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»Und so deutet das Chor auf ein geheimes Gesetz« möchte man zu der Frazerschen Tatsachensammlung sagen. Dieses Gesetz, diese Idee ''kann'' ich nun durch eine Entwicklungshypothese ausdrücken //darstellen// oder auch, analog dem Schema einer Pflanze, durch das Schema einer religiösen Zeremonie, oder aber durch die Gruppierung des Tatsachenmaterials allein, in einer »''übersichtlichen''« Darstellung. | »Und so deutet das Chor auf ein geheimes Gesetz« möchte man zu der Frazerschen Tatsachensammlung sagen. Dieses Gesetz, diese Idee ''kann'' ich nun durch eine Entwicklungshypothese ausdrücken //darstellen// oder auch, analog dem Schema einer Pflanze, durch das Schema einer religiösen Zeremonie, oder aber durch die Gruppierung des Tatsachenmaterials allein, in einer »''übersichtlichen''« Darstellung. | ||
{{hidden|'''(TS 211, p. 321)'''}} | {{hidden|'''(TS 211, p. 321)''' }}Der Begriff der übersichtlichen Darstellung ist für uns von grundlegender Bedeutung. Er bezeichnet unsere Darstellungsform, die Art wie {{hidden|'''(TS 211, p. 281)''' }}wir die Dinge sehen. (Eine Art der 'Weltanschauung' wie sie scheinbar für unsere Zeit typisch ist. Spengler) | ||
Der Begriff der übersichtlichen Darstellung ist für uns von grundlegender Bedeutung. Er bezeichnet unsere Darstellungsform, die Art wie | |||
{{hidden|'''(TS 211, p. 281)'''}} | |||
wir die Dinge sehen. (Eine Art der 'Weltanschauung' wie sie scheinbar für unsere Zeit typisch ist. Spengler) | |||
Diese übersichtliche Darstellung vermittelt das Verstehen //Verständnis//, welches eben darin besteht, dass wir die "Zusammenhänge sehen". Daher die Wichtigkeit des Findens von ''Zwischengliedern''. | Diese übersichtliche Darstellung vermittelt das Verstehen //Verständnis//, welches eben darin besteht, dass wir die "Zusammenhänge sehen". Daher die Wichtigkeit des Findens von ''Zwischengliedern''. | ||
{{hidden|'''(TS 211, p. 282)'''}} | {{hidden|'''(TS 211, p. 282)''' }}Ein hypothetisches Zwischenglied aber soll in diesem Falle nichts tun, als die Aufmerksamkeit auf die Ähnlichkeit, den Zusammenhang, der ''Tatsachen'' lenken. Wie wenn man eine interne | ||
Ein hypothetisches Zwischenglied aber soll in diesem Falle nichts tun, als die Aufmerksamkeit auf die Ähnlichkeit, den Zusammenhang, der ''Tatsachen'' lenken. Wie wenn man eine interne | |||
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Aber auch die Entwicklungshypothese kann ich als weiter Nichts sehen, als die »eine« Einkleidung eines formalen Zusammenhangs. | Aber auch die Entwicklungshypothese kann ich als weiter Nichts sehen, als die »eine« Einkleidung eines formalen Zusammenhangs. | ||
{{hidden|'''(TS 211, p. 322)'''}} | {{hidden|'''(TS 211, p. 322)''' }}Ich möchte sagen: nichts zeigt unsere Verwandtschaft mit jenen Wilden besser, als dass Frazer ein ihm und uns so geläufiges Wort wie »ghost« oder »shade« bei der Hand hat, um die Ansichten dieser Leute zu beschreiben. | ||
Ich möchte sagen: nichts zeigt unsere Verwandtschaft mit jenen Wilden besser, als dass Frazer ein ihm und uns so geläufiges Wort wie »ghost« oder »shade« bei der Hand hat, um die Ansichten dieser Leute zu beschreiben. | |||
(Das ist ja doch etwas anderes, als wenn er etwa beschriebe, die Wilden bildeten //bilden// sich ein, dass ihnen ihr Kopf herunterfällt, wenn sie einen Feind erschlagen haben. Hier hätte ''unsere Beschreibung'' nichts Abergläubisches oder Magisches an sich.) | {{hidden|'''(TS 211, p. 250)''' }}(Das ist ja doch etwas anderes, als wenn er etwa beschriebe, die Wilden bildeten //bilden// sich ein, dass ihnen ihr Kopf herunterfällt, wenn sie einen Feind erschlagen haben. Hier hätte ''unsere Beschreibung'' nichts Abergläubisches oder Magisches an sich.) | ||
Ja, diese Sonderbarkeit bezieht sich nur auf die Ausdrücke »ghost« und »shade«, und es wird viel zu wenig Aufhebens davon gemacht, dass wir das Wort »Seele«, »Geist« (»pirit«) zu unserem eigenen gebildeten Vokabular zählen. Dagegen ist eine Kleinigkeit, dass wir nicht glauben, dass unsere Seele isst und trinkt. | Ja, diese Sonderbarkeit bezieht sich nur auf die Ausdrücke »ghost« und »shade«, und es wird viel zu wenig Aufhebens davon gemacht, dass wir das Wort »Seele«, »Geist« (»pirit«) zu unserem eigenen gebildeten Vokabular zählen. Dagegen ist eine Kleinigkeit, dass wir nicht glauben, dass unsere Seele isst und trinkt. | ||
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vorhanden ist »sind«. — Und erkenne ich hier nicht meine eigenen Betrachtungen über ‚Gegenstand‘ und ‚Komplex‘? | vorhanden ist »sind«. — Und erkenne ich hier nicht meine eigenen Betrachtungen über ‚Gegenstand‘ und ‚Komplex‘? | ||
{{hidden|'''(TS 211, p. 251)'''}} | {{hidden|'''(TS 211, p. 251)''' }}In den alten Riten haben wir den Gebrauch einer äußerst ausgebildeten Gebärdensprache. | ||
In den alten Riten haben wir den Gebrauch einer äußerst ausgebildeten Gebärdensprache. | |||
Und wenn ich in Frazer lese, so möchte ich auf Schritt und Tritt sagen: Alle diese Prozesse, diese Wandlungen der Bedeutung, haben wir noch in unserer Wortsprache vor uns. Wenn das, was sich in der letzten Garbe verbirgt, der ‚Kornwolf‘ genannt wird, aber auch diese Garbe selbst, und auch der Mann der sie bindet, so erkennen wir hierin einen uns wohlbekannten sprachlichen Vorgang. | Und wenn ich in Frazer lese, so möchte ich auf Schritt und Tritt sagen: Alle diese Prozesse, diese Wandlungen der Bedeutung, haben wir noch in unserer Wortsprache vor uns. Wenn das, was sich in der letzten Garbe verbirgt, der ‚Kornwolf‘ genannt wird, aber auch diese Garbe selbst, und auch der Mann der sie bindet, so erkennen wir hierin einen uns wohlbekannten sprachlichen Vorgang. | ||
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Ich könnte mir denken, dass ich die Wahl gehabt hätte, ein Wesen der Erde als die Wohnung für meine Seele zu wählen und dass mein Geist dieses unansehnliche (nicht-anziehende) Geschöpf als seinen Sitz und Aussichtspunkt gewählt hätte. Etwa, weil ihm | {{hidden|'''(TS 211, p. 281)''' }}Ich könnte mir denken, dass ich die Wahl gehabt hätte, ein Wesen der Erde als die Wohnung für meine Seele zu wählen und dass mein Geist dieses unansehnliche (nicht-anziehende) Geschöpf als seinen Sitz und Aussichtspunkt gewählt hätte. Etwa, weil ihm {{hidden|'''(MS 110 p. 253)''' }}die Ausnahme eines schönen Sitzes zuwider wäre. Dazu müsste freilich der Geist seiner selbst sehr sicher sein. | ||
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die Ausnahme eines schönen Sitzes zuwider wäre. Dazu müsste freilich der Geist seiner selbst sehr sicher sein. | |||
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Ja, es ist wichtig, dass ich auch die Verachtung des Andern für mich «↓ mir» zu eigen machen muss, als einen wesentlichen und bedeutsamen Teil der Welt von meinem Ort gesehen. | Ja, es ist wichtig, dass ich auch die Verachtung des Andern für mich «↓ mir» zu eigen machen muss, als einen wesentlichen und bedeutsamen Teil der Welt von meinem Ort gesehen. | ||
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Wenn es einem Menschen freigestellt wäre «↓ sich» in einen Baum eines Waldes geboren zu werden »gebären zu lassen«: so gäbe es Solche, die sich den schönsten oder höchsten Baum aussuchen würden, solche die sich den kleinsten wählten und solche die sich einen Durchschnitts- oder minderen Durchschnittsbaum wählen würden, und zwar meine ich nicht aus Philiströsität, sondern aus eben dem Grund, oder der Art von Grund, warum sich der Andre den höchsten gewählt hat. Dass das Gefühl welches wir für unser Leben | {{hidden|'''(MS 110, p. 254)''' }}Wenn es einem Menschen freigestellt wäre «↓ sich» in einen Baum eines Waldes geboren zu werden »gebären zu lassen«: so gäbe es Solche, die sich den schönsten oder höchsten Baum aussuchen würden, solche die sich den kleinsten wählten und solche die sich einen Durchschnitts- oder minderen Durchschnittsbaum wählen würden, und zwar meine ich nicht aus Philiströsität, sondern aus eben dem Grund, oder der Art von Grund, warum sich der Andre den höchsten gewählt hat. Dass das Gefühl welches wir für unser Leben | ||
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haben mit dem eines solchen Wesens, das sich seinen Standpunkt in der Welt wählen konnte, vergleichbar ist, liegt, glaube ich, dem Mythus — oder dem Glauben — zugrunde, wir hätten uns unsern Körper vor der Geburt gewählt. | haben mit dem eines solchen Wesens, das sich seinen Standpunkt in der Welt wählen konnte, vergleichbar ist, liegt, glaube ich, dem Mythus — oder dem Glauben — zugrunde, wir hätten uns unsern Körper vor der Geburt gewählt. | ||
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Ich glaube, das Charakteristische des primitiven Menschen ist es, dass er nicht aus ''Meinungen'' handelt (dagegen Frazer). Ich lese unter vielen ähnlichen Beispielen von einem Regen-König in Afrika zu dem die Leute um Regen bitten, ''wenn die Regenperiode kommt''. Aber das heißt doch, dass sie nicht eigentlich meinen, er könne Regen machen, sonst würden sie es in den trockenen Perioden des Jahres, in der das Land »a parched and arid desert« ist, machen. Denn wenn man annimmt, dass die Leute einmal aus Dummheit dieses Amt des Regenkönigs eingesetzt haben, so ist es doch gewiss klar, dass sie schon vorher die Erfahrung hatten, dass im März der Regen beginnt und sie hätten dann den Regenkönig für den übrigen Teil des Jahres funktionieren lassen. Oder auch so: Gegen morgen, wenn die Sonne aufgehen will, werden von den Menschen Riten des Tagwerdens zelebriert, aber nicht in der Nacht, sondern da brennen sie einfach Lampen. | {{hidden|'''(MS 110, p. 255)''' }}Ich glaube, das Charakteristische des primitiven Menschen ist es, dass er nicht aus ''Meinungen'' handelt (dagegen Frazer). Ich lese unter vielen ähnlichen Beispielen von einem Regen-König in Afrika zu dem die Leute um Regen bitten, ''wenn die Regenperiode kommt''. Aber das heißt doch, dass sie nicht eigentlich meinen, er könne Regen machen, sonst würden sie es in den trockenen Perioden des Jahres, in der das Land »a parched and arid desert« ist, machen. Denn wenn man annimmt, dass die Leute einmal aus Dummheit dieses Amt des Regenkönigs eingesetzt haben, so ist es doch gewiss klar, dass sie schon vorher die Erfahrung hatten, dass im März der Regen beginnt und sie hätten dann den Regenkönig für den übrigen Teil des Jahres funktionieren lassen. Oder auch so: Gegen morgen, wenn die Sonne aufgehen will, werden von den Menschen Riten des Tagwerdens zelebriert, aber nicht in der Nacht, sondern da brennen sie einfach Lampen. | ||
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[Wenn ich über etwas wütend bin, so schlage ich manchmal mit meinem Stock auf die Erde oder an einen Baum, etc. Aber ich glaube doch nicht, dass die Erde schuld ist, oder das Schlagen etwas helfen kann. »Ich lasse meinen Zorn aus«. Und dieser Art sind alle Riten. Solche Handlungen kann man Instinkt | [Wenn ich über etwas wütend bin, so schlage ich manchmal mit meinem Stock auf die Erde oder an einen Baum, etc. Aber ich glaube doch nicht, dass die Erde schuld ist, oder das Schlagen etwas helfen kann. »Ich lasse meinen Zorn aus«. Und dieser Art sind alle Riten. Solche Handlungen kann man Instinkt{{hidden| '''(MS 110, p. 297)''' }}-Handlungen nennen. — Und eine historische Erklärung, etwa dass ich früher oder meine Vorfahren früher geglaubt haben, das Schlagen der Erde helfe etwas, sind Spiegelfechtereien, denn sie sind überflüssige Annahmen, die ''nichts'' erklären. Wichtig ist die Ähnlichkeit des Aktes mit einem Akt der Züchtigung, aber mehr als diese Ähnlichkeit ist nichts zu konstatieren. | ||
{{hidden|'''(MS 110, p. 297)'''}} | |||
-Handlungen nennen. — Und eine historische Erklärung, etwa dass ich früher oder meine Vorfahren früher geglaubt haben, das Schlagen der Erde helfe etwas, sind Spiegelfechtereien, denn sie sind überflüssige Annahmen, die ''nichts'' erklären. Wichtig ist die Ähnlichkeit des Aktes mit einem Akt der Züchtigung, aber mehr als diese Ähnlichkeit ist nichts zu konstatieren. | |||
Ist ein solches Phänomen einmal mit einem Instinkt, den ich selber besitze, in Verbindung gebracht, so ist eben dies die gewünschte »ersehnte« Erklärung; d.h. die welche das besondere puzzlement »diese besondere Schwierigkeit« löst. Und eine Betrachtung »weitere Forschung« über die Geschichte meines Instinkts bewegt sich nun auf andern Bahnen. | Ist ein solches Phänomen einmal mit einem Instinkt, den ich selber besitze, in Verbindung gebracht, so ist eben dies die gewünschte »ersehnte« Erklärung; d.h. die welche das besondere puzzlement »diese besondere Schwierigkeit« löst. Und eine Betrachtung »weitere Forschung« über die Geschichte meines Instinkts bewegt sich nun auf andern Bahnen. | ||
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Denn das Erwachen des Intellekts geht mit einer Trennung von dem ursprünglichen ''Boden'' der ursprünglichen Grundlage des Lebens vor sich. (Die Entstehung der ''Wahl''.) | Denn das Erwachen des Intellekts geht mit einer Trennung von dem ursprünglichen ''Boden'' der ursprünglichen Grundlage des Lebens vor sich. (Die Entstehung der ''Wahl''.) | ||
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(Die Form des erwachenden Geistes ist die Verehrung.) | {{hidden|'''(MS 110, p. 298)''' }}(Die Form des erwachenden Geistes ist die Verehrung.){{hidden|&nsbp;'''(MS 110, p. 299)'''}}] | ||
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