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161. Die reinen satten Farben haben eine ihnen spezifische wesentliche relative Helligkeit. Gelb z.B. ist heller als Rot. Ist Rot heller als Blau? Ich weiß es nicht. | 161. Die reinen satten Farben haben eine ihnen spezifische wesentliche relative Helligkeit. Gelb z.B. ist heller als Rot. Ist Rot heller als Blau? Ich weiß es nicht. | ||
162. Wer den Begriff der Zwischenfarben erhalten hat, seine Technik beherrscht, wer also zu gegebenen Farbtönen weiblichere, gelblichere, bläulichere finden, oder mischen kann, u.s.f., den fordere man nun auf, ein rötliches Grün zu wählen oder zu mischen. | |||
163. Wem ein Rötlichgrün bekannt wäre, der sollte im Stande sein, cinc Farbenreihe herzustellen, die mit Rot anfinge, mit Grün endet und, auch für uns, etwa einen kontinuierlichen Übergang zwischen ihnen bildet. Es könnte sich dann zeigen, daß dort, wo wir etwa jedesmal den gleichen Ton von Braun sähen, er einmal Braun, einmal Rötlichgrün sähe. Daß er z.B. zwei chemische Verbindungen, die für uns die gleiche Farbe hätten, nach der Farbe unterscheiden könnte und die eine "ein Braun", die andre ein "Rötlichgrün" nennte. | |||
164. Um die Phänomene der Rotgrünblindheit zu beschreiben, brauche ich nur zu sagen, was der Rotgrünblinde ''nicht'' erlernen kann; um aber die Phänomene des normalen Sehens' zu beschreiben, müßte ich aufzählen, was wir tun ''können''. | |||
165. Wer die 'Phänomene der Farbenblindheit' beschreibt, beschreibt ja nur die ''Abweichungen'' des Farbenblinden vom Normalen, nicht auch sein ganzes übriges Sehen. | |||
Aber könnte sie nicht auch die Abweichungen des normalen Sehens von totaler Blindheit beschreiben? Man könnte fragen: zu wessen Belehrung? Kann man mich davon unterrichten, daß ich einen Baum sehe? | |||
Und was ist ein 'Baum' und was 'sehen'? | |||
166. Man kann z.B. sagen: ''So'' handelt der Mensch mit einer Binde vor den Augen, und ''so'' der Sehende ohne Binde. Mit einer Binde reagiert er so und so, ohne Binde geht er schnell auf der Gasse, begrüßt seine Bekannten, nickt Diesem und Jenem zu, vermeidet beim Überqueren leicht die Wagen und Zweiräder, usw., usw. Schon den Neugeborenen erkennt man als Schenden daran, daß er Bewegungen mit den Augen folgt. Etc. etc. – Die Frage ist: Von wem soll die Beschreibung verstanden werden? Nur vom Schenden, oder auch vom Blinden? | |||
Es ist z.B. sinnvoll zu sagen "Der Sehende unterscheidet mit den Augen einen unreifen Apfel von einem reifen". Aber ''nicht'': "Der Sehende unterscheidet einen grünen von einem roten Apfel." Denn was ist 'rot' und 'grün'? | |||
''Randbemerkung'': "Der Sehende unterscheidet einen Apfel, der ihm grün scheint, von einem, der ihm rot scheint." | |||
Aber kann ich nicht sagen, "Ich unterscheide einen ''solchen Apfel'' von einem solchen" (indem ich auf einen roten und grünen zeige)? Aber wie, wenn jemand auf zwei für mich ganz gleiche Äpfel zeigt und das sagte?! Anderseits könnte er mir sagen "Für dich sehen diese beiden ganz gleich aus, du könntest sie daher verwechseln; aber ich sehe einen Unterschied, ich kann jeden jederzeit wiedererkennen." Das kann durch einen Versuch bestätigt werden. | |||
167. Welche Erfahrung lehrt mich, daß ich Rot und Grün unterscheide? | |||
168. Die Psychologie beschreibt die Phänomene des Sehens. Wem macht sie die Beschreibung? Welche Unwissenheit kann diese Beschreibung beheben? | |||
169. Wenn ein Sehender nie von einem Blinden gehört hätte, – könnte man ihm das Verhalten der Blinden nicht beschreiben? | |||
170. Ich kann sagen: "Der Farbenblinde kann einen grünen Apfel von einem roten nicht unterscheiden", und das läßt sich zeigen. Kann ich aber sagen: "Ich kann einen grünen Apfel von einem roten unterscheiden?" Nun, etwa: durch den Geschmack. – Aber doch z.B.: "Ich kann einen Apfel, den ihr 'grün' nennt, von einem, den ihr 'rot' nennt, unterscheiden," also "Ich bin nicht farbenblind". | |||
171. Dieses Papier ist an verschiedenen Stellen verschieden hell; aber sieht es mir an den dunkleren Stellen grau aus? Der Schlagschatten meiner Hand ist zum Teil grau. Wo sich das Papier vom Licht wegneigt aber, sehe ich es weiß, wenn auch dunkler, auch wenn ich, um es zu malen, ein grau mischen müßte. Ist damit nicht ähnlich, daß man den entfernteren Gegenstand oft nur als entfernter nicht aber kleiner sieht? Daß man also nicht sagen kann "Ich merke, daß er kleiner ausschaut und schließe daraus, daß er entfernter ist", sondern ich merke, daß er entfernter ist, ohne sagen zu können, ''wie'' ich's merke. | |||
172. Der Eindruck des (färbigen) durchsichtigen Mediums ist der, daß etwas hinter dem Medium liegt. Vollkommene Einfärbigkeit des Gesichtsbilds kann daher nicht durchsichtig sein. | |||
173. Etwas Weißes hinter einem gefärbten durchsichtigen Medium erscheint in der Farbe des Mediums, etwas Schwarzes schwarz. Nach dieser Regel muß eine schwarze Zeichnung auf weißen Papier hinter einem weißen durchsichtigen Medium so erscheinen wie hinter einem farblosen. | |||
Das ist hier nicht ein Satz der Physik, sondern eine Regel der räumlichen Deutung unserer Gesichtserfahrung. Man könnte auch sagen, es sei eine Regel für den Maler: "Wenn du etwas Weißes hinter einem durchsichtigen Roten darstellen willst, so mußt du's rot malen." Malst du's weiß, so sieht es nicht hinter der Roten liegend aus. | |||
174. Dort, wo das weiße Papier nur um ein Weniges schwächer beleuchtet ist, erscheint es keineswegs grau, sondern immer weiß. | |||
175. Die Frage ist: Wie muß unser Gesichtsbild beschaffen sein, wenn es uns ein durchsichtiges Medium zeigen soll? Wie muß z.B. die Farbe des Mediums zur Geltung kommen? Sprechen wir physikalisch – obwohl es uns hier nicht unmittelbar auf Gesetze der Physik ankommt – so müßte durch ein rein grünes Glas alles mehr oder weniger dunkel Grün ausschauen. Der hellste Ton wäre der des Mediums. Was man dadurch sieht, hat also Ähnlichkeit mit einer Photographie. Überträgt man das auf's weiße Glas, so sollte alles wieder wie photographiert ausschauen, aber in Tönen zwischen Weiß und Schwarz. Und warum sollte man so ein Glas, – wenn es eins gäbe – nicht ''weiß'' nennen wollen? Spricht irgend etwas dagegen, bricht die Analogie mit anders gefärbten Gläsern irgendwo zusammen? | |||
176. Ein grüner Glaswürfel sicht, wenn er vor uns liegt, grün aus: Der Gesamteindruck ist grün; so sollte also der des weißen Würfels weiß sein. | |||
177. Wo muß der Würfel weiß erscheinen, damit wir ihn weiß und durchsichtig nennen können? | |||
178. Gibt es ''darum'' kein Analogon mit Weiß zu einem durchsichtigen grünen Glas, weil die Verwandtschaften und Gegensätze zwischen Weiß und den übrigen Farben anders sind als zwischen Grün und ihnen? | |||
179. Fällt Licht durch rotes Glas, so wirft es einen roten Schein; wie sieht nun ein weißer Schein aus? Soll Gelb im weißen Schein weißlich werden, oder bloß hell? Und Schwarz grau, oder soll es Schwarz bleiben? | |||
180. Wir kümmern uns hier nicht um die Tatsachen der Physik, außer insofern sie Gesetze des Augenscheins bestimmen. | |||
181. Es ist nicht ohne weiters klar, von welchem durchsichtigen Glas man sagen soll, es habe die 'gleiche Farbe' wie ein Stück grünes Papier. | |||
182. Ist z.B. das Papier rosa, lila, himmelblau, so wird man sich das Glas etwa trübe denken, aber man könnte auch ein nur schwach rötliches etc. klares Glas meinen. Darum wird manchmal etwas farbloses "weiß" gennant. | |||
183. Die Farbe eines durchsichtigen Glases, könnte man sagen, sei die, in welcher eine weiße Lichtquelle, dadurch geschen, erscheint. | |||
Ungetrübt ''weiß'' aber erscheint diese durch ein ''farbloses'' Glas. | |||
184. Im Kino ist es oft möglich die Vorgänge im Film so zu schen, als lägen sie hinter der Leinwandebene und diese sei durchsichtig wie eine Glastafel. Zugleich aber würde sie den Vorgängen ihre Farbe nehmen und nur Weiß, Grau und Schwarz durchlassen. Nun ist man aber nicht versucht, sie eine durchsichtige ''weiße'' Glastafel zu nennen. | |||
Wie würde man denn Dinge durch eine grüne Glastafel sehen? ''Ein'' Unterschied wäre natürlich, daß diese den Unterschied zwischen hell und dunkel vermindern würde, während jene andre diesen Unterschied nicht berühren soll. Eine 'graue durchsichtige' Tafel würde ihn dann etwa vermindern. | |||
185. Von einer grünen Glastafel würde man etwa sagen, sie gäbe Dingen ihre Farbe. Tut das aber meine 'weiße' Tafel? – Gibt das grüne Medium den Dingen seine Farbe, dann vor allem den ''weißen''. | |||
186. Eine dünne Schicht eines gefärbten Mediums färbt die Dinge nur schwach: Wie soll ein dünnes 'weißes' Glas sie färben? Soll es ihnen noch nicht alle Farbe entziehen? | |||
187. "Weißes Wasser wird man sich nicht denken können, was rein ist, ..." Das heißt: man kann nicht beschreiben, wie etwas weißes Klares aussähe, und das heißt: man weiß nicht, welche Beschreibung von Einem durch diese Worte gefordert wird. | |||
188. Wir wollen keine Theorie der Farben finden (weder eine physiologische, noch eine psychologische), sondern die Logik der Farbbegriffe. Und diese leistet, was man sich oft mit Unrecht von einer Theorie erwartet hat. | |||
189. Damit daß Einem die Farbwörter durch Hinweisen auf farbige Stücke Papier erklärt wurden, ist der Begriff der ''Durchsichtigkeit'' noch nicht berührt. Es ist dieser Begriff, der zu den verschiedenen Farbbegriffen ungleiche Beziehungen hat. | |||
190. Wer also sagen wollte, daß man es doch den Farben gar nicht anmerkt, daß ihre Begriffe so verschieden seien, dem muß man antworten, daß er eben auf das Analoge (die Gleichheit) in diesen Begriffen sein Augenmerk gerichtet hat, die Verschiedenheiten aber in den Beziehungen zu andern Begriffen liegen. [Dazu eine bessere Bemerkung.] | |||
191. Wenn die grüne Glastafel den Dingen hinter ihr grüne Farbe gibt, so macht sie Weiß zu Grün, Rot zu Schwarz, Gelb zu Grüngelb, Blau zu Grünlichblau. Die weiße Tafel sollte also alles weißlich machen, also alles ''blaß''; und warum dann das Schwarz nicht zu Grau? – Auch ein gelbes Glas verdunkelt, soll ein weißes auch Verdunkeln? | |||
192. Jedes gefärbte Medium verdunkelt, was dadurch gesehen wird, es schluckt Licht: Soll nun mein weißes Glas auch verdunkeln? und je dicker es ist, desto mehr? Aber es soll ja Weiß weiß lassen: So wäre ja das 'weiße Glas' eigentlich ein dunkles Glas. | |||
193. Wenn Grün dadurch weißlich wird, warum wird Grau nicht weiblicher und warum dann Schwarz nicht zu Grau? | |||
194. Das gefärbte Glas darf doch die Dinge hinter ihm nicht aufhellen: was soll also z.B. mit etwas Grünem geschehen? Soll ich es als ein Graugrün sehen? Wie soll also etwas Grünes dadurch gesehen werden? Weißlich grün? |