Tagebücher 1914-1916: Difference between revisions

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Wenn der Wille ein Objekt in der Welt haben muß, so kann es auch die beabsichtigte Handlung sein.
Wenn der Wille ein Objekt in der Welt haben muß, so kann es auch die beabsichtigte Handlung sein.


Und der Wille muß ein Objekt haben.<references />
Und der Wille muß ein Objekt haben.
 
Sonst hätten wir  gar keinen Halt und könnten nicht wissen, was wir wollten.
 
Und könnten nicht Verschiedenes wollen.
 
Geschieht denn nicht die gewollte Bewegung des Körpers gerade so wie jedes Ungewollte in der Welt, nur daß sie vom Willen  begleitet ist?
 
Aber sie ist nicht nur vom ''Wunsch'' begleitet! Sondern vom Willen.
 
Wir fühlen uns sozusagen für die Bewegung verantwortlich.
 
Mein Wille greift irgendwo in der Welt an, und  an andern greift er wieder nicht an.
 
Wünschen ist nicht tun. Aber, Wollen ist tun.
 
(Mein Wunsch bezieht sich z. B. auf die Bewegung des Sessels, mein Willen auf ein Muskelgefühl.)
 
Daß ich einen Vorgang will, besteht darin, daß ich den Vorgang mache, nicht darin, daß ich etwas Anders tue, was den Vorgang verursacht.
 
Wenn ich etwas bewege, so bewege ich mich.
 
Wenn ich einen Vorgang mache, so gehe ich vor.
 
Aber: Ich kann nicht alles wollen. –
 
Aber was heißt das: "Ich kann ''das'' nicht wollen."
 
Kann ich denn versuchen, etwas zu wollen?
 
Es scheint nämlich durch die Betrachtung des Wollens, als stünde ein Teil der Welt mir näher als ein anderer (was unerträglich wäre).
 
Aber freilich ist es ja unleugbar, daß ich in einem populären Sinne gewisses tue und anderes nicht tue.
 
So stünde also der Wille der Welt nicht äquivalent gegenüber, was unmöglich sein muß.
 
Der Wunsch geht dem Ereignis voran, der Wille begleitet es.
 
Angenommen, ein Vorgang würde meinen Wunsch begleiten. Hätte ich den Vorgang gewollt?
 
Schiene dies Begleiten nicht zufällig im Gegensatz zu dem gezwungenen des Willens?
 
 
9. 11. 16.
 
Ist der Glaube eine Erfahrung?
 
Ist der Gedanke eine Erfahrung?
 
Alle Erfahrung ist Welt und braucht nicht das Subjekt.
 
Der Willensakt ist keine Erfahrung.
 
 
19. 11. 16.
 
Was für ein Grund ist da zur Annahme eines wollenden Subjekts?
 
Genügt nicht wieder ''meine Welt'' zur Individualisierung?
 
 
21. 11. 16.
 
Daß es möglich ist, die allgemeine Satzform aufzustellen, sagt nichts anderes als: Jede mögliche Satzform muß sich ''voraussehen'' LASSEN.
 
Und ''das'' heißt: Wir können nie zu einer Satzform kommen, von der wir sagen könnten: Ja daß es so etwas gibt, das hat sich nicht voraussehen lassen.
 
Denn das würde heißen, daß wir eine neue Erfahrung gemacht hätten, die erst diese Satzform ermöglicht hat.
 
Also: Die allgemeine Satzform muß sich aufstellen lassen, weil die möglichen Satzformen a priori sein müssen. Weil die möglichen Satzformen a priori sind, darum gibt es die allgemeine Satzform.
 
Dabei ist es vollkommen gleichgültig, ob die gegebenen Grundoperationen, durch die alle Sätze entstehen sollen, dieselben über die logischen Stufen hinausführen, oder ob sie innerhalb der Stufen bleiben.
 
Einen Satz, den wir jemals werden bilden können, hätten wir auch jetzt gleich bilden können.
 
Wir brauchen jetzt die Klärung des Begriffes der atomistischen Funktion und des Begriffes "und so weiter".
 
Der Begriff "und so weiter", in Zeichen "…", ist einer der allerwichtigsten und, wie alle anderen, unendlich fundamental.
 
Durch ihn allein nämlich sind wir berechtigt, die Logik, resp. Mathematik, "so weiter" aus den Grundgesetzen und Urzeichen aufzubauen.
 
Das "und so weiter" tritt sofort im Uranfang der alten Logik ein, wenn gesagt wird, daß wir nun nach der Angabe der Urzeichen ein Zeichen nach dem anderen "so weiter" entwickeln können.
 
Ohne diesen Begriff würden wir bei den Urzeichen einfach stehen bleiben und könnten nicht "''weiter''".
 
Der Begriff "und so weiter" ist äquivalent mit dem Begriffe der Operation. [''Vgl.'' 5.2523.]
 
Nach dem Operationszeichen folgt das Zeichen "...", welches bedeutet, daß das Resultat der Operation wieder zur Basis derselben Operation genommen werden kann, "und so weiter".
 
 
22. 11. 16.
 
Der Begriff der Operation ist ganz allgemein derjenige, nach welchem nach einer Regel Zeichen gebildet werden können.
 
 
23. 11. 16.
 
Worauf stützt sich die Möglichkeit der Operation?
 
Auf den allgemeinen Begriff der strukturellen .Ähnlichkeit.
 
Wie ich z. B. die Elementarsätze auffasse, muß ihnen etwas gemeinsam sein; sonst könnte ich überhaupt nicht kollektiv von ihnen allen als den "Elementarsätzen" sprechen.
 
Dann müssen sie aber auch als Resultate von Operationen aus­ einander entwickelt werden können.
 
Denn wenn zwei Elementarsätzen wirklich etwas gemeinsam  ist, was einem Elementarsatz und einem zusammengesetzten nicht gemeinsam ist, so muß sich dies Gemeinsame irgendwie allgemein zum Ausdruck bringen lassen.
 
 
24. 11. 16.
 
Wenn das allgemeine Kennzeichen der Operation bekannt sein wird, dann wird auch klar sein, aus welchen Elementar-Bestandteilen eine ''Operation'' immer besteht.
 
Wenn die allgemeine Form der Operation gefunden ist, so haben wir auch die allgemeine Form des Auftretens des Begriffs "und so weiter".
 
 
26. 11. 16.
 
Alle Operationen sind aus den Grundoperationen zusammengesetzt.
 
 
28. 11. 16.
 
Entweder eine Tatsache ist in einer anderen enthalten, oder sie ist unabhängig von ihr.
 
 
2. 12. 16.
 
Die Ähnlichkeit der Allgemeinheitsbezeichnung mit dem Argument zeigt sich, wenn wir statt φa schreiben (ax)φx. [''Vgl.'' 5.523.]
 
Man könnte die Argumente auch so einführen, daß  sie  nur auf einer Seite des Gleichheitszeichens auftreten. Also immer analog "(∃x).φx.x = a" statt "φa".
 
Die richtige Methode in  der Philosophie  wäre  eigentlich die, nichts zu sagen, als was sich sagen läßt, also Naturwissenschaftliches, also etwas, was mit Philosophie nichts zu tun hat, und dann immer, wenn ein anderer etwas Metaphysisches sagen wollte, ihm nachweisen, daß er gewissen Zeichen in seinen Sätzen keine Bedeutung gegeben hat. ''[S.'' 6.53.]
 
Diese Methode wäre für den anderen unbefriedigend (er hätte nicht das Gefühl, daß wir ihn Philosophie lehrten), aber sie wäre die einzig richtige. [''S.'' 6.53.]
 
 
7. 1. 17.
 
In dem Sinne, in welchem  es eine Hierarchie  der Sätze gibt,  gibt es natürlich auch eine Hierarchie der Wahrheiten und der Verneinungen etc.
 
In dem Sinne aber, in welchem es im allgemeinsten Sinne  Sätze gibt, gibt es nur eine Wahrheit und eine Verneinung.
 
Dieser Sinn wird aus jenem gewonnen, indem der Satz im allgemeinen aufgefaßt wird als das Resultat der ''einen'' Operation,  welche alle Sätze aus der untersten Stufe erzeugt etc.
 
Die unterste Stufe und die Operation kann die ganze Hierarchie vertreten.
 
 
8. 1. 17.
 
Es ist klar, daß das logische Produkt  zweier  Elementarsätze  nie eine Tautologie sein kann. [''Vgl.'' 6.3751.]
 
Ist das logische Produkt zweier Sätze eine Kontradiktion und die Sätze scheinen Elementarsätze zu sein, so sieht  man,  daß in diesem Falle der Schein trügt. (Z. B.: A ist rot und A ist grün.)
 
10. 1. 17.
 
Wenn der Selbstmord erlaubt ist, dann ist alles erlaubt.
 
Wenn etwas nicht erlaubt ist, dann ist der Selbstmord nicht erlaubt.
 
Dies wirft ein Licht auf das Wesen der Ethik. Denn der Selbstmord ist sozusagen die elementare Sünde.
 
Und wenn man ihn untersucht, so ist es, wie wenn man den Quecksilberdampf untersucht, um das Wesen der Dämpfe zu erfassen.
 
Oder ist nicht auch der Selbstmord an sich weder gut noch böse?
 
== Fußnoten ==
<references />