Philosophische Untersuchungen: Difference between revisions

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'''400'''. Was der, der gleichsam das ›visuelle Zimmer‹ entdeckt zu haben schien, – was der gefunden hatte, war eine neue Sprechweise, ein neuer Vergleich; und man könnte auch sagen, eine neue Empfindung.
'''400'''. Was der, der gleichsam das ›visuelle Zimmer‹ entdeckt zu haben schien, – was der gefunden hatte, war eine neue Sprechweise, ein neuer Vergleich; und man könnte auch sagen, eine neue Empfindung.
'''401'''. Du deutest die neue Auffassung als das Sehen eines neuen Gegenstands. Du deutest eine grammatische Bewegung, die du gemacht hast: als quasi-physikalische Erscheinung, die du beobachtest. (Denk z.B. an die Frage »Sind Sinnesdaten der Baustoff des Universums?«)
Aber mein Ausdruck ist nicht einwandfrei: Du habest eine ›grammatische‹ Bewegung gemacht. Du hast vor allem eine neue Auffassung gefunden. So, als hättest du eine neue Malweise erfunden; oder auch ein neues Metrum, oder eine neue Art von Gesängen. –
'''402'''. »Ich sage zwar ›Ich habe jetzt die und die Vorstellung‹ aber die Worte ›ich habe‹ sind nur ein Zeichen für den ''Andern''; die Vorstellungswelt ist ''ganz'' in der Beschreibung der Vorstellung dargestellt.« – Du meinst: das »Ich habe« ist wie ein »Jetzt Achtung!« Du bist geneigt zu sagen, es sollte eigentlich anders ausgedrückt werden. Etwa einfach, indem man mit der Hand ein Zeichen gibt und dann beschreibt. – Wenn man, wie hier, mit den Ausdrücken unsrer gewöhnlichen Sprache (die doch ihre Schuldigkeit tun) nicht einverstanden ist, so sitzt uns ein Bild im Kopf, das mit dem der gewöhnlichen Ausdrucksweise streitet. Während wir versucht sind, zu sagen, unsre Ausdrucksweise beschreibe die Tatsachen nicht so, wie sie wirklich sind. Als ob (z.B.) der Satz »Er hat Schmerzen« noch auf andre Weise falsch sein könnte als dadurch, daß dieser Mensch ''nicht'' Schmerzen hat. Als sage die Ausdrucksform etwas Falsches, auch wenn der Satz, zur Not, etwas Richtiges behauptet.
Denn ''so'' sehen ja die Streitigkeiten zwischen Idealisten, Solipsisten und Realisten aus. Die Einen greifen die normale Ausdrucksform an, so als griffen sie eine Behauptung an; die Andern verteidigen sie, als konstatierten sie Tatsachen, die jeder vernünftige Mensch anerkennt.
'''403'''. Wenn ich das Wort »Schmerz« ganz für dasjenige in Anspruch nähme, was ich bis dahin »meinen Schmerz« genannt habe, und was Andre »den Schmerz des L. W.« genannt haben, so geschähe den Andern damit kein Unrecht, solange nur eine Notation vorgesehen wäre, in der der Ausfall des Wortes »Schmerz« in anderen Verbindungen irgendwie ersetzt würde. Die Andern werden dann dennoch bedauert, vom Arzt behandelt, usw. Es wäre natürlich auch ''kein'' Einwand gegen diese Ausdrucksweise, zu sagen: »Aber die Andern haben ja genau dasselbe, was du hast!«
Aber was hätte ich dann von dieser neuen Art der Darstellung? Nichts. Aber der Solipsist ''will'' ja auch keine praktischen Vorteile, wenn er seine Anschauung vertritt!
'''404'''. »Wenn ich sage ›ich habe Schmerzen‹, weise ich nicht auf eine Person, die die Schmerzen hat, da ich in gewissem Sinne gar nicht weiß, ''wer'' sie hat.« Und das läßt sich rechtfertigen. Denn vor allem: Ich sage ja nicht, die und die Person habe Schmerzen, sondern »ich habe...«. Nun, damit nenne ich ja keine Person. So wenig wie dadurch, daß ich vor Schmerz ''stöhne''. Obwohl der Andre aus dem Stöhnen ersieht, wer Schmerzen hat.
Was heißt es denn: wissen, ''wer'' Schmerzen hat? Es heißt, z.B., wissen, welcher Mensch in diesem Zimmer Schmerzen hat: also, der dort sitzt, oder, der in dieser Ecke steht, der Lange mit den blonden Haaren dort, etc. – Worauf will ich hinaus? Darauf, daß es sehr verschiedene Kriterien der ›''Identität''‹ der Person gibt.
Nun, welches ist es, das mich bestimmt, zu sagen, ›''ich''‹ habe Schmerzen? Gar keins.
'''405'''. »Aber du willst doch jedenfalls, wenn du sagst ›ich habe Schmerzen‹, die Aufmerksamkeit der Andern auf eine bestimmte Person lenken.« – Die Antwort könnte sein: Nein; ich will sie nur auf ''mich'' lenken. –
'''406'''. »Aber du willst doch durch die Worte ›Ich habe...‹ zwischen ''dir'' und ''dem Andern'' unterscheiden.« – Kann man das in allen Fällen sagen? Auch, wenn ich bloß stöhne? Und auch wenn ich zwischen mir und dem Andern ›unterscheiden will‹ – will ich damit zwischen den Personen L. W. und N. N. unterscheiden?
'''407'''. Man könnte sich denken, daß jemand stöhnte: »Irgend jemand hat Schmerzen – ich weiß nicht wer!« – worauf man ihm, dem Stöhnenden, zu Hilfe eilte.
'''408'''. »Du zweifelst doch nicht, ob du die Schmerzen, oder der Andere sie hat!« – Der Satz »Ich weiß nicht, ob ich, oder der Andere Schmerzen hat« wäre ein logisches Produkt, und einer seiner Faktoren: »Ich weiß nicht, ob ich Schmerzen habe oder nicht« – und dies ist kein sinnvoller Satz.
'''409'''. Denke, mehrere Leute stehen in einem Kreis, darunter auch ich. Irgend einer von uns, einmal der, einmal jener, wird mit den Polen einer Elektrisiermaschine verbunden, ohne daß wir es sehen können. Ich beobachte die Gesichter der Andern und trachte zu erkennen, welcher von uns jetzt gerade elektrisiert wird. – Einmal sage ich: »Jetzt ''weiß'' ich, welcher es ist; ''ich'' bin’s nämlich.« In diesem Sinn könnte ich auch sagen: »Jetzt weiß ich, wer die Schläge spürt; ich nämlich«. Dies wäre eine etwas seltsame Ausdrucksweise. – Nehme ich aber hier an, daß ich Schläge auch dann fühlen kann, wenn Andre elektrisiert werden, dann wird nun die Ausdrucksweise »Jetzt weiß ich wer...« ganz unpassend. Sie gehört nicht zu diesem Spiel.
'''410'''. »Ich« benennt keine Person, »hier« keinen Ort, »dieses« ist kein Name. Aber sie stehen mit Namen in Zusammenhang. Namen werden mittels ihrer erklärt. Es ist auch wahr, daß die Physik dadurch charakterisiert ist, daß sie diese Wörter nicht verwendet.
'''411'''. Überlege: Wie können diese Fragen angewendet, und wie entschieden werden:
1) »Sind diese Bücher ''meine'' Bücher?«
2) »Ist dieser Fuß ''mein'' Fuß?«
3) »Ist dieser Körper ''mein'' Körper?«
4) »Ist diese Empfindung ''meine'' Empfindung?«
Jede dieser Fragen hat praktische (unphilosophische) Anwendungen.
Zu 2): Denk an Fälle, in denen mein Fuß anästhesiert oder gelähmt ist. Unter gewissen Umständen könnte die Frage dadurch entschieden werden, daß festgestellt wird, ob ich in diesem Fuß Schmerzen empfinde.
Zu 3): Dabei könnte man auf ein Bild im Spiegel weisen. Unter gewissen Umständen aber könnte man einen Körper betasten und die Frage stellen. Unter andern Umständen bedeutet sie das gleiche, wie: »Sieht ''so'' mein Körper aus?«
Zu 4): Welche ist denn ''diese'' Empfindung? D.h.: wie verwendet man hier das hinweisende Fürwort? Doch anders als z.B. im ersten Beispiel! Verirrungen entstehen hier wieder dadurch, daß man sich einbildet, man zeige auf eine Empfindung, indem man seine Aufmerksamkeit auf sie richtet.
'''412'''. Das Gefühl der Unüberbrückbarkeit der Kluft zwischen Bewußtsein und Gehirnvorgang: Wie kommt es, daß das in die Betrachtungen des gewöhnlichen Lebens nicht hineinspielt? Die Idee dieser Artverschiedenheit ist mit einem leisen Schwindel verbunden, – der auftritt, wenn wir logische Kunststücke ausführen. (Der gleiche Schwindel erfaßt uns bei gewissen Theoremen der Mengenlehre.) Wann tritt, in unserm Fall, dieses Gefühl auf? Nun, wenn ich z.B. meine Aufmerksamkeit in bestimmter Weise auf mein Bewußtsein lenke und mir dabei staunend sage: DIES solle durch einen Gehirnvorgang erzeugt werden! – indem ich mir gleichsam an die Stirne greife. – Aber was kann das heißen: »meine Aufmerksamkeit auf mein Bewußtsein lenken«? Es ist doch nichts merkwürdiger, als daß es so etwas gibt! Was ich so nannte (denn diese Worte werden ja im gewöhnlichen Leben nicht gebraucht), war ein Akt des Schauens. Ich schaute steif vor mich hin – aber ''nicht'' auf irgend einen bestimmten Punkt oder Gegenstand. Meine Augen waren weit offen, meine Brauen nicht zusammengezogen (wie sie es meistens sind, wenn ein bestimmtes Objekt mich interessiert). Kein solches Interesse war dem Schauen vorangegangen. Mein Blick war ›vacant‹; oder ''ähnlich'' dem eines Menschen, der die Beleuchtung des Himmels bewundert und das Licht eintrinkt.
Bedenk nun, daß an dem Satz, den ich als Paradox aussprach (DIES werde durch einen Gehirnvorgang erzeugt!) gar nichts Paradoxes war. Ich hätte ihn während eines Experiments aussprechen können, dessen Zweck es war zu zeigen, der Beleuchtungseffekt, den ich sehe, werde durch die Erregung einer bestimmten Gehirnpartie erzeugt. – Aber ich sprach den Satz nicht in der Umgebung aus, in welcher er einen alltäglichen und nicht-paradoxen Sinn gehabt hätte. Und meine Aufmerksamkeit war nicht von der Art, die dem Experiment gemäß gewesen wäre. – (Mein Blick wäre ›intent‹, nicht ›vacant‹ gewesen.)
'''413'''. Hier haben wir einen Fall von Introspektion; nicht unähnlich derjenigen, durch welche William James herausbrachte, das ›Selbst‹ bestehe hauptsächlich aus ›peculiar motions in the head and between the head and throat‹. Und was die Introspektion James’ zeigte, war nicht die Bedeutung des Wortes »Selbst« (sofern dies etwas ähnliches bedeutet, wie »Person«, »Mensch«, »er selbst«, »ich selbst«), noch eine Analyse eines solchen Wesens, sondern der Aufmerksamkeitszustand eines Philosophen, der sich das Wort »Selbst« vorspricht und seine Bedeutung analysieren will. (Und daraus ließe sich vieles lernen.)
'''414'''. Du denkst, du mußt doch einen Stoff weben: weil du vor einem – wenngleich leeren – Webstuhl sitzt und die Bewegungen des Webens machst.
'''415'''. Was wir liefern, sind eigentlich Bemerkungen zur Naturgeschichte des Menschen; aber nicht kuriose Beiträge, sondern Feststellungen, an denen niemand gezweifelt hat, und die dem Bemerktwerden nur entgehen, weil sie ständig vor unsern Augen sind.
'''416'''. »Die Menschen sagen übereinstimmend: sie sehen, hören, fühlen, etc. (wenn auch Mancher blind und Mancher taub ist). Sie bezeugen also von sich, sie haben ''Bewußtsein''.« – Aber wie merkwürdig! wem mache ich eigentlich eine Mitteilung, wenn ich sage »Ich habe Bewußtsein«? Was ist der Zweck, mir das zu sagen, und wie kann der Andre mich verstehen? – Nun, Sätze wie »Ich sehe«, »Ich höre«, »Ich bin bei Bewußtsein« haben ja wirklich ihren Gebrauch. Dem Arzt sage ich »Jetzt höre ich wieder auf diesem Ohr«; dem, der mich ohnmächtig glaubt, sage ich »Ich bin wieder bei Bewußtsein«, usw.
'''417'''. Beobachte ich mich also und nehme wahr, daß ich sehe, oder bei Bewußtsein bin? Und wozu überhaupt von Beobachtung reden! Warum nicht einfach sagen »Ich nehme wahr, daß ich bei Bewußtsein bin«? – Aber wozu hier die Worte »Ich nehme wahr« – warum nicht sagen »Ich bin bei Bewußtsein«? –
Aber zeigen die Worte »ich nehme wahr« hier nicht an, daß ich auf mein Bewußtsein aufmerksam bin? – was doch gewöhnlich nicht der Fall ist. – Wenn es so ist, dann sagt der Satz »Ich nehme wahr, daß ....« nicht, daß ich bei Bewußtsein bin, sondern, daß meine Aufmerksamkeit so und so eingestellt sei.
Aber ist es denn nicht eine bestimmte Erfahrung, die mich veranlaßt, zu sagen »Ich bin wieder bei Bewußtsein«? – ''Welche'' Erfahrung? In welcher Situation sagen wir es?
'''418'''. Ist, daß ich Bewußtsein habe, eine Erfahrungstatsache? –
Aber sagt man nicht vom Menschen, er habe Bewußtsein; vom Baum, oder Stein aber, sie haben keines? – Wie wäre es, wenn’s anders wäre? – Wären die Menschen alle bewußtlos? – Nein; nicht im gewöhnlichen Sinn des Worts. Aber ich, z.B., hätte nicht Bewußtsein –– wie ich’s jetzt tatsächlich habe.
'''419'''. Unter welchen Umständen werde ich sagen, ein Stamm habe einen ''Häuptling''? Und der Häuptling muß doch ''Bewußtsein'' haben. Er darf doch nicht ohne Bewußtsein sein!
'''420'''. Aber kann ich mir nicht denken, die Menschen um mich her seien Automaten, haben kein Bewußtsein, wenn auch ihre Handlungsweise die gleiche ist wie immer? – Wenn ich mir’s jetzt – allein in meinem Zimmer – vorstelle, sehe ich die Leute mit starrem Blick (etwa wie in Trance) ihren Verrichtungen nachgehen – die Idee ist vielleicht ein wenig unheimlich. Aber nun versuch einmal im gewöhnlichen Verkehr, z.B. auf der Straße, an dieser Idee festzuhalten! Sag dir etwa: »Die Kinder dort sind bloße Automaten; alle ihre Lebendigkeit ist bloß automatisch.« Und diese Worte werden dir entweder gänzlich nichtssagend werden; oder du wirst in dir etwa eine Art unheimliches Gefühl, oder dergleichen, erzeugen.
Einen lebenden Menschen als Automaten sehen, ist analog dem, irgend eine Figur als Grenzfall oder Variation einer ändern zu sehen, z.B. ein Fensterkreuz als Swastika.
'''421'''. Es scheint uns paradox, daß wir in ''einem'' Bericht Körper- und Bewußtseinszustände kunterbunt durcheinander mischen: »Er litt große Qualen und warf sich unruhig umher«. Das ist ganz gewöhnlich; warum erscheint es uns also paradox? Weil wir sagen wollen, der Satz handle von Greifbarem und Ungreifbarem. – Aber findest du etwas dabei, wenn ich sage: »Diese 3 Stützen geben dem Bau Festigkeit«? Sind Drei und Festigkeit greifbar? –– Sieh den Satz als Instrument an, und seinen Sinn als seine Verwendung!
'''422'''. Woran glaube ich, wenn ich an eine Seele im Menschen glaube? Woran glaube ich, wenn ich glaube, diese Substanz enthalte zwei Ringe von Kohlenstoffatomen? In beiden Fällen ist ein Bild im Vordergrund, der Sinn aber weit im Hintergrund; d.h., die Anwendung des Bildes nicht leicht zu übersehen.
'''423'''. ''Gewiß'', in dir geschehen alle diese Dinge. – Und nun laß mich nur den Ausdruck verstehen, den wir gebrauchen. – Das Bild ist da. Und seine Gültigkeit im besondern Falle bestreite ich nicht. – Nur laß mich jetzt noch die Anwendung des Bildes verstehen.
'''424'''. Das Bild ist ''da''; und ich bestreite seine ''Richtigkeit'' nicht. Aber ''was'' ist seine Anwendung? Denke an das Bild der Blindheit als einer Dunkelheit in der Seele oder im Kopf des Blinden.
'''425'''. Während wir nämlich in unzähligen Fällen uns bemühen, ein Bild zu finden, und ist dieses gefunden, die Anwendung sich gleichsam von selbst macht, so haben wir hier bereits ein Bild, das sich uns auf Schritt und Tritt aufdrängt, – uns aber nicht aus der Schwierigkeit hilft, die nun erst anfängt.
Frage ich z.B.: »Wie soll ich es mir vorstellen, daß ''dieser'' Mechanismus in ''dieses'' Gehäuse geht?« – so kann als Antwort etwa eine Zeichnung in verkleinertem Maßstab dienen. Man kann mir dann sagen »Siehst du, so geht er hinein«; oder vielleicht auch: »Warum wundert es dich? So, wie du es ''hier'' siehst, so geht es auch dort.« – Das letztere erklärt freilich nichts mehr, sondern fordert mich nur auf, nun die Anwendung von dem Bild, das man mir gegeben hat, zu machen.
'''426'''. Ein Bild wird heraufbeschworen, das ''eindeutig'' den Sinn zu bestimmen scheint. Die wirkliche Verwendung scheint etwas Verunreinigtes der gegenüber, die das Bild uns vorzeichnet. Es geht hier wieder wie in der Mengenlehre: Die Ausdrucksweise scheint für einen Gott zugeschnitten zu sein, der weiß, was wir nicht wissen können; er sieht die ganzen unendlichen Reihen und sieht in das Bewußtsein des Menschen hinein. Für uns freilich sind diese Ausdrucksformen quasi ein Ornat, das wir wohl anlegen, mit dem wir aber nicht viel anfangen können, da uns die reale Macht fehlt, die dieser Kleidung Sinn und Zweck geben würde.
In der wirklichen Verwendung der Ausdrücke machen wir gleichsam Umwege, gehen durch Nebengassen; während wir wohl die gerade breite Straße vor uns sehen, sie aber freilich nicht benützen können, weil sie permanent gesperrt ist.
'''427'''. »Während ich zu ihm sprach, wußte ich nicht, was hinter seiner Stirn vorging.« Dabei denkt man nicht an Gehirnvorgänge, sondern an Denkvorgänge. Das Bild ist ernst zu nehmen. Wir möchten wirklich hinter diese Stirne schauen. Und doch meinen wir nur das, was wir auch sonst mit den Worten meinen: wir möchten wissen, was er denkt. Ich will sagen: wir haben das lebhafte Bild – und denjenigen Gebrauch, der dem Bild zu widersprechen scheint, und das Psychische ausdrückt.
'''428'''. »Der Gedanke, dieses seltsame Wesen« – aber er kommt uns nicht seltsam vor, wenn wir denken. Der Gedanke kommt uns nicht geheimnisvoll vor, während wir denken, sondern nur, wenn wir gleichsam retrospektiv sagen: »Wie war das möglich?« Wie war es möglich, daß der Gedanke von diesem Gegenstand ''selbst'' handelte? Es scheint uns, als hätten wir mit ihm die Realität eingefangen.
'''429'''. Die Übereinstimmung, Harmonie, von Gedanke und Wirklichkeit liegt darin, daß, wenn ich fälschlich sage, etwas sei ''rot'', es doch immerhin nicht ''rot'' ist. Und wenn ich jemandem das Wort »rot« im Satze »Das ist nicht rot« erklären will, ich dazu auf etwas Rotes zeige.
'''430'''. »Lege einen Maßstab an diesen Körper an; er sagt nicht, daß der Körper so lang ist. Vielmehr ist er an sich – ich möchte sagen – tot, und leistet nichts von dem, was der Gedanke leistet.« – Es ist, als hätten wir uns eingebildet, das Wesentliche am lebenden Menschen sei die äußere Gestalt, und hätten nun einen Holzblock von dieser Gestalt hergestellt und sähen mit Beschämung den toten Klotz, der auch keine Ähnlichkeit mit einem Lebewesen hat.
'''431'''. »Zwischen dem Befehl und der Ausführung ist eine Kluft. Sie muß durch das Verstehen geschlossen werden.«
»Erst im Verstehen heißt es, daß wir DAS zu tun haben. Der ''Befehl'' –– das sind ja nur Laute, Tintenstriche. – «
'''432'''. Jedes Zeichen scheint ''allein'' tot. ''Was'' gibt ihm Leben? – Im Gebrauch ''lebt'' es. Hat es da den lebenden Atem in sich? – Oder ist der ''Gebrauch'' sein Atem?
'''433'''. Wenn wir einen Befehl geben, so kann es scheinen, als ob das Letzte, was der Befehl wünscht, unausgedrückt bleiben muß, da immer noch eine Kluft zwischen dem Befehl und seiner Befolgung bleibt. Ich wünsche etwa, daß Einer eine bestimmte Bewegung macht, etwa den Arm hebt. Damit es ganz deutlich wird, mache ich ihm die Bewegung vor. Dieses Bild scheint unzweideutig; bis auf die Frage: wie weiß er, daß ''er diese Bewegung machen soll''? – Wie weiß er überhaupt, wie er die Zeichen, welche immer ich ihm gebe, gebrauchen soll? – Ich werde nun etwa trachten, den Befehl durch weitere Zeichen zu ergänzen, indem ich von mir auf den Andern deute, Gebärden der Aufmunterung mache, etc. Hier scheint es, als finge der Befehl zu stammeln an.
Als trachtete das Zeichen mit unsichern Mitteln in uns ein Verständnis hervorzurufen. – Aber wenn wir es nun verstehen, in welchen Zeichen tun wir das?
'''434'''. Die Gebärde ''versucht'' vorzubilden – möchte man sagen – aber kann es nicht.
'''435'''. Wenn man fragt »Wie macht der Satz das, daß er darstellt?« – so könnte die Antwort sein: »Weißt du es denn nicht? Du siehst es doch, wenn du ihn benützt.« Es ist ja nichts verborgen.
Wie macht der Satz das? – Weißt du es denn nicht? Es ist ja nichts versteckt.
Aber auf die Antwort »Du weißt ja, wie es der Satz macht, es ist ja nichts verborgen« möchte man erwidern: »Ja, aber es fließt alles so rasch vorüber, und ich möchte es gleichsam breiter auseinander gelegt sehen.«
'''436'''. Hier ist es leicht, in jene Sackgasse des Philosophierens zu geraten, wo man glaubt, die Schwierigkeit der Aufgabe liege darin, daß schwer erhaschbare Erscheinungen, die schnell entschlüpfende gegenwärtige Erfahrung oder dergleichen, von uns beschrieben werden sollen. Wo die gewöhnliche Sprache uns zu roh erscheint, und es scheint, als hätten wir es nicht mit den Phänomenen zu tun, von denen der Alltag redet, sondern »mit den leicht entschwindenden, die mit ihrem Auftauchen und Vergehen jene ersteren annähernd erzeugen«.
(Augustinus: Manifestissima et usitatissima sunt, et eadem rursus nimis latent, et nova est inventio eorum.)
'''437'''. Der Wunsch scheint schon zu wissen, was ihn erfüllen wird, oder würde; der Satz, der Gedanke, was ihn wahr macht, auch wenn es gar nicht da ist! Woher dieses ''Bestimmen'', dessen, was noch nicht da ist? Dieses despotische Fordern? (»Die Härte des logischen Muß.«)
'''438'''. »Der Plan ist als Plan etwas Unbefriedigtes.« (Wie der Wunsch, die Erwartung, die Vermutung, usf.)
Und hier meine ich: die Erwartung ist unbefriedigt, weil sie die Erwartung von etwas ist; der Glaube, die Meinung, unbefriedigt, weil sie die Meinung ist, daß etwas der Fall ist, etwas Wirkliches, etwas außerhalb dem Vorgang des Meinens.
'''439'''. Inwiefern kann man den Wunsch, die Erwartung, den Glauben, etc. »unbefriedigt« nennen? Was ist unser Urbild der Unbefriedigung? Ist es ein Hohlraum? Und würde man von einem solchen sagen, er sei unbefriedigt? Wäre das nicht auch eine Metapher? – Ist es nicht ein Gefühl, was wir Unbefriedigung nennen, – etwa den Hunger?
Wir können in einem bestimmten System des Ausdrucks einen Gegenstand mittels der Worte »befriedigt« und »unbefriedigt« beschreiben. Wenn wir z.B. festsetzen, den Hohlzylinder einen »unbefriedigten Zylinder« zu nennen, und den ihn ergänzenden Vollzylinder »seine Befriedigung«.
'''440'''. Zu sagen »Ich habe Lust auf einen Apfel« heißt nicht: Ich glaube, ein Apfel wird mein Gefühl der Unbefriedigung stillen. ''Dieser'' Satz ist keine Äußerung des Wunsches, sondern der Unbefriedigung.
'''441'''. Wir sind von Natur und durch eine bestimmte Abrichtung, Erziehung, so eingestellt, daß wir unter bestimmten Umständen Wunschäußerungen von uns geben. (Ein solcher ›Umstand‹ ist natürlich nicht der ''Wunsch''.) Eine Frage, ob ich weiß, was ich wünsche, ehe mein Wunsch erfüllt ist, kann in diesem Spiele gar nicht auftreten. Und daß ein Ereignis meinen Wunsch zum Schweigen bringt, bedeutet nicht, daß es den Wunsch erfüllt. Ich wäre vielleicht nicht befriedigt, wäre mein Wunsch befriedigt worden.
Anderseits wird auch das Wort »wünschen« so gebraucht: »Ich weiß selbst nicht, was ich mir wünsche.« (»Denn die Wünsche verhüllen uns selbst das Gewünschte.«)
Wie, wenn man fragte: »Weiß ich, wonach ich lange, ehe ich es erhalte?« Wenn ich sprechen gelernt habe, so weiß ich’s.
'''442'''. Ich sehe, wie Einer das Gewehr anlegt, und sage: »Ich erwarte mir einen Knall.« Der Schuß fällt. – Wie, das hast du dir erwartet; war also dieser Knall irgendwie schon in deiner Erwartung? Oder stimmt deine Erwartung nur in anderer Hinsicht mit dem Eingetretenen überein; war dieser Lärm nicht in deiner Erwartung enthalten und kam nur als Accidens hinzu, als die Erwartung erfüllt wurde? – Aber nein, wenn der Lärm nicht eingetreten wäre, so wäre meine Erwartung nicht erfüllt worden; der Lärm hat sie erfüllt; er trat nicht zur Erfüllung hinzu, wie ein zweiter Gast zu dem einen, den ich erwartet hatte. – War das am Ereignis, was nicht auch in der Erwartung war, ein Accidens, eine Beigabe der Schickung? – Aber was war denn dann ''nicht'' Beigabe? Kam denn irgend etwas von diesem Schuß schon in meiner Erwartung vor? – Und was ''war'' denn Beigabe, – denn hatte ich mir nicht den ganzen Schuß erwartet?
»Der Knall war nicht so laut, als ich ihn erwartet hatte.« – »Hat es also in deiner Erwartung lauter geknallt?«
'''443'''. »Das Rot, das du dir vorstellst, ist doch gewiß nicht Dasselbe (nicht dieselbe Sache) wie das, was du vor dir siehst; wie kannst du dann sagen, es sei das, was du dir vorgestellt hattest?« – Aber verhält es sich nicht analog in den Sätzen »Hier ist ein roter Fleck« und »Hier ist kein roter Fleck«? In beiden kommt das Wort »rot« vor; also kann dieses Wort nicht das Vorhandensein von etwas Rotem anzeigen.
'''444'''. Man hat vielleicht das Gefühl, daß man sich im Satz »Ich erwarte, daß er kommt« der Worte »er kommt« in anderer Bedeutung bedient als in der Behauptung »Er kommt«. Aber wäre es so, wie könnte ich davon reden, daß meine Erwartung in Erfüllung gegangen ist? Wollte ich die beiden Wörter »er« und »kommt« erklären, etwa durch hinweisende Erklärungen, so würden die gleichen Erklärungen dieser Wörter für beide Sätze gelten.
Nun könnte man aber fragen: Wie schaut das aus, wenn er kommt? – Es geht die Tür auf, jemand tritt herein, etc. – Wie schaut das aus, wenn ich erwarte, daß er kommt? – Ich gehe im Zimmer auf und ab, sehe zuweilen auf die Uhr, etc. – Aber der eine Vorgang hat ja mit dem ändern nicht die geringste Ähnlichkeit! Wie kann man dann die selben Worte zu ihrer Beschreibung gebrauchen? – Aber nun sage ich vielleicht beim auf und ab Gehen: »Ich erwarte, daß er hereinkommt«. – Nun ist eine Ähnlichkeit vorhanden. Aber welcher Art ist sie?!
'''445'''. In der Sprache berühren sich Erwartung und Erfüllung.
'''446'''. Komisch wäre es, zu sagen: »Ein Vorgang sieht anders aus, wenn er geschieht, als wenn er nicht geschieht.« Oder: »Ein roter Fleck sieht anders aus, wenn er da ist, als wenn er nicht da ist – aber die Sprache abstrahiert von diesem Unterschied, denn sie spricht von einem roten Fleck, ob er da ist oder nicht.«
'''447'''. Das Gefühl ist, als müßte der verneinende Satz, um einen Satz zu verneinen, ihn erst in gewissem Sinne wahr machen.
(Die Behauptung des verneinenden Satzes enthält den verneinten Satz, aber nicht dessen Behauptung.)
'''448'''. »Wenn ich sage, ich habe heute nacht ''nicht'' geträumt, so muß ich doch wissen, wo nach dem Traum zu suchen wäre; d. h.: der Satz ›Ich habe geträumt‹ darf, auf die tatsächliche Situation angewendet, falsch, aber nicht unsinnig sein.« – Heißt das also, daß du doch etwas gespürt hast, sozusagen die Andeutung eines Traums, die dir die Stelle bewußt macht, an der ein Traum gestanden hätte?
Oder: wenn ich sage: »Ich habe keine Schmerzen im Arm«, heißt das, daß ich einen Schatten eines Schmerzgefühls habe, der gleichsam die Stelle andeutet, in die der Schmerz eintreten könnte?
Inwiefern enthält der gegenwärtige schmerzlose Zustand die Möglichkeit der Schmerzen?
Wenn Einer sagt: »Damit das Wort ›Schmerzen‹ Bedeutung habe, ist es notwendig, daß man Schmerzen als solche erkennt, wenn sie auftreten« – so kann man antworten: »Es ist nicht notwendiger, als daß man das Fehlen der Schmerzen erkennt.«
'''449'''. »Aber muß ich nicht wissen, wie es wäre, wenn ich Schmerzen hätte?« – Man kommt nicht davon weg, daß die Benützung des Satzes darin besteht, daß man sich bei jedem Wort etwas vorstelle.
Man bedenkt nicht, daß man mit den Worten ''rechnet'', operiert, sie mit der Zeit in dies oder jenes Bild überführt. – Es ist, als glaubte man, daß etwa die schriftliche Anweisung auf eine Kuh, die mir Einer ausfolgen soll, immer von einer Vorstellung einer Kuh begleitet sein müsse, damit diese Anweisung nicht ihren Sinn verliere.
'''450'''. Wissen, wie jemand ausschaut: es sich vorstellen können – aber auch: es ''nachmachen'' können. Muß man sich’s vorstellen, um es nachzumachen? Und ist, es nachmachen, nicht ebenso stark, als es sich vorstellen?
'''451'''. Wie ist es, wenn ich Einem den Befehl gebe »Stell dir hier einen roten Kreis vor!« – und ich sage nun: den Befehl verstehen heiße, wissen, wie es ist, wenn er ausgeführt wurde – oder gar: sich vorstellen können, wie es ist...?
'''452'''. Ich will sagen: »Wenn Einer die Erwartung, den geistigen Vorgang, sehen könnte, müßte er sehen, ''was'' erwartet wird.« – Aber so ist es ja auch: Wer den Ausdruck der Erwartung sieht, sieht, was erwartet wird. Und wie könnte man es auf andere Weise, in anderem Sinne, sehen?
'''453'''. Wer mein Erwarten wahrnähme, müßte unmittelbar wahrnehmen, ''was'' erwartet wird. D.h.: nicht aus dem wahrgenommenen Vorgang darauf ''schließen''! – Aber zu sagen, Einer nehme die Erwartung wahr, ''hat keinen Sinn''. Es sei denn etwa den: er nehme den Ausdruck der Erwartung wahr. Vom Erwartenden zu sagen, er nähme die Erwartung wahr, statt, er erwarte, wäre blödsinnige Verdrehung des Ausdrucks.
'''454'''. »Es liegt alles schon in ...« Wie kommt es, daß der Pfeil [[File:Par. 454.png|75px|link=]] ''zeigt''? Scheint er nicht schon etwas außerhalb seiner selbst in sich zu tragen? – »Nein, es ist nicht der tote Strich; nur das Psychische, die Bedeutung, kann dies.« – Das ist wahr und falsch. Der Pfeil zeigt nur in der Anwendung, die das Lebewesen von ihm macht.
Dieses Zeigen ist ''nicht'' ein Hokuspokus, welches nur die Seele vollziehen kann.
'''455'''. Wir wollen sagen: »Wenn wir meinen, so ist hier kein totes Bild (welcher Art immer), sondern es ist, als gingen wir auf jemand zu.« Wir gehen auf das Gemeinte zu.
'''456'''. »Wenn man meint, so meint man selber«; so bewegt man sich selber. Man stürmt selber vor und kann daher das Vorstürmen nicht auch beobachten. Gewiß nicht.
'''457'''. Ja; meinen ist, wie wenn man auf jemanden zugeht.
'''458'''. »Der Befehl befiehlt seine Befolgung.« So kennt er seine Befolgung, schon ehe sie da ist? – Aber dies war ein grammatischer Satz und er sagt: Wenn ein Befehl lautet »Tu das und das!«, dann nennt man »das und das tun« das Befolgen des Befehls.
'''459'''. Wir sagen »Der Befehl befiehlt ''dies'' – « und tun es; aber auch: »Der Befehl befiehlt dies: ich soll ....«. Wir übertragen ihn einmal in einen Satz, einmal in eine Demonstration, und einmal in die Tat.
'''460'''. Könnte die Rechtfertigung einer Handlung als Befolgung eines Befehls so lauten: »Du hast gesagt ›Bring mir eine gelbe Blume‹, und diese hier hat mir daraufhin ein Gefühl der Befriedigung gegeben, darum habe ich sie gebracht«? Müßte man da nicht antworten: »Ich habe dir doch nicht gesagt, mir die Blume zu bringen, die dir auf meine Worte hin ein solches Gefühl geben wird!«?
'''461'''. Inwiefern antizipiert denn der Befehl die Ausführung? – Dadurch, daß er ''das'' jetzt befiehlt, was später ausgeführt wird? – Aber es müßte ja heißen: »was später ausgeführt, oder auch nicht ausgeführt wird«. Und das sagt nichts.
»Aber wenn auch mein Wunsch nicht bestimmt, was der Fall sein wird, so bestimmt er doch sozusagen das Thema einer Tatsache; ob die nun den Wunsch erfüllt oder nicht.« Wir wundern uns – gleichsam – nicht darüber, daß Einer die Zukunft weiß; sondern darüber, daß er überhaupt prophezeien kann (richtig oder falsch).
Als nähme die bloße Prophezeiung, gleichgültig ob richtig oder falsch, schon einen Schatten der Zukunft voraus; während sie über die Zukunft nichts weiß, und weniger als nichts nicht wissen kann.
'''462'''. Ich kann ihn suchen, wenn er nicht da ist, aber ihn nicht hängen, wenn er nicht da ist.
Man könnte sagen wollen: »Da muß er doch auch dabei sein, wenn ich ihn suche«. – Dann muß er auch dabei sein, wenn ich ihn nicht finde, und auch, wenn es ihn gar nicht gibt.
'''463'''. »''Den'' hast du gesucht? Du konntest ja nicht einmal wissen, ob er da ist!« – Dieses Problem aber entsteht ''wirklich'' beim Suchen in der Mathematik. Man kann z.B. die Frage stellen: Wie war es möglich, nach der Dreiteilung des Winkels auch nur zu ''suchen?''
'''464'''. Was ich lehren will, ist: von einem nicht offenkundigen Unsinn zu einem offenkundigen übergehen.
'''465'''. »Eine Erwartung ist so gemacht, daß, was immer kommt, mit ihr übereinstimmen muß oder nicht.«
Wenn man nun fragt: Ist also die Tatsache durch die Erwartung auf ja und nein bestimmt oder nicht, – d.h., ist es bestimmt, in welchem Sinne die Erwartung durch ein Ereignis – welches immer eintreffen mag – beantwortet werden wird; so muß man antworten »Ja; es sei denn, daß der Ausdruck der Erwartung unbestimmt ist, daß er etwa eine Disjunktion verschiedener Möglichkeiten enthält.«
'''466'''. Wozu denkt der Mensch? wozu ist es nütze? – Wozu ''berechnet'' er Dampfkessel und überläßt ihre Wandstärke nicht dem Zufall? Es ist doch nur Erfahrungstatsache, daß Kessel, die so berechnet wurden, nicht so oft explodieren! Aber so, wie er alles eher täte, als die Hand ins Feuer stecken, das ihn früher gebrannt hat, so wird er alles eher tun, als den Kessel nicht berechnen. – Da uns Ursachen aber nicht interessieren, – werden wir sagen: Die Menschen denken tatsächlich: sie gehen, z.B., auf diese Weise vor, wenn sie einen Dampfkessel bauen. – Kann nun ein so erzeugter Kessel nicht explodieren? O doch.
'''467'''. Denkt der Mensch also, weil Denken sich bewährt hat? – Weil er denkt, es sei vorteilhaft, zu denken?
(Erzieht er seine Kinder, weil es sich bewährt hat?)
'''468'''. Wie wäre herauszubringen: ''warum'' er denkt?
'''469'''. Und doch kann man sagen, das Denken habe sich bewährt. Es seien jetzt weniger Kesselexplosionen als früher, seit etwa die Wandstärken nicht mehr nach dem Gefühl bestimmt, sondern auf die und die Weise berechnet werden. Oder, seit man jede Berechnung eines Ingenieurs durch einen zweiten kontrollieren läßt.
'''470'''. ''Manchmal'' also denkt man, weil es sich bewährt hat.
'''471'''. Wenn wir die Frage »warum« unterdrücken, werden wir oft erst die wichtigen ''Tatsachen'' gewahr; die dann in unseren Untersuchungen zu einer Antwort führen.
'''472'''. Die Natur des Glaubens an die Gleichförmigkeit des Geschehens wird vielleicht am klarsten im Falle, in dem wir Furcht vor dem Erwarteten empfinden. Nichts könnte mich dazu bewegen, meine Hand in die Flamme zu stecken, – obwohl ich mich doch ''nur in der Vergangenheit'' verbrannt habe.
'''473'''. Der Glaube, daß mich das Feuer brennen wird, ist von der Art der Furcht, daß es mich brennen wird.
'''474'''. Daß mich das Feuer brennen wird, wenn ich die Hand hineinstecke: das ist Sicherheit.
D.h., da sehen wir, was Sicherheit bedeutet. (Nicht nur, was das Wort »Sicherheit« bedeutet, sondern auch, was es mit ihr auf sich hat.)
'''475'''. Nach den Gründen zu einer Annahme gefragt, ''besinnt'' man sich auf diese Gründe. Geschieht hier dasselbe, wie wenn man darüber nachdenkt, was die Ursachen eines Ereignisses gewesen sein mögen?
'''476'''. Es ist zu unterscheiden zwischen dem Gegenstand der Furcht und der Ursache der Furcht.
So ist das Gesicht, das uns Furcht, oder Entzücken, einflößt (der Gegenstand der Furcht, des Entzückens) darum nicht ihre Ursache, sondern – man könnte sagen – ihre Richtung.
'''477'''. »Warum glaubst du, daß du dich an der heißen Herdplatte verbrennen wirst?« – Hast du Gründe für diesen Glauben; und brauchst du Gründe?
'''478'''. Was für einen Grund habe ich, anzunehmen, daß mein Finger, wenn er den Tisch berührt, einen Widerstand spüren wird? Was für einen Grund, zu glauben, daß dieser Bleistift sich nicht schmerzlos durch meine Hand wird stecken lassen? – Wenn ich dies frage, melden sich hundert Gründe, die einander kaum zu Wort kommen lassen wollen. »Ich habe es doch selbst unzählige Male erfahren; und ebenso oft von ähnlichen Erfahrungen gehört; wenn es nicht wäre, würde...; etc.«
'''479'''. Die Frage »Aus welchen Gründen glaubst du das?« könnte bedeuten: »Aus welchen Gründen leitest du das jetzt ab (hast du es jetzt abgeleitet)?« Aber auch: »Welche Gründe kannst du mir nachträglich für diese Annahme angeben?«
'''480'''. Man könnte also unter »Gründen« zu einer Meinung tatsächlich nur das verstehen, was Einer sich vorgesagt hat, ehe er zu der Meinung kam. Die Rechnung, die er tatsächlich ausgeführt hat. Wenn man nun fragte: Wie ''kann'' aber frühere Erfahrung ein Grund zur Annahme sein, es werde später das und das eintreffen? – so ist die Antwort: Welchen allgemeinen Begriff vom Grund zu solch einer Annahme haben wir denn? Diese Art Angabe über die Vergangenheit nennen wir eben Grund zur Annahme, es werde das in Zukunft geschehen. – Und wenn man sich wundert, daß wir ein solches Spiel spielen, dann berufe ich mich auf die ''Wirkung'' einer vergangenen Erfahrung (darauf, daß ein gebranntes Kind das Feuer fürchtet).
'''481'''. Wer sagte, er sei durch Angaben über Vergangenes nicht davon zu überzeugen, daß irgend etwas in Zukunft geschehen werde, – den würde ich nicht verstehen. Man könnte ihn fragen: was willst du denn hören? Was für Angaben nennst du Gründe dafür, das zu glauben? Was nennst du denn »überzeugen«? Welche Art des Überzeugens erwartest du dir? – Wenn ''das'' keine Gründe sind, was sind denn Gründe? – Wenn du sagst, das seien keine Gründe, so mußt du doch angeben können, was der Fall sein müßte, damit wir mit Recht sagen könnten, es seien Gründe für unsre Annahme vorhanden.
Denn wohlgemerkt: Gründe sind hier nicht Sätze, aus denen das Geglaubte logisch folgt.
Aber nicht, als ob man sagen könnte: fürs Glauben genügt eben weniger als für das Wissen. – Denn hier handelt es sich nicht um eine Annäherung an das logische Folgen.
'''482'''. Wir werden irregeführt durch die Ausdrucksweise: »Dieser Grund ist gut, denn er macht das Eintreffen des Ereignisses wahrscheinlich.« Hier ist es, als ob wir nun etwas weiteres über den Grund ausgesagt hätten, was ihn als Grund rechtfertigt; während mit dem Satz, daß dieser Grund das Eintreffen wahrscheinlich macht, nichts gesagt ist, wenn nicht, daß dieser Grund einem bestimmten Maßstab des guten Grundes entspricht, – der Maßstab aber nicht begründet ist!
'''483'''. Ein guter Grund ist einer, der ''so'' aussieht.
'''484'''. Man möchte sagen: »Ein guter Grund ist er nur darum, weil er das Eintreffen ''wirklich'' wahrscheinlich macht«. Weil er sozusagen wirklich einen Einfluß auf das Ereignis hat; also quasi einen erfahrungsmäßigen.
'''485'''. Die Rechtfertigung durch die Erfahrung hat ein Ende. Hätte sie keins, so wäre sie keine Rechtfertigung.
'''486'''. ''Folgt'', daß dort ein Sessel steht, aus den Sinneseindrücken, die ich empfange? – Wie kann denn ein ''Satz'' aus Sinneseindrücken folgen? Nun, folgt er aus den Sätzen, die die Sinneseindrücke beschreiben? Nein. – Aber schließe ich denn nicht aus den Eindrücken, Sinnesdaten, daß ein Sessel dort steht? – Ich ziehe keinen Schluß! – Manchmal aber doch. Ich sehe z.B. eine Photographie und sage »Es muß also dort ein Sessel gestanden sein«, oder auch »Aus dem, was man da sieht, schließe ich, daß ein Sessel dort steht«. Das ist ein Schluß; aber keiner der Logik. Ein Schluß ist der Übergang zu einer Behauptung; also auch zu dem der Behauptung entsprechenden Benehmen. ›Ich ziehe die Konsequenzen‹ nicht nur in Worten, sondern auch in Handlungen.
War ich dazu berechtigt, diese Konsequenzen zu ziehen? Was ''nennt'' man hier eine Berechtigung? – Wie wird das Wort »Berechtigung« gebraucht? Beschreibe Sprachspiele! Aus ihnen wird sich auch die Wichtigkeit des Berechtigtseins entnehmen lassen.
'''487'''. »Ich verlasse das Zimmer, weil du es befiehlst.« »Ich verlasse das Zimmer, aber nicht, weil du es befiehlst.« ''Beschreibt'' dieser Satz einen Zusammenhang meiner Handlung mit seinem Befehl; oder macht er den Zusammenhang?
Kann man fragen: »Woher weißt du, daß du es deswegen tust, oder nicht deswegen tust?« Und ist die Antwort gar: »Ich fühle es«?
'''488'''. Wie beurteile ich, ob es so ist? Nach Indizien?
'''489'''. Frage dich: Bei welcher Gelegenheit, zu welchem Zweck, sagen wir das?
Welche Handlungsweisen begleiten diese Worte? (Denk ans Grüßen!) In welchen Szenen werden sie gebraucht; und wozu?
'''490'''. Wie weiß ich, daß ''dieser Gedankengang'' mich zu dieser Handlung geführt hat? – Nun, es ist ein bestimmtes Bild: z.B., in einer experimentellen Untersuchung durch eine Rechnung zu einem weitern Experiment geführt werden. Es sieht ''so'' aus –– und nun könnte ich ein Beispiel beschreiben.
'''491'''. Nicht: »ohne Sprache könnten wir uns nicht miteinander verständigen« – wohl aber: ohne Sprache können wir andre Menschen nicht so und so beeinflussen; können wir nicht Straßen und Maschinen bauen, etc. Und auch: Ohne den Gebrauch der Rede und der Schrift könnten sich Menschen nicht verständigen.
'''492'''. Eine Sprache erfinden, könnte heißen, auf Grund von Naturgesetzen (oder in Übereinstimmung mit ihnen) eine Vorrichtung zu bestimmtem Zweck erfinden; es hat aber auch den andern Sinn, dem analog, in welchem wir von der Erfindung eines Spiels reden.
Ich sage hier etwas über die Grammatik des Wortes »Sprache« aus, indem ich sie mit der Grammatik des Wortes »erfinden« in Verbindung bringe.
'''493'''. Man sagt: »Der Hahn ruft die Hühner durch sein Krähen herbei« – aber liegt dem nicht schon der Vergleich mit unsrer Sprache zu Grunde? – Wird der Aspekt nicht ganz verändert, wenn wir uns vorstellen, durch irgend eine physikalische Einwirkung setze das Krähen die Hühner in Bewegung?
Wenn aber gezeigt würde, in welcher Weise die Worte »Komm zu mir!« auf den Angesprochenen einwirken, sodaß am Schluß unter gewissen Bedingungen seine Beinmuskeln innerviert werden, etc. – würde jener Satz damit für uns den Charakter des Satzes verlieren?
'''494'''. Ich will sagen: Der Apparat unserer gewöhnlichen Sprache, unserer Wortsprache, ist ''vor allem'' das, was wir »Sprache« nennen; und dann anderes nach seiner Analogie oder Vergleichbarkeit mit ihr.
'''495'''. Es ist klar, ich kann durch Erfahrung feststellen, daß ein Mensch (oder Tier) auf ein Zeichen so reagiert, wie ich es will, auf ein anderes nicht. Daß z.B. ein Mensch auf das Zeichen »→« hin nach rechts, auf das Zeichen »←« nach links geht; daß er aber auf das Zeichen »o-|« nicht so reagiert wie auf »←«, etc.
Ja, ich brauche gar keinen Fall zu erdichten, und nur den tatsächlichen betrachten, daß ich einen Menschen, der nur Deutsch gelernt hat, nur mit der deutschen Sprache lenken kann. (Denn das Lernen der deutschen Sprache betrachte ich nun als ein Einstellen des Mechanismus auf eine gewisse Art der Beeinflussung; und es kann uns gleich sein, ob der Andre die Sprache gelernt hat, oder vielleicht schon von Geburt so gebaut ist, daß er auf die Sätze der deutschen Sprache so reagiert wie der gewöhnliche Mensch, wenn er Deutsch gelernt hat.)
'''496'''. Grammatik sagt nicht, wie die Sprache gebaut sein muß, um ihren Zweck zu erfüllen, um so und so auf Menschen zu wirken. Sie beschreibt nur, aber erklärt in keiner Weise, den Gebrauch der Zeichen.
'''497'''. Man kann die Regeln der Grammatik »willkürlich« nennen, wenn damit gesagt sein soll, der ''Zweck'' der Grammatik sei nur der der Sprache.
Wenn Einer sagt »Hätte unsere Sprache nicht diese Grammatik, so könnte sie diese Tatsachen nicht ausdrücken« – so frage man sich, was hier das »''könnte''« bedeutet.
'''498'''. Wenn ich sage, der Befehl »Bring mir Zucker!« und »Bring mir Milch!« hat Sinn, aber nicht die Kombination »Milch mir Zucker«, so heißt das nicht, daß das Aussprechen dieser Wortverbindung keine Wirkung hat. Und wenn sie nun die Wirkung hat, daß der Andre mich anstarrt und den Mund aufsperrt, so nenne ich sie deswegen nicht den Befehl, mich anzustarren etc., auch wenn ich gerade diese Wirkung hätte hervorbringen wollen.
'''499'''. Zu sagen »Diese Wortverbindung hat keinen Sinn« schließt sie aus dem Bereich der Sprache aus und umgrenzt dadurch das Gebiet der Sprache. Wenn man aber eine Grenze zieht, so kann das verschiedenerlei Gründe haben. Wenn ich einen Platz mit einem Zaun, einem Strich, oder sonst irgendwie umziehe, so kann das den Zweck haben, jemand nicht hinaus, oder nicht hinein zu lassen; es kann aber auch zu einem Spiel gehören, und die Grenze soll etwa von den Spielern übersprungen werden; oder es kann andeuten, wo der Besitz eines Menschen aufhört und der des ändern anfängt; etc. Ziehe ich also eine Grenze, so ist damit noch nicht gesagt, weshalb ich sie ziehe.
'''500'''. Wenn gesagt wird, ein Satz sei sinnlos, so ist nicht, quasi, sein Sinn sinnlos. Sondern eine Wortverbindung wird aus der Sprache ausgeschlossen, aus dem Verkehr gezogen.
'''501'''. »Der Zweck der Sprache ist, Gedanken auszudrücken.« – So ist es wohl der Zweck jedes Satzes, einen Gedanken auszudrücken. Welchen Gedanken drückt also z.B. der Satz »Es regnet« aus? –
'''502'''. Die Frage nach dem Sinn. Vergleiche:
»Dieser Satz hat Sinn.« – »Welchen?«
»Diese Wortreihe ist ein Satz.« – »Welcher?«
'''503'''. Wenn ich jemandem einen Befehl gebe, so ist es mir ''ganz genug'', ihm Zeichen zu geben. Und ich würde nie sagen: Das sind ja nur Worte, und ich muß hinter die Worte dringen. Ebenso, wenn ich jemand etwas gefragt hätte, und er gibt mir eine Antwort (also ein Zeichen), bin ich zufrieden – das war es, was ich erwartete – und wende nicht ein: Das ist ja eine bloße Antwort.
'''504'''. Wenn man aber sagt: »Wie soll ich wissen, was er meint, ich sehe ja nur seine Zeichen«, so sage ich: »Wie soll ''er'' wissen, was er meint, er hat ja auch nur seine Zeichen.«
'''505'''. Muß ich einen Befehl verstehen, ehe ich nach ihm handeln kann? – Gewiß! sonst wüßtest du ja nicht, was du zu tun hast. – Aber vom ''Wissen'' zum Tun ist ja wieder ein Sprung! –
'''506'''. Der Zerstreute, der auf den Befehl »Rechts um!« sich nach links dreht, und nun, an die Stirn greifend, sagt »Ach so – rechts um« und rechts um macht. – Was ist ihm eingefallen? Eine Deutung?
'''507'''. »Ich sage das nicht nur, ich meine auch etwas damit.« – Wenn man sich überlegt, was dabei in uns vorgeht, wenn wir Worte ''meinen'' (und nicht nur sagen), so ist es uns, als wäre dann etwas mit diesen Worten gekuppelt, während sie sonst leerliefen. – Als ob sie gleichsam in uns eingriffen.
'''508'''. Ich sage einen Satz: »Das Wetter ist schön«; aber die Worte sind doch willkürliche Zeichen – setzen wir also an ihrer Statt diese: »a b c d«. Aber nun kann ich, wenn ich dies lese, mit ihm nicht ohne weiteres den obigen Sinn verbinden. – Ich bin nicht gewöhnt, könnte ich sagen, statt »das« »a«, statt »Wetter« »b« zu sagen, etc. Aber damit meine ich nicht, ich sei nicht gewöhnt, mit »a« sofort das Wort »das« zu assoziieren, sondern ich bin nicht gewöhnt, »a« ''an der Stelle'' von »das« zu gebrauchen – also in der Bedeutung von »das«. (Ich beherrsche diese Sprache nicht.)
(Ich bin nicht gewöhnt, Temperaturen in Fahrenheit-Graden zu messen. Darum ›''sagt''‹ mir eine solche Temperaturangabe nichts.)
'''509'''. Wie, wenn wir jemanden fragten »Inwiefern sind diese Worte eine Beschreibung dessen, was du siehst?« – und er antwortet: »Ich ''meine'' das mit diesen Worten.« (Er sah etwa auf eine Landschaft.) Warum ist diese Antwort »Ich ''meine'' das ...« gar keine Antwort?
Wie ''meint'' man, was man vor sich sieht, mit Worten?
Denke, ich sagte »a b c d« und meine damit: Das Wetter ist schön. Ich hatte nämlich beim Aussprechen dieser Zeichen das Erlebnis, welches normalerweise nur der hätte, der jahraus jahrein »a« in der Bedeutung von »das«, »b« in der Bedeutung von »Wetter«, usw., gebraucht hat. – Sagt dann »a b c d«: das Wetter ist schön?
Welches soll das Kriterium dafür sein, daß ich ''dies'' Erlebnis hatte?
'''510'''. Mach diesen Versuch: ''Sag'' »Hier ist es kalt« und ''meine'' »Hier ist es warm«. Kannst du es? – Und was tust du dabei? Und gibt es nur eine Art, das zu tun?
'''511'''. Was heißt es denn: »entdecken, daß eine Aussage keinen Sinn hat«? – Und was heißt das: »Wenn ich etwas damit meine, muß es doch Sinn haben«? – Wenn ich etwas damit meine? – Wenn ich ''was'' damit meine?! – Man will sagen: der sinnvolle Satz ist der, den man nicht nur sagen, sondern den man auch denken kann.
'''512'''. Es scheint, als könnte man sagen: »Die Wortsprache läßt unsinnige Wortzusammenstellungen zu, die Sprache der Vorstellung aber nicht unsinnige Vorstellungen.« – Also die Sprache der Zeichnung auch nicht unsinnige Zeichnungen? Denke, es wären Zeichnungen, nach denen Körper modelliert werden sollen. Dann haben manche Zeichnungen Sinn, manche keinen. – Wie, wenn ich mir unsinnige Wortzusammenstellungen vorstelle?
'''513'''. Betrachte diese Ausdrucksform: »Mein Buch hat soviel Seiten, wie eine Lösung der Gleichung x<sup>3</sup> + 2x – 3 = 0 beträgt.« Oder: »Die Zahl meiner Freunde ist n und n<sup>2</sup> + 2n + 2 = 0.« Hat dieser Satz Sinn? Es ist ihm unmittelbar nicht anzukennen. Man sieht an diesem Beispiel, wie es zugehen kann, daß etwas aussieht wie ein Satz, den wir verstehen, was doch keinen Sinn ergibt. ###
(Dies wirft ein Licht auf den Begriff ›Verstehen‹ und ›Meinen‹.)
'''514'''. Ein Philosoph sagt: er verstehe den Satz »Ich bin hier«, meine etwas mit ihm, denke etwas, – auch wenn er sich gar nicht darauf besinnt, wie, bei welcher Gelegenheit, dieser Satz verwendet wird. Und wenn ich sage »Die Rose ist auch im Finstern rot«, so siehst du diese Röte im Finstern förmlich vor dir.
'''515'''. Zwei Bilder der Rose im Finstern. Das eine ist ganz schwarz; denn die Rose ist unsichtbar. Im andern ist sie in allen Einzelheiten gemalt und von Schwärze umgeben. Ist eines von ihnen richtig, das andere falsch? Reden wir nicht von einer weißen Rose im Finstern und von einer roten Rose im Finstern? Und sagen wir nicht doch, sie ließen sich im Finstern nicht unterscheiden?
'''516'''. Es scheint klar: wir verstehen, was die Frage bedeutet »Kommt die Ziffernfolge 7777 in der Entwicklung von π vor?« Es ist ein deutscher Satz; man kann zeigen, was es heißt, 415 komme in der Entwicklung von π vor; und ähnliches. Nun, soweit solche Erklärungen reichen, soweit, kann man sagen, versteht man jene Frage.
'''517'''. Es fragt sich: Können wir uns denn darin nicht irren, daß wir eine Frage verstehen?
Denn mancher mathematische Beweis führt uns eben dazu, zu sagen, daß wir uns ''nicht'' vorstellen können, was wir glaubten, uns vorstellen zu können. (Z.B. die Konstruktion des Siebenecks.) Er führt uns dazu, zu revidieren, was uns als der Bereich des Vorstellbaren galt.
'''518'''. Sokrates zu Theaitetos: »Und wer vorstellt, sollte nicht ''etwas'' vorstellen?« – Th.: »Notwendig.« – Sok.: »Und wer etwas vorstellt, nichts Wirkliches?« – Th.: »So scheint es.«
Und wer malt, sollte nicht etwas malen – und wer etwas malt, nichts Wirkliches? – Ja, was ist das Objekt des Malens: das Menschenbild (z.B.) oder der Mensch, den das Bild darstellt?
'''519'''. Man will sagen: ein Befehl sei ein Bild der Handlung, die nach ihm ausgeführt wurde? aber auch ein Bild der Handlung, die nach ihm ausgeführt werden ''soll''.
'''520'''. »Wenn man auch den Satz als Bild eines möglichen Sachverhalts auffaßt und sagt, er zeige die Möglichkeit des Sachverhalts, so kann doch der Satz bestenfalls tun, was ein gemaltes, oder plastisches Bild, oder ein Film, tut; und er kann also jeden falls nicht hinstellen, was nicht der Fall ist. Also hängt es ganz von unserer Grammatik ab, was (logisch) möglich genannt wird, und was nicht, – nämlich eben was sie zuläßt?« – Aber das ist doch willkürlich! – Ist es willkürlich? – Nicht mit jeder satzartigen Bildung wissen wir etwas anzufangen, nicht jede Technik hat eine Verwendung in unserm Leben, und wenn wir in der Philosophie versucht sind, etwas ganz Unnützes unter die Sätze zu zählen, so geschieht es oft, weil wir uns seine Anwendung nicht genügend überlegt haben.
'''521'''. Vergleiche ›logisch möglich‹ mit ›chemisch mögliche‹. Chemisch möglich könnte man etwa eine Verbindung nennen, für die es eine Strukturformel mit den richtigen Valenzen gibt (etwa H-O-O-O-H). Eine solche Verbindung muß natürlich nicht existieren; aber auch einer Formel HO<sub>2</sub> kann nicht weniger in der Wirklichkeit entsprechen, als keine Verbindung.
'''522'''. Wenn wir den Satz mit einem Bild vergleichen, so müssen wir bedenken, ob mit einem Porträt (einer historischen Darstellung) oder mit einem Genrebild. Und beide Vergleiche haben Sinn.
Wenn ich ein Genrebild anschaue, so ›sagt‹ es mir etwas, auch wenn ich keinen Augenblick glaube (mir einbilde), die Menschen, die ich darin sehe, seien wirklich, oder es habe wirkliche Menschen in dieser Situation gegeben. Denn wie, wenn ich fragte: »''Was'' sagt es mir denn?«
'''523'''. »Das Bild sagt mir sich selbst« – möchte ich sagen. D.h., daß es mir etwas sagt, besteht in seiner eigenen Struktur, in ''seinen'' Formen und Farben. (Was hieße es, wenn man sagte »Das musikalische Thema sagt mir sich selbst«?)
'''524'''. Sieh es nicht als selbstverständlich an, sondern als ein merkwürdiges Faktum, daß uns Bilder und erdichtete Erzählungen Vergnügen bereiten; unsern Geist beschäftigen.
(»Sieh es nicht als selbstverständlich an« – das heißt: Wundere dich darüber so, wie über anderes, was dich beunruhigt. Dann wird das Problematische verschwinden, indem du die eine Tatsache so wie die andere hinnimmst.)
((Übergang von einem offenkundigen zu einem nichtoffenkundigen Unsinn.))
'''525'''. »Nachdem er das gesagt hatte, verließ er sie wie am vorigen Tage.« – Verstehe ich diesen Satz? Verstehe ich ihn ebenso, wie ich es täte, wenn ich ihn im Verlaufe einer Mitteilung hörte? Steht er isoliert da, so würde ich sagen, ich weiß nicht, wovon er handelt. Ich wüßte aber doch, wie man diesen Satz etwa gebrauchen könnte; ich könnte selbst einen Zusammenhang für ihn erfinden.
(Eine Menge wohlbekannter Pfade führen von diesen Worten aus in alle Richtungen.)
'''526'''. Was heißt es, ein Bild, eine Zeichnung zu verstehen? Auch da gibt es Verstehen und Nichtverstehen. Und auch da können diese Ausdrücke verschiedenerlei bedeuten. Das Bild ist etwa ein Stilleben; einen Teil davon aber verstehe ich nicht: ich bin nicht fähig, dort Körper zu sehen, sondern sehe nur Farbflecke auf der Leinwand. – Oder ich sehe alles körperlich, aber es sind Gegenstände, die ich nicht kenne (sie schauen aus wie Geräte, aber ich kenne ihren Gebrauch nicht). – Vielleicht aber kenne ich die Gegenstände, verstehe aber, in anderem Sinne – ihre Anordnung nicht.
'''527'''. Das Verstehen eines Satzes der Sprache ist dem Verstehen eines Themas in der Musik viel verwandter, als man etwa glaubt. Ich meine es aber so: daß das Verstehen des sprachlichen Satzes näher, als man denkt, dem liegt, was man gewöhnlich Verstehen des musikalischen Themas nennt. Warum sollen sich Stärke und Tempo gerade in ''dieser'' Linie bewegen? Man möchte sagen: »Weil ich weiß, was das alles heißt.« Aber was heißt es? Ich wüßte es nicht zu sagen. Zur ›Erklärung‹ könnte ich es mit etwas anderem vergleichen, was denselben Rhythmus (ich meine, dieselbe Linie) hat. (Man sagt: »Siehst du nicht, das ist, als würde eine Schlußfolgerung gezogen« oder: »Das ist gleichsam eine Parenthese«, etc. Wie begründet man solche Vergleiche? – Da gibt es verschiedenartige Begründungen.)
'''528'''. Man könnte sich Menschen denken, die etwas einer Sprache nicht ganz Unähnliches besäßen: Lautgebärden, ohne Wortschatz oder Grammatik. (›Mit Zungen reden.‹)
'''529'''. »Was wäre aber hier die Bedeutung der Laute?« – Was ist sie in der Musik? Wenn ich auch gar nicht sagen will, daß diese Sprache der klanglichen Gebärden mit Musik verglichen werden müßte.
'''530'''. Es könnte auch eine Sprache geben, in deren Verwendung die ›Seele‹ der Worte keine Rolle spielt. In der uns z.B. nichts daran liegt, ein Wort durch ein beliebig erfundenes neues zu ersetzen.
'''531'''. Wir reden vom Verstehen eines Satzes in dem Sinne, in welchem er durch einen ändern ersetzt werden kann, der das Gleiche sagt; aber auch in dem Sinne, in welchem er durch keinen andern ersetzt werden kann. (So wenig wie ein musikalisches Thema durch ein anderes.)
Im einen Fall ist der Gedanke des Satzes, was verschiedenen Sätzen gemeinsam ist; im andern, etwas, was nur diese Worte, in diesen Stellungen, ausdrücken. (Verstehen eines Gedichts.)
'''532'''. So hat also »verstehen« hier zwei verschiedene Bedeutungen? – Ich will lieber sagen, diese Gebrauchsarten von »verstehen« bilden seine Bedeutung, meinen ''Begriff'' des Verstehens.
Denn ich ''will'' »verstehen« auf alles das anwenden.
'''533'''. Wie kann man aber in jenem zweiten Falle den Ausdruck erklären, das Verständnis übermitteln? Frage dich: Wie ''führt'' man jemand zum Verständnis eines Gedichts, oder eines Themas? Die Antwort darauf sagt, wie man hier den Sinn erklärt.
'''534'''. Ein Wort in dieser Bedeutung ''hören''. Wie seltsam, daß es so etwas gibt!
''So'' phrasiert, so betont, so gehört, ist der Satz der Anfang eines Übergangs zu ''diesen'' Sätzen, Bildern, Handlungen.
((Eine Menge wohlbekannter Pfade führen von diesen Worten aus in alle Richtungen.))
'''535'''. Was geschieht, wenn wir lernen, den Schluß einer Kirchentonart als Schluß zu ''empfinden''?
'''536'''. Ich sage: »Dieses Gesicht (das den Eindruck der Furchtsamkeit macht) kann ich mir auch als ein mutiges denken.« Damit meinen wir nicht, daß ich mir vorstellen kann, wie jemand mit diesem Gesicht etwa einem Ändern das Leben retten kann (das kann man sich natürlich zu jedem Gesicht vorstellen). Ich rede vielmehr von einem Aspekt des Gesichtes selbst. Was ich meine, ist auch nicht, ich könnte mir vorstellen, daß dieser Mensch sein Gesicht in ein mutiges, im gewöhnlichen Sinn, verändern kann; wohl aber, daß es auf ganz bestimmtem Wege in ein solches übergehen kann. Die Umdeutung eines Gesichtsausdrucks ist zu vergleichen der Umdeutung eines Akkords in der Musik, wenn wir ihn einmal als Überleitung in diese, einmal in jene Tonart empfinden.
'''537'''. Man kann sagen »Ich lese die Furchtsamkeit in diesem Gesicht«, aber jedenfalls scheint mit dem Gesicht Furchtsamkeit nicht bloß assoziiert, äußerlich verbunden; sondern die Furcht lebt in den Gesichtszügen. Wenn sich die Züge ein wenig ändern, so können wir von einer entsprechenden Änderung der Furcht reden. Würden wir gefragt: »Kannst du dir dieses Gesicht auch als Ausdruck des Mutes denken?« – so wüßten wir, gleichsam, nicht, wie wir den Mut in diesen Zügen unterbringen sollten. Ich sage dann etwa: »Ich weiß nicht, was das hieße, wenn dieses Gesicht ein mutiges Gesicht ist«. Aber wie sieht die Lösung so einer Frage aus? Man sagt etwa: »Ja, jetzt versteh ich es: das Gesicht ist sozusagen gleichgültig gegen die Außenwelt.« Wir haben also Mut hineingedeutet. Der Mut, könnte man sagen, ''paßt'' jetzt wieder auf das Gesicht. Aber ''was'' paßt hier ''worauf''?
'''538'''. Es ist ein verwandter Fall (obwohl es vielleicht nicht so scheinen möchte), wenn wir uns z.B. darüber wundern, daß im Französischen das prädikative Adjektiv mit dem Substantiv im Geschlecht übereinstimmt, und wenn wir uns dies so erklären: Sie meinen »der Mensch ist ''ein guter''«.
'''539'''. Ich sehe ein Bild, das einen lächelnden Kopf darstellt. Was tue ich, wenn ich das Lächeln einmal als ein freundliches, einmal als ein böses auffasse? Stelle ich es mir nicht oft in einer räumlichen und zeitlichen Umgebung vor, die freundlich oder böse ist? So könnte ich mir zu dem Bild vorstellen, daß der Lächelnde auf ein spielendes Kind herunterlächelt, oder aber auf das Leiden eines Feindes.
Daran wird nichts geändert dadurch, daß ich mir auch die auf den ersten Blick liebliche Situation durch eine weitere Umgebung wieder anders deuten kann. – Ein gewisses Lächeln werde ich, wenn keine besondern Umstände meine Deutung umstellen, als freundliches auffassen, ein »freundliches« nennen, entsprechend reagieren.
((Wahrscheinlichkeit, Häufigkeit.))
'''540'''. »Ist es nicht eigentümlich, daß ich nicht soll denken können, es werde bald aufhören zu regnen, – auch ohne die Institution der Sprache und ihre ganze Umgebung?« – Willst du sagen, es ist seltsam, daß du dir diese Worte nicht solltest sagen können und sie ''meinen'' ohne jene Umgebung?
Nimm an, jemand rufe, auf den Himmel weisend, eine Reihe unverständlicher Worte aus. Da wir ihn fragen, was er meint, sagt er, das heiße »Gottlob, es wird bald aufhören zu regnen.« Ja, er erklärt uns auch, was die einzelnen Wörter bedeuten. – Ich nehme an, er käme gleichsam plötzlich zu sich und sagte: jener Satz sei völliger Unsinn gewesen, sei ihm aber, als er ihn aussprach, als Satz einer ihm geläufigen Sprache erschienen. (Ja sogar wie ein wohlbekanntes Zitat.) – Was soll ich nun sagen? Hat er diesen Satz nicht verstanden, als er ihn sagte? Trug der Satz nicht seine ganze Bedeutung in sich?
'''541'''. Aber worin lag jenes Verstehen und die Bedeutung? Er sprach die Lautreihen etwa in erfreutem Tone, indem er auf den Himmel zeigte, während es noch regnete, aber schon lichter wurde; ''später'' machte er eine Verbindung seiner Worte mit den deutschen Worten.
'''542'''. »Aber seine Worte fühlten sich für ihn eben wie die Worte einer ihm wohlbekannten Sprache an.« – Ja; ein Kriterium dafür ist, daß er ''dies'' später sagte. Und nun sag ''ja'' nicht: »Die Wörter einer uns geläufigen Sprache fühlen sich eben in ganz bestimmter Weise an.« (Was ist der ''Ausdruck'' dieses Gefühls?)
'''543'''. Kann ich nicht sagen: der Schrei, das Lachen, seien voll von Bedeutung?
Und das heißt ungefähr: Es ließe sich viel aus ihnen ablesen.
'''544'''. Wenn die Sehnsucht aus mir spricht »Wenn er doch nur käme!«, gibt das Gefühl den Worten ›Bedeutung‹. Gibt es aber den einzelnen Worten ihre Bedeutungen?
Man könnte hier aber auch sagen: das Gefühl gebe den Worten ''Wahrheit''. Und da siehst du, wie hier die Begriffe ineinander fließen. (Dies erinnert an die Frage: Was ist der ''Sinn'' eines mathematischen Satzes?)
'''545'''. Wenn man aber sagt »Ich ''hoffe'', er wird kommen« – gibt das Gefühl nicht dem Worte »hoffen« seine Bedeutung? (Und wie ist es mit dem Satz »Ich hoffe ''nicht'' mehr, daß er kommen wird«?) Das Gefühl gibt dem Worte »hoffen« vielleicht seinen besondern Klang; d.h., es hat seinen Ausdruck im Klang. – Wenn das Gefühl dem Wort seine Bedeutung gibt, so heißt »Bedeutung« hier: ''das, worauf es ankommt''. Warum aber kommt es aufs Gefühl an?
Ist die Hoffnung ein Gefühl? (Kennzeichen.)
'''546'''. So, möchte ich sagen, sind die Worte »Möchte er doch kommen!« mit meinem Wunsche geladen. Und Worte können sich uns entringen, – wie ein Schrei. Worte können ''schwer'' auszusprechen sein: solche z.B., mit denen man auf etwas Verzicht leistet, oder eine Schwäche eingesteht. (Worte sind auch Taten.)
'''547'''. Verneinen: eine ›geistige Tätigkeit‹. Verneine etwas, und beobachte, was du tust! – Schüttelst du etwa innerlich den Kopf? Und wenn es so ist – ist dieser Vorgang nun unseres Interesses würdiger als der etwa, ein Verneinungszeichen in einen Satz zu schreiben? Kennst du jetzt das ''Wesen'' der Negation?
'''548'''. Was ist der Unterschied zwischen den beiden Vorgängen: Wünschen, daß etwas geschehe – und wünschen, daß dasselbe ''nicht'' geschehe?
Will man es bildlich darstellen, so wird man mit dem Bild des Ereignisses verschiedenes vornehmen: es durchstreichen, es abzäunen, und dergleichen. Aber das, kommt uns vor, ist eine ''rohe'' Methode des Ausdrucks. In der Wortsprache gar verwenden wir das Zeichen »nicht«. Dies ist wie ein ungeschickter Behelf. Man meint: Im ''Denken'' geschieht es schon anders.
'''549'''. »Wie kann das Wort ›nicht‹ verneinen?!« – »Das Zeichen ›nicht‹ deutet an, du sollst, was folgt, negativ auffassen.« Man möchte sagen: Das Zeichen der Verneinung ist eine Veranlassung, etwas – möglicherweise sehr Kompliziertes – zu tun. Es ist, als veranlaßte uns das Zeichen der Negation zu etwas. Aber wozu? Das wird nicht gesagt. Es ist, als brauchte es nur angedeutet werden; als wüßten wir es schon. Als sei eine Erklärung unnötig, da wir die Sache ohnehin schon kennen.
'''550'''. Die Negation, könnte man sagen, ist eine ausschließende, abweisende, Gebärde. Aber eine solche Gebärde verwenden wir in sehr verschiedenen Fällen!
'''551'''. »Ist es die ''gleiche'' Verneinung: ›Eisen schmilzt nicht bei 100 Grad C‹ und ›2 mal 2 ist nicht 5‹?« Soll das durch Introspektion entschieden werden; dadurch, daß wir zu sehen trachten, was wir bei beiden Sätzen ''denken?''
'''552'''. Wie, wenn ich fragte: Zeigt es sich uns klar, während wir die Sätze aussprechen »Dieser Stab ist 1 m lang« und »Hier steht 1 Soldat«, daß wir mit »1« Verschiedenes meinen, daß »1« verschiedene Bedeutungen hat? – Es zeigt sich uns gar nicht. – Sag etwa einen Satz wie »Auf je 1 m steht ein Soldat, auf je 2 m also 2 Soldaten«. Gefragt »Meinst du dasselbe mit den beiden Einsern?«, würde man etwa antworten: »Freilich meine ich dasselbe: ''eins''!« (Dabei hebt man etwa einen Finger in die Höhe.)
'''553'''. Hat nun die »1« verschiedene Bedeutung, wenn sie einmal für die Maßzahl, ein andermal für die Anzahl steht? Wird die Frage ''so'' gestellt, so wird man sie bejahen.
'''554'''. Wir können uns leicht Menschen mit einer ›primitiveren‹ Logik denken, in der es etwas unserer Verneinung entsprechendes nur für bestimmte Sätze gibt; für solche etwa, die noch keine Verneinung enthalten. Man könnte den Satz »Er geht in das Haus« verneinen, eine Verneinung des negativen Satzes aber wäre sinnlos, oder sie gilt nur als Wiederholung der Verneinung. Denk an andere Mittel als an die unseren, eine Verneinung auszudrücken: etwa durch die Tonhöhe des Satzes. Wie sähe hier eine doppelte Verneinung aus?
'''555'''. Die Frage, ob für diese Menschen die Verneinung dieselbe Bedeutung hat wie für uns, wäre analog der, ob die Ziffer »5« für Menschen, deren Zahlenreihe mit 5 endigt, dasselbe bedeutet wie für uns.
'''556'''. Denk dir eine Sprache mit zwei verschiedenen Worten für die Verneinung, das eine ist »X«, das andere »Y«. Ein doppeltes »X« gibt eine Bejahung, ein doppeltes »Y« aber eine verstärkte Verneinung. Im übrigen werden die beiden Wörter gleich verwendet. – Haben nun »X« und »Y« die gleiche Bedeutung, wenn sie ohne Wiederholung in Sätzen vorkommen? – Darauf könnte man verschiedenes antworten.
a) Die beiden Wörter haben verschiedenen Gebrauch. Also verschiedene Bedeutung. Sätze aber, in denen sie ohne Wiederholung stehen, und die im übrigen gleich lauten, haben gleichen Sinn.
b) Die beiden Wörter haben die gleiche Funktion in Sprachspielen, bis auf die eine Verschiedenheit, die eine unwichtige Sache des Herkommens ist. Der Gebrauch beider Wörter wird auf die gleiche Weise gelehrt, durch die gleichen Handlungen, Gebärden, Bilder etc.; und der Unterschied in ihrer Gebrauchsweise wird als etwas Nebensächliches, als einer von den kapriziösen Zügen der Sprache, der Erklärung der Wörter hinzugefügt. Darum werden wir sagen: »X« und »Y« haben die gleiche Bedeutung.
c) Mit den beiden Verneinungen verbinden wir verschiedene Vorstellungen. »X« dreht gleichsam den Sinn um 180 Grad. Und ''darum'' bringen zwei solche Verneinungen den Sinn in seine alte Lage zurück. »Y« ist wie ein Kopfschütteln. Und wie man nicht ein Kopfschütteln durch ein zweites aufhebt, so auch nicht ein »Y« durch ein zweites. Und wenn also auch Sätze mit den beiden Verneinungen praktisch aufs selbe hinauskommen, so drücken »X« und »Y« doch verschiedene Ideen aus.
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a) »Daß drei Verneinungen wieder eine Verneinung ergeben, muß doch schon in der einen Verneinung, die ich jetzt gebrauche, liegen.« (Die Versuchung, einen Mythos des »Bedeutens« zu erfinden.)
Es hat den Anschein, als würde aus der Natur der Negation folgen, daß eine doppelte Verneinung eine Bejahung ist. (Und etwas Richtiges ist daran. Was? ''Unsere'' Natur hängt mit beiden zusammen.)
b) Es kann keine Diskussion darüber geben, ob diese Regeln, oder andere, die richtigen für das Wort »nicht« sind (ich meine, ob sie seiner Bedeutung gemäß sind). Denn das Wort hat ohne diese Regeln noch keine Bedeutung; und wenn wir die Regeln ändern, so hat es nun eine andere Bedeutung (oder keine), und wir können dann ebensogut auch das Wort ändern.
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'''557'''. Worin mag das gelegen haben, als ich die doppelte Verneinung aussprach, daß ich sie als verstärkte Verneinung und nicht als Bejahung meinte? Es gibt keine Antwort, die lautet: »Es lag darin, daß ...« Statt zu sagen »Diese Verdoppelung ist als Verstärkung gemeint«, kann ich sie unter gewissen Umständen als Verstärkung ''aussprechen''. Statt zu sagen »Die Verdoppelung der Verneinung ist als ihre Aufhebung gemeint«, kann ich z.B. Klammern setzen. – »Ja, aber diese Klammern selbst können doch verschiedene Rollen spielen; denn wer sagt, daß sie als ''Klammern'' aufzufassen seien?« Niemand sagt es. Und du hast ja deine Auffassung wieder durch Worte erklärt. Was die Klammern bedeuten, liegt in der Technik ihrer Anwendung. Die Frage ist: unter welchen Umständen hat es Sinn zu sagen: »Ich habe .... gemeint«, und welche Umstände berechtigen mich zu sagen »Er hat.... gemeint«?
'''558'''. Was heißt es, daß im Satze »Die Rose ist rot« das »ist« eine andere Bedeutung hat als in »zwei mal zwei ist vier«? Wenn man antwortet, es heiße, daß verschiedene Regeln von diesen beiden Wörtern gelten, so ist zu sagen, daß wir hier nur ''ein'' Wort haben. – Und wenn ich nur auf die grammatischen Regeln achte, so erlauben diese eben die Verwendung des Wortes »ist« in beiderlei Zusammenhängen. – Die Regel aber, welche zeigt, daß das Wort »ist« in diesen Sätzen verschiedene Bedeutung hat, ist die, welche erlaubt, im zweiten Satz das Wort »ist« durch das Gleichheitszeichen zu ersetzen, und die diese Ersetzung im ersten Satz verbietet.
'''559'''. Man möchte etwa von der Funktion des Wortes in ''diesem'' Satz reden. Als sei der Satz ein Mechanismus, in welchem das Wort eine bestimmte Funktion habe. Aber worin besteht diese Funktion? Wie tritt sie zu Tage? Denn es ist ja nichts verborgen, wir sehen ja den ganzen Satz! Die Funktion muß sich im Laufe des Kalküls zeigen. ((Bedeutungskörper.))
'''560'''. »Die Bedeutung des Wortes ist das, was die Erklärung der Bedeutung erklärt.« D.h.: willst du den Gebrauch des Worts »Bedeutung« verstehen, so sieh nach, was man »Erklärung der Bedeutung« nennt.
'''561'''. Ist es nun nicht merkwürdig, daß ich sage, das Wort »ist« werde in zwei verschiedenen Bedeutungen (als Kopula und als Gleichheitszeichen) gebraucht, und nicht sagen möchte, seine Bedeutung sei sein Gebrauch: nämlich als Kopula und Gleichheitszeichen?
Man möchte sagen, diese beiden Arten des Gebrauchs geben nicht ''eine'' Bedeutung; die Personalunion durch das gleiche Wort sei ein unwesentlicher Zufall.
'''562'''. Aber wie kann ich entscheiden, welches ein wesentlicher und welches ein unwesentlicher, zufälliger Zug der Notation ist? Liegt denn eine Realität hinter der Notation, nach der sich ihre Grammatik richtet?
Denken wir an einen ähnlichen Fall im Spiel: im Damespiel wird eine Dame dadurch gekennzeichnet, daß man zwei Spielsteine aufeinanderlegt. Wird man nun nicht sagen, daß es für das Spiel unwesentlich ist, daß eine Dame aus zwei Steinen besteht?
'''563'''. Sagen wir: die Bedeutung eines Steines (einer Figur) ist ihre Rolle im Spiel. – Nun werde vor Beginn jeder Schachpartie durch das Los entschieden, welcher der Spieler Weiß erhält. Dazu halte der Eine in jeder geschlossenen Hand einen Schachkönig, der andre wählt auf gut Glück eine der beiden Hände. Wird man es nun zur Rolle des Schachkönigs im Schachspiel rechnen, daß er so zum Auslosen verwendet wird?
'''564'''. Ich bin also geneigt, auch im Spiel zwischen wesentlichen und unwesentlichen Regeln zu unterscheiden. Das Spiel, möchte man sagen, hat nicht nur Regeln, sondern auch einen ''Witz''.
'''565'''. Wozu das gleiche Wort? Wir machen ja im Kalkül keinen Gebrauch von dieser Gleichheit! – Warum für beide Zwecke die gleichen Spielsteine? – Aber was heißt es hier »von der Gleichheit Gebrauch machen«? Ist es denn nicht ein Gebrauch, wenn wir eben das gleiche Wort gebrauchen?
'''566'''. Hier scheint es nun, als hätte der Gebrauch des gleichen Worts, des gleichen Steins, einen ''Zweck'' – wenn die Gleichheit nicht zufällig, unwesentlich, ist. Und als sei der Zweck, daß man den Stein wiedererkennen, und wissen könne, wie man zu spielen hat. – Ist da von einer physischen, oder einer logischen Möglichkeit die Rede? Wenn das Letztere, so gehört eben die Gleichheit der Steine zum Spiel.
'''567'''. Das Spiel soll doch durch die Regeln bestimmt sein! Wenn also eine Spielregel vorschreibt, daß zum Auslosen vor der Schachpartie die Könige zu verwenden sind, so gehört das, wesentlich, zum Spiel. Was könnte man dagegen einwenden? Daß man den Witz dieser Vorschrift nicht einsehe. Etwa, wie wenn man auch den Witz einer Regel nicht einsähe, nach der jeder Stein dreimal umzudrehen wäre, ehe man mit ihm zieht. Fänden wir diese Regel in einem Brettspiel, so würden wir uns wundern und Vermutungen über den Zweck der Regel anstellen. (»Sollte diese Vorschrift verhindern, daß man ohne Überlegung zieht?«)
'''568'''. Wenn ich den Charakter des Spiels richtig verstehe – könnte ich sagen – so gehört das nicht wesentlich dazu.
((Die Bedeutung eine Physiognomie.))
'''569'''. Die Sprache ist ein Instrument. Ihre Begriffe sind Instrumente. Man denkt nun etwa, es könne keinen ''großen'' Unterschied machen, ''welche'' Begriffe wir verwenden. Wie man schließlich mit Fuß und Zoll Physik treiben kann, sowie mit m und cm; der Unterschied sei doch nur einer der Bequemlichkeit. Aber auch das ist nicht wahr, wenn, z.B., Rechnungen in einem Maßsystem mehr Zeit und Mühe erfordern, als wir aufwenden können.
'''570'''. Begriffe leiten uns zu Untersuchungen. Sind der Ausdruck unseres Interesses, und lenken unser Interesse.
'''571'''. Irreführende Parallele: Psychologie handelt von den Vorgängen in der psychischen Sphäre, wie Physik in der physischen.
Sehen, Hören, Denken, Fühlen, Wollen sind nicht ''im gleichen Sinne'' die Gegenstände der Psychologie, wie die Bewegungen der Körper, die elektrischen Erscheinungen, etc., Gegenstände der Physik. Das siehst du daraus, daß der Physiker diese Erscheinungen sieht, hört, über sie nachdenkt, sie uns mitteilt, und der Psychologe die ''Äußerungen'' (das Benehmen) des Subjekts beobachtet.
'''572'''. Erwartung ist, grammatikalisch, ein Zustand; wie: einer Meinung sein, etwas hoffen, etwas wissen, etwas können. Aber um die Grammatik dieser Zustände zu verstehen, muß man fragen: »Was gilt als Kriterium dafür, daß sich jemand in diesem Zustand befindet?« (Zustand der Härte, des Gewichts, des Passens.)
'''573'''. Eine Ansicht haben ist ein Zustand. – Ein Zustand wessen? Der Seele? des Geistes? Nun, wovon sagt man, es habe eine Ansicht? Vom Herrn N. N. zum Beispiel. Und das ist die richtige Antwort.
Man darf eben von der Antwort auf die Frage noch keinen Aufschluß erwarten. Fragen, welche tiefer dringen, sind: Was sehen wir, in besondern Fällen, als Kriterien dafür an, daß Einer die und die Meinung hat? Wann sagen wir: er sei damals zu dieser Meinung gekommen? Wann: er habe seine Meinung geändert? Usw. Das Bild, welches die Antworten auf diese Fragen uns geben, zeigt, ''was'' hier grammatisch als ''Zustand'' behandelt wird.
'''574'''. Ein Satz, und daher in anderm Sinne ein Gedanke, kann der ›Ausdruck‹ des Glaubens, Hoffens, Erwartens, etc., sein. Aber Glauben ist nicht Denken. (Eine grammatische Bemerkung.) Die Begriffe des Glaubens, Erwartens, Hoffens, sind einander weniger artfremd, als sie dem Begriff des Denkens sind.
'''575'''. Als ich mich auf diesen Stuhl setzte, glaubte ich natürlich, er werde mich tragen. Ich dachte gar nicht, daß er zusammenbrechen könnte.
Aber: »Trotz allem, was er tat, hielt ich an dem Glauben fest, ...« Hier wird gedacht, und etwa immer wieder eine bestimmte Einstellung erkämpft.
'''576'''. Ich schaue auf die brennende Lunte, folge mit höchster Spannung dem Fortschreiten des Brandes und wie er sich dem Explosivstoff nähert. Ich denke vielleicht überhaupt nichts, oder eine Menge abgerissener Gedanken. Das ist gewiß ein Fall des Erwartens.
'''577'''. Wir sagen »Ich erwarte ihn«, wenn wir glauben, er werde kommen, sein Kommen uns aber nicht ''beschäftigt''. (»Ich erwarte ihn« hieße hier »Ich wäre erstaunt, wenn er nicht käme« – und das wird man nicht die Beschreibung eines Seelenzustands nennen.) Wir sagen aber auch »Ich erwarte ihn«, wenn dies heißen soll: Ich harre auf ihn. Wir könnten uns eine Sprache denken, die in diesen Fällen konsequent verschiedene Verben benützt. Und ebenso mehr als ein Verbum dort, wo wir von ›glauben‹, ›hoffen‹, usw. reden. Die Begriffe dieser Sprache wären für ein Verständnis der Psychologie vielleicht geeigneter als die Begriffe unsrer Sprache.
'''578'''. Frage dich: Was heißt es, den Goldbach’schen Satz ''glauben?'' Worin besteht dieser Glaube? In einem Gefühl der Sicherheit, wenn wir den Satz aussprechen, hören oder denken? (Das interessiert uns nicht.) Und was sind die Kennzeichen dieses Gefühls? Ich weiß ja auch nicht, wie weit das Gefühl durch den Satz selbst hervorgerufen sein mag.
Soll ich sagen, der Glaube ist ein Farbton der Gedanken? Woher diese Idee? Nun, es gibt einen Tonfall des Glaubens, wie des Zweifels.
Ich möchte fragen: Wie greift der Glaube in diesen Satz ein? Sehen wir nach, welche Konsequenzen dieser Glaube hat, wozu er uns bringt. »Er bringt mich zum Suchen nach einem Beweis dieses Satzes.« – Gut, jetzt sehen wir noch nach, worin dein Suchen eigentlich besteht! dann werden wir wissen, was es mit dem Glauben an den Satz auf sich hat.
'''579'''. Das Gefühl der Zuversicht. Wie äußert es sich im Benehmen?
'''580'''. Ein ›innerer Vorgang‹ bedarf äußerer Kriterien.
'''581'''. Eine Erwartung ist in einer Situation eingebettet, aus der sie entspringt. Die Erwartung einer Explosion kann z.B. aus einer Situation entspringen, in der eine Explosion ''zu erwarten ist''.
'''582'''. Wenn Einer, statt zu sagen »Ich erwarte jeden Moment die Explosion«, flüstert: »Es wird gleich losgehen«, so beschreiben doch seine Worte keine Empfindung; obgleich sie und ihr Ton eine Äußerung seiner Empfindung sein können.
'''583'''. »Aber du sprichst ja, als erwartete, hoffte, ich nicht eigentlich ''jetzt'' – da ich zu hoffen glaube. Als wäre, was ''jetzt'' geschieht, ohne tiefe Bedeutung.« – Was heißt es: »Was jetzt geschieht, hat Bedeutung« oder »hat tiefe Bedeutung«? Was ist eine ''tiefe'' Empfindung? Könnte Einer eine Sekunde lang innige Liebe oder Hoffnung empfinden, – ''was immer'' dieser Sekunde voranging oder ihr folgt? –– Was jetzt geschieht, hat Bedeutung – in dieser Umgebung. Die Umgebung gibt ihm die Wichtigkeit. Und das Wort »hoffen« bezieht sich auf ein Phänomen des menschlichen Lebens. (Ein lächelnder Mund ''lächelt'' nur in einem menschlichen Gesicht.)
'''584'''. Wenn ich nun in meinem Zimmer sitze und hoffe, N. N. werde kommen und mir Geld bringen, und eine Minute dieses Zustands könnte isoliert, aus ihrem Zusammenhang herausgeschnitten werden: wäre, was in ihr geschieht, dann kein Hoffen? – Denke, z.B., an die Worte, die du etwa in dieser Zeit aussprichst. Sie gehören nun nicht mehr dieser Sprache an. Und die Institution des Geldes gibt es in einer ändern Umgebung auch nicht.
Eine Königskrönung ist das Bild der Pracht und Würde. Schneide eine Minute dieses Vorgangs aus ihrer Umgebung heraus: dem König im Krönungsmantel wird die Krone aufs Haupt gesetzt. – In einer andern Umgebung aber ist Gold das billigste Metall, sein Glanz gilt als gemein. Das Gewebe des Mantels ist dort billig herzustellen. Die Krone ist die Parodie eines anständigen Huts. Etc.
'''585'''. Wenn Einer sagt »Ich hoffe, er wird kommen« – ist das ein ''Bericht'' über seinen Seelenzustand, oder eine ''Äußerung'' seiner Hoffnung? – Ich kann es z.B. zu mir selbst sagen. Und mir mache ich doch keinen Bericht. Es kann ein Seufzer sein; aber muß kein Seufzer sein. Sage ich jemandem »Ich kann heute meine Gedanken nicht bei der Arbeit halten; ich denke immer an sein Kommen« – so wird man ''das'' eine Beschreibung meines Seelenzustandes nennen.
'''586'''. »Ich habe gehört, er wird kommen; ich erwarte ihn schon den ganzen Tag.« Dies ist ein Bericht darüber, wie ich den Tag verbracht habe. –– Ich komme in einem Gespräch zum Ergebnis, daß ein bestimmtes Ereignis zu erwarten sei, und ziehe diesen Schluß mit den Worten: »Ich muß also jetzt sein Kommen erwarten«. Das kann man den ersten Gedanken, den ersten Akt, dieser Erwartung nennen. –– Den Ausruf »Ich erwarte ihn sehnsüchtig!« kann man einen Akt des Erwartens nennen. Ich kann aber dieselben Worte als das Resultat einer Selbstbeobachtung aussprechen, und sie hießen dann etwa: »Also nach allem, was vorgegangen ist, erwarte ich ihn dennoch mit Sehnsucht.« Es kommt darauf an: Wie ist es zu diesen Worten gekommen?
'''587'''. Hat es Sinn zu fragen »Woher weißt du, daß du das glaubst?« – und ist die Antwort: »Ich erkenne es durch Introspektion«?
In ''manchen'' Fällen wird man so etwas sagen können, in den meisten nicht.
Es hat Sinn, zu fragen: »Liebe ich sie wirklich, mache ich mir das nicht nur vor?« und der Vorgang der Introspektion ist das Wachrufen von Erinnerungen; von Vorstellungen möglicher Situationen und der Gefühle, die man hätte, wenn...
'''588'''. »Ich wälze den Entschluß in mir herum, morgen abzureisen.« (Dies kann man eine Beschreibung des Gemütszustandes nennen.) –– »Deine Gründe überzeugen mich nicht; ich bin nach wie vor der Absicht, morgen abzureisen.« Hier wird man versucht sein, die Absicht ein Gefühl zu nennen. Das Gefühl ist das einer gewissen Steifigkeit; des unabänderlichen Entschlusses. (Aber es gibt auch hier viele verschiedene charakteristische Gefühle und Haltungen.) –– Man fragt mich: »Wie lange bleibst du hier?« Ich antworte: »Morgen reise ich ab; meine Ferien gehen zu Ende.« – Dagegen aber: Ich sage am Ende eines Streits »Nun gut; dann reise ich morgen ab!« Ich fasse einen Entschluß.
'''589'''. »Ich habe mich in meinem Herzen dazu entschlossen.« Und man ist dabei auch geneigt, auf die Brust zu zeigen. Diese Redeweise ist psychologisch ernst zu nehmen. Warum sollte sie weniger ernst zu nehmen sein als die Aussage, der Glaube sei ein Zustand der Seele? (Luther: »Der Glaube ist unter der linken Brustzitze.«)
'''590'''. Es könnte sein, daß jemand die Bedeutung des Ausdrucks »was man sagt, ernstlich ''meinen''« durch ein Zeigen auf das Herz verstehen lerne. Aber nun muß man fragen »Wie zeigt sich’s, daß er es gelernt hat?«
'''591'''. Soll ich sagen, wer eine Absicht hat, erlebt eine Tendenz? Es gebe bestimmte Tendenzerlebnisse? – Erinnere dich an diesen Fall: Wenn man in einer Diskussion dringend eine Bemerkung, einen Einwurf machen will, geschieht es häufig, daß man den Mund öffnet, den Atem einzieht und anhält; entscheidet man sich dann, den Einwurf zu unterlassen, so läßt man den Atem aus. Das Erlebnis dieses Vorgangs ist offenbar das Erlebnis einer Tendenz, zu sprechen. Wer mich beobachtet, wird erkennen, daß ich etwas sagen wollte und mich dann anders besonnen habe. In ''dieser'' Situation nämlich. – In einer ändern würde er mein Benehmen so nicht deuten, so charakteristisch es auch in der gegenwärtigen Situation für die Absicht, zu sprechen, ist. Und ist irgend ein Grund vorhanden, anzunehmen, dieses selbe Erlebnis könnte in einer ganz ändern Situation nicht auftreten, – in der es mit einer Tendenz nichts zu tun hat?
'''592'''. »Aber wenn du sagst ›Ich habe die Absicht, abzureisen‹, so meinst du’s doch! Es ist eben hier wieder das geistige Meinen, das den Satz belebt. Sprichst du den Satz bloß einem Andern nach, etwa um seine Sprechweise zu verspotten, so sprichst du ihn ohne dieses Meinen.« – Wenn wir philosophieren, so kann es manchmal so scheinen. Aber denken wir uns doch wirklich ''verschiedene'' Situationen aus, und Gespräche, und wie jener Satz in ihnen ausgesprochen wird! – »Ich entdecke immer einen geistigen Unterton; vielleicht nicht immer den ''gleichen''.« – Und war da kein Unterton vorhanden, als du den Satz dem Andern nachsprachst? Und wie nun den ›Unterton‹ von dem übrigen Erlebnis des Sprechens trennen?
'''593'''. Eine Hauptursache philosophischer Krankheiten – einseitige Diät: man nährt sein Denken mit nur einer Art von Beispielen.
'''594'''. »Aber die Worte, sinnvoll ausgesprochen, haben doch nicht nur Fläche, sondern auch eine Tiefendimension!« Es findet eben doch etwas anderes statt, wenn sie sinnvoll ausgesprochen werden, als wenn sie bloß ausgesprochen werden. – Wie ich das ausdrücke, darauf kommt’s nicht an. Ob ich sage, sie haben im ersten Fall Tiefe; oder, es geht dabei etwas in mir, in meinem Innern, vor; oder, sie haben eine Atmosphäre – es kommt immer aufs gleiche hinaus.
»Wenn wir nun Alle hierin übereinstimmen, wird es da nicht wahr sein?«
(Ich kann des Ändern Zeugnis nicht annehmen, weil es kein ''Zeugnis'' ist. Es sagt mir nur, was er zu sagen ''geneigt'' ist.)
'''595'''. Es ist uns natürlich, den Satz in diesem Zusammenhang auszusprechen; und unnatürlich, ihn isoliert zu sagen. Sollen wir sagen: Es gibt ein bestimmtes Gefühl, das das Aussprechen jedes Satzes begleitet, dessen Aussprechen uns natürlich ist?
'''596'''. Das Gefühl der ›Bekanntheit‹ und der ›Natürlichkeit‹. Leichter ist es, ein Gefühl der Unbekanntheit und der Unnatürlichkeit aufzufinden. Oder: ''Gefühle''. Denn nicht alles, was uns unbekannt ist, macht uns einen Eindruck der Unbekanntheit. Und hier muß man sich überlegen, was wir »unbekannt« nennen. Einen Feldstein, den wir am Wege sehen, erkennen wir als solchen, aber vielleicht nicht als den, der immer da gelegen ist. Einen Menschen etwa als Menschen, aber nicht als Bekannten. Es gibt Gefühle der Wohlvertrautheit; ihre Äußerung ist manchmal ein Blick, oder die Worte »Das alte Zimmer!« (das ich vor vielen Jahren bewohnt habe und nun unverändert wiederfinde). Ebenso gibt es Gefühle der Fremdheit: Ich stutze; sehe den Gegenstand, oder Menschen, prüfend oder mißtrauisch an; sage: »Es ist mir alles fremd.« – Aber weil es nun dies Gefühl der Fremdheit gibt, kann man nicht sagen: jeder Gegenstand, den wir gut kennen und der uns nicht fremd vorkommt, gebe uns ein Gefühl der Vertrautheit. – Wir meinen, quasi, der Platz, den einmal das Gefühl der Fremdheit einnimmt, müsse doch ''irgendwie'' besetzt sein. Es ist der Platz für diese Atmosphäre vorhanden und nimmt ihn nicht die eine ein, dann eine andere.
'''597'''. Wie dem Deutschen, der gut Englisch spricht, Germanismen unterlaufen, obgleich er nicht erst den deutschen Ausdruck bildet und ihn dann ins Englische übersetzt; wie er also Englisch spricht, ''als übersetze er'', ›unbewußt‹, aus dem Deutschen, so denken wir oft, als läge unserm Denken ein Denkschema zu Grunde; als übersetzten wir aus einer primitiveren Denkweise in die unsre.
'''598'''. Wenn wir philosophieren, möchten wir Gefühle hypostasieren, wo keine sind. Sie dienen dazu, uns unsere Gedanken zu erklären.
›''Hier'' verlangt die Erklärung unseres Denkens ein Gefühl!‹ Es ist, als ob unsre Überzeugung auf diese Forderung hin ihr nachkäme.
'''599'''. In der Philosophie werden nicht Schlüsse gezogen. »Es muß sich doch so verhalten!« ist kein Satz der Philosophie. Sie stellt nur fest, was Jeder ihr zugibt.
'''600'''. Macht alles, was uns nicht auffällt, den Eindruck der Unauffälligkeit? Macht uns das Gewöhnliche immer den ''Eindruck'' der Gewöhnlichkeit?