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So war also Augustinus im Irrtum, wenn er Gott auf jeder Seite der ''Confessiones'' anruft? | So war also Augustinus im Irrtum, wenn er Gott auf jeder Seite der ''Confessiones'' anruft? | ||
Aber — kann man sagen — wenn er nicht im Irrtum war, so war es doch der buddhistische Heilige — oder welcher immer — dessen Religion ganz andere Anschauungen zum Ausdruck bringt. Aber ''keiner'' von ihnen war im Irrtum. Außer wo er eine Theorie aufstellte. | Aber — kann man sagen — wenn er nicht im Irrtum war, so war es doch der buddhistische Heilige — oder welcher immer — dessen Religion ganz andere Anschauungen zum Ausdruck bringt. Aber ''keiner'' von ihnen war im Irrtum. Außer wo er eine Theorie aufstellte. | ||
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Frazer sagt, es sei sehr schwer, den Irrtum in der Magie zu entdecken — und darum halte sie sich so lange — weil z.B. eine Beschwörung, die Regen herbeiführen soll, früher oder später gewiss als wirksam erscheint. Aber dann ist es eben merkwürdig, dass die Menschen nicht früher darauf kommen, dass es ohnehin früher oder später regnet. | Frazer sagt, es sei sehr schwer, den Irrtum in der Magie zu entdecken — und darum halte sie sich so lange — weil z.B. eine Beschwörung, die Regen herbeiführen soll, früher oder später gewiss als wirksam erscheint. Aber dann ist es eben merkwürdig, dass die Menschen nicht früher darauf kommen, dass es ohnehin früher oder später regnet. | ||
Ich glaube, dass das Unternehmen einer Erklärung schon darum verfehlt ist, weil man nur richtig zusammenstellen muss, was | Ich glaube, dass das Unternehmen einer Erklärung schon darum verfehlt ist, weil man nur richtig zusammenstellen muss, was man ''weiß'', und nichts dazusetzen, und die Befriedigung, die durch die Erklärung angestrebt wird, ergibt sich von selbst. | ||
man ''weiß'', und nichts dazusetzen, und die Befriedigung, die durch die Erklärung angestrebt wird, ergibt sich von selbst. | |||
Und die Erklärung ist es hier gar nicht, die befriedigt. Wenn Frazer anfängt und uns die Geschichte von dem Waldkönig von Nemi erzählt, so tut er dies in einem Ton, der zeigt, dass er fühlt und uns fühlen lassen will, dass hier etwas Merkwürdiges und Furchtbares geschieht. Die Frage aber »warum geschieht dies?« wird eigentlich dadurch beantwortet: Weil es furchtbar ist. Das heißt, dasselbe, was uns bei diesem Vorgang furchtbar, großartig, schaurig, tragisch, etc., nichts weniger als trivial und bedeutungslos vorkommt, ''das'' hat diesen Vorgang ins Leben gerufen. | Und die Erklärung ist es hier gar nicht, die befriedigt. Wenn Frazer anfängt und uns die Geschichte von dem Waldkönig von Nemi erzählt, so tut er dies in einem Ton, der zeigt, dass er fühlt und uns fühlen lassen will, dass hier etwas Merkwürdiges und Furchtbares geschieht. Die Frage aber »warum geschieht dies?« wird eigentlich dadurch beantwortet: Weil es furchtbar ist. Das heißt, dasselbe, was uns bei diesem Vorgang furchtbar, großartig, schaurig, tragisch, etc., nichts weniger als trivial und bedeutungslos vorkommt, ''das'' hat diesen Vorgang ins Leben gerufen. | ||
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Wer von der Majestät des Todes ergriffen ist, kann dies durch so ein Leben zum Ausdruck bringen. — Dies ist natürlich auch keine Erklärung, sondern setzt nur ein Symbol für ein anderes. Oder: eine Zeremonie für eine andere. | Wer von der Majestät des Todes ergriffen ist, kann dies durch so ein Leben zum Ausdruck bringen. — Dies ist natürlich auch keine Erklärung, sondern setzt nur ein Symbol für ein anderes. Oder: eine Zeremonie für eine andere. | ||
Einem religiösen Symbol liegt keine ''Meinung'' zu Grunde. | Einem religiösen Symbol liegt keine ''Meinung'' zu Grunde. | ||
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Die Magie aber bringt einen Wunsch zur Darstellung; sie äußert einen Wunsch. | Die Magie aber bringt einen Wunsch zur Darstellung; sie äußert einen Wunsch. | ||
{{hidden|'''(TS 211, p. 316)''' }}Die Taufe als Waschung. — Ein Irrtum entsteht erst, wenn die Magie wissenschaftlich ausgelegt wird. | {{hidden|'''(TS 211, p. 316)''' }}Die Taufe als Waschung. — Ein Irrtum entsteht erst, wenn die Magie wissenschaftlich ausgelegt wird. | ||
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Dass der Schatten des Menschen, der wie ein Mensch ausschaut, oder sein Spiegelbild, dass Regen, Gewitter, die Mondphasen, der Jahreszeitwechsel, die Ähnlichkeit uns Verschiedenheit der Tiere unter einander und zum Menschen, die Erscheinungen des Todes, der Geburt und der Geschlechts{{hidden|- '''(TS 211, p. 318)''' }}lebens, kurz alles, was der Mensch jahraus jahrein um sich wahrnimmt, in mannigfaltigster Weise mit einander verknüpft, in seinem Denken (seiner Philosophie) und seinen Gebräuchen auftreten //eine Rolle spielen// wird, ist selbstverständlich, oder ist eben das, was wir wirklich wissen und interessant ist. | Dass der Schatten des Menschen, der wie ein Mensch ausschaut, oder sein Spiegelbild, dass Regen, Gewitter, die Mondphasen, der Jahreszeitwechsel, die Ähnlichkeit uns Verschiedenheit der Tiere unter einander und zum Menschen, die Erscheinungen des Todes, der Geburt und der Geschlechts{{hidden|- '''(TS 211, p. 318)''' }}lebens, kurz alles, was der Mensch jahraus jahrein um sich wahrnimmt, in mannigfaltigster Weise mit einander verknüpft, in seinem Denken (seiner Philosophie) und seinen Gebräuchen auftreten //eine Rolle spielen// wird, ist selbstverständlich, oder ist eben das, was wir wirklich wissen und interessant ist. | ||
Wie hätte das Feuer oder die Ähnlichkeit des Feuers mit der Sonne verfehlen können auf den erwachenden Menschengeist einen | Wie hätte das Feuer oder die Ähnlichkeit des Feuers mit der Sonne verfehlen können auf den erwachenden Menschengeist einen Eindruck zu machen. Aber nicht vielleicht »weil er sich's nicht erklären kann« (der dumme Aberglaube unserer Zeit) — denn wird es durch eine »Erklärung« weniger eindrucksvoll? — | ||
Eindruck zu machen. Aber nicht vielleicht »weil er sich's nicht erklären kann« (der dumme Aberglaube unserer Zeit) — denn wird es durch eine »Erklärung« weniger eindrucksvoll? — | |||
Die Magie in »Alice in Wonderland« beim Trocknen durch Vorlesen des Trockensten was es gibt. | Die Magie in »Alice in Wonderland« beim Trocknen durch Vorlesen des Trockensten was es gibt. | ||
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Vielmehr ist das Charakteristische der rituellen Handlung gar keine Ansicht, Meinung, ob sie nun richtig oder falsch ist, obgleich eine Meinung — ein Glaube — selbst auch rituell sein kann, zum Ritus gehören kann. | Vielmehr ist das Charakteristische der rituellen Handlung gar keine Ansicht, Meinung, ob sie nun richtig oder falsch ist, obgleich eine Meinung — ein Glaube — selbst auch rituell sein kann, zum Ritus gehören kann. | ||
Wenn man es für selbstverständlich hält, dass sich der Mensch an seiner Phantasie vergnügt, so bedenke man, dass diese Phantasie nicht wie ein gemaltes Bild oder ein plastisches Modell ist, sondern ein kompliziertes Gebilde aus heterogenen Bestandteilen: Wörtern und Bildern. | Wenn man es für selbstverständlich hält, dass sich der Mensch an seiner Phantasie vergnügt, so bedenke man, dass diese Phantasie nicht wie ein gemaltes Bild oder ein plastisches Modell ist, sondern ein kompliziertes Gebilde aus heterogenen Bestandteilen: Wörtern und Bildern. | ||
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Frazer ist viel mehr savage, als die meisten seiner savages, denn diese werden nicht so weit vom Verständnis einer geistigen Angelegenheit entfernt sein, wie ein Engländer des 20sten Jahrhunderts. ''Seine'' Erklärungen der primitiven Gebräuche sind viel roher, als der Sinn dieser Gebräuche selbst. | Frazer ist viel mehr savage, als die meisten seiner savages, denn diese werden nicht so weit vom Verständnis einer geistigen Angelegenheit entfernt sein, wie ein Engländer des 20sten Jahrhunderts. ''Seine'' Erklärungen der primitiven Gebräuche sind viel roher, als der Sinn dieser Gebräuche selbst. | ||
Die historische Erklärung, die Erklärung als eine Hypothese der Entwicklung ist nur ''eine'' Art der Zusammenfassung der Daten — ihrer Synopsis. Es ist ebenso wohl möglich, die Daten in ihrer Beziehung zu einander zu sehen und in ein allgemeines Bild zusammenfassen, ohne es in Form einer Hypothese über die zeitliche Entwicklung zu machen. | Die historische Erklärung, die Erklärung als eine Hypothese der Entwicklung ist nur ''eine'' Art der Zusammenfassung der Daten — ihrer Synopsis. Es ist ebenso wohl möglich, die Daten in ihrer Beziehung zu einander zu sehen und in ein allgemeines Bild zusammenfassen, ohne es in Form einer Hypothese über die zeitliche Entwicklung zu machen. | ||
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Diese übersichtliche Darstellung vermittelt das Verstehen //Verständnis//, welches eben darin besteht, dass wir die "Zusammenhänge sehen". Daher die Wichtigkeit des Findens von ''Zwischengliedern''. | Diese übersichtliche Darstellung vermittelt das Verstehen //Verständnis//, welches eben darin besteht, dass wir die "Zusammenhänge sehen". Daher die Wichtigkeit des Findens von ''Zwischengliedern''. | ||
{{hidden|'''(TS 211, p. 282)''' }}Ein hypothetisches Zwischenglied aber soll in diesem Falle nichts tun, als die Aufmerksamkeit auf die Ähnlichkeit, den Zusammenhang, der ''Tatsachen'' lenken. Wie wenn man eine interne | {{hidden|'''(TS 211, p. 282)''' }}Ein hypothetisches Zwischenglied aber soll in diesem Falle nichts tun, als die Aufmerksamkeit auf die Ähnlichkeit, den Zusammenhang, der ''Tatsachen'' lenken. Wie wenn man eine interne Beziehung der Kreisform zur Ellipse dadurch illustrieren wollte //illustrierte//, dass man eine Ellipse allmählich in einen Kreis überführt; ''aber nicht um zu behaupten, dass eine gewisse Ellipse tatsächlich, historisch, aus einem Kreis entstanden wäre'' (Entwicklungshypothese), sondern nur um unser Auge für einen formalen Zusammenhang zu schärfen. | ||
Beziehung der Kreisform zur Ellipse dadurch illustrieren wollte //illustrierte//, dass man eine Ellipse allmählich in einen Kreis überführt; ''aber nicht um zu behaupten, dass eine gewisse Ellipse tatsächlich, historisch, aus einem Kreis entstanden wäre'' (Entwicklungshypothese), sondern nur um unser Auge für einen formalen Zusammenhang zu schärfen. | |||
Aber auch die Entwicklungshypothese kann ich als weiter Nichts sehen, als die »eine« Einkleidung eines formalen Zusammenhangs. | Aber auch die Entwicklungshypothese kann ich als weiter Nichts sehen, als die »eine« Einkleidung eines formalen Zusammenhangs. | ||
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In unserer Sprache ist eine ganze Mythologie niedergelegt. | In unserer Sprache ist eine ganze Mythologie niedergelegt. | ||
Austreiben des Todes oder Umbringen des Todes; aber anderseits wird er als Gerippe dargestellt, also selbst in gewissem Sinne tot. »As dead as death«. ‚Nichts ist so tot wie der Tod; nichts so schön wie die Schönheit selbst‘. Das Bild, worunter man sich hier die Realität denkt ist, dass die Schönheit, der Tod, etc. die reine (konzentrierte) Substanz ist »die reinen (konzentrierten) Substanzen sind«, während sie in einem schönen Gegenstand als Beimischung | Austreiben des Todes oder Umbringen des Todes; aber anderseits wird er als Gerippe dargestellt, also selbst in gewissem Sinne tot. »As dead as death«. ‚Nichts ist so tot wie der Tod; nichts so schön wie die Schönheit selbst‘. Das Bild, worunter man sich hier die Realität denkt ist, dass die Schönheit, der Tod, etc. die reine (konzentrierte) Substanz ist »die reinen (konzentrierten) Substanzen sind«, während sie in einem schönen Gegenstand als Beimischung vorhanden ist »sind«. — Und erkenne ich hier nicht meine eigenen Betrachtungen über ‚Gegenstand‘ und ‚Komplex‘? | ||
vorhanden ist »sind«. — Und erkenne ich hier nicht meine eigenen Betrachtungen über ‚Gegenstand‘ und ‚Komplex‘? | |||
{{hidden|'''(TS 211, p. 251)''' }}In den alten Riten haben wir den Gebrauch einer äußerst ausgebildeten Gebärdensprache. | {{hidden|'''(TS 211, p. 251)''' }}In den alten Riten haben wir den Gebrauch einer äußerst ausgebildeten Gebärdensprache. | ||
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{{hidden|'''(MS 110, p. 254)''' }}Wenn es einem Menschen freigestellt wäre «↓ sich» in einen Baum eines Waldes geboren zu werden »gebären zu lassen«: so gäbe es Solche, die sich den schönsten oder höchsten Baum aussuchen würden, solche die sich den kleinsten wählten und solche die sich einen Durchschnitts- oder minderen Durchschnittsbaum wählen würden, und zwar meine ich nicht aus Philiströsität, sondern aus eben dem Grund, oder der Art von Grund, warum sich der Andre den höchsten gewählt hat. Dass das Gefühl welches wir für unser Leben | {{hidden|'''(MS 110, p. 254)''' }}Wenn es einem Menschen freigestellt wäre «↓ sich» in einen Baum eines Waldes geboren zu werden »gebären zu lassen«: so gäbe es Solche, die sich den schönsten oder höchsten Baum aussuchen würden, solche die sich den kleinsten wählten und solche die sich einen Durchschnitts- oder minderen Durchschnittsbaum wählen würden, und zwar meine ich nicht aus Philiströsität, sondern aus eben dem Grund, oder der Art von Grund, warum sich der Andre den höchsten gewählt hat. Dass das Gefühl welches wir für unser Leben haben mit dem eines solchen Wesens, das sich seinen Standpunkt in der Welt wählen konnte, vergleichbar ist, liegt, glaube ich, dem Mythus — oder dem Glauben — zugrunde, wir hätten uns unsern Körper vor der Geburt gewählt. | ||
haben mit dem eines solchen Wesens, das sich seinen Standpunkt in der Welt wählen konnte, vergleichbar ist, liegt, glaube ich, dem Mythus — oder dem Glauben — zugrunde, wir hätten uns unsern Körper vor der Geburt gewählt. | |||
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Wenn ein Mensch in unserer (oder doch meiner) Gesellschaft zu viel lacht, so presse ich halb unwillkürlich die Lippen zusammen, als | Wenn ein Mensch in unserer (oder doch meiner) Gesellschaft zu viel lacht, so presse ich halb unwillkürlich die Lippen zusammen, als glaubte ich, die seinen dadurch zusammenhalten zu können. | ||
glaubte ich, die seinen dadurch zusammenhalten zu können. | |||
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Das Auffallendste schiene mir außer den Ähnlichkeiten die Verschiedenheit aller dieser Riten zu sein. Es ist eine Mannigfaltigkeit von Gesichtern mit gemeinsamen Zügen die da und dort immer wieder auftauchen. Und was man tun möchte, ist Linien ziehen, die die gemeinsamen Bestandteile verbinden. Es fehlt dann | Das Auffallendste schiene mir außer den Ähnlichkeiten die Verschiedenheit aller dieser Riten zu sein. Es ist eine Mannigfaltigkeit von Gesichtern mit gemeinsamen Zügen die da und dort immer wieder auftauchen. Und was man tun möchte, ist Linien ziehen, die die gemeinsamen Bestandteile verbinden. Es fehlt dann noch ein Teil der Betrachtung und es ist der, welcher dieses Bild mit unsern eigenen Gefühlen und Gedanken in Verbindung bringt. Dieser Teil gibt der Betrachtung ihre Tiefe. | ||
noch ein Teil der Betrachtung und es ist der, welcher dieses Bild mit unsern eigenen Gefühlen und Gedanken in Verbindung bringt. Dieser Teil gibt der Betrachtung ihre Tiefe. | |||
{{hidden|'''(MS 143, p. 8)'''}} | {{hidden|'''(MS 143, p. 8)'''}} | ||
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{{hidden|'''(MS 143, p. 11)'''}} | {{hidden|'''(MS 143, p. 11)'''}} | ||
Natur des »neuzeitlichen« Gebrauchs selbst, die uns finster anmutet, und die uns bekannten Tatsachen von Menschenopfern weisen nur die Richtung, in der wir den Gebrauch ansehen sollen. Wenn ich von | Natur des »neuzeitlichen« Gebrauchs selbst, die uns finster anmutet, und die uns bekannten Tatsachen von Menschenopfern weisen nur die Richtung, in der wir den Gebrauch ansehen sollen. Wenn ich von der inneren Natur des Gebrauchs rede, meine ich alle Umstände, in denen er geübt wird, und die in dem Bericht von so einem Fest nicht enthalten sind, da sie nicht sowohl in bestimmten Handlungen bestehen, die das Fest charakterisieren, als in dem was man den Geist des Festes nennen könnte, welcher beschrieben würde, indem man z.B. die Art von Leuten beschriebe, die daran teilnehmen, ihre übrige Handlungsweise, d.h. ihren Charakter; die Art der Spiele, die sie sonst spielen. Und man würde dann sehen, dass das Finstere im Charakter dieser Menschen selbst liegt. | ||
der inneren Natur des Gebrauchs rede, meine ich alle Umstände, in denen er geübt wird, und die in dem Bericht von so einem Fest nicht enthalten sind, da sie nicht sowohl in bestimmten Handlungen bestehen, die das Fest charakterisieren, als in dem was man den Geist des Festes nennen könnte, welcher beschrieben würde, indem man z.B. die Art von Leuten beschriebe, die daran teilnehmen, ihre übrige Handlungsweise, d.h. ihren Charakter; die Art der Spiele, die sie sonst spielen. Und man würde dann sehen, dass das Finstere im Charakter dieser Menschen selbst liegt. | |||
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Dann liegt das Tiefe also nur im Gedanken an jene Abstammung. Aber diese kann doch ganz unsicher sein und man möchte sagen: | Dann liegt das Tiefe also nur im Gedanken an jene Abstammung. Aber diese kann doch ganz unsicher sein und man möchte sagen: | ||
»wozu sich über eine so unsichere Sache Sorgen machen ›sorgen‹« (wie eine rückwärts schauende Kluge Else). Aber solche Sorgen sind es nicht. — Vor allem: woher die Sicherheit dass ein solcher Gebrauch uralt sein muss (was sind unsre Daten, was ist die Verifikation)? Aber haben wir denn eine Sicherheit, können wir uns nicht darin irren und des Irrtums «↓ historisch» überführt werden? | »wozu sich über eine so unsichere Sache Sorgen machen ›sorgen‹« (wie eine rückwärts schauende Kluge Else). Aber solche Sorgen sind es nicht. — Vor allem: woher die Sicherheit dass ein solcher Gebrauch uralt sein muss (was sind unsre Daten, was ist die Verifikation)? Aber haben wir denn eine Sicherheit, können wir uns nicht darin irren und des Irrtums «↓ historisch» überführt werden? Gewiss, aber es bleibt dann noch immer etwas, dessen wir sicher sind. Wir würden «↓ dann» sagen »Gut in diesem einen Fall mag die Herkunft anders sein, aber im allgemeinen ist sie sicher die vorzeitliche«. Was uns dafür ''Evidenz'' ist, das muss die Tiefe dieser Annahme enthalten. Und diese Evidenz ist wieder eine «↓ nicht- hypothetische» psychologische. Wenn ich nämlich sage: das Tiefe an diesem Gebrauch liegt in seiner Herkunft, ''wenn'' es sich so zugetragen hat. So <s>muss</s> liegt also entweder das Tiefe in dem Gedanken an so eine Herkunft oder das Tiefe ist «↓ selbst» nur hypothetisch und man kann nur sagen: ''Wenn'' es sich so zugetragen | ||
Gewiss, aber es bleibt dann noch immer etwas, dessen wir sicher sind. Wir würden «↓ dann» sagen »Gut in diesem einen Fall mag die Herkunft anders sein, aber im allgemeinen ist sie sicher die vorzeitliche«. Was uns dafür ''Evidenz'' ist, das muss die Tiefe dieser Annahme enthalten. Und diese Evidenz ist wieder eine «↓ nicht- hypothetische» psychologische. Wenn ich nämlich sage: das Tiefe an diesem Gebrauch liegt in seiner Herkunft, ''wenn'' es sich so zugetragen hat. So <s>muss</s> liegt also entweder das Tiefe in dem Gedanken an so eine Herkunft oder das Tiefe ist «↓ selbst» nur hypothetisch und man kann nur sagen: ''Wenn'' es sich so zugetragen | |||
{{hidden|'''(MS 143, p. 14)'''}} | {{hidden|'''(MS 143, p. 14)'''}} | ||
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Die ''Umgebung'' einer Handlungsweise. | Die ''Umgebung'' einer Handlungsweise. | ||
Eine <s>Annahme</s> Überzeugung liegt jedenfalls den Annahmen über den Ursprung des Beltanefestes — z.B. — zu Grunde; die ist, dass solche Feste nicht von einem Menschen, sozusagen aufs Geratewohl, | Eine <s>Annahme</s> Überzeugung liegt jedenfalls den Annahmen über den Ursprung des Beltanefestes — z.B. — zu Grunde; die ist, dass solche Feste nicht von einem Menschen, sozusagen aufs Geratewohl, erfunden werden, sondern eine unendlich viel breitere Basis brauchen, um sich zu erhalten. Wollte ich ein Fest erfinden, so würde es baldigst aussterben oder aber auf solcher Weise modifiziert werden, dass es einem allgemeinen Hang der Leute entspricht. | ||
erfunden werden, sondern eine unendlich viel breitere Basis brauchen, um sich zu erhalten. Wollte ich ein Fest erfinden, so würde es baldigst aussterben oder aber auf solcher Weise modifiziert werden, dass es einem allgemeinen Hang der Leute entspricht. | |||
Was aber wehrt sich dagegen anzunehmen, das Beltanefest sei immer in der gegenwärtigen (oder jüngstvergangenen) Form gefeiert worden? Man möchte sagen: Es ist zu sinnlos, um so erfunden worden | Was aber wehrt sich dagegen anzunehmen, das Beltanefest sei immer in der gegenwärtigen (oder jüngstvergangenen) Form gefeiert worden? Man möchte sagen: Es ist zu sinnlos, um so erfunden worden | ||
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Aber es ist ja nicht einfach der Gedanke an die mögliche Herkunft des Beltanefestes, welcher den Eindruck mit sich führt, sondern, was man die ungeheure Wahrscheinlichkeit dieses Gedankens nennt. Als das, was vom Material hergenommen ist. | Aber es ist ja nicht einfach der Gedanke an die mögliche Herkunft des Beltanefestes, welcher den Eindruck mit sich führt, sondern, was man die ungeheure Wahrscheinlichkeit dieses Gedankens nennt. Als das, was vom Material hergenommen ist. | ||
So wie das Beltanefest auf uns gekommen ist, ist es ja ein Schauspiel | So wie das Beltanefest auf uns gekommen ist, ist es ja ein Schauspiel und ähnlich wie wenn Kinder Räuber spielen. Aber doch nicht so. Denn wenn es auch abgekartet ist, dass die Partei, die das Opfer rettet, gewinnt, so hat doch was geschieht noch immer einen Temperamentszusatz, den die bloße schauspielerische Darstellung nicht hat. — Aber auch wenn es sich bloß um eine ganz kühle Darstellung handelte, würden wir uns doch beunruhigt fragen: was soll diese Darstellung, was ist ihr ''Sinn''?! Und sie könnte uns abgesehen von jeder Deutung dann durch ihre eigentümliche Sinnlosigkeit beunruhigen. (Was zeigt, welcher Art der Grund so einer Beunruhigung sein kann.) Würde nun etwa eine harmlose Deutung gegeben: Das | ||
und ähnlich wie wenn Kinder Räuber spielen. Aber doch nicht so. Denn wenn es auch abgekartet ist, dass die Partei, die das Opfer rettet, gewinnt, so hat doch was geschieht noch immer einen Temperamentszusatz, den die bloße schauspielerische Darstellung nicht hat. — Aber auch wenn es sich bloß um eine ganz kühle Darstellung handelte, würden wir uns doch beunruhigt fragen: was soll diese Darstellung, was ist ihr ''Sinn''?! Und sie könnte uns abgesehen von jeder Deutung dann durch ihre eigentümliche Sinnlosigkeit beunruhigen. (Was zeigt, welcher Art der Grund so einer Beunruhigung sein kann.) Würde nun etwa eine harmlose Deutung gegeben: Das | |||
{{hidden|'''(MS 143, p. 18)'''}} | {{hidden|'''(MS 143, p. 18)'''}} | ||
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etwas Furchtbares? — Ja, aber das, was ich in jenen Erzählungen sehe, gewinnen sie doch durch die Evidenz, auch durch solche, die damit nicht unmittelbar verbunden zu sein scheint, durch den Gedanken an den Menschen und seine Vergangenheit, durch all das Seltsame, das ich in mir und dem andern sehe, gesehen und gehört | etwas Furchtbares? — Ja, aber das, was ich in jenen Erzählungen sehe, gewinnen sie doch durch die Evidenz, auch durch solche, die damit nicht unmittelbar verbunden zu sein scheint, durch den Gedanken an den Menschen und seine Vergangenheit, durch all das Seltsame, das ich in mir und dem andern sehe, gesehen und gehört habe. | ||
habe. | |||
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(Feuer-Sonne), was kann wahrscheinlicher sein, als dass sich einem Menschen beide Gedanken aufdrängen werden. Die Gelehrten, die immer ''eine'' Theorie haben möchten!!! | (Feuer-Sonne), was kann wahrscheinlicher sein, als dass sich einem Menschen beide Gedanken aufdrängen werden. Die Gelehrten, die immer ''eine'' Theorie haben möchten!!! | ||
Die ''gänzliche'' Zerstörung durch das Feuer anders als durch Zerschlagen Zerreißen etc. muss den Menschen aufgefallen sein. | Die ''gänzliche'' Zerstörung durch das Feuer anders als durch Zerschlagen Zerreißen etc. muss den Menschen aufgefallen sein. | ||