5,953
edits
No edit summary |
No edit summary |
||
Line 1,965: | Line 1,965: | ||
'''300'''. Zu dem Sprachspiel mit den Worten »er hat Schmerzen« gehört – möchte man sagen – nicht nur das Bild des Benehmens, sondern auch das Bild des Schmerzes. Oder: nicht nur das Paradigma des Benehmens, sondern auch das des Schmerzes. – Zu sagen »Das Bild des Schmerzes tritt ins Sprachspiel mit dem Worte ›Schmerz‹ ein«, ist ein Mißverständnis. Die Vorstellung des Schmerzes ist kein Bild, und ''diese'' Vorstellung ist im Sprachspiel auch nicht durch etwas ersetzbar, was wir ein Bild nennen würden. – Wohl tritt die Vorstellung des Schmerzes in einem Sinn ins Sprachspiel ein; nur nicht als Bild. | '''300'''. Zu dem Sprachspiel mit den Worten »er hat Schmerzen« gehört – möchte man sagen – nicht nur das Bild des Benehmens, sondern auch das Bild des Schmerzes. Oder: nicht nur das Paradigma des Benehmens, sondern auch das des Schmerzes. – Zu sagen »Das Bild des Schmerzes tritt ins Sprachspiel mit dem Worte ›Schmerz‹ ein«, ist ein Mißverständnis. Die Vorstellung des Schmerzes ist kein Bild, und ''diese'' Vorstellung ist im Sprachspiel auch nicht durch etwas ersetzbar, was wir ein Bild nennen würden. – Wohl tritt die Vorstellung des Schmerzes in einem Sinn ins Sprachspiel ein; nur nicht als Bild. | ||
'''301'''. Eine Vorstellung ist kein Bild, aber ein Bild kann ihr entsprechen. | |||
'''302'''. Wenn man sich den Schmerz des Andern nach dem Vorbild des eigenen vorstellen muß, dann ist das keine so leichte Sache: da ich mir nach den Schmerzen, die ''ich fühle'', Schmerzen vorstellen soll, die ich ''nicht fühle''. Ich habe nämlich in der Vorstellung nicht einfach einen Übergang von einem Ort des Schmerzes zu einem andern zu machen. Wie von Schmerzen in der Hand zu Schmerzen im Arm. Denn ich soll mir nicht vorstellen, daß ich an einer Stelle seines Körpers Schmerz empfinde. (Was auch möglich wäre.) | |||
Das Schmerzbenehmen kann auf eine schmerzhafte Stelle deuten, – aber die leidende Person ist die, welche Schmerz äußert. | |||
'''303'''. »Ich kann nur ''glauben'', daß der Andre Schmerzen hat, aber ich ''weiß'' es, wenn ich sie habe.« – Ja; man kann sich dazu entschließen zu sagen »Ich glaube, er hat Schmerzen« statt »Er hat Schmerzen«. Aber das ist alles. –– Was hier wie eine Erklärung oder Aussage über die seelischen Vorgänge ausschaut, ist in Wahrheit ein Vertauschen einer Redeweise für eine andere, die, während wir philosophieren, uns die treffendere scheint. | |||
Versuch einmal – in einem wirklichen Fall – die Angst, die Schmerzen des Andern zu bezweifeln. | |||
'''304'''. »Aber du wirst doch zugeben, daß ein Unterschied ist, zwischen Schmerzbenehmen mit Schmerzen und Schmerzbenehmen ohne Schmerzen.« – Zugeben? Welcher Unterschied könnte größer sein! – »Und doch gelangst du immer wieder zum Ergebnis, die Empfindung selbst sei ein Nichts.« – Nicht doch. Sie ist kein Etwas, aber auch nicht ein Nichts! Das Ergebnis war nur, daß ein Nichts die gleichen Dienste täte wie ein Etwas, worüber sich nichts aussagen läßt. Wir verwarfen nur die Grammatik, die sich uns hier aufdrängen will. | |||
Das Paradox verschwindet nur dann, wenn wir radikal mit der Idee brechen, die Sprache funktioniere immer auf ''eine'' Weise, diene immer dem gleichen Zweck: Gedanken zu übertragen – seien diese nun Gedanken über Häuser, Schmerzen, Gut und Böse, oder was immer. | |||
'''305'''. »Aber du kannst doch nicht leugnen, daß, z.B., beim Erinnern ein innerer Vorgang stattfindet.« – Warum macht es denn den Eindruck, als wollten wir etwas leugnen? Wenn man sagt »Es findet doch dabei ein innerer Vorgang statt« – so will man fortsetzen: »Du ''siehst'' es doch.« Und es ist doch dieser innere Vorgang, den man mit dem Wort »sich erinnern« meint. – Der Eindruck, als wollten wir etwas leugnen, rührt daher, daß wir uns gegen das Bild vom ›innern Vorgang‹ wenden. Was wir leugnen, ist, daß das Bild vom Innern Vorgang uns die richtige Idee von der Verwendung des Wortes »erinnern« gibt. Ja wir sagen, daß dieses Bild mit seinen Ramifikationen uns verhindert, die Verwendung des Wortes zu sehen, wie sie ist. | |||
'''306'''. Warum soll ich denn leugnen, daß ein geistiger Vorgang da ist?! Nur heißt »Es hat jetzt in mir der geistige Vorgang der Erinnerung an ... stattgefunden« nichts andres als: »Ich habe mich jetzt an ... erinnert«. Den geistigen Vorgang leugnen, hieße, das Erinnern leugnen; leugnen, daß irgend jemand sich je an etwas erinnert. | |||
'''307'''. »Bist du nicht doch ein verkappter Behaviourist? Sagst du nicht doch, im Grunde, daß alles Fiktion ist, außer dem menschlichen Benehmen?« – Wenn ich von einer Fiktion rede, dann von einer grammatischen Fiktion. | |||
'''308'''. Wie kommt es nur zum philosophischen Problem der seelischen Vorgänge und Zustände und des Behaviourism? –– Der erste Schritt ist der ganz unauffällige. Wir reden von Vorgängen und Zuständen, und lassen ihre Natur unentschieden! Wir werden vielleicht einmal mehr über sie wissen – meinen wir. Aber eben dadurch haben wir uns auf eine bestimmte Betrachtungsweise festgelegt. Denn wir haben einen bestimmten Begriff davon, was es heißt: einen Vorgang näher kennen zu lernen. (Der entscheidende Schritt im Taschenspielerkunststück ist getan, und gerade er schien uns unschuldig.) – Und nun zerfällt der Vergleich, der uns unsere Gedanken hätte begreiflich machen sollen. Wir müssen also den noch unverstandenen Prozeß im noch unerforschten Medium leugnen. Und so scheinen wir also die geistigen Vorgänge geleugnet zu haben. Und wollen sie doch natürlich nicht leugnen! | |||
'''309'''. Was ist dein Ziel in der Philosophie? – Der Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglas zeigen. | |||
'''310'''. Ich sage jemandem, ich habe Schmerzen. Seine Einstellung zu mir wird nun die des Glaubens sein; des Unglaubens; des Mißtrauens; usw. | |||
Nehmen wir an, er sagt: »Es wird nicht so schlimm sein.« – Ist das nicht der Beweis dafür, daß er an etwas glaubt, das hinter der Schmerzäußerung steht? –– Seine Einstellung ist ein Beweis seiner Einstellung. Denke dir nicht nur den Satz »Ich habe Schmerzen«, sondern auch die Antwort »Es wird nicht so schlimm sein« durch Naturlaute und Gebärden ersetzt! | |||
'''311'''. »Welcher Unterschied könnte größer sein!« – Im Falle der Schmerzen glaube ich, ich könne mir diesen Unterschied privatim vorführen. Den Unterschied aber zwischen einem abgebrochenen und einem nicht abgebrochenen Zahn kann ich Jedem vorführen. – Aber zu der privaten Vorführung brauchst du dir gar nicht Schmerzen hervorzurufen, sondern es genügt, wenn du dir sie ''vorstellst'', – z. B. ein wenig das Gesicht verziehst. Und weißt du, daß, was du dir so vorführst, Schmerzen sind, und nicht z. B. ein Gesichtsausdruck? Wie weißt du auch, was du dir vorführen sollst, ehe du dir’s vorführst? Diese ''private'' Vorführung ist eine Illusion. | |||
'''312'''. Aber sind die Fälle des Zahnes und der Schmerzen nicht doch wieder ähnlich? Denn der Gesichtsempfindung im einen entspricht die Schmerzempfindung im ändern. Die Gesichtsempfindung kann ich mir so wenig vorführen, oder so gut, wie die Schmerzempfindung. | |||
Denken wir uns diesen Fall: Die Oberflächen der Dinge unsrer Umgebung (Steine, Pflanzen, etc. etc.) hätten Flecken und Zonen, die unsrer Haut bei der Berührung Schmerz verursachten. (Etwa durch die chemische Beschaffenheit dieser Oberflächen. Aber das brauchen wir nicht zu wissen.) Wir würden nun, wie heute von einem rotgefleckten Blatt einer bestimmten Pflanze, von einem Blatt mit Schmerzflecken reden. Ich denke mir, daß die Wahrnehmung dieser Flecken und ihrer Gestalt für uns von Nutzen wäre, daß wir aus ihr Schlüsse auf wichtige Eigenschaften der Dinge ziehen könnten. | |||
'''313'''. Ich kann Schmerzen vorführen, wie ich Rot vorführe, und wie ich Gerade und Krumm und Baum und Stein vorführe. – ''Das nennen'' wir eben »vorführen«. | |||
'''314'''. Es zeigt ein fundamentales Mißverständnis an, wenn ich meinen gegenwärtigen Zustand der Kopfschmerzen zu betrachten geneigt bin, um über das philosophische Problem der Empfindung ins Klare zu kommen. | |||
'''315'''. Könnte der das Wort »Schmerz« verstehen, der ''nie'' Schmerz gefühlt hat? – Soll die Erfahrung mich lehren, ob es so ist oder nicht? – Und wenn wir sagen »Einer kann sich Schmerzen nicht vorstellen, außer er hat sie einmal gefühlt« – woher wissen wir das? Wie läßt sich entscheiden, ob das wahr ist? | |||
'''316'''. Um über die Bedeutung des Wortes »denken« klar zu werden, schauen wir uns selbst beim Denken zu: Was wir da beobachten, werde das sein, was das Wort bedeutet! – Aber so wird dieser Begriff eben nicht gebraucht. (Es wäre ähnlich, wenn ich, ohne Kenntnis des Schachspiels, durch genaues Beobachten des letzten Zuges einer Schachpartie herausbringen wollte, was das Wort »mattsetzen« bedeutet.) | |||
'''317'''. Irreführende Parallele: Der Schrei, ein Ausdruck des Schmerzes – der Satz, ein Ausdruck des Gedankens! | |||
Als wäre es der Zweck des Satzes, Einen wissen zu lassen, wie es dem Andern zu Mute ist: Nur, sozusagen, im Denkapparat und nicht im Magen. | |||
'''318'''. Wenn wir denkend sprechen, oder auch schreiben – ich meine, wie wir es gewöhnlich tun – so werden wir, im allgemeinen, nicht sagen, wir dächten schneller, als wir sprechen; sondern der Gedanke erscheint hier vom Ausdruck ''nicht abgelöst''. Anderseits aber redet man von der Schnelle des Gedankens; wie ein Gedanke uns blitzartig durch den Kopf geht, wie Probleme uns mit einem Schlage klar werden, etc. Da liegt es nahe, zu fragen: Geschieht beim blitzartigen Denken das gleiche, wie beim nicht gedankenlosen Sprechen, – nur äußerst beschleunigt? So daß also im ersten Fall das Uhrwerk gleichsam mit einem Ruck abläuft, im zweiten aber, durch die Worte gehemmt, Schritt für Schritt. | |||
'''319'''. Ich kann in demselben Sinn blitzartig einen Gedanken ganz vor mir sehen, oder verstehen, wie ich ihn mit wenigen Worten oder Strichen notieren kann. | |||
Was macht diese Notiz zu einer Zusammenfassung dieses Gedankens? | |||
'''320'''. Der blitzartige Gedanke kann sich zum ausgesprochenen verhalten wie die algebraische Formel zu einer Zahlenfolge, die ich aus ihr entwickle. | |||
Wird mir z.B. eine algebraische Funktion gegeben, so bin ich SICHER, ich werde ihre Werte für die Argumente 1, 2, 3, bis 10 berechnen können. Man wird diese Sicherheit ›wohlbegründet‹ nennen, denn ich habe gelernt, solche Funktionen zu berechnen, usw. In andern Fällen wird sie nicht begründet sein, – aber durch den Erfolg dennoch gerechtfertigt. | |||
'''321'''. »Was geschieht, wenn ein Mensch plötzlich versteht?« – Die Frage ist schlecht gestellt. Fragt sie nach der Bedeutung des Ausdrucks »plötzlich verstehen«, so ist die Antwort nicht das Hinweisen auf einen Vorgang, den wir so nennen. – Die Frage könnte bedeuten: Was sind Anzeichen dafür, daß Einer plötzlich versteht; welches sind die charakteristischen psychischen Begleiterscheinungen des plötzlichen Verstehens? | |||
(Es ist kein Grund, anzunehmen, daß ein Mensch die Ausdrucksbewegungen seines Gesichts, z.B., oder die für eine Gemütsbewegung charakteristischen Veränderungen in seiner Atmung, fühle. Auch wenn er sie fühlt, sobald er seine Aufmerksamkeit auf sie lenkt.) ((Positur.)) | |||
'''322'''. Daß die Antwort auf die Frage nach der Bedeutung des Ausdrucks mit dieser Beschreibung nicht gegeben ist, verleitet dann zu der Folgerung, das Verstehen sei eben ein spezifisches, undefinierbares, Erlebnis. Man vergißt aber, daß, was uns interessieren muß, die Frage ist: Wie ''vergleichen'' wir diese Erlebnisse; was ''legen wir fest'' als Kriterium der Identität des Geschehnisses? | |||
'''323'''. »Jetzt weiß ich weiter!« ist ein Ausruf; er entspricht einem Naturlaut, einem freudigen Aufzucken. Aus meiner Empfindung folgt natürlich nicht, daß ich nicht stecken bleibe, sowie ich versuche, weiterzugehen. – Es gibt da Fälle, in denen ich sagen werde: »Als ich sagte, ich wisse weiter, da ''war'' es so.« Das wird man z.B. sagen, wenn eine unvorhergesehene Störung eingetreten ist. Aber das Unvorhergesehene dürfte nicht einfach das sein, daß ich steckenblieb. | |||
Es wäre auch denkbar, daß Einer immer wieder Scheinerleuchtungen hätte, – ausriefe »Jetzt hab ich’s!« und es dann nie durch die Tat rechtfertigen könnte. – Es könnte ihm scheinen, als vergäße er augenblicklich wieder die Bedeutung des Bildes, das ihm vorschwebte. | |||
'''324'''. Wäre es richtig zu sagen, es handle sich hier um Induktion, und ich sei so sicher, daß ich die Reihe werde fortsetzen können, wie ich es bin, daß dieses Buch zur Erde fallen wird, wenn ich es auslasse; und ich wäre nicht erstaunter, wenn ich plötzlich ohne offenbare Ursache im Entwickeln der Reihe steckenbliebe, als ich es wäre, wenn das Buch, statt zu fallen, in der Luft schweben bliebe? – Darauf will ich antworten, daß wir eben auch zu ''dieser'' Sicherheit keiner Gründe bedürfen. Was könnte die Sicherheit ''mehr'' rechtfertigen als der Erfolg? | |||
'''325'''. »Die Gewißheit, daß ich werde fortsetzen können, nachdem ich dies Erlebnis gehabt habe – z.B. diese Formel gesehen habe – gründet sich einfach auf Induktion.« Was heißt das? – »Die Gewißheit, daß das Feuer mich brennen wird, gründet sich auf Induktion.« Heißt dies, daß ich bei mir schließe »Ich habe mich immer an einer Flamme verbrannt, also wird es auch jetzt geschehen«? Oder ist die frühere Erfahrung die ''Ursache'' meiner Gewißheit, nicht ihr Grund? Ist die frühere Erfahrung die Ursache der Gewißheit – das kommt auf das System von Hypothesen, Naturgesetzen an, in welchem wir das Phänomen der Gewißheit betrachten. | |||
Ist die Zuversicht gerechtfertigt? – Was die Menschen als Rechtfertigung gelten lassen, – zeigt, wie sie denken und leben. | |||
'''326'''. Wir erwarten ''dies'' und werden von ''dem'' überrascht; aber die Kette der Gründe hat ein Ende. | |||
'''327'''. »Kann man denken, ohne zu reden?« – Und was ist ''Denken? –'' Nun, denkst du nie? Kannst du dich nicht beobachten und sehen, was da vorgeht? Das sollte doch einfach sein. Du mußt ja darauf nicht, wie auf ein astronomisches Ereignis warten und dann etwa in Eile deine Beobachtung machen. | |||
'''328'''. Nun, was nennt man noch »denken«? Wofür hat man gelernt, das Wort zu benützen? – Wenn ich sage, ich habe gedacht, – muß ich da immer recht haben? – Was für eine ''Art'' des Irrtums gibt es da? Gibt es Umstände, unter denen man fragen würde: »War, was ich da getan habe, wirklich ein Denken; irre ich mich nicht?« Wenn jemand, im Verlauf eines Gedankengangs, eine Messung ausführt: hat er das Denken unterbrochen, wenn er beim Messen nicht zu sich selbst spricht? | |||
'''329'''. Wenn ich in der Sprache denke, so schweben mir nicht neben dem sprachlichen Ausdruck noch ›Bedeutungen‹ vor; sondern die Sprache selbst ist das Vehikel des Denkens. | |||
'''330'''. Ist Denken eine Art Sprechen? Man möchte sagen, es ist das, was denkendes Sprechen vom gedankenlosen Sprechen unterscheidet. – Und da scheint es eine Begleitung des Sprechens zu sein. Ein Vorgang, der vielleicht auch etwas anderes begleiten, oder selbständig ablaufen kann. | |||
Sprich die Zeile: »Die Feder ist wohl stumpf. Nu, nu, sie geht.« Einmal denkend; dann gedankenlos; dann denk nur den Gedanken, aber ohne die Worte. – Nun, ich könnte, im Laufe einer Handlung, die Spitze meiner Feder prüfen, mein Gesicht verziehen, – dann mit einer Gebärde der Resignation weiterschreiben. – Ich könnte auch, mit irgendwelchen Messungen beschäftigt, so handeln, daß, wer mir zusieht, sagen würde, ich habe – ohne Worte – gedacht: Sind zwei Größen einer dritten gleich, so sind sie untereinander gleich. – Aber was hier das Denken ausmacht, ist nicht ein Vorgang, der die Worte begleiten muß, wenn sie nicht gedankenlos ausgesprochen sein sollen. | |||
'''331'''. Stell dir Menschen vor, die nur laut denken könnten! (Wie es Menschen gibt, die nur laut lesen können.) | |||
'''332'''. »Denken« nennen wir wohl manchmal, den Satz mit einem seelischen Vorgang begleiten, aber »Gedanke« nennen wir nicht jene Begleitung. –– Sprich einen Satz und denke ihn; sprich ihn mit Verständnis! – Und nun sprich ihn nicht, und tu nur das, womit du ihn beim verständnisvollen Sprechen begleitet hast! – (Sing dies Lied mit Ausdruck! Und nun sing es nicht, aber wiederhole den Ausdruck! – Und man könnte auch hier etwas wiederholen; z.B. Schwingungen des Körpers, langsameres und schnelleres Atmen, etc.) | |||
'''333'''. »Das kann nur Einer sagen, der davon ''überzeugt'' ist.« – Wie hilft ihm die Überzeugung, wenn er es sagt? – Ist sie dann neben dem gesprochenen Ausdruck vorhanden? (Oder wird sie von diesem zugedeckt, wie ein leiser Ton von einem lauten, so daß sie gleichsam nicht mehr gehört werden kann, wenn man sie laut ausdrückt?) Wie, wenn Einer sagte: »Damit man eine Melodie nach dem Gedächtnis singen kann, muß man sie im Geiste hören und sie nachsingen« ? | |||
'''334'''. »Du wolltest also eigentlich sagen ...« – Mit dieser Redeweise leiten wir Jemand von einer Ausdrucksform zu einer andern. Man ist versucht, das Bild zu gebrauchen: das, was er eigentlich ›sagen wollte‹, was er ›meinte‹, sei, noch ehe wir es aussprachen, in seinem Geist vorhanden gewesen. Was uns dazu bewegt, einen Ausdruck aufzugeben und an seiner Stelle einen andern anzunehmen, kann von mannigfacher Art sein. Das zu verstehen, ist es nützlich, das Verhältnis zu betrachten, in welchem Lösungen mathematischer Probleme zum Anlaß und Ursprung ihrer Fragestellung stehen. Der Begriff ›Dreiteilung des Winkels mit Lineal und Zirkel‹, wenn Einer nach der Dreiteilung sucht, und anderseits, wenn bewiesen ist, daß es sie nicht gibt. | |||
'''335'''. Was geschieht, wenn wir uns bemühen – etwa beim Schreiben eines Briefes – den richtigen Ausdruck für unsere Gedanken zu finden? – Diese Redeweise vergleicht den Vorgang dem einer Übersetzung, oder Beschreibung: Die Gedanken sind da (etwa schon vorher), und wir suchen nur noch nach ihrem Ausdruck. Dieses Bild trifft für verschiedene Fälle mehr oder weniger zu. – Aber was kann hier nicht alles geschehen! – Ich gebe mich einer Stimmung hin, und der Ausdruck ''kommt''. Oder: es schwebt mir ein Bild vor, das ich zu beschreiben trachte. Oder: es fiel mir ein englischer Ausdruck ein, und ich will mich auf den entsprechenden deutschen besinnen. Oder: ich mache eine Gebärde, und frage mich: »Welches sind die Worte, die dieser Gebärde entsprechen?« Etc. | |||
Wenn man nun fragte »Hast du den Gedanken, ehe du den Ausdruck hattest?« – was müßte man da antworten? Und was auf die Frage: »Worin bestand der Gedanke, wie er vor dem Ausdruck vorhanden war?« | |||
'''336'''. Es liegt hier ein Fall vor, ähnlich dem, wenn jemand sich vorstellt, man könne einen Satz mit der merkwürdigen Wortstellung der deutschen oder lateinischen Sprache nicht einfach denken, wie er dasteht. Man müsse ihn zuerst denken, und dann bringt man die Wörter in jene seltsame Ordnung. (Ein französischer Politiker schrieb einmal, es sei eine Eigentümlichkeit der französischen Sprache, daß in ihr die Worte in der Ordnung stehen, in welcher man sie denkt.) | |||
'''337'''. Aber habe ich nicht die Gesamtform des Satzes, z.B., schon an seinem Anfang beabsichtigt? Also war er mir doch schon im Geiste, ehe er noch ausgesprochen war! – Wenn er mir im Geiste war, dann, im allgemeinen, nicht mit anderer Wortstellung. Aber wir machen uns hier wieder ein irreführendes Bild vom ›Beabsichtigen‹; d.h., vom Gebrauch dieses Worts. Die Absicht ist eingebettet in der Situation, den menschlichen Gepflogenheiten und Institutionen. Gäbe es nicht die Technik des Schachspiels, so könnte ich nicht beabsichtigen, eine Schachpartie zu spielen. Soweit ich die Satzform im voraus beabsichtige, ist dies dadurch ermöglicht, daß ich deutsch sprechen kann. | |||
'''338'''. Man kann doch nur etwas sagen, wenn man sprechen gelernt hat. Wer also etwas sagen ''will'', muß dazu auch gelernt haben, eine Sprache beherrschen; und doch ist es klar, daß er beim Sprechenwollen nicht sprechen mußte. Wie er auch beim Tanzenwollen nicht tanzt. | |||
Und wenn man darüber nachdenkt, so greift der Geist nach der ''Vorstellung'' des Tanzens, Redens, etc. | |||
'''339'''. Denken ist kein unkörperlicher Vorgang, der dem Reden Leben und Sinn leiht, und den man vom Reden ablösen könnte, gleichsam wie der Böse den Schatten Schlemihls vom Boden abnimmt. –– Aber wie: »kein unkörperlicher Vorgang«? Kenne ich also unkörperliche Vorgänge, das Denken aber ist nicht einer von ihnen? Nein; das Wort »unkörperlicher Vorgang« nahm ich mir zu Hilfe, in meiner Verlegenheit, da ich die Bedeutung des Wortes »denken« auf primitive Weise erklären wollte. | |||
Man könnte aber sagen »Denken ist ein unkörperlicher Vorgang«, wenn man dadurch die Grammatik des Wortes »denken« von der des Wortes »essen«, z.B., unterscheiden will. Nur erscheint dadurch der Unterschied der Bedeutung ''zu gering''. (Ähnlich ist es, wenn man sagt: die Zahlzeichen seien wirkliche, die Zahlen nicht-wirkliche Gegenstände.) Eine unpassende Ausdrucksweise ist ein sicheres Mittel, in einer Verwirrung stecken zu bleiben. Sie verriegelt gleichsam den Ausweg aus ihr. | |||
'''340'''. Wie ein Wort funktioniert, kann man nicht erraten. Man muß seine Anwendung ''ansehen'' und daraus lernen. | |||
Die Schwierigkeit aber ist, das Vorurteil zu beseitigen, das diesem Lernen entgegensteht. Es ist kein ''dummes'' Vorurteil. | |||
'''341'''. Gedankenloses und nicht gedankenloses Sprechen ist zu vergleichen dem gedankenlosen und nicht gedankenlosen Spielen eines Musikstücks. | |||
'''342'''. William James, um zu zeigen, daß Denken ohne Sprechen möglich ist, zitiert die Erinnerung eines Taubstummen, Mr. Ballard, welcher schreibt, er habe in seiner frühen Jugend, noch ehe er sprechen konnte, sich über Gott und die Welt Gedanken gemacht. – Was das wohl heißen mag! – Ballard schreibt: »It was during those delightful rides, some two or three years before my initiation into the rudiments of written language, that I began to ask myself the question: how came the world into being?« – Bist du sicher, daß dies die richtige Übersetzung deiner wortlosen Gedanken in Worte ist? – möchte man fragen. Und warum reckt diese Frage – die doch sonst gar nicht zu existieren scheint – hier ihren Kopf hervor? Will ich sagen, es täusche den Schreiber sein Gedächtnis? – Ich weiß nicht einmal, ob ich ''das'' sagen würde. Diese Erinnerungen sind ein seltsames Gedächtnisphänomen – und ich weiß nicht, welche Schlüsse auf die Vergangenheit des Erzählers man aus ihnen ziehen kann! | |||
'''343'''. Die Worte, mit denen ich meine Erinnerung ausdrücke, sind meine Erinnerungsreaktion. | |||
'''344'''. Wäre es denkbar, daß Menschen nie eine hörbare Sprache sprächen, wohl aber eine im Innern, in der Vorstellung, zu sich selber? | |||
»Wenn die Menschen immer nur in ihrem Innern zu sich selbst sprächen, so täten sie schließlich nur dasjenige ''beständig'', was sie auch heute ''manchmal'' tun.« – Es ist also ganz leicht, sich dies vorzustellen; man braucht nur den leichten Übergang von Einigen zu Allen zu machen. (Ähnlich: »Eine unendlich lange Baumreihe ist einfach eine, die ''nicht'' zu einem Ende kommt«.) Unser Kriterium dafür, daß Einer zu sich selbst spricht, ist das, was er uns sagt, und sein übriges Verhalten; und wir sagen nur von dem, er spräche zu sich selbst, der, im gewöhnlichen Sinne, ''sprechen kann''. Und wir sagen es auch nicht von einem Papagei; und nicht von einem Grammophon. | |||
'''345'''. »Was manchmal geschieht, könnte immer geschehen« – was wäre das für ein Satz? Ein ähnlicher, wie dieser: Wenn »F(a)« Sinn hat, hat »(x).F(x)« Sinn. | |||
»Wenn es vorkommen kann, daß Einer in einem Spiel falsch zieht, so könnte es sein, daß alle Menschen in allen Spielen nichts als falsche Züge machten.« – Wir sind also in der Versuchung, hier die Logik unsrer Ausdrücke mißzuverstehen, den Gebrauch unsrer Worte unrichtig darzustellen. | |||
Befehle werden manchmal nicht befolgt. Wie aber würde es aussehen, wenn Befehle ''nie'' befolgt würden? Der Begriff ›Befehl‹ hätte seinen Zweck verloren. | |||
'''346'''. Aber könnten wir uns nicht vorstellen, daß Gott einem Papagei plötzlich Verstand schenkte, und dieser nun zu sich selbst redete? – Aber hier ist es wichtig, daß ich zu dieser Vorstellung die Vorstellung von einer Gottheit zu Hilfe nahm. | |||
'''347'''. »Aber ich weiß doch von mir selbst, was es heißt ›zu sich selbst sprechen‹. Und würde ich der Organe des lauten Sprechens beraubt, so könnte ich dennoch in mir Selbstgespräche führen.« | |||
Weiß ich’s nur von mir selbst, dann weiß ich also nur, was ''ich'' so nenne, nicht, was ein Andrer so nennt. | |||
'''348'''. »Diese Taubstummen haben alle nur eine Gebärdensprache gelernt, Jeder aber spricht zu sich selbst im Innern eine Lautsprache.« – Nun, verstehst du das nicht? – Wie weiß ich nur, ob ich’s verstehe?! – Was kann ich mit dieser Mitteilung (wenn’s eine ist) anfangen? Die ganze Idee des Verstehens erhält hier einen verdächtigen Geruch. Ich weiß nicht, ob ich sagen soll, ich versteh’s, oder ich versteh’s nicht. Ich möchte antworten: »Es ist ein deutscher Satz; ''scheinbar'' ganz in Ordnung, – ehe man nämlich mit ihm arbeiten will; er steht mit andern Sätzen in einem Zusammenhang, der es uns schwer macht zu sagen, man wisse eigentlich nicht, was er uns mitteilt; Jeder, der nicht durch Philosophieren empfindungslos geworden ist, merkt, daß hier etwas nicht stimmt.« | |||
'''349'''. »Aber diese Annahme hat doch gewiß einen guten Sinn!« – Ja; diese Worte und dies Bild haben unter gewöhnlichen Umständen eine uns geläufige Anwendung. – Nehmen wir aber einen Fall an, in welchem diese Anwendung wegfällt, so werden wir uns nun gleichsam zum ersten Male der Nacktheit der Worte und des Bildes bewußt. | |||
'''350'''. »Aber wenn ich annehme, Einer habe Schmerzen, so nehme ich einfach an, er habe dasselbe, was ich so oft gehabt habe.« – Das führt uns nicht weiter. Es ist, als sagte ich: »Du weißt doch, was es heißt ›Es ist hier 5 Uhr‹; dann weißt du auch, was es heißt, es sei 5 Uhr auf der Sonne. Es heißt eben, es sei dort ebensoviel Uhr wie hier, wenn es hier 5 Uhr ist.« – Die Erklärung mittels der ''Gleichheit'' funktioniert hier nicht. Weil ich zwar weiß, daß man 5 Uhr hier »die gleiche Zeit« nennen kann, wie 5 Uhr dort, aber eben nicht weiß, in welchem Falle man von Zeitgleichheit hier und dort sprechen soll. | |||
Geradeso ist es keine Erklärung, zu sagen: die Annahme, er habe Schmerzen, sei eben die Annahme, er habe das Gleiche wie ich. Denn ''dieser'' Teil der Grammatik ist mir wohl klar: daß man nämlich sagen werde, der Ofen habe das gleiche Erlebnis wie ich, ''wenn'' man sagt: er habe Schmerzen und ich habe Schmerzen. | |||
'''351'''. Wir möchten doch immer sagen: »Schmerzgefühl ist Schmerzgefühl – ob ''er'' es hat, oder ''ich'' es habe; und wie immer ich erfahre, ob er eines hat oder nicht.« – Damit könnte ich mich einverstanden erklären. – Und wenn du mich fragst: »Weißt du denn nicht, was ich meine, wenn ich sage, der Ofen habe Schmerzen?« – so kann ich antworten: Diese Worte können mich zu allerlei Vorstellungen führen; aber weiter geht ihr Nutzen nicht. Und ich kann mir auch etwas bei den Worten vorstellen »Es war gerade 5 Uhr nachmittag auf der Sonne« – nämlich etwa eine Pendeluhr, die auf 5 zeigt. – Noch besser wäre aber das Beispiel der Anwendung von »oben« und »unten« auf die Erdkugel. Hier haben wir alle eine ganz deutliche Vorstellung davon, was »oben« und »unten« bedeutet. Ich sehe doch, daß ich oben bin; die Erde ist doch unter mir! (Lächle ja nicht über dieses Beispiel. Es wird uns zwar schon in der Volksschule beigebracht, daß es dumm ist, so etwas zu sagen. Aber es ist eben viel leichter, ein Problem zuzuschütten, als es zu lösen.) Und erst eine Überlegung zeigt uns, daß in diesem Fall »oben« und »unten« nicht auf die gewohnte Weise zu gebrauchen sind. (Daß wir z.B. von den Antipoden als den Menschen ›unter‹ unserem Erdteil reden können, es aber nun für richtig anerkennen müssen, wenn sie auf uns den gleichen Ausdruck anwenden.) | |||
'''352'''. Hier geschieht es nun, daß uns unser Denken einen seltsamen Streich spielt. Wir wollen nämlich das Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten zitieren und sagen: »Entweder es schwebt ihm ein solches Bild vor, oder nicht; ein Drittes gibt es nicht!« – Dieses seltsame Argument treffen wir auch in andern Gebieten der Philosophie. »In der unendlichen Entwicklung von π kommt einmal die Gruppe ›7777‹ vor, oder nicht – ein Drittes gibt es nicht.« D.h.: Gott sieht es – aber wir wissen es nicht. Was bedeutet das aber? – Wir gebrauchen ein Bild; das Bild einer sichtbaren Reihe, die der Eine übersieht, der Andre nicht. Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten sagt hier: Es muß entweder ''so'' ausschaun, oder ''so''. Er sagt also eigentlich – und das ist ja selbstverständlich – gar nichts, sondern gibt uns ein Bild. Und das Problem soll nun sein: ob die Wirklichkeit mit dem Bild übereinstimme, oder nicht. Und dies Bild ''scheint'' nun, was wir zu tun, wie und wonach wir zu suchen haben, zu bestimmen – tut es aber nicht, weil wir eben nicht wissen, wie es zu applizieren ist. Wenn wir hier sagen »Es gibt kein Drittes«, oder »Es gibt doch kein Drittes!« – so drückt sich darin aus, daß wir den Blick von diesem Bild nicht wenden können, – das ausschaut, als müßte in ihm schon das Problem und seine Lösung liegen, während wir doch ''fühlen'', daß es nicht der Fall ist. | |||
Ebenso, wenn man sagt »Entweder hat er diese Empfindung, oder er hat sie nicht!« – so schwebt uns dabei vor allem ein Bild vor, das schon den Sinn der Aussagen ''unmißverständlich'' zu bestimmen scheint. »Du weißt jetzt, worum es sich handelt« – möchte man sagen. Und gerade das weiß er damit noch nicht. | |||
'''353'''. Die Frage nach der Art und Möglichkeit der Verifikation eines Satzes ist nur eine besondere Form der Frage »Wie meinst du das?« Die Antwort ist ein Beitrag zur Grammatik des Satzes. | |||
'''354'''. Das Schwanken in der Grammatik zwischen Kriterien und Symptomen läßt den Schein entstehen, als gäbe es überhaupt nur Symptome. Wir sagen etwa: »Die Erfahrung lehrt, daß es regnet, wenn das Barometer fällt, aber sie lehrt auch, daß es regnet, wenn wir bestimmte Gefühle der Nässe und Kälte haben, oder den und den Gesichtseindruck.« Als Argument dafür gibt man dann an, daß diese Sinneseindrücke uns täuschen können. Aber man bedenkt dabei nicht, daß die Tatsache, daß sie uns gerade den Regen vortäuschen, auf einer Definition beruht. | |||
'''355'''. Nicht darum handelt es sich, daß unsre Sinneseindrücke uns belügen können, sondern, daß wir ihre Sprache verstehen. (Und diese Sprache beruht, wie jede andere, auf Übereinkunft.) | |||
'''356'''. Man ist geneigt zu sagen: »Es regnet, oder es regnet nicht – wie ich das weiß, wie mich die Kunde davon erreicht hat, ist eine andere Sache.« Aber stellen wir also die Frage so: Was nenne ich »eine Kunde davon, daß es regnet«? (Oder habe ich auch von dieser Kunde nur Kunde erhalten?) Und was kennzeichnet denn diese ›Kunde‹ als Kunde von etwas? Leitet uns da nicht die Form unseres Ausdrucks irre? Ist das eben nicht eine irreführende Metapher: »Mein Auge gibt mir Kunde davon, daß dort ein Sessel stehe«? | |||
'''357'''. Wir sagen nicht, ein Hund spräche ''möglicherweise'' zu sich selber. Ist das, weil wir seine Seele so genau kennen? Nun, man könnte so sagen: Wenn man das Benehmen des Lebewesens sieht, sieht man seine Seele. – Aber sage ich auch von mir, ich spreche zu mir selber, weil ich mich so und so benehme? – Ich sage es ''nicht'' auf die Beobachtung meines Benehmens hin. Aber es hat nur Sinn, weil ich mich so benehme. – So hat es also nicht darum Sinn, weil ich es ''meine''? | |||
'''358'''. Aber ist es nicht unser ''Meinen'', das dem Satz Sinn gibt? (Und dazu gehört natürlich: Sinnlose Wortreihen kann man nicht meinen.) Und das Meinen ist etwas im seelischen Bereich. Aber es ist auch etwas Privates! Es ist das ungreifbare Etwas; vergleichbar nur dem Bewußtsein selbst. | |||
Wie könnte man das lächerlich finden! es ist ja, gleichsam, ein Traum unserer Sprache. | |||
'''359'''. Könnte eine Maschine denken? –– Könnte sie Schmerzen haben? – Nun, soll der menschliche Körper so eine Maschine heißen? Er kommt doch am nächsten dazu, so eine Maschine zu sein. | |||
'''360'''. Aber eine Maschine kann doch nicht denken! – Ist das ein Erfahrungssatz? Nein. Wir sagen nur vom Menschen, und was ihm ähnlich ist, es denke. Wir sagen es auch von Puppen und wohl auch von Geistern. Sieh das Wort »denken« als Instrument an! | |||
'''361'''. Der Sessel denkt bei sich selber: .... | |||
Wo? In einem seiner Teile? Oder außerhalb seines Körpers; in der Luft um ihn? Oder gar nicht ''irgendwo''? Aber was ist dann der Unterschied zwischen dem inneren Sprechen dieses Sessels und eines ändern, der daneben steht? – Aber wie ist es dann mit dem Menschen: Wo spricht ''er'' zu sich selber? Wie kommt es, daß diese Frage sinnlos scheint; und keine Ortsbestimmung nötig ist, außer der, daß eben dieser Mensch zu sich selbst spricht? Während die Frage, ''wo'' der Sessel mit sich selbst spreche, eine Antwort zu verlangen scheint. – Der Grund ist: Wir wollen wissen, ''wie'' der Sessel hier einem Menschen gleichen soll; ob der Kopf z.B. am obern Ende der Lehne ist, usw. | |||
Wie ist das, wenn man im Innern zu sich selbst spricht; was geht da vor? – Wie soll ich’s erklären? Nun, nur so, wie du Einen die Bedeutung des Ausdrucks »zu sich selbst sprechen« lehren kannst. Und als Kinder lernen wir ja diese Bedeutung. – Nur, daß niemand sagen wird, wer sie uns lehrt, sage uns, ›was da vorgehe‹. | |||
'''362'''. Vielmehr scheint es uns, als ob der Lehrer in diesem Falle dem Schüler die Bedeutung ''beibringe'' – ohne sie ihm direkt zu sagen; daß aber der Schüler endlich dazu gebracht wird, sich selbst die richtige hinweisende Erklärung zu geben. Und hierin liegt unsre Illusion. | |||
'''363'''. »Wenn ich mir etwas vorstelle, so ''geschieht'' doch wohl etwas!« Nun, es geschieht etwas – und wozu mache ich dann einen Lärm? Wohl dazu, was geschieht, mitzuteilen. – Aber wie teilt man denn überhaupt etwas mit? Wann sagt man, etwas werde mitgeteilt? – Was ist das Sprachspiel des Mitteilens? | |||
Ich möchte sagen: du siehst es für viel zu selbstverständlich an, daß man Einem etwas mitteilen kann. Das heißt: Wir sind so sehr an die Mitteilung durch Sprechen, im Gespräch, gewöhnt, daß es uns scheint, als läge der ganze Witz der Mitteilung darin, daß ein Andrer den Sinn meiner Worte – etwas Seelisches – auffaßt, sozusagen in seinen Geist aufnimmt. Wenn er dann auch noch etwas damit anfängt, so gehört das nicht mehr zum unmittelbaren Zweck der Sprache. | |||
Man möchte sagen »Die Mitteilung bewirkt, daß er ''weiß'', daß ich Schmerzen habe; sie bewirkt dies geistige Phänomen; alles Andere ist der Mitteilung unwesentlich.« Was dieses merkwürdige Phänomen des Wissens ist – damit läßt man sich Zeit. Seelische Vorgänge sind eben merkwürdig. (Es ist, als sagte man: »Die Uhr zeigt uns die Zeit an. ''Was'' die Zeit ist, ist noch nicht entschieden. Und ''wozu'' man die Zeit abliest – das gehört nicht hierher.«) | |||
'''364'''. Jemand macht eine Berechnung im Kopf. Das Ergebnis verwendet er, sagen wir, beim Bauen einer Brücke, oder Maschine. – Willst du sagen, er habe diese Zahl ''eigentlich'' nicht durch Berechnung gefunden? Sie sei ihm etwa, nach einer Art Träumerei, in den Schoß gefallen? Es mußte doch da gerechnet werden, und ist gerechnet worden. Denn er ''weiß'', daß, und wie, er gerechnet hat; und das richtige Resultat wäre ohne Rechnung nicht erklärbar. –– Wie aber, wenn ich sagte: »Es ''kommt ihm vor'', er habe gerechnet. Und warum soll sich das richtige Resultat erklären lassen? Ist es nicht unverständlich genug, daß er ohne ein Wort, oder Schriftzeichen, RECHNEN konnte?« – | |||
Ist das Rechnen in der Vorstellung in gewissem Sinne unwirklicher als das auf dem Papier? Es ist das ''wirkliche'' – Kopfrechnen. – Ist es ähnlich dem Rechnen auf dem Papier? – Ich weiß nicht, ob ich es ähnlich nennen soll. Ist ein Stück weißes Papier mit schwarzen Strichen drauf einem menschlichen Körper ähnlich? | |||
'''365'''. Spielen Adelheid und der Bischof eine ''wirkliche'' Schachpartie? – Freilich. Sie geben nicht bloß vor, eine zu spielen – wie es doch in einem Theaterstücke auch geschehen könnte. – Aber diese Partie hat doch z.B. keinen Anfang! – Doch; sonst wäre es ja keine Schachpartie. | |||
'''366'''. Ist das Rechnen im Kopf unwirklicher als das Rechnen auf dem Papier? – Man ist vielleicht geneigt, so etwas zu sagen; kann sich aber auch zur gegenteiligen Ansicht bringen, indem man sich sagt: Papier, Tinte, etc. seien nur logische Konstruktionen aus unsern Sinnesdaten. »Ich habe die Multiplikation ... im Kopfe ausgeführt« – ''glaube'' ich etwa so eine Aussage nicht? – Aber war es wirklich eine Multiplikation? Es war nicht bloß ›eine‹ Multiplikation, sondern ''diese'' – im Kopfe. Dies ist der Punkt, an dem ich irregehe. Denn ich will jetzt sagen: Es war irgend ein, dem Multiplizieren auf dem Papier ''entsprechender'', geistiger Vorgang. So daß es Sinn hätte, zu sagen: »''Dieser'' Vorgang im Geiste entspricht ''diesem'' Vorgang auf dem Papier.« Und es hätte dann Sinn, von einer Methode der Abbildung zu reden, nach welcher die Vorstellung des Zeichens das Zeichen selbst darstellt. | |||
'''367'''. Das Vorstellungsbild ist das Bild, das beschrieben wird, wenn Einer seine Vorstellung beschreibt. | |||
'''368'''. Ich beschreibe Einem ein Zimmer, und lasse ihn dann, zum Zeichen, daß er meine Beschreibung verstanden hat, ein ''impressionistisches'' Bild nach dieser Beschreibung malen. – Er malt nun die Stühle, die in meiner Beschreibung grün hießen, dunkelrot; wo ich »gelb« sagte, malt er blau. – Das ist der Eindruck, den er von diesem Zimmer erhielt. Und nun sage ich: »Ganz richtig; so sieht es aus.« | |||
'''369'''. Man möchte fragen: »Wie ist das – was geht da vor – wenn Einer im Kopfe rechnet?« – Und im besondern Fall kann die Antwort sein: »Ich addiere zuerst 17 und 18, dann subtrahiere ich 39 ...« Aber das ist nicht die Antwort auf unsre Frage. Was im Kopf rechnen heißt, wird auf ''solche'' Weise nicht erklärt. | |||
'''370'''. Nicht, was Vorstellungen sind, oder was da geschieht, wenn man sich etwas vorstellt, muß man fragen, sondern: wie das Wort »Vorstellung« gebraucht wird. Das heißt aber nicht, daß ich nur von Worten reden will. Denn soweit in meiner Frage vom Wort »Vorstellung« die Rede ist, ist sie’s auch in der Frage nach dem Wesen der Vorstellung. Und ich sage nur, daß diese Frage nicht durch ein Zeigen – weder für den Vorstellenden, noch für den Andern, zu erklären ist; noch durch die Beschreibung irgend eines Vorgangs. Nach einer Worterklärung fragt auch die erste Frage; aber sie lenkt unsre Erwartung auf eine falsche Art der Antwort. | |||
'''371'''. Das ''Wesen'' ist in der Grammatik ausgesprochen. | |||
'''372'''. Überlege: »Das einzige Korrelat in der Sprache zu einer Naturnotwendigkeit ist eine willkürliche Regel. Sie ist das Einzige, was man von dieser Naturnotwendigkeit in einen Satz abziehen kann.« | |||
'''373'''. Welche Art von Gegenstand etwas ist, sagt die Grammatik. (Theologie als Grammatik.) | |||
'''374'''. Die große Schwierigkeit ist hier, die Sache nicht so darzustellen, als ''könne'' man etwas nicht. Als wäre da wohl ein Gegenstand, von dem ich die Beschreibung abziehe, aber ich wäre nicht im Stande, ihn jemandem zu zeigen. –– Und das Beste, was ich vorschlagen kann, ist wohl, daß wir der Versuchung, dies Bild zu gebrauchen, nachgeben: aber nun untersuchen, wie die ''Anwendung'' dieses Bildes aussieht. | |||
'''375'''. Wie lehrt man jemand, leise für sich selbst lesen? Wie weiß man, wenn er’s kann? Wie weiß er selbst, daß er tut, was man von ihm verlangt? | |||
'''376'''. Wenn ich mir im Innern das ABC vorsage, was ist das Kriterium dafür, daß ich das Gleiche tue, wie ein Andrer, der es sich im Stillen vorsagt? Es könnte gefunden werden, daß in meinem Kehlkopf und in seinem das Gleiche dabei vorgeht. (Und ebenso, wenn wir beide an das Gleiche denken, das Gleiche wünschen, etc.) Aber lernten wir denn die Verwendung der Worte »sich im Stillen das und das vorsagen«, indem auf einen Vorgang im Kehlkopf, oder im Gehirn, hingewiesen wurde? Ist es nicht auch wohl möglich, daß meiner Vorstellung vom Laute a und seiner verschiedene physiologische Vorgänge entsprechen? Die Frage ist: ''Wie vergleicht'' man Vorstellungen? | |||
'''377'''. Ein Logiker denkt vielleicht: Gleich ist gleich – es ist eine psychologische Frage, wie ein Mensch sich von der Gleichheit überzeugt. (Höhe ist Höhe – es gehört in die Psychologie, daß der Mensch sie manchmal ''sieht'', manchmal ''hört''.) | |||
Was ist das Kriterium der Gleichheit zweier Vorstellungen? – Was ist das Kriterium der Röte einer Vorstellung? Für mich, wenn der Andre sie hat: was er sagt und tut. Für mich, wenn ich sie habe: gar nichts. Und was für »rot« gilt, gilt auch für »gleich«. | |||
'''378'''. »Ehe ich urteile, daß zwei meiner Vorstellungen gleich sind, muß ich sie doch als gleich erkennen.« Und wenn das geschehen ist, wie werde ich dann wissen, daß das Wort »gleich« meine Erkenntnis beschreibt? Nur dann, wenn ich diese Erkenntnis auf andere Weise ausdrücken, und ein Andrer mich lehren kann, daß hier »gleich« das richtige Wort ist. | |||
Denn, bedarf ich einer Berechtigung dafür, ein Wort zu gebrauchen, dann muß es eine auch für den Andern sein. | |||
'''379'''. Ich erkenne es erst als ''das''; und erinnere ich mich daran, wie das genannt wird. – Bedenke: In welchen Fällen kann man dies mit Recht sagen? | |||
'''380'''. Wie erkenne ich, daß dies rot ist? – »Ich sehe, daß es ''dies'' ist; und nun weiß ich, daß dies so heißt.« Dies? – Was?! Welche Art der Antwort hat auf diese Frage Sinn? | |||
(Du steuerst immer wieder auf eine innere hinweisende Erklärung hin.) | |||
Auf den ''privaten'' Übergang von dem Gesehenen zum Wort könnte ich keine Regeln anwenden. Hier hingen die Regeln wirklich in der Luft; da die Institution ihrer Anwendung fehlt. | |||
'''381'''. Wie erkenne ich, daß diese Farbe Rot ist? – Eine Antwort wäre: »Ich habe Deutsch gelernt.« | |||
'''382'''. Wie kann ich es ''rechtfertigen'', daß ich mir auf diese Worte hin diese Vorstellung mache? | |||
Hat mir jemand die Vorstellung der blauen Farbe gezeigt, und gesagt, daß ''sie'' es sei? | |||
Was bedeuten die Worte »''diese'' Vorstellung«? Wie zeigt man auf eine Vorstellung? Wie zeigt man zweimal auf die gleiche Vorstellung? | |||
'''383'''. Wir analysieren nicht ein Phänomen (z.B. das Denken), sondern einen Begriff (z.B. den des Denkens), und also die Anwendung eines Worts. So kann es scheinen, als wäre, was wir treiben, Nominalismus. Nominalisten machen den Fehler, daß sie alle Wörter als ''Namen'' deuten, also ihre Verwendung nicht wirklich beschreiben, sondern sozusagen nur eine papierene Anweisung auf so eine Beschreibung geben. | |||
'''384'''. Den ''Begriff'' ›Schmerz‹ hast du mit der Sprache gelernt. | |||
'''385'''. Frage dich: Wäre es denkbar, daß Einer im Kopfe rechnen lernte, ohne je schriftlich oder mündlich zu rechnen? – »Es lernen« heißt wohl: dazu gebracht werden, daß man’s kann. Und es fragt sich nur, was als Kriterium dafür gelten wird, daß jemand dies kann. –– Ist aber auch dies möglich, daß einem Volksstamm nur das Kopfrechnen bekannt ist, und kein andres? Hier muß man sich fragen »Wie wird das aussehen?« – Man wird sich dies also als einen Grenzfall ausmalen müssen. Und es wird sich dann fragen, ob wir hier noch den Begriff des ›Kopfrechnens‹ anwenden wollen – oder ob er unter solchen Umständen seinen Zweck eingebüßt hat; weil die Erscheinungen nun zu einem ändern Vorbild hin gravitieren. | |||
'''386'''. »Aber warum traust du dir selbst so wenig? Du weißt doch sonst immer, was ›rechnen‹ heißt. Wenn du also sagst, du habest in der Vorstellung gerechnet, so wird es eben so sein. Hättest du ''nicht'' gerechnet, so würdest du’s nicht sagen. Ebenso: wenn du sagst, du sähest etwas Rotes in der Vorstellung, so wird es eben rot ''sein''. Du weißt ja sonst, was ›rot‹ ist. – Und weiter: du verläßt dich ja nicht immer auf die Übereinstimmung mit den Andern; denn oft berichtest du, du habest etwas gesehen, was niemand Andrer gesehen hat.« –– Aber ich traue mir ja – ich sage ja ohne Bedenken, ich habe dies im Kopf gerechnet, diese Farbe mir vorgestellt. Nicht das ist die Schwierigkeit, daß ich zweifle, ob ich mir wirklich etwas Rotes vorgestellt habe. Sondern ''dies'': daß wir so ohne weiteres zeigen oder beschreiben können, welche Farbe wir uns vorgestellt haben, daß uns das Abbilden der Vorstellung in die Wirklichkeit gar keine Schwierigkeit bereitet. Sehen sie sich denn zum Verwechseln ähnlich? – Aber ich kann ja auch ohne weiteres einen Menschen nach einer Zeichnung erkennen. – Aber kann ich denn fragen »Wie schaut eine richtige Vorstellung dieser Farbe aus?«, oder »Wie ist sie beschaffen?«; kann ich dies ''lernen''? | |||
(Ich kann sein Zeugnis nicht annehmen, weil es kein ''Zeugnis'' ist. Es sagt mir nur, was er zu sagen ''geneigt'' ist.) | |||
'''387'''. Der ''tiefe'' Aspekt entschlüpft leicht. | |||
'''388'''. »Ich sehe zwar hier nichts Violettes, aber wenn du mir einen Farbkasten gibst, so kann ich’s dir darin zeigen.« Wie kann man ''wissen'', daß man es zeigen kann, wenn..., daß man es also erkennen kann, wenn man es sieht? | |||
Wie weiß ich von meiner ''Vorstellung'' her, wie die Farbe wirklich ausschaut? | |||
Wie weiß ich, daß ich etwas werde tun können? d.h., daß der Zustand, in welchem ich jetzt bin, der ist: jenes tun zu können? | |||
'''389'''. »Die Vorstellung muß ihrem Gegenstand ähnlicher sein als jedes Bild: Denn wie ähnlich ich auch das Bild dem mache, was es darstellen soll, es kann immer noch das Bild von etwas anderem sein. Aber die Vorstellung hat es in sich, daß sie die Vorstellung von ''diesem'', und von nichts anderem, ist«. Man könnte so dahin kommen, die Vorstellung als ein Über-Bildnis anzusehen. | |||
'''390'''. Könnte man sich vorstellen, daß ein Stein Bewußtsein hätte? Und wenn’s Einer kann – warum soll das nicht bloß beweisen, daß diese Vorstellerei für uns kein Interesse hat? | |||
'''391'''. Ich kann mir vielleicht auch vorstellen (obwohl es nicht leicht ist), jeder der Leute, die ich auf der Straße sehe, habe furchtbare Schmerzen, verberge sie aber kunstvoll. Und es ist wichtig, daß ich mir hier ein kunstvolles Verbergen vorstellen muß. Daß ich mir also nicht einfach sage: »Nun, seine Seele hat Schmerzen; aber was hat das mit seinem Leib zu tun!« oder »das muß sich schließlich am Leib nicht zeigen!« – Und wenn ich mir das nun vorstelle, – was tue ich; was sage ich zu mir selbst; wie sehe ich die Leute an? Ich schaue etwa Einen an und denke mir »Das muß schwer sein, zu lachen, wenn man solche Schmerzen hat«, und vieles dergleichen. Ich spiele gleichsam eine Rolle, ''tue so'', als hätten die Andern Schmerzen. Wenn ich das tue, sagt man etwa, ich stelle mir vor, ... | |||
'''392'''. »Wenn ich mir vorstelle, er habe Schmerzen, geht eigentlich nur... in mir vor.« Ein Andrer sagt dann: »Ich glaube, ich kann es mir auch vorstellen, ''ohne'' dabei... zu denken«. (»Ich glaube, ich kann denken, ohne zu reden.«) Das führt zu nichts. Die Analyse schillert zwischen einer naturwissenschaftlichen und einer grammatischen. | |||
'''393'''. »Wenn ich mir vorstelle, daß Einer, der lacht, in Wirklichkeit Schmerzen hat, so stelle ich mir doch kein Schmerzbenehmen vor, denn ich sehe eben das Gegenteil. ''Was'' stelle ich mir also vor?« – Ich habe es schon gesagt. Und ich stelle mir dazu nicht notwendigerweise vor, daß ''ich'' Schmerzen fühle. –– »Aber wie geht es also vor sich: sich dies vorstellen?« –– Wo (außerhalb der Philosophie) verwenden wir denn die Worte »Ich kann mir vorstellen, daß er Schmerzen hat«, oder »Ich stelle mir vor, daß...«, oder »Stell dir vor, daß...!«? | |||
Man sagt z.B. dem, der eine Theaterrolle zu spielen hat: »Du mußt dir hier vorstellen, daß dieser Mensch Schmerzen hat, die er verbirgt« – und wir geben ihm nun keine Anweisung, sagen ihm nicht, was er ''eigentlich'' tun soll. Darum ist auch jene Analyse nicht zur Sache. – Wir schaun nun dem Schauspieler zu, der sich diese Situation vorstellt. | |||
'''394'''. Unter was für Umständen würden wir jemand fragen: »Was ist da eigentlich in dir vorgegangen, wie du dir dies vorgestellt hast?« – Und was für eine Antwort erwarten wir uns da? | |||
'''395'''. Es besteht Unklarheit darüber, welche Rolle ''Vorstellbarkeit'' in unserer Untersuchung spielt. Inwiefern sie nämlich den Sinn eines Satzes sicherstellt. | |||
'''396'''. Es ist so wenig für das Verständnis eines Satzes wesentlich, daß man sich bei ihm etwas vorstelle, als daß man nach ihm eine Zeichnung entwerfe. | |||
'''397'''. Statt »Vorstellbarkeit« kann man hier auch sagen: Darstellbarkeit in einem bestimmten Mittel der Darstellung. Und von einer solchen Darstellung ''kann'' allerdings ein sicherer Weg zur weitern Verwendung führen. Anderseits kann sich uns ein Bild aufdrängen und gar nichts nützen. | |||
'''398'''. »Aber wenn ich mir etwas vorstelle, oder auch wirklich Gegenstände ''sähe'', so ''habe'' ich doch etwas, was mein Nachbar nicht hat.« – Ich verstehe dich. Du willst um dich schaun und sagen: »Nur ''ich'' habe doch DIESES.« – Wozu diese Worte? Sie taugen zu nichts. – Ja, kann man nicht auch sagen »Es ist hier von einem ›Sehen‹ – und daher auch von einem ›Haben‹ – und von einem Subjekt, also auch vom Ich, nicht die Rede«? Könnte ich nicht fragen: Das, wovon du redest und sagst, nur du habest es, – inwiefern ''hast'' du es denn? Besitzt du es? Du ''siehst'' es nicht einmal. Ja, müßtest du nicht davon sagen, niemand habe es? Es ist ja auch klar: wenn du logisch ausschließt, daß ein Andrer etwas hat, so verliert es auch seinen Sinn, zu sagen, du habest es. | |||
Aber was ist dann das, wovon du redest? Ich sagte ja, ich wisse in meinem Innern, was du meinst. Aber das hieße: ich weiß, wie man diesen Gegenstand aufzufassen, zu sehen, wie man ihn sozusagen durch Blick und Gesten zu bezeichnen meint. Ich weiß, in welcher Weise man in diesem Fall vor sich und um sich schaut, – und anderes. Ich glaube, man kann sagen: Du redest (wenn du z.B. im Zimmer sitzt) vom ›visuellen Zimmer‹. Das, was keinen Besitzer hat, ist das ›visuelle Zimmer‹. Ich kann es so wenig besitzen, als ich darin umhergehen, oder es anschaun, oder darauf zeigen kann. Es gehört insofern nicht mir an, als es niemand anderm angehören kann. Oder: es gehört insofern nicht mir an, als ich ja darauf die gleiche Ausdrucksform anwenden will wie auf das materielle Zimmer selbst, in dem ich sitze. Die Beschreibung des letzteren braucht keinen Besitzer zu erwähnen, es muß ja auch keinen Besitzer haben. Dann aber ''kann'' das visuelle Zimmer keinen haben. »Denn es hat keinen Herrn außer sich und keinen in sich« – könnte man sagen. | |||
Denk dir ein Landschaftsbild, eine Phantasielandschaft, und in ihr ein Haus – und jemand fragte »Wem gehört das Haus?« – Es könnte übrigens die Antwort darauf sein: »Dem Bauern, der auf der Bank davor sitzt.« Aber dieser kann sein Haus dann, z.B., nicht betreten. | |||
'''399'''. Man könnte auch sagen: der Besitzer des visuellen Zimmers müßte doch wesensgleich mit ihm sein; aber er befindet sich nicht in ihm, noch gibt es ein Außen. | |||
'''400'''. Was der, der gleichsam das ›visuelle Zimmer‹ entdeckt zu haben schien, – was der gefunden hatte, war eine neue Sprechweise, ein neuer Vergleich; und man könnte auch sagen, eine neue Empfindung. |