Bemerkungen über Frazers “The Golden Bough”: Difference between revisions

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Ich glaube, dass das Unternehmen einer Erklärung schon darum verfehlt ist, weil man nur richtig zusammenstellen muss, was man ''weiß'', und nichts dazusetzen, und die Befriedigung, die durch die Erklärung angestrebt wird, ergibt sich von selbst.
Ich glaube, dass das Unternehmen einer Erklärung schon darum verfehlt ist, weil man nur richtig zusammenstellen muss, was man ''weiß'', und nichts dazusetzen, und die Befriedigung, die durch die Erklärung angestrebt wird, ergibt sich von selbst.


Und die Erklärung ist es hier gar nicht, die befriedigt. Wenn Frazer anfängt und uns die Geschichte von dem Waldkönig von Nemi erzählt, so tut er dies in einem Ton, der zeigt, dass er fühlt und uns fühlen lassen will, dass hier etwas Merkwürdiges und Furchtbares geschieht. Die Frage aber »warum geschieht dies?« wird eigentlich dadurch beantwortet: Weil es furchtbar ist. Das heißt, dasselbe, was uns bei diesem Vorgang furchtbar, großartig, schaurig, tragisch, etc., nichts weniger als trivial und bedeutungslos vorkommt, ''das'' hat diesen {{udashed|Vorgang}} ins Leben gerufen. {{Frazer MS reference|Ms or Ts=Ts |number=211 |page=315}}
Und die Erklärung ist es hier gar nicht, die befriedigt. Wenn Frazer anfängt und uns die Geschichte von dem Waldkönig von Nemi erzählt, so tut er dies in einem Ton, der zeigt, dass er fühlt und uns fühlen lassen will, dass hier etwas Merkwürdiges und Furchtbares geschieht. Die Frage aber »warum geschieht dies?« wird eigentlich dadurch beantwortet: Weil es furchtbar ist. Das heißt, dasselbe, was uns bei diesem Vorgang furchtbar, großartig, schaurig, tragisch, etc., nichts weniger als trivial und bedeutungslos vorkommt, ''das'' hat diesen {{udashed|Vorgang}} ins Leben gerufen.


Nur ''beschreiben'' kann man hier und sagen: so ist das menschliche Leben.
{{Frazer MS reference|Ms or Ts=Ts |number=211 |page=315}} Nur ''beschreiben'' kann man hier und sagen: so ist das menschliche Leben.


Die Erklärung ist im Vergleich mit dem Eindruck, den uns das Beschriebene macht, zu unsicher.
Die Erklärung ist im Vergleich mit dem Eindruck, den uns das Beschriebene macht, zu unsicher.
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Und nur der Meinung entspricht der Irrtum.
Und nur der Meinung entspricht der Irrtum.


Man möchte sagen: Dieser und dieser Vorgang hat stattgefunden; lach', wenn Du kannst. {{Frazer MS reference|Ms or Ts=Ts |number=211 |page=316}}
Man möchte sagen: Dieser und dieser Vorgang hat stattgefunden; lach', wenn Du kannst.


Die religiösen Handlungen, oder das religiöse Leben des Priesterkönigs ist von keiner andern Art, als jede echt religiöse Handlung {{udashed|heute}}, etwa ein Geständnis der Sünden. Auch dieses lässt sich »''erklären''« und lässt sich nicht erklären.
{{Frazer MS reference|Ms or Ts=Ts |number=211 |page=316}} Die religiösen Handlungen, oder das religiöse Leben des Priesterkönigs ist von keiner andern Art, als jede echt religiöse Handlung {{udashed|heute}}, etwa ein Geständnis der Sünden. Auch dieses lässt sich »''erklären''« und lässt sich nicht erklären.


In effigie verbrennen. Das Bild der Geliebten küssen. Das basiert ''natürlich nicht'' auf einem Glauben an eine bestimmte Wirkung auf den Gegenstand, den das Bild darstellt. Es bezweckt eine Befriedigung und erreicht sie auch. Oder vielmehr, es ''bezweckt'' gar nichts; wir handeln eben so und fühlen uns dann befriedigt.
In effigie verbrennen. Das Bild der Geliebten küssen. Das basiert ''natürlich nicht'' auf einem Glauben an eine bestimmte Wirkung auf den Gegenstand, den das Bild darstellt. Es bezweckt eine Befriedigung und erreicht sie auch. Oder vielmehr, es ''bezweckt'' gar nichts; wir handeln eben so und fühlen uns dann befriedigt.
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Die Darstellung eines Wunsches ist, eo ipso, die Darstellung seiner Erfüllung.
Die Darstellung eines Wunsches ist, eo ipso, die Darstellung seiner Erfüllung.


Die Magie aber bringt einen Wunsch zur Darstellung; sie äußert einen Wunsch. {{Frazer MS reference|Ms or Ts=Ts |number=211 |page=317}}
Die Magie aber bringt einen Wunsch zur Darstellung; sie äußert einen Wunsch.


Die Taufe als Waschung. – Ein Irrtum entsteht erst, wenn die Magie wissenschaftlich ausgelegt wird.
{{Frazer MS reference|Ms or Ts=Ts |number=211 |page=317}} Die Taufe als Waschung. – Ein Irrtum entsteht erst, wenn die Magie wissenschaftlich ausgelegt wird.


Wenn die Adoption eines Kindes so vor sich geht, dass die Mutter es durch ihre Kleider zieht, so ist es doch verrückt zu glauben, dass hier ein ''Irrtum'' vorliegt und sie glaubt, das Kind geboren zu haben.
Wenn die Adoption eines Kindes so vor sich geht, dass die Mutter es durch ihre Kleider zieht, so ist es doch verrückt zu glauben, dass hier ein ''Irrtum'' vorliegt und sie glaubt, das Kind geboren zu haben.
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Wenn ein Mensch in unserer (oder doch meiner) Gesellschaft zu viel lacht, so presse ich {{Udashed|halb}} unwillkürlich die Lippen zusammen, als glaubte ich, die seinen dadurch zusammenhalten zu können. {{Frazer MS reference|Ms or Ts=Ms |number=143 |page=3}}
Wenn ein Mensch in unserer (oder doch meiner) Gesellschaft zu viel lacht, so presse ich {{Udashed|halb}} unwillkürlich die Lippen zusammen, als glaubte ich, die seinen dadurch zusammenhalten zu können.


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Der Unsinn ist hier, dass Frazer es so darstellt, als hätten diese Völker eine vollkommen falsche (ja wahnsinnige) Vorstellung vom Laufe der Natur, während sie nur eine merkwürdige Interpretation der Phänomene besitzen. D.h. ihre Naturkenntnis, wenn sie sie niederschrieben, würde von der unsern sich nicht <u>fundamental</u> unterscheiden. Nur ihre <u>Magie</u> ist anders.
Der Unsinn ist hier, dass Frazer es so darstellt, als hätten diese Völker eine vollkommen falsche (ja wahnsinnige) Vorstellung vom Laufe der Natur, während sie nur eine merkwürdige Interpretation der Phänomene besitzen. D.h. ihre Naturkenntnis, wenn sie sie niederschrieben, würde von der unsern sich nicht <u>fundamental</u> unterscheiden. Nur ihre <u>Magie</u> ist anders.