und doch handelt sich's hier um ein Sehen, nicht nur um ein Dafürhalten. Und es ist auch gar nicht zweiäugiges Sehen nötig, um etwas als ''hinter'' dem Glas liegend zu sehen. | ||
{{ParFarben|part=3 |paragraph=142}} Die verschiedenen Farben haben mit dem ''räumlichen'' Sehen nicht alle den gleichen Zusammenhang. | {{ParFarben|part=3 |paragraph=142}} Die verschiedenen Farben haben mit dem ''räumlichen'' Sehen nicht alle den gleichen Zusammenhang. | ||
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Der Unterschied zwischen Schwarz und, etwa einem dunkeln Violett ist ähnlich dem zwischen dem Klang der großen Trommel und dem Klang einer Pauke. Vom ersten sagt man, es sei ein Geräusch, kein Ton. Es ist matt und ganz schwarz. | Der Unterschied zwischen Schwarz und, etwa einem dunkeln Violett ist ähnlich dem zwischen dem Klang der großen Trommel und dem Klang einer Pauke. Vom ersten sagt man, es sei ein Geräusch, kein Ton. Es ist matt und ganz schwarz. | ||
{{ParFarben|part=3 |paragraph=157}} | {{ParFarben|part=3 |paragraph=157}} Sieh dein Zimmer am späten Abend an, wenn Farben kaum mehr zu unterschieden sind; und nun mach Licht und male was du im Dämmerlicht gesehen hast. Es gibt Bilder von Gegenden oder Räumen im Halbdunkel: Aber wie vergleicht man die Farben auf so einem Bild mit den im Halbdunkel gesehenen? Wie verschieden ist diese Vergleichung von der zweier Farbmuster, die ich zugleich vor mir habe und zum Vergleich aneinander lege! | ||
{{ParFarben|part=3 |paragraph=158}} Was läßt sich dafür sagen, daß Grün eine primäre Farbe ist und keine Mischfarbe von Blau und Gelb? Wäre diese Antwort richtig hier: "Man kann das nur direkt erkennen, indem man die Farben betrachtet"? Aber wie weiß ich, daß ich dasselbe mit den Worten "primäre Farbe" meine wie ein Andrer, der auch geneigt ist, Grün eine primäre Farbe zu nennen? Nein, hier gibt es Sprachspiele, die diese Frage entscheiden. | {{ParFarben|part=3 |paragraph=158}} Was läßt sich dafür sagen, daß Grün eine primäre Farbe ist und keine Mischfarbe von Blau und Gelb? Wäre diese Antwort richtig hier: "Man kann das nur direkt erkennen, indem man die Farben betrachtet"? Aber wie weiß ich, daß ich dasselbe mit den Worten "primäre Farbe" meine wie ein Andrer, der auch geneigt ist, Grün eine primäre Farbe zu nennen? Nein, hier gibt es Sprachspiele, die diese Frage entscheiden. | ||
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{{ParFarben|part=3 |paragraph=273}} Im Film, wie auf der Photographie, sehen Gesicht und Haare nicht ''grau'' aus, sie machen einen ganz natürlichen Eindruck; Speisen auf einer Schüssel dagegen sehen im Film oft grau und darum unappetitlich aus. | {{ParFarben|part=3 |paragraph=273}} Im Film, wie auf der Photographie, sehen Gesicht und Haare nicht ''grau'' aus, sie machen einen ganz natürlichen Eindruck; Speisen auf einer Schüssel dagegen sehen im Film oft grau und darum unappetitlich aus. | ||
{{ParFarben|part=3 |paragraph=274}} Was heißt es aber, Haar sehe auf der Photographie blond aus? Wie zeigt sich's daß es so ''aussieht'' und auf die Farbe nicht nur ''geschlossen'' wird? Welche unsrer Reaktionen läßt uns das sagen? – | {{ParFarben|part=3 |paragraph=274}} Was heißt es aber, Haar sehe auf der Photographie blond aus? Wie zeigt sich's daß es so ''aussieht'' und auf die Farbe nicht nur ''geschlossen'' wird? Welche unsrer Reaktionen läßt uns das sagen? – Sieht denn ein Kopf in Stein oder Gips nicht weiß aus? | ||
{{ParFarben|part=3 |paragraph=275}} Wenn selbst das Wort "blond" blond ''klingen'' kann, wie viel eher können die photographierten Haare blond ausschauen! | {{ParFarben|part=3 |paragraph=275}} Wenn selbst das Wort "blond" blond ''klingen'' kann, wie viel eher können die photographierten Haare blond ausschauen! | ||
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Aber kann nicht der Psychologe den Unterschied zwischen dem Benehmen des Sehenden und des Blinden beobachten? (Der Meteorologe den Unterschied zwischen Regen und Trockenheit?) Man könnte doch z.B. den Unterschied des Benehmens beobachten von Ratten, denen man die Barthaare genommen hat, und von unverstümmelten. Und das könnte man nennen vielleicht, die Rolle dieses Tastapparates zu beschreiben – {{Check}}Das Leben der Blinden ist anders als das Leben der Sehenden. | Aber kann nicht der Psychologe den Unterschied zwischen dem Benehmen des Sehenden und des Blinden beobachten? (Der Meteorologe den Unterschied zwischen Regen und Trockenheit?) Man könnte doch z.B. den Unterschied des Benehmens beobachten von Ratten, denen man die Barthaare genommen hat, und von unverstümmelten. Und das könnte man nennen vielleicht, die Rolle dieses Tastapparates zu beschreiben – {{Check}}Das Leben der Blinden ist anders als das Leben der Sehenden. | ||
{{ParFarben|part=3 |paragraph=320}} Der Normale kann z.B. erlernen, nach Diktat zu schreiben Was ist das? Nun, der Eine spricht, der Andre schreibt was jener spricht. Sagt er also z.B. den Laut ''a'', so schreibt der Andre das Zeichen "a" etc. – Muß nun nicht, wer diese Erklärung ''versteht'', das Spiel entweder schon gekannt haben, nur vielleicht nicht unter diesem Namen, – oder es durch die Beschreibung gelernt haben? Aber Karl der Große hat gewiß das Prinzip des Schreibens verstanden und doch nicht schreiben lernen können. So kann also auch der die Beschreibung der Technik verstehen, der diese nicht erlernen kann. Aber es gibt eben zwei Fälle des Nicht-Erlernen-Könnens. In einem erlangen wir bloß eine Fertigkeit nicht, im andern fehlt uns das Verständnis. Man kann Einem ein Spiel ''erklären'': Er mag diese Erklärung verstehen, aber das Spiel nicht erlernen können, oder unfähig sein, eine Erklärung des Spiels zu verstehen. Es ist aber auch das Umgekehrte denkbar. | {{ParFarben|part=3 |paragraph=320}} Der Normale kann z.B. erlernen, nach Diktat zu schreiben. Was ist das? Nun, der Eine spricht, der Andre schreibt was jener spricht. Sagt er also z.B. den Laut ''a'', so schreibt der Andre das Zeichen "a" etc. – Muß nun nicht, wer diese Erklärung ''versteht'', das Spiel entweder schon gekannt haben, nur vielleicht nicht unter diesem Namen, – oder es durch die Beschreibung gelernt haben? Aber Karl der Große hat gewiß das Prinzip des Schreibens verstanden und doch nicht schreiben lernen können. So kann also auch der die Beschreibung der Technik verstehen, der diese nicht erlernen kann. Aber es gibt eben zwei Fälle des Nicht-Erlernen-Könnens. In einem erlangen wir bloß eine Fertigkeit nicht, im andern fehlt uns das Verständnis. Man kann Einem ein Spiel ''erklären'': Er mag diese Erklärung verstehen, aber das Spiel nicht erlernen können, oder unfähig sein, eine Erklärung des Spiels zu verstehen. Es ist aber auch das Umgekehrte denkbar. | ||
{{ParFarben|part=3 |paragraph=321}} "Du siehst den Baum, der Blinde sieht ihn nicht." Das müßte ich einem Sehenden sagen. Und also einem Blinden: "Du siehst den Baum nicht, wir sehen ihn"? Wie wäre das, wenn der Blinde zu sehen glaubte, oder ich glaubte, ich könnte nicht sehen? | {{ParFarben|part=3 |paragraph=321}} "Du siehst den Baum, der Blinde sieht ihn nicht." Das müßte ich einem Sehenden sagen. Und also einem Blinden: "Du siehst den Baum nicht, wir sehen ihn"? Wie wäre das, wenn der Blinde zu sehen glaubte, oder ich glaubte, ich könnte nicht sehen? |