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{{ParTLPde|1}} Die Welt ist alles, was der Fall ist.<ref>Die Decimalzahlen als Nummern der einzelnen Sätze deuten das logische Gewicht der Sätze an, den Nachdruck, der auf ihnen in meiner Darstellung liegt. Die Sätze ''n''.1, ''n''.2, ''n''.3, etc., sind Bemerkungen zum Satze No. ''n''; die Sätze ''n''.''m''1, ''n''.''m''2, etc. Bemerkungen zum Satze No. ''n''.''m''; und so weiter.</ref> | {{ParTLPde|1}} Die Welt ist alles, was der Fall ist.<ref>Die Decimalzahlen als Nummern der einzelnen Sätze deuten das logische Gewicht der Sätze an, den Nachdruck, der auf ihnen in meiner Darstellung liegt. Die Sätze ''n''.1, ''n''.2, ''n''.3, etc., sind Bemerkungen zum Satze No. ''n''; die Sätze ''n''.''m''1, ''n''.''m''2, etc. Bemerkungen zum Satze No. ''n''.''m''; und so weiter.</ref> | ||
{{ParTLPde|1.1}} | {{ParTLPde|1.1}} Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge. | ||
{{ParTLPde|1.11}} | {{ParTLPde|1.11}} Die Welt ist durch die Tatsachen bestimmt und dadurch, dass es a l l e Tatsachen sind. | ||
{{ParTLPde|1.12}} | {{ParTLPde|1.12}} Denn, die Gesamtheit der Tatsachen bestimmt, was der Fall ist und auch, was alles nicht der Fall ist. | ||
{{ParTLPde|1.13}} | {{ParTLPde|1.13}} Die Tatsachen im logischen Raum sind die Welt. | ||
{{ParTLPde|1.2}} | {{ParTLPde|1.2}} Die Welt zerfällt in Tatsachen. | ||
{{ParTLPde|1.21}} Eines kann der Fall sein oder nicht der Fall sein und alles übrige gleich bleiben. | {{ParTLPde|1.21}} Eines kann der Fall sein oder nicht der Fall sein und alles übrige gleich bleiben. | ||
{{ParTLPde|2}} | {{ParTLPde|2}} Was der Fall ist, die Tatsache, ist das Bestehen von Sachverhalten. | ||
{{ParTLPde|2.01}} Der Sachverhalt ist eine Verbindung von Gegenständen. (Sachen, Dingen.) | {{ParTLPde|2.01}} Der Sachverhalt ist eine Verbindung von Gegenständen. (Sachen, Dingen.) | ||
{{ParTLPde|2.011}} | {{ParTLPde|2.011}} Es ist dem Ding wesentlich, der Bestandteil eines Sachverhaltes sein zu können. | ||
{{ParTLPde|2.012}} | {{ParTLPde|2.012}} In der Logik ist nichts zufällig: Wenn das Ding im Sachverhalt vorkommen ka n n, so muss die Möglichkeit des Sachverhaltes im Ding bereits präjudiziert sein. | ||
{{ParTLPde|2.0121}} | {{ParTLPde|2.0121}} Es erschiene gleichsam als Zufall, wenn dem Ding, das allein für sich bestehen könnte, nachträglich eine Sachlage passen würde. | ||
Wenn die Dinge in Sachverhalten vorkommen können, so muss dies schon in ihnen liegen. | Wenn die Dinge in Sachverhalten vorkommen können, so muss dies schon in ihnen liegen. | ||
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{{ParTLPde|2.0124}} Sind alle Gegenstände gegeben, so sind damit auch alle m ö g l i ch e n Sachverhalte gegeben. | {{ParTLPde|2.0124}} Sind alle Gegenstände gegeben, so sind damit auch alle m ö g l i ch e n Sachverhalte gegeben. | ||
{{ParTLPde|2.013}} | {{ParTLPde|2.013}} Jedes Ding ist, gleichsam, in einem Raume möglicher Sachverhalte. Diesen Raum kann ich mir leer denken, nicht aber das Ding ohne den Raum. | ||
{{ParTLPde|2.0131}} Der räumliche Gegenstand muss im unendlichen Raume liegen. (Der Raumpunkt ist eine Argumentstelle.) | {{ParTLPde|2.0131}} Der räumliche Gegenstand muss im unendlichen Raume liegen. (Der Raumpunkt ist eine Argumentstelle.) | ||
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Der Fleck im Gesichtsfeld muss zwar nicht rot sein, aber eine Farbe muss er haben: er hat sozusagen den Farbenraum um sich. Der Ton muss e i n e Höhe haben, der Gegenstand des Tastsinnes e i n e Härte usw. | Der Fleck im Gesichtsfeld muss zwar nicht rot sein, aber eine Farbe muss er haben: er hat sozusagen den Farbenraum um sich. Der Ton muss e i n e Höhe haben, der Gegenstand des Tastsinnes e i n e Härte usw. | ||
{{ParTLPde|2.014}} | {{ParTLPde|2.014}} Die Gegenstände enthalten die Möglichkeit aller Sachlagen. | ||
{{ParTLPde|2.0141}} | {{ParTLPde|2.0141}} Die Möglichkeit seines Vorkommens in Sachverhalten, ist die Form des Gegenstandes. | ||
{{ParTLPde|2.02}} | {{ParTLPde|2.02}} Der Gegenstand ist einfach. | ||
{{ParTLPde|2.0201}} Jede Aussage über Komplexe lässt sich in eine Aussage über deren Bestandteile und in diejenigen Sätze zerlegen, welche die Komplexe vollständig beschreiben. | {{ParTLPde|2.0201}} Jede Aussage über Komplexe lässt sich in eine Aussage über deren Bestandteile und in diejenigen Sätze zerlegen, welche die Komplexe vollständig beschreiben. | ||
{{ParTLPde|2.021}} | {{ParTLPde|2.021}} Die Gegenstände bilden die Substanz der Welt. Darum können sie nicht zusammengesetzt sein. | ||
{{ParTLPde|2.0211}} Hätte die Welt keine Substanz, so würde, ob ein Satz Sinn hat, davon abhängen, ob ein anderer Satz wahr ist. | {{ParTLPde|2.0211}} Hätte die Welt keine Substanz, so würde, ob ein Satz Sinn hat, davon abhängen, ob ein anderer Satz wahr ist. | ||
Line 91: | Line 91: | ||
{{ParTLPde|2.0212}} Es wäre dann unmöglich, ein Bild der Welt (wahr oder falsch) zu entwerfen. | {{ParTLPde|2.0212}} Es wäre dann unmöglich, ein Bild der Welt (wahr oder falsch) zu entwerfen. | ||
{{ParTLPde|2.022}} | {{ParTLPde|2.022}} Es ist offenbar, dass auch eine von der wirklichen noch so verschieden gedachte Welt Etwas – eine Form – mit der wirklichen gemein haben muss. | ||
{{ParTLPde|2.023}} | {{ParTLPde|2.023}} Diese feste Form besteht eben aus den Gegenständen. | ||
{{ParTLPde|2.0231}} Die Substanz der Welt ka n n nur eine Form und keine materiellen Eigenschaften bestimmen. Denn diese werden erst durch die Sätze dargestellt – erst durch die Konfiguration der Gegenstände gebildet. | {{ParTLPde|2.0231}} Die Substanz der Welt ka n n nur eine Form und keine materiellen Eigenschaften bestimmen. Denn diese werden erst durch die Sätze dargestellt – erst durch die Konfiguration der Gegenstände gebildet. | ||
Line 105: | Line 105: | ||
Denn, ist das Ding durch nichts hervorgehoben, so kann ich es nicht hervorheben, denn sonst ist es eben hervorgehoben. | Denn, ist das Ding durch nichts hervorgehoben, so kann ich es nicht hervorheben, denn sonst ist es eben hervorgehoben. | ||
{{ParTLPde|2.024}} | {{ParTLPde|2.024}} Die Substanz ist das, was unabhängig von dem was der Fall ist, besteht. | ||
{{ParTLPde|2.025}} | {{ParTLPde|2.025}} Sie ist Form und Inhalt. | ||
{{ParTLPde|2.0251}} | {{ParTLPde|2.0251}} Raum, Zeit und Farbe (Färbigkeit) sind Formen der Gegenstände. | ||
{{ParTLPde|2.026}} | {{ParTLPde|2.026}} Nur wenn es Gegenstände gibt, kann es eine feste Form der Welt geben. | ||
{{ParTLPde|2.027}} | {{ParTLPde|2.027}} Das Feste, das Bestehende und der Gegenstand sind Eins. | ||
{{ParTLPde|2.0271}} | {{ParTLPde|2.0271}} Der Gegenstand ist das Feste, Bestehende; die Konfiguration ist das Wechselnde, Unbeständige. | ||
{{ParTLPde|2.0272}} | {{ParTLPde|2.0272}} Die Konfiguration der Gegenstände bildet den Sachverhalt. | ||
{{ParTLPde|2.03}} | {{ParTLPde|2.03}} Im Sachverhalt hängen die Gegenstände ineinander, wie die Glieder einer Kette. | ||
{{ParTLPde|2.031}} | {{ParTLPde|2.031}} Im Sachverhalt verhalten sich die Gegenstände in bestimmter Art und Weise zueinander. | ||
{{ParTLPde|2.032}} | {{ParTLPde|2.032}} Die Art und Weise, wie die Gegenstände im Sachverhalt zusammenhängen, ist die Struktur des Sachverhaltes. | ||
{{ParTLPde|2.033}} | {{ParTLPde|2.033}} Die Form ist die Möglichkeit der Struktur. | ||
{{ParTLPde|2.034}} | {{ParTLPde|2.034}} Die Struktur der Tatsache besteht aus den Strukturen der Sachverhalte. | ||
{{ParTLPde|2.04}} | {{ParTLPde|2.04}} Die Gesamtheit der bestehenden Sachverhalte ist die Welt. | ||
{{ParTLPde|2.05}} | {{ParTLPde|2.05}} Die Gesamtheit der bestehenden Sachverhalte bestimmt auch, welche Sachverhalte nicht bestehen. | ||
{{ParTLPde|2.06}} | {{ParTLPde|2.06}} Das Bestehen und Nichtbestehen von Sachverhalten ist die Wirklichkeit. | ||
(Das Bestehen von Sachverhalten nennen wir auch eine positive, das Nichtbestehen eine negative Tatsache.) | (Das Bestehen von Sachverhalten nennen wir auch eine positive, das Nichtbestehen eine negative Tatsache.) | ||
{{ParTLPde|2.061}} | {{ParTLPde|2.061}} Die Sachverhalte sind von einander unabhängig. | ||
{{ParTLPde|2.062}} | {{ParTLPde|2.062}} Aus dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Sachverhaltes kann nicht auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines anderen geschlossen werden. | ||
{{ParTLPde|2.063}} | {{ParTLPde|2.063}} Die gesamte Wirklichkeit ist die Welt. | ||
{{ParTLPde|2.1}} | {{ParTLPde|2.1}} Wir machen uns Bilder der Tatsachen. | ||
{{ParTLPde|2.11}} | {{ParTLPde|2.11}} Das Bild stellt die Sachlage im logischen Raume, das Bestehen und Nichtbestehen von Sachverhalten vor. | ||
{{ParTLPde|2.12}} | {{ParTLPde|2.12}} Das Bild ist ein Modell der Wirklichkeit. | ||
{{ParTLPde|2.13}} | {{ParTLPde|2.13}} Den Gegenständen entsprechen im Bilde die Elemente des Bildes. | ||
{{ParTLPde|2.131}} | {{ParTLPde|2.131}} Die Elemente des Bildes vertreten im Bild die Gegenstände. | ||
{{ParTLPde|2.14}} | {{ParTLPde|2.14}} Das Bild besteht darin, dass sich seine Elemente in bestimmter Art und Weise zu einander verhalten. | ||
{{ParTLPde|2.141}} | {{ParTLPde|2.141}} Das Bild ist eine Tatsache. | ||
{{ParTLPde|2.15}} | {{ParTLPde|2.15}} Dass sich die Elemente des Bildes in bestimmter Art und Weise zu einander verhalten stellt vor, dass sich die Sachen so zu einander verhalten. | ||
Dieser Zusammenhang der Elemente des Bildes heisse seine Struktur und ihre Möglichkeit seine Form der Abbildung. | Dieser Zusammenhang der Elemente des Bildes heisse seine Struktur und ihre Möglichkeit seine Form der Abbildung. | ||
{{ParTLPde|2.151}} | {{ParTLPde|2.151}} Die Form der Abbildung ist die Möglichkeit, dass sich die Dinge so zu einander verhalten, wie die Elemente des Bildes. | ||
{{ParTLPde|2.1511}} | {{ParTLPde|2.1511}} Das Bild ist s o mit der Wirklichkeit verknüpft; es reicht bis zu ihr. | ||
{{ParTLPde|2.1512}} | {{ParTLPde|2.1512}} Es ist wie ein Massstab an die Wirklichkeit angelegt. | ||
{{ParTLPde|2.15121}} Nur die äussersten Punkte der Teilstriche b e r ü h r e n den zu messenden Gegenstand. | {{ParTLPde|2.15121}} Nur die äussersten Punkte der Teilstriche b e r ü h r e n den zu messenden Gegenstand. | ||
{{ParTLPde|2.1513}} | {{ParTLPde|2.1513}} Nach dieser Auffassung gehört also zum Bilde auch noch die abbildende Beziehung, die es zum Bild macht. | ||
{{ParTLPde|2.1514}} | {{ParTLPde|2.1514}} Die abbildende Beziehung besteht aus den Zuordnungen der Elemente des Bildes und der Sachen. | ||
{{ParTLPde|2.1515}} | {{ParTLPde|2.1515}} Diese Zuordnungen sind gleichsam die Fühler der Bildelemente, mit denen das Bild die Wirklichkeit berührt. | ||
{{ParTLPde|2.16}} | {{ParTLPde|2.16}} Die Tatsache muss um Bild zu sein, etwas mit dem Abgebildeten gemeinsam haben. | ||
{{ParTLPde|2.161}} | {{ParTLPde|2.161}} In Bild und Abgebildetem muss etwas identisch sein, damit das eine überhaupt ein Bild des anderen sein kann. | ||
{{ParTLPde|2.17}} | {{ParTLPde|2.17}} Was das Bild mit der Wirklichkeit gemein haben muss, um sie auf seine Art und Weise – richtig oder falsch – abbilden zu können, ist seine Form der Abbildung. | ||
{{ParTLPde|2.171}} | {{ParTLPde|2.171}} Das Bild kann jede Wirklichkeit abbilden, deren Form es hat. Das räumliche Bild alles Räumliche, das farbige alles Farbige, etc. | ||
{{ParTLPde|2.172}} | {{ParTLPde|2.172}} Seine Form der Abbildung aber, kann das Bild nicht abbilden; es weist sie auf. | ||
{{ParTLPde|2.173}} | {{ParTLPde|2.173}} Das Bild stellt sein Objekt von ausserhalb dar (sein Standpunkt ist seine Form der Darstellung), darum stellt das Bild sein Objekt richtig oder falsch dar. | ||
{{ParTLPde|2.174}} | {{ParTLPde|2.174}} Das Bild kann sich aber nicht ausserhalb seiner Form der Darstellung stellen. | ||
{{ParTLPde|2.18}} Was jedes Bild, welcher Form immer, mit der Wirklichkeit gemein haben muss, um sie überhaupt – richtig oder falsch – abbilden zu können, ist die logische Form, das ist, die Form der Wirklichkeit. | {{ParTLPde|2.18}} Was jedes Bild, welcher Form immer, mit der Wirklichkeit gemein haben muss, um sie überhaupt – richtig oder falsch – abbilden zu können, ist die logische Form, das ist, die Form der Wirklichkeit. | ||
{{ParTLPde|2.181}} | {{ParTLPde|2.181}} Ist die Form der Abbildung die logische Form, so heisst das Bild das logische Bild. | ||
{{ParTLPde|2.182}} | {{ParTLPde|2.182}} Jedes Bild ist a u ch ein logisches. (Dagegen ist z. B. nicht jedes Bild ein räumliches.) | ||
{{ParTLPde|2.19}} Das logische Bild kann die Welt abbilden. | {{ParTLPde|2.19}} Das logische Bild kann die Welt abbilden. | ||
{{ParTLPde|2.2}} | {{ParTLPde|2.2}} Das Bild hat mit dem Abgebildeten die logische Form der Abbildung gemein. | ||
{{ParTLPde|2.201}} | {{ParTLPde|2.201}} Das Bild bildet die Wirklichkeit ab, indem es eine Möglichkeit des Bestehens und Nichtbestehens von Sachverhalten darstellt. | ||
{{ParTLPde|2.202}} | {{ParTLPde|2.202}} Das Bild stellt eine mögliche Sachlage im logischen Raume dar. | ||
{{ParTLPde|2.203}} | {{ParTLPde|2.203}} Das Bild enthält die Möglichkeit der Sachlage, die es darstellt. | ||
{{ParTLPde|2.21}} | {{ParTLPde|2.21}} Das Bild stimmt mit der Wirklichkeit überein oder nicht; es ist richtig oder unrichtig, wahr oder falsch. | ||
{{ParTLPde|2.22}} | {{ParTLPde|2.22}} Das Bild stellt dar, was es darstellt, unabhängig von seiner Wahr- oder Falschheit, durch die Form der Abbildung. | ||
{{ParTLPde|2.221}} | {{ParTLPde|2.221}} Was das Bild darstellt, ist sein Sinn. | ||
{{ParTLPde|2.222}} | {{ParTLPde|2.222}} In der Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung seines Sinnes mit der Wirklichkeit, besteht seine Wahrheit oder Falschheit. | ||
{{ParTLPde|2.223}} | {{ParTLPde|2.223}} Um zu erkennen, ob das Bild wahr oder falsch ist, müssen wir es mit der Wirklichkeit vergleichen. | ||
{{ParTLPde|2.224}} | {{ParTLPde|2.224}} Aus dem Bild allein ist nicht zu erkennen, ob es wahr oder falsch ist. | ||
{{ParTLPde|2.225}} | {{ParTLPde|2.225}} Ein a priori wahres Bild gibt es nicht. | ||
{{ParTLPde|3}} | {{ParTLPde|3}} Das logische Bild der Tatsachen ist der Gedanke. | ||
{{ParTLPde|3.001}} | {{ParTLPde|3.001}} „Ein Sachverhalt ist denkbar“ heisst: Wir können uns ein Bild von ihm machen. | ||
{{ParTLPde|3.01}} | {{ParTLPde|3.01}} Die Gesamtheit der wahren Gedanken sind ein Bild der Welt. | ||
{{ParTLPde|3.02}} | {{ParTLPde|3.02}} Der Gedanke enthält die Möglichkeit der Sachlage die er denkt. Was denkbar ist, ist auch möglich. | ||
{{ParTLPde|3.03}} | {{ParTLPde|3.03}} Wir können nichts Unlogisches denken, weil wir sonst unlogisch denken müssten. | ||
{{ParTLPde|3.031}} | {{ParTLPde|3.031}} Man sagte einmal, dass Gott alles schaffen könne, nur nichts, was den logischen Gesetzen zuwider wäre. – Wir könnten nämlich von einer „unlogischen“ Welt nicht s a g e n, wie sie aussähe. | ||
{{ParTLPde|3.032}} | {{ParTLPde|3.032}} Etwas „der Logik widersprechendes“ in der Sprache darstellen, kann man ebensowenig, wie in der Geometrie eine den Gesetzen des Raumes widersprechende Figur durch ihre Koordinaten darstellen; oder die Koordinaten eines Punktes angeben, welcher nicht existiert. | ||
{{ParTLPde|3.0321}} Wohl können wir einen Sachverhalt räumlich darstellen, welcher den Gesetzen der Physik, aber keinen, der den Gesetzen der Geometrie zuwiderliefe. | {{ParTLPde|3.0321}} Wohl können wir einen Sachverhalt räumlich darstellen, welcher den Gesetzen der Physik, aber keinen, der den Gesetzen der Geometrie zuwiderliefe. | ||
{{ParTLPde|3.04}} | {{ParTLPde|3.04}} Ein a priori richtiger Gedanke wäre ein solcher, dessen Möglichkeit seine Wahrheit bedingte. | ||
{{ParTLPde|3.05}} | {{ParTLPde|3.05}} Nur so könnten wir a priori wissen, dass ein Gedanke wahr ist, wenn aus dem Gedanken selbst (ohne Vergleichsobjekt) seine Wahrheit zu erkennen wäre. | ||
{{ParTLPde|3.1}} | {{ParTLPde|3.1}} Im Satz drückt sich der Gedanke sinnlich wahrnehmbar aus. | ||
{{ParTLPde|3.11}} | {{ParTLPde|3.11}} Wir benützen das sinnlich wahrnehmbare Zeichen (Laut- oder Schriftzeichen etc.) des Satzes als Projektion der möglichen Sachlage. | ||
Die Projektionsmethode ist das Denken des Satz-Sinnes. | Die Projektionsmethode ist das Denken des Satz-Sinnes. | ||
{{ParTLPde|3.12}} | {{ParTLPde|3.12}} Das Zeichen, durch welches wir den Gedanken ausdrücken, nenne ich das Satzzeichen. Und der Satz ist das Satzzeichen in seiner projektiven Beziehung zur Welt. | ||
{{ParTLPde|3.13}} | {{ParTLPde|3.13}} Zum Satz gehört alles, was zur Projektion gehört; aber nicht das Projizierte. | ||
Also die Möglichkeit des Projizierten, aber nicht dieses selbst. | Also die Möglichkeit des Projizierten, aber nicht dieses selbst. | ||
Line 257: | Line 257: | ||
Im Satz ist die Form seines Sinnes enthalten, aber nicht dessen Inhalt. | Im Satz ist die Form seines Sinnes enthalten, aber nicht dessen Inhalt. | ||
{{ParTLPde|3.14}} | {{ParTLPde|3.14}} Das Satzzeichen besteht darin, dass sich seine Elemente, die Wörter, in ihm auf bestimmte Art und Weise zu einander verhalten. | ||
Das Satzzeichen ist eine Tatsache. | Das Satzzeichen ist eine Tatsache. | ||
{{ParTLPde|3.141}} | {{ParTLPde|3.141}} Der Satz ist kein Wörtergemisch. – (Wie das musikalische Thema kein Gemisch von Tönen.) | ||
Der Satz ist artikuliert. | Der Satz ist artikuliert. | ||
{{ParTLPde|3.142}} | {{ParTLPde|3.142}} Nur Tatsachen können einen Sinn ausdrücken, eine Klasse von Namen kann es nicht. | ||
{{ParTLPde|3.143}} | {{ParTLPde|3.143}} Dass das Satzzeichen eine Tatsache ist, wird durch die gewöhnliche Ausdrucksform der Schrift oder des Druckes verschleiert. | ||
Denn im gedruckten Satz z. B. sieht das Satzzeichen nicht wesentlich verschieden aus vom Wort. | Denn im gedruckten Satz z. B. sieht das Satzzeichen nicht wesentlich verschieden aus vom Wort. | ||
Line 279: | Line 279: | ||
{{ParTLPde|3.1432}} Nicht: „Das komplexe Zeichen ‚''aRb''‘ sagt, dass ''a'' in der Beziehung ''R'' zu ''b'' steht“, sondern: D a s s „''a''“ in einer gewissen Beziehung zu „''b''“ steht, sagt, d a s s ''aRb''. | {{ParTLPde|3.1432}} Nicht: „Das komplexe Zeichen ‚''aRb''‘ sagt, dass ''a'' in der Beziehung ''R'' zu ''b'' steht“, sondern: D a s s „''a''“ in einer gewissen Beziehung zu „''b''“ steht, sagt, d a s s ''aRb''. | ||
{{ParTLPde|3.144}} | {{ParTLPde|3.144}} Sachlagen kann man beschreiben, nicht b e n e n n e n. | ||
(Namen gleichen Punkten, Sätze Pfeilen, sie haben Sinn.) | (Namen gleichen Punkten, Sätze Pfeilen, sie haben Sinn.) | ||
{{ParTLPde|3.2}} | {{ParTLPde|3.2}} Im Satze kann der Gedanke so ausgedrückt sein, dass den Gegenständen des Gedankens Elemente des Satzzeichens entsprechen. | ||
{{ParTLPde|3.201}} | {{ParTLPde|3.201}} Diese Elemente nenne ich „einfache Zeichen“ und den Satz „vollständig analysiert“. | ||
{{ParTLPde|3.202}} | {{ParTLPde|3.202}} Die im Satze angewandten einfachen Zeichen heissen Namen. | ||
{{ParTLPde|3.203}} | {{ParTLPde|3.203}} Der Name bedeutet den Gegenstand. Der Gegenstand ist seine Bedeutung. („''A''“ ist dasselbe Zeichen wie „''A''“.) | ||
{{ParTLPde|3.21}} | {{ParTLPde|3.21}} Der Konfiguration der einfachen Zeichen im Satzzeichen entspricht die Konfiguration der Gegenstände in der Sachlage. | ||
{{ParTLPde|3.22}} | {{ParTLPde|3.22}} Der Name vertritt im Satz den Gegenstand. | ||
{{ParTLPde|3.221}} Die Gegenstände kann ich nur n e n n e n. Zeichen vertreten sie. Ich kann nur vo n ihnen sprechen, s i e a u s s p r e ch e n kann ich nicht. Ein Satz kann nur sagen, w i e ein Ding ist, nicht wa s es ist. | {{ParTLPde|3.221}} Die Gegenstände kann ich nur n e n n e n. Zeichen vertreten sie. Ich kann nur vo n ihnen sprechen, s i e a u s s p r e ch e n kann ich nicht. Ein Satz kann nur sagen, w i e ein Ding ist, nicht wa s es ist. | ||
{{ParTLPde|3.23}} | {{ParTLPde|3.23}} Die Forderung der Möglichkeit der einfachen Zeichen ist die Forderung der Bestimmtheit des Sinnes. | ||
{{ParTLPde|3.24}} | {{ParTLPde|3.24}} Der Satz, welcher vom Komplex handelt, steht in interner Beziehung zum Satze, der von dessen Bestandteil handelt. | ||
Der Komplex kann nur durch seine Beschreibung gegeben sein, und diese wird stimmen oder nicht stimmen. Der Satz, in welchem von einem Komplex die Rede ist, wird, wenn dieser nicht existiert, nicht unsinnig, sondern einfach falsch sein. | Der Komplex kann nur durch seine Beschreibung gegeben sein, und diese wird stimmen oder nicht stimmen. Der Satz, in welchem von einem Komplex die Rede ist, wird, wenn dieser nicht existiert, nicht unsinnig, sondern einfach falsch sein. | ||
Line 307: | Line 307: | ||
Die Zusammenfassung des Symbols eines Komplexes in ein einfaches Symbol kann durch eine Definition ausgedrückt werden. | Die Zusammenfassung des Symbols eines Komplexes in ein einfaches Symbol kann durch eine Definition ausgedrückt werden. | ||
{{ParTLPde|3.25}} | {{ParTLPde|3.25}} Es gibt eine und nur eine vollständige Analyse des Satzes. | ||
{{ParTLPde|3.251}} | {{ParTLPde|3.251}} Der Satz drückt auf bestimmte, klar angebbare Weise aus, was er ausdrückt: Der Satz ist artikuliert. | ||
{{ParTLPde|3.26}} | {{ParTLPde|3.26}} Der Name ist durch keine Definition weiter zu zergliedern: er ist ein Urzeichen. | ||
{{ParTLPde|3.261}} | {{ParTLPde|3.261}} Jedes definierte Zeichen bezeichnet ü b e r jene Zeichen, durch welche es definiert wurde; und die Definitionen weisen den Weg. | ||
Zwei Zeichen, ein Urzeichen, und ein durch Urzeichen definiertes, können nicht auf dieselbe Art und Weise bezeichnen. Namen ka n n man nicht durch Definitionen auseinanderlegen. (Kein Zeichen, welches allein, selbständig eine Bedeutung hat.) | Zwei Zeichen, ein Urzeichen, und ein durch Urzeichen definiertes, können nicht auf dieselbe Art und Weise bezeichnen. Namen ka n n man nicht durch Definitionen auseinanderlegen. (Kein Zeichen, welches allein, selbständig eine Bedeutung hat.) | ||
{{ParTLPde|3.262}} | {{ParTLPde|3.262}} Was in den Zeichen nicht zum Ausdruck kommt, das zeigt ihre Anwendung. Was die Zeichen verschlucken, das spricht ihre Anwendung aus. | ||
{{ParTLPde|3.263}} | {{ParTLPde|3.263}} Die Bedeutungen von Urzeichen können durch Erläuterungen erklärt werden. Erläuterungen sind Sätze, welche die Urzeichen enthalten. Sie können also nur verstanden werden, wenn die Bedeutungen dieser Zeichen bereits bekannt sind. | ||
{{ParTLPde|3.3}} | {{ParTLPde|3.3}} Nur der Satz hat Sinn; nur im Zusammenhange des Satzes hat ein Name Bedeutung. | ||
{{ParTLPde|3.31}} Jeden Teil des Satzes, der seinen Sinn charakterisiert, nenne ich einen Ausdruck (ein Symbol). | {{ParTLPde|3.31}} Jeden Teil des Satzes, der seinen Sinn charakterisiert, nenne ich einen Ausdruck (ein Symbol). | ||
Line 331: | Line 331: | ||
Der Ausdruck kennzeichnet eine Form und einen Inhalt. | Der Ausdruck kennzeichnet eine Form und einen Inhalt. | ||
{{ParTLPde|3.311}} | {{ParTLPde|3.311}} Der Ausdruck setzt die Formen aller Sätze voraus, in welchen er vorkommen kann. Er ist das gemeinsame charakteristische Merkmal einer Klasse von Sätzen. | ||
{{ParTLPde|3.312}} | {{ParTLPde|3.312}} Er wird also dargestellt durch die allgemeine Form der Sätze, die er charakterisiert. | ||
Und zwar wird in dieser Form der Ausdruck ko n s t a nt und alles übrige va r i a b e l sein. | Und zwar wird in dieser Form der Ausdruck ko n s t a nt und alles übrige va r i a b e l sein. | ||
{{ParTLPde|3.313}} | {{ParTLPde|3.313}} Der Ausdruck wird also durch eine Variable dargestellt, deren Werte die Sätze sind, die den Ausdruck enthalten. | ||
(Im Grenzfall wird die Variable zur Konstanten, der Ausdruck zum Satz.) | (Im Grenzfall wird die Variable zur Konstanten, der Ausdruck zum Satz.) | ||
Line 343: | Line 343: | ||
Ich nenne eine solche Variable „Satzvariable“. | Ich nenne eine solche Variable „Satzvariable“. | ||
{{ParTLPde|3.314}} | {{ParTLPde|3.314}} Der Ausdruck hat nur im Satz Bedeutung. Jede Variable lässt sich als Satzvariable auffassen. | ||
(Auch der variable Name.) | (Auch der variable Name.) | ||
{{ParTLPde|3.315}} | {{ParTLPde|3.315}} Verwandeln wir einen Bestandteil eines Satzes in eine Variable, so gibt es eine Klasse von Sätzen, welche sämtlich Werte des so entstandenen variablen Satzes sind. Diese Klasse hängt im allgemeinen noch davon ab, was wir, nach willkürlicher Übereinkunft, mit Teilen jenes Satzes meinen. Verwandeln wir aber alle jene Zeichen, deren Bedeutung willkürlich bestimmt wurde, in Variable, so gibt es nun noch immer eine solche Klasse. Diese aber ist nun von keiner Übereinkunft abhängig, sondern nur noch von der Natur des Satzes. Sie entspricht einer logischen Form – einem logischen Urbild. | ||
{{ParTLPde|3.316}} | {{ParTLPde|3.316}} Welche Werte die Satzvariable annehmen darf, wird festgesetzt. Die Festsetzung der Werte i s t die Variable. | ||
{{ParTLPde|3.317}} | {{ParTLPde|3.317}} Die Festsetzung der Werte der Satzvariablen ist die A n g a b e d e r S ä t z e, deren gemeinsames Merkmal die Variable ist. | ||
Die Festsetzung ist eine Beschreibung dieser Sätze. | Die Festsetzung ist eine Beschreibung dieser Sätze. | ||
Line 357: | Line 357: | ||
Die Festsetzung wird also nur von Symbolen, nicht von deren Bedeutung handeln. | Die Festsetzung wird also nur von Symbolen, nicht von deren Bedeutung handeln. | ||
Und n u r dies ist der Festsetzung wesentlich, d a s s s i e nu r e i n e B e s ch r e i b u n g vo n | Und n u r dies ist der Festsetzung wesentlich, d a s s s i e nu r e i n e B e s ch r e i b u n g vo n S y mb o l e n i s t u n d n i cht s ü b e r d a s B e z e i ch n e t e a u s s a g t. | ||
Wie die Beschreibung der Sätze geschieht, ist unwesentlich. | Wie die Beschreibung der Sätze geschieht, ist unwesentlich. | ||
{{ParTLPde|3.318}} | {{ParTLPde|3.318}} Den Satz fasse ich – wie Frege und Russell – als Funktion der in ihm enthaltenen Ausdrücke auf. | ||
{{ParTLPde|3.32}} Das Zeichen ist das sinnlich Wahrnehmbare am Symbol. | {{ParTLPde|3.32}} Das Zeichen ist das sinnlich Wahrnehmbare am Symbol. | ||
{{ParTLPde|3.321}} | {{ParTLPde|3.321}} Zwei verschiedene Symbole können also das Zeichen (Schriftzeichen oder Lautzeichen etc.) miteinander gemein haben – sie bezeichnen dann auf verschiedene Art und Weise. | ||
{{ParTLPde|3.322}} | {{ParTLPde|3.322}} Es kann nie das gemeinsame Merkmal zweier Gegenstände anzeigen, dass wir sie mit demselben Zeichen, aber durch zwei verschiedene B e z e i ch nu n g s we i s e n bezeichnen. Denn das Zeichen ist ja willkürlich. Man könnte also auch zwei verschiedene Zeichen wählen, und wo bliebe dann das Gemeinsame in der Bezeichnung. | ||
{{ParTLPde|3.323}} | {{ParTLPde|3.323}} In der Umgangssprache kommt es ungemein häufig vor, dass dasselbe Wort auf verschiedene Art und Weise bezeichnet – also verschiedenen Symbolen angehört – , oder, dass zwei Wörter, die auf verschiedene Art und Weise bezeichnen, äusserlich in der gleichen Weise im Satze angewandt werden. | ||
So erscheint das Wort „ist“ als Kopula, als Gleichheitszeichen und als Ausdruck der Existenz; „existieren“ als intransitives Zeitwort wie „gehen“; „identisch“ als Eigenschaftswort; wir reden von E twa s, aber auch davon, dass e twa s geschieht. | So erscheint das Wort „ist“ als Kopula, als Gleichheitszeichen und als Ausdruck der Existenz; „existieren“ als intransitives Zeitwort wie „gehen“; „identisch“ als Eigenschaftswort; wir reden von E twa s, aber auch davon, dass e twa s geschieht. | ||
Line 375: | Line 375: | ||
(Im Satze „Grün ist grün“ – wo das erste Wort ein Personenname, das letzte ein Eigenschaftswort ist – haben diese Worte nicht einfach verschiedene Bedeutung, sondern es sind ve r s ch i e d e n e S y mb o l e.) | (Im Satze „Grün ist grün“ – wo das erste Wort ein Personenname, das letzte ein Eigenschaftswort ist – haben diese Worte nicht einfach verschiedene Bedeutung, sondern es sind ve r s ch i e d e n e S y mb o l e.) | ||
{{ParTLPde|3.324}} | {{ParTLPde|3.324}} So entstehen leicht die fundamentalsten Verwechslungen (deren die ganze Philosophie voll ist). | ||
{{ParTLPde|3.325}} | {{ParTLPde|3.325}} Um diesen Irrtümern zu entgehen, müssen wir eine Zeichensprache verwenden, welche sie ausschliesst, indem sie nicht das gleiche Zeichen in verschiedenen Symbolen, und Zeichen, welche auf verschiedene Art bezeichnen, nicht äusserlich auf die gleiche Art verwendet. Eine Zeichensprache also, die der l o g i s ch e n Grammatik – der logischen Syntax – gehorcht. | ||
(Die Begriffsschrift Frege’s und Russell’s ist eine solche Sprache, die allerdings noch nicht alle Fehler ausschliesst.) | (Die Begriffsschrift Frege’s und Russell’s ist eine solche Sprache, die allerdings noch nicht alle Fehler ausschliesst.) | ||
{{ParTLPde|3.326}} | {{ParTLPde|3.326}} Um das Symbol am Zeichen zu erkennen, muss man auf den sinnvollen Gebrauch achten. | ||
{{ParTLPde|3.327}} | {{ParTLPde|3.327}} Das Zeichen bestimmt erst mit seiner logisch-syntaktischen Verwendung zusammen eine logische Form. | ||
{{ParTLPde|3.328}} | {{ParTLPde|3.328}} Wird ein Zeichen n i c h t g e b r a u ch t, so ist es bedeutungslos. Das ist der Sinn der Devise Occams. | ||
(Wenn sich alles so verhält als hätte ein Zeichen Bedeutung, dann hat es auch Bedeutung.) | (Wenn sich alles so verhält als hätte ein Zeichen Bedeutung, dann hat es auch Bedeutung.) | ||
Line 391: | Line 391: | ||
{{ParTLPde|3.33}} In der logischen Syntax darf nie die Bedeutung eines Zeichens eine Rolle spielen; sie muss sich aufstellen lassen, ohne dass dabei von der B e d e u t u n g eines Zeichens die Rede wäre, sie darf nu r die Beschreibung der Ausdrücke voraussetzen. | {{ParTLPde|3.33}} In der logischen Syntax darf nie die Bedeutung eines Zeichens eine Rolle spielen; sie muss sich aufstellen lassen, ohne dass dabei von der B e d e u t u n g eines Zeichens die Rede wäre, sie darf nu r die Beschreibung der Ausdrücke voraussetzen. | ||
{{ParTLPde|3.331}} | {{ParTLPde|3.331}} Von dieser Bemerkung sehen wir in Russell’s „Theory of types“ hinüber: Der Irrtum Russell’s zeigt sich darin, dass er bei der Aufstellung der Zeichenregeln von der Bedeutung der Zeichen reden musste. | ||
{{ParTLPde|3.332}} | {{ParTLPde|3.332}} Kein Satz kann etwas über sich selbst aussagen, weil das Satzzeichen nicht in sich selbst enthalten sein kann, (das ist die ganze „Theory of types“). | ||
{{ParTLPde|3.333}} | {{ParTLPde|3.333}} Eine Funktion kann darum nicht ihr eigenes Argument sein, weil das Funktionszeichen bereits das Urbild seines Arguments enthält und es sich nicht selbst enthalten kann. | ||
Nehmen wir nämlich an, die Funktion ''F'' (''fx'') könnte ihr eigenes Argument sein; dann gäbe es also einen Satz: „''F'' (''F'' (''fx''))“ und in diesem müssen die äussere Funktion ''F'' und die innere Funktion ''F'' verschiedene Bedeutungen haben, denn die innere hat die Form ''φ''(''fx''), die äussere, die Form ''ψ''(''φ''(''fx'')). Gemeinsam ist den beiden Funktionen nur der Buchstabe „''F'' “, der aber allein nichts bezeichnet. | Nehmen wir nämlich an, die Funktion ''F'' (''fx'') könnte ihr eigenes Argument sein; dann gäbe es also einen Satz: „''F'' (''F'' (''fx''))“ und in diesem müssen die äussere Funktion ''F'' und die innere Funktion ''F'' verschiedene Bedeutungen haben, denn die innere hat die Form ''φ''(''fx''), die äussere, die Form ''ψ''(''φ''(''fx'')). Gemeinsam ist den beiden Funktionen nur der Buchstabe „''F'' “, der aber allein nichts bezeichnet. | ||
Line 403: | Line 403: | ||
Hiermit erledigt sich Russell’s Paradox. | Hiermit erledigt sich Russell’s Paradox. | ||
{{ParTLPde|3.334}} | {{ParTLPde|3.334}} Die Regeln der logischen Syntax müssen sich von selbst verstehen, wenn man nur weiss, wie ein jedes Zeichen bezeichnet. | ||
{{ParTLPde|3.34}} Der Satz besitzt wesentliche und zufällige Züge. | {{ParTLPde|3.34}} Der Satz besitzt wesentliche und zufällige Züge. | ||
Line 409: | Line 409: | ||
Zufällig sind die Züge, die von der besonderen Art der Hervorbringung des Satzzeichens herrühren. Wesentlich diejenigen, welche allein den Satz befähigen, seinen Sinn auszudrücken. | Zufällig sind die Züge, die von der besonderen Art der Hervorbringung des Satzzeichens herrühren. Wesentlich diejenigen, welche allein den Satz befähigen, seinen Sinn auszudrücken. | ||
{{ParTLPde|3.341}} | {{ParTLPde|3.341}} Das Wesentliche am Satz ist also das, was allen Sätzen, welche den gleichen Sinn ausdrücken können, gemeinsam ist. | ||
Und ebenso ist allgemein das Wesentliche am Symbol das, was alle Symbole, die denselben Zweck erfüllen können, gemeinsam haben. | Und ebenso ist allgemein das Wesentliche am Symbol das, was alle Symbole, die denselben Zweck erfüllen können, gemeinsam haben. | ||
Line 415: | Line 415: | ||
{{ParTLPde|3.3411}} Man könnte also sagen: Der eigentliche Name ist das, was alle Symbole, die den Gegenstand bezeichnen, gemeinsam haben. Es würde sich so successive ergeben, dass keinerlei Zusammensetzung für den Namen wesentlich ist. | {{ParTLPde|3.3411}} Man könnte also sagen: Der eigentliche Name ist das, was alle Symbole, die den Gegenstand bezeichnen, gemeinsam haben. Es würde sich so successive ergeben, dass keinerlei Zusammensetzung für den Namen wesentlich ist. | ||
{{ParTLPde|3.342}} | {{ParTLPde|3.342}} An unseren Notationen ist zwar etwas willkürlich, aber d a s ist nicht willkürlich: Dass, we n n wir etwas willkürlich bestimmt haben, dann etwas anderes der Fall sein muss. (Dies hängt von dem We s e n der Notation ab.) | ||
{{ParTLPde|3.3421}} Eine besondere Bezeichnungsweise mag unwichtig sein, aber wichtig ist es immer, dass diese eine m ö g l i ch e Bezeichnungsweise ist. Und so verhält es sich in der Philosophie überhaupt: Das Einzelne erweist sich immer wieder als unwichtig, aber die Möglichkeit jedes Einzelnen gibt uns einen Aufschluss über das Wesen der Welt. | {{ParTLPde|3.3421}} Eine besondere Bezeichnungsweise mag unwichtig sein, aber wichtig ist es immer, dass diese eine m ö g l i ch e Bezeichnungsweise ist. Und so verhält es sich in der Philosophie überhaupt: Das Einzelne erweist sich immer wieder als unwichtig, aber die Möglichkeit jedes Einzelnen gibt uns einen Aufschluss über das Wesen der Welt. | ||
{{ParTLPde|3.343}} | {{ParTLPde|3.343}} Definitionen sind Regeln der Übersetzung von einer Sprache in eine andere. Jede richtige Zeichensprache muss sich in jede andere nach solchen Regeln übersetzen lassen: D i e s ist, was sie alle gemeinsam haben. | ||
{{ParTLPde|3.344}} | {{ParTLPde|3.344}} Das, was am Symbol bezeichnet, ist das Gemeinsame aller jener Symbole, durch die das erste den Regeln der logischen Syntax zufolge ersetzt werden kann. | ||
{{ParTLPde|3.3441}} Man kann z. B. das Gemeinsame aller Notationen für die Wahrheitsfunktionen so ausdrücken: Es ist ihnen gemeinsam, dass sich alle – z. B. – durch die Notation von „∼''p''“ („nicht ''p''“) und „''p'' ∨ ''q''“ („''p'' oder ''q''“) e r s e t z e n l a s s e n. | {{ParTLPde|3.3441}} Man kann z. B. das Gemeinsame aller Notationen für die Wahrheitsfunktionen so ausdrücken: Es ist ihnen gemeinsam, dass sich alle – z. B. – durch die Notation von „∼''p''“ („nicht ''p''“) und „''p'' ∨ ''q''“ („''p'' oder ''q''“) e r s e t z e n l a s s e n. | ||
Line 441: | Line 441: | ||
(Das logische Gerüst um das Bild herum bestimmt den logischen Raum. Der Satz durchgreift den ganzen logischen Raum.) | (Das logische Gerüst um das Bild herum bestimmt den logischen Raum. Der Satz durchgreift den ganzen logischen Raum.) | ||
{{ParTLPde|3.5}} | {{ParTLPde|3.5}} Das angewandte, gedachte, Satzzeichen ist der Gedanke. | ||
{{ParTLPde|4}} | {{ParTLPde|4}} Der Gedanke ist der sinnvolle Satz. | ||
{{ParTLPde|4.001}} | {{ParTLPde|4.001}} Die Gesamtheit der Sätze ist die Sprache. | ||
{{ParTLPde|4.002}} | {{ParTLPde|4.002}} Der Mensch besitzt die Fähigkeit Sprachen zu bauen, womit sich jeder Sinn ausdrücken lässt, ohne eine Ahnung davon zu haben, wie und was jedes Wort bedeutet. – Wie man auch spricht, ohne zu wissen, wie die einzelnen Laute hervorgebracht werden. | ||
Die Umgangssprache ist ein Teil des menschlichen Organismus und nicht weniger kompliziert als dieser. | Die Umgangssprache ist ein Teil des menschlichen Organismus und nicht weniger kompliziert als dieser. | ||
Line 457: | Line 457: | ||
Die stillschweigenden Abmachungen zum Verständnis der Umgangssprache sind enorm kompliziert. | Die stillschweigenden Abmachungen zum Verständnis der Umgangssprache sind enorm kompliziert. | ||
{{ParTLPde|4.003}} | {{ParTLPde|4.003}} Die meisten Sätze und Fragen, welche über philosophische Dinge geschrieben worden sind, sind nicht falsch, sondern unsinnig. Wir können daher Fragen dieser Art überhaupt nicht beantworten, sondern nur ihre Unsinnigkeit feststellen. Die meisten Fragen und Sätze der Philosophen beruhen darauf, dass wir unsere Sprachlogik nicht verstehen. | ||
(Sie sind von der Art der Frage, ob das Gute mehr oder weniger identisch sei als das Schöne.) | (Sie sind von der Art der Frage, ob das Gute mehr oder weniger identisch sei als das Schöne.) | ||
Line 469: | Line 469: | ||
Der Satz ist ein Modell der Wirklichkeit, so wie wir sie uns denken. | Der Satz ist ein Modell der Wirklichkeit, so wie wir sie uns denken. | ||
{{ParTLPde|4.011}} | {{ParTLPde|4.011}} Auf den ersten Blick scheint der Satz – wie er etwa auf dem Papier gedruckt steht – kein Bild der Wirklichkeit zu sein, von der er handelt. Aber auch die Notenschrift scheint auf den ersten Blick kein Bild der Musik zu sein, und unsere Lautzeichen- (Buchstaben-)Schrift kein Bild unserer Lautsprache. | ||
Und doch erweisen sich diese Zeichensprachen auch im gewöhnlichen Sinne als Bilder dessen, was sie darstellen. | Und doch erweisen sich diese Zeichensprachen auch im gewöhnlichen Sinne als Bilder dessen, was sie darstellen. | ||
{{ParTLPde|4.012}} | {{ParTLPde|4.012}} Offenbar ist, dass wir einen Satz von der Form „''aRb''“ als Bild empfinden. Hier ist das Zeichen offenbar ein Gleichnis des Bezeichneten. | ||
{{ParTLPde|4.013}} | {{ParTLPde|4.013}} Und wenn wir in das Wesentliche dieser Bildhaftigkeit eindringen, so sehen wir, dass dieselbe durch s ch e i nb a r e U n r e g e l m ä s s i g ke i t e n (wie die Verwendung der ♯ und ♭ in der Notenschrift) n i c h t gestört wird. | ||
Denn auch diese Unregelmässigkeiten bilden das ab, was sie ausdrücken sollen; nur auf eine andere Art und Weise. | Denn auch diese Unregelmässigkeiten bilden das ab, was sie ausdrücken sollen; nur auf eine andere Art und Weise. | ||
{{ParTLPde|4.014}} | {{ParTLPde|4.014}} Die Grammophonplatte, der musikalische Gedanke, die Notenschrift, die Schallwellen, stehen alle in jener abbildenden internen Beziehung zu einander, die zwischen Sprache und Welt besteht. | ||
Ihnen allen ist der logische Bau gemeinsam. | Ihnen allen ist der logische Bau gemeinsam. | ||
Line 487: | Line 487: | ||
{{ParTLPde|4.0141}} Dass es eine allgemeine Regel gibt, durch die der Musiker aus der Partitur die Symphonie entnehmen kann, durch welche man aus der Linie auf der Grammophonplatte die Symphonie und nach der ersten Regel wieder die Partitur ableiten kann, darin besteht eben die innere Ähnlichkeit dieser scheinbar so ganz verschiedenen Gebilde. Und jene Regel ist das Gesetz der Projektion, welches die Symphonie in die Notensprache projiziert. Sie ist die Regel der Übersetzung der Notensprache in die Sprache der Grammophonplatte. | {{ParTLPde|4.0141}} Dass es eine allgemeine Regel gibt, durch die der Musiker aus der Partitur die Symphonie entnehmen kann, durch welche man aus der Linie auf der Grammophonplatte die Symphonie und nach der ersten Regel wieder die Partitur ableiten kann, darin besteht eben die innere Ähnlichkeit dieser scheinbar so ganz verschiedenen Gebilde. Und jene Regel ist das Gesetz der Projektion, welches die Symphonie in die Notensprache projiziert. Sie ist die Regel der Übersetzung der Notensprache in die Sprache der Grammophonplatte. | ||
{{ParTLPde|4.015}} | {{ParTLPde|4.015}} Die Möglichkeit aller Gleichnisse, der ganzen Bildhaftigkeit unserer Ausdrucksweise, ruht in der Logik der Abbildung. | ||
{{ParTLPde|4.016}} | {{ParTLPde|4.016}} Um das Wesen des Satzes zu verstehen, denken wir an die Hieroglyphenschrift, welche die Tatsachen die sie beschreibt abbildet. Und aus ihr wurde die Buchstabenschrift, ohne das Wesentliche der Abbildung zu verlieren. | ||
{{ParTLPde|4.02}} Dies sehen wir daraus, dass wir den Sinn des Satzzeichens verstehen, ohne dass er uns erklärt wurde. | {{ParTLPde|4.02}} Dies sehen wir daraus, dass wir den Sinn des Satzzeichens verstehen, ohne dass er uns erklärt wurde. | ||
{{ParTLPde|4.021}} | {{ParTLPde|4.021}} Der Satz ist ein Bild der Wirklichkeit: Denn ich kenne die von ihm dargestellte Sachlage, wenn ich den Satz verstehe. Und den Satz verstehe ich, ohne dass mir sein Sinn erklärt wurde. | ||
{{ParTLPde|4.022}} | {{ParTLPde|4.022}} Der Satz z e i g t seinen Sinn. | ||
Der Satz z e i g t, wie es sich verhält, we n n er wahr ist. Und er s a g t, d a s s es sich so verhält. | Der Satz z e i g t, wie es sich verhält, we n n er wahr ist. Und er s a g t, d a s s es sich so verhält. | ||
{{ParTLPde|4.023}} | {{ParTLPde|4.023}} Die Wirklichkeit muss durch den Satz auf ja oder nein fixiert sein. | ||
Dazu muss sie durch ihn vollständig beschrieben werden. Der Satz ist die Beschreibung eines Sachverhaltes. | Dazu muss sie durch ihn vollständig beschrieben werden. Der Satz ist die Beschreibung eines Sachverhaltes. | ||
Line 507: | Line 507: | ||
Der Satz konstruiert eine Welt mit Hilfe eines logischen Gerüstes und darum kann man am Satz auch sehen, wie sich alles Logische verhält, we n n er wahr ist. Man kann aus einem falschen Satz S ch l ü s s e z i e h e n. | Der Satz konstruiert eine Welt mit Hilfe eines logischen Gerüstes und darum kann man am Satz auch sehen, wie sich alles Logische verhält, we n n er wahr ist. Man kann aus einem falschen Satz S ch l ü s s e z i e h e n. | ||
{{ParTLPde|4.024}} | {{ParTLPde|4.024}} Einen Satz verstehen, heisst, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist. | ||
(Man kann ihn also verstehen, ohne zu wissen, ob er wahr ist.) | (Man kann ihn also verstehen, ohne zu wissen, ob er wahr ist.) | ||
Line 513: | Line 513: | ||
Man versteht ihn, wenn man seine Bestandteile versteht. | Man versteht ihn, wenn man seine Bestandteile versteht. | ||
{{ParTLPde|4.025}} | {{ParTLPde|4.025}} Die Übersetzung einer Sprache in eine andere geht nicht so vor sich, dass man jeden S a t z der einen in einen S a t z der anderen übersetzt, sondern nur die Satzbestandteile werden übersetzt. | ||
(Und das Wörterbuch übersetzt nicht nur Substantiva, sondern auch Zeit-, Eigenschafts- und Bindewörter etc.; und es behandelt sie alle gleich.) | (Und das Wörterbuch übersetzt nicht nur Substantiva, sondern auch Zeit-, Eigenschafts- und Bindewörter etc.; und es behandelt sie alle gleich.) | ||
{{ParTLPde|4.026}} | {{ParTLPde|4.026}} Die Bedeutungen der einfachen Zeichen (der Wörter) müssen uns erklärt werden, dass wir sie verstehen. | ||
Mit den Sätzen aber verständigen wir uns. | Mit den Sätzen aber verständigen wir uns. | ||
{{ParTLPde|4.027}} | {{ParTLPde|4.027}} Es liegt im Wesen des Satzes, dass er uns einen n e u e n Sinn mitteilen kann. | ||
{{ParTLPde|4.03}} Ein Satz muss mit alten Ausdrücken einen neuen Sinn mitteilen. Der Satz teilt uns eine Sachlage mit, also muss er we s e n t l i ch mit der Sachlage zusammenhängen. | {{ParTLPde|4.03}} Ein Satz muss mit alten Ausdrücken einen neuen Sinn mitteilen. Der Satz teilt uns eine Sachlage mit, also muss er we s e n t l i ch mit der Sachlage zusammenhängen. | ||
Line 529: | Line 529: | ||
Der Satz sagt nur insoweit etwas aus, als er ein Bild ist. | Der Satz sagt nur insoweit etwas aus, als er ein Bild ist. | ||
{{ParTLPde|4.031}} | {{ParTLPde|4.031}} Im Satz wird gleichsam eine Sachlage probeweise zusammengestellt. | ||
Man kann geradezu sagen: statt, dieser Satz hat diesen und diesen Sinn; dieser Satz stellt diese und diese Sachlage dar. | Man kann geradezu sagen: statt, dieser Satz hat diesen und diesen Sinn; dieser Satz stellt diese und diese Sachlage dar. | ||
Line 539: | Line 539: | ||
Mein Grundgedanke ist, dass die „logischen Konstanten“ nicht vertreten. Dass sich die L o g i k der Tatsachen nicht vertreten lässt. | Mein Grundgedanke ist, dass die „logischen Konstanten“ nicht vertreten. Dass sich die L o g i k der Tatsachen nicht vertreten lässt. | ||
{{ParTLPde|4.032}} | {{ParTLPde|4.032}} Nur insoweit ist der Satz ein Bild einer Sachlage, als er logisch gegliedert ist. | ||
(Auch der Satz „ambulo“ ist zusammengesetzt, denn sein Stamm ergibt mit einer anderen Endung und seine Endung mit einem anderen Stamm, einen anderen Sinn.) | (Auch der Satz „ambulo“ ist zusammengesetzt, denn sein Stamm ergibt mit einer anderen Endung und seine Endung mit einem anderen Stamm, einen anderen Sinn.) | ||
Line 549: | Line 549: | ||
{{ParTLPde|4.041}} Diese mathematische Mannigfaltigkeit kann man natürlich nicht selbst wieder abbilden. Aus ihr kann man beim Abbilden nicht heraus. | {{ParTLPde|4.041}} Diese mathematische Mannigfaltigkeit kann man natürlich nicht selbst wieder abbilden. Aus ihr kann man beim Abbilden nicht heraus. | ||
{{ParTLPde|4.0411}} Wollten wir z. B. das, was wir durch „(''x'')''fx''“ ausdrücken, durch Vorsetzen eines Indexes vor „''fx''“ ausdrücken – etwa so: „Alg. ''fx''“, es würde nicht genügen – wir wüssten nicht, was verallgemeinert wurde. Wollten wir es durch einen Index „''a''“ anzeigen – | {{ParTLPde|4.0411}} Wollten wir z. B. das, was wir durch „(''x'')''fx''“ ausdrücken, durch Vorsetzen eines Indexes vor „''fx''“ ausdrücken – etwa so: „Alg. ''fx''“, es würde nicht genügen – wir wüssten nicht, was verallgemeinert wurde. Wollten wir es durch einen Index „''a''“ anzeigen – etwa so: „''f'' (''x<sub>a</sub>'')“ – es würde auch nicht genügen – wir wüssten nicht den Bereich der Allgemeinheitsbezeichnung. | ||
Wollten wir es durch Einführung einer Marke in die Argumentstellen versuchen – etwa so: „(''A, A'') ''. F'' (''A, A'')“ – es würde nicht genügen – wir könnten die Identität der Variablen nicht feststellen. U.s.w. | Wollten wir es durch Einführung einer Marke in die Argumentstellen versuchen – etwa so: „(''A, A'') ''. F'' (''A, A'')“ – es würde nicht genügen – wir könnten die Identität der Variablen nicht feststellen. U.s.w. | ||
Line 557: | Line 557: | ||
{{ParTLPde|4.0412}} Aus demselben Grunde genügt die idealistische Erklärung des Sehens der räumlichen Beziehungen durch die „Raumbrille“ nicht, weil sie nicht die Mannigfaltigkeit dieser Beziehungen erklären kann. | {{ParTLPde|4.0412}} Aus demselben Grunde genügt die idealistische Erklärung des Sehens der räumlichen Beziehungen durch die „Raumbrille“ nicht, weil sie nicht die Mannigfaltigkeit dieser Beziehungen erklären kann. | ||
{{ParTLPde|4.05}} | {{ParTLPde|4.05}} Die Wirklichkeit wird mit dem Satz verglichen. | ||
{{ParTLPde|4.06}} | {{ParTLPde|4.06}} Nur dadurch kann der Satz wahr oder falsch sein, indem er ein Bild der Wirklichkeit ist. | ||
{{ParTLPde|4.061}} | {{ParTLPde|4.061}} Beachtet man nicht, dass der Satz einen von den Tatsachen unabhängigen Sinn hat, so kann man leicht glauben, dass wahr und falsch gleichberechtigte Beziehungen von Zeichen und Bezeichnetem sind. | ||
Man könnte dann z. B. sagen, dass „''p''“ auf die wahre Art bezeichnet, was „∼''p''“ auf die falsche Art, etc. | Man könnte dann z. B. sagen, dass „''p''“ auf die wahre Art bezeichnet, was „∼''p''“ auf die falsche Art, etc. | ||
{{ParTLPde|4.062}} | {{ParTLPde|4.062}} Kann man sich nicht mit falschen Sätzen, wie bisher mit wahren, verständigen? Solange man nur weiss, dass sie falsch gemeint sind. Nein! Denn, wahr ist ein Satz, wenn es sich so verhält, wie wir es durch ihn sagen; und wenn wir mit „''p''“ ∼''p'' meinen, und es sich so verhält wie wir es meinen, so ist „''p''“ in der neuen Auffassung wahr und nicht falsch. | ||
{{ParTLPde|4.0621}} Dass aber die Zeichen „''p''“ und „∼''p''“ das gleiche | {{ParTLPde|4.0621}} Dass aber die Zeichen „''p''“ und „∼''p''“ das gleiche sagen kö n n e n, ist wichtig. Denn es zeigt, dass dem Zeichen „∼“ in der Wirklichkeit nichts entspricht. | ||
Dass in einem Satz die Verneinung vorkommt, ist noch kein Merkmal seines Sinnes (∼∼''p'' = ''p''). | Dass in einem Satz die Verneinung vorkommt, ist noch kein Merkmal seines Sinnes (∼∼''p'' = ''p''). | ||
Line 573: | Line 573: | ||
Die Sätze „''p''“ und „∼''p''“ haben entgegengesetzten Sinn, aber es entspricht ihnen eine und dieselbe Wirklichkeit. | Die Sätze „''p''“ und „∼''p''“ haben entgegengesetzten Sinn, aber es entspricht ihnen eine und dieselbe Wirklichkeit. | ||
{{ParTLPde|4.063}} | {{ParTLPde|4.063}} Ein Bild zur Erklärung des Wahrheitsbegriffes: Schwarzer Fleck auf weissem Papier; die Form des Fleckes kann man beschreiben, indem man für jeden Punkt der Fläche angibt, ob er weiss oder schwarz ist. Der Tatsache, dass ein Punkt schwarz ist, entspricht eine positive – der, dass ein Punkt weiss (nicht schwarz) ist, eine negative Tatsache. Bezeichne ich einen Punkt der Fläche (einen Frege’schen Wahrheitswert), so entspricht dies der Annahme, die zur Beurteilung aufgestellt wird, etc. etc. | ||
Um aber sagen zu können, ein Punkt sei schwarz oder weiss, muss ich vorerst wissen, wann man einen Punkt schwarz und wann man ihn weiss nennt; um sagen zu können: „''p''“ ist wahr (oder falsch), muss ich bestimmt haben, unter welchen Umständen ich „''p''“ wahr nenne, und damit bestimme ich den Sinn des Satzes. | Um aber sagen zu können, ein Punkt sei schwarz oder weiss, muss ich vorerst wissen, wann man einen Punkt schwarz und wann man ihn weiss nennt; um sagen zu können: „''p''“ ist wahr (oder falsch), muss ich bestimmt haben, unter welchen Umständen ich „''p''“ wahr nenne, und damit bestimme ich den Sinn des Satzes. | ||
Line 579: | Line 579: | ||
Der Punkt an dem das Gleichnis hinkt ist nun der: Wir können auf einen Punkt des Papiers zeigen, auch ohne zu wissen, was weiss und schwarz ist; einem Satz ohne Sinn aber entspricht gar nichts, denn er bezeichnet kein Ding (Wahrheitswert) dessen Eigenschaften etwa „falsch“ oder „wahr“ hiessen; das Verbum eines Satzes ist nicht „ist wahr“ oder „ist falsch“ – wie Frege glaubte – , sondern das, was „wahr ist“ muss das Verbum schon enthalten. | Der Punkt an dem das Gleichnis hinkt ist nun der: Wir können auf einen Punkt des Papiers zeigen, auch ohne zu wissen, was weiss und schwarz ist; einem Satz ohne Sinn aber entspricht gar nichts, denn er bezeichnet kein Ding (Wahrheitswert) dessen Eigenschaften etwa „falsch“ oder „wahr“ hiessen; das Verbum eines Satzes ist nicht „ist wahr“ oder „ist falsch“ – wie Frege glaubte – , sondern das, was „wahr ist“ muss das Verbum schon enthalten. | ||
{{ParTLPde|4.064}} | {{ParTLPde|4.064}} Jeder Satz muss s ch o n einen Sinn haben; die Bejahung kann ihn ihm nicht geben, denn sie bejaht ja gerade den Sinn. Und dasselbe gilt von der Verneinung, etc. | ||
{{ParTLPde|4.0641}} Man könnte sagen: Die Verneinung bezieht sich schon auf den logischen Ort, den der verneinte Satz bestimmt. | {{ParTLPde|4.0641}} Man könnte sagen: Die Verneinung bezieht sich schon auf den logischen Ort, den der verneinte Satz bestimmt. | ||
Line 589: | Line 589: | ||
Dass man den verneinten Satz wieder verneinen kann, zeigt schon, dass das, was verneint wird, schon ein Satz und nicht erst die Vorbereitung zu einem Satze ist. | Dass man den verneinten Satz wieder verneinen kann, zeigt schon, dass das, was verneint wird, schon ein Satz und nicht erst die Vorbereitung zu einem Satze ist. | ||
{{ParTLPde|4.1}} | {{ParTLPde|4.1}} Der Satz stellt das Bestehen und Nichtbestehen der Sachverhalte dar. | ||
{{ParTLPde|4.11}} | {{ParTLPde|4.11}} Die Gesamtheit der wahren Sätze ist die gesamte Naturwissenschaft (oder die Gesamtheit der Naturwissenschaften). | ||
{{ParTLPde|4.111}} | {{ParTLPde|4.111}} Die Philosophie ist keine der Naturwissenschaften. | ||
(Das Wort „Philosophie“ muss etwas bedeuten, was über oder unter, aber nicht neben den Naturwissenschaften steht.) | (Das Wort „Philosophie“ muss etwas bedeuten, was über oder unter, aber nicht neben den Naturwissenschaften steht.) | ||
{{ParTLPde|4.112}} | {{ParTLPde|4.112}} Der Zweck der Philosophie ist die logische Klärung der Gedanken. | ||
Die Philosophie ist keine Lehre, sondern eine Tätigkeit. | Die Philosophie ist keine Lehre, sondern eine Tätigkeit. | ||
Line 607: | Line 607: | ||
Die Philosophie soll die Gedanken, die sonst, gleichsam, trübe und verschwommen sind, klar machen und scharf abgrenzen. | Die Philosophie soll die Gedanken, die sonst, gleichsam, trübe und verschwommen sind, klar machen und scharf abgrenzen. | ||
{{ParTLPde|4.1121}} | {{ParTLPde|4.1121}} Die Psychologie ist der Philosophie nicht verwandter als irgend eine andere Naturwissenschaft. | ||
Erkenntnistheorie ist die Philosophie der Psychologie. | Erkenntnistheorie ist die Philosophie der Psychologie. | ||
Line 613: | Line 613: | ||
Entspricht nicht mein Studium der Zeichensprache dem Studium der Denkprozesse, welches die Philosophen für die Philosophie der Logik für so wesentlich hielten? Nur verwickelten sie sich meistens in unwesentliche psychologische Untersuchungen und eine analoge Gefahr gibt es auch bei meiner Methode. | Entspricht nicht mein Studium der Zeichensprache dem Studium der Denkprozesse, welches die Philosophen für die Philosophie der Logik für so wesentlich hielten? Nur verwickelten sie sich meistens in unwesentliche psychologische Untersuchungen und eine analoge Gefahr gibt es auch bei meiner Methode. | ||
{{ParTLPde|4.1122}} Die Darwinsche Theorie hat mit der Philosophie nicht | {{ParTLPde|4.1122}} Die Darwinsche Theorie hat mit der Philosophie nicht mehr zu schaffen, als irgend eine andere Hypothese der Naturwissenschaft. | ||
{{ParTLPde|4.113}} | {{ParTLPde|4.113}} Die Philosophie begrenzt das bestreitbare Gebiet der Naturwissenschaft. | ||
{{ParTLPde|4.114}} | {{ParTLPde|4.114}} Sie soll das Denkbare abgrenzen und damit das Undenkbare. Sie soll das Undenkbare von innen durch das Denkbare begrenzen. | ||
{{ParTLPde|4.115}} | {{ParTLPde|4.115}} Sie wird das Unsagbare bedeuten, indem sie das Sagbare klar darstellt. | ||
{{ParTLPde|4.116}} | {{ParTLPde|4.116}} Alles was überhaupt gedacht werden kann, kann klar gedacht werden. Alles was sich aussprechen lässt, lässt sich klar aussprechen. | ||
{{ParTLPde|4.12}} Der Satz kann die gesamte Wirklichkeit darstellen, aber er kann nicht das darstellen, was er mit der Wirklichkeit gemein haben muss, um sie darstellen zu können – die logische Form. | {{ParTLPde|4.12}} Der Satz kann die gesamte Wirklichkeit darstellen, aber er kann nicht das darstellen, was er mit der Wirklichkeit gemein haben muss, um sie darstellen zu können – die logische Form. | ||
Line 627: | Line 627: | ||
Um die logische Form darstellen zu können, müssten wir uns mit dem Satze ausserhalb der Logik aufstellen können, das heisst ausserhalb der Welt. | Um die logische Form darstellen zu können, müssten wir uns mit dem Satze ausserhalb der Logik aufstellen können, das heisst ausserhalb der Welt. | ||
{{ParTLPde|4.121}} | {{ParTLPde|4.121}} Der Satz kann die logische Form nicht darstellen, sie spiegelt sich in ihm. | ||
Was sich in der Sprache spiegelt, kann sie nicht darstellen. | Was sich in der Sprache spiegelt, kann sie nicht darstellen. | ||
Line 643: | Line 643: | ||
{{ParTLPde|4.1213}} Jetzt verstehen wir auch unser Gefühl: dass wir im Besitze einer richtigen logischen Auffassung seien, wenn nur einmal alles in unserer Zeichensprache stimmt. | {{ParTLPde|4.1213}} Jetzt verstehen wir auch unser Gefühl: dass wir im Besitze einer richtigen logischen Auffassung seien, wenn nur einmal alles in unserer Zeichensprache stimmt. | ||
{{ParTLPde|4.122}} | {{ParTLPde|4.122}} Wir können in gewissem Sinne von formalen Eigenschaften der Gegenstände und Sachverhalte bezw. von Eigenschaften der Struktur der Tatsachen reden und in demselben Sinne von formalen Relationen und Relationen von Strukturen. | ||
(Statt Eigenschaft der Struktur sage ich auch „interne Eigenschaft“; statt Relation der Strukturen „interne Relation“. | (Statt Eigenschaft der Struktur sage ich auch „interne Eigenschaft“; statt Relation der Strukturen „interne Relation“. | ||
Line 653: | Line 653: | ||
{{ParTLPde|4.1221}} Eine interne Eigenschaft einer Tatsache können wir auch einen Zug dieser Tatsache nennen. (In dem Sinn, in welchem wir etwa von Gesichtszügen sprechen.) | {{ParTLPde|4.1221}} Eine interne Eigenschaft einer Tatsache können wir auch einen Zug dieser Tatsache nennen. (In dem Sinn, in welchem wir etwa von Gesichtszügen sprechen.) | ||
{{ParTLPde|4.123}} | {{ParTLPde|4.123}} Eine Eigenschaft ist intern, wenn es undenkbar ist, dass ihr Gegenstand sie nicht besitzt. | ||
(Diese blaue Farbe und jene stehen in der internen Relation von heller und dunkler eo ipso. Es ist undenkbar, dass d i e s e beiden Gegenstände nicht in dieser Relation stünden.) | (Diese blaue Farbe und jene stehen in der internen Relation von heller und dunkler eo ipso. Es ist undenkbar, dass d i e s e beiden Gegenstände nicht in dieser Relation stünden.) | ||
Line 659: | Line 659: | ||
(Hier entspricht dem schwankenden Gebrauch der Worte „Eigenschaft“ und „Relation“ der schwankende Gebrauch des Wortes „Gegenstand“.) | (Hier entspricht dem schwankenden Gebrauch der Worte „Eigenschaft“ und „Relation“ der schwankende Gebrauch des Wortes „Gegenstand“.) | ||
{{ParTLPde|4.124}} | {{ParTLPde|4.124}} Das Bestehen einer internen Eigenschaft einer möglichen Sachlage wird nicht durch einen Satz ausgedrückt, sondern es drückt sich in dem sie darstellenden Satz, durch eine interne Eigenschaft dieses Satzes aus. | ||
Es wäre ebenso unsinnig, dem Satze eine formale Eigenschaft zuzusprechen, als sie ihm abzusprechen. | Es wäre ebenso unsinnig, dem Satze eine formale Eigenschaft zuzusprechen, als sie ihm abzusprechen. | ||
Line 665: | Line 665: | ||
{{ParTLPde|4.1241}} Formen kann man nicht dadurch von einander unterscheiden, dass man sagt, die eine habe diese, die andere aber jene Eigenschaft; denn dies setzt voraus, dass es einen Sinn habe, beide Eigenschaften von beiden Formen auszusagen. | {{ParTLPde|4.1241}} Formen kann man nicht dadurch von einander unterscheiden, dass man sagt, die eine habe diese, die andere aber jene Eigenschaft; denn dies setzt voraus, dass es einen Sinn habe, beide Eigenschaften von beiden Formen auszusagen. | ||
{{ParTLPde|4.125}} | {{ParTLPde|4.125}} Das Bestehen einer internen Relation zwischen möglichen Sachlagen drückt sich sprachlich durch eine interne Relation zwischen den sie darstellenden Sätzen aus. | ||
{{ParTLPde|4.1251}} | {{ParTLPde|4.1251}} Hier erledigt sich nun die Streitfrage „ob alle Relationen intern oder extern“ seien. | ||
{{ParTLPde|4.1252}} | {{ParTLPde|4.1252}} Reihen, welche durch i nt e r n e Relationen geordnet sind, nenne ich Formenreihen. | ||
Die Zahlenreihe ist nicht nach einer externen, sondern nach einer internen Relation geordnet. | Die Zahlenreihe ist nicht nach einer externen, sondern nach einer internen Relation geordnet. | ||
Line 677: | Line 677: | ||
(Steht ''b'' in einer dieser Beziehungen zu ''a'', so nenne ich ''b'' einen Nachfolger von ''a''.) | (Steht ''b'' in einer dieser Beziehungen zu ''a'', so nenne ich ''b'' einen Nachfolger von ''a''.) | ||
{{ParTLPde|4.126}} | {{ParTLPde|4.126}} In dem Sinne, in welchem wir von formalen Eigenschaften sprechen, können wir nun auch von formalen Begriffen reden. | ||
(Ich führe diesen Ausdruck ein, um den Grund der Verwechslung der formalen Begriffe mit den eigentlichen Begriffen, welche die ganze alte Logik durchzieht, klar zu machen.) | (Ich führe diesen Ausdruck ein, um den Grund der Verwechslung der formalen Begriffe mit den eigentlichen Begriffen, welche die ganze alte Logik durchzieht, klar zu machen.) | ||
Line 693: | Line 693: | ||
Der Ausdruck des formalen Begriffes also, eine Satzvariable, in welcher nur dieser charakteristische Zug konstant ist. | Der Ausdruck des formalen Begriffes also, eine Satzvariable, in welcher nur dieser charakteristische Zug konstant ist. | ||
{{ParTLPde|4.127}} | {{ParTLPde|4.127}} Die Satzvariable bezeichnet den formalen Begriff und ihre Werte die Gegenstände, welche unter diesen Begriff fallen. | ||
{{ParTLPde|4.1271}} Jede Variable ist das Zeichen eines formalen Begriffes. | {{ParTLPde|4.1271}} Jede Variable ist das Zeichen eines formalen Begriffes. | ||
Line 729: | Line 729: | ||
(Man kann also z. B. nicht fragen: „Gibt es unanalysierbare Subjekt-Prädikatsätze?“) | (Man kann also z. B. nicht fragen: „Gibt es unanalysierbare Subjekt-Prädikatsätze?“) | ||
{{ParTLPde|4.121}} | {{ParTLPde|4.121}} Die logischen Formen sind zahl l o s. | ||
Darum gibt es in der Logik keine ausgezeichneten Zahlen und darum gibt es keinen philosophischen Monismus oder Dualismus, etc. | Darum gibt es in der Logik keine ausgezeichneten Zahlen und darum gibt es keinen philosophischen Monismus oder Dualismus, etc. | ||
Line 747: | Line 747: | ||
{{ParTLPde|4.2211}} Auch wenn die Welt unendlich komplex ist, so dass jede Tatsache aus unendlich vielen Sachverhalten besteht und jeder Sachverhalt aus unendlich vielen Gegenständen zusammengesetzt ist, auch dann müsste es Gegenstände und Sachverhalte geben. | {{ParTLPde|4.2211}} Auch wenn die Welt unendlich komplex ist, so dass jede Tatsache aus unendlich vielen Sachverhalten besteht und jeder Sachverhalt aus unendlich vielen Gegenständen zusammengesetzt ist, auch dann müsste es Gegenstände und Sachverhalte geben. | ||
{{ParTLPde|4.23}} | {{ParTLPde|4.23}} Der Name kommt im Satz nur im Zusammenhange des Elementarsatzes vor. | ||
{{ParTLPde|4.24}} | {{ParTLPde|4.24}} Die Namen sind die einfachen Symbole, ich deute sie durch einzelne Buchstaben („''x''“, „''y''“, „''z''“) an. | ||
Den Elementarsatz schreibe ich als Funktion der Namen in der Form: „''fx''“, „''φ''(''x, y'')“, etc. | Den Elementarsatz schreibe ich als Funktion der Namen in der Form: „''fx''“, „''φ''(''x, y'')“, etc. | ||
Line 755: | Line 755: | ||
Oder ich deute ihn durch die Buchstaben ''p'', ''q'', ''r'' an. | Oder ich deute ihn durch die Buchstaben ''p'', ''q'', ''r'' an. | ||
{{ParTLPde|4.241}} | {{ParTLPde|4.241}} Gebrauche ich zwei Zeichen in ein und derselben Bedeutung, so drücke ich dies aus, indem ich zwischen beide das Zeichen „=“ setze. | ||
„''a'' = ''b''“ heisst also: das Zeichen „''a''“ ist durch das Zeichen „''b''“ ersetzbar. | „''a'' = ''b''“ heisst also: das Zeichen „''a''“ ist durch das Zeichen „''b''“ ersetzbar. | ||
Line 761: | Line 761: | ||
(Führe ich durch eine Gleichung ein neues Zeichen „''b''“ ein, indem ich bestimme, es solle ein bereits bekanntes Zeichen „''a''“ ersetzen, so schreibe ich die Gleichung – Definition – (wie Russell) in der Form „''a'' = ''b'' Def.“. Die Definition ist eine Zeichenregel.) | (Führe ich durch eine Gleichung ein neues Zeichen „''b''“ ein, indem ich bestimme, es solle ein bereits bekanntes Zeichen „''a''“ ersetzen, so schreibe ich die Gleichung – Definition – (wie Russell) in der Form „''a'' = ''b'' Def.“. Die Definition ist eine Zeichenregel.) | ||
{{ParTLPde|4.242}} | {{ParTLPde|4.242}} Ausdrücke von der Form „''a'' = ''b''“ sind also nur Behelfe der Darstellung; sie sagen nichts über die Bedeutung der Zeichen „''a''“, „''b''“ aus. | ||
{{ParTLPde|4.243}} | {{ParTLPde|4.243}} Können wir zwei Namen verstehen, ohne zu wissen, ob sie dasselbe Ding oder zwei verschiedene Dinge bezeichnen? – Können wir einen Satz, worin zwei Namen vorkommen, verstehen, ohne zu wissen, ob sie Dasselbe oder Verschiedenes bedeuten? | ||
Kenne ich etwa die Bedeutung eines englischen und eines gleichbedeutenden deutschen Wortes, so ist es unmöglich, dass ich nicht weiss, dass die beiden gleichbedeutend sind; es ist unmöglich, dass ich sie nicht ineinander übersetzen kann. | Kenne ich etwa die Bedeutung eines englischen und eines gleichbedeutenden deutschen Wortes, so ist es unmöglich, dass ich nicht weiss, dass die beiden gleichbedeutend sind; es ist unmöglich, dass ich sie nicht ineinander übersetzen kann. | ||
Line 769: | Line 769: | ||
Ausdrücke wie „''a'' = ''a''“, oder von diesen abgeleitete, sind weder Elementarsätze, noch sonst sinnvolle Zeichen. (Dies wird sich später zeigen.) | Ausdrücke wie „''a'' = ''a''“, oder von diesen abgeleitete, sind weder Elementarsätze, noch sonst sinnvolle Zeichen. (Dies wird sich später zeigen.) | ||
{{ParTLPde|4.25}} | {{ParTLPde|4.25}} Ist der Elementarsatz wahr, so besteht der Sachverhalt; ist der Elementarsatz falsch, so besteht der Sachverhalt nicht. | ||
{{ParTLPde|4.26}} | {{ParTLPde|4.26}} Die Angabe aller wahren Elementarsätze beschreibt die Welt vollständig. Die Welt ist vollständig beschrieben durch die Angaben aller Elementarsätze plus der Angabe, welche von ihnen wahr und welche falsch sind. | ||
{{ParTLPde|4.27}} | {{ParTLPde|4.27}} Bezüglich des Bestehens und Nichtbestehens von ''n'' Sachverhalten gibt es <math>K_n = \sum_{v=0}^n \binom{n}{v}</math> Möglichkeiten. | ||
Es können alle Kombinationen der Sachverhalte bestehen, die andern nicht bestehen. | Es können alle Kombinationen der Sachverhalte bestehen, die andern nicht bestehen. | ||
{{ParTLPde|4.28}} | {{ParTLPde|4.28}} Diesen Kombinationen entsprechen ebenso viele Möglichkeiten der Wahrheit – und Falschheit – von ''n'' Elementarsätzen. | ||
{{ParTLPde|4.3}} Die Wahrheitsmöglichkeiten der Elementarsätze bedeuten die Möglichkeiten des Bestehens und Nichtbestehens der Sachverhalte. | {{ParTLPde|4.3}} Die Wahrheitsmöglichkeiten der Elementarsätze bedeuten die Möglichkeiten des Bestehens und Nichtbestehens der Sachverhalte. | ||
Line 791: | Line 791: | ||
{{ParTLPde|4.411}} Es ist von vornherein wahrscheinlich, dass die Einführung der Elementarsätze für das Verständnis aller anderen Satzarten grundlegend ist. Ja, das Verständnis der allgemeinen Sätze hängt f ü h l b a r von dem der Elementarsätze ab. | {{ParTLPde|4.411}} Es ist von vornherein wahrscheinlich, dass die Einführung der Elementarsätze für das Verständnis aller anderen Satzarten grundlegend ist. Ja, das Verständnis der allgemeinen Sätze hängt f ü h l b a r von dem der Elementarsätze ab. | ||
{{ParTLPde|4.42}} | {{ParTLPde|4.42}} Bezüglich der Übereinstimmung und Nichtübereinstimmung eines Satzes mit den Wahrheitsmöglichkeiten von ''n'' Elementarsätzen gibt es <math>\sum_{k=0}^{K_n} \binom{K_n}{k} = L_n</math> Möglichkeiten. | ||
{{ParTLPde|4.43}} | {{ParTLPde|4.43}} Die Übereinstimmung mit den Wahrheitsmöglichkeiten können wir dadurch ausdrücken, indem wir ihnen im Schema etwa das Abzeichen „W“ (wahr) zuordnen. | ||
Das Fehlen dieses Abzeichens bedeutet die Nichtübereinstimmung. | Das Fehlen dieses Abzeichens bedeutet die Nichtübereinstimmung. | ||
Line 799: | Line 799: | ||
{{ParTLPde|4.431}} Der Ausdruck der Übereinstimmung und Nichtübereinstimmung mit den Wahrheitsmöglichkeiten der Elementarsätze drückt die Wahrheitsbedingungen des Satzes aus. | {{ParTLPde|4.431}} Der Ausdruck der Übereinstimmung und Nichtübereinstimmung mit den Wahrheitsmöglichkeiten der Elementarsätze drückt die Wahrheitsbedingungen des Satzes aus. | ||
Der Satz ist der Ausdruck seiner Wahrheitsbedingungen. (Frege hat sie daher ganz richtig als Erklärung der Zeichen seiner Begriffsschrift vorausgeschickt. Nur ist die Erklärung | Der Satz ist der Ausdruck seiner Wahrheitsbedingungen. (Frege hat sie daher ganz richtig als Erklärung der Zeichen seiner Begriffsschrift vorausgeschickt. Nur ist die Erklärung des Wahrheitsbegriffes bei Frege falsch: Wären „das Wahre“ und „das Falsche“ wirklich Gegenstände und die Argumente in ∼''p'' etc. dann wäre nach Frege’s Bestimmung der Sinn von „∼''p''“ keineswegs bestimmt.) | ||
{{ParTLPde|4.44}} | {{ParTLPde|4.44}} Das Zeichen, welches durch die Zuordnung jener Abzeichen „W“ und der Wahrheitsmöglichkeiten entsteht, ist ein Satzzeichen. | ||
{{ParTLPde|4.441}} Es ist klar, dass dem Komplex der Zeichen „F“ und „W“ kein Gegenstand (oder Komplex von Gegenständen) entspricht; so wenig, wie den horizontalen und vertikalen Strichen oder den Klammern. – „Logische Gegenstände“ gibt es nicht. | {{ParTLPde|4.441}} Es ist klar, dass dem Komplex der Zeichen „F“ und „W“ kein Gegenstand (oder Komplex von Gegenständen) entspricht; so wenig, wie den horizontalen und vertikalen Strichen oder den Klammern. – „Logische Gegenstände“ gibt es nicht. | ||
Line 807: | Line 807: | ||
Analoges gilt natürlich für alle Zeichen, die dasselbe ausdrücken wie die Schemata der „W“ und „F“. | Analoges gilt natürlich für alle Zeichen, die dasselbe ausdrücken wie die Schemata der „W“ und „F“. | ||
{{ParTLPde|4.442}} | {{ParTLPde|4.442}} Es ist z. B.: | ||
{| | {| style="margin: 0 auto 0 auto;" | ||
|- | |- | ||
| „ | | „ | ||
Line 843: | Line 843: | ||
(Die Anzahl der Stellen in der linken Klammer ist durch die Anzahl der Glieder in der rechten bestimmt.) | (Die Anzahl der Stellen in der linken Klammer ist durch die Anzahl der Glieder in der rechten bestimmt.) | ||
{{ParTLPde|4.45}} | {{ParTLPde|4.45}} Für ''n'' Elementarsätze gibt es ''L<sub>n</sub>'' mögliche Gruppen von Wahrheitsbedingungen. | ||
Die Gruppen von Wahrheitsbedingungen, welche zu den Wahrheitsmöglichkeiten einer Anzahl von Elementarsätzen gehören, lassen sich in eine Reihe ordnen. | Die Gruppen von Wahrheitsbedingungen, welche zu den Wahrheitsmöglichkeiten einer Anzahl von Elementarsätzen gehören, lassen sich in eine Reihe ordnen. | ||
{{ParTLPde|4.46}} | {{ParTLPde|4.46}} Unter den möglichen Gruppen von Wahrheitsbedingungen gibt es zwei extreme Fälle. | ||
In dem einen Fall ist der Satz für sämtliche Wahrheitsmöglichkeiten der Elementarsätze wahr. Wir sagen, die Wahrheitsbedingungen sind t a u t o l o g i s c h. | In dem einen Fall ist der Satz für sämtliche Wahrheitsmöglichkeiten der Elementarsätze wahr. Wir sagen, die Wahrheitsbedingungen sind t a u t o l o g i s c h. | ||
Line 867: | Line 867: | ||
{{ParTLPde|4.4611}} Tautologie und Kontradiktion sind aber nicht unsinnig; sie gehören zum Symbolismus, und zwar ähnlich wie die „0“ zum Symbolismus der Arithmetik. | {{ParTLPde|4.4611}} Tautologie und Kontradiktion sind aber nicht unsinnig; sie gehören zum Symbolismus, und zwar ähnlich wie die „0“ zum Symbolismus der Arithmetik. | ||
{{ParTLPde|4.462}} | {{ParTLPde|4.462}} Tautologie und Kontradiktion sind nicht Bilder der Wirklichkeit. Sie stellen keine mögliche Sachlage dar. Denn jene lässt j e d e mögliche Sachlage zu, diese ke i n e. | ||
In der Tautologie heben die Bedingungen der Übereinstimmung mit der Welt – die darstellenden Beziehungen – einander auf, so dass sie in keiner darstellenden Beziehung zur Wirklichkeit steht. | In der Tautologie heben die Bedingungen der Übereinstimmung mit der Welt – die darstellenden Beziehungen – einander auf, so dass sie in keiner darstellenden Beziehung zur Wirklichkeit steht. | ||
{{ParTLPde|4.463}} | {{ParTLPde|4.463}} Die Wahrheitsbedingungen bestimmen den Spielraum, der den Tatsachen durch den Satz gelassen wird. | ||
(Der Satz, das Bild, das Modell, sind im negativen Sinne wie ein fester Körper, der die Bewegungsfreiheit der anderen beschränkt; im positiven Sinne, wie der von fester Substanz begrenzte Raum, worin ein Körper Platz hat.) | (Der Satz, das Bild, das Modell, sind im negativen Sinne wie ein fester Körper, der die Bewegungsfreiheit der anderen beschränkt; im positiven Sinne, wie der von fester Substanz begrenzte Raum, worin ein Körper Platz hat.) | ||
Line 877: | Line 877: | ||
Die Tautologie lässt der Wirklichkeit den ganzen – unendlichen – logischen Raum; die Kontradiktion erfüllt den ganzen logischen Raum und lässt der Wirklichkeit keinen Punkt. Keine von beiden kann daher die Wirklichkeit irgendwie bestimmen. | Die Tautologie lässt der Wirklichkeit den ganzen – unendlichen – logischen Raum; die Kontradiktion erfüllt den ganzen logischen Raum und lässt der Wirklichkeit keinen Punkt. Keine von beiden kann daher die Wirklichkeit irgendwie bestimmen. | ||
{{ParTLPde|4.464}} | {{ParTLPde|4.464}} Die Wahrheit der Tautologie ist gewiss, des Satzes möglich, der Kontradiktion unmöglich. | ||
(Gewiss, möglich, unmöglich: Hier haben wir das Anzeichen jener Gradation, die wir in der Wahrscheinlichkeitslehre brauchen.) | (Gewiss, möglich, unmöglich: Hier haben wir das Anzeichen jener Gradation, die wir in der Wahrscheinlichkeitslehre brauchen.) | ||
{{ParTLPde|4.465}} | {{ParTLPde|4.465}} Das logische Produkt einer Tautologie und eines Satzes sagt dasselbe, wie der Satz. Also ist jenes Produkt identisch mit dem Satz. Denn man kann das Wesentliche des Symbols nicht ändern, ohne seinen Sinn zu ändern. | ||
{{ParTLPde|4.466}} | {{ParTLPde|4.466}} Einer bestimmten logischen Verbindung von Zeichen entspricht eine bestimmte logische Verbindung ihrer Bedeutungen; j e d e b e l i e b i g e Verbindung entspricht nur den unverbundenen Zeichen. | ||
Das heisst, Sätze die für jede Sachlage wahr sind, können überhaupt keine Zeichenverbindungen sein, denn sonst könnten ihnen nur bestimmte Verbindungen von Gegenständen entsprechen. | Das heisst, Sätze die für jede Sachlage wahr sind, können überhaupt keine Zeichenverbindungen sein, denn sonst könnten ihnen nur bestimmte Verbindungen von Gegenständen entsprechen. | ||
Line 899: | Line 899: | ||
Dass es eine allgemeine Satzform gibt, wird dadurch bewiesen, dass es keinen Satz geben darf, dessen Form man nicht hätte voraussehen (d. h. konstruieren) können. Die allgemeine Form des Satzes ist: Es verhält sich so und so. | Dass es eine allgemeine Satzform gibt, wird dadurch bewiesen, dass es keinen Satz geben darf, dessen Form man nicht hätte voraussehen (d. h. konstruieren) können. Die allgemeine Form des Satzes ist: Es verhält sich so und so. | ||
{{ParTLPde|4.51}} | {{ParTLPde|4.51}} Angenommen, mir wären a l l e Elementarsätze gegeben: Dann lässt sich einfach fragen: welche Sätze kann ich aus ihnen bilden. Und das sind a l l e Sätze und s o sind sie begrenzt. | ||
{{ParTLPde|4.52}} | {{ParTLPde|4.52}} Die Sätze sind Alles, was aus der Gesamtheit aller Elementarsätze folgt (natürlich auch daraus, dass es die G e s a mt h e i t a l l e r ist). (So könnte man in gewissem Sinne sagen, dass a l l e Sätze Verallgemeinerungen der Elementarsätze sind.) | ||
{{ParTLPde|4.53}} | {{ParTLPde|4.53}} Die allgemeine Satzform ist eine Variable. | ||
{{ParTLPde|5}} | {{ParTLPde|5}} Der Satz ist eine Wahrheitsfunktion der Elementarsätze. | ||
(Der Elementarsatz ist eine Wahrheitsfunktion seiner selbst.) | (Der Elementarsatz ist eine Wahrheitsfunktion seiner selbst.) | ||
{{ParTLPde|5.01}} | {{ParTLPde|5.01}} Die Elementarsätze sind die Wahrheitsargumente des Satzes. | ||
{{ParTLPde|5.02}} | {{ParTLPde|5.02}} Es liegt nahe, die Argumente von Funktionen mit den Indices von Namen zu verwechseln. Ich erkenne nämlich sowohl am Argument wie am Index die Bedeutung des sie enthaltenden Zeichens. | ||
In Russell’s „+''<sub>c</sub>''“ ist z. B. „''c''“ ein Index, der darauf hinweist, dass das ganze Zeichen das Additionszeichen für Kardinalzahlen ist. Aber diese Bezeichnung beruht auf willkürlicher Übereinkunft und man könnte statt „+''<sub>c</sub>''“ auch ein einfaches Zeichen wählen; in „∼''p''“ aber ist „''p''“ kein Index, sondern ein Argument: der Sinn von „∼''p''“ ka n n n i cht verstanden werden, ohne dass vorher der Sinn von „''p''“ verstanden worden wäre. (Im Namen Julius Cäsar ist „Julius“ ein Index. Der Index ist immer ein Teil einer Beschreibung des Gegenstandes, dessen Namen wir ihn anhängen. Z. B. D e r Cäsar aus dem Geschlechte der Julier.) | In Russell’s „+''<sub>c</sub>''“ ist z. B. „''c''“ ein Index, der darauf hinweist, dass das ganze Zeichen das Additionszeichen für Kardinalzahlen ist. Aber diese Bezeichnung beruht auf willkürlicher Übereinkunft und man könnte statt „+''<sub>c</sub>''“ auch ein einfaches Zeichen wählen; in „∼''p''“ aber ist „''p''“ kein Index, sondern ein Argument: der Sinn von „∼''p''“ ka n n n i cht verstanden werden, ohne dass vorher der Sinn von „''p''“ verstanden worden wäre. (Im Namen Julius Cäsar ist „Julius“ ein Index. Der Index ist immer ein Teil einer Beschreibung des Gegenstandes, dessen Namen wir ihn anhängen. Z. B. D e r Cäsar aus dem Geschlechte der Julier.) | ||
Line 917: | Line 917: | ||
Die Verwechslung von Argument und Index liegt, wenn ich mich nicht irre, der Theorie Frege’s von der Bedeutung der Sätze und Funktionen zugrunde. Für Frege waren die Sätze der Logik Namen, und deren Argumente die Indices dieser Namen. | Die Verwechslung von Argument und Index liegt, wenn ich mich nicht irre, der Theorie Frege’s von der Bedeutung der Sätze und Funktionen zugrunde. Für Frege waren die Sätze der Logik Namen, und deren Argumente die Indices dieser Namen. | ||
{{ParTLPde|5.1}} | {{ParTLPde|5.1}} Die Wahrheitsfunktionen lassen sich in Reihen ordnen. Das ist die Grundlage der Wahrscheinlichkeitslehre. | ||
{{ParTLPde|5.101}} Die Wahrheitsfunktionen jeder Anzahl von Elementarsätzen lassen sich in einem Schema folgender Art hinschreiben: | {{ParTLPde|5.101}} Die Wahrheitsfunktionen jeder Anzahl von Elementarsätzen lassen sich in einem Schema folgender Art hinschreiben: | ||
Line 931: | Line 931: | ||
|- | |- | ||
|(VFVV)(''p'', ''q'') | |(VFVV)(''p'', ''q'') | ||
|„ | |„ „ | ||
|Wenn ''q'', so ''p''. (q ⊃ p) | |Wenn ''q'', so ''p''. (q ⊃ p) | ||
|- | |- | ||
|(VVFV)(''p'', ''q'') | |(VVFV)(''p'', ''q'') | ||
|„ | |„ „ | ||
|Wenn ''p'', so ''q''. (p ⊃ q) | |Wenn ''p'', so ''q''. (p ⊃ q) | ||
|- | |- | ||
|(VVVF)(''p'', ''q'') | |(VVVF)(''p'', ''q'') | ||
|„ | |„ „ | ||
|''p'' oder ''q''. (''p'' ∨ ''q'') | |''p'' oder ''q''. (''p'' ∨ ''q'') | ||
|- | |- | ||
|(FFVV)(''p'', ''q'') | |(FFVV)(''p'', ''q'') | ||
|„ | |„ „ | ||
|Nicht ''q''. ~''q'' | |Nicht ''q''. ~''q'' | ||
|- | |- | ||
|(FVFV)(''p'', ''q'') | |(FVFV)(''p'', ''q'') | ||
|„ | |„ „ | ||
|Nicht ''p''. ~''p'' | |Nicht ''p''. ~''p'' | ||
|- | |- | ||
|(FVVF)(''p'', ''q'') | |(FVVF)(''p'', ''q'') | ||
|„ | |„ „ | ||
|''p'' oder ''q'', aber nicht beide. (''p'' . ~''q'' : ∨ : ''q'' . ~''p'') | |''p'' oder ''q'', aber nicht beide. (''p'' . ~''q'' : ∨ : ''q'' . ~''p'') | ||
|- | |- | ||
|(VFFV)(''p'', ''q'') | |(VFFV)(''p'', ''q'') | ||
|„ | |„ „ | ||
|Wenn ''p'', so ''q''; und wenn ''q'', so ''p''. (''p'' ≡ ''q'') | |Wenn ''p'', so ''q''; und wenn ''q'', so ''p''. (''p'' ≡ ''q'') | ||
|- | |- | ||
|(VFVF)(''p'', ''q'') | |(VFVF)(''p'', ''q'') | ||
|„ | |„ „ | ||
|''p'' | |''p'' | ||
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|(VVFF)(''p'', ''q'') | |(VVFF)(''p'', ''q'') | ||
|„ | |„ „ | ||
|''q'' | |''q'' | ||
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|(FFFV)(''p'', ''q'') | |(FFFV)(''p'', ''q'') | ||
|„ | |„ „ | ||
|Weder ''p'' noch ''q''. (~''p'' . ~''q'') oder (''p''<nowiki> | </nowiki>''q'') | |Weder ''p'' noch ''q''. (~''p'' . ~''q'') oder (''p''<nowiki> | </nowiki>''q'') | ||
|- | |- | ||
|(FFVF)(''p'', ''q'') | |(FFVF)(''p'', ''q'') | ||
|„ | |„ „ | ||
|''p'' und nicht ''q''. (''p'' . ~''q'') | |''p'' und nicht ''q''. (''p'' . ~''q'') | ||
|- | |- | ||
|(FVFF)(''p'', ''q'') | |(FVFF)(''p'', ''q'') | ||
|„ | |„ „ | ||
|''q'' und nicht ''p''. (''q'' . ~''p'') | |''q'' und nicht ''p''. (''q'' . ~''p'') | ||
|- | |- | ||
|(VFFF)(''p'', ''q'') | |(VFFF)(''p'', ''q'') | ||
|„ | |„ „ | ||
|''q'' und ''p''. (''q'' . ''p'') | |''q'' und ''p''. (''q'' . ''p'') | ||
|- | |- | ||
|(FFFF)(''p'', ''q'') | |(FFFF)(''p'', ''q'') | ||
|Kontradiktion | |Kontradiktion | ||
|(''p'' und nicht ''p''; und ''q'' und nicht ''q''.) | |(''p'' und nicht ''p''; und ''q'' und nicht ''q''.) (''p'' . ~''p'' . ''q'' . ~''q'') | ||
|} | |} | ||
Diejenigen Wahrheitsmöglichkeiten seiner Wahrheitsargumente, welche den Satz bewahrheiten, will ich seine Wa h r h e i t s g r ü n d e nennen. | Diejenigen Wahrheitsmöglichkeiten seiner Wahrheitsargumente, welche den Satz bewahrheiten, will ich seine Wa h r h e i t s g r ü n d e nennen. | ||
{{ParTLPde|5.11}} | {{ParTLPde|5.11}} Sind die Wahrheitsgründe, die einer Anzahl von Sätzen gemeinsam sind, sämtlich auch Wahrheitsgründe eines bestimmten Satzes, so sagen wir, die Wahrheit dieses Satzes folge aus der Wahrheit jener Sätze. | ||
{{ParTLPde|5.12}} | {{ParTLPde|5.12}} Insbesondere folgt die Wahrheit eines Satzes „''p''“ aus der Wahrheit eines anderen „''q''“, wenn alle Wahrheitsgründe des zweiten Wahrheitsgründe des ersten sind. | ||
{{ParTLPde|5.121}} | {{ParTLPde|5.121}} Die Wahrheitsgründe des einen sind in denen des anderen enthalten; ''p'' folgt aus ''q''. | ||
{{ParTLPde|5.122}} | {{ParTLPde|5.122}} Folgt ''p'' aus ''q'', so ist der Sinn von „''p''“ im Sinne von „''q''“ enthalten. | ||
{{ParTLPde|5.123}} | {{ParTLPde|5.123}} Wenn ein Gott eine Welt erschafft, worin gewisse Sätze wahr sind, so schafft er damit auch schon eine Welt, in welcher alle ihre Folgesätze stimmen. Und ähnlich könnte er keine Welt schaffen, worin der Satz „''p''“ wahr ist, ohne seine sämtlichen Gegenstände zu schaffen. | ||
{{ParTLPde|5.124}} | {{ParTLPde|5.124}} Der Satz bejaht jeden Satz der aus ihm folgt. | ||
{{ParTLPde|5.1241}} „''p . q''“ ist einer der Sätze, welche „''p''“ bejahen und zugleich einer der Sätze, welche „''q''“ bejahen. | {{ParTLPde|5.1241}} „''p . q''“ ist einer der Sätze, welche „''p''“ bejahen und zugleich einer der Sätze, welche „''q''“ bejahen. | ||
Line 1,009: | Line 1,009: | ||
{{ParTLPde|5.13}} Dass die Wahrheit eines Satzes aus der Wahrheit anderer Sätze folgt, ersehen wir aus der Struktur der Sätze. | {{ParTLPde|5.13}} Dass die Wahrheit eines Satzes aus der Wahrheit anderer Sätze folgt, ersehen wir aus der Struktur der Sätze. | ||
{{ParTLPde|5.131}} | {{ParTLPde|5.131}} Folgt die Wahrheit eines Satzes aus der Wahrheit anderer, so drückt sich dies durch Beziehungen aus, in welchen die Formen jener Sätze zu einander stehen; und zwar brauchen wir sie nicht erst in jene Beziehungen zu setzen, indem wir sie in einem Satze miteinander verbinden, sondern diese Beziehungen sind intern und bestehen, sobald, und dadurch dass, jene Sätze bestehen. | ||
{{ParTLPde|5.1311}} Wenn wir von ''p'' ∨ ''q'' und ∼''p'' auf ''q'' schliessen, so ist hier durch die Bezeichnungsweise die Beziehung der Satzformen von „''p'' ∨ ''q''“ und „∼''p''“ verhüllt. Schreiben wir aber z. B. statt „''p'' ∨ ''q''“ „''p'' ''|'' ''q . | . p | q''“ und statt „∼''p''“ „''p | p''“ (''p | q'' = weder ''p'', noch ''q''), so wird der innere Zusammenhang offenbar. | {{ParTLPde|5.1311}} Wenn wir von ''p'' ∨ ''q'' und ∼''p'' auf ''q'' schliessen, so ist hier durch die Bezeichnungsweise die Beziehung der Satzformen von „''p'' ∨ ''q''“ und „∼''p''“ verhüllt. Schreiben wir aber z. B. statt „''p'' ∨ ''q''“ „''p'' ''|'' ''q . | . p | q''“ und statt „∼''p''“ „''p | p''“ (''p | q'' = weder ''p'', noch ''q''), so wird der innere Zusammenhang offenbar. | ||
Line 1,015: | Line 1,015: | ||
(Dass man aus (''x'') ''. fx'' auf ''fa'' schliessen kann, das zeigt, dass die Allgemeinheit auch im Symbol „(''x'') ''. fx''“ vorhanden ist.) | (Dass man aus (''x'') ''. fx'' auf ''fa'' schliessen kann, das zeigt, dass die Allgemeinheit auch im Symbol „(''x'') ''. fx''“ vorhanden ist.) | ||
{{ParTLPde|5.132}} | {{ParTLPde|5.132}} Folgt ''p'' aus ''q'', so kann ich von ''q'' auf ''p'' schliessen; ''p'' aus ''q'' folgern. | ||
Die Art des Schlusses ist allein aus den beiden Sätzen zu entnehmen. | Die Art des Schlusses ist allein aus den beiden Sätzen zu entnehmen. | ||
Line 1,023: | Line 1,023: | ||
„Schlussgesetze“, welche – wie bei Frege und Russell – die Schlüsse rechtfertigen sollen, sind sinnlos, und wären überflüssig. | „Schlussgesetze“, welche – wie bei Frege und Russell – die Schlüsse rechtfertigen sollen, sind sinnlos, und wären überflüssig. | ||
{{ParTLPde|5.133}} | {{ParTLPde|5.133}} Alles Folgern geschieht a priori. | ||
{{ParTLPde|5.134}} | {{ParTLPde|5.134}} Aus einem Elementarsatz lässt sich kein anderer folgern. | ||
{{ParTLPde|5.135}} | {{ParTLPde|5.135}} Auf keine Weise kann aus dem Bestehen irgend einer Sachlage auf das Bestehen einer, von ihr gänzlich verschiedenen Sachlage geschlossen werden. | ||
{{ParTLPde|5.136}} | {{ParTLPde|5.136}} Einen Kausalnexus, der einen solchen Schluss rechtfertigte, gibt es nicht. | ||
{{ParTLPde|5.1361}} Die Ereignisse der Zukunft kö n n e n wir nicht aus den gegenwärtigen erschliessen. | {{ParTLPde|5.1361}} Die Ereignisse der Zukunft kö n n e n wir nicht aus den gegenwärtigen erschliessen. | ||
Line 1,041: | Line 1,041: | ||
{{ParTLPde|5.1363}} Wenn daraus, dass ein Satz uns einleuchtet, nicht f o l g t, dass er wahr ist, so ist das Einleuchten auch keine Rechtfertigung für unseren Glauben an seine Wahrheit. | {{ParTLPde|5.1363}} Wenn daraus, dass ein Satz uns einleuchtet, nicht f o l g t, dass er wahr ist, so ist das Einleuchten auch keine Rechtfertigung für unseren Glauben an seine Wahrheit. | ||
{{ParTLPde|5.14}} | {{ParTLPde|5.14}} Folgt ein Satz aus einem anderen, so sagt dieser mehr als jener, jener weniger als dieser. | ||
{{ParTLPde|5.141}} | {{ParTLPde|5.141}} Folgt ''p'' aus ''q'' und ''q'' aus ''p'', so sind sie ein und derselbe Satz. | ||
{{ParTLPde|5.142}} | {{ParTLPde|5.142}} Die Tautologie folgt aus allen Sätzen: sie sagt Nichts. | ||
{{ParTLPde|5.143}} | {{ParTLPde|5.143}} Die Kontradiktion ist das Gemeinsame der Sätze, was ke i n Satz mit einem anderen gemein hat. Die Tautologie ist das Gemeinsame aller Sätze, welche nichts miteinander gemein haben. | ||
Die Kontradiktion verschwindet sozusagen ausserhalb, die Tautologie innerhalb aller Sätze. | Die Kontradiktion verschwindet sozusagen ausserhalb, die Tautologie innerhalb aller Sätze. | ||
Line 1,053: | Line 1,053: | ||
Die Kontradiktion ist die äussere Grenze der Sätze, die Tautologie ihr substanzloser Mittelpunkt. | Die Kontradiktion ist die äussere Grenze der Sätze, die Tautologie ihr substanzloser Mittelpunkt. | ||
{{ParTLPde|5.15}} | {{ParTLPde|5.15}} Ist ''W<sub>r</sub>'' die Anzahl der Wahrheitsgründe des Satzes „''r''“, ''W<sub>rs</sub>'' die Anzahl derjenigen Wahrheitsgründe des Satzes „''s''“, die zugleich Wahrheitsgründe von „''r''“ sind, dann nennen wir das Verhältnis: ''W<sub>rs</sub>'' : ''W<sub>r</sub>'' das Mass der Wa h r s ch e i n l i ch ke i t, welche der Satz „''r''“ dem Satz „''s''“ gibt. | ||
{{ParTLPde|5.151}} | {{ParTLPde|5.151}} Sei in einem Schema wie dem obigen in No. [[#5.101|5.101]] ''W<sub>r</sub>'' die Anzahl der „''W'' “ im Satze ''r''; ''W<sub>rs</sub>'' die Anzahl derjenigen „''W'' “ im Satze ''s'', die in gleichen Kolonnen mit „''W'' “ des Satzes ''r'' stehen. Der Satz ''r'' gibt dann dem Satze ''s'' die Wahrscheinlichkeit: ''W<sub>rs</sub>'' : ''W<sub>r</sub>''. | ||
{{ParTLPde|5.1511}} Es gibt keinen besonderen Gegenstand, der den Wahrscheinlichkeitssätzen eigen wäre. | {{ParTLPde|5.1511}} Es gibt keinen besonderen Gegenstand, der den Wahrscheinlichkeitssätzen eigen wäre. | ||
{{ParTLPde|5.152}} | {{ParTLPde|5.152}} Sätze, welche keine Wahrheitsargumente mit einander gemein haben, nennen wir von einander unabhängig. | ||
Von einander unabhängige Sätze (z. B. irgend zwei Elementarsätze) geben einander die Wahrscheinlichkeit ½. | Von einander unabhängige Sätze (z. B. irgend zwei Elementarsätze) geben einander die Wahrscheinlichkeit ½. | ||
Line 1,067: | Line 1,067: | ||
(Anwendung auf Tautologie und Kontradiktion.) | (Anwendung auf Tautologie und Kontradiktion.) | ||
{{ParTLPde|5.153}} | {{ParTLPde|5.153}} Ein Satz ist an sich weder wahrscheinlich noch unwahrscheinlich. Ein Ereignis trifft ein, oder es trifft nicht ein, ein Mittelding gibt es nicht. | ||
{{ParTLPde|5.154}} | {{ParTLPde|5.154}} In einer Urne seien gleichviel weisse und schwarze Kugeln (und keine anderen). Ich ziehe eine Kugel nach der anderen und lege sie wieder in die Urne zurück. Dann kann ich durch den Versuch feststellen, dass sich die Zahlen der gezogenen schwarzen und weissen Kugeln bei fortgesetztem Ziehen einander nähern. | ||
D a s ist also kein mathematisches Faktum. | D a s ist also kein mathematisches Faktum. | ||
Line 1,077: | Line 1,077: | ||
Was ich durch den Versuch bestätige ist, dass das Eintreffen der beiden Ereignisse von den Umständen, die ich nicht näher kenne, unabhängig ist. | Was ich durch den Versuch bestätige ist, dass das Eintreffen der beiden Ereignisse von den Umständen, die ich nicht näher kenne, unabhängig ist. | ||
{{ParTLPde|5.155}} | {{ParTLPde|5.155}} Die Einheit des Wahrscheinlichkeitssatzes ist: Die Umstände – die ich sonst nicht weiter kenne – geben dem Eintreffen eines bestimmten Ereignisses den und den Grad der Wahrscheinlichkeit. | ||
{{ParTLPde|5.156}} | {{ParTLPde|5.156}} So ist die Wahrscheinlichkeit eine Verallgemeinerung. | ||
Sie involviert eine allgemeine Beschreibung einer Satzform. Nur in Ermanglung der Gewissheit gebrauchen wir die Wahrscheinlichkeit. – Wenn wir zwar eine | Sie involviert eine allgemeine Beschreibung einer Satzform. Nur in Ermanglung der Gewissheit gebrauchen wir die Wahrscheinlichkeit. – Wenn wir zwar eine Tatsache nicht vollkommen kennen, wohl aber e t w a s über ihre Form wissen. | ||
(Ein Satz kann zwar ein unvollständiges Bild einer gewissen Sachlage sein, aber er ist immer e i n vollständiges Bild.) | (Ein Satz kann zwar ein unvollständiges Bild einer gewissen Sachlage sein, aber er ist immer e i n vollständiges Bild.) | ||
Line 1,089: | Line 1,089: | ||
{{ParTLPde|5.2}} Die Strukturen der Sätze stehen in internen Beziehungen zu einander. | {{ParTLPde|5.2}} Die Strukturen der Sätze stehen in internen Beziehungen zu einander. | ||
{{ParTLPde|5.21}} | {{ParTLPde|5.21}} Wir können diese internen Beziehungen dadurch in unserer Ausdrucksweise hervorheben, dass wir einen Satz als Resultat einer Operation darstellen, die ihn aus anderen Sätzen (den Basen der Operation) hervorbringt. | ||
{{ParTLPde|5.22}} | {{ParTLPde|5.22}} Die Operation ist der Ausdruck einer Beziehung zwischen den Strukturen ihres Resultats und ihrer Basen. | ||
{{ParTLPde|5.23}} | {{ParTLPde|5.23}} Die Operation ist das, was mit dem einen Satz geschehen muss, um aus ihm den anderen zu machen. | ||
{{ParTLPde|5.231}} | {{ParTLPde|5.231}} Und das wird natürlich von ihren formalen Eigenschaften, von der internen Ähnlichkeit ihrer Formen abhängen. | ||
{{ParTLPde|5.232}} | {{ParTLPde|5.232}} Die interne Relation, die eine Reihe ordnet, ist äquivalent mit der Operation, durch welche ein Glied aus dem anderen entsteht. | ||
{{ParTLPde|5.233}} | {{ParTLPde|5.233}} Die Operation kann erst dort auftreten, wo ein Satz auf logisch bedeutungsvolle Weise aus einem anderen entsteht. Also dort, wo die logische Konstruktion des Satzes anfängt. | ||
{{ParTLPde|5.234}} | {{ParTLPde|5.234}} Die Wahrheitsfunktionen der Elementarsätze sind Resultate von Operationen, die die Elementarsätze als Basen haben. (Ich nenne diese Operationen Wahrheitsoperationen.) | ||
{{ParTLPde|5.2341}} Der Sinn einer Wahrheitsfunktion von ''p'' ist eine Funktion des Sinnes von ''p''. | {{ParTLPde|5.2341}} Der Sinn einer Wahrheitsfunktion von ''p'' ist eine Funktion des Sinnes von ''p''. | ||
Line 1,113: | Line 1,113: | ||
Sie bringt den Unterschied der Formen zum Ausdruck. (Und das Gemeinsame zwischen den Basen und dem Resultat der Operation sind eben die Basen.) | Sie bringt den Unterschied der Formen zum Ausdruck. (Und das Gemeinsame zwischen den Basen und dem Resultat der Operation sind eben die Basen.) | ||
{{ParTLPde|5.241}} | {{ParTLPde|5.241}} Die Operation kennzeichnet keine Form, sondern nur den Unterschied der Formen. | ||
{{ParTLPde|5.242}} | {{ParTLPde|5.242}} Dieselbe Operation, die „''q''“ aus „''p''“ macht, macht aus „''q''“ „''r''“ u. s. f. Dies kann nur darin ausgedrückt sein, dass „''p''“, „''q''“, „''r''“, etc. Variable sind, die gewisse formale Relationen allgemein zum Ausdruck bringen. | ||
{{ParTLPde|5.25}} Das Vorkommen der Operation charakterisiert den Sinn des Satzes nicht. | {{ParTLPde|5.25}} Das Vorkommen der Operation charakterisiert den Sinn des Satzes nicht. | ||
Line 1,123: | Line 1,123: | ||
(Operation und Funktion dürfen nicht miteinander verwechselt werden.) | (Operation und Funktion dürfen nicht miteinander verwechselt werden.) | ||
{{ParTLPde|5.251}} | {{ParTLPde|5.251}} Eine Funktion kann nicht ihr eigenes Argument sein, wohl aber kann das Resultat einer Operation ihre eigene Basis werden. | ||
{{ParTLPde|5.252}} | {{ParTLPde|5.252}} Nur so ist das Fortschreiten von Glied zu Glied in einer Formenreihe (von Type zu Type in den Hierarchien Russells und Whiteheads) möglich. (Russell und Whitehead haben die Möglichkeit dieses Fortschreitens nicht zugegeben, aber immer wieder von ihr Gebrauch gemacht.) | ||
{{ParTLPde|5.2521}} Die fortgesetzte Anwendung einer Operation auf ihr eigenes Resultat nenne ich ihre successive Anwendung („''O'O'O'a''“ | {{ParTLPde|5.2521}} Die fortgesetzte Anwendung einer Operation auf ihr eigenes Resultat nenne ich ihre successive Anwendung („''O'O'O'a''“ ist das Resultat der dreimaligen successiven Anwendung von „''O'ξ''“ auf „''a''“). | ||
In einem ähnlichen Sinne rede ich von der successiven Anwendung m e h r e r e r Operationen auf eine Anzahl von Sätzen. | In einem ähnlichen Sinne rede ich von der successiven Anwendung m e h r e r e r Operationen auf eine Anzahl von Sätzen. | ||
{{ParTLPde|5.2522}} | {{ParTLPde|5.2522}} Das allgemeine Glied einer Formenreihe ''a'', ''O'a'', ''O'O'a'', ''. . . .'' schreibe ich daher so: „[''a, x, O'x'']“. Dieser Klammerausdruck ist eine Variable. Das erste Glied des Klammerausdruckes ist der Anfang der Formenreihe, das zweite die Form eines beliebigen Gliedes ''x'' der Reihe und das dritte die Form desjenigen Gliedes der Reihe, welches auf ''x'' unmittelbar folgt. | ||
{{ParTLPde|5.2523}} | {{ParTLPde|5.2523}} Der Begriff der successiven Anwendung der Operation ist äquivalent mit dem Begriff „und so weiter“. | ||
{{ParTLPde|5.253}} | {{ParTLPde|5.253}} Eine Operation kann die Wirkung einer anderen rückgängig machen. Operationen können einander aufheben. | ||
{{ParTLPde|5.254}} | {{ParTLPde|5.254}} Die Operation kann verschwinden (z. B. die Verneinung in „∼∼''p''“, ∼∼''p'' = ''p''). | ||
{{ParTLPde|5.3}} | {{ParTLPde|5.3}} Alle Sätze sind Resultate von Wahrheitsoperationen mit den Elementarsätzen. | ||
Die Wahrheitsoperation ist die Art und Weise, wie aus den Elementarsätzen die Wahrheitsfunktion entsteht. | Die Wahrheitsoperation ist die Art und Weise, wie aus den Elementarsätzen die Wahrheitsfunktion entsteht. | ||
Line 1,147: | Line 1,147: | ||
Jeder Satz ist das Resultat von Wahrheitsoperationen mit Elementarsätzen. | Jeder Satz ist das Resultat von Wahrheitsoperationen mit Elementarsätzen. | ||
{{ParTLPde|5.31}} | {{ParTLPde|5.31}} Die Schemata No. [[#4.31|4.31]] haben auch dann eine Bedeutung, wenn „''p''“, „''q''“, „''r''“, etc. nicht Elementarsätze sind. | ||
Und es ist leicht zu sehen, dass das Satzzeichen in No. [[#4.442|4.442]], auch wenn „''p''“ und „''q''“ Wahrheitsfunktionen von Elementarsätzen sind, Eine Wahrheitsfunktion von Elementarsätzen ausdrückt. | Und es ist leicht zu sehen, dass das Satzzeichen in No. [[#4.442|4.442]], auch wenn „''p''“ und „''q''“ Wahrheitsfunktionen von Elementarsätzen sind, Eine Wahrheitsfunktion von Elementarsätzen ausdrückt. | ||
{{ParTLPde|5.32}} | {{ParTLPde|5.32}} Alle Wahrheitsfunktionen sind Resultate der successiven Anwendung einer endlichen Anzahl von Wahrheitsoperationen auf die Elementarsätze. | ||
{{ParTLPde|5.4}} Hier zeigt es sich, dass es „logische Gegenstände“, „logische Konstante“ (im Sinne Freges und Russells) nicht gibt. | {{ParTLPde|5.4}} Hier zeigt es sich, dass es „logische Gegenstände“, „logische Konstante“ (im Sinne Freges und Russells) nicht gibt. | ||
{{ParTLPde|5.41}} | {{ParTLPde|5.41}} Denn: Alle Resultate von Wahrheitsoperationen mit Wahrheitsfunktionen sind identisch, welche eine und dieselbe Wahrheitsfunktion von Elementarsätzen sind. | ||
{{ParTLPde|5.42}} | {{ParTLPde|5.42}} Dass ∨, ⊃, etc. nicht Beziehungen im Sinne von rechts und links etc. sind, leuchtet ein. | ||
Die Möglichkeit des kreuzweisen Definierens der logischen | Die Möglichkeit des kreuzweisen Definierens der logischen | ||
Line 1,165: | Line 1,165: | ||
Und es ist offenbar, dass das „⊃“, welches wir durch „∼“ und „∨“ definieren, identisch ist mit dem, durch welches wir „∨ “ mit „∼“ definieren und dass dieses „∨“ mit dem ersten identisch ist. U. s. w. | Und es ist offenbar, dass das „⊃“, welches wir durch „∼“ und „∨“ definieren, identisch ist mit dem, durch welches wir „∨ “ mit „∼“ definieren und dass dieses „∨“ mit dem ersten identisch ist. U. s. w. | ||
{{ParTLPde|5.43}} | {{ParTLPde|5.43}} Dass aus einer Tatsache ''p'' unendlich viele a n d e r e folgen sollten, nämlich ∼∼''p'', ∼∼∼∼''p'', etc., ist doch von vornherein kaum zu glauben. Und nicht weniger merkwürdig ist, dass die unendliche Anzahl der Sätze der Logik (der Mathematik) aus einem halben Dutzend „Grundgesetzen“ folgen. | ||
Alle Sätze der Logik sagen aber dasselbe. Nämlich Nichts. | Alle Sätze der Logik sagen aber dasselbe. Nämlich Nichts. | ||
{{ParTLPde|5.44}} | {{ParTLPde|5.44}} Die Wahrheitsfunktionen sind keine materiellen Funktionen. | ||
Wenn man z. B. eine Bejahung durch doppelte Verneinung erzeugen kann, ist dann die Verneinung – in irgend einem Sinn – in der Bejahung enthalten? Verneint „∼∼''p''“ ∼''p'', oder bejaht es ''p''; oder beides? | Wenn man z. B. eine Bejahung durch doppelte Verneinung erzeugen kann, ist dann die Verneinung – in irgend einem Sinn – in der Bejahung enthalten? Verneint „∼∼''p''“ ∼''p'', oder bejaht es ''p''; oder beides? | ||
Line 1,183: | Line 1,183: | ||
{{ParTLPde|5.45}} Gibt es logische Urzeichen, so muss eine richtige Logik ihre Stellung zueinander klar machen und ihr Dasein rechtfertigen. Der Bau der Logik a u s ihren Urzeichen muss klar werden. | {{ParTLPde|5.45}} Gibt es logische Urzeichen, so muss eine richtige Logik ihre Stellung zueinander klar machen und ihr Dasein rechtfertigen. Der Bau der Logik a u s ihren Urzeichen muss klar werden. | ||
{{ParTLPde|5.451}} Hat die Logik Grundbegriffe, so müssen sie von einander unabhängig sein. Ist ein Grundbegriff eingeführt, so muss er in allen Verbindungen eingeführt sein, worin er überhaupt vorkommt. Man kann ihn also nicht zuerst für e i n e Verbindung, dann noch einmal für eine andere einführen. Z. B.: Ist die Verneinung eingeführt, so müssen wir sie jetzt in Sätzen von | {{ParTLPde|5.451}} Hat die Logik Grundbegriffe, so müssen sie von einander unabhängig sein. Ist ein Grundbegriff eingeführt, so muss er in allen Verbindungen eingeführt sein, worin er überhaupt vorkommt. Man kann ihn also nicht zuerst für e i n e Verbindung, dann noch einmal für eine andere einführen. Z. B.: Ist die Verneinung eingeführt, so müssen wir sie jetzt in Sätzen von der Form „∼''p''“ ebenso verstehen, wie in Sätzen wie „∼(''p'' ∨ ''q'')“, „(∃''x'') ''.'' ∼''fx''“ u. a. Wir dürfen sie nicht erst für die eine Klasse von Fällen, dann für die andere einführen, denn es bliebe dann zweifelhaft, ob ihre Bedeutung in beiden Fällen die gleiche wäre und es wäre kein Grund vorhanden, in beiden Fällen dieselbe Art der Zeichenverbindung zu benützen. | ||
(Kurz, für die Einführung der Urzeichen gilt, mutatis mutandis, dasselbe, was Frege („Grundgesetze der Arithmetik“) für die Einführung von Zeichen durch Definitionen gesagt hat.) | (Kurz, für die Einführung der Urzeichen gilt, mutatis mutandis, dasselbe, was Frege („Grundgesetze der Arithmetik“) für die Einführung von Zeichen durch Definitionen gesagt hat.) | ||
Line 1,209: | Line 1,209: | ||
Ein Gebiet, in dem der Satz gilt: simplex sigillum veri. | Ein Gebiet, in dem der Satz gilt: simplex sigillum veri. | ||
{{ParTLPde|5.46}} | {{ParTLPde|5.46}} Wenn man die logischen Zeichen richtig einführte, so hätte man damit auch schon den Sinn aller ihrer Kombinationen eingeführt; also nicht nur „''p'' ∨ ''q''“ sondern auch schon „∼(''p'' ∨ ∼''q'')“ etc. etc. Man hätte damit auch schon die Wirkung aller nur möglichen Kombinationen von Klammern eingeführt. Und damit wäre es klar geworden, dass die eigentlichen allgemeinen Urzeichen nicht die „''p'' ∨ ''q''“, „(∃''x'') ''. fx''“, etc. sind, sondern die allgemeinste Form ihrer Kombinationen. | ||
{{ParTLPde|5.461}} Bedeutungsvoll ist die scheinbar unwichtige Tatsache, dass die logischen Scheinbeziehungen, wie ∨ und ⊃, der Klammern bedürfen – im Gegensatz zu den wirklichen Beziehungen. | {{ParTLPde|5.461}} Bedeutungsvoll ist die scheinbar unwichtige Tatsache, dass die logischen Scheinbeziehungen, wie ∨ und ⊃, der Klammern bedürfen – im Gegensatz zu den wirklichen Beziehungen. | ||
Line 1,229: | Line 1,229: | ||
{{ParTLPde|5.471}} Die allgemeine Satzform ist das Wesen des Satzes. | {{ParTLPde|5.471}} Die allgemeine Satzform ist das Wesen des Satzes. | ||
{{ParTLPde|5.4711}} Das Wesen des Satzes angeben, heisst, das Wesen aller | {{ParTLPde|5.4711}} Das Wesen des Satzes angeben, heisst, das Wesen aller Beschreibung angeben, also das Wesen der Welt. | ||
{{ParTLPde|5.472}} Die Beschreibung der allgemeinsten Satzform ist | {{ParTLPde|5.472}} Die Beschreibung der allgemeinsten Satzform ist die Beschreibung des einen und einzigen allgemeinen Urzeichens der Logik. | ||
{{ParTLPde|5.473}} Die Logik muss für sich selber sorgen. | {{ParTLPde|5.473}} Die Logik muss für sich selber sorgen. | ||
Line 1,257: | Line 1,257: | ||
{{ParTLPde|5.475}} Es kommt nur darauf an, ein Zeichensystem von einer bestimmten Anzahl von Dimensionen – von einer bestimmten mathematischen Mannigfaltigkeit – zu bilden. | {{ParTLPde|5.475}} Es kommt nur darauf an, ein Zeichensystem von einer bestimmten Anzahl von Dimensionen – von einer bestimmten mathematischen Mannigfaltigkeit – zu bilden. | ||
{{ParTLPde|5.476}} | {{ParTLPde|5.476}} Es ist klar, dass es sich hier nicht um eine A n z a h l vo n G r u n d b e g r i f f e n handelt, die bezeichnet werden müssen, sondern um den Ausdruck einer Regel. | ||
{{ParTLPde|5.5}} Jede Wahrheitsfunktion ist ein Resultat der successiven Anwendung der Operation (– – – – –W)(''ξ, . . . .'') auf Elementarsätze. | {{ParTLPde|5.5}} Jede Wahrheitsfunktion ist ein Resultat der successiven Anwendung der Operation (– – – – –W)(''ξ, . . . .'') auf Elementarsätze. | ||
Line 1,265: | Line 1,265: | ||
{{ParTLPde|5.501}} Einen Klammerausdruck, dessen Glieder Sätze sind, deute ich – wenn die Reihenfolge der Glieder in der Klammer gleichgültig ist – durch ein Zeichen von der Form „(''ξ'')“ an. „''ξ''“ ist eine Variable, deren Werte die Glieder des Klammerausdruckes sind; und der Strich über der Variablen deutet an, dass sie ihre sämtlichen Werte in der Klammer vertritt. | {{ParTLPde|5.501}} Einen Klammerausdruck, dessen Glieder Sätze sind, deute ich – wenn die Reihenfolge der Glieder in der Klammer gleichgültig ist – durch ein Zeichen von der Form „(''ξ'')“ an. „''ξ''“ ist eine Variable, deren Werte die Glieder des Klammerausdruckes sind; und der Strich über der Variablen deutet an, dass sie ihre sämtlichen Werte in der Klammer vertritt. | ||
(Hat also <math>\xi</math> etwa die 3 Werte P, Q, R, so ist (''<math>\bar{\xi}</math>) = (P, | (Hat also <math>\xi</math> etwa die 3 Werte P, Q, R, so ist (''<math>\bar{\xi}</math>) = (P, Q, R).) | ||
Die Werte der Variablen werden festgesetzt. | Die Werte der Variablen werden festgesetzt. | ||
Line 1,299: | Line 1,299: | ||
{{ParTLPde|5.514}} Ist eine Notation festgelegt, so gibt es in ihr eine Regel, nach der alle ''p'' verneinenden Sätze gebildet werden, eine Regel, nach der alle ''p'' bejahenden Sätze gebildet werden, eine Regel, nach der alle ''p'' oder ''q'' bejahenden Sätze gebildet werden, u. s. f. Diese Regeln sind den Symbolen äquivalent und in ihnen spiegelt sich ihr Sinn wider. | {{ParTLPde|5.514}} Ist eine Notation festgelegt, so gibt es in ihr eine Regel, nach der alle ''p'' verneinenden Sätze gebildet werden, eine Regel, nach der alle ''p'' bejahenden Sätze gebildet werden, eine Regel, nach der alle ''p'' oder ''q'' bejahenden Sätze gebildet werden, u. s. f. Diese Regeln sind den Symbolen äquivalent und in ihnen spiegelt sich ihr Sinn wider. | ||
{{ParTLPde|5.515}} | {{ParTLPde|5.515}} Es muss sich an unseren Symbolen zeigen, dass das, was durch „∨“, „''.''“, etc. miteinander verbunden ist, Sätze sein müssen. | ||
Und dies ist auch der Fall, denn das Symbol „''p''“ und „''q''“ setzt ja selbst das „∨“, „∼“, etc. voraus. Wenn das Zeichen „''p''“ in „''p''∨ ''q''“ nicht für ein komplexes Zeichen steht, dann kann es allein nicht Sinn haben; dann können aber auch die mit „''p''“ gleichsinnigen Zeichen „''p'' ∨ ''p''“, „''p . p''“, etc. keinen Sinn haben. Wenn aber „''p'' ∨ ''p''“ keinen Sinn hat, dann kann auch „''p'' ∨ ''q''“ keinen Sinn haben. | Und dies ist auch der Fall, denn das Symbol „''p''“ und „''q''“ setzt ja selbst das „∨“, „∼“, etc. voraus. Wenn das Zeichen „''p''“ in „''p''∨ ''q''“ nicht für ein komplexes Zeichen steht, dann kann es allein nicht Sinn haben; dann können aber auch die mit „''p''“ gleichsinnigen Zeichen „''p'' ∨ ''p''“, „''p . p''“, etc. keinen Sinn haben. Wenn aber „''p'' ∨ ''p''“ keinen Sinn hat, dann kann auch „''p'' ∨ ''q''“ keinen Sinn haben. | ||
Line 1,309: | Line 1,309: | ||
Der positive S a t z muss die Existenz des negativen S a t z e s voraussetzen und umgekehrt. | Der positive S a t z muss die Existenz des negativen S a t z e s voraussetzen und umgekehrt. | ||
{{ParTLPde|5.52}} Sind die | {{ParTLPde|5.52}} Sind die Werte von ''ξ'' sämtliche Werte einer Funktion ''fx'' für alle Werte von ''x'', so wird ''N'' (<math>\bar{\xi}</math>) = ∼(∃''x'') ''. fx''. | ||
{{ParTLPde|5.521}} Ich trenne den Begriff A l l e von der Wahrheitsfunktion. | {{ParTLPde|5.521}} Ich trenne den Begriff A l l e von der Wahrheitsfunktion. | ||
Line 1,315: | Line 1,315: | ||
Frege und Russell haben die Allgemeinheit in Verbindung mit dem logischen Produkt oder der logischen Summe eingeführt. So wurde es schwer, die Sätze „(∃''x'') ''. fx''“ und „(''x'') ''. fx''“, in welchen beide Ideen beschlossen liegen, zu verstehen. | Frege und Russell haben die Allgemeinheit in Verbindung mit dem logischen Produkt oder der logischen Summe eingeführt. So wurde es schwer, die Sätze „(∃''x'') ''. fx''“ und „(''x'') ''. fx''“, in welchen beide Ideen beschlossen liegen, zu verstehen. | ||
{{ParTLPde|5.522}} | {{ParTLPde|5.522}} Das Eigentümliche der Allgemeinheitsbezeichnung ist erstens, dass sie auf ein logisches Urbild hinweist, und zweitens, dass sie Konstante hervorhebt. | ||
{{ParTLPde|5.523}} | {{ParTLPde|5.523}} Die Allgemeinheitsbezeichnung tritt als Argument auf. | ||
{{ParTLPde|5.524}} Wenn die Gegenstände gegeben sind, so sind uns damit auch schon a l l e Gegenstände gegeben. | {{ParTLPde|5.524}} Wenn die Gegenstände gegeben sind, so sind uns damit auch schon a l l e Gegenstände gegeben. | ||
Line 1,329: | Line 1,329: | ||
Jener Präzedenzfall, auf den man sich immer berufen möchte, muss schon im Symbol selber liegen. | Jener Präzedenzfall, auf den man sich immer berufen möchte, muss schon im Symbol selber liegen. | ||
{{ParTLPde|5.526}} | {{ParTLPde|5.526}} Man kann die Welt vollständig durch vollkommen verallgemeinerte Sätze beschreiben, das heisst also, ohne irgend einen Namen von vornherein einem bestimmten Gegenstand zuzuordnen. | ||
Um dann auf die gewöhnliche Ausdrucksweise zu kommen, muss man einfach nach einem Ausdruck „es gibt ein und nur ein ''x'', welches ''. . . .''“ sagen: Und dies ''x'' ist ''a''. | Um dann auf die gewöhnliche Ausdrucksweise zu kommen, muss man einfach nach einem Ausdruck „es gibt ein und nur ein ''x'', welches ''. . . .''“ sagen: Und dies ''x'' ist ''a''. | ||
{{ParTLPde|5.5261}} | {{ParTLPde|5.5261}} Ein vollkommen verallgemeinerter Satz ist, wie jeder andere Satz zusammengesetzt. (Dies zeigt sich daran, dass wir in „(∃''x, φ'')''.φx''“ „''φ''“ und „''x''“ getrennt erwähnen müssen. Beide stehen unabhängig in bezeichnenden Beziehungen zur Welt, wie im unverallgemeinerten Satz.) | ||
Kennzeichen des zusammengesetzten Symbols: Es hat etwas mit a n d e r e n Symbolen gemeinsam. | Kennzeichen des zusammengesetzten Symbols: Es hat etwas mit a n d e r e n Symbolen gemeinsam. | ||
Line 1,343: | Line 1,343: | ||
{{ParTLPde|5.53}} Gleichheit des Gegenstandes drücke ich durch Gleichheit des Zeichens aus, und nicht mit Hilfe eines Gleichheitszeichens. Verschiedenheit der Gegenstände durch Verschiedenheit der Zeichen. | {{ParTLPde|5.53}} Gleichheit des Gegenstandes drücke ich durch Gleichheit des Zeichens aus, und nicht mit Hilfe eines Gleichheitszeichens. Verschiedenheit der Gegenstände durch Verschiedenheit der Zeichen. | ||
{{ParTLPde|5.5301}} Dass die Identität keine Relation zwischen Gegenständen ist, leuchtet ein. Dies wird sehr klar, wenn man z. B. den Satz „(''x'') : ''fx.'' ⊃'' .x'' = ''a'' | {{ParTLPde|5.5301}} Dass die Identität keine Relation zwischen Gegenständen ist, leuchtet ein. Dies wird sehr klar, wenn man z. B. den Satz „(''x'') : ''fx.'' ⊃'' .x'' = ''a''“ betrachtet. Was dieser Satz sagt, ist einfach, dass nu r ''a'' der Funktion ''f'' genügt, und nicht, dass nur solche Dinge der Funktion ''f'' genügen, welche eine gewisse Beziehung zu ''a'' haben. | ||
Man könnte nun freilich sagen, dass eben nu r ''a'' diese Beziehung zu ''a'' habe, aber um dies auszudrücken, brauchten wir das Gleichheitszeichen selber. | Man könnte nun freilich sagen, dass eben nu r ''a'' diese Beziehung zu ''a'' habe, aber um dies auszudrücken, brauchten wir das Gleichheitszeichen selber. | ||
Line 1,351: | Line 1,351: | ||
{{ParTLPde|5.5303}} Beiläufig gesprochen: Von z we i Dingen zu sagen, sie seien identisch, ist ein Unsinn, und von E i n e m zu sagen, es sei identisch mit sich selbst, sagt gar nichts. | {{ParTLPde|5.5303}} Beiläufig gesprochen: Von z we i Dingen zu sagen, sie seien identisch, ist ein Unsinn, und von E i n e m zu sagen, es sei identisch mit sich selbst, sagt gar nichts. | ||
{{ParTLPde|5.531}} | {{ParTLPde|5.531}} Ich schreibe also nicht „''f'' (''a, b'') ''. a'' = ''b''“, sondern „''f'' (''a, a'')“ (oder „''f'' (''b, b'')“). Und nicht „''f'' (''a, b'') ''.'' ∼''a'' = ''b''“, sondern „''f'' (''a, b'')“. | ||
{{ParTLPde|5.532}} Und analog: Nicht „(∃''x, y'') ''. f'' (''x, y'') ''. x'' = ''y''“, sondern „(∃''x'') ''. f'' (''x, x'')“; und nicht „(∃''x, y'') ''. f'' (''x, y'') ''.'' ∼''x'' = ''y''“, sondern „(∃''x, y'') ''. f'' (''x, y'')“. | {{ParTLPde|5.532}} Und analog: Nicht „(∃''x, y'') ''. f'' (''x, y'') ''. x'' = ''y''“, sondern „(∃''x'') ''. f'' (''x, x'')“; und nicht „(∃''x, y'') ''. f'' (''x, y'') ''.'' ∼''x'' = ''y''“, sondern „(∃''x, y'') ''. f'' (''x, y'')“. | ||
Line 1,357: | Line 1,357: | ||
(Also statt des Russell’schen „(∃''x, y'') ''. f'' (''x, y'')“: „(∃''x, y'') ''. f'' (''x, y'') ''.'' ∨ ''.'' (∃''x'') ''. f'' (''x, x'')“.) | (Also statt des Russell’schen „(∃''x, y'') ''. f'' (''x, y'')“: „(∃''x, y'') ''. f'' (''x, y'') ''.'' ∨ ''.'' (∃''x'') ''. f'' (''x, x'')“.) | ||
{{ParTLPde|5.5321}} | {{ParTLPde|5.5321}} Statt „(''x'') : ''fx'' ⊃ ''x'' = ''a''“ schreiben wir also z. B. „(∃''x'') ''. fx.'' ⊃ ''.fa'' : ∼(∃''x, y'') ''. fx . fy''“. | ||
Und der Satz „nu r Ein ''x'' befriedigt ''f'' ()“ lautet: „(∃''x'') ''. fx'' : ∼(∃''x, y'') ''. fx . fy''“. | Und der Satz „nu r Ein ''x'' befriedigt ''f'' ()“ lautet: „(∃''x'') ''. fx'' : ∼(∃''x, y'') ''. fx . fy''“. | ||
Line 1,363: | Line 1,363: | ||
{{ParTLPde|5.533}} Das Gleichheitszeichen ist also kein wesentlicher Bestandteil der Begriffsschrift. | {{ParTLPde|5.533}} Das Gleichheitszeichen ist also kein wesentlicher Bestandteil der Begriffsschrift. | ||
{{ParTLPde|5.534}} | {{ParTLPde|5.534}} Und nun sehen wir, dass Scheinsätze wie: „''a'' = ''a''“, „''a'' = ''b . b'' = ''c.'' ⊃ ''a'' = ''c''“, „(''x'') ''. x'' = ''x''“, „(∃''x'') ''. x'' = ''a''“, etc. sich in einer richtigen Begriffsschrift gar nicht hinschreiben lassen. | ||
{{ParTLPde|5.535}} | {{ParTLPde|5.535}} Damit erledigen sich auch alle Probleme, die an solche Scheinsätze geknüpft waren. | ||
Alle Probleme, die Russells „Axiom of Infinity“ mit sich bringt, sind schon hier zu lösen. | Alle Probleme, die Russells „Axiom of Infinity“ mit sich bringt, sind schon hier zu lösen. | ||
Line 1,371: | Line 1,371: | ||
Das, was das Axiom of infinity sagen soll, würde sich in der Sprache dadurch ausdrücken, dass es unendlich viele Namen mit verschiedener Bedeutung gäbe. | Das, was das Axiom of infinity sagen soll, würde sich in der Sprache dadurch ausdrücken, dass es unendlich viele Namen mit verschiedener Bedeutung gäbe. | ||
{{ParTLPde|5.5351}} Es gibt gewisse Fälle, wo man in Versuchung gerät, Ausdrücke von der Form „''a'' = ''a''“ oder „''p'' ⊃ ''p'' | {{ParTLPde|5.5351}} Es gibt gewisse Fälle, wo man in Versuchung gerät, Ausdrücke von der Form „''a'' = ''a''“ oder „''p'' ⊃ ''p''“ u. dgl. zu benützen. Und zwar geschieht dies, wenn man von dem Urbild: Satz, Ding, etc. reden möchte. So hat Russell in den „Principles of Mathematics“ den Unsinn „''p'' ist ein Satz“ in Symbolen durch „''p'' ⊃ ''p''“ wiedergegeben und als Hypothese vor gewisse Sätze gestellt, damit deren Argumentstellen nur von Sätzen besetzt werden könnten. | ||
(Es ist schon darum Unsinn, die Hypothese ''p'' ⊃ ''p'' vor einen Satz zu stellen, um ihm Argumente der richtigen Form zu sichern, weil die Hypothese für einen Nicht-Satz als Argument nicht falsch, sondern unsinnig wird, und weil der Satz selbst durch die unrichtige Gattung von Argumenten unsinnig wird, also sich selbst ebenso gut, oder so schlecht, vor den unrechten Argumenten bewahrt, wie die zu diesem Zweck angehängte sinnlose Hypothese.) | (Es ist schon darum Unsinn, die Hypothese ''p'' ⊃ ''p'' vor einen Satz zu stellen, um ihm Argumente der richtigen Form zu sichern, weil die Hypothese für einen Nicht-Satz als Argument nicht falsch, sondern unsinnig wird, und weil der Satz selbst durch die unrichtige Gattung von Argumenten unsinnig wird, also sich selbst ebenso gut, oder so schlecht, vor den unrechten Argumenten bewahrt, wie die zu diesem Zweck angehängte sinnlose Hypothese.) | ||
Line 1,377: | Line 1,377: | ||
{{ParTLPde|5.5352}} Ebenso wollte man „Es gibt keine D i n g e“ ausdrücken durch „∼(∃''x'') ''. x'' = ''x''“. Aber selbst wenn dies ein Satz wäre, – wäre er nicht auch wahr, wenn es zwar „Dinge gäbe“, aber diese nicht mit sich selbst identisch wären? | {{ParTLPde|5.5352}} Ebenso wollte man „Es gibt keine D i n g e“ ausdrücken durch „∼(∃''x'') ''. x'' = ''x''“. Aber selbst wenn dies ein Satz wäre, – wäre er nicht auch wahr, wenn es zwar „Dinge gäbe“, aber diese nicht mit sich selbst identisch wären? | ||
{{ParTLPde|5.54}} | {{ParTLPde|5.54}} In der allgemeinen Satzform kommt der Satz im Satze nur als Basis der Wahrheitsoperationen vor. | ||
{{ParTLPde|5.541}} Auf den ersten Blick scheint es, als könne ein Satz in einem anderen auch auf andere Weise vorkommen. | {{ParTLPde|5.541}} Auf den ersten Blick scheint es, als könne ein Satz in einem anderen auch auf andere Weise vorkommen. | ||
Line 1,387: | Line 1,387: | ||
(Und in der modernen Erkenntnistheorie (Russell, Moore, etc.) sind jene Sätze auch so aufgefasst worden.) | (Und in der modernen Erkenntnistheorie (Russell, Moore, etc.) sind jene Sätze auch so aufgefasst worden.) | ||
{{ParTLPde|5.542}} Es ist | {{ParTLPde|5.542}} Es ist aber klar, dass „A glaubt, dass ''p''“, „A denkt ''p''“, „A sagt ''p''“ von der Form „‚''p''‘ sagt ''p''“ sind: Und hier handelt es sich nicht um eine Zuordnung von einer Tatsache und einem Gegenstand, sondern um die Zuordnung von Tatsachen durch Zuordnung ihrer Gegenstände. | ||
{{ParTLPde|5.5421}} Dies zeigt auch, dass die Seele – das Subjekt, etc. – wie sie in der heutigen oberflächlichen Psychologie aufgefasst wird, ein Unding ist. | {{ParTLPde|5.5421}} Dies zeigt auch, dass die Seele – das Subjekt, etc. – wie sie in der heutigen oberflächlichen Psychologie aufgefasst wird, ein Unding ist. | ||
Line 1,405: | Line 1,405: | ||
(Sehe ich erst auf die Ecken ''a'' und nur flüchtig auf ''b'', so erscheint ''a'' vorne; und umgekehrt.) | (Sehe ich erst auf die Ecken ''a'' und nur flüchtig auf ''b'', so erscheint ''a'' vorne; und umgekehrt.) | ||
{{ParTLPde|5.55}} | {{ParTLPde|5.55}} Wir müssen nun die Frage nach allen möglichen Formen der Elementarsätze a priori beantworten. | ||
Der Elementarsatz besteht aus Namen. Da wir aber die Anzahl der Namen von verschiedener Bedeutung nicht angeben können, so können wir auch nicht die Zusammensetzung des Elementarsatzes angeben. | Der Elementarsatz besteht aus Namen. Da wir aber die Anzahl der Namen von verschiedener Bedeutung nicht angeben können, so können wir auch nicht die Zusammensetzung des Elementarsatzes angeben. | ||
{{ParTLPde|5.551}} | {{ParTLPde|5.551}} Unser Grundsatz ist, dass jede Frage, die sich überhaupt durch die Logik entscheiden lässt, sich ohne weiteres entscheiden lassen muss. | ||
(Und wenn wir in die Lage kommen, ein solches Problem durch Ansehen der Welt beantworten zu müssen, so zeigt dies, dass wir auf grundfalscher Fährte sind.) | (Und wenn wir in die Lage kommen, ein solches Problem durch Ansehen der Welt beantworten zu müssen, so zeigt dies, dass wir auf grundfalscher Fährte sind.) | ||
{{ParTLPde|5.552}} | {{ParTLPde|5.552}} Die „Erfahrung“, die wir zum Verstehen der Logik brauchen, ist nicht die, dass sich etwas so und so verhält, sondern, dass etwas i s t: aber das ist eben ke i n e Erfahrung. | ||
Die Logik ist vo r jeder Erfahrung – dass etwas s o ist. Sie ist vor dem Wie, nicht vor dem Was. | Die Logik ist vo r jeder Erfahrung – dass etwas s o ist. Sie ist vor dem Wie, nicht vor dem Was. | ||
Line 1,419: | Line 1,419: | ||
{{ParTLPde|5.5521}} Und wenn dies nicht so wäre, wie könnten wir die Logik anwenden? Man könnte sagen: Wenn es eine Logik gäbe, auch wenn es keine Welt gäbe, wie könnte es dann eine Logik geben, da es eine Welt gibt. | {{ParTLPde|5.5521}} Und wenn dies nicht so wäre, wie könnten wir die Logik anwenden? Man könnte sagen: Wenn es eine Logik gäbe, auch wenn es keine Welt gäbe, wie könnte es dann eine Logik geben, da es eine Welt gibt. | ||
{{ParTLPde|5.553}} | {{ParTLPde|5.553}} Russell sagte, es gäbe einfache Relationen zwischen verschiedenen Anzahlen von Dingen (Individuals). Aber zwischen welchen Anzahlen? Und wie soll sich das entscheiden? – Durch die Erfahrung? | ||
(Eine ausgezeichnete Zahl gibt es nicht.) | (Eine ausgezeichnete Zahl gibt es nicht.) | ||
{{ParTLPde|5.554}} | {{ParTLPde|5.554}} Die Angabe jeder speziellen Form wäre vollkommen willkürlich. | ||
{{ParTLPde|5.5541}} Es soll sich a priori angeben lassen, ob ich z. B. in die Lage kommen kann, etwas mit dem Zeichen einer 27-stelligen Relation bezeichnen zu müssen. | {{ParTLPde|5.5541}} Es soll sich a priori angeben lassen, ob ich z. B. in die Lage kommen kann, etwas mit dem Zeichen einer 27-stelligen Relation bezeichnen zu müssen. | ||
Line 1,431: | Line 1,431: | ||
Hat die Frage einen Sinn: Was muss s e i n, damit etwas der-Fall-sein kann? | Hat die Frage einen Sinn: Was muss s e i n, damit etwas der-Fall-sein kann? | ||
{{ParTLPde|5.555}} | {{ParTLPde|5.555}} Es ist klar, wir haben vom Elementarsatz einen Begriff, abgesehen von seiner besonderen logischen Form. | ||
Wo man aber Symbole nach einem System bilden kann, dort ist dieses System das logisch wichtige und nicht die einzelnen Symbole. | Wo man aber Symbole nach einem System bilden kann, dort ist dieses System das logisch wichtige und nicht die einzelnen Symbole. | ||
Line 1,445: | Line 1,445: | ||
{{ParTLPde|5.5562}} Wissen wir aus rein logischen Gründen, dass es Elementarsätze geben muss, dann muss es jeder wissen, der die Sätze in ihrer unanalysierten Form versteht. | {{ParTLPde|5.5562}} Wissen wir aus rein logischen Gründen, dass es Elementarsätze geben muss, dann muss es jeder wissen, der die Sätze in ihrer unanalysierten Form versteht. | ||
{{ParTLPde|5.5563}} Alle Sätze unserer Umgangssprache sind tatsächlich, so | {{ParTLPde|5.5563}} Alle Sätze unserer Umgangssprache sind tatsächlich, so wie sie sind, logisch vollkommen geordnet. – Jenes Einfachste, was wir hier angeben sollen, ist nicht ein Gleichnis der Wahrheit, sondern die volle Wahrheit selbst. | ||
(Unsere Probleme sind nicht abstrakt, sondern vielleicht die konkretesten, die es gibt.) | (Unsere Probleme sind nicht abstrakt, sondern vielleicht die konkretesten, die es gibt.) | ||
{{ParTLPde|5.557}} | {{ParTLPde|5.557}} Die A nwe n d u n g der Logik entscheidet darüber, welche Elementarsätze es gibt. | ||
Was in der Anwendung liegt, kann die Logik nicht vorausnehmen. | Was in der Anwendung liegt, kann die Logik nicht vorausnehmen. | ||
Line 1,459: | Line 1,459: | ||
Also dürfen die Logik und ihre Anwendung einander nicht übergreifen. | Also dürfen die Logik und ihre Anwendung einander nicht übergreifen. | ||
{{ParTLPde|5.5571}} | {{ParTLPde|5.5571}} Wenn ich die Elementarsätze nicht a priori angeben kann, dann muss es zu offenbarem Unsinn führen, sie angeben zu wollen. | ||
{{ParTLPde|5.6}} | {{ParTLPde|5.6}} D i e G r e n z e n m e i n e r S p r a ch e bedeuten die Grenzen meiner Welt. | ||
{{ParTLPde|5.61}} | {{ParTLPde|5.61}} Die Logik erfüllt die Welt; die Grenzen der Welt sind auch ihre Grenzen. | ||
Wir können also in der Logik nicht sagen: Das und das gibt es in der Welt, jenes nicht. | Wir können also in der Logik nicht sagen: Das und das gibt es in der Welt, jenes nicht. | ||
Line 1,471: | Line 1,471: | ||
Was wir nicht denken können, das können wir nicht denken; wir können also auch nicht s a g e n, was wir nicht denken können. | Was wir nicht denken können, das können wir nicht denken; wir können also auch nicht s a g e n, was wir nicht denken können. | ||
{{ParTLPde|5.62}} | {{ParTLPde|5.62}} Diese Bemerkung gibt den Schlüssel zur Entscheidung der Frage, inwieweit der Solipsismus eine Wahrheit ist. | ||
Was der Solipsismus nämlich m e i n t, ist ganz richtig, nur lässt es sich nicht s a g e n, sondern es zeigt sich. | Was der Solipsismus nämlich m e i n t, ist ganz richtig, nur lässt es sich nicht s a g e n, sondern es zeigt sich. | ||
Line 1,477: | Line 1,477: | ||
Dass die Welt m e i n e Welt ist, das zeigt sich darin, dass die Grenzen d e r Sprache (der Sprache, die allein ich verstehe) die Grenzen m e i n e r Welt bedeuten. | Dass die Welt m e i n e Welt ist, das zeigt sich darin, dass die Grenzen d e r Sprache (der Sprache, die allein ich verstehe) die Grenzen m e i n e r Welt bedeuten. | ||
{{ParTLPde|5.621}} | {{ParTLPde|5.621}} Die Welt und das Leben sind Eins. | ||
{{ParTLPde|5.63}} | {{ParTLPde|5.63}} Ich bin meine Welt. (Der Mikrokosmos.) | ||
{{ParTLPde|5.631}} | {{ParTLPde|5.631}} Das denkende, vorstellende, Subjekt gibt es nicht. | ||
Wenn ich ein Buch schriebe „Die Welt, wie ich sie vorfand“, so wäre darin auch über meinen Leib zu berichten und zu sagen, welche Glieder meinem Willen unterstehen und welche nicht etc., dies ist nämlich eine Methode, das Subjekt zu isolieren, oder vielmehr zu zeigen, dass es in einem wichtigen Sinne kein Subjekt gibt: Von ihm allein nämlich könnte in diesem Buche n i cht die Rede sein. – | Wenn ich ein Buch schriebe „Die Welt, wie ich sie vorfand“, so wäre darin auch über meinen Leib zu berichten und zu sagen, welche Glieder meinem Willen unterstehen und welche nicht etc., dies ist nämlich eine Methode, das Subjekt zu isolieren, oder vielmehr zu zeigen, dass es in einem wichtigen Sinne kein Subjekt gibt: Von ihm allein nämlich könnte in diesem Buche n i cht die Rede sein. – | ||
Line 1,497: | Line 1,497: | ||
[[File:TLP 5.6331.png|250px|center|link=]] | [[File:TLP 5.6331.png|250px|center|link=]] | ||
{{ParTLPde|5.634}} | {{ParTLPde|5.634}} Das hängt damit zusammen, dass kein Teil unserer Erfahrung auch a priori ist. | ||
Alles, was wir sehen, könnte auch anders sein. | Alles, was wir sehen, könnte auch anders sein. | ||
Line 1,513: | Line 1,513: | ||
Das philosophische Ich ist nicht der Mensch, nicht der menschliche Körper, oder die menschliche Seele, von der die Psychologie handelt, sondern das metaphysische Subjekt, die Grenze – nicht ein Teil der Welt. | Das philosophische Ich ist nicht der Mensch, nicht der menschliche Körper, oder die menschliche Seele, von der die Psychologie handelt, sondern das metaphysische Subjekt, die Grenze – nicht ein Teil der Welt. | ||
{{ParTLPde|6}} | {{ParTLPde|6}} Die allgemeine Form der Wahrheitsfunktion ist: <math>[ \bar{p}, \bar{\xi}, N (\bar{\xi}) ]</math>. | ||
Dies ist die allgemeine Form des Satzes. | Dies ist die allgemeine Form des Satzes. | ||
{{ParTLPde|6.001}} | {{ParTLPde|6.001}} Dies sagt nichts anderes, als dass jeder Satz ein Resultat der successiven Anwendung der Operation <math>N' (\bar{\xi})</math> auf die Elementarsätze ist. | ||
{{ParTLPde|6.002}} | {{ParTLPde|6.002}} Ist die allgemeine Form gegeben, wie ein Satz gebaut ist, so ist damit auch schon die allgemeine Form davon gegeben, wie aus einem Satz durch eine Operation ein anderer erzeugt werden kann. | ||
{{ParTLPde|6.01}} | {{ParTLPde|6.01}} Die allgemeine Form der Operation <math>\Omega ' (\bar{\eta})</math> ist also: <math>[\bar{\xi}, N(\bar{\xi})]' (\bar{\eta}) (= [ \bar{\eta}, \bar{\xi}, N (\bar{\xi}) ])</math>. | ||
Das ist die allgemeinste Form des Überganges von einem Satz zum anderen. | Das ist die allgemeinste Form des Überganges von einem Satz zum anderen. | ||
{{ParTLPde|6.02}} | {{ParTLPde|6.02}} Und so kommen wir zu den Zahlen: Ich definiere | ||
<p style="text-align:center;"><math>x = \Omega^{0 \prime} x \text{ Def.}</math> und<br> | <p style="text-align:center;"><math>x = \Omega^{0 \prime} x \text{ Def.}</math> und<br> | ||
Line 1,545: | Line 1,545: | ||
:<math>\text{(u. s. f.)}</math> | :<math>\text{(u. s. f.)}</math> | ||
{{ParTLPde|6.21}} | {{ParTLPde|6.21}} Die Zahl ist der Exponent einer Operation. | ||
{{ParTLPde|6.22}} | {{ParTLPde|6.22}} Der Zahlbegriff ist nichts anderes, als das Gemeinsame aller Zahlen, die allgemeine Form der Zahl. | ||
Der Zahlbegriff ist die variable Zahl. | Der Zahlbegriff ist die variable Zahl. | ||
Line 1,553: | Line 1,553: | ||
Und der Begriff der Zahlengleichheit ist die allgemeine Form aller speziellen Zahlengleichheiten. | Und der Begriff der Zahlengleichheit ist die allgemeine Form aller speziellen Zahlengleichheiten. | ||
{{ParTLPde|6.03}} | {{ParTLPde|6.03}} Die allgemeine Form der ganzen Zahl ist: <math>[ 0, \xi, \xi + 1]</math>. | ||
{{ParTLPde|6.031}} | {{ParTLPde|6.031}} Die Theorie der Klassen ist in der Mathematik ganz überflüssig. | ||
Dies hängt damit zusammen, dass die Allgemeinheit, welche wir in der Mathematik brauchen, nicht die z u f ä l l i g e ist. | Dies hängt damit zusammen, dass die Allgemeinheit, welche wir in der Mathematik brauchen, nicht die z u f ä l l i g e ist. | ||
{{ParTLPde|6.1}} | {{ParTLPde|6.1}} Die Sätze der Logik sind Tautologien. | ||
{{ParTLPde|6.11}} Die Sätze der Logik sagen also Nichts. | {{ParTLPde|6.11}} Die Sätze der Logik sagen also Nichts. (Sie sind die analytischen Sätze.) | ||
{{ParTLPde|6.111}} | {{ParTLPde|6.111}} Theorien, die einen Satz der Logik gehaltvoll erscheinen lassen, sind immer falsch. Man könnte z. B. glauben, dass die Worte „wahr“ und „falsch“ zwei Eigenschaften unter anderen Eigenschaften bezeichnen, und da erschiene es als eine merkwürdige Tatsache, dass jeder Satz eine dieser Eigenschaften besitzt. Das scheint nun nichts weniger als selbstverständlich zu sein, ebensowenig selbstverständlich, wie etwa der Satz, „alle Rosen sind entweder gelb oder rot“ klänge, auch wenn er wahr wäre. Ja, jener Satz bekommt nun ganz den Charakter eines naturwissenschaftlichen Satzes und dies ist das sichere Anzeichen dafür, dass er falsch aufgefasst wurde. | ||
{{ParTLPde|6.112}} | {{ParTLPde|6.112}} Die richtige Erklärung der logischen Sätze muss ihnen eine einzigartige Stellung unter allen Sätzen geben. | ||
{{ParTLPde|6.113}} | {{ParTLPde|6.113}} Es ist das besondere Merkmal der logischen Sätze, dass man am Symbol allein erkennen kann, dass sie wahr sind, und diese Tatsache schliesst die ganze Philosophie der Logik in sich. Und so ist es auch eine der wichtigsten Tatsachen, dass sich die Wahrheit oder Falschheit der nicht-logischen Sätze n i c h t am Satz allein erkennen lässt. | ||
{{ParTLPde|6.12}} Dass die Sätze der Logik Tautologien sind, das z e i g t die formalen – logischen – Eigenschaften der Sprache, der Welt. | {{ParTLPde|6.12}} Dass die Sätze der Logik Tautologien sind, das z e i g t die formalen – logischen – Eigenschaften der Sprache, der Welt. | ||
Line 1,575: | Line 1,575: | ||
Damit Sätze, auf bestimmte Art und Weise verknüpft, eine Tautologie ergeben, dazu müssen sie bestimmte Eigenschaften der Struktur haben. Dass sie s o verbunden eine Tautologie ergeben, zeigt also, dass sie diese Eigenschaften der Struktur besitzen. | Damit Sätze, auf bestimmte Art und Weise verknüpft, eine Tautologie ergeben, dazu müssen sie bestimmte Eigenschaften der Struktur haben. Dass sie s o verbunden eine Tautologie ergeben, zeigt also, dass sie diese Eigenschaften der Struktur besitzen. | ||
<span name="_bookmark961"></span>6.1201 Dass z. B. die Sätze „''p''“ und „∼''p''“ in der Verbindung „∼(''p.''∼''p'')“ eine Tautologie ergeben, zeigt, dass sie einander widersprechen. Dass die Sätze „''p'' ⊃ ''q''“, „''p''“ und „''q''“ in der Form „(''p'' ⊃ ''q'')''.''(''p'') : ⊃ : (''q'')“ miteinander verbunden eine Tautologie ergeben, zeigt, dass ''q'' aus ''p'' und ''p'' ⊃ | <span name="_bookmark961"></span>6.1201 Dass z. B. die Sätze „''p''“ und „∼''p''“ in der Verbindung „∼(''p.''∼''p'')“ eine Tautologie ergeben, zeigt, dass sie einander widersprechen. Dass die Sätze „''p'' ⊃ ''q''“, „''p''“ und „''q''“ in der Form „(''p'' ⊃ ''q'')''.''(''p'') : ⊃ : (''q'')“ miteinander verbunden eine Tautologie ergeben, zeigt, dass ''q'' aus ''p'' und ''p'' ⊃ ''q'' folgt. Dass „(''x'') ''. fx'' : ⊃ : ''fa''“ eine Tautologie ist, dass ''fa'' aus (''x'') ''. fx'' folgt. etc. etc. | ||
{{ParTLPde|6.1202}} Es ist klar, dass man zu demselben Zweck statt der Tautologien auch die Kontradiktionen verwenden könnte. | {{ParTLPde|6.1202}} Es ist klar, dass man zu demselben Zweck statt der Tautologien auch die Kontradiktionen verwenden könnte. | ||
{{ParTLPde|6.1203}} Um eine | {{ParTLPde|6.1203}} Um eine Tautologie als solche zu erkennen, kann man sich, in den Fällen, in welchen in der Tautologie keine Allgemeinheitsbezeichnung vorkommt, folgender anschaulichen Methode bedienen: Ich schreibe statt „''p''“, „''q''“, „''r''“ etc. „W''p''F“, „W''q''F“, „W''r''F“ etc. Die Wahrheitskombinationen drücke ich durch Klammern aus. z. B.: | ||
[[File:TLP 6.1203a.png|250px|center|link=]] | [[File:TLP 6.1203a.png|250px|center|link=]] | ||
Line 1,601: | Line 1,601: | ||
Setzen wir hier statt „''q''“ „''p''“ ein und untersuchen die Verbindung der äussersten W und F mit den innersten, so ergibt sich, dass die Wahrheit des ganzen Satzes a l l e n Wahrheitskombinationen seines Argumentes, seine Falschheit keiner der Wahrheitskombinationen zugeordnet ist. | Setzen wir hier statt „''q''“ „''p''“ ein und untersuchen die Verbindung der äussersten W und F mit den innersten, so ergibt sich, dass die Wahrheit des ganzen Satzes a l l e n Wahrheitskombinationen seines Argumentes, seine Falschheit keiner der Wahrheitskombinationen zugeordnet ist. | ||
{{ParTLPde|6.121}} | {{ParTLPde|6.121}} Die Sätze der Logik demonstrieren die logischen Eigenschaften der Sätze, indem sie sie zu nichtssagenden Sätzen verbinden. | ||
Diese Methode könnte man auch eine Nullmethode nennen. Im logischen Satz werden Sätze miteinander ins Gleichgewicht gebracht und der Zustand des Gleichgewichts zeigt dann an, wie diese Sätze logisch beschaffen sein müssen. | Diese Methode könnte man auch eine Nullmethode nennen. Im logischen Satz werden Sätze miteinander ins Gleichgewicht gebracht und der Zustand des Gleichgewichts zeigt dann an, wie diese Sätze logisch beschaffen sein müssen. | ||
{{ParTLPde|6.122}} | {{ParTLPde|6.122}} Daraus ergibt sich, dass wir auch ohne die logischen Sätze auskommen können, da wir ja in einer entsprechenden Notation die formalen Eigenschaften der Sätze durch das blosse Ansehen dieser Sätze erkennen können. | ||
{{ParTLPde|6.1221}} Ergeben z. B. zwei Sätze „''p''“ und „''q''“ in der Verbindung „''p'' ⊃ ''q''“ eine Tautologie, so ist klar, dass ''q'' aus ''p'' folgt. | {{ParTLPde|6.1221}} Ergeben z. B. zwei Sätze „''p''“ und „''q''“ in der Verbindung „''p'' ⊃ ''q''“ eine Tautologie, so ist klar, dass ''q'' aus ''p'' folgt. | ||
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Dass z. B. „''q''“ aus „''p'' ⊃ ''q . p''“ folgt, ersehen wir aus diesen beiden Sätzen selbst, aber wir können es auch s o zeigen, indem wir sie zu „''p'' ⊃ ''q . p'' : ⊃ : ''q''“ verbinden und nun zeigen, dass dies eine Tautologie ist. | Dass z. B. „''q''“ aus „''p'' ⊃ ''q . p''“ folgt, ersehen wir aus diesen beiden Sätzen selbst, aber wir können es auch s o zeigen, indem wir sie zu „''p'' ⊃ ''q . p'' : ⊃ : ''q''“ verbinden und nun zeigen, dass dies eine Tautologie ist. | ||
{{ParTLPde|6.1222}} Dies wirft ein | {{ParTLPde|6.1222}} Dies wirft ein Licht auf die Frage, warum die logischen Sätze nicht durch die Erfahrung bestätigt werden können, ebenso wenig, wie sie durch die Erfahrung widerlegt werden können. Nicht nur muss ein Satz der Logik durch keine mögliche Erfahrung widerlegt werden können, sondern er darf auch nicht durch eine solche bestätigt werden können. | ||
{{ParTLPde|6.1223}} Nun wird klar, warum man oft fühlte, als wären die „logischen Wahrheiten“ von uns zu „f o r d e r n“: Wir können sie nämlich insofern fordern, als wir eine genügende Notation fordern können. | {{ParTLPde|6.1223}} Nun wird klar, warum man oft fühlte, als wären die „logischen Wahrheiten“ von uns zu „f o r d e r n“: Wir können sie nämlich insofern fordern, als wir eine genügende Notation fordern können. | ||
Line 1,617: | Line 1,617: | ||
{{ParTLPde|6.1224}} Es wird jetzt auch klar, warum die Logik die Lehre von den Formen und vom Schliessen genannt wurde. | {{ParTLPde|6.1224}} Es wird jetzt auch klar, warum die Logik die Lehre von den Formen und vom Schliessen genannt wurde. | ||
{{ParTLPde|6.123}} | {{ParTLPde|6.123}} Es ist klar: Die logischen Gesetze dürfen nicht selbst wieder logischen Gesetzen unterstehen. | ||
(Es gibt nicht, wie Russell meinte, für jede „Type“ ein eigenes Gesetz des Widerspruches, sondern Eines genügt, da es auf sich selbst nicht angewendet wird.) | (Es gibt nicht, wie Russell meinte, für jede „Type“ ein eigenes Gesetz des Widerspruches, sondern Eines genügt, da es auf sich selbst nicht angewendet wird.) | ||
Line 1,629: | Line 1,629: | ||
{{ParTLPde|6.1233}} Es lässt sich eine Welt denken, in der das Axiom of reducibility nicht gilt. Es ist aber klar, dass die Logik nichts mit der Frage zu schaffen hat, ob unsere Welt wirklich so ist oder nicht. | {{ParTLPde|6.1233}} Es lässt sich eine Welt denken, in der das Axiom of reducibility nicht gilt. Es ist aber klar, dass die Logik nichts mit der Frage zu schaffen hat, ob unsere Welt wirklich so ist oder nicht. | ||
{{ParTLPde|6.124}} | {{ParTLPde|6.124}} Die logischen Sätze beschreiben das Gerüst der Welt, oder vielmehr, sie stellen es dar. Sie „handeln“ von nichts. Sie setzen voraus, dass Namen Bedeutung, und Elementarsätze Sinn haben: Und dies ist ihre Verbindung mit der Welt. Es ist klar, dass es etwas über die Welt anzeigen muss, dass gewisse Verbindungen von Symbolen – welche wesentlich einen bestimmten Charakter haben – Tautologien sind. Hierin liegt das Entscheidende. Wir sagten, manches an den Symbolen, die wir gebrauchen, wäre willkürlich, manches nicht. In der Logik drückt nur dieses aus: Dass heisst aber, in der Logik drücken nicht w i r mit Hilfe der Zeichen aus, was wir wollen, sondern in der Logik sagt die Natur der naturnotwendigen Zeichen selbst aus: Wenn wir die logische Syntax irgend einer Zeichensprache kennen, dann sind bereits alle Sätze der Logik gegeben. | ||
{{ParTLPde|6.125}} | {{ParTLPde|6.125}} Es ist möglich, und zwar auch nach der alten Auffassung der Logik, von vornherein eine Beschreibung aller „wahren“ logischen Sätze zu geben. | ||
{{ParTLPde|6.1251}} Darum kann es in der Logik auch n i e Überraschungen geben. | {{ParTLPde|6.1251}} Darum kann es in der Logik auch n i e Überraschungen geben. | ||
{{ParTLPde|6.126}} | {{ParTLPde|6.126}} Ob ein Satz der Logik angehört, kann man berechnen, indem man die logischen Eigenschaften des S y mb o l s berechnet. | ||
Und dies tun wir, wenn wir einen logischen Satz „beweisen“. Denn, ohne uns um einen Sinn und eine Bedeutung zu kümmern, bilden wir den logischen Satz aus anderen nach blossen Z e i ch e n r e g e l n. | Und dies tun wir, wenn wir einen logischen Satz „beweisen“. Denn, ohne uns um einen Sinn und eine Bedeutung zu kümmern, bilden wir den logischen Satz aus anderen nach blossen Z e i ch e n r e g e l n. | ||
Der Beweis der logischen Sätze besteht darin, dass wir sie aus anderen logischen Sätzen durch successive Anwendung gewisser Operationen entstehen lassen, die aus den ersten immer wieder Tautologien erzeugen. (Und zwar f o l g e n aus einer Tautologie nur Tautologien.) | Der Beweis der logischen Sätze besteht darin, dass wir sie aus anderen logischen Sätzen durch successive Anwendung gewisser Operationen entstehen lassen, die aus den ersten immer wieder Tautologien erzeugen. (Und zwar f o l g e n aus einer Tautologie nur Tautologien.) | ||
Line 1,653: | Line 1,653: | ||
{{ParTLPde|6.1265}} Immer kann man die Logik so auffassen, dass jeder Satz sein eigener Beweis ist. | {{ParTLPde|6.1265}} Immer kann man die Logik so auffassen, dass jeder Satz sein eigener Beweis ist. | ||
{{ParTLPde|6.127}} | {{ParTLPde|6.127}} Alle Sätze der Logik sind gleichberechtigt, es gibt unter ihnen nicht wesentlich Grundgesetze und abgeleitete Sätze. | ||
Jede Tautologie zeigt selbst, dass sie eine Tautologie ist. | Jede Tautologie zeigt selbst, dass sie eine Tautologie ist. | ||
Line 1,671: | Line 1,671: | ||
(In der Philosophie führt die Frage „wozu gebrauchen wir eigentlich jenes Wort, jenen Satz“ immer wieder zu wertvollen Einsichten.) | (In der Philosophie führt die Frage „wozu gebrauchen wir eigentlich jenes Wort, jenen Satz“ immer wieder zu wertvollen Einsichten.) | ||
{{ParTLPde|6.22}} | {{ParTLPde|6.22}} Die Logik der Welt, die die Sätze der Logik in den Tautologien zeigen, zeigt die Mathematik in den Gleichungen. | ||
{{ParTLPde|6.23}} | {{ParTLPde|6.23}} Wenn zwei Ausdrücke durch das Gleichheitszeichen verbunden werden, so heisst das, sie sind durch einander ersetzbar. Ob dies aber der Fall ist muss sich an den beiden Ausdrücken selbst zeigen. | ||
Es charakterisiert die logische Form zweier Ausdrücke, dass sie durch einander ersetzbar sind. | Es charakterisiert die logische Form zweier Ausdrücke, dass sie durch einander ersetzbar sind. | ||
{{ParTLPde|6.231}} | {{ParTLPde|6.231}} Es ist eine Eigenschaft der Bejahung, dass man sie als doppelte Verneinung auffassen kann. | ||
Es ist eine Eigenschaft von „1 + 1 + 1 + 1“, dass man es als „(1 + 1) + (1 + 1)“ auffassen kann. | Es ist eine Eigenschaft von „1 + 1 + 1 + 1“, dass man es als „(1 + 1) + (1 + 1)“ auffassen kann. | ||
{{ParTLPde|6.232}} | {{ParTLPde|6.232}} Frege sagt, die beiden Ausdrücke haben dieselbe Bedeutung, aber verschiedenen Sinn. | ||
Das Wesentliche an der Gleichung ist aber, dass sie nicht notwendig ist, um zu zeigen, dass die beiden Ausdrücke, die das Gleichheitszeichen verbindet, dieselbe Bedeutung haben, da sich dies aus den beiden Ausdrücken selbst ersehen lässt. | Das Wesentliche an der Gleichung ist aber, dass sie nicht notwendig ist, um zu zeigen, dass die beiden Ausdrücke, die das Gleichheitszeichen verbindet, dieselbe Bedeutung haben, da sich dies aus den beiden Ausdrücken selbst ersehen lässt. | ||
Line 1,691: | Line 1,691: | ||
{{ParTLPde|6.2323}} Die Gleichung kennzeichnet nur den Standpunkt, von welchem ich die beiden Ausdrücke betrachte, nämlich vom Standpunkte ihrer Bedeutungsgleichheit. | {{ParTLPde|6.2323}} Die Gleichung kennzeichnet nur den Standpunkt, von welchem ich die beiden Ausdrücke betrachte, nämlich vom Standpunkte ihrer Bedeutungsgleichheit. | ||
{{ParTLPde|6.233}} | {{ParTLPde|6.233}} Die Frage, ob man zur Lösung der mathematischen Probleme die Anschauung brauche, muss dahin beantwortet werden, dass eben die Sprache hier die nötige Anschauung liefert. | ||
{{ParTLPde|6.2331}} Der Vorgang des R e ch n e n s vermittelt eben diese Anschauung. | {{ParTLPde|6.2331}} Der Vorgang des R e ch n e n s vermittelt eben diese Anschauung. | ||
Line 1,697: | Line 1,697: | ||
Die Rechnung ist kein Experiment. | Die Rechnung ist kein Experiment. | ||
{{ParTLPde|6.234}} | {{ParTLPde|6.234}} Die Mathematik ist eine Methode der Logik. | ||
{{ParTLPde|6.2341}} Das Wesentliche der mathematischen Methode ist es, mit Gleichungen zu arbeiten. Auf dieser Methode beruht es nämlich, dass jeder Satz der Mathematik sich von selbst verstehen muss. | {{ParTLPde|6.2341}} Das Wesentliche der mathematischen Methode ist es, mit Gleichungen zu arbeiten. Auf dieser Methode beruht es nämlich, dass jeder Satz der Mathematik sich von selbst verstehen muss. | ||
Line 1,705: | Line 1,705: | ||
Denn die Gleichungen drücken die Ersetzbarkeit zweier Ausdrücke aus und wir schreiten von einer Anzahl von Gleichungen zu neuen Gleichungen vor, indem wir, den Gleichungen entsprechend, Ausdrücke durch andere ersetzen. | Denn die Gleichungen drücken die Ersetzbarkeit zweier Ausdrücke aus und wir schreiten von einer Anzahl von Gleichungen zu neuen Gleichungen vor, indem wir, den Gleichungen entsprechend, Ausdrücke durch andere ersetzen. | ||
{{ParTLPde|6.241}} | {{ParTLPde|6.241}} So lautet der Beweis des Satzes 2 × 2 = 4: | ||
<p style="text-align:center;"><math>( \Omega^{\nu} )^{\mu \prime} x = \Omega^{\nu \times \mu \prime} x \text{ Def.}</math></p> | <p style="text-align:center;"><math>( \Omega^{\nu} )^{\mu \prime} x = \Omega^{\nu \times \mu \prime} x \text{ Def.}</math></p> | ||
<p style="text-align:center;"><math>( \Omega^{2 \times 2 \prime} x = (\Omega^2 )^{2 \prime} x = ( \Omega^2 )^{1+1 \prime} x = \Omega^{2 \prime} \Omega^{2 \prime} x = \Omega^{1 + 1 \prime} \Omega^{1 + 1 \prime} x</math></p> | <p style="text-align:center;"><math>( \Omega^{2 \times 2 \prime} x = (\Omega^2 )^{2 \prime} x = ( \Omega^2 )^{1+1 \prime} x = \Omega^{2 \prime} \Omega^{2 \prime} x = \Omega^{1 + 1 \prime} \Omega^{1 + 1 \prime} x</math></p> | ||
<p style="text-align:center;"><math>(\Omega ' \Omega)^{\prime} (\Omega ' \Omega)^{\prime} x = \Omega ' \Omega ' \Omega ' \Omega ' x = \Omega^{1 + 1 + 1 + 1 \prime} x = \Omega^{4 \prime} x</math></p>6.3 | <p style="text-align:center;"><math>(\Omega ' \Omega)^{\prime} (\Omega ' \Omega)^{\prime} x = \Omega ' \Omega ' \Omega ' \Omega ' x = \Omega^{1 + 1 + 1 + 1 \prime} x = \Omega^{4 \prime} x</math></p>6.3 Die Erforschung der Logik bedeutet die Erforschung a l l e r G e s e t z m ä s s i g ke i t. Und ausserhalb der Logik ist alles Zufall. | ||
{{ParTLPde|6.31}} | {{ParTLPde|6.31}} Das sogenannte Gesetz der Induktion kann jedenfalls kein logisches Gesetz sein, denn es ist offenbar ein sinnvoller Satz. – Und darum kann es auch kein Gesetz a priori sein. | ||
{{ParTLPde|6.32}} | {{ParTLPde|6.32}} Das Kausalitätsgesetz ist kein Gesetz, sondern die Form eines Gesetzes. | ||
{{ParTLPde|6.321}} „Kausalitätsgesetz“, das ist ein Gattungsname. Und wie es in der Mechanik, sagen wir, Minimum-Gesetze gibt, – etwa der kleinsten Wirkung – so gibt es in der Physik Kausalitätsgesetze, Gesetze von der Kausalitätsform. | {{ParTLPde|6.321}} „Kausalitätsgesetz“, das ist ein Gattungsname. Und wie es in der Mechanik, sagen wir, Minimum-Gesetze gibt, – etwa der kleinsten Wirkung – so gibt es in der Physik Kausalitätsgesetze, Gesetze von der Kausalitätsform. | ||
Line 1,719: | Line 1,719: | ||
{{ParTLPde|6.3211}} Man hat ja auch davon eine Ahnung gehabt, dass es e i n „Gesetz der kleinsten Wirkung“ geben müsse, ehe man genau wusste, wie es lautete. (Hier, wie immer, stellt sich das a priori Gewisse als etwas rein Logisches heraus.) | {{ParTLPde|6.3211}} Man hat ja auch davon eine Ahnung gehabt, dass es e i n „Gesetz der kleinsten Wirkung“ geben müsse, ehe man genau wusste, wie es lautete. (Hier, wie immer, stellt sich das a priori Gewisse als etwas rein Logisches heraus.) | ||
{{ParTLPde|6.33}} | {{ParTLPde|6.33}} Wir g l a u b e n nicht a priori an ein Erhaltungsgesetz, sondern wir w i s s e n a priori die Möglichkeit einer logischen Form. | ||
{{ParTLPde|6.34}} | {{ParTLPde|6.34}} Alle jene Sätze, wie der Satz vom Grunde, von der Kontinuität in der Natur, vom kleinsten Aufwande in der Natur etc. etc., alle diese sind Einsichten a priori über die mögliche Formgebung der Sätze der Wissenschaft. | ||
{{ParTLPde|6.341}} | {{ParTLPde|6.341}} Die Newtonsche Mechanik z. B. bringt die Weltbeschreibung auf eine einheitliche Form. Denken wir uns eine weisse Fläche, auf der unregelmässige schwarze Flecken wären. Wir sagen nun: Was für ein Bild immer hierdurch entsteht, immer kann ich seiner Beschreibung beliebig nahe kommen, indem ich die Fläche mit einem entsprechend feinen quadratischen Netzwerk bedecke und nun von jedem Quadrat sage, dass es weiss oder schwarz ist. Ich werde auf diese Weise die Beschreibung der Fläche auf eine einheitliche Form gebracht haben. Diese Form ist beliebig, denn ich hätte mit dem gleichen Erfolge ein Netz aus dreieckigen oder sechseckigen Maschen verwenden können. Es kann sein, dass die Beschreibung mit Hilfe eines Dreiecks-Netzes einfacher geworden wäre; das heisst, dass wir die Fläche mit einem gröberen Dreiecks-Netz genauer beschreiben könnten, als mit einem feineren quadratischen (oder umgekehrt) usw. Den verschiedenen Netzen entsprechen verschiedene Systeme der Weltbeschreibung. Die Mechanik bestimmt eine Form der Weltbeschreibung, indem sie sagt: Alle Sätze der Weltbeschreibung müssen aus einer Anzahl gegebener Sätze – den mechanischen Axiomen – auf eine gegebene Art und Weise erhalten werden. Hierdurch liefert sie die Bausteine zum Bau des wissenschaftlichen Gebäudes und sagt: Welches Gebäude immer du aufführen willst, jedes musst du irgendwie mit diesen und nur diesen Bausteinen zusammenbringen. | ||
(Wie man mit dem Zahlensystem jede beliebige Anzahl, so muss man mit dem System der Mechanik jeden beliebigen Satz der Physik hinschreiben können.) | (Wie man mit dem Zahlensystem jede beliebige Anzahl, so muss man mit dem System der Mechanik jeden beliebigen Satz der Physik hinschreiben können.) | ||
{{ParTLPde|6.342}} | {{ParTLPde|6.342}} Und nun sehen wir die gegenseitige Stellung von Logik und Mechanik. (Man könnte das Netz auch aus verschiedenartigen Figuren etwa aus Dreiecken und Sechsecken bestehen lassen.) Dass sich ein Bild, wie das vorhin erwähnte, durch ein Netz von gegebener Form beschreiben lässt, sagt über das Bild n i cht s aus. (Denn dies gilt für jedes Bild dieser Art.) D a s aber charakterisiert das Bild, dass es sich durch ein bestimmtes Netz von b e s t i m mt e r Feinheit vo l l s t ä n d i g beschreiben lässt. | ||
So auch sagt es nichts über die Welt aus, dass sie sich durch die Newtonsche Mechanik beschreiben lässt; wohl aber, dass sie sich s o durch jene beschreiben lässt, wie dies eben der Fall ist. Auch das sagt etwas über die Welt, dass sie sich durch die eine Mechanik einfacher beschreiben lässt, als durch die andere. | So auch sagt es nichts über die Welt aus, dass sie sich durch die Newtonsche Mechanik beschreiben lässt; wohl aber, dass sie sich s o durch jene beschreiben lässt, wie dies eben der Fall ist. Auch das sagt etwas über die Welt, dass sie sich durch die eine Mechanik einfacher beschreiben lässt, als durch die andere. | ||
{{ParTLPde|6.343}} | {{ParTLPde|6.343}} Die Mechanik ist ein Versuch, alle wa h r e n Sätze, die wir zur Weltbeschreibung brauchen, nach Einem Plane zu konstruieren. | ||
{{ParTLPde|6.3431}} Durch den ganzen logischen Apparat hindurch sprechen die physikalischen Gesetze doch von den Gegenständen der Welt. | {{ParTLPde|6.3431}} Durch den ganzen logischen Apparat hindurch sprechen die physikalischen Gesetze doch von den Gegenständen der Welt. | ||
Line 1,737: | Line 1,737: | ||
{{ParTLPde|6.3432}} Wir dürfen nicht vergessen, dass die Weltbeschreibung durch die Mechanik immer die ganz allgemeine ist. Es ist in ihr z. B. nie von b e s t i m mt e n materiellen Punkten die Rede, sondern immer nur von i r g e n d we l ch e n. | {{ParTLPde|6.3432}} Wir dürfen nicht vergessen, dass die Weltbeschreibung durch die Mechanik immer die ganz allgemeine ist. Es ist in ihr z. B. nie von b e s t i m mt e n materiellen Punkten die Rede, sondern immer nur von i r g e n d we l ch e n. | ||
{{ParTLPde|6.35}} | {{ParTLPde|6.35}} Obwohl die Flecke in unserem Bild geometrische Figuren sind, so kann doch selbstverständlich die Geometrie gar nichts über ihre tatsächliche Form und Lage sagen. Das Netz aber ist r e i n geometrisch, alle seine Eigenschaften können a priori angegeben werden. | ||
Gesetze, wie der Satz vom Grunde, etc., handeln vom Netz, nicht von dem, was das Netz beschreibt. | Gesetze, wie der Satz vom Grunde, etc., handeln vom Netz, nicht von dem, was das Netz beschreibt. | ||
{{ParTLPde|6.36}} | {{ParTLPde|6.36}} Wenn es ein Kausalitätsgesetz gäbe, so könnte es lauten: „Es gibt Naturgesetze“. | ||
Aber freilich kann man das nicht sagen: es zeigt sich. | Aber freilich kann man das nicht sagen: es zeigt sich. | ||
{{ParTLPde|6.361}} | {{ParTLPde|6.361}} In der Ausdrucksweise Hertz’s könnte man sagen: Nur g e s e t z m ä s s i g e Zusammenhänge sind d e n k b a r. | ||
{{ParTLPde|6.3611}} Wir können keinen Vorgang mit dem „Ablauf der Zeit“ vergleichen – diesen gibt es nicht – , sondern nur mit einem anderen Vorgang (etwa mit dem Gang des Chronometers). | {{ParTLPde|6.3611}} Wir können keinen Vorgang mit dem „Ablauf der Zeit“ vergleichen – diesen gibt es nicht – , sondern nur mit einem anderen Vorgang (etwa mit dem Gang des Chronometers). | ||
Line 1,759: | Line 1,759: | ||
Den rechten Handschuh könnte man an die linke Hand ziehen, wenn man ihn im vierdimensionalen Raum umdrehen könnte. | Den rechten Handschuh könnte man an die linke Hand ziehen, wenn man ihn im vierdimensionalen Raum umdrehen könnte. | ||
{{ParTLPde|6.362}} | {{ParTLPde|6.362}} Was sich beschreiben lässt, das kann auch geschehen, und was das Kausalitätsgesetz ausschliessen soll, das lässt sich auch nicht beschreiben. | ||
{{ParTLPde|6.363}} | {{ParTLPde|6.363}} Der Vorgang der Induktion besteht darin, dass wir das e i n f a ch s t e Gesetz annehmen, das mit unseren Erfahrungen in Einklang zu bringen ist. | ||
{{ParTLPde|6.3631}} Dieser Vorgang hat aber keine logische, sondern nur eine psychologische Begründung. | {{ParTLPde|6.3631}} Dieser Vorgang hat aber keine logische, sondern nur eine psychologische Begründung. | ||
Line 1,769: | Line 1,769: | ||
{{ParTLPde|6.36311}} Dass die Sonne morgen aufgehen wird, ist eine Hypothese; und das heisst: wir w i s s e n nicht, ob sie aufgehen wird. | {{ParTLPde|6.36311}} Dass die Sonne morgen aufgehen wird, ist eine Hypothese; und das heisst: wir w i s s e n nicht, ob sie aufgehen wird. | ||
{{ParTLPde|6.37}} Einen Zwang, nach dem Eines geschehen müsste, weil etwas anderes geschehen ist, gibt es nicht. Es gibt nur | {{ParTLPde|6.37}} Einen Zwang, nach dem Eines geschehen müsste, weil etwas anderes geschehen ist, gibt es nicht. Es gibt nur eine l o g i s ch e Notwendigkeit. | ||
{{ParTLPde|6.371}} | {{ParTLPde|6.371}} Der ganzen modernen Weltanschauung liegt die Täuschung zugrunde, dass die sogenannten Naturgesetze die Erklärungen der Naturerscheinungen seien. | ||
{{ParTLPde|6.372}} | {{ParTLPde|6.372}} So bleiben sie bei den Naturgesetzen als bei etwas Unantastbarem stehen, wie die älteren bei Gott und dem Schicksal. | ||
Und sie haben ja beide Recht, und Unrecht. | Und sie haben ja beide Recht, und Unrecht. Die Alten sind allerdings insofern klarer, als sie einen klaren Abschluss anerkennen, während es bei dem neuen System scheinen soll, als sei a l l e s erklärt. | ||
{{ParTLPde|6.373}} | {{ParTLPde|6.373}} Die Welt ist unabhängig von meinem Willen. | ||
{{ParTLPde|6.374}} | {{ParTLPde|6.374}} Auch wenn alles, was wir wünschen, geschähe, so wäre dies doch nur, sozusagen, eine Gnade des Schicksals, denn es ist kein l o g i s ch e r Zusammenhang zwischen Willen und Welt, der dies verbürgte, und den angenommenen physikalischen Zusammenhang könnten wir doch nicht selbst wieder wollen. | ||
{{ParTLPde|6.375}} | {{ParTLPde|6.375}} Wie es nur eine l o g i s ch e Notwendigkeit gibt, so gibt es auch nur eine l o g i s ch e Unmöglichkeit. | ||
{{ParTLPde|6.3751}} Dass z. B. zwei Farben zugleich an einem Ort des Gesichtsfeldes sind, ist unmöglich und zwar logisch unmöglich, denn es ist durch die logische Struktur der Farbe ausgeschlossen. | {{ParTLPde|6.3751}} Dass z. B. zwei Farben zugleich an einem Ort des Gesichtsfeldes sind, ist unmöglich und zwar logisch unmöglich, denn es ist durch die logische Struktur der Farbe ausgeschlossen. | ||
Line 1,791: | Line 1,791: | ||
{{ParTLPde|6.4}} Alle Sätze sind gleichwertig. | {{ParTLPde|6.4}} Alle Sätze sind gleichwertig. | ||
{{ParTLPde|6.41}} | {{ParTLPde|6.41}} Der Sinn der Welt muss ausserhalb ihrer liegen. In der Welt ist alles wie es ist und geschieht alles wie es geschieht; es gibt i n ihr keinen Wert – und wenn es ihn gäbe, so hätte er keinen Wert. | ||
Wenn es einen Wert gibt, der Wert hat, so muss er ausserhalb alles Geschehens und So-Seins liegen. Denn alles Geschehen und So-Sein ist zufällig. | Wenn es einen Wert gibt, der Wert hat, so muss er ausserhalb alles Geschehens und So-Seins liegen. Denn alles Geschehen und So-Sein ist zufällig. | ||
Line 1,799: | Line 1,799: | ||
Es muss ausserhalb der Welt liegen. | Es muss ausserhalb der Welt liegen. | ||
{{ParTLPde|6.42}} | {{ParTLPde|6.42}} Darum kann es auch keine Sätze der Ethik geben. Sätze können nichts Höheres ausdrücken. | ||
{{ParTLPde|6.421}} | {{ParTLPde|6.421}} Es ist klar, dass sich die Ethik nicht aussprechen lässt. Die Ethik ist transcendental. | ||
(Ethik und Aesthetik sind Eins.) | (Ethik und Aesthetik sind Eins.) | ||
Line 1,813: | Line 1,813: | ||
Und der Wille als Phänomen interessiert nur die Psychologie. | Und der Wille als Phänomen interessiert nur die Psychologie. | ||
{{ParTLPde|6.43}} | {{ParTLPde|6.43}} Wenn das gute oder böse Wollen die Welt ändert, so kann es nur die Grenzen der Welt ändern, nicht die Tatsachen; nicht das, was durch die Sprache ausgedrückt werden kann. | ||
Kurz, die Welt muss dann dadurch überhaupt eine andere werden. Sie muss sozusagen als Ganzes abnehmen oder zunehmen. | Kurz, die Welt muss dann dadurch überhaupt eine andere werden. Sie muss sozusagen als Ganzes abnehmen oder zunehmen. | ||
Line 1,835: | Line 1,835: | ||
{{ParTLPde|6.4321}} Die Tatsachen gehören alle nur zur Aufgabe, nicht zur Lösung. | {{ParTLPde|6.4321}} Die Tatsachen gehören alle nur zur Aufgabe, nicht zur Lösung. | ||
{{ParTLPde|6.44}} | {{ParTLPde|6.44}} Nicht w i e die Welt ist, ist das Mystische, sondern d a s s sie ist. | ||
{{ParTLPde|6.45}} | {{ParTLPde|6.45}} Die Anschauung der Welt sub specie aeterni ist ihre Anschauung als – begrenztes – Ganzes. | ||
Das Gefühl der Welt als begrenztes Ganzes ist das mystische. | Das Gefühl der Welt als begrenztes Ganzes ist das mystische. | ||
Line 1,847: | Line 1,847: | ||
Wenn sich eine Frage überhaupt stellen lässt, so ka n n sie auch beantwortet werden. | Wenn sich eine Frage überhaupt stellen lässt, so ka n n sie auch beantwortet werden. | ||
{{ParTLPde|6.51}} | {{ParTLPde|6.51}} Skeptizismus ist n i cht unwiderleglich, sondern offenbar unsinnig, wenn er bezweifeln will, wo nicht gefragt werden kann. | ||
Denn Zweifel kann nur bestehen, wo eine Frage besteht; eine Frage nur, wo eine Antwort besteht, und diese nur, wo etwas g e s a g t werden ka n n. | Denn Zweifel kann nur bestehen, wo eine Frage besteht; eine Frage nur, wo eine Antwort besteht, und diese nur, wo etwas g e s a g t werden ka n n. | ||
{{ParTLPde|6.52}} | {{ParTLPde|6.52}} Wir fühlen, dass selbst, wenn alle m ö g l i ch e n wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind. Freilich bleibt dann eben keine Frage mehr; und eben dies ist die Antwort. | ||
{{ParTLPde|6.521}} Die Lösung des Problems des Lebens merkt man am Verschwinden dieses Problems. | {{ParTLPde|6.521}} Die Lösung des Problems des Lebens merkt man am Verschwinden dieses Problems. | ||
Line 1,859: | Line 1,859: | ||
{{ParTLPde|6.522}} Es gibt allerdings Unaussprechliches. Dies z e i g t sich, es ist das Mystische. | {{ParTLPde|6.522}} Es gibt allerdings Unaussprechliches. Dies z e i g t sich, es ist das Mystische. | ||
{{ParTLPde|6.53}} | {{ParTLPde|6.53}} Die richtige Methode der Philosophie wäre eigentlich die: Nichts zu sagen, als was sich sagen lässt, also Sätze der Naturwissenschaft – also etwas, was mit Philosophie nichts zu tun hat – , und dann immer, wenn ein anderer etwas Metaphysisches sagen wollte, ihm nachzuweisen, dass er gewissen Zeichen in seinen Sätzen keine Bedeutung gegeben hat. Diese Methode wäre für den anderen unbefriedigend – er hätte nicht das Gefühl, dass wir ihn Philosophie lehrten – aber s i e wäre die einzig streng richtige. | ||
{{ParTLPde|6.54}} | {{ParTLPde|6.54}} Meine Sätze erläutern dadurch, dass sie der, welcher mich versteht, am Ende als unsinnig erkennt, wenn er durch sie – auf ihnen – über sie hinausgestiegen ist. (Er muss sozusagen die Leiter wegwerfen, nachdem er auf ihr hinaufgestiegen ist.) | ||
Er muss diese Sätze überwinden, dann sieht er die Welt richtig. | Er muss diese Sätze überwinden, dann sieht er die Welt richtig. | ||
{{ParTLPde|7}} | {{ParTLPde|7}} Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.<references /> |