Logisch-philosophische Abhandlung: Difference between revisions

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3.344          Das, was am Symbol bezeichnet, ist das Gemeinsame aller jener Symbole, durch die das erste den Regeln der logischen Syntax zufolge ersetzt werden kann.
3.344          Das, was am Symbol bezeichnet, ist das Gemeinsame aller jener Symbole, durch die das erste den Regeln der logischen Syntax zufolge ersetzt werden kann.
3.3441 Man kann z. B. das Gemeinsame aller Notationen für die Wahr- heitsfunktionen so ausdrücken: Es ist ihnen gemeinsam, dass sich alle—z. B.—durch die Notation von „∼''p''“ („nicht ''p''“) und „''p'' ∨ ''q''“ („''p'' oder ''q''“) e r s e t z e n l a s s e n.
(Hiermit ist die Art und Weise gekennzeichnet, wie eine spezielle mögliche Notation uns allgemeine Aufschlüsse geben kann.)
3.3442 Das Zeichen des Komplexes löst sich auch bei der Analyse nicht willkürlich auf, so dass etwa seine Auflösung in jedem Satzgefüge eine andere wäre.
3.4 Der Satz bestimmt einen Ort im logischen Raum. Die Existenz dieses logischen Ortes ist durch die Existenz der Bestandteile allein verbürgt, durch die Existenz des sinnvollen Satzes.
3.41 Das Satzzeichen und die logischen Koordinaten: Das ist der lo- gische Ort.
3.411 Der geometrische und der logische Ort stimmen darin überein, dass beide die Möglichkeit einer Existenz sind.
3.42 Obwohl der Satz nur einen Ort des logischen Raumes bestimmen darf, so muss doch durch ihn schon der ganze logische Raum gegeben sein.
(Sonst würden durch die Verneinung, die logische Summe, das logische Produkt, etc. immer neue Elemente—in Koordina- tion—eingeführt.)
(Das logische Gerüst um das Bild herum bestimmt den logi- schen Raum. Der Satz durchgreift den ganzen logischen Raum.)
3.5          Das angewandte, gedachte, Satzzeichen ist der Gedanke.
4                         Der Gedanke ist der sinnvolle Satz.
4.001               Die Gesamtheit der Sätze ist die Sprache.
4.002              Der Mensch besitzt die Fähigkeit Sprachen zu bauen, womit sich jeder Sinn ausdrücken lässt, ohne eine Ahnung davon zu haben, wie und was jedes Wort bedeutet.—Wie man auch spricht, ohne zu wissen, wie die einzelnen Laute hervorgebracht werden.
Die Umgangssprache ist ein Teil des menschlichen Organis- mus und nicht weniger kompliziert als dieser.
Es ist menschenunmöglich, die Sprachlogik aus ihr unmittel- bar zu entnehmen.
Die Sprache verkleidet den Gedanken. Und zwar so, dass man nach der äusseren Form des Kleides, nicht auf die Form des bekleideten Gedankens schliessen kann; weil die äussere Form des Kleides nach ganz anderen Zwecken gebildet ist, als danach, die Form des Körpers erkennen zu lassen.
Die stillschweigenden Abmachungen zum Verständnis der Umgangssprache sind enorm kompliziert.
4.003               Die meisten Sätze und Fragen, welche über philosophische Din- ge geschrieben worden sind, sind nicht falsch, sondern unsinnig. Wir können daher Fragen dieser Art überhaupt nicht beantwor- ten, sondern nur ihre Unsinnigkeit feststellen. Die meisten Fra- gen und Sätze der Philosophen beruhen darauf, dass wir unsere Sprachlogik nicht verstehen.
(Sie sind von der Art der Frage, ob das Gute mehr oder weniger identisch sei als das Schöne.)
Und es ist nicht verwunderlich, dass die tiefsten Probleme eigentlich ke i n e Probleme sind.
4.0031 Alle Philosophie ist „Sprachkritik“. (Allerdings nicht im Sinne Mauthners.) Russell’s Verdienst ist es, gezeigt zu haben, dass die scheinbare logische Form des Satzes nicht seine wirkliche sein muss.
4.01 Der Satz ist ein Bild der Wirklichkeit.
Der Satz ist ein Modell der Wirklichkeit, so wie wir sie uns denken.
4.011                Auf den ersten Blick scheint der Satz—wie er etwa auf dem Papier gedruckt steht—kein Bild der Wirklichkeit zu sein, von der er handelt. Aber auch die Notenschrift scheint auf den ers- ten Blick kein Bild der Musik zu sein, und unsere Lautzeichen- (Buchstaben-)Schrift kein Bild unserer Lautsprache.
Und doch erweisen sich diese Zeichensprachen auch im ge- wöhnlichen Sinne als Bilder dessen, was sie darstellen.
4.012               Offenbar ist, dass wir einen Satz von der Form „''aRb''“ als Bild empfinden. Hier ist das Zeichen offenbar ein Gleichnis des Be- zeichneten.
4.013               Und wenn wir in das Wesentliche dieser Bildhaftigkeit eindrin- gen, so sehen wir, dass dieselbe durch s ch e i nb a r e U n r e - g e l m ä s s i g ke i t e n (wie die Verwendung der ♯ und ♭ in der Notenschrift) n i c h t gestört wird.
Denn auch diese Unregelmässigkeiten bilden das ab, was sie ausdrücken sollen; nur auf eine andere Art und Weise.
4.014                Die Grammophonplatte, der musikalische Gedanke, die Noten- schrift, die Schallwellen, stehen alle in jener abbildenden inter- nen Beziehung zu einander, die zwischen Sprache und Welt be- steht.
Ihnen allen ist der logische Bau gemeinsam.
(Wie im Märchen die zwei Jünglinge, ihre zwei Pferde und ihre Lilien. Sie sind alle in gewissem Sinne Eins.)
4.0141 Dass es eine allgemeine Regel gibt, durch die der Musiker aus der Partitur die Symphonie entnehmen kann, durch welche man aus der Linie auf der Grammophonplatte die Symphonie und nach der ersten Regel wieder die Partitur ableiten kann, dar- in besteht eben die innere Ähnlichkeit dieser scheinbar so ganz verschiedenen Gebilde. Und jene Regel ist das Gesetz der Pro- jektion, welches die Symphonie in die Notensprache projiziert. Sie ist die Regel der Übersetzung der Notensprache in die Spra- che der Grammophonplatte.
4.015               Die Möglichkeit aller Gleichnisse, der ganzen Bildhaftigkeit un- serer Ausdrucksweise, ruht in der Logik der Abbildung.
4.016               Um das Wesen des Satzes zu verstehen, denken wir an die Hiero- glyphenschrift, welche die Tatsachen die sie beschreibt abbildet. Und aus ihr wurde die Buchstabenschrift, ohne das Wesentliche der Abbildung zu verlieren.
4.02 Dies sehen wir daraus, dass wir den Sinn des Satzzeichens ver- stehen, ohne dass er uns erklärt wurde.
4.021                Der Satz ist ein Bild der Wirklichkeit: Denn ich kenne die von ihm dargestellte Sachlage, wenn ich den Satz verstehe. Und den Satz verstehe ich, ohne dass mir sein Sinn erklärt wurde.
4.022               Der Satz z e i g t seinen Sinn.
Der Satz z e i g t, wie es sich verhält, we n n er wahr ist. Und er s a g t, d a s s es sich so verhält.
4.023               Die Wirklichkeit muss durch den Satz auf ja oder nein fixiert sein.
Dazu muss sie durch ihn vollständig beschrieben werden. Der Satz ist die Beschreibung eines Sachverhaltes.
Wie die Beschreibung einen Gegenstand nach seinen exter- nen Eigenschaften, so beschreibt der Satz die Wirklichkeit nach ihren internen Eigenschaften.
Der Satz konstruiert eine Welt mit Hilfe eines logischen Ge- rüstes und darum kann man am Satz auch sehen, wie sich al- les Logische verhält, we n n er wahr ist. Man kann aus einem falschen Satz S ch l ü s s e z i e h e n.
4.024               Einen Satz verstehen, heisst, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist.
(Man kann ihn also verstehen, ohne zu wissen, ob er wahr ist.)
Man versteht ihn, wenn man seine Bestandteile versteht.
4.025               Die Übersetzung einer Sprache in eine andere geht nicht so vor sich, dass man jeden S a t z der einen in einen S a t z der anderen übersetzt, sondern nur die Satzbestandteile werden übersetzt.
(Und das Wörterbuch übersetzt nicht nur Substantiva, son- dern auch Zeit-, Eigenschafts- und Bindewörter etc.; und es be- handelt sie alle gleich.)
4.026               Die Bedeutungen der einfachen Zeichen (der Wörter) müssen uns erklärt werden, dass wir sie verstehen.
Mit den Sätzen aber verständigen wir uns.
4.027               Es liegt im Wesen des Satzes, dass er uns einen n e u e n Sinn mitteilen kann.
4.03 Ein Satz muss mit alten Ausdrücken einen neuen Sinn mitteilen. Der Satz teilt uns eine Sachlage mit, also muss er we s e n t l i ch mit der Sachlage zusammenhängen.
Und der Zusammenhang ist eben, dass er ihr logisches Bild ist.
Der Satz sagt nur insoweit etwas aus, als er ein Bild ist.
4.031                Im Satz wird gleichsam eine Sachlage probeweise zusammenge- stellt.
Man kann geradezu sagen: statt, dieser Satz hat diesen und diesen Sinn; dieser Satz stellt diese und diese Sachlage dar.
4.0311 Ein Name steht für ein Ding, ein anderer für ein anderes Ding und untereinander sind sie verbunden, so stellt das Ganze—wie ein lebendes Bild—den Sachverhalt vor.
4.0312 Die Möglichkeit des Satzes beruht auf dem Prinzip der Vertre- tung von Gegenständen durch Zeichen.
Mein Grundgedanke ist, dass die „logischen Konstanten“ nicht vertreten. Dass sich die L o g i k der Tatsachen nicht ver- treten lässt.
4.032               Nur insoweit ist der Satz ein Bild einer Sachlage, als er logisch gegliedert ist.
(Auch der Satz „ambulo“ ist zusammengesetzt, denn sein Stamm ergibt mit einer anderen Endung und seine Endung mit einem anderen Stamm, einen anderen Sinn.)
4.04 Am Satz muss gerade soviel zu unterscheiden sein, als an der Sachlage die er darstellt.
Die beiden müssen die gleiche logische (mathematische) Mannigfaltigkeit besitzen. (Vergleiche Hertz’s Mechanik, über Dynamische Modelle.)
4.041 Diese mathematische Mannigfaltigkeit kann man natürlich nicht selbst wieder abbilden. Aus ihr kann man beim Abbilden nicht heraus.
4.0411 Wollten wir z. B. das, was wir durch „(''x'')''fx''“ ausdrücken, durch Vorsetzen eines Indexes vor „''fx''“ ausdrücken—etwa so: „Alg. ''fx''“, es würde nicht genügen—wir wüssten nicht, was verallge- meinert wurde. Wollten wir es durch einen Index „''a''“ anzeigen— etwa so: „''f'' (''x<sub>a</sub>'')“—es würde auch nicht genügen—wir wüssten nicht den Bereich der Allgemeinheitsbezeichnung.
Wollten wir es durch Einführung einer Marke in die Argumentstellen versuchen—etwa so: „(''A, A'') ''. F'' (''A, A'')“—es würde nicht genügen—wir könnten die Identität der Variablen nicht feststellen. U.s.w.
Alle diese Bezeichnungsweisen genügen nicht, weil sie nicht die notwendige mathematische Mannigfaltigkeit haben.
4.0412 Aus demselben Grunde genügt die idealistische Erklärung des Sehens der räumlichen Beziehungen durch die „Raumbrille“ nicht, weil sie nicht die Mannigfaltigkeit dieser Beziehungen erklären kann.
4.05               Die Wirklichkeit wird mit dem Satz verglichen.
4.06               Nur dadurch kann der Satz wahr oder falsch sein, indem er ein Bild der Wirklichkeit ist.
4.061                Beachtet man nicht, dass der Satz einen von den Tatsachen un- abhängigen Sinn hat, so kann man leicht glauben, dass wahr und falsch gleichberechtigte Beziehungen von Zeichen und Bezeich- netem sind.
Man könnte dann z. B. sagen, dass „''p''“ auf die wahre Art bezeichnet, was „∼''p''“ auf die falsche Art, etc.
4.062               Kann man sich nicht mit falschen Sätzen, wie bisher mit wahren, verständigen? Solange man nur weiss, dass sie falsch gemeint sind. Nein! Denn, wahr ist ein Satz, wenn es sich so verhält, wie wir es durch ihn sagen; und wenn wir mit „''p''“ ∼''p'' meinen, und es sich so verhält wie wir es meinen, so ist „''p''“ in der neuen Auffassung wahr und nicht falsch.
4.0621 Dass aber die Zeichen „''p''“ und „∼''p''“ das gleiche sagen  kö n - n e n, ist wichtig. Denn es zeigt, dass dem Zeichen „∼“ in der Wirklichkeit nichts entspricht.
Dass in einem Satz die Verneinung vorkommt, ist noch kein Merkmal seines Sinnes (∼∼''p'' = ''p'').
Die Sätze „''p''“ und „∼''p''“ haben entgegengesetzten Sinn, aber es entspricht ihnen eine und dieselbe Wirklichkeit.
4.063               Ein Bild zur Erklärung des Wahrheitsbegriffes: Schwarzer Fleck auf weissem Papier; die Form des Fleckes kann man beschreiben, indem man für jeden Punkt der Fläche angibt, ob er weiss oder schwarz ist. Der Tatsache, dass ein Punkt schwarz ist, entspricht eine positive—der, dass ein Punkt weiss (nicht schwarz) ist, eine negative Tatsache. Bezeichne ich einen Punkt der Fläche (einen Frege’schen Wahrheitswert), so entspricht dies der Annahme, die zur Beurteilung aufgestellt wird, etc. etc.
Um aber sagen zu können, ein Punkt sei schwarz oder weiss, muss ich vorerst wissen, wann man einen Punkt schwarz und wann man ihn weiss nennt; um sagen zu können: „''p''“ ist wahr (oder falsch), muss ich bestimmt haben, unter welchen Umstän- den ich „''p''“ wahr nenne, und damit bestimme ich den Sinn des Satzes.
Der Punkt an dem das Gleichnis hinkt ist nun der: Wir kön- nen auf einen Punkt des Papiers zeigen, auch ohne zu wissen, was weiss und schwarz ist; einem Satz ohne Sinn aber entspricht gar nichts, denn er bezeichnet kein Ding (Wahrheitswert) dessen Ei- genschaften etwa „falsch“ oder „wahr“ hiessen; das Verbum eines Satzes ist nicht „ist wahr“ oder „ist falsch“—wie Frege glaubte—, sondern das, was „wahr ist“ muss das Verbum schon enthalten.
4.064               Jeder Satz muss s ch o n einen Sinn haben; die Bejahung kann ihn ihm nicht geben, denn sie bejaht ja gerade den Sinn. Und dasselbe gilt von der Verneinung, etc.
4.0641 Man könnte sagen: Die Verneinung bezieht sich schon auf den logischen Ort, den der verneinte Satz bestimmt.
Der verneinende Satz bestimmt einen a n d e r e n logischen Ort als der verneinte.
Der verneinende Satz bestimmt einen logischen Ort mit Hilfe des logischen Ortes des verneinten Satzes, indem er jenen aus- serhalb diesem liegend beschreibt.
Dass man den verneinten Satz wieder verneinen kann, zeigt schon, dass das, was verneint wird, schon ein Satz und nicht erst die Vorbereitung zu einem Satze ist.
1.1                   Der Satz stellt das Bestehen und Nichtbestehen der Sachverhalte dar.
4.11        Die Gesamtheit der wahren Sätze ist die gesamte Naturwissen- schaft (oder die Gesamtheit der Naturwissenschaften).
4.111           Die Philosophie ist keine der Naturwissenschaften.
(Das Wort „Philosophie“ muss etwas bedeuten, was über oder unter, aber nicht neben den Naturwissenschaften steht.)
4.112          Der Zweck der Philosophie ist die logische Klärung der Gedan- ken.
Die Philosophie ist keine Lehre, sondern eine Tätigkeit.
Ein philosophisches Werk besteht wesentlich aus Erläuterun- gen.
Das Resultat der Philosophie sind nicht „philosophische Sät- ze“, sondern das Klarwerden von Sätzen.
Die Philosophie soll die Gedanken, die sonst, gleichsam, trü- be und verschwommen sind, klar machen und scharf abgrenzen.
4.1121    Die Psychologie ist der Philosophie nicht verwandter als irgend eine andere Naturwissenschaft.
Erkenntnistheorie ist die Philosophie der Psychologie.
Entspricht nicht mein Studium der Zeichensprache dem Studium der Denkprozesse, welches die Philosophen für die Philosophie der Logik für so wesentlich hielten? Nur verwickelten sie sich meistens in unwesentliche psychologische Untersuchungen und eine analoge Gefahr gibt es auch bei meiner Methode.
4.1122 Die Darwinsche Theorie hat mit der Philosophie nicht mehr  zu schaffen, als irgend eine andere Hypothese der Naturwissen- schaft.
4.113          Die Philosophie begrenzt das bestreitbare Gebiet der Naturwis- senschaft.
4.114          Sie soll das Denkbare abgrenzen und damit das Undenkbare. Sie soll das Undenkbare von innen durch das Denkbare begrenzen.
4.115          Sie wird das Unsagbare bedeuten, indem sie das Sagbare klar darstellt.
4.116          Alles was überhaupt gedacht werden kann, kann klar gedacht werden. Alles was sich aussprechen lässt, lässt sich klar ausspre- chen.
4.12 Der Satz kann die gesamte Wirklichkeit darstellen, aber er kann nicht das darstellen, was er mit der Wirklichkeit gemein haben muss, um sie darstellen zu können—die logische Form.
Um die logische Form darstellen zu können, müssten wir uns mit dem Satze ausserhalb der Logik aufstellen können, das heisst ausserhalb der Welt.
4.121           Der Satz kann die logische Form nicht darstellen, sie spiegelt sich in ihm.
Was sich in der Sprache spiegelt, kann sie nicht darstellen.
Was s i ch in der Sprache ausdrückt, können w i r nicht durch sie ausdrücken.
Der Satz z e i g t die logische Form der Wirklichkeit. Er weist sie auf.
4.1211 So zeigt ein Satz „''fa''“, dass in seinem Sinn der Gegenstand ''a'' vorkommt, zwei Sätze „''fa''“ und „''ga''“, dass in ihnen beiden von demselben Gegenstand die Rede ist.
Wenn zwei Sätze einander widersprechen, so zeigt dies ihre Struktur; ebenso, wenn einer aus dem anderen folgt. U.s.w.
4.1212 Was gezeigt werden ka n n, ka n n nicht gesagt werden.
4.1213 Jetzt verstehen wir auch unser Gefühl: dass wir im Besitze einer richtigen logischen Auffassung seien, wenn nur einmal alles in unserer Zeichensprache stimmt.
4.122          Wir können in gewissem Sinne von formalen Eigenschaften der Gegenstände und Sachverhalte bezw. von Eigenschaften der Struktur der Tatsachen reden und in demselben Sinne von for- malen Relationen und Relationen von Strukturen.
(Statt Eigenschaft der Struktur sage ich auch „interne Eigen- schaft“; statt Relation der Strukturen „interne Relation“.
Ich führe diese Ausdrücke ein, um den Grund der, bei den Philosophen sehr verbreiteten Verwechslung zwischen den internen Relationen und den eigentlichen (externen) Relationen zu zeigen.)
Das Bestehen solcher interner Eigenschaften und Relationen kann aber nicht durch Sätze behauptet werden, sondern es zeigt sich in den Sätzen, welche jene Sachverhalte darstellen und von jenen Gegenständen handeln.
4.1221 Eine interne Eigenschaft einer Tatsache können wir auch einen Zug dieser Tatsache nennen. (In dem Sinn, in welchem wir etwa von Gesichtszügen sprechen.)
4.123          Eine Eigenschaft ist intern, wenn es undenkbar ist, dass ihr Ge- genstand sie nicht besitzt.
(Diese blaue Farbe und jene stehen in der internen Relation von heller und dunkler eo ipso. Es ist undenkbar, dass d i e s e beiden Gegenstände nicht in dieser Relation stünden.)
(Hier entspricht dem schwankenden Gebrauch der Worte „Ei- genschaft“ und „Relation“ der schwankende Gebrauch des Wor- tes „Gegenstand“.)
4.124          Das Bestehen einer internen Eigenschaft einer möglichen Sach- lage wird nicht durch einen Satz ausgedrückt, sondern es drückt sich in dem sie darstellenden Satz, durch eine interne Eigenschaft dieses Satzes aus.
Es wäre ebenso unsinnig, dem Satze eine formale Eigenschaft zuzusprechen, als sie ihm abzusprechen.
4.1241 Formen kann man nicht dadurch von einander unterscheiden, dass man sagt, die eine habe diese, die andere aber jene Eigenschaft; denn dies setzt voraus, dass es einen Sinn habe, beide Eigenschaften von beiden Formen auszusagen.
4.125          Das Bestehen einer internen Relation zwischen möglichen Sach- lagen drückt sich sprachlich durch eine interne Relation zwischen den sie darstellenden Sätzen aus.
4.1251    Hier erledigt sich nun die Streitfrage „ob alle Relationen intern oder extern“ seien.
4.1252   Reihen, welche durch i nt e r n e Relationen geordnet sind, nenne ich Formenreihen.
Die Zahlenreihe ist nicht nach einer externen, sondern nach einer internen Relation geordnet.
Ebenso die Reihe der Sätze „''aRb''“, „(∃''x'') : ''aRx . xRb''“, „(∃''x, y'') : ''aRx . xRy . yRb''“, u. s. f.
(Steht ''b'' in einer dieser Beziehungen zu ''a'', so nenne ich ''b'' einen Nachfolger von ''a''.)
4.126          In dem Sinne, in welchem wir von formalen Eigenschaften spre- chen, können wir nun auch von formalen Begriffen reden.
(Ich führe diesen Ausdruck ein, um den Grund der Verwechs- lung der formalen Begriffe mit den eigentlichen Begriffen, welche die ganze alte Logik durchzieht, klar zu machen.)
Dass etwas unter einen formalen Begriff als dessen Gegen- stand fällt, kann nicht durch einen Satz ausgedrückt werden. Sondern es zeigt sich an dem Zeichen dieses Gegenstandes selbst. (Der Name zeigt, dass er einen Gegenstand bezeichnet, das Zah- lenzeichen, dass es eine Zahl bezeichnet etc.)
Die formalen Begriffe können ja nicht, wie die eigentlichen Begriffe, durch eine Funktion dargestellt werden.
Denn ihre Merkmale, die formalen Eigenschaften, werden nicht durch Funktionen ausgedrückt.
Der Ausdruck der formalen Eigenschaft ist ein Zug gewisser Symbole.
Das Zeichen der Merkmale eines formalen Begriffes ist al- so ein charakteristischer Zug aller Symbole, deren Bedeutungen unter den Begriff fallen.
Der Ausdruck des formalen Begriffes also, eine Satzvariable, in welcher nur dieser charakteristische Zug konstant ist.
4.127           Die Satzvariable bezeichnet den formalen Begriff und ihre Werte die Gegenstände, welche unter diesen Begriff fallen.
4.1271 Jede Variable ist das Zeichen eines formalen Begriffes.
Denn jede Variable stellt eine konstante Form dar, welche alle ihre Werte besitzen, und die als formale Eigenschaft dieser Werte aufgefasst werden kann.
4.1272 So ist der variable Name „''x''“ das eigentliche Zeichen des Scheinbegriffes G e g e n s t a n d.
Wo immer das Wort „Gegenstand“ („Ding“, „Sache“, etc.) richtig gebraucht wird, wird es in der Begriffsschrift durch den variablen Namen ausgedrückt.
Zum Beispiel in dem Satz „es gibt 2 Gegenstände, welche
. . . “ durch „(∃''x, y'') ''. . .''“.
Wo immer es anders, also als eigentliches Begriffswort ge- braucht wird, entstehen unsinnige Scheinsätze.
So kann man z. B. nicht sagen „Es gibt Gegenstände“, wie man etwa sagt „Es gibt Bücher“. Und ebenso wenig „Es gibt 100 Gegenstände“, oder „Es gibt ℵ<sub>0</sub> Gegenstände“.
Und es ist unsinnig, von der A n z a h l a l l e r G e g e n s t ä n d e zu sprechen.
Dasselbe gilt von den Worten „Komplex“, „Tatsache“, „Funktion“, „Zahl“, etc.
Sie alle bezeichnen formale Begriffe und werden in der Be- griffsschrift durch Variable, nicht durch Funktionen oder Klassen dargestellt. (Wie Frege und Russell glaubten.)
Ausdrücke wie „1 ist eine Zahl“, „es gibt nur Eine Null“ und alle ähnlichen sind unsinnig.
(Es ist ebenso unsinnig zu sagen „es gibt nur eine 1“, als es unsinnig wäre, zu sagen: 2 + 2 ist um 3 Uhr gleich 4.)
4.12721 Der formale Begriff ist mit einem Gegenstand, der unter ihn fällt, bereits gegeben. Man kann also nicht Gegenstände eines forma- len Begriffes u n d den formalen Begriff selbst als Grundbegriffe einführen. Man kann also z. B. nicht den Begriff der Funktion, und auch spezielle Funktionen (wie Russell) als Grundbegriffe einführen; oder den Begriff der Zahl und bestimmte Zahlen.
4.1273 Wollen wir den allgemeinen Satz: „''b'' ist ein Nachfolger von ''a''“ in der Begriffsschrift ausdrücken, so brauchen wir hierzu einen Ausdruck für das allgemeine Glied der Formenreihe: ''aRb'', (∃''x'') : ''aRx.xRb'', (∃''x, y'') : ''aRx.xRy.yRb'', . . . Das allgemeine Glied einer Formenreihe kann man nur durch eine Variable ausdrücken, denn der Begriff: Glied dieser Formenreihe, ist ein f o r m a l e r Begriff. (Dies haben Frege und Russell übersehen; die Art und Weise wie sie allgemeine Sätze, wie den obigen ausdrücken wollen ist daher falsch; sie enthält einen circulus vitiosus.)
Wir können das allgemeine Glied der Formenreihe bestimmen, indem wir ihr erstes Glied angeben und die allgemeine Form der Operation, welche das folgende Glied aus dem vorher- gehenden Satz erzeugt.