Bemerkungen über die Farben: Difference between revisions

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194. Das gefärbte Glas darf doch die Dinge hinter ihm nicht aufhellen: was soll also z.B. mit etwas Grünem geschehen? Soll ich es als ein Graugrün sehen? Wie soll also etwas Grünes dadurch gesehen werden? Weißlich grün?
194. Das gefärbte Glas darf doch die Dinge hinter ihm nicht aufhellen: was soll also z.B. mit etwas Grünem geschehen? Soll ich es als ein Graugrün sehen? Wie soll also etwas Grünes dadurch gesehen werden? Weißlich grün?
195. Würden alle Farben weiblich, so würde das Bild mehr und mehr an Tiefe verlieren.
196. Grau ist nicht schlecht beleuchtetes Weiß, Dunkelgrün nicht schlecht beleuchtetes Hellgrün.
Man sagt zwar "In der Nacht sind alle Katzen grau", aber das heißt eigentlich: wir können ihre Farben nicht unterschieden und sie ''könnten'' auch grau sein.
197. Worin liegt hier der entscheidende Unterschied zwischen Weiß und den andern Farben? Liegt er in der Asymmetrie der Verwandtschaften? und das heißt eigentlich in der besondern Stellung im Farbenoktaeder? Oder ist es vielmehr die ungleiche Stellung der Farben gegen Dunkel und Hell?
198. Was soll der Maler malen, der die Wirkung eines weiß-durchsichtigen Glases hervorrufen will?
Soll Rot und Grün (etc.) weißlich werden?
199. Ist der Unterschied nicht einfach, daß jedes gefärbte Glas das Weiß färben soll, und meines es entweder unverändert lassen oder einfach verdunkeln muß?
200. Weiß durch ein gefärbtes Glas erscheint in der Farbe des Glases. Das ist eine Regel für den Schein der Durchsichtigkeit. So erscheint Weiß durch das weiße Glas weiß, also wie durch ein Ungefärbtes.
201. Lichtenberg redet von 'reinem Weiß' und meint damit die ''hellste'' der Farben. Niemand könnte so von reinem Gelb reden.
202. Zu sagen, Weiß sei körperlich, ist seltsam, da ja auch Gelb und Rot die Farben von Oberflächen sein können und man sie als solche nicht kategorisch von Weiß unterscheidet.
203. Schaut man einen weißen Würfel mit verschieden hell beleuchteten Flächen durch ein gelbes Glas an, so erscheint er nun gelb und seine Flächen wieder verschieden stark beleuchtet. Wie soll er durch ein weißes Glas ausschauen? Und wie soll ein gelber Würfel durch ein weißes Glas ausschauen?
204. Soll es sein, als hätte man Weiß, oder als hätte man Grau zu seinen Farben gemischt?
205. Könnte nicht ein Glas Weiß, Schwarz und Grau unverändert lassen und die übrigen Farben weiblich färben? Und käme so etwas nicht am nächsten dem Weißen und Durchsichtigen? Die Wirkung würde dann sein wie eine Photographie, welche eine Spur der natürlichen Farben noch beibehält. Der Dunkelheitsgrad jeder Farbe müßte aber gewahrt und gewiß nicht ''vermindert'' werden.
206. Soviel kann ich verstehen, daß eine physikalische Theorie (wie die Newtons) die Probleme, die Goethe bewegten, nicht lösen kann, wenn auch er selbst sie nicht gelöst hat.
207. Wenn ich reines Rot durch das Glas ansehe und es sieht grau aus, ist hier wirklich der Graugehalt der Farbe durch das Glas gekommen? D.h.: ''scheint'' es auch nur so?
208. Warum fühle ich, daß ein weißes Glas das Schwarz färben müßte, wenn es irgendetwas färbt, während ich mir's gefallen lasse, daß das Gelb vom Schwarz verschluckt wird? Ist es nicht, weil das klare Gefärbte vor allem einmal das Weiß färben mußte, und tut es das nicht und ist Weiß, dann ist es trüb.
209. Wenn man stark blinzelnd in eine Gegend schaut, so werden die Farben undeutlich und alles nimmt mehr den Charakter des Schwarzweißen an; aber ist es mir da, als sähe ich durch eine so oder so gefärbte Scheibe?
210. Man spricht oft vom Weißen als unfärbig. Warum? (Man tut es auch, wenn man nicht an die Durchsichtigkeit denkt.)
211. Und es ist merkwürdig, daß das Weiße manchmal auf gleicher Stufe mit den andern reinen Farben erscheint (Flaggen), und manchmal wieder nicht.
Warum nennt man z.B. ein weibliches Grün oder Rot "nicht ''satt''"? Warum ''schwächt'' das Weiß diese Farben, aber nicht das Gelb? Liegt das an der Psychologie (der Wirkung) der Farben, oder an ihrer Logik? Nun, daß man gewisse Wörter wie "satt", "schmutzig" etc. verwendet, beruht auf Psychologischem; daß man aber überhaupt eine scharfe Unterscheidung macht, deutet auf Begriffliches.
212. Hängt das damit zusammen, daß Weiß ''alle'' Gegensätze nach und nach aufhebt, während Rot das nicht tut?
213. Ein und dasselbe Thema hat in Moll einen andern Charakter als in Dur, aber von einem Charakter des Moll im allgemeinen zu sprechen ist ganz falsch. (Bei Schubert klingt das Dur oft trauriger als das Moll.) Und so ist es, glaube ich, müßig und ohne Nutzen für das Verständnis der Malerei, von den Charakteren der einzelnen Farben zu reden. Man denkt eigentlich dabei nur an spezielle Verwendungen. Daß Grün als Farbe einer Tischdecke die, Rot jene Wirkung hat, läßt auf ihre Wirkung in einem Bild keinen Schluß zu.
214. Weiß löst alle Farben auf, – tut dies Rot auch?
215. Warum gibt es kein braunes Licht und kein graues? Gibt es auch kein weißes? Ein leuchtender Körper kann weiß erscheinen; aber weder braun noch grau.
216. Warum kann man sich keine Grauglut vorstellen?
Warum kann man sie sich nicht als einen geringeren Grad der Weißglut denken?
217. Daß etwas, was zu leuchten scheint, nicht auch grau erscheinen kann, muß darauf deuten, daß das leuchtende Farblose immer "weiß" heißt, es lehrt uns also etwas über unsern Begriff des Weißen.
218. Ein schwaches weißes Licht ist nicht ein graues Licht.
219. Aber der Himmel, der alles, was wir sehen, beleuchtet, kann doch grau sein! Und wie weiß ich vom bloßem Augenschein, daß er nicht selbst leuchtet?
220. D.h. etwa: 'grau' oder 'weiß' ist etwas nur in einer bestimmten Umgebung.
221. Ich sage hier nicht, was die Gestaltpsychologen sagen: daß der ''Eindruck des Weißen'' so und so zustande komme. Sondern die Frage ist gerade: was der Eindruck des Weißen sei, was die Bedeutung dieses Ausdrucks, die Logik des Begriffes 'weiß' ist.
222. Denn, daß man sich etwas 'Grauglühendes' nicht denken kann, gehört nicht in die Psychologie der Farbe.