Tagebücher 1914-1916: Difference between revisions

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Es scheint mir jetzt plötzlich _in irgend einem Sinne klar, daß eine Eigenschaft eines Sachverhalts immer intern sein muß.
Es scheint mir jetzt plötzlich in irgend einem Sinne klar, daß eine Eigenschaft eines Sachverhalts immer intern sein muß.


''φ''a, ''ψ''b, aRb. Man könnte sagen, der Sachverhalt aRb habe er eine gewisse Eigenschaft, wenn die beiden ersten Satze wahr sind.
''φ''a, ''ψ''b, aRb. Man könnte sagen, der Sachverhalt aRb habe er eine gewisse Eigenschaft, wenn die beiden ersten Satze wahr sind.
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Die Beschreibung der Welt durch Sätze ist nur dadurch möglich, daß das Bezeichnete nicht sein eigenes Zeichen ist! Anwendung –.
Die Beschreibung der Welt durch Sätze ist nur dadurch möglich, daß das Bezeichnete nicht sein eigenes Zeichen ist! Anwendung –.


Beleuchtung von Kants Frage <nowiki>''</nowiki>Wie ist reine Mathematik möglich?" durch die Theorie der Tautologien!
Beleuchtung von Kants Frage "Wie ist reine Mathematik möglich?" durch die Theorie der Tautologien!


Es leuchtet ein, daß man den Bau der Welt ohne irgend welche ''Namen'' zu ''nennen'' beschreiben können muß. [''Vgl.'' 5.526.]
Es leuchtet ein, daß man den Bau der Welt ohne irgend welche ''Namen'' zu ''nennen'' beschreiben können muß. [''Vgl.'' 5.526.]
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Der Satz muß die ''Möglichhit seiner Wahrheit enthalten'' (und so zeigen). Aber nicht mehr als die ''Möglichkeit.'' [''Vgl.'' 2.203·''u.'' 3.02 ''u.'' 3.13.]
Der Satz muß die ''Möglichhit seiner Wahrheit enthalten'' (und so zeigen). Aber nicht mehr als die ''Möglichkeit.'' [''Vgl.'' 2.203·''u.'' 3.02 ''u.'' 3.13.]


Nach meiner Definition der Klassen ist (x).~ˆx(''φ''x) die Aussage, daß ˆx(''φ''x) null ist, und die Definition der Null ist dann 0 = ˆα[(x).~α] Def.<references />
Nach meiner Definition der Klassen ist (x).~ˆx(''φ''x) die Aussage, daß ˆx(''φ''x) null ist, und die Definition der Null ist dann 0 = ˆα[(x).~α] Def.
 
Ich dachte, die Möglichkeit der Wahrheit eines Satzes ''φ''(a) ist an die Tatsache (∃x,φ).φx gebunden: Aber es ist nicht einzusehen, warum φa nur dann möglich sein soll, wenn es einen anderen Satz derselben Form gibt. φa braucht doch keinen Präzedenzfall. (Denn angenommen, es gäbe nur die beiden Elementarsätze "φa" und "ψa" und "φa" sei falsch: warum soll dieser Satz nur dann einen Sinn haben, wenn "ψa" wahr ist?!)
 
 
22. 10. 14.
 
Im Satz muß etwas mit seiner Bedeutung identisch sein, der Satz darf aber nicht mit seiner Bedeutung identisch sein, also muß etwas in ihm mit seiner Bedeutung ''nicht'' identisch sein. (Der Satz ist ein Gebilde mit den logischen Zügen des Dargestellten und mit noch anderen Zügen, diese nun werden willkürlich sein und in verschiedene Zeichensprachen verschieden.) Es muß also verschiedene Gebilde mit denselben logischen Zügen geben; das Dargestellte wird eines von diesen sein, und es wird sich bei der Darstellung darum handeln, dieses von anderen Gebilden mit denselben logischen Zügen zu unterscheiden (da ja sonst die Darstellung nicht eindeutig wäre). Dieser Teil der Darstellung (die Namengebung) muß nun durch willkürliche Bestimmungen geschehen. Es muß darnach also jeder Satz  Züge mit willkürlich bestimmten Bedeutungen enthalten.
 
Versucht man dies auf die ganz allgemeinen Sätze anzuwenden so scheint es, daß darin irgend ein grundlegender Fehler ist.
 
Die Allgemeinheit des ganz allgemeinen Satzes ist die zufällige. Er handelt von allen Dingen, die es zufälligerweise gibt.  Und  darum ist er ein materieller Satz.
 
 
23. 10. 14.
 
Einerseits scheint meine Theorie der logischen Abbildung die einzig mögliche, andererseits scheint in ihr ein unlöslicher Widerspruch zu sein!
 
Wenn der ganz allgemeine Satz nicht ganz entmaterialisiert ist so wird ein Satz durch die Verallgemeinerung wohl überhaupt nicht entmaterialisiert, wie ich glaubte.
 
Ob ich von einem bestimmten Ding oder von allen Dingen, die es gibt, etwas aussage, die Aussage ist gleich materiell.
 
"Alle Dinge", das ist sozusagen eine Beschreibung statt "a und b und c".
 
Wie, wenn unsere Zeichen ebenso unbestimmt wären, wie die Welt, welche sie spiegeln?
 
Um das Zeichen im Zeichen zu erkennen, muß man auf  den Gebrauch achten. [''Vgl.'' 3.326.]
 
Wollten wir dasjenige, welches wir durch "(x).φx" ausdrücken, durch das Vorsetzen eines Index vor "φx" ausdrücken,  etwa  so "Alg. φx", es würde nicht genügen (wir wüßten nicht, was verallgemeinert wurde).
 
Wollten wir es durch einen Index am "x" anzeigen, etwa so φ(x<sub>A</sub>), es würde auch nicht genügen (wir wüßten auf diese Weise nicht den Bereich der Allgemeinheit).
 
Wollten wir es durch Einfüllen einer Marke in die leeren Argumentstellen versuchen, etwa so "(A, A). ψ(A, A)", es würde nicht genügen (wir könnten die Identität der Variablen nicht feststellen).
 
Alle diese Bezeichnungsweisen genügen nicht, ''weil sie nicht die notwendigen logischen Eigenschaften haben.'' Alle jene Zeichenverbindungen vermögen den gewünschten Sinn – auf die vorgeschlagene Weise – nicht abzubilden. [''Vgl.'' 4.0411.]
 
 
24. 10. 14.
 
Um überhaupt eine Aussage machen zu können, müssen wir – in einem Sinne – wissen, wie es sich verhält, wenn die Aussage wahr ist (und dies bilden wir eben ab). [''Vgl.'' 4.02.4.]
 
Der Satz ''drückt aus,'' was ich nicht weiß, was ich aber doch wissen muß, um ihn überhaupt aussagen zu können, das ''zeige ich in ihm.''
 
Die Definition ist eine Tautologie und zeigt interne Relationen zwischen ihren beiden Gliedern!
 
 
25. 10. 14.
 
Warum aber untersuchst du nie ein einzelnes spezielles Zeichen auf die Art und Weise hin, wie es logisch abbildet?
 
Der vollkommen analysierte Satz muß seine Bedeutung vorstellen.
 
Man könnte auch sagen, unsere Schwierigkeit läuft da hinaus, daß der ganz allgemeine Satz nicht zusammengesetzt zu sein scheint. –
 
Er scheint nicht, wie alle anderen Sätze, aus willkürlich bezeichnenden Bestandteilen zu bestehen, die in einer logischen Form vereinigt sind. Er scheint keine Form zu HABEN, sondern selbst eine in sich abgeschlossene Form zu sein.
 
Man braucht bei den logischen Konstanten nie nach ihrer Existenz zu fragen, sie können ja auch ''verschwinden''!
 
Warum soll "φ(ˆx)" nicht vorstellen, wie (x).φx ist? Kommt es da nicht ''nur'' darauf an, ''wie –'' auf welche Art und Weise – jenes Zeichen etwas vorstellt?
 
Angenommen, ich wollte vier Paare kämpfender Männer darstellen, könnte ich es nicht so machen, daß ich nur eines darstelle und sage: "So sehen alle viere aus"? (Durch diesen Nachsatz bestimme ich die Art und Weise der Darstellung.) (Ähnlich stelle ich (x).φx durch "φ(ˆx)" dar.)
 
Bedenke aber, daß es keine hypothetischen internen Beziehungen gibt. Ist eine Struktur gegeben und eine strukturelle Beziehung an ihr, dann muß es eine andere Struktur geben, die jene Beziehung zu der ersten hat. (Dies liegt ja im Wesen der strukturellen Beziehungen.)
 
Und dies spricht für die Richtigkeit der obigen Bemerkung, sie wird hierdurch zu keiner – Ausflucht.
 
 
26. 10. 14.
 
Es scheint also, als wäre nicht die logische ''Identität'' von Zeichen und Bezeichnetem nötig, sondern nur ''eine'' interne, ''logische'' Relation zwischen beiden. (Das Bestehen einer solchen schließt in gewissem Sinne das Bestehen einer Art grundlegender – interner – Identität mit ein.)
 
Es handelt sich ja nur darum, daß das Logische des Bezeichneten durch das Logische des Zeichens und der Bezeichnungsweise allein vollständig bestimmt ist. Man könnte sagen: Zeichen und Bezeichnungsweise ''zusammen'' müssen mit dem Bezeichneten logisch identisch sein.
 
Der Sinn des Satzes ist das, was er vorstellt. [''Vgl.'' 2.221.]
 
27. 10. 14.
 
"x = y" ist ''keine'' Satzform. (Folgen.)
 
Es ist ja klar, daß "aRa" gleichbedeutend wäre mit "aRb.a =  b". Man kann also den Scheinsatz "a = b" durch eine ganz analysierte Notation zum Verschwinden bringen. Bester Beweis für die Richtigkeit der obigen Bemerkung.
 
Die Schwierigkeit vor meiner Theorie  der logischen  Abbildung war die, einen Zusammenhang zwischen den Zeichen auf Papier und einem Sachverhalt draußen in der Welt zu finden.
 
Ich sagte immer, die Wahrheit ist eine Beziehung zwischen dem Satz und dem Sachverhalt, konnte aber niemals eine solche Beziehung ausfindig machen.·
 
Die Darstellung der Welt durch ganz allgemeine Sätze könnte man die unpersönliche Darstellung der Welt nennen.
 
Wie geschieht die unpersönliche Darstellung der Welt?
 
Der Satz ist ein Modell der Wirklichkeit, so wie wir sie uns denken. [''S.'' 4.01.]
 
 
28.10.14.
 
Was der Scheinsatz "es gibt n Dinge" ausdrücken will, zeigt sich in der Sprache durch das Vorhandensein von n Eigennamen mit verschiedener Bedeutung. (Etc.)
 
Das, was die ganz allgemeinen Sätze beschreiben, sind allerdings in gewissem Sinne strukturelle Eigenschaften der Welt. Dennoch können diese Sätze noch immer wahr oder falsch sein. Auch nachdem sie ''Sinn haben'', bleibt der Welt noch immer jener Spielraum.
 
Schließlich verändert ja die Wahr- oder Falschheit ''jedes'' Satzes etwas an der allgemeinen ''Struktur'' der Welt. Und der Spielraum, der ihrer Struktur durch die GESAMTHEIT aller Elementarsätze gelassen wird, ist eben derjenige, welchen die ganz allgemeinen Sätze begrenzen. [''Vgl.'' 5.5262.]
 
 
29. 10. 14.
 
Denn, wenn ein Elementarsatz wahr ist, so ist doch jedenfalls ''ein'' Elementarsatz ''mehr.'' [''S.'' 5.5262.]
 
Damit ein Satz wahr sei, muß er vor allem wahr sein ''können,'' und nur das geht die Logik etwas an.
 
Der Satz muß zeigen, was er sagen will. – Er muß sich zu seiner Bedeutung ähnlich verhalten, wie eine Beschreibung zu ihrem Gegenstand.
 
Die logische Form des Sachverhaltes aber, läßt sich nicht beschreiben. ''–'' [''Vgl.'' 4.12 ''u.'' 4.121.]
 
Die interne Relation zwischen dem Satz und seiner Bedeutung, die Bezeichnungsweise-ist das System von Koordinaten, das den Sachverhalt in dem Satz abbildet. Der Satz entspricht den Grundkoordinaten.
 
Man könnte zwei Koordinaten a<sub>p</sub> und b<sub>p</sub> als einen Satz auffassen der aussagt, der materielle Punkt P befinde sich im Ort (ab). Und damit diese Aussage möglich sei, müssen also die Koordinaten a und b wirklich einen Ort bestimmen. Damit eine Aussage möglich ist, müssen die logischen Koordinaten wirklich einen logischen Ort bestimmen!
 
(Der Gegenstand, von welchem die allgemeinen Sätze handeln, ist recht eigentlich die Welt; die in ihnen durch eine logische Beschreibung eintritt. – Und darum kommt die Welt eigentlich doch nicht in ihnen vor, so wie ja auch der Gegenstand der Beschreibung nicht in dieser vorkommt.)
 
Daß in gewissem Sinne die logische Form von p vorhanden sein muß, auch wenn p nicht der Fall ist, das zeigt sich symbolisch dadurch, daß "p" in "~p" vorkommt.
 
Die Schwierigkeit ist die: wie kann es die Form von p geben, wenn es keinen Sachverhalt dieser Form gibt. Und worin besteht diese Form dann eigentlich?!
 
Analytische ''Sätze'' gibt es nicht.
 
 
30. 10. 14.
 
Könnte man sagen : in "~φ(x)" stellt "φ(x)" vor, wie es sich ''nicht'' verhält?
 
Man könnte auch auf einem Bild eine negative Tatsache darstellen, indem man darstellt, was ''nicht'' der Fall ist.
 
Wenn wir aber diese Darstellungsmethoden einräumen, was ist dann eigentlich charakteristisch für die Beziehung des ''Darstellens''?
 
Kann man nicht sagen: Es gibt eben verschiedene logische Koordinatensysteme!
 
Es gibt eben verschiedene Darstellungsweisen, auch durch das Bild, und das Darstellende ist nicht nur das Zeichen oder Bild, sondern auch die Methode der Darstellung. ''Aller Darstellung ist gemeinsam, daß sie stimmen oder nicht stimmen, wahr oder falsch sein kann.''
 
Denn, Bild ''und Darstellungsweise'' sind ganz außerhalb des Dargestellten!
 
Beide zusammen sind wahr oder falsch, nämlich ''das Bild auf eine bestimmte Art und Weise.'' (Dies gilt natürlich auch vom Elementarsatz.)
 
''Jeder Satz'' kann verneint werden. Und das zeigt, daß für alle Sätze "Wahr" und "Falsch" dasselbe bedeuten. (Dies ist von allerhöchster Wichtigkeit.) (Im Gegensatz zu Russell.)<references />