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194. Denk dir dieses Spiel: Eine Liste von Wörtern verschiedener Sprachen und von sinnlosen Lautreihen wird mir vorgelesen. Ich soll nach jedem sagen, ob ich es verstehe oder nicht; auch, was beim Verstehen oder Nichtverstehen in mir vorging. – Auf das Wort »Baum« werde ich, ohne mich zu bedenken, mit »ja« antworten (ein Bild mag mir dabei vorschweben); auf eine Lautzusammenstellung, die ich noch nie gehört habe, antworte ich ebenso unbedenklich mit »nein«. Bei Wörtern, die einen speziellen Farbton bezeichnen, wird häufig ein Vorstellen der Antwort vorhergehen; bei seltenen Wörtern (»Kontinuum« etwa) ein Überlegen; bei Wörtern, wie der Artikel »das« etwa ein Achselzucken; Wörter einer fremden Sprache werde ich manchmal ins Deutsche Übersetzen; schweben mir Bilder vor, so sind es manchmal die der Gegenstände, die von den Worten bezeichnet werden (wieder tausenderlei Fälle), manchmal andere Bilder. | |||
Dies Spiel könnte man durch eines ergänzen, in welchem einer die Namen von Tätigkeiten nennt und bei jeder fragt: »Kannst du das?« – Das Subjekt soll angeben, welche Gründe es hatte, die Frage mit »ja« oder »nein« zu beantworten. | |||
195. Denken wir uns eine Art Vexierbild, worin nicht ein bestimmter Gegenstand aufzufinden ist, sondern das uns auf den ersten Blick als ein Gewirr nichtssagender Striche erscheint und nach einigem Suchen erst als, sagen wir, ein Landschaftsbild. – Worin besteht der Unterschied zwischen dem Anblick des Bildes vor und nach der Lösung? Daß wir es beide Male anders sehen, ist klar. In wiefern aber kann man nach der Auflösung sagen, jetzt sage uns das Bild etwas, früher habe es uns nichts gesagt? | |||
196. Wir können diese Frage auch so stellen: Was ist das allgemeine Charakteristikum dafür, daß die Lösung gefunden ist? | |||
197. Ich will annehmen, daß ich, sobald es gelöst ist, die Lösung dadurch kenntlich mache, daß ich gewisse Striche des Bildes stark nachziehe und etwa Schatten eintrage. Warum nennst du nun das Bild, was du eingezeichnet hast, eine Auflösung? | |||
(a) Weil es die klare Darstellung einer Gruppe räumlicher Gegenstände ist. | |||
(b) Weil es die Darstellung eines regelmäßigen Körpers ist. | |||
(c) Weil es eine symmetrische Figur ist. | |||
(d) Weil es eine Figur ist, die mir einen ornamentalen Eindruck macht. | |||
(e) Weil es die Darstellung eines Körpers ist, der mir bekannt vorkommt. | |||
(f) Weil es eine Liste von Auflösungen gibt und diese Figur (dieser Körper) auf der Liste steht. | |||
(g) Weil es eine Art von Gegenstand darstellt, die ich wohl kenne: denn er macht mir den augenblicklichen Eindruck der Wohlbekanntheit, ich verbinde augenblicklich alle möglichen Assoziationen mit ihm; ich weiß, wie er heißt; ich weiß, daß ich ihn oft gesehen habe; ich weiß, wozu man ihn gebraucht; etc. | |||
(h) Weil ich den Gegenstand wohl zu kennen scheine: es fällt mir sogleich ein Wort als sein Name ein (obwohl das Wort keiner bestehenden Sprache angehört); ich sage mir »Natürlich, das ist ja ein .....« und gebe mir eine unsinnige Erklärung, die mir in diesem Augenblick sinnvoll erscheint. (Wie im Traum.) | |||
(i) Weil es ein Gesicht darstellt, welches mir bekannt vorkommt. | |||
(j) Weil es ein Gesicht darstellt, welches ich erkenne: es ist das Gesicht meines Freundes N; es ist ein Gesicht, welches ich oft abgebildet gesehen habe. Etc. | |||
(k) Weil es einen Gegenstand darstellt, den ich mich erinnere, einmal gesehen zu haben. | |||
(l) Weil es ein Ornament ist, das ich gut kenne (obwohl ich nicht weiß, wo ich es gesehen habe). | |||
(m) Weil es ein Ornament ist, das ich gut kenne: ich kenne seinen Namen, weiß, wo ich es schon gesehen habe. | |||
(n) Weil es einen Einrichtungsgegenstand meines Zimmers darstellt. | |||
(o) Weil ich instinktiv diese Striche nachgezogen habe und mich nun beruhigt fühle. | |||
(p) Weil ich mich erinnere, daß dieser Gegenstand beschrieben worden ist. | |||
U. s. w. | |||
(Wer nicht versteht, warum wir über diese Dinge reden, muß, was wir sagen, als leere Spielerei empfinden.) | |||
198. Kann ich mir den Eindruck der Bekanntschaft wegdenken, wo er ist; und hinzudenken, wo er nicht ist? Und was heißt das? Ich sehe z. B. das Gesicht eines Freundes an und frage mich: Wie schaut dieses Gesicht aus, wenn ich es als ein mir fremdes Gesicht sehe (als sähe ich es etwa jetzt zum erstenmal)? Was bleibt sozusagen von dem Anblick des Gesichts, wenn ich den Eindruck der Bekanntheit wegdenke, abziehe? Hier bin ich nun geneigt zu sagen: »Es ist sehr schwer, die Bekanntheit von dem Eindruck des Gesichts zu trennen.« Aber ich fühle auch, daß das eine schlechte Ausdrucksweise ist. Ich weiß nämlich gar nicht, wie ich es auch nur versuchen soll, diese beiden zu trennen. Der Ausdruck »sie trennen« hat für mich gar keinen klaren Sinn. | |||
Ich weiß, was es heißt: »Stell dir diesen Tisch schwarz vor statt braun.« Dem entspricht: »Male diesen Tisch, aber schwarz statt braun«. | |||
199. Wie, wenn man sagte: »Denke dir diesen Schmetterling genau so wie er ist, aber häßlich statt schön«?! | |||
200. Wir haben in diesem Fall nicht bestimmt, was es heißen soll, sich die Wohlbekanntheit wegzudenken. | |||
Es könnte etwa heißen, sich des Eindrucks entsinnen, den ich hatte, als ich das Gesicht zum ersten Male sah. |