Logisch-philosophische Abhandlung: Difference between revisions

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5.501 Einen Klammerausdruck, dessen Glieder Sätze sind, deute ich—wenn die Reihenfolge der Glieder in der Klammer gleichgültig ist—durch ein Zeichen von der Form „(''ξ'')“ an. „''ξ''“ ist eine Variable, deren Werte die Glieder des Klammerausdruckes sind; und der Strich über der Variablen deutet an, dass sie ihre sämtlichen Werte in der Klammer vertritt.
5.501 Einen Klammerausdruck, dessen Glieder Sätze sind, deute ich—wenn die Reihenfolge der Glieder in der Klammer gleichgültig ist—durch ein Zeichen von der Form „(''ξ'')“ an. „''ξ''“ ist eine Variable, deren Werte die Glieder des Klammerausdruckes sind; und der Strich über der Variablen deutet an, dass sie ihre sämtlichen Werte in der Klammer vertritt.


(Hat also ''<math>\xi</math>'' etwa die 3 Werte P, Q, R, so ist (''<math>\bar{\xi}</math>'') = (P,  Q,  R).)
(Hat also <math>\xi</math> etwa die 3 Werte P, Q, R, so ist (''<math>\bar{\xi}</math>) = (P,  Q,  R).)


Die Werte der Variablen werden festgesetzt.
Die Werte der Variablen werden festgesetzt.
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Wie die Beschreibung der Glieder des Klammerausdruckes geschieht, ist unwesentlich.
Wie die Beschreibung der Glieder des Klammerausdruckes geschieht, ist unwesentlich.


Wir kö n n e n drei Arten der Beschreibung unterscheiden: 1. Die direkte Aufzählung. In diesem Fall können wir statt der Variablen einfach ihre konstanten Werte setzen. 2. Die Angabe<references />
Wir kö n n e n drei Arten der Beschreibung unterscheiden: 1. Die direkte Aufzählung. In diesem Fall können wir statt der Variablen einfach ihre konstanten Werte setzen. 2. Die Angabe einer Funktion ''fx'', deren Werte für alle Werte von ''x'' die zu beschreibenden Sätze sind. 3. Die Angabe eines formalen Ge- setzes, nach welchem jene Sätze gebildet sind. In diesem Falle sind die Glieder des Klammerausdrucks sämtliche Glieder einer Formenreihe.
 
5.502 Ich schreibe also statt „(– – – – –W)(''ξ, . . . .'')“ „''N'' (<math>\bar{\xi}</math>)“.
 
„''N'' (<math>\bar{\xi}</math>)“ ist die Negation sämtlicher Werte der Satzvariablen <math>\xi</math>.
 
5.503 Da sich offenbar leicht ausdrücken lässt, wie mit dieser Opera- tion Sätze gebildet werden können und wie Sätze mit ihr nicht zu bilden sind, so muss dies auch einen exakten Ausdruck fin- den können.
 
5.51 Hat <math>\xi</math> nur einen Wert, so ist ''N'' (<math>\bar{\xi}</math>) = ∼''p'' (nicht ''p''), hat es zwei Werte, so ist ''N'' (<math>\bar{\xi}</math>) = ∼''p .'' ∼''q'' (weder ''p'' noch ''q'').
 
5.511 Wie kann die allumfassende, weltspiegelnde Logik so spezielle Haken und Manipulationen gebrauchen? Nur, indem sich al- le diese zu einem unendlich feinen Netzwerk, zu dem grossen Spiegel, verknüpfen.
 
5.512 „∼''p''“ ist wahr, wenn „''p''“ falsch ist. Also in dem wahren Satz „∼''p''“ ist „''p''“ ein falscher Satz. Wie kann ihn nun der Strich „∼“ mit der Wirklichkeit zum Stimmen bringen?
 
Das, was in „∼''p''“ verneint, ist aber nicht das „∼“, sondern dasjenige, was allen Zeichen dieser Notation, welche ''p'' vernei- nen, gemeinsam ist.
 
Also die gemeinsame Regel, nach welcher „∼''p''“, „∼∼∼''p''“, „∼''p'' ∨ ∼''p''“, „∼''p .'' ∼''p''“, etc. etc. (ad inf.) gebildet werden. Und dies Gemeinsame spiegelt die Verneinung wider.
 
5.513 Man könnte sagen: Das Gemeinsame aller Symbole, die sowohl ''p'' als ''q'' bejahen, ist der Satz „''p . q''“. Das Gemeinsame aller Symbole, die entweder ''p'' oder ''q'' bejahen, ist der Satz „''p'' ∨ ''q''“.
 
Und so kann man sagen: Zwei Sätze sind einander entge- gengesetzt, wenn sie nichts miteinander gemein haben, und: Jeder Satz hat nur ein Negativ, weil es nur einen Satz gibt, der ganz ausserhalb seiner liegt.
 
Es zeigt sich so auch in Russells Notation, dass „''q'' : ''p'' ∨ ∼''p''“ dasselbe sagt wie „''q''“; dass „''p'' ∨ ∼''p''“ nichts sagt.
 
5.514 Ist eine Notation festgelegt, so gibt es in ihr eine Regel, nach der alle ''p'' verneinenden Sätze gebildet werden, eine Regel, nach der alle ''p'' bejahenden Sätze gebildet werden, eine Regel, nach der alle ''p'' oder ''q'' bejahenden Sätze gebildet werden, u. s. f. Diese Regeln sind den Symbolen äquivalent und in ihnen spiegelt sich ihr Sinn wider.
 
5.515  Es muss sich an unseren Symbolen zeigen, dass das, was durch „∨“, „''.''“, etc. miteinander verbunden ist, Sätze sein müssen.
 
Und dies ist auch der Fall, denn das Symbol „''p''“ und „''q''“ setzt ja selbst das „∨“, „∼“, etc. voraus. Wenn das Zeichen „''p''“ in „''p''∨ ''q''“ nicht für ein komplexes Zeichen steht, dann kann es allein nicht Sinn haben; dann können aber auch die mit „''p''“ gleichsinnigen Zeichen „''p'' ∨ ''p''“, „''p . p''“, etc. keinen Sinn haben. Wenn aber „''p'' ∨ ''p''“ keinen Sinn hat, dann kann auch „''p'' ∨ ''q''“ keinen Sinn haben.
 
5.5151 Muss das Zeichen des negativen Satzes mit dem Zeichen des positiven gebildet werden? Warum sollte man den negativen Satz nicht durch eine negative Tatsache ausdrücken können. (Etwa: Wenn „''a''“ nicht in einer bestimmten Beziehung zu „''b''“ steht, könnte das ausdrücken, dass ''aRb'' nicht der Fall ist.)
 
Aber auch hier ist ja der negative Satz indirekt durch den positiven gebildet.
 
Der positive S a t z muss die Existenz des negativen S a t z e s voraussetzen und umgekehrt.
 
5.52 Sind die Werte  von  ''ξ'' sämtliche Werte einer Funktion  ''fx'' für  alle Werte von ''x'', so wird ''N'' (<math>\bar{\xi}</math>) = ∼(∃''x'') ''. fx''.
 
5.521 Ich trenne den Begriff A l l e von der Wahrheitsfunktion.
 
Frege und Russell haben die Allgemeinheit in Verbindung mit dem logischen Produkt oder der logischen Summe einge- führt. So wurde es schwer, die Sätze „(∃''x'') ''. fx''“ und „(''x'') ''. fx''“, in welchen beide Ideen beschlossen liegen, zu verstehen.
 
5.522  Das Eigentümliche der Allgemeinheitsbezeichnung ist erstens, dass sie auf ein logisches Urbild hinweist, und zweitens, dass sie Konstante hervorhebt.
 
5.523  Die Allgemeinheitsbezeichnung tritt als Argument auf.<references />