Tagebücher 1914-1916: Difference between revisions

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Nun aber die Sätze: "(∃''φ'',x). ''φ''x"
Nun aber die Sätze: "(∃''φ'',x). ''φ''x"
 
:::und "~(∃''φ'',x). ''φ''x".
und "~(∃''φ'',x). ''φ''x".


Welcher von ihnen ist tautologisch, welcher kontradiktorisch?
Welcher von ihnen ist tautologisch, welcher kontradiktorisch?
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Man kann sagen: die völlig allgemeinen Sätze kann man alle ''a priori'' bilden.  
Man kann sagen: die völlig allgemeinen Sätze kann man alle ''a priori'' bilden.  


15.10.14
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Jede Zeichenverbindung, die etwas über ihren eigen Sinn auszusagen scheint, ist ein Scheinsatz (wie alle Sätze der Logik).
Jede Zeichenverbindung, die etwas über ihren eigen Sinn auszusagen scheint, ist ein Scheinsatz (wie alle Sätze der Logik).


Der Satz soll einen Sachverhalt logisch vorbilden. Das kann er aber doch nur dadurch, daß seinen Elementen willkürlich Gegen­ stände zugeordnet wurden. Wenn dies nun im ganz allgemeinen<references />
Der Satz soll einen Sachverhalt logisch vorbilden. Das kann er aber doch nur dadurch, daß seinen Elementen willkürlich Gegen­ stände zugeordnet wurden. Wenn dies nun im ganz allgemeinen Satz nicht der Fall ist, so ist nicht einzusehen, wie er etwas außerhalb ihm darstellen soll.
 
Im Satze stellen wir – sozusagen – ''Probe'' die Dinge zusammen, wie sie sich in Wirklichkeit aber ''nicht'' zu verhalten brauchen, wir können aber nicht etwas ''Unlogisches'' zusammenstellen, denn dazu müßten wir in der Sprache aus der Logik heraus können. – Wenn aber der ganz allgemeine Satz ''nur "logische'' Konstante" enthält, so kann er für uns nicht mehr sein als – einfach – ein logisches Gebilde, und kann nicht mehr tun als uns seine eigenen logischen Eigenschaften zu zeigen. – Wenn es ganz allgemeine Sätze gibt, – ''was'' stellen wir in ihnen probeweise zusammen?? [''Vgl.'' 4.031 ''u.'' 3.03.]
 
Wenn man sich vor der Wahrheit fürchtet (wie ich jetzt), so ahnt man nie die ''volle'' Wahrheit.
 
Ich habe hier die Beziehungen der Satz-Elemente zu ihren Bedeutungen gleichsam als Fühler betrachtet, durch welche der Satz mit der Außenwelt in Berührung steht; und das Verallgemeinern eines Satzes gleicht dann dem Einziehen der Fühler; bis endlich der ganz allgemeine Satz ganz isoliert ist. Aber stimmt dieses Bild? (Ziehe ich wirklich einen Fühler ein, wenn ich statt ''φ''a, (∃x).''φ''x sage? [''Vgl.'' 2.1515.]
 
 
16. 10. 14.
 
Nun scheint es aber als sprächen genau dieselben Gründe, die ich aufführte, um zu zeigen, daß "(∃x,''φ'').φx" nicht falsch sein ''könne'', als sprächen diese Gründe auch dafür, daß "~(∃x,''φ'').''φ''x nicht falsch sein könne; und hier zeigt sich ein grundlegender Fehler. Denn es ist gar nicht einzusehen, warum gerade der erste Satz und nicht der zweite eine Tautologie sein soll. Vergiß doch nicht, daß auch die Kontradiktion "p.~p" etc. etc. nicht wahr sein kann und doch selbst ein logisches Gebilde ist.
 
Angenommen, daß keine Verneinung eines Elementarsatze wahr ist, hat in diesem Falle "Verneinung" nicht einen anderen Sinn als im entgegengesetzten Falle?
 
"(∃''φ''):(x).''φ''x" – von diesem Satz scheint es fast. gewiß, daß er weder eine Tautologie noch eine Kontradiktion ist. Hier spitzt sich das Problem unerhört zu.
 
 
17. 10. 14.
 
Wenn es ganz allgemeine Sätze gibt, so scheint es. also, als wären solche Sätze probeweise Zusammenstellungen "logischer Konstanten". (!)
 
Kann man denn aber nicht die ganze Welt vollständig mit ganz allgemeinen Sätzen beschreiben? (Das Problem zeigt sich von allen Seiten.)
 
Ja, man könnte die Welt vollständig durch ganz allgemeine Sätze beschreiben, also ganz ohne irgend einen Namen oder sonst ein bezeichnendes Zeichen zu verwenden. Und um auf die gewöhnliche Sprache zu kommen, brauchte man Namen etc. nur dadurch einzuführen, indem man nach einem "(∃x)" sagte "und dieses x ist A" u.s.w. [''Vgl.'' 5.p6.]
 
Man kann also ein Bild der Welt entwerfen, ohne zu sagen, was was darstellt.
 
Nehmen wir z.B. an, die Welt bestünde aus den Dingen A und B und der Eigenschaft F, und es wäre F(A) der Fall und  nicht F(B). Diese Welt könnten wir auch durch die folgenden Sätze beschreiben:
 
(∃x,y).(∃''φ'').x ≠ y.''φ''x.~''φ''y:''φ''u.''φ''z. ⊃<sub>u,z</sub>.u = z
:(∃''φ'').(''ψ'').''ψ'' = ''φ''
:(∃x,y).(z).z = x v z = y
 
Und hier braucht man auch Sätze von der Art der letzten zwei, um die Gegenstände identifizieren zu können.
 
Aus alledem folgt natürlich, daß es ''ganz. allgemeine Sätze gibt!''
 
Genügt oben nicht der erste Satz (∃x,y,''φ'')''φ''x.~''φ''y.x ≠ y? Die Schwierigkeit der Identifizierung kann man dadurch wegschaffen, indem man die ganze Welt in ''einem'' allgemeinen Satz beschreibt, welcher anfängt: "(∃x,y,z ... ''φ'',''ψ'' ... R,S ...)" und nun folgt ein logisches Produkt, etc.
 
Wenn wir sagen ''"φ'' ist eine Einheitsfunktion und (x).''φ''x", so heißt das soviel wie: "es gibt nur ein Ding"! (Wir sind hiermit ''scheinbar'' um den Satz "(∃x)(y).y = x" herumgekommen.)
 
 
18.10.14.
 
Mein Fehler liegt offenbar in einer falschen Auffassung der logischen Abbildung durch den Satz.
 
Eine Aussage kann nicht den logischen Bau der Welt betreffen, denn damit eine Aussage überhaupt möglich sei, damit ein Satz SINN haben KANN, muß die Welt schon den logischen Bau haben, den sie eben hat. Die Logik der Welt ist aller Wahr- und Falschheit primär.<references />