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5.1                   Die Wahrheitsfunktionen lassen sich in Reihen ordnen. Das ist die Grundlage der Wahrscheinlichkeitslehre.
5.1                   Die Wahrheitsfunktionen lassen sich in Reihen ordnen. Das ist die Grundlage der Wahrscheinlichkeitslehre.


5.101 Die Wahrheitsfunktionen jeder Anzahl von ElementarsÀtzen lassen sich in einem Schema folgender Art hinschreiben:<references />
5.101 Die Wahrheitsfunktionen jeder Anzahl von ElementarsÀtzen lassen sich in einem Schema folgender Art hinschreiben:
 
{| style="margin: 0 auto 0 auto;"
|(VVVV)(''p'', ''q'')
|Tautologie
|(Wenn ''p'', so ''p''; und wenn ''q'', so ''q''.) (''p'' ⊃ ''p . q'' ⊃ ''q'')
|-
|(FVVV)(''p'', ''q'')
|in Worten:
|Nicht beides ''p'' und ''q''. (~(''p'' . ''q''))
|-
|(VFVV)(''p'', ''q'')
|»    »
|Wenn ''q'', so ''p''. (q ⊃ p)
|-
|(VVFV)(''p'', ''q'')
|»    »
|Wenn ''p'', so ''q''. (p ⊃ q)
|-
|(VVVF)(''p'', ''q'')
|»    »
|''p'' oder ''q''. (''p'' √ ''q'')
|-
|(FFVV)(''p'', ''q'')
|»    »
|Nicht ''q''. ~''q''
|-
|(FVFV)(''p'', ''q'')
|»    »
|Nicht ''p''. ~''p''
|-
|(FVVF)(''p'', ''q'')
|»    »
|''p'' oder ''q'', aber nicht beide. (''p'' . ~''q'' : √ : ''q'' . ~''p'')
|-
|(VFFV)(''p'', ''q'')
|»    »
|Wenn ''p'', so ''q''; und wenn ''q'', so ''p''. (''p'' ≡ ''q'')
|-
|(VFVF)(''p'', ''q'')
|»    »
|''p''
|-
|(VVFF)(''p'', ''q'')
|»    »
|''q''
|-
|(FFFV)(''p'', ''q'')
|»    »
|Weder ''p'' noch ''q''. (~''p'' . ~''q'') oder (''p''<nowiki> | </nowiki>''q'')
|-
|(FFVF)(''p'', ''q'')
|»    »
|''p'' und nicht ''q''. (''p'' . ~''q'')
|-
|(FVFF)(''p'', ''q'')
|»    »
|''q'' und nicht ''p''. (''q'' . ~''p'')
|-
|(VFFF)(''p'', ''q'')
|»    »
|''q'' und ''p''. (''q'' . ''p'')
|-
|(FFFF)(''p'', ''q'')
|Kontradiktion
|(''p'' und nicht ''p''; und ''q'' und nicht ''q''.)  (''p'' . ~''p'' . ''q'' . ~''q'')
|}
 
Diejenigen Wahrheitsmöglichkeiten seiner Wahrheitsargumente, welche den Satz bewahrheiten, will ich seine Wa h r h e i t s g r ĂŒ n d e nennen.<references />

Revision as of 19:46, 11 January 2021

 Logisch-philosophische Abhandlung 


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Vorwort

Dieses Buch wird vielleicht nur der verstehen, der die Gedanken, die darin ausgedrĂŒckt sind—oder doch Ă€hnliche Gedanken—schon selbst ein- mal gedacht hat.—Es ist also kein Lehrbuch.—Sein Zweck wĂ€re erreicht, wenn es Einem, der es mit VerstĂ€ndnis liest VergnĂŒgen bereitete.

Das Buch behandelt die philosophischen Probleme und zeigt—wie ich glaube—dass die Fragestellung dieser Probleme auf dem MissverstĂ€nd- nis der Logik unserer Sprache beruht. Man könnte den ganzen Sinn des Buches etwa in die Worte fassen: Was sich ĂŒberhaupt sagen lĂ€sst, lĂ€sst sich klar sagen; und wovon man nicht reden kann, darĂŒber muss man schweigen.

Das Buch will also dem Denken eine Grenze ziehen, oder vielmehr— nicht dem Denken, sondern dem Ausdruck der Gedanken: Denn um dem Denken eine Grenze zu ziehen, mĂŒssten wir beide Seiten dieser Grenze denken können (wir mĂŒssten also denken können, was sich nicht denken lĂ€sst).

Die Grenze wird also nur in der Sprache gezogen werden können und was jenseits der Grenze liegt, wird einfach Unsinn sein.

Wieweit meine Bestrebungen mit denen anderer Philosophen zusam- menfallen, will ich nicht beurteilen. Ja, was ich hier geschrieben habe macht im Einzelnen ĂŒberhaupt nicht den Anspruch auf Neuheit; und darum gebe ich auch keine Quellen an, weil es mir gleichgĂŒltig ist, ob das was ich gedacht habe, vor mir schon ein anderer gedacht hat.

Nur das will ich erwÀhnen, dass ich den grossartigen Werken Freges und den Arbeiten meines Freundes Herrn Bertrand Russell einen grossen Teil der Anregung zu meinen Gedanken schulde.

Wenn diese Arbeit einen Wert hat, so besteht er in Zweierlei. Erstens darin, dass in ihr Gedanken ausgedrĂŒckt sind, und dieser Wert wird umso grösser sein, je besser die Gedanken ausgedrĂŒckt sind. Je mehr der Nagel auf den Kopf getroffen ist.—Hier bin ich mir bewusst, weit hinter dem Möglichen zurĂŒckgeblieben zu sein. Einfach darum, weil meine Kraft zur BewĂ€ltigung der Aufgabe zu gering ist.—Mögen andere kommen und es besser machen.

Dagegen scheint mir die Wa h r h e i t der hier mitgeteilten Gedanken unantastbar und definitiv. Ich bin also der Meinung, die Probleme im Wesentlichen endgĂŒltig gelöst zu haben. Und wenn ich mich hierin nicht irre, so besteht nun der Wert dieser Arbeit zweitens darin, dass sie zeigt, wie wenig damit getan ist, dass diese Probleme gelöst sind.


L. W.


Wien, 1918.


1   Die Welt ist alles, was der Fall ist.[1]

1.1          Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge.

1.11        Die Welt ist durch die Tatsachen bestimmt und dadurch, dass es a l l e Tatsachen sind.

1.12        Denn, die Gesamtheit der Tatsachen bestimmt, was der Fall ist und auch, was alles nicht der Fall ist.

1.13        Die Tatsachen im logischen Raum sind die Welt.

1.2      Die Welt zerfĂ€llt in Tatsachen.

1.21 Eines kann der Fall sein oder nicht der Fall sein und alles ĂŒbrige gleich bleiben.

2             Was der Fall ist, die Tatsache, ist das Bestehen von Sachverhal- ten.

2.01 Der Sachverhalt ist eine Verbindung von GegenstÀnden. (Sachen, Dingen.)

2.011         Es ist dem Ding wesentlich, der Bestandteil eines Sachverhaltes sein zu können.

2.012        In der Logik ist nichts zufĂ€llig: Wenn das Ding im Sachverhalt vorkommen ka n n, so muss die Möglichkeit des Sachverhaltes im Ding bereits prĂ€judiziert sein.

2.0121      Es erschiene gleichsam als Zufall, wenn dem Ding, das allein fĂŒr sich bestehen könnte, nachtrĂ€glich eine Sachlage passen wĂŒrde.

Wenn die Dinge in Sachverhalten vorkommen können, so muss dies schon in ihnen liegen.

(Etwas Logisches kann nicht nur-möglich sein. Die Logik han- delt von jeder Möglichkeit und alle Möglichkeiten sind ihre Tat- sachen.)

Wie wir uns rĂ€umliche GegenstĂ€nde ĂŒberhaupt nicht aus- serhalb des Raumes, zeitliche nicht ausserhalb der Zeit denken können, so können wir uns ke i n e n Gegenstand ausserhalb der Möglichkeit seiner Verbindung mit anderen denken.

Wenn ich mir den Gegenstand im Verbande des Sachverhalts denken kann, so kann ich ihn nicht ausserhalb der M ö g l i ch - ke i t dieses Verbandes denken.

2.0122 Das Ding ist selbstÀndig, insofern es in allen m ö g l i ch e n Sach- lagen vorkommen kann, aber diese Form der SelbstÀndigkeit ist eine Form des Zusammenhangs mit dem Sachverhalt, eine Form der UnselbstÀndigkeit. (Es ist unmöglich, dass Worte in zwei verschiedenen Weisen auftreten, allein und im Satz.)

2.0123 Wenn ich den Gegenstand kenne, so kenne ich auch sÀmtliche Möglichkeiten seines Vorkommens in Sachverhalten.

(Jede solche Möglichkeit muss in der Natur des Gegenstandes liegen.)

Es kann nicht nachtrÀglich eine neue Möglichkeit gefunden werden.

2.01231 Um einen Gegenstand zu kennen, muss ich zwar nicht seine externen—aber ich muss alle seine internen Eigenschaften ken- nen.

2.0124 Sind alle GegenstÀnde gegeben, so sind damit auch alle m ö g l i ch e n Sachverhalte gegeben.

2.013                Jedes Ding ist, gleichsam, in einem Raume möglicher Sachver- halte. Diesen Raum kann ich mir leer denken, nicht aber das Ding ohne den Raum.

2.0131 Der rÀumliche Gegenstand muss im unendlichen Raume liegen. (Der Raumpunkt ist eine Argumentstelle.)

Der Fleck im Gesichtsfeld muss zwar nicht rot sein, aber eine Farbe muss er haben: er hat sozusagen den Farbenraum um sich. Der Ton muss e i n e Höhe haben, der Gegenstand des Tastsinnes e i n e HÀrte usw.

2.014               Die GegenstĂ€nde enthalten die Möglichkeit aller Sachlagen.

2.0141   Die Möglichkeit seines Vorkommens in Sachverhalten, ist die Form des Gegenstandes.

2.02       Der Gegenstand ist einfach.

2.0201 Jede Aussage ĂŒber Komplexe lĂ€sst sich in eine Aussage ĂŒber deren Bestandteile und in diejenigen SĂ€tze zerlegen, welche die Komplexe vollstĂ€ndig beschreiben.

2.021                Die GegenstĂ€nde bilden die Substanz der Welt. Darum können sie nicht zusammengesetzt sein.

2.0211 HĂ€tte die Welt keine Substanz, so wĂŒrde, ob ein Satz Sinn hat, davon abhĂ€ngen, ob ein anderer Satz wahr ist.

2.0212 Es wÀre dann unmöglich, ein Bild der Welt (wahr oder falsch) zu entwerfen.

2.022               Es ist offenbar, dass auch eine von der wirklichen noch so ver- schieden gedachte Welt Etwas—eine Form—mit der wirklichen gemein haben muss.

2.023               Diese feste Form besteht eben aus den GegenstĂ€nden.

2.0231 Die Substanz der Welt ka n n nur eine Form und keine materiel- len Eigenschaften bestimmen. Denn diese werden erst durch die SĂ€tze dargestellt—erst durch die Konfiguration der GegenstĂ€nde gebildet.

2.0232 BeilÀufig gesprochen: Die GegenstÀnde sind farblos.

2.0233 Zwei GegenstĂ€nde von der gleichen logischen Form sind—abge- sehen von ihren externen Eigenschaften—von einander nur da- durch unterschieden, dass sie verschieden sind.

2.02331 Entweder ein Ding hat Eigenschaften, die kein anderes hat, dann kann man es ohneweiteres durch eine Beschreibung aus den an- deren herausheben, und darauf hinweisen; oder aber, es gibt mehrere Dinge, die ihre sĂ€mtlichen Eigenschaften gemeinsam haben, dann ist es ĂŒberhaupt unmöglich auf eines von ihnen zu zeigen.

Denn, ist das Ding durch nichts hervorgehoben, so kann ich es nicht hervorheben, denn sonst ist es eben hervorgehoben.

2.024               Die Substanz ist das, was unabhĂ€ngig von dem was der Fall ist, besteht.

2.025               Sie ist Form und Inhalt.

2.0251   Raum, Zeit und Farbe (FĂ€rbigkeit) sind Formen der GegenstĂ€n- de.

2.026               Nur wenn es GegenstĂ€nde gibt, kann es eine feste Form der Welt geben.

2.027               Das Feste, das Bestehende und der Gegenstand sind Eins.

2.0271        Der Gegenstand ist das Feste, Bestehende; die Konfiguration ist

das Wechselnde, UnbestÀndige.

2.0272   Die Konfiguration der GegenstĂ€nde bildet den Sachverhalt.

2.03       Im Sachverhalt hĂ€ngen die GegenstĂ€nde ineinander, wie die Glie- der einer Kette.

2.031                Im Sachverhalt verhalten sich die GegenstĂ€nde in bestimmter Art und Weise zueinander.

2.032               Die Art und Weise, wie die GegenstĂ€nde im Sachverhalt zusam- menhĂ€ngen, ist die Struktur des Sachverhaltes.

2.033               Die Form ist die Möglichkeit der Struktur.

2.034               Die Struktur der Tatsache besteht aus den Strukturen der Sach- verhalte.

2.04               Die Gesamtheit der bestehenden Sachverhalte ist die Welt.

2.05               Die Gesamtheit der bestehenden Sachverhalte bestimmt auch, welche Sachverhalte nicht bestehen.

2.06               Das Bestehen und Nichtbestehen von Sachverhalten ist die Wirk- lichkeit.

(Das Bestehen von Sachverhalten nennen wir auch eine po- sitive, das Nichtbestehen eine negative Tatsache.)

2.061                Die Sachverhalte sind von einander unabhĂ€ngig.

2.062               Aus dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Sachverhaltes kann nicht auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines anderen ge- schlossen werden.

2.063               Die gesamte Wirklichkeit ist die Welt.

2.1                   Wir machen uns Bilder der Tatsachen.

2.11               Das Bild stellt die Sachlage im logischen Raume, das Bestehen und Nichtbestehen von Sachverhalten vor.

2.12              Das Bild ist ein Modell der Wirklichkeit.

2.13              Den GegenstĂ€nden entsprechen im Bilde die Elemente des Bil- des.

2.131      Die Elemente des Bildes vertreten im Bild die GegenstĂ€nde.

2.14        Das Bild besteht darin, dass sich seine Elemente in bestimmter Art und Weise zu einander verhalten.

2.141      Das Bild ist eine Tatsache.

2.15   Dass sich die Elemente des Bildes in bestimmter Art und Wei- se zu einander verhalten stellt vor, dass sich die Sachen so zu einander verhalten.

Dieser Zusammenhang der Elemente des Bildes heisse seine Struktur und ihre Möglichkeit seine Form der Abbildung.

2.151      Die Form der Abbildung ist die Möglichkeit, dass sich die Dinge so zu einander verhalten, wie die Elemente des Bildes.

2.1511    Das Bild ist s o mit der Wirklichkeit verknĂŒpft; es reicht bis zu ihr.

2.1512    Es ist wie ein Massstab an die Wirklichkeit angelegt.

2.15121 Nur die Ă€ussersten Punkte der Teilstriche b e r ĂŒ h r e n den zu messenden Gegenstand.

2.1513    Nach dieser Auffassung gehört also zum Bilde auch noch die abbildende Beziehung, die es zum Bild macht.

2.1514    Die abbildende Beziehung besteht aus den Zuordnungen der Ele- mente des Bildes und der Sachen.

2.1515    Diese Zuordnungen sind gleichsam die FĂŒhler der Bildelemente, mit denen das Bild die Wirklichkeit berĂŒhrt.

2.16               Die Tatsache muss um Bild zu sein, etwas mit dem Abgebildeten gemeinsam haben.

2.161      In Bild und Abgebildetem muss etwas identisch sein, damit das eine ĂŒberhaupt ein Bild des anderen sein kann.

2.17                Was das Bild mit der Wirklichkeit gemein haben muss, um sie auf seine Art und Weise—richtig oder falsch—abbilden zu kön- nen, ist seine Form der Abbildung.

2.171           Das Bild kann jede Wirklichkeit abbilden, deren Form es hat. Das rĂ€umliche Bild alles RĂ€umliche, das farbige alles Farbige, etc.

2.172          Seine Form der Abbildung aber, kann das Bild nicht abbilden; es weist sie auf.

2.173          Das Bild stellt sein Objekt von ausserhalb dar (sein Standpunkt ist seine Form der Darstellung), darum stellt das Bild sein Ob- jekt richtig oder falsch dar.

2.174          Das Bild kann sich aber nicht ausserhalb seiner Form der Dar- stellung stellen.

2.18 Was jedes Bild, welcher Form immer, mit der Wirklichkeit ge- mein haben muss, um sie ĂŒberhaupt—richtig oder falsch—ab- bilden zu können, ist die logische Form, das ist, die Form der Wirklichkeit.

2.181           Ist die Form der Abbildung die logische Form, so heisst das Bild das logische Bild.

2.182          Jedes Bild ist a u ch ein logisches. (Dagegen ist z. B. nicht jedes Bild ein rĂ€umliches.)

2.19 Das logische Bild kann die Welt abbilden.

2.2         Das Bild hat mit dem Abgebildeten die logische Form der Ab- bildung gemein.

2.201           Das Bild bildet die Wirklichkeit ab, indem es eine Möglichkeit des Bestehens und Nichtbestehens von Sachverhalten darstellt.

2.202          Das Bild stellt eine mögliche Sachlage im logischen Raume dar.

2.203          Das Bild enthĂ€lt die Möglichkeit der Sachlage, die es darstellt.

2.21               Das Bild stimmt mit der Wirklichkeit ĂŒberein oder nicht; es ist richtig oder unrichtig, wahr oder falsch.

2.22              Das Bild stellt dar, was es darstellt, unabhĂ€ngig von seiner Wahr- oder Falschheit, durch die Form der Abbildung.

2.221           Was das Bild darstellt, ist sein Sinn.

2.222          In der Übereinstimmung oder NichtĂŒbereinstimmung seines Sin- nes mit der Wirklichkeit, besteht seine Wahrheit oder Falschheit.

2.223          Um zu erkennen, ob das Bild wahr oder falsch ist, mĂŒssen wir es mit der Wirklichkeit vergleichen.

2.224          Aus dem Bild allein ist nicht zu erkennen, ob es wahr oder falsch ist.

2.225          Ein a priori wahres Bild gibt es nicht.

3                        Das logische Bild der Tatsachen ist der Gedanke.

3.001     „Ein Sachverhalt ist denkbar“ heisst: Wir können uns ein Bild von ihm machen.

3.01               Die Gesamtheit der wahren Gedanken sind ein Bild der Welt.

3.02              Der Gedanke enthĂ€lt die Möglichkeit der Sachlage die er denkt. Was denkbar ist, ist auch möglich.

3.03              Wir können nichts Unlogisches denken, weil wir sonst unlogisch denken mĂŒssten.

3.031                Man sagte einmal, dass Gott alles schaffen könne, nur nichts, was den logischen Gesetzen zuwider wĂ€re.—Wir könnten nĂ€m- lich von einer „unlogischen“ Welt nicht s a g e n, wie sie aussĂ€he.

3.032               Etwas „der Logik widersprechendes“ in der Sprache darstellen, kann man ebensowenig, wie in der Geometrie eine den Geset- zen des Raumes widersprechende Figur durch ihre Koordinaten darstellen; oder die Koordinaten eines Punktes angeben, welcher nicht existiert.

3.0321 Wohl können wir einen Sachverhalt rÀumlich darstellen, welcher den Gesetzen der Physik, aber keinen, der den Gesetzen der Geometrie zuwiderliefe.

3.04               Ein a priori richtiger Gedanke wĂ€re ein solcher, dessen Möglich- keit seine Wahrheit bedingte.

3.05               Nur so könnten wir a priori wissen, dass ein Gedanke wahr ist, wenn aus dem Gedanken selbst (ohne Vergleichsobjekt) seine Wahrheit zu erkennen wĂ€re.

3.1                  Im Satz drĂŒckt sich der Gedanke sinnlich wahrnehmbar aus.

3.11               Wir benĂŒtzen das sinnlich wahrnehmbare Zeichen (Laut- oder Schriftzeichen etc.) des Satzes als Projektion der möglichen Sachlage.

Die Projektionsmethode ist das Denken des Satz-Sinnes.

3.12              Das Zeichen, durch welches wir den Gedanken ausdrĂŒcken, nenne ich das Satzzeichen. Und der Satz ist das Satzzeichen in seiner projektiven Beziehung zur Welt.

3.13              Zum Satz gehört alles, was zur Projektion gehört; aber nicht das Projizierte.

Also die Möglichkeit des Projizierten, aber nicht dieses selbst.

Im Satz ist also sein Sinn noch nicht enthalten, wohl aber die Möglichkeit ihn auszudrĂŒcken.

(„Der Inhalt des Satzes“ heisst der Inhalt des sinnvollen Sat- zes.)

Im Satz ist die Form seines Sinnes enthalten, aber nicht des- sen Inhalt.

3.14              Das Satzzeichen besteht darin, dass sich seine Elemente, die Wörter, in ihm auf bestimmte Art und Weise zu einander ver- halten.

Das Satzzeichen ist eine Tatsache.

3.141           Der Satz ist kein Wörtergemisch.—(Wie das musikalische The- ma kein Gemisch von Tönen.)

Der Satz ist artikuliert.

3.142          Nur Tatsachen können einen Sinn ausdrĂŒcken, eine Klasse von Namen kann es nicht.

3.143          Dass das Satzzeichen eine Tatsache ist, wird durch die gewöhn- liche Ausdrucksform der Schrift oder des Druckes verschleiert.

Denn im gedruckten Satz z. B. sieht das Satzzeichen nicht wesentlich verschieden aus vom Wort.

(So war es möglich, dass Frege den Satz einen zusammenge- setzten Namen nannte.)

3.1431 Sehr klar wird das Wesen des Satzzeichens, wenn wir es uns, statt aus Schriftzeichen, aus rĂ€umlichen GegenstĂ€nden (etwa Tischen, StĂŒhlen, BĂŒchern) zusammengesetzt denken.

Die gegenseitige rĂ€umliche Lage dieser Dinge drĂŒckt dann den Sinn des Satzes aus.

3.1432 Nicht: „Das komplexe Zeichen ‚aRb‘ sagt, dass a in der Bezie- hung R zu b steht“, sondern: D a s s „a“ in einer gewissen Bezie- hung zu „b“ steht, sagt, d a s s aRb.

3.144          Sachlagen kann man beschreiben, nicht b e n e n n e n.

(Namen gleichen Punkten, SĂ€tze Pfeilen, sie haben Sinn.)

3.2         Im Satze kann der Gedanke so ausgedrĂŒckt sein, dass den Gegen- stĂ€nden des Gedankens Elemente des Satzzeichens entsprechen.

3.201           Diese Elemente nenne ich „einfache Zeichen“ und den Satz „voll- stĂ€ndig analysiert“.

3.202          Die im Satze angewandten einfachen Zeichen heissen Namen.

3.203          Der Name bedeutet den Gegenstand. Der Gegenstand ist seine Bedeutung. („A“ ist dasselbe Zeichen wie „A“.)

3.21               Der Konfiguration der einfachen Zeichen im Satzzeichen ent- spricht die Konfiguration der GegenstĂ€nde in der Sachlage.

3.22              Der Name vertritt im Satz den Gegenstand.

3.221 Die GegenstÀnde kann ich nur n e n n e n. Zeichen vertreten sie. Ich kann nur vo n ihnen sprechen, s i e a u s s p r e ch e n kann ich nicht. Ein Satz kann nur sagen, w i e ein Ding ist, nicht wa s es ist.

3.23               Die Forderung der Möglichkeit der einfachen Zeichen ist die For- derung der Bestimmtheit des Sinnes.

3.24               Der Satz, welcher vom Komplex handelt, steht in interner Be- ziehung zum Satze, der von dessen Bestandteil handelt.

Der Komplex kann nur durch seine Beschreibung gegeben sein, und diese wird stimmen oder nicht stimmen. Der Satz, in welchem von einem Komplex die Rede ist, wird, wenn dieser nicht existiert, nicht unsinnig, sondern einfach falsch sein.

Dass ein Satzelement einen Komplex bezeichnet, kann man aus einer Unbestimmtheit in den SÀtzen sehen, worin es vor- kommt. Wir w i s s e n, durch diesen Satz ist noch nicht alles bestimmt. (Die Allgemeinheitsbezeichnung e nt h À l t ja ein Ur- bild.)

Die Zusammenfassung des Symbols eines Komplexes in ein einfaches Symbol kann durch eine Definition ausgedrĂŒckt wer- den.


3.25               Es gibt eine und nur eine vollstĂ€ndige Analyse des Satzes.

3.251      Der Satz drĂŒckt auf bestimmte, klar angebbare Weise aus, was er ausdrĂŒckt: Der Satz ist artikuliert.

3.26       Der Name ist durch keine Definition weiter zu zergliedern: er ist ein Urzeichen.

3.261           Jedes definierte Zeichen bezeichnet ĂŒ b e r jene Zeichen, durch welche es definiert wurde; und die Definitionen weisen den Weg.

Zwei Zeichen, ein Urzeichen, und ein durch Urzeichen de- finiertes, können nicht auf dieselbe Art und Weise bezeichnen. Namen ka n n man nicht durch Definitionen auseinanderlegen. (Kein Zeichen, welches allein, selbstÀndig eine Bedeutung hat.)

3.262          Was in den Zeichen nicht zum Ausdruck kommt, das zeigt ih- re Anwendung. Was die Zeichen verschlucken, das spricht ihre Anwendung aus.

3.263          Die Bedeutungen von Urzeichen können durch ErlĂ€uterungen erklĂ€rt werden. ErlĂ€uterungen sind SĂ€tze, welche die Urzeichen enthalten. Sie können also nur verstanden werden, wenn die Be- deutungen dieser Zeichen bereits bekannt sind.

3.3   Nur der Satz hat Sinn; nur im Zusammenhange des Satzes hat ein Name Bedeutung.

3.31 Jeden Teil des Satzes, der seinen Sinn charakterisiert, nenne ich einen Ausdruck (ein Symbol).

(Der Satz selbst ist ein Ausdruck.)

Ausdruck ist alles, fĂŒr den Sinn des Satzes wesentliche, was SĂ€tze miteinander gemein haben können.

Der Ausdruck kennzeichnet eine Form und einen Inhalt.

3.311           Der Ausdruck setzt die Formen aller SĂ€tze voraus, in welchen er vorkommen kann. Er ist das gemeinsame charakteristische Merkmal einer Klasse von SĂ€tzen.

3.312          Er wird also dargestellt durch die allgemeine Form der SĂ€tze, die er charakterisiert.

Und zwar wird in dieser Form der Ausdruck ko n s t a nt und alles ĂŒbrige va r i a b e l sein.

3.313          Der Ausdruck wird also durch eine Variable dargestellt, deren Werte die SĂ€tze sind, die den Ausdruck enthalten.

(Im Grenzfall wird die Variable zur Konstanten, der Aus- druck zum Satz.)

Ich nenne eine solche Variable „Satzvariable“.

3.314          Der Ausdruck hat nur im Satz Bedeutung. Jede Variable lĂ€sst sich als Satzvariable auffassen.

(Auch der variable Name.)

3.315          Verwandeln wir einen Bestandteil eines Satzes in eine Variable, so gibt es eine Klasse von SĂ€tzen, welche sĂ€mtlich Werte des so entstandenen variablen Satzes sind. Diese Klasse hĂ€ngt im allgemeinen noch davon ab, was wir, nach willkĂŒrlicher Über- einkunft, mit Teilen jenes Satzes meinen. Verwandeln wir aber alle jene Zeichen, deren Bedeutung willkĂŒrlich bestimmt wurde, in Variable, so gibt es nun noch immer eine solche Klasse. Die- se aber ist nun von keiner Übereinkunft abhĂ€ngig, sondern nur noch von der Natur des Satzes. Sie entspricht einer logischen Form—einem logischen Urbild.

3.316          Welche Werte die Satzvariable annehmen darf, wird festgesetzt. Die Festsetzung der Werte i s t die Variable.

3.317           Die Festsetzung der Werte der Satzvariablen ist die A n g a b e d e r S Ă€ t z e, deren gemeinsames Merkmal die Variable ist.

Die Festsetzung ist eine Beschreibung dieser SĂ€tze.

Die Festsetzung wird also nur von Symbolen, nicht von deren Bedeutung handeln.

Und nu r dies ist der Festsetzung wesentlich, d a s s s i e nu r e i n e B e s ch r e i b u n g vo n  S y mb o l e n i s t u n d n i cht s ĂŒ b e r d a s B e z e i ch n e t e a u s s a g t.

Wie die Beschreibung der SĂ€tze geschieht, ist unwesentlich.

3.318          Den Satz fasse ich—wie Frege und Russell—als Funktion der in ihm enthaltenen AusdrĂŒcke auf.

3.32 Das Zeichen ist das sinnlich Wahrnehmbare am Symbol.

3.321           Zwei verschiedene Symbole können also das Zeichen (Schrift- zeichen oder Lautzeichen etc.) miteinander gemein haben—sie bezeichnen dann auf verschiedene Art und Weise.

3.322          Es kann nie das gemeinsame Merkmal zweier GegenstĂ€nde an- zeigen, dass wir sie mit demselben Zeichen, aber durch zwei verschiedene B e z e i ch nu n g s we i s e n bezeichnen. Denn das Zeichen ist ja willkĂŒrlich. Man könnte also auch zwei verschiedene Zeichen wĂ€hlen, und wo bliebe dann das Gemeinsame in der Bezeichnung.

3.323          In der Umgangssprache kommt es ungemein hĂ€ufig vor, dass dasselbe Wort auf verschiedene Art und Weise bezeichnet—also verschiedenen Symbolen angehört—, oder, dass zwei Wörter, die auf verschiedene Art und Weise bezeichnen, Ă€usserlich in der gleichen Weise im Satze angewandt werden.

So erscheint das Wort „ist“ als Kopula, als Gleichheitszei- chen und als Ausdruck der Existenz; „existieren“ als intransiti- ves Zeitwort wie „gehen“; „identisch“ als Eigenschaftswort; wir reden von E twa s, aber auch davon, dass e twa s geschieht.

(Im Satze „GrĂŒn ist grĂŒn“—wo das erste Wort ein Perso- nenname, das letzte ein Eigenschaftswort ist—haben diese Wor- te nicht einfach verschiedene Bedeutung, sondern es sind ve r - s ch i e d e n e S y mb o l e.)

3.324          So entstehen leicht die fundamentalsten Verwechslungen (deren die ganze Philosophie voll ist).

3.325          Um diesen IrrtĂŒmern zu entgehen, mĂŒssen wir eine Zeichen- sprache verwenden, welche sie ausschliesst, indem sie nicht das gleiche Zeichen in verschiedenen Symbolen, und Zeichen, welche auf verschiedene Art bezeichnen, nicht Ă€usserlich auf die gleiche Art verwendet. Eine Zeichensprache also, die der l o g i s ch e n Grammatik—der logischen Syntax—gehorcht.

(Die Begriffsschrift Frege’s und Russell’s ist eine solche Spra- che, die allerdings noch nicht alle Fehler ausschliesst.)

3.326          Um das Symbol am Zeichen zu erkennen, muss man auf den sinnvollen Gebrauch achten.

3.327           Das Zeichen bestimmt erst mit seiner logisch-syntaktischen Ver- wendung zusammen eine logische Form.

3.328          Wird ein Zeichen n i c h t g e b r a u ch t, so ist es bedeutungslos. Das ist der Sinn der Devise Occams.

(Wenn sich alles so verhÀlt als hÀtte ein Zeichen Bedeutung, dann hat es auch Bedeutung.)

3.33 In der logischen Syntax darf nie die Bedeutung eines Zeichens eine Rolle spielen; sie muss sich aufstellen lassen, ohne dass dabei von der B e d e u t u n g eines Zeichens die Rede wĂ€re, sie darf nu r die Beschreibung der AusdrĂŒcke voraussetzen.

3.331           Von dieser Bemerkung sehen wir in Russell’s „Theory of types“ hinĂŒber: Der Irrtum Russell’s zeigt sich darin, dass er bei der Aufstellung der Zeichenregeln von der Bedeutung der Zeichen reden musste.

3.332          Kein Satz kann etwas ĂŒber sich selbst aussagen, weil das Satzzei- chen nicht in sich selbst enthalten sein kann, (das ist die ganze „Theory of types“).

3.333          Eine Funktion kann darum nicht ihr eigenes Argument sein, weil das Funktionszeichen bereits das Urbild seines Arguments ent- hĂ€lt und es sich nicht selbst enthalten kann.

Nehmen wir nĂ€mlich an, die Funktion F (fx) könnte ihr ei- genes Argument sein; dann gĂ€be es also einen Satz: „F (F (fx))“ und in diesem mĂŒssen die Ă€ussere Funktion F und die innere Funktion F verschiedene Bedeutungen haben, denn die innere hat die Form φ(fx), die Ă€ussere, die Form ψ(φ(fx)). Gemein- sam ist den beiden Funktionen nur der Buchstabe „F “, der aber allein nichts bezeichnet.

Dies wird sofort klar, wenn wir statt „F (F (u))“ schreiben „(∃φ) : F (φu) . φu = Fu“.

Hiermit erledigt sich Russell’s Paradox.

3.334          Die Regeln der logischen Syntax mĂŒssen sich von selbst verste- hen, wenn man nur weiss, wie ein jedes Zeichen bezeichnet.

3.34 Der Satz besitzt wesentliche und zufĂ€llige ZĂŒge.

ZufĂ€llig sind die ZĂŒge, die von der besonderen Art der Her- vorbringung des Satzzeichens herrĂŒhren. Wesentlich diejenigen, welche allein den Satz befĂ€higen, seinen Sinn auszudrĂŒcken.

3.341           Das Wesentliche am Satz ist also das, was allen SĂ€tzen, welche den gleichen Sinn ausdrĂŒcken können, gemeinsam ist.

Und ebenso ist allgemein das Wesentliche am Symbol das, was alle Symbole, die denselben Zweck erfĂŒllen können, gemein- sam haben.

3.3411 Man könnte also sagen: Der eigentliche Name ist das, was alle Symbole, die den Gegenstand bezeichnen, gemeinsam haben. Es wĂŒrde sich so successive ergeben, dass keinerlei Zusammenset- zung fĂŒr den Namen wesentlich ist.

3.342          An unseren Notationen ist zwar etwas willkĂŒrlich, aber d a s ist nicht willkĂŒrlich: Dass, we n n wir etwas willkĂŒrlich bestimmt haben, dann etwas anderes der Fall sein muss. (Dies hĂ€ngt von dem We s e n der Notation ab.)

3.3421 Eine besondere Bezeichnungsweise mag unwichtig sein, aber wichtig ist es immer, dass diese eine m ö g l i ch e Bezeichnungs- weise ist. Und so verhĂ€lt es sich in der Philosophie ĂŒberhaupt: Das Einzelne erweist sich immer wieder als unwichtig, aber die Möglichkeit jedes Einzelnen gibt uns einen Aufschluss ĂŒber das Wesen der Welt.

3.343          Definitionen sind Regeln der Übersetzung von einer Sprache in eine andere. Jede richtige Zeichensprache muss sich in jede an- dere nach solchen Regeln ĂŒbersetzen lassen: D i e s ist, was sie alle gemeinsam haben.

3.344          Das, was am Symbol bezeichnet, ist das Gemeinsame aller jener Symbole, durch die das erste den Regeln der logischen Syntax zufolge ersetzt werden kann.

3.3441 Man kann z. B. das Gemeinsame aller Notationen fĂŒr die Wahr- heitsfunktionen so ausdrĂŒcken: Es ist ihnen gemeinsam, dass sich alle—z. B.—durch die Notation von „∌p“ („nicht p“) und „p √ q“ („p oder q“) e r s e t z e n l a s s e n.

(Hiermit ist die Art und Weise gekennzeichnet, wie eine spezielle mögliche Notation uns allgemeine AufschlĂŒsse geben kann.)

3.3442 Das Zeichen des Komplexes löst sich auch bei der Analyse nicht willkĂŒrlich auf, so dass etwa seine Auflösung in jedem SatzgefĂŒge eine andere wĂ€re.

3.4 Der Satz bestimmt einen Ort im logischen Raum. Die Existenz dieses logischen Ortes ist durch die Existenz der Bestandteile allein verbĂŒrgt, durch die Existenz des sinnvollen Satzes.

3.41 Das Satzzeichen und die logischen Koordinaten: Das ist der lo- gische Ort.

3.411 Der geometrische und der logische Ort stimmen darin ĂŒberein, dass beide die Möglichkeit einer Existenz sind.

3.42 Obwohl der Satz nur einen Ort des logischen Raumes bestimmen darf, so muss doch durch ihn schon der ganze logische Raum gegeben sein.

(Sonst wĂŒrden durch die Verneinung, die logische Summe, das logische Produkt, etc. immer neue Elemente—in Koordina- tion—eingefĂŒhrt.)

(Das logische GerĂŒst um das Bild herum bestimmt den logi- schen Raum. Der Satz durchgreift den ganzen logischen Raum.)

3.5          Das angewandte, gedachte, Satzzeichen ist der Gedanke.

4                         Der Gedanke ist der sinnvolle Satz.

4.001               Die Gesamtheit der SĂ€tze ist die Sprache.

4.002              Der Mensch besitzt die FĂ€higkeit Sprachen zu bauen, womit sich jeder Sinn ausdrĂŒcken lĂ€sst, ohne eine Ahnung davon zu haben, wie und was jedes Wort bedeutet.—Wie man auch spricht, ohne zu wissen, wie die einzelnen Laute hervorgebracht werden.

Die Umgangssprache ist ein Teil des menschlichen Organis- mus und nicht weniger kompliziert als dieser.

Es ist menschenunmöglich, die Sprachlogik aus ihr unmittel- bar zu entnehmen.

Die Sprache verkleidet den Gedanken. Und zwar so, dass man nach der Àusseren Form des Kleides, nicht auf die Form des bekleideten Gedankens schliessen kann; weil die Àussere Form des Kleides nach ganz anderen Zwecken gebildet ist, als danach, die Form des Körpers erkennen zu lassen.

Die stillschweigenden Abmachungen zum VerstÀndnis der Umgangssprache sind enorm kompliziert.

4.003               Die meisten SĂ€tze und Fragen, welche ĂŒber philosophische Din- ge geschrieben worden sind, sind nicht falsch, sondern unsinnig. Wir können daher Fragen dieser Art ĂŒberhaupt nicht beantwor- ten, sondern nur ihre Unsinnigkeit feststellen. Die meisten Fra- gen und SĂ€tze der Philosophen beruhen darauf, dass wir unsere Sprachlogik nicht verstehen.

(Sie sind von der Art der Frage, ob das Gute mehr oder weniger identisch sei als das Schöne.)

Und es ist nicht verwunderlich, dass die tiefsten Probleme eigentlich ke i n e Probleme sind.

4.0031 Alle Philosophie ist „Sprachkritik“. (Allerdings nicht im Sinne Mauthners.) Russell’s Verdienst ist es, gezeigt zu haben, dass die scheinbare logische Form des Satzes nicht seine wirkliche sein muss.

4.01 Der Satz ist ein Bild der Wirklichkeit.

Der Satz ist ein Modell der Wirklichkeit, so wie wir sie uns denken.

4.011                Auf den ersten Blick scheint der Satz—wie er etwa auf dem Papier gedruckt steht—kein Bild der Wirklichkeit zu sein, von der er handelt. Aber auch die Notenschrift scheint auf den ers- ten Blick kein Bild der Musik zu sein, und unsere Lautzeichen- (Buchstaben-)Schrift kein Bild unserer Lautsprache.

Und doch erweisen sich diese Zeichensprachen auch im ge- wöhnlichen Sinne als Bilder dessen, was sie darstellen.

4.012               Offenbar ist, dass wir einen Satz von der Form „aRb“ als Bild empfinden. Hier ist das Zeichen offenbar ein Gleichnis des Be- zeichneten.

4.013               Und wenn wir in das Wesentliche dieser Bildhaftigkeit eindrin- gen, so sehen wir, dass dieselbe durch s ch e i nb a r e U n r e - g e l m Ă€ s s i g ke i t e n (wie die Verwendung der ♯ und ♭ in der Notenschrift) n i c h t gestört wird.

Denn auch diese UnregelmĂ€ssigkeiten bilden das ab, was sie ausdrĂŒcken sollen; nur auf eine andere Art und Weise.

4.014                Die Grammophonplatte, der musikalische Gedanke, die Noten- schrift, die Schallwellen, stehen alle in jener abbildenden inter- nen Beziehung zu einander, die zwischen Sprache und Welt be- steht.

Ihnen allen ist der logische Bau gemeinsam.

(Wie im MĂ€rchen die zwei JĂŒnglinge, ihre zwei Pferde und ihre Lilien. Sie sind alle in gewissem Sinne Eins.)

4.0141 Dass es eine allgemeine Regel gibt, durch die der Musiker aus der Partitur die Symphonie entnehmen kann, durch welche man aus der Linie auf der Grammophonplatte die Symphonie und nach der ersten Regel wieder die Partitur ableiten kann, dar- in besteht eben die innere Ähnlichkeit dieser scheinbar so ganz verschiedenen Gebilde. Und jene Regel ist das Gesetz der Pro- jektion, welches die Symphonie in die Notensprache projiziert. Sie ist die Regel der Übersetzung der Notensprache in die Spra- che der Grammophonplatte.

4.015               Die Möglichkeit aller Gleichnisse, der ganzen Bildhaftigkeit un- serer Ausdrucksweise, ruht in der Logik der Abbildung.

4.016               Um das Wesen des Satzes zu verstehen, denken wir an die Hiero- glyphenschrift, welche die Tatsachen die sie beschreibt abbildet. Und aus ihr wurde die Buchstabenschrift, ohne das Wesentliche der Abbildung zu verlieren.

4.02 Dies sehen wir daraus, dass wir den Sinn des Satzzeichens ver- stehen, ohne dass er uns erklÀrt wurde.

4.021                Der Satz ist ein Bild der Wirklichkeit: Denn ich kenne die von ihm dargestellte Sachlage, wenn ich den Satz verstehe. Und den Satz verstehe ich, ohne dass mir sein Sinn erklĂ€rt wurde.

4.022               Der Satz z e i g t seinen Sinn.

Der Satz z e i g t, wie es sich verhÀlt, we n n er wahr ist. Und er s a g t, d a s s es sich so verhÀlt.

4.023               Die Wirklichkeit muss durch den Satz auf ja oder nein fixiert sein.

Dazu muss sie durch ihn vollstÀndig beschrieben werden. Der Satz ist die Beschreibung eines Sachverhaltes.

Wie die Beschreibung einen Gegenstand nach seinen exter- nen Eigenschaften, so beschreibt der Satz die Wirklichkeit nach ihren internen Eigenschaften.

Der Satz konstruiert eine Welt mit Hilfe eines logischen Ge- rĂŒstes und darum kann man am Satz auch sehen, wie sich al- les Logische verhĂ€lt, we n n er wahr ist. Man kann aus einem falschen Satz S ch l ĂŒ s s e z i e h e n.

4.024               Einen Satz verstehen, heisst, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist.

(Man kann ihn also verstehen, ohne zu wissen, ob er wahr ist.)

Man versteht ihn, wenn man seine Bestandteile versteht.

4.025               Die Übersetzung einer Sprache in eine andere geht nicht so vor sich, dass man jeden S a t z der einen in einen S a t z der anderen ĂŒbersetzt, sondern nur die Satzbestandteile werden ĂŒbersetzt.

(Und das Wörterbuch ĂŒbersetzt nicht nur Substantiva, son- dern auch Zeit-, Eigenschafts- und Bindewörter etc.; und es be- handelt sie alle gleich.)

4.026               Die Bedeutungen der einfachen Zeichen (der Wörter) mĂŒssen uns erklĂ€rt werden, dass wir sie verstehen.

Mit den SÀtzen aber verstÀndigen wir uns.

4.027               Es liegt im Wesen des Satzes, dass er uns einen n e u e n Sinn mitteilen kann.

4.03 Ein Satz muss mit alten AusdrĂŒcken einen neuen Sinn mitteilen. Der Satz teilt uns eine Sachlage mit, also muss er we s e n t l i ch mit der Sachlage zusammenhĂ€ngen.

Und der Zusammenhang ist eben, dass er ihr logisches Bild ist.

Der Satz sagt nur insoweit etwas aus, als er ein Bild ist.

4.031                Im Satz wird gleichsam eine Sachlage probeweise zusammenge- stellt.

Man kann geradezu sagen: statt, dieser Satz hat diesen und diesen Sinn; dieser Satz stellt diese und diese Sachlage dar.

4.0311 Ein Name steht fĂŒr ein Ding, ein anderer fĂŒr ein anderes Ding und untereinander sind sie verbunden, so stellt das Ganze—wie ein lebendes Bild—den Sachverhalt vor.

4.0312 Die Möglichkeit des Satzes beruht auf dem Prinzip der Vertre- tung von GegenstÀnden durch Zeichen.

Mein Grundgedanke ist, dass die „logischen Konstanten“ nicht vertreten. Dass sich die L o g i k der Tatsachen nicht ver- treten lĂ€sst.

4.032               Nur insoweit ist der Satz ein Bild einer Sachlage, als er logisch gegliedert ist.

(Auch der Satz „ambulo“ ist zusammengesetzt, denn sein Stamm ergibt mit einer anderen Endung und seine Endung mit einem anderen Stamm, einen anderen Sinn.)

4.04 Am Satz muss gerade soviel zu unterscheiden sein, als an der Sachlage die er darstellt.

Die beiden mĂŒssen die gleiche logische (mathematische) Mannigfaltigkeit besitzen. (Vergleiche Hertz’s Mechanik, ĂŒber Dynamische Modelle.)

4.041 Diese mathematische Mannigfaltigkeit kann man natĂŒrlich nicht selbst wieder abbilden. Aus ihr kann man beim Abbilden nicht heraus.

4.0411 Wollten wir z. B. das, was wir durch „(x)fx“ ausdrĂŒcken, durch Vorsetzen eines Indexes vor „fx“ ausdrĂŒcken—etwa so: „Alg. fx“, es wĂŒrde nicht genĂŒgen—wir wĂŒssten nicht, was verallge- meinert wurde. Wollten wir es durch einen Index „a“ anzeigen— etwa so: „f (xa)“—es wĂŒrde auch nicht genĂŒgen—wir wĂŒssten nicht den Bereich der Allgemeinheitsbezeichnung.

Wollten wir es durch EinfĂŒhrung einer Marke in die Argumentstellen versuchen—etwa so: „(A, A) . F (A, A)“—es wĂŒrde nicht genĂŒgen—wir könnten die IdentitĂ€t der Variablen nicht feststellen. U.s.w.

Alle diese Bezeichnungsweisen genĂŒgen nicht, weil sie nicht die notwendige mathematische Mannigfaltigkeit haben.

4.0412 Aus demselben Grunde genĂŒgt die idealistische ErklĂ€rung des Sehens der rĂ€umlichen Beziehungen durch die „Raumbrille“ nicht, weil sie nicht die Mannigfaltigkeit dieser Beziehungen erklĂ€ren kann.

4.05               Die Wirklichkeit wird mit dem Satz verglichen.

4.06               Nur dadurch kann der Satz wahr oder falsch sein, indem er ein Bild der Wirklichkeit ist.

4.061                Beachtet man nicht, dass der Satz einen von den Tatsachen un- abhĂ€ngigen Sinn hat, so kann man leicht glauben, dass wahr und falsch gleichberechtigte Beziehungen von Zeichen und Bezeich- netem sind.

Man könnte dann z. B. sagen, dass „p“ auf die wahre Art bezeichnet, was „∌p“ auf die falsche Art, etc.

4.062               Kann man sich nicht mit falschen SĂ€tzen, wie bisher mit wahren, verstĂ€ndigen? Solange man nur weiss, dass sie falsch gemeint sind. Nein! Denn, wahr ist ein Satz, wenn es sich so verhĂ€lt, wie wir es durch ihn sagen; und wenn wir mit „p“ ∌p meinen, und es sich so verhĂ€lt wie wir es meinen, so ist „p“ in der neuen Auffassung wahr und nicht falsch.

4.0621 Dass aber die Zeichen „p“ und „∌p“ das gleiche sagen  kö n - n e n, ist wichtig. Denn es zeigt, dass dem Zeichen „∌“ in der Wirklichkeit nichts entspricht.

Dass in einem Satz die Verneinung vorkommt, ist noch kein Merkmal seines Sinnes (∌∌p = p).

Die SĂ€tze „p“ und „∌p“ haben entgegengesetzten Sinn, aber es entspricht ihnen eine und dieselbe Wirklichkeit.

4.063               Ein Bild zur ErklĂ€rung des Wahrheitsbegriffes: Schwarzer Fleck auf weissem Papier; die Form des Fleckes kann man beschreiben, indem man fĂŒr jeden Punkt der FlĂ€che angibt, ob er weiss oder schwarz ist. Der Tatsache, dass ein Punkt schwarz ist, entspricht eine positive—der, dass ein Punkt weiss (nicht schwarz) ist, eine negative Tatsache. Bezeichne ich einen Punkt der FlĂ€che (einen Frege’schen Wahrheitswert), so entspricht dies der Annahme, die zur Beurteilung aufgestellt wird, etc. etc.

Um aber sagen zu können, ein Punkt sei schwarz oder weiss, muss ich vorerst wissen, wann man einen Punkt schwarz und wann man ihn weiss nennt; um sagen zu können: „p“ ist wahr (oder falsch), muss ich bestimmt haben, unter welchen UmstĂ€n- den ich „p“ wahr nenne, und damit bestimme ich den Sinn des Satzes.

Der Punkt an dem das Gleichnis hinkt ist nun der: Wir kön- nen auf einen Punkt des Papiers zeigen, auch ohne zu wissen, was weiss und schwarz ist; einem Satz ohne Sinn aber entspricht gar nichts, denn er bezeichnet kein Ding (Wahrheitswert) dessen Ei- genschaften etwa „falsch“ oder „wahr“ hiessen; das Verbum eines Satzes ist nicht „ist wahr“ oder „ist falsch“—wie Frege glaubte—, sondern das, was „wahr ist“ muss das Verbum schon enthalten.

4.064               Jeder Satz muss s ch o n einen Sinn haben; die Bejahung kann ihn ihm nicht geben, denn sie bejaht ja gerade den Sinn. Und dasselbe gilt von der Verneinung, etc.

4.0641 Man könnte sagen: Die Verneinung bezieht sich schon auf den logischen Ort, den der verneinte Satz bestimmt.

Der verneinende Satz bestimmt einen a n d e r e n logischen Ort als der verneinte.

Der verneinende Satz bestimmt einen logischen Ort mit Hilfe des logischen Ortes des verneinten Satzes, indem er jenen aus- serhalb diesem liegend beschreibt.

Dass man den verneinten Satz wieder verneinen kann, zeigt schon, dass das, was verneint wird, schon ein Satz und nicht erst die Vorbereitung zu einem Satze ist.

1.1                   Der Satz stellt das Bestehen und Nichtbestehen der Sachverhalte dar.

4.11        Die Gesamtheit der wahren SĂ€tze ist die gesamte Naturwissen- schaft (oder die Gesamtheit der Naturwissenschaften).

4.111           Die Philosophie ist keine der Naturwissenschaften.

(Das Wort „Philosophie“ muss etwas bedeuten, was ĂŒber oder unter, aber nicht neben den Naturwissenschaften steht.)

4.112          Der Zweck der Philosophie ist die logische KlĂ€rung der Gedan- ken.

Die Philosophie ist keine Lehre, sondern eine TĂ€tigkeit.

Ein philosophisches Werk besteht wesentlich aus ErlÀuterun- gen.

Das Resultat der Philosophie sind nicht „philosophische SĂ€t- ze“, sondern das Klarwerden von SĂ€tzen.

Die Philosophie soll die Gedanken, die sonst, gleichsam, trĂŒ- be und verschwommen sind, klar machen und scharf abgrenzen.

4.1121    Die Psychologie ist der Philosophie nicht verwandter als irgend eine andere Naturwissenschaft.

Erkenntnistheorie ist die Philosophie der Psychologie.

Entspricht nicht mein Studium der Zeichensprache dem Studium der Denkprozesse, welches die Philosophen fĂŒr die Philosophie der Logik fĂŒr so wesentlich hielten? Nur verwickelten sie sich meistens in unwesentliche psychologische Untersuchungen und eine analoge Gefahr gibt es auch bei meiner Methode.

4.1122 Die Darwinsche Theorie hat mit der Philosophie nicht mehr  zu schaffen, als irgend eine andere Hypothese der Naturwissen- schaft.

4.113          Die Philosophie begrenzt das bestreitbare Gebiet der Naturwis- senschaft.

4.114          Sie soll das Denkbare abgrenzen und damit das Undenkbare. Sie soll das Undenkbare von innen durch das Denkbare begrenzen.

4.115          Sie wird das Unsagbare bedeuten, indem sie das Sagbare klar darstellt.

4.116          Alles was ĂŒberhaupt gedacht werden kann, kann klar gedacht werden. Alles was sich aussprechen lĂ€sst, lĂ€sst sich klar ausspre- chen.

4.12 Der Satz kann die gesamte Wirklichkeit darstellen, aber er kann nicht das darstellen, was er mit der Wirklichkeit gemein haben muss, um sie darstellen zu können—die logische Form.

Um die logische Form darstellen zu können, mĂŒssten wir uns mit dem Satze ausserhalb der Logik aufstellen können, das heisst ausserhalb der Welt.

4.121           Der Satz kann die logische Form nicht darstellen, sie spiegelt sich in ihm.

Was sich in der Sprache spiegelt, kann sie nicht darstellen.

Was s i ch in der Sprache ausdrĂŒckt, können w i r nicht durch sie ausdrĂŒcken.

Der Satz z e i g t die logische Form der Wirklichkeit. Er weist sie auf.

4.1211 So zeigt ein Satz „fa“, dass in seinem Sinn der Gegenstand a vorkommt, zwei SĂ€tze „fa“ und „ga“, dass in ihnen beiden von demselben Gegenstand die Rede ist.

Wenn zwei SĂ€tze einander widersprechen, so zeigt dies ihre Struktur; ebenso, wenn einer aus dem anderen folgt. U.s.w.

4.1212 Was gezeigt werden ka n n, ka n n nicht gesagt werden.

4.1213 Jetzt verstehen wir auch unser GefĂŒhl: dass wir im Besitze einer richtigen logischen Auffassung seien, wenn nur einmal alles in unserer Zeichensprache stimmt.

4.122          Wir können in gewissem Sinne von formalen Eigenschaften der GegenstĂ€nde und Sachverhalte bezw. von Eigenschaften der Struktur der Tatsachen reden und in demselben Sinne von for- malen Relationen und Relationen von Strukturen.

(Statt Eigenschaft der Struktur sage ich auch „interne Eigen- schaft“; statt Relation der Strukturen „interne Relation“.

Ich fĂŒhre diese AusdrĂŒcke ein, um den Grund der, bei den Philosophen sehr verbreiteten Verwechslung zwischen den internen Relationen und den eigentlichen (externen) Relationen zu zeigen.)

Das Bestehen solcher interner Eigenschaften und Relationen kann aber nicht durch SÀtze behauptet werden, sondern es zeigt sich in den SÀtzen, welche jene Sachverhalte darstellen und von jenen GegenstÀnden handeln.

4.1221 Eine interne Eigenschaft einer Tatsache können wir auch einen Zug dieser Tatsache nennen. (In dem Sinn, in welchem wir etwa von GesichtszĂŒgen sprechen.)

4.123          Eine Eigenschaft ist intern, wenn es undenkbar ist, dass ihr Ge- genstand sie nicht besitzt.

(Diese blaue Farbe und jene stehen in der internen Relation von heller und dunkler eo ipso. Es ist undenkbar, dass d i e s e beiden GegenstĂ€nde nicht in dieser Relation stĂŒnden.)

(Hier entspricht dem schwankenden Gebrauch der Worte „Ei- genschaft“ und „Relation“ der schwankende Gebrauch des Wor- tes „Gegenstand“.)

4.124          Das Bestehen einer internen Eigenschaft einer möglichen Sach- lage wird nicht durch einen Satz ausgedrĂŒckt, sondern es drĂŒckt sich in dem sie darstellenden Satz, durch eine interne Eigenschaft dieses Satzes aus.

Es wÀre ebenso unsinnig, dem Satze eine formale Eigenschaft zuzusprechen, als sie ihm abzusprechen.

4.1241 Formen kann man nicht dadurch von einander unterscheiden, dass man sagt, die eine habe diese, die andere aber jene Eigenschaft; denn dies setzt voraus, dass es einen Sinn habe, beide Eigenschaften von beiden Formen auszusagen.

4.125          Das Bestehen einer internen Relation zwischen möglichen Sach- lagen drĂŒckt sich sprachlich durch eine interne Relation zwischen den sie darstellenden SĂ€tzen aus.

4.1251    Hier erledigt sich nun die Streitfrage „ob alle Relationen intern oder extern“ seien.

4.1252   Reihen, welche durch i nt e r n e Relationen geordnet sind, nenne ich Formenreihen.

Die Zahlenreihe ist nicht nach einer externen, sondern nach einer internen Relation geordnet.

Ebenso die Reihe der SĂ€tze „aRb“, „(∃x) : aRx . xRb“, „(∃x, y) : aRx . xRy . yRb“, u. s. f.

(Steht b in einer dieser Beziehungen zu a, so nenne ich b einen Nachfolger von a.)

4.126          In dem Sinne, in welchem wir von formalen Eigenschaften spre- chen, können wir nun auch von formalen Begriffen reden.

(Ich fĂŒhre diesen Ausdruck ein, um den Grund der Verwechs- lung der formalen Begriffe mit den eigentlichen Begriffen, welche die ganze alte Logik durchzieht, klar zu machen.)

Dass etwas unter einen formalen Begriff als dessen Gegen- stand fĂ€llt, kann nicht durch einen Satz ausgedrĂŒckt werden. Sondern es zeigt sich an dem Zeichen dieses Gegenstandes selbst. (Der Name zeigt, dass er einen Gegenstand bezeichnet, das Zah- lenzeichen, dass es eine Zahl bezeichnet etc.)

Die formalen Begriffe können ja nicht, wie die eigentlichen Begriffe, durch eine Funktion dargestellt werden.

Denn ihre Merkmale, die formalen Eigenschaften, werden nicht durch Funktionen ausgedrĂŒckt.

Der Ausdruck der formalen Eigenschaft ist ein Zug gewisser Symbole.

Das Zeichen der Merkmale eines formalen Begriffes ist al- so ein charakteristischer Zug aller Symbole, deren Bedeutungen unter den Begriff fallen.

Der Ausdruck des formalen Begriffes also, eine Satzvariable, in welcher nur dieser charakteristische Zug konstant ist.

4.127           Die Satzvariable bezeichnet den formalen Begriff und ihre Werte die GegenstĂ€nde, welche unter diesen Begriff fallen.

4.1271 Jede Variable ist das Zeichen eines formalen Begriffes.

Denn jede Variable stellt eine konstante Form dar, welche alle ihre Werte besitzen, und die als formale Eigenschaft dieser Werte aufgefasst werden kann.

4.1272 So ist der variable Name „x“ das eigentliche Zeichen des Scheinbegriffes G e g e n s t a n d.

Wo immer das Wort „Gegenstand“ („Ding“, „Sache“, etc.) richtig gebraucht wird, wird es in der Begriffsschrift durch den variablen Namen ausgedrĂŒckt.

Zum Beispiel in dem Satz „es gibt 2 GegenstĂ€nde, welche

. . . “ durch „(∃x, y) . . .“.

Wo immer es anders, also als eigentliches Begriffswort ge- braucht wird, entstehen unsinnige ScheinsÀtze.

So kann man z. B. nicht sagen „Es gibt GegenstĂ€nde“, wie man etwa sagt „Es gibt BĂŒcher“. Und ebenso wenig „Es gibt 100 GegenstĂ€nde“, oder „Es gibt â„”0 GegenstĂ€nde“.

Und es ist unsinnig, von der A n z a h l a l l e r G e g e n s t À n d e zu sprechen.

Dasselbe gilt von den Worten „Komplex“, „Tatsache“, „Funktion“, „Zahl“, etc.

Sie alle bezeichnen formale Begriffe und werden in der Be- griffsschrift durch Variable, nicht durch Funktionen oder Klassen dargestellt. (Wie Frege und Russell glaubten.)

AusdrĂŒcke wie „1 ist eine Zahl“, „es gibt nur Eine Null“ und alle Ă€hnlichen sind unsinnig.

(Es ist ebenso unsinnig zu sagen „es gibt nur eine 1“, als es unsinnig wĂ€re, zu sagen: 2 + 2 ist um 3 Uhr gleich 4.)

4.12721 Der formale Begriff ist mit einem Gegenstand, der unter ihn fĂ€llt, bereits gegeben. Man kann also nicht GegenstĂ€nde eines forma- len Begriffes u n d den formalen Begriff selbst als Grundbegriffe einfĂŒhren. Man kann also z. B. nicht den Begriff der Funktion, und auch spezielle Funktionen (wie Russell) als Grundbegriffe einfĂŒhren; oder den Begriff der Zahl und bestimmte Zahlen.

4.1273 Wollen wir den allgemeinen Satz: „b ist ein Nachfolger von a“ in der Begriffsschrift ausdrĂŒcken, so brauchen wir hierzu einen Ausdruck fĂŒr das allgemeine Glied der Formenreihe: aRb, (∃x) : aRx.xRb, (∃x, y) : aRx.xRy.yRb, . . . Das allgemeine Glied einer Formenreihe kann man nur durch eine Variable ausdrĂŒcken, denn der Begriff: Glied dieser Formenreihe, ist ein f o r m a l e r Begriff. (Dies haben Frege und Russell ĂŒbersehen; die Art und Weise wie sie allgemeine SĂ€tze, wie den obigen ausdrĂŒcken wollen ist daher falsch; sie enthĂ€lt einen circulus vitiosus.)

Wir können das allgemeine Glied der Formenreihe bestimmen, indem wir ihr erstes Glied angeben und die allgemeine Form der Operation, welche das folgende Glied aus dem vorher- gehenden Satz erzeugt.

4.1274 Die Frage nach der Existenz eines formalen Begriffes ist unsinnig. Denn kein Satz kann eine solche Frage beantworten.

(Man kann also z. B. nicht fragen: „Gibt es unanalysierbare Subjekt-PrĂ€dikatsĂ€tze?“)

4.121           Die logischen Formen sind zahl l o s.

Darum gibt es in der Logik keine ausgezeichneten Zahlen und darum gibt es keinen philosophischen Monismus oder Dualismus, etc.

4.2 Der Sinn des Satzes ist seine Übereinstimmung, und NichtĂŒber- einstimmung mit den Möglichkeiten des Bestehens und Nicht- bestehens der Sachverhalte.

4.21 Der einfachste Satz, der Elementarsatz, behauptet das Bestehen eines Sachverhaltes.

4.211 Ein Zeichen des Elementarsatzes ist es, dass kein Elementarsatz mit ihm in Widerspruch stehen kann.

4.22 Der Elementarsatz besteht aus Namen. Er ist ein Zusammen- hang, eine Verkettung, von Namen.

4.221 Es ist offenbar, dass wir bei der Analyse der SĂ€tze auf Elemen- tarsĂ€tze kommen mĂŒssen, die aus Namen in unmittelbarer Ver- bindung bestehen.

Es frÀgt sich hier, wie kommt der Satzverband zustande.

4.2211 Auch wenn die Welt unendlich komplex ist, so dass jede Tatsache aus unendlich vielen Sachverhalten besteht und jeder Sachver- halt aus unendlich vielen GegenstĂ€nden zusammengesetzt ist, auch dann mĂŒsste es GegenstĂ€nde und Sachverhalte geben.

4.23               Der Name kommt im Satz nur im Zusammenhange des Elemen- tarsatzes vor.

4.24               Die Namen sind die einfachen Symbole, ich deute sie durch ein- zelne Buchstaben („x“, „y“, „z“) an.

Den Elementarsatz schreibe ich als Funktion der Namen in der Form: „fx“, „φ(x, y)“, etc.

Oder ich deute ihn durch die Buchstaben p, q, r an.

4.241           Gebrauche ich zwei Zeichen in ein und derselben Bedeutung, so drĂŒcke ich dies aus, indem ich zwischen beide das Zeichen „=“ setze.

„a = b“ heisst also: das Zeichen „a“ ist durch das Zeichen „b“ ersetzbar.

(FĂŒhre ich durch eine Gleichung ein neues Zeichen „b“ ein, indem ich bestimme, es solle ein bereits bekanntes Zeichen „a“ er- setzen, so schreibe ich die Gleichung—Definition—(wie Russell) in der Form „a = b Def.“. Die Definition ist eine Zeichenregel.)

4.242          AusdrĂŒcke von der Form „a = b“ sind also nur Behelfe der Dar- stellung; sie sagen nichts ĂŒber die Bedeutung der Zeichen „a“, „b“ aus.

4.243          Können wir zwei Namen verstehen, ohne zu wissen, ob sie das- selbe Ding oder zwei verschiedene Dinge bezeichnen?—Können wir einen Satz, worin zwei Namen vorkommen, verstehen, ohne zu wissen, ob sie Dasselbe oder Verschiedenes bedeuten?

Kenne ich etwa die Bedeutung eines englischen und eines gleichbedeutenden deutschen Wortes, so ist es unmöglich, dass ich nicht weiss, dass die beiden gleichbedeutend sind; es ist un- möglich, dass ich sie nicht ineinander ĂŒbersetzen kann.

AusdrĂŒcke wie „a = a“, oder von diesen abgeleitete, sind weder ElementarsĂ€tze, noch sonst sinnvolle Zeichen. (Dies wird sich spĂ€ter zeigen.)

4.25               Ist der Elementarsatz wahr, so besteht der Sachverhalt; ist der Elementarsatz falsch, so besteht der Sachverhalt nicht.

4.26               Die Angabe aller wahren ElementarsĂ€tze beschreibt die Welt vollstĂ€ndig. Die Welt ist vollstĂ€ndig beschrieben durch die An- gaben aller ElementarsĂ€tze plus der Angabe, welche von ihnen wahr und welche falsch sind.

4.27               BezĂŒglich des Bestehens und Nichtbestehens von n Sachverhalten gibt es [math]\displaystyle{ K_n = \sum_{v=0}^n \binom{n}{v} }[/math] Möglichkeiten.

Es können alle Kombinationen der Sachverhalte bestehen, die andern nicht bestehen.

4.28               Diesen Kombinationen entsprechen ebenso viele Möglichkeiten der Wahrheit—und Falschheit—von n ElementarsĂ€tzen.

4.3 Die Wahrheitsmöglichkeiten der ElementarsÀtze bedeuten die Möglichkeiten des Bestehens und Nichtbestehens der Sachver- halte.

4.31 Die Wahrheitsmöglichkeiten können wir durch Schemata folgen- der Art darstellen („W“ bedeutet „wahr“, „F“, „falsch“. Die Reihen der „W“ und „F“ unter der Reihe der ElementarsĂ€tze bedeu- ten in leichtverstĂ€ndlicher Symbolik deren Wahrheitsmöglichkeiten):

p q r
W W W
F W W
W F W
W W F
F F W
F W F
W F F
F F F
p q
W W
F W
W F
F F
p
W
F

4.4 Der Satz ist der Ausdruck der Übereinstimmung und NichtĂŒber- einstimmung mit den Wahrheitsmöglichkeiten der ElementarsĂ€t- ze.

4.41 Die Wahrheitsmöglichkeiten der ElementarsÀtze sind die Bedin- gungen der Wahrheit und Falschheit der SÀtze.

4.411 Es ist von vornherein wahrscheinlich, dass die EinfĂŒhrung der ElementarsĂ€tze fĂŒr das VerstĂ€ndnis aller anderen Satzarten grundlegend ist. Ja, das VerstĂ€ndnis der allgemeinen SĂ€tze hĂ€ngt f ĂŒ h l b a r von dem der ElementarsĂ€tze ab.

4.42    BezĂŒglich der Übereinstimmung und NichtĂŒbereinstimmung ei- nes Satzes mit den Wahrheitsmöglichkeiten von n ElementarsĂ€tzen gibt es [math]\displaystyle{ \sum_{k=0}^{K_n} \binom{K_n}{k} = L_n }[/math] Möglichkeiten.

4.43               Die Übereinstimmung mit den Wahrheitsmöglichkeiten können wir dadurch ausdrĂŒcken, indem wir ihnen im Schema etwa das Abzeichen „W“ (wahr) zuordnen.

Das Fehlen dieses Abzeichens bedeutet die NichtĂŒbereinstim- mung.

4.431 Der Ausdruck der Übereinstimmung und NichtĂŒbereinstimmung mit den Wahrheitsmöglichkeiten der ElementarsĂ€tze drĂŒckt die Wahrheitsbedingungen des Satzes aus.

Der Satz ist der Ausdruck seiner Wahrheitsbedingungen. (Frege hat sie daher ganz richtig als ErklĂ€rung der Zeichen seiner Begriffsschrift vorausgeschickt. Nur ist die ErklĂ€rung  des Wahrheitsbegriffes bei Frege falsch: WĂ€ren „das Wahre“  und „das Falsche“ wirklich GegenstĂ€nde und die Argumente in ∌p etc. dann wĂ€re nach Frege’s Bestimmung der Sinn von „∌p“ kei- neswegs bestimmt.)

4.44               Das Zeichen, welches durch die Zuordnung jener Abzeichen „W“ und der Wahrheitsmöglichkeiten entsteht, ist ein Satzzeichen.

4.441 Es ist klar, dass dem Komplex der Zeichen „F“ und „W“ kein Gegenstand (oder Komplex von GegenstĂ€nden) entspricht; so wenig, wie den horizontalen und vertikalen Strichen oder den Klammern.—„Logische GegenstĂ€nde“ gibt es nicht.

Analoges gilt natĂŒrlich fĂŒr alle Zeichen, die dasselbe aus- drĂŒcken wie die Schemata der „W“ und „F“.

4.442     Es ist z. B.:

„
p q
W W W
F W W
W F
F F W
“

ein Satzzeichen.

Frege’s „Urteilsstrich“ „[math]\displaystyle{ \vdash }[/math]“ ist logisch ganz bedeutungslos; er zeigt bei Frege (und Russell) nur an, dass diese Autoren die so bezeichneten SĂ€tze fĂŒr wahr halten. „[math]\displaystyle{ \vdash }[/math]“ gehört daher ebenso wenig zum SatzgefĂŒge, wie etwa die Nummer des Satzes. Ein Satz kann unmöglich von sich selbst aussagen, dass er wahr ist.)

Ist die Reihenfolge der Wahrheitsmöglichkeiten im Schema durch eine Kombinationsregel ein fĂŒr allemal festgesetzt, dann ist die letzte Kolonne allein schon ein Ausdruck der Wahrheits- bedingungen. Schreiben wir diese Kolonne als Reihe hin, so wird das Satzzeichen zu:

„(WW–W)(p, q)“ oder deutlicher „(WWFW)(p, q)“.

(Die Anzahl der Stellen in der linken Klammer ist durch die Anzahl der Glieder in der rechten bestimmt.)

4.45               FĂŒr n ElementarsĂ€tze gibt es Ln mögliche Gruppen von Wahr- heitsbedingungen.

Die Gruppen von Wahrheitsbedingungen, welche zu den Wahrheitsmöglichkeiten einer Anzahl von ElementarsÀtzen ge- hören, lassen sich in eine Reihe ordnen.

4.46               Unter den möglichen Gruppen von Wahrheitsbedingungen gibt es zwei extreme FĂ€lle.

In dem einen Fall ist der Satz fĂŒr sĂ€mtliche Wahrheitsmög- lichkeiten der ElementarsĂ€tze wahr. Wir sagen, die Wahrheits- bedingungen sind t a u t o l o g i s c h.

Im zweiten Fall ist der Satz fĂŒr sĂ€mtliche Wahrheitsmöglich- keiten falsch: Die Wahrheitsbedingungen sind ko nt r a d i k t o - r i s c h.

Im ersten Fall nennen wir den Satz eine Tautologie, im zwei- ten Fall eine Kontradiktion.

4.461 Der Satz zeigt was er sagt, die Tautologie und die Kontradiktion, dass sie nichts sagen.

Die Tautologie hat keine Wahrheitsbedingungen, denn sie ist bedingungslos wahr; und die Kontradiktion ist unter keiner Bedingung wahr.

Tautologie und Kontradiktion sind sinnlos.

(Wie der Punkt von dem zwei Pfeile in entgegengesetzter Richtung auseinandergehen.)

(Ich weiss z. B. nichts ĂŒber das Wetter, wenn ich weiss, dass es regnet oder nicht regnet.)

4.4611 Tautologie und Kontradiktion sind aber nicht unsinnig; sie gehö- ren zum Symbolismus, und zwar Ă€hnlich wie die „0“ zum Sym- bolismus der Arithmetik.

4.462                         Tautologie und Kontradiktion sind nicht Bilder der Wirklichkeit. Sie stellen keine mögliche Sachlage dar. Denn jene lĂ€sst j e d e mögliche Sachlage zu, diese ke i n e.

In der Tautologie heben die Bedingungen der Übereinstim- mung mit der Welt—die darstellenden Beziehungen—einander auf, so dass sie in keiner darstellenden Beziehung zur Wirklich- keit steht.

4.463                             Die Wahrheitsbedingungen bestimmen den Spielraum, der den Tatsachen durch den Satz gelassen wird.

(Der Satz, das Bild, das Modell, sind im negativen Sinne wie ein fester Körper, der die Bewegungsfreiheit der anderen beschrÀnkt; im positiven Sinne, wie der von fester Substanz be- grenzte Raum, worin ein Körper Platz hat.)

Die Tautologie lĂ€sst der Wirklichkeit den ganzen—unend- lichen—logischen Raum; die Kontradiktion erfĂŒllt den ganzen logischen Raum und lĂ€sst der Wirklichkeit keinen Punkt. Keine von beiden kann daher die Wirklichkeit irgendwie bestimmen.

4.464                             Die Wahrheit der Tautologie ist gewiss, des Satzes möglich, der Kontradiktion unmöglich.

(Gewiss, möglich, unmöglich: Hier haben wir das Anzeichen jener Gradation, die wir in der Wahrscheinlichkeitslehre brau- chen.)

4.465                             Das logische Produkt einer Tautologie und eines Satzes sagt das- selbe, wie der Satz. Also ist jenes Produkt identisch mit dem Satz. Denn man kann das Wesentliche des Symbols nicht Ă€n- dern, ohne seinen Sinn zu Ă€ndern.

4.466                             Einer bestimmten logischen Verbindung von Zeichen entspricht eine bestimmte logische Verbindung ihrer Bedeutungen; j e d e b e l i e b i g e Verbindung entspricht nur den unverbundenen Zei- chen.

Das heisst, SĂ€tze die fĂŒr jede Sachlage wahr sind, können ĂŒberhaupt keine Zeichenverbindungen sein, denn sonst könnten ihnen nur bestimmte Verbindungen von GegenstĂ€nden entspre- chen.

(Und keiner logischen Verbindung entspricht ke i n e Verbindung der GegenstÀnde.)

Tautologie und Kontradiktion sind die GrenzfÀlle der Zeichenverbindung, nÀmlich ihre Auflösung.

4.4661 Freilich sind auch in der Tautologie und Kontradiktion die Zei- chen noch mit einander verbunden, d. h. sie stehen in Bezie- hungen zu einander, aber diese Beziehungen sind bedeutungslos, dem S y mb o l unwesentlich.

4.5 Nun scheint es möglich zu sein, die allgemeinste Satzform anzu- geben: das heisst, eine Beschreibung der SĂ€tze i r g e n d e i n e r Zeichensprache zu geben, so dass jeder mögliche Sinn durch ein Symbol, auf welches die Beschreibung passt, ausgedrĂŒckt wer- den kann, und dass jedes Symbol, worauf die Beschreibung passt, einen Sinn ausdrĂŒcken kann, wenn die Bedeutungen der Namen entsprechend gewĂ€hlt werden.

Es ist klar, dass bei der Beschreibung der allgemeinsten Satz- form nu r ihr Wesentliches beschrieben werden darf,—sonst wĂ€re sie nĂ€mlich nicht die allgemeinste.

Dass es eine allgemeine Satzform gibt, wird dadurch bewie- sen, dass es keinen Satz geben darf, dessen Form man nicht hÀtte voraussehen (d. h. konstruieren) können. Die allgemeine Form des Satzes ist: Es verhÀlt sich so und so.

4.51               Angenommen, mir wĂ€ren a l l e ElementarsĂ€tze gegeben: Dann lĂ€sst sich einfach fragen: welche SĂ€tze kann ich aus ihnen bilden. Und das sind a l l e SĂ€tze und s o sind sie begrenzt.

4.52              Die SĂ€tze sind Alles, was aus der Gesamtheit aller Elementar- sĂ€tze folgt (natĂŒrlich auch daraus, dass es die G e s a mt h e i t a l l e r ist). (So könnte man in gewissem Sinne sagen, dass a l l e SĂ€tze Verallgemeinerungen der ElementarsĂ€tze sind.)

4.53              Die allgemeine Satzform ist eine Variable.

5                         Der Satz ist eine Wahrheitsfunktion der ElementarsĂ€tze.

(Der Elementarsatz ist eine Wahrheitsfunktion seiner selbst.)

5.01               Die ElementarsĂ€tze sind die Wahrheitsargumente des Satzes.

5.02              Es liegt nahe, die Argumente von Funktionen mit den Indices von Namen zu verwechseln. Ich erkenne nĂ€mlich sowohl am Ar- gument wie am Index die Bedeutung des sie enthaltenden Zeichens.

In Russell’s „+c“ ist z. B. „c“ ein Index, der darauf hinweist, dass das ganze Zeichen das Additionszeichen fĂŒr Kardinalzahlen ist. Aber diese Bezeichnung beruht auf willkĂŒrlicher Übereinkunft und man könnte statt „+c“ auch ein einfaches Zeichen wĂ€hlen; in „∌p“ aber ist „p“ kein Index, sondern ein Argument: der Sinn von „∌p“ ka n n n i cht verstanden werden, ohne dass vorher der Sinn von „p“ verstanden worden wĂ€re. (Im Namen Julius CĂ€sar ist „Julius“ ein Index. Der Index ist immer ein Teil einer Beschreibung des Gegenstandes, dessen Namen wir ihn an- hĂ€ngen. Z. B. D e r CĂ€sar aus dem Geschlechte der Julier.)

Die Verwechslung von Argument und Index liegt, wenn ich mich nicht irre, der Theorie Frege’s von der Bedeutung der SĂ€tze und Funktionen zugrunde. FĂŒr Frege waren die SĂ€tze der Logik Namen, und deren Argumente die Indices dieser Namen.

5.1                   Die Wahrheitsfunktionen lassen sich in Reihen ordnen. Das ist die Grundlage der Wahrscheinlichkeitslehre.

5.101 Die Wahrheitsfunktionen jeder Anzahl von ElementarsÀtzen lassen sich in einem Schema folgender Art hinschreiben:

(VVVV)(p, q) Tautologie (Wenn p, so p; und wenn q, so q.) (p ⊃ p . q ⊃ q)
(FVVV)(p, q) in Worten: Nicht beides p und q. (~(p . q))
(VFVV)(p, q) »    Â» Wenn q, so p. (q ⊃ p)
(VVFV)(p, q) »    Â» Wenn p, so q. (p ⊃ q)
(VVVF)(p, q) »    Â» p oder q. (p √ q)
(FFVV)(p, q) »    Â» Nicht q. ~q
(FVFV)(p, q) »    Â» Nicht p. ~p
(FVVF)(p, q) »    Â» p oder q, aber nicht beide. (p . ~q : √ : q . ~p)
(VFFV)(p, q) »    Â» Wenn p, so q; und wenn q, so p. (p ≡ q)
(VFVF)(p, q) »    Â» p
(VVFF)(p, q) »    Â» q
(FFFV)(p, q) »    Â» Weder p noch q. (~p . ~q) oder (p | q)
(FFVF)(p, q) »    Â» p und nicht q. (p . ~q)
(FVFF)(p, q) »    Â» q und nicht p. (q . ~p)
(VFFF)(p, q) »    Â» q und p. (q . p)
(FFFF)(p, q) Kontradiktion (p und nicht p; und q und nicht q.) (p . ~p . q . ~q)

Diejenigen Wahrheitsmöglichkeiten seiner Wahrheitsargumente, welche den Satz bewahrheiten, will ich seine Wa h r h e i t s g r ĂŒ n d e nennen.

  1. ↑ Die Decimalzahlen als Nummern der einzelnen SĂ€tze deuten das logische Gewicht der SĂ€tze an, den Nachdruck, der auf ihnen in meiner Darstellung liegt. Die SĂ€tze n.1, n.2, n.3, etc., sind Bemerkungen zum Satze No. n; die SĂ€tze n.m1, n.m2, etc. Bemerkungen zum Satze No. n.m; und so weiter.