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Denke nun an diese Verwendung der Sprache: Ich schicke jemand einkaufen. Ich gebe ihm einen Zettel, auf diesem stehen die Zeichen: »fünf rote Äpfel«. Er trägt den Zettel zum Kaufmann; der öffnet die Lade, auf welcher das Zeichen »Äpfel« steht; dann sucht er in einer Tabelle das Wort »rot« auf und findet ihm gegenüber ein Farbmuster; nun sagt er die Reihe der Grundzahlwörter – ich nehme an, er weiß sie auswendig – bis zum Worte »fünf« und bei jedem Zahlwort nimmt er einen Apfel aus der Lade, der die Farbe des Musters hat. –– So, und ähnlich, operiert man mit Worten. –– »Wie weiß er aber, wo und wie er das Wort »rot« nachschlagen soll und was er mit dem Wort »fünf« anzufangen hat?« –– Nun, ich nehme an, er handelt, wie ich es beschrieben habe. Die Erklärungen haben irgendwo ein Ende. – Was ist aber die Bedeutung des Wortes »fünf«? – Von einer solchen war hier gar nicht die Rede; nur davon, wie das Wort »fünf« gebraucht wird. | Denke nun an diese Verwendung der Sprache: Ich schicke jemand einkaufen. Ich gebe ihm einen Zettel, auf diesem stehen die Zeichen: »fünf rote Äpfel«. Er trägt den Zettel zum Kaufmann; der öffnet die Lade, auf welcher das Zeichen »Äpfel« steht; dann sucht er in einer Tabelle das Wort »rot« auf und findet ihm gegenüber ein Farbmuster; nun sagt er die Reihe der Grundzahlwörter – ich nehme an, er weiß sie auswendig – bis zum Worte »fünf« und bei jedem Zahlwort nimmt er einen Apfel aus der Lade, der die Farbe des Musters hat. –– So, und ähnlich, operiert man mit Worten. –– »Wie weiß er aber, wo und wie er das Wort »rot« nachschlagen soll und was er mit dem Wort »fünf« anzufangen hat?« –– Nun, ich nehme an, er handelt, wie ich es beschrieben habe. Die Erklärungen haben irgendwo ein Ende. – Was ist aber die Bedeutung des Wortes »fünf«? – Von einer solchen war hier gar nicht die Rede; nur davon, wie das Wort »fünf« gebraucht wird. | ||
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Denken wir uns eine Sprache, für die die Beschreibung, wie Augustinus sie gegeben hat, stimmt: Die Sprache soll der Verständigung eines Bauenden A mit einem Gehilfen B dienen. A führt einen Bau auf aus Bausteinen; es sind Würfel, Säulen, Platten und Balken vorhanden. B hat ihm die Bausteine zuzureichen, und zwar nach der Reihe, wie A sie braucht. Zu dem Zweck bedienen sie sich einer Sprache, bestehend aus den Wörtern: »Würfel«, »Säule«, »Platte«, »Balken«. A ruft sie aus; – B bringt den Stein, den er gelernt hat, auf diesen Ruf zu bringen. –– Fasse dies als vollständige primitive Sprache auf. | Denken wir uns eine Sprache, für die die Beschreibung, wie Augustinus sie gegeben hat, stimmt: Die Sprache soll der Verständigung eines Bauenden A mit einem Gehilfen B dienen. A führt einen Bau auf aus Bausteinen; es sind Würfel, Säulen, Platten und Balken vorhanden. B hat ihm die Bausteine zuzureichen, und zwar nach der Reihe, wie A sie braucht. Zu dem Zweck bedienen sie sich einer Sprache, bestehend aus den Wörtern: »Würfel«, »Säule«, »Platte«, »Balken«. A ruft sie aus; – B bringt den Stein, den er gelernt hat, auf diesen Ruf zu bringen. –– Fasse dies als vollständige primitive Sprache auf. | ||
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Es ist, als erklärte jemand: »Spielen besteht darin, daß man Dinge, gewissen Regeln gemäß, auf einer Fläche verschiebt...« – und wir ihm antworten: Du scheinst an die Brettspiele zu denken; aber das sind nicht alle Spiele. Du kannst deine Erklärung richtigstellen, indem du sie ausdrücklich auf diese Spiele einschränkst. | Es ist, als erklärte jemand: »Spielen besteht darin, daß man Dinge, gewissen Regeln gemäß, auf einer Fläche verschiebt...« – und wir ihm antworten: Du scheinst an die Brettspiele zu denken; aber das sind nicht alle Spiele. Du kannst deine Erklärung richtigstellen, indem du sie ausdrücklich auf diese Spiele einschränkst. | ||
{{ParPU|4}} Denk dir eine Schrift, in welcher Buchstaben zur Bezeichnung von Lauten benützt würden, aber auch zur Bezeichnung der Betonung und als Interpunktionszeichen. (Eine Schrift kann man auffassen als eine Sprache zur Beschreibung von Lautbildern.) Denk dir nun, daß Einer jene Schrift so verstünde, als entspräche einfach jedem Buchstaben ein Laut und als hätten die Buchstaben nicht auch ganz andere Funktionen. So einer, zu einfachen, Auffassung der Schrift gleicht Augustinus’ Auffassung der Sprache. | {{ParPU|4}} Denk dir eine Schrift, in welcher Buchstaben zur Bezeichnung von Lauten benützt würden, aber auch zur Bezeichnung der Betonung und als Interpunktionszeichen. (Eine Schrift kann man auffassen als eine Sprache zur Beschreibung von Lautbildern.) Denk dir nun, daß Einer jene Schrift so verstünde, als entspräche einfach jedem Buchstaben ein Laut und als hätten die Buchstaben nicht auch ganz andere Funktionen. So einer, zu einfachen, Auffassung der Schrift gleicht Augustinus’ Auffassung der Sprache. | ||
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Solche primitiven Formen der Sprache verwendet das Kind, wenn es sprechen lernt. Das Lehren der Sprache ist hier kein Erklären, sondern ein Abrichten. | Solche primitiven Formen der Sprache verwendet das Kind, wenn es sprechen lernt. Das Lehren der Sprache ist hier kein Erklären, sondern ein Abrichten. | ||
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»Indem ich die Stange mit dem Hebel verbinde, setze ich die Bremse instand.« – Ja, gegeben den ganzen übrigen Mechanismus. Nur mit diesem ist er der Bremshebel; und losgelöst von seiner Unterstützung ist er nicht einmal Hebel, sondern kann alles Mögliche sein, oder nichts. | »Indem ich die Stange mit dem Hebel verbinde, setze ich die Bremse instand.« – Ja, gegeben den ganzen übrigen Mechanismus. Nur mit diesem ist er der Bremshebel; und losgelöst von seiner Unterstützung ist er nicht einmal Hebel, sondern kann alles Mögliche sein, oder nichts. | ||
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Ich werde auch das Ganze: der Sprache und der Tätigkeiten, mit denen sie verwoben ist, das »Sprachspiel« nennen. | Ich werde auch das Ganze: der Sprache und der Tätigkeiten, mit denen sie verwoben ist, das »Sprachspiel« nennen. | ||
{{ParPU|8}} Sehen wir eine Erweiterung der Sprache (2) an. Außer den vier Wörtern »Würfel«, »Säule«, etc. enthalte sie eine Wörterreihe, die verwendet wird, wie der Kaufmann in (1) die Zahlwörter verwendet (es kann die Reihe der Buchstaben des Alphabets sein); ferner, zwei Wörter, sie mögen »dorthin« und »dieses« lauten (weil dies schon ungefähr ihren Zweck andeutet), sie werden in Verbindung mit einer zeigenden Handbewegung gebraucht; und endlich eine Anzahl von Farbmustern. A gibt einen Befehl von der Art: »d-Platte-dorthin«. Dabei läßt er den Gehilfen ein Farbmuster sehen, und beim Worte »dorthin« zeigt er an eine Stelle des Bauplatzes. B nimmt von dem Vorrat der Platten je eine von der Farbe des Musters für jeden Buchstaben des Alphabets bis zum »d« und bringt sie an den Ort, den A bezeichnet. – Bei anderen Gelegenheiten gibt A den Befehl: »dieses-dorthin«. Bei »dieses« zeigt er auf einen Baustein. Usw. | {{ParPU|8}} Sehen wir eine Erweiterung der Sprache (2) an. Außer den vier Wörtern »Würfel«, »Säule«, etc. enthalte sie eine Wörterreihe, die verwendet wird, wie der Kaufmann in (1) die Zahlwörter verwendet (es kann die Reihe der Buchstaben des Alphabets sein); ferner, zwei Wörter, sie mögen »dorthin« und »dieses« lauten (weil dies schon ungefähr ihren Zweck andeutet), sie werden in Verbindung mit einer zeigenden Handbewegung gebraucht; und endlich eine Anzahl von Farbmustern. A gibt einen Befehl von der Art: »d-Platte-dorthin«. Dabei läßt er den Gehilfen ein Farbmuster sehen, und beim Worte »dorthin« zeigt er an eine Stelle des Bauplatzes. B nimmt von dem Vorrat der Platten je eine von der Farbe des Musters für jeden Buchstaben des Alphabets bis zum »d« und bringt sie an den Ort, den A bezeichnet. – Bei anderen Gelegenheiten gibt A den Befehl: »dieses-dorthin«. Bei »dieses« zeigt er auf einen Baustein. Usw. | ||
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Wird auch »dorthin« und »dieses« hinweisend gelehrt? – Stell dir vor, wie man ihren Gebrauch etwa lehren könnte! Es wird dabei auf Örter und Dinge gezeigt werden, – aber hier geschieht ja dieses Zeigen auch im ''Gebrauch'' der Wörter und nicht nur beim Lernen des Gebrauchs. – | Wird auch »dorthin« und »dieses« hinweisend gelehrt? – Stell dir vor, wie man ihren Gebrauch etwa lehren könnte! Es wird dabei auf Örter und Dinge gezeigt werden, – aber hier geschieht ja dieses Zeigen auch im ''Gebrauch'' der Wörter und nicht nur beim Lernen des Gebrauchs. – | ||
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Aber dadurch, daß man so die Beschreibungen des Gebrauchs der Wörter einander anähnelt, kann doch dieser Gebrauch nicht ähnlicher werden! Denn, wie wir sehen, ist er ganz und gar ungleichartig. | Aber dadurch, daß man so die Beschreibungen des Gebrauchs der Wörter einander anähnelt, kann doch dieser Gebrauch nicht ähnlicher werden! Denn, wie wir sehen, ist er ganz und gar ungleichartig. | ||
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Freilich, was uns verwirrt ist die Gleichförmigkeit ihrer Erscheinung, wenn die Wörter uns gesprochen, oder in der Schrift und im Druck entgegentreten. Denn ihre ''Verwendung'' steht nicht so deutlich vor uns. Besonders nicht, wenn wir philosophieren! | Freilich, was uns verwirrt ist die Gleichförmigkeit ihrer Erscheinung, wenn die Wörter uns gesprochen, oder in der Schrift und im Druck entgegentreten. Denn ihre ''Verwendung'' steht nicht so deutlich vor uns. Besonders nicht, wenn wir philosophieren! | ||
{{ParPU|12}} Wie wenn wir in den Führerstand einer Lokomotive schauen: da sind Handgriffe, die alle mehr oder weniger gleich aussehen. (Das ist begreiflich, denn sie sollen alle mit der Hand angefaßt werden.) Aber einer ist der Handgriff einer Kurbel, die kontinuierlich verstellt werden kann (sie reguliert die Offnung eines Ventils); ein andrer ist der Handgriff eines Schalters, der nur zweierlei wirksame Stellungen hat, er ist entweder umgelegt, oder aufgestellt; ein dritter ist der Griff eines Bremshebels, je stärker man zieht, desto stärker wird gebremst; ein vierter, der Handgriff einer Pumpe, er wirkt nur, solange er hin und her bewegt wird. | {{ParPU|12}} Wie wenn wir in den Führerstand einer Lokomotive schauen: da sind Handgriffe, die alle mehr oder weniger gleich aussehen. (Das ist begreiflich, denn sie sollen alle mit der Hand angefaßt werden.) Aber einer ist der Handgriff einer Kurbel, die kontinuierlich verstellt werden kann (sie reguliert die Offnung eines Ventils); ein andrer ist der Handgriff eines Schalters, der nur zweierlei wirksame Stellungen hat, er ist entweder umgelegt, oder aufgestellt; ein dritter ist der Griff eines Bremshebels, je stärker man zieht, desto stärker wird gebremst; ein vierter, der Handgriff einer Pumpe, er wirkt nur, solange er hin und her bewegt wird. | ||
{{ParPU|13}} Wenn wir sagen: »jedes Wort der Sprache bezeichnet etwas« so ist damit vorerst noch ''gar'' nichts gesagt; es sei denn, daß wir genau erklärten, ''welche'' Unterscheidung wir zu machen wünschen. (Es könnte ja sein, daß wir die Wörter der Sprache (8) von Wörtern ›ohne Bedeutung‹ unterscheiden wollten, wie sie in Gedichten Lewis Carroll’s vorkommen, oder von Worten wie »juwiwallera« in einem Lied.) | {{ParPU|13}} Wenn wir sagen: »jedes Wort der Sprache bezeichnet etwas« so ist damit vorerst noch ''gar'' nichts gesagt; es sei denn, daß wir genau erklärten, ''welche'' Unterscheidung wir zu machen wünschen. (Es könnte ja sein, daß wir die Wörter der Sprache (8) von Wörtern ›ohne Bedeutung‹ unterscheiden wollten, wie sie in Gedichten Lewis Carroll’s vorkommen, oder von Worten wie »juwiwallera« in einem Lied.) | ||
{{ParPU|14}} Denke dir, jemand sagte: »''Alle'' Werkzeuge dienen dazu, etwas zu modifizieren. So, der Hammer die Lage des Nagels, die Säge die Form des Bretts, etc.« – Und was modifiziert der Maßstab, der Leimtopf, die Nägel? – »Unser Wissen um die Länge eines Dings, die Temperatur des Leims, und die Festigkeit der Kiste.« –– Wäre mit dieser Assimilation des Ausdrucks etwas gewonnen? – | {{ParPU|14}} Denke dir, jemand sagte: »''Alle'' Werkzeuge dienen dazu, etwas zu modifizieren. So, der Hammer die Lage des Nagels, die Säge die Form des Bretts, etc.« – Und was modifiziert der Maßstab, der Leimtopf, die Nägel? – »Unser Wissen um die Länge eines Dings, die Temperatur des Leims, und die Festigkeit der Kiste.« –– Wäre mit dieser Assimilation des Ausdrucks etwas gewonnen? – | ||
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So, und auf mehr oder weniger ähnliche Weise, bezeichnet ein Name ein Ding, und wird ein Name einem Ding gegeben. – Es wird sich oft nützlich erweisen, wenn wir uns beim Philosophieren sagen: Etwas benennen, das ist etwas Ähnliches, wie einem Ding ein Namentäfelchen anheften. | So, und auf mehr oder weniger ähnliche Weise, bezeichnet ein Name ein Ding, und wird ein Name einem Ding gegeben. – Es wird sich oft nützlich erweisen, wenn wir uns beim Philosophieren sagen: Etwas benennen, das ist etwas Ähnliches, wie einem Ding ein Namentäfelchen anheften. | ||
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((Bemerkung über das reflexive Fürwort »''dieser'' Satz«.)) | ((Bemerkung über das reflexive Fürwort »''dieser'' Satz«.)) | ||
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Denke an die verschiedenen Gesichtspunkte, nach denen man Werkzeuge in Werkzeugarten einteilen kann. Oder Schachfiguren in Figurenarten. | Denke an die verschiedenen Gesichtspunkte, nach denen man Werkzeuge in Werkzeugarten einteilen kann. Oder Schachfiguren in Figurenarten. | ||
{{ParPU|18}} Daß die Sprachen (2) und (8) nur aus Befehlen bestehen, laß dich nicht stören. Willst du sagen, sie seien darum nicht vollständig, so frage dich, ob unsere Sprache vollständig ist; – ob sie es war, ehe ihr der chemische Symbolismus und die Infinitesimalnotation einverleibt wurden; denn dies sind, sozusagen, Vorstädte unserer Sprache. (Und mit wieviel Häusern, oder Straßen, fängt eine Stadt an, Stadt zu sein?) Unsere Sprache kann man ansehen als eine alte Stadt: Ein Gewinkel von Gässchen und Plätzen, alten und neuen Häusern, und Häusern mit Zubauten aus verschiedenen Zeiten; und dies umgeben von einer Menge neuer Vororte mit geraden und regelmäßigen Straßen und mit einförmigen Häusern. | {{ParPU|18}} Daß die Sprachen (2) und (8) nur aus Befehlen bestehen, laß dich nicht stören. Willst du sagen, sie seien darum nicht vollständig, so frage dich, ob unsere Sprache vollständig ist; – ob sie es war, ehe ihr der chemische Symbolismus und die Infinitesimalnotation einverleibt wurden; denn dies sind, sozusagen, Vorstädte unserer Sprache. (Und mit wieviel Häusern, oder Straßen, fängt eine Stadt an, Stadt zu sein?) Unsere Sprache kann man ansehen als eine alte Stadt: Ein Gewinkel von Gässchen und Plätzen, alten und neuen Häusern, und Häusern mit Zubauten aus verschiedenen Zeiten; und dies umgeben von einer Menge neuer Vororte mit geraden und regelmäßigen Straßen und mit einförmigen Häusern. | ||
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Wie ist es aber: Ist der Ruf »Platte!« im Beispiel (2) ein Satz oder ein Wort? – Wenn ein Wort, so hat es doch nicht dieselbe Bedeutung wie das gleichlautende unserer gewöhnlichen Sprache, denn im § 2 ist es ja ein Ruf. Wenn aber ein Satz, so ist es doch nicht der elliptische Satz »Platte!« unserer Sprache. –– Was die erste Frage anbelangt, so kannst du »Platte!« ein Wort, und auch einen Satz nennen; vielleicht treffend einen ›degenerierten Satz‹ (wie man von einer degenerierten Hyperbel spricht), und zwar ist es eben unser ›elliptischer‹ Satz. – Aber der ist doch nur eine verkürzte Form des Satzes »Bring mir eine Platte!« und diesen Satz gibt es doch in Beispiel (2) nicht. – Aber warum sollte ich nicht, umgekehrt, den Satz »Bring mir eine Platte!« eine ''Verlängerung'' des Satzes »Platte!« nennen? – Weil der, der »Platte!« ruft, eigentlich meint: »Bring mir eine Platte!«. – Aber wie machst du das, ''dies meinen'', während du »Platte« ''sagst''? Sprichst du dir inwendig den unverkürzten Satz vor? Und warum soll ich, um zu sagen, was Einer mit dem Ruf »Platte« meint, diesen Ausdruck in einen andern übersetzen? Und wenn sie das Gleiche bedeuten, – warum soll ich nicht sagen: »wenn er ›Platte!‹ sagt, meint er ›Platte!‹«? Oder: warum sollst du nicht »Platte« meinen können, wenn du »Bring mir die Platte« meinen kannst? –– Aber wenn ich »Platte!« rufe, so will ich doch, ''er soll mir eine Platte bringen''! –– Gewiß, aber besteht ›dies wollen‹ darin, daß du in irgend einer Form einen andern Satz denkst als den, den du sagst? – | Wie ist es aber: Ist der Ruf »Platte!« im Beispiel (2) ein Satz oder ein Wort? – Wenn ein Wort, so hat es doch nicht dieselbe Bedeutung wie das gleichlautende unserer gewöhnlichen Sprache, denn im § 2 ist es ja ein Ruf. Wenn aber ein Satz, so ist es doch nicht der elliptische Satz »Platte!« unserer Sprache. –– Was die erste Frage anbelangt, so kannst du »Platte!« ein Wort, und auch einen Satz nennen; vielleicht treffend einen ›degenerierten Satz‹ (wie man von einer degenerierten Hyperbel spricht), und zwar ist es eben unser ›elliptischer‹ Satz. – Aber der ist doch nur eine verkürzte Form des Satzes »Bring mir eine Platte!« und diesen Satz gibt es doch in Beispiel (2) nicht. – Aber warum sollte ich nicht, umgekehrt, den Satz »Bring mir eine Platte!« eine ''Verlängerung'' des Satzes »Platte!« nennen? – Weil der, der »Platte!« ruft, eigentlich meint: »Bring mir eine Platte!«. – Aber wie machst du das, ''dies meinen'', während du »Platte« ''sagst''? Sprichst du dir inwendig den unverkürzten Satz vor? Und warum soll ich, um zu sagen, was Einer mit dem Ruf »Platte« meint, diesen Ausdruck in einen andern übersetzen? Und wenn sie das Gleiche bedeuten, – warum soll ich nicht sagen: »wenn er ›Platte!‹ sagt, meint er ›Platte!‹«? Oder: warum sollst du nicht »Platte« meinen können, wenn du »Bring mir die Platte« meinen kannst? –– Aber wenn ich »Platte!« rufe, so will ich doch, ''er soll mir eine Platte bringen''! –– Gewiß, aber besteht ›dies wollen‹ darin, daß du in irgend einer Form einen andern Satz denkst als den, den du sagst? – | ||
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›Elliptisch‹ ist der Satz nicht, weil er etwas ausläßt, was wir meinen, wenn wir ihn aussprechen, sondern weil er gekürzt ist – im Vergleich mit einem bestimmten Vorbild unserer Grammatik.–Man könnte hier freilich den Einwand machen: »Du gibst zu, daß der verkürzte und der unverkürzte Satz den gleichen Sinn haben. – Welchen Sinn haben sie also? Gibt es denn für diesen Sinn nicht einen Wortausdruck?« –– Aber besteht der gleiche Sinn der Sätze nicht in ihrer gleichen ''Verwendung''? – (Im Russischen heißt es »Stein rot« statt »der Stein ist rot«; geht ihnen die Kopula im Sinn ab, oder ''denken'' sie sich die Kopula dazu?) | ›Elliptisch‹ ist der Satz nicht, weil er etwas ausläßt, was wir meinen, wenn wir ihn aussprechen, sondern weil er gekürzt ist – im Vergleich mit einem bestimmten Vorbild unserer Grammatik.–Man könnte hier freilich den Einwand machen: »Du gibst zu, daß der verkürzte und der unverkürzte Satz den gleichen Sinn haben. – Welchen Sinn haben sie also? Gibt es denn für diesen Sinn nicht einen Wortausdruck?« –– Aber besteht der gleiche Sinn der Sätze nicht in ihrer gleichen ''Verwendung''? – (Im Russischen heißt es »Stein rot« statt »der Stein ist rot«; geht ihnen die Kopula im Sinn ab, oder ''denken'' sie sich die Kopula dazu?) | ||
{{ParPU|21}} Denke dir ein Sprachspiel, in welchem B dem A auf dessen Frage die Anzahl der Platten, oder Würfel in einem Stoß meldet, oder die Farben und Formen der Bausteine, die dort und dort liegen. – So eine Meldung könnte also lauten: »Fünf Platten«. Was ist nun der Unterschied zwischen der Meldung, oder Behauptung, »Fünf Platten« und dem Befehl »Fünf Platten!«? – Nun, die Rolle, die das Aussprechen dieser Worte im Sprachspiel spielt. Aber es wird wohl auch der Ton, in dem sie ausgesprochen werden, ein anderer sein, und die Miene, und noch manches andere. Aber wir können uns auch denken, daß der Ton der gleiche ist, – denn ein Befehl und eine Meldung können in ''mancherlei'' Ton ausgesprochen werden und mit mancherlei Miene – und daß der Unterschied allein in der Verwendung liegt. (Freilich könnten wir auch die Worte »Behauptung« und »Befehl« zur Bezeichnung einer grammatischen Satzform und eines Tonfalls gebrauchen; wie wir ja »Ist das Wetter heute nicht herrlich?« eine Frage nennen, obwohl sie als Behauptung verwendet wird.) Wir könnten uns eine Sprache denken, in der ''alle'' Behauptungen die Form und den Ton rhetorischer Fragen hätten; oder jeder Befehl die Form der Frage: »Möchtest du das tun?« Man wird dann vielleicht sagen: »Was er sagt, hat die Form der Frage, ist aber wirklich ein Befehl« – d.h., hat die Funktion des Befehls in der Praxis der Sprache. (Ähnlich sagt man »Du wirst das tun«, nicht als Prophezeiung, sondern als Befehl. Was macht es zu dem einen, was zu dem andern?) | {{ParPU|21}} Denke dir ein Sprachspiel, in welchem B dem A auf dessen Frage die Anzahl der Platten, oder Würfel in einem Stoß meldet, oder die Farben und Formen der Bausteine, die dort und dort liegen. – So eine Meldung könnte also lauten: »Fünf Platten«. Was ist nun der Unterschied zwischen der Meldung, oder Behauptung, »Fünf Platten« und dem Befehl »Fünf Platten!«? – Nun, die Rolle, die das Aussprechen dieser Worte im Sprachspiel spielt. Aber es wird wohl auch der Ton, in dem sie ausgesprochen werden, ein anderer sein, und die Miene, und noch manches andere. Aber wir können uns auch denken, daß der Ton der gleiche ist, – denn ein Befehl und eine Meldung können in ''mancherlei'' Ton ausgesprochen werden und mit mancherlei Miene – und daß der Unterschied allein in der Verwendung liegt. (Freilich könnten wir auch die Worte »Behauptung« und »Befehl« zur Bezeichnung einer grammatischen Satzform und eines Tonfalls gebrauchen; wie wir ja »Ist das Wetter heute nicht herrlich?« eine Frage nennen, obwohl sie als Behauptung verwendet wird.) Wir könnten uns eine Sprache denken, in der ''alle'' Behauptungen die Form und den Ton rhetorischer Fragen hätten; oder jeder Befehl die Form der Frage: »Möchtest du das tun?« Man wird dann vielleicht sagen: »Was er sagt, hat die Form der Frage, ist aber wirklich ein Befehl« – d.h., hat die Funktion des Befehls in der Praxis der Sprache. (Ähnlich sagt man »Du wirst das tun«, nicht als Prophezeiung, sondern als Befehl. Was macht es zu dem einen, was zu dem andern?) | ||
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– Es ist interessant, die Mannigfaltigkeit der Werkzeuge der Sprache und ihrer Verwendungsweisen, die Mannigfaltigkeit der Wort- und Satzarten, mit dem zu vergleichen, was Logiker über den Bau der Sprache gesagt haben. (Und auch der Verfasser der Logisch-Philosophischen Abhandlung.) | – Es ist interessant, die Mannigfaltigkeit der Werkzeuge der Sprache und ihrer Verwendungsweisen, die Mannigfaltigkeit der Wort- und Satzarten, mit dem zu vergleichen, was Logiker über den Bau der Sprache gesagt haben. (Und auch der Verfasser der Logisch-Philosophischen Abhandlung.) | ||
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Die Bedeutsamkeit solcher Umformungsmöglichkeiten, z.B. aller Behauptungssätze in Sätze, die mit der Klausel »Ich denke«, oder »Ich glaube« anfangen (also sozusagen in Beschreibungen ''meines'' Innenlebens) wird sich an anderer Stelle deutlicher zeigen. (Solipsismus.) | Die Bedeutsamkeit solcher Umformungsmöglichkeiten, z.B. aller Behauptungssätze in Sätze, die mit der Klausel »Ich denke«, oder »Ich glaube« anfangen (also sozusagen in Beschreibungen ''meines'' Innenlebens) wird sich an anderer Stelle deutlicher zeigen. (Solipsismus.) | ||
{{ParPU|25}} Man sagt manchmal: die Tiere sprechen nicht, weil ihnen die geistigen Fähigkeiten fehlen. Und das heißt: »sie denken nicht, darum sprechen sie nicht«. Aber: sie sprechen eben nicht. Oder besser: sie verwenden die Sprache nicht – wenn wir von den primitivsten Sprachformen absehen. – Befehlen, fragen, erzählen, plauschen gehören zu unserer Naturgeschichte so wie gehen, essen, trinken, spielen. | {{ParPU|25}} Man sagt manchmal: die Tiere sprechen nicht, weil ihnen die geistigen Fähigkeiten fehlen. Und das heißt: »sie denken nicht, darum sprechen sie nicht«. Aber: sie sprechen eben nicht. Oder besser: sie verwenden die Sprache nicht – wenn wir von den primitivsten Sprachformen absehen. – Befehlen, fragen, erzählen, plauschen gehören zu unserer Naturgeschichte so wie gehen, essen, trinken, spielen. | ||
{{ParPU|26}} Man meint, das Lernen der Sprache bestehe darin, daß man Gegenstände benennt. Und zwar: Menschen, Formen, Farben, Schmerzen, Stimmungen, Zahlen etc. Wie gesagt – das Benennen ist etwas Ähnliches, wie, einem Ding ein Namentäfelchen anheften. Man kann das eine Vorbereitung zum Gebrauch eines Wortes nennen. Aber ''worauf'' ist es eine Vorbereitung? | {{ParPU|26}} Man meint, das Lernen der Sprache bestehe darin, daß man Gegenstände benennt. Und zwar: Menschen, Formen, Farben, Schmerzen, Stimmungen, Zahlen etc. Wie gesagt – das Benennen ist etwas Ähnliches, wie, einem Ding ein Namentäfelchen anheften. Man kann das eine Vorbereitung zum Gebrauch eines Wortes nennen. Aber ''worauf'' ist es eine Vorbereitung? | ||
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In den Sprachen (2) und (8) gab es ein Fragen nach der Benennung nicht. Dies und sein Korrelat, die hinweisende Erklärung, ist, wie wir sagen könnten, ein eigenes Sprachspiel. Das heißt eigentlich: wir werden erzogen, abgerichtet dazu, zu fragen: »Wie heißt das?« – worauf dann das Benennen erfolgt. Und es gibt auch ein Sprachspiel: Für etwas einen Namen erfinden. Also, zu sagen: »Das heißt....«, und nun den neuen Namen zu verwenden. (So benennen Kinder z.B. ihre Puppen und reden dann von ihnen, und zu ihnen. Dabei bedenke gleich, wie eigenartig der Gebrauch des Personennamens ist, mit welchem wir den Benannten ''rufen''!) | In den Sprachen (2) und (8) gab es ein Fragen nach der Benennung nicht. Dies und sein Korrelat, die hinweisende Erklärung, ist, wie wir sagen könnten, ein eigenes Sprachspiel. Das heißt eigentlich: wir werden erzogen, abgerichtet dazu, zu fragen: »Wie heißt das?« – worauf dann das Benennen erfolgt. Und es gibt auch ein Sprachspiel: Für etwas einen Namen erfinden. Also, zu sagen: »Das heißt....«, und nun den neuen Namen zu verwenden. (So benennen Kinder z.B. ihre Puppen und reden dann von ihnen, und zu ihnen. Dabei bedenke gleich, wie eigenartig der Gebrauch des Personennamens ist, mit welchem wir den Benannten ''rufen''!) | ||
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Und wie er die Erklärung ›auffaßt‹, zeigt sich darin, wie er von dem erklärten Wort Gebrauch macht. | Und wie er die Erklärung ›auffaßt‹, zeigt sich darin, wie er von dem erklärten Wort Gebrauch macht. | ||
Line 294: | Line 267: | ||
Man muß schon etwas wissen (oder können), um nach der Benennung fragen zu können. Aber was muß man wissen? | Man muß schon etwas wissen (oder können), um nach der Benennung fragen zu können. Aber was muß man wissen? | ||
Line 306: | Line 278: | ||
Wir können uns ja auch denken, daß der Gefragte antwortet: »Bestimm die Benennung selber« – und nun müßte, der gefragt hat, für alles selber aufkommen. | Wir können uns ja auch denken, daß der Gefragte antwortet: »Bestimm die Benennung selber« – und nun müßte, der gefragt hat, für alles selber aufkommen. | ||
Line 335: | Line 306: | ||
Man richtet seine Aufmerksamkeit auf die Form, manchmal, indem man sie nachzeichnet, manchmal, indem man blinzelt, um die Farbe nicht deutlich zu sehen, etc. etc. Ich will sagen: dies und Ähnliches geschieht, ''während'' man ›die Aufmerksamkeit auf das und das richtetet‹. Aber das ist es nicht allein, was uns sagen läßt, Einer richte seine Aufmerksamkeit auf die Form, die Farbe, etc. Wie ein Schachzug nicht allein darin besteht, daß ein Stein so und so auf dem Brett verschoben wird, – aber auch nicht in den Gedanken und Gefühlen des Ziehenden, die den Zug begleiten; sondern in den Umständen, die wir nennen: »eine Schachpartie spielen«, »ein Schachproblem lösen«, und dergl. | Man richtet seine Aufmerksamkeit auf die Form, manchmal, indem man sie nachzeichnet, manchmal, indem man blinzelt, um die Farbe nicht deutlich zu sehen, etc. etc. Ich will sagen: dies und Ähnliches geschieht, ''während'' man ›die Aufmerksamkeit auf das und das richtetet‹. Aber das ist es nicht allein, was uns sagen läßt, Einer richte seine Aufmerksamkeit auf die Form, die Farbe, etc. Wie ein Schachzug nicht allein darin besteht, daß ein Stein so und so auf dem Brett verschoben wird, – aber auch nicht in den Gedanken und Gefühlen des Ziehenden, die den Zug begleiten; sondern in den Umständen, die wir nennen: »eine Schachpartie spielen«, »ein Schachproblem lösen«, und dergl. | ||
{{ParPU|34}} Aber nimm an, Einer sagte: »Ich tue immer das Gleiche, wenn ich meine Aufmerksamkeit auf die Form richte: ich folge der Kontur mit den Augen und fühle dabei...«. Und nimm an, dieser gibt einem Andern die hinweisende Erklärung »Das heißt ›Kreis‹«, indem er, mit all diesen Erlebnissen, auf einen kreisförmigen Gegenstand zeigt –– kann der Andre die Erklärung nicht dennoch anders deuten, auch wenn er sieht, daß der Erklärende der Form mit den Augen folgt, und auch wenn er fühlt, was der Erklärende fühlt? Das heißt: diese ›Deutung‹ kann auch darin bestehen, wie er nun von dem erklärten Wort Gebrauch macht, z.B., worauf er zeigt, wenn er den Befehl erhält »Zeige auf einen Kreis!«. – Denn weder der Ausdruck »die Erklärung so und so meinen«, noch der, »die Erklärung so und so deuten«, bezeichnen einen Vorgang, der das Geben und Hören der Erklärung begleitet. | {{ParPU|34}} Aber nimm an, Einer sagte: »Ich tue immer das Gleiche, wenn ich meine Aufmerksamkeit auf die Form richte: ich folge der Kontur mit den Augen und fühle dabei...«. Und nimm an, dieser gibt einem Andern die hinweisende Erklärung »Das heißt ›Kreis‹«, indem er, mit all diesen Erlebnissen, auf einen kreisförmigen Gegenstand zeigt –– kann der Andre die Erklärung nicht dennoch anders deuten, auch wenn er sieht, daß der Erklärende der Form mit den Augen folgt, und auch wenn er fühlt, was der Erklärende fühlt? Das heißt: diese ›Deutung‹ kann auch darin bestehen, wie er nun von dem erklärten Wort Gebrauch macht, z.B., worauf er zeigt, wenn er den Befehl erhält »Zeige auf einen Kreis!«. – Denn weder der Ausdruck »die Erklärung so und so meinen«, noch der, »die Erklärung so und so deuten«, bezeichnen einen Vorgang, der das Geben und Hören der Erklärung begleitet. | ||
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Wo unsere Sprache uns einen Körper vermuten läßt, und kein Körper ist, dort, möchten wir sagen, sei ein ''Geist''. | Wo unsere Sprache uns einen Körper vermuten läßt, und kein Körper ist, dort, möchten wir sagen, sei ein ''Geist''. | ||
{{ParPU|37}} Was ist die Beziehung zwischen Namen und Benanntem? – Nun, was ''ist'' sie? Schau auf das Sprachspiel (2), oder ein anderes! dort ist zu sehen, worin diese Beziehung etwa besteht. Diese Beziehung kann, unter vielem andern, auch darin bestehen, daß das Hören des Namens uns das Bild des Benannten vor die Seele ruft, und sie besteht unter anderem auch darin, daß der Name auf das Benannte geschrieben ist, oder daß er beim Zeigen auf das Benannte ausgesprochen wird. | {{ParPU|37}} Was ist die Beziehung zwischen Namen und Benanntem? – Nun, was ''ist'' sie? Schau auf das Sprachspiel (2), oder ein anderes! dort ist zu sehen, worin diese Beziehung etwa besteht. Diese Beziehung kann, unter vielem andern, auch darin bestehen, daß das Hören des Namens uns das Bild des Benannten vor die Seele ruft, und sie besteht unter anderem auch darin, daß der Name auf das Benannte geschrieben ist, oder daß er beim Zeigen auf das Benannte ausgesprochen wird. | ||
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Dies hängt mit der Auffassung des Benennens als eines, sozusagen, okkulten Vorgangs zusammen. Das Benennen erscheint als eine ''seltsame'' Verbindung eines Wortes mit einem Gegenstand. – Und so eine seltsame Verbindung hat wirklich statt, wenn nämlich der Philosoph, um herauszubringen, was ''die'' Beziehung zwischen Namen und Benanntem ist, auf einen Gegenstand vor sich starrt und dabei unzählige Male einen Namen wiederholt, oder auch das Wort »dieses«. Denn die philosophischen Probleme entstehen, wenn die Sprache ''feiert''. Und ''da'' können wir uns allerdings einbilden, das Benennen sei irgend ein merkwürdiger seelischer Akt, quasi eine Taufe eines Gegenstandes. Und wir können so auch das Wort »dieses« gleichsam ''zu'' dem Gegenstand sagen, ihn damit ''ansprechen'' – ein seltsamer Gebrauch dieses Wortes, der wohl nur beim Philosophieren vorkommt. | Dies hängt mit der Auffassung des Benennens als eines, sozusagen, okkulten Vorgangs zusammen. Das Benennen erscheint als eine ''seltsame'' Verbindung eines Wortes mit einem Gegenstand. – Und so eine seltsame Verbindung hat wirklich statt, wenn nämlich der Philosoph, um herauszubringen, was ''die'' Beziehung zwischen Namen und Benanntem ist, auf einen Gegenstand vor sich starrt und dabei unzählige Male einen Namen wiederholt, oder auch das Wort »dieses«. Denn die philosophischen Probleme entstehen, wenn die Sprache ''feiert''. Und ''da'' können wir uns allerdings einbilden, das Benennen sei irgend ein merkwürdiger seelischer Akt, quasi eine Taufe eines Gegenstandes. Und wir können so auch das Wort »dieses« gleichsam ''zu'' dem Gegenstand sagen, ihn damit ''ansprechen'' – ein seltsamer Gebrauch dieses Wortes, der wohl nur beim Philosophieren vorkommt. | ||
{{ParPU|39}} Aber warum kommt man auf die Idee, gerade dieses Wort zum Namen machen zu wollen, wo es offenbar ''kein'' Name ist? – Gerade darum. Denn man ist versucht, gegen das, was gewöhnlich »Name« heißt, einen Einwand zu machen; und den kann man so ausdrücken: ''daß der Name eigentlich Einfaches bezeichnen soll''. Und man könnte dies etwa so begründen: Ein Eigenname im gewöhnlichen Sinn ist etwa das Wort »Nothung«. Das Schwert Nothung besteht aus Teilen in einer bestimmten Zusammensetzung. Sind sie anders zusammengesetzt, so existiert Nothung nicht. Nun hat aber offenbar der Satz »Nothung hat eine scharfe Schneide« ''Sinn'', ob Nothung noch ganz ist, oder schon zerschlagen. Ist aber »Nothung« der Name eines Gegenstandes, so gibt es diesen Gegenstand nicht mehr, wenn Nothung zerschlagen ist; und da dem Namen dann kein Gegenstand entspräche, so hätte er keine Bedeutung. Dann aber stünde in dem Satz »Nothung hat eine scharfe Schneide« ein Wort, das keine Bedeutung hat, und daher wäre der Satz Unsinn. Nun hat er aber Sinn; also muß den Wörtern, aus denen er besteht, immer etwas entsprechen. Also muß das Wort »Nothung« bei der Analyse des Sinnes verschwinden und statt seiner müssen Wörter eintreten, die Einfaches benennen. Diese Wörter werden wir billigerweise die eigentlichen Namen nennen. | {{ParPU|39}} Aber warum kommt man auf die Idee, gerade dieses Wort zum Namen machen zu wollen, wo es offenbar ''kein'' Name ist? – Gerade darum. Denn man ist versucht, gegen das, was gewöhnlich »Name« heißt, einen Einwand zu machen; und den kann man so ausdrücken: ''daß der Name eigentlich Einfaches bezeichnen soll''. Und man könnte dies etwa so begründen: Ein Eigenname im gewöhnlichen Sinn ist etwa das Wort »Nothung«. Das Schwert Nothung besteht aus Teilen in einer bestimmten Zusammensetzung. Sind sie anders zusammengesetzt, so existiert Nothung nicht. Nun hat aber offenbar der Satz »Nothung hat eine scharfe Schneide« ''Sinn'', ob Nothung noch ganz ist, oder schon zerschlagen. Ist aber »Nothung« der Name eines Gegenstandes, so gibt es diesen Gegenstand nicht mehr, wenn Nothung zerschlagen ist; und da dem Namen dann kein Gegenstand entspräche, so hätte er keine Bedeutung. Dann aber stünde in dem Satz »Nothung hat eine scharfe Schneide« ein Wort, das keine Bedeutung hat, und daher wäre der Satz Unsinn. Nun hat er aber Sinn; also muß den Wörtern, aus denen er besteht, immer etwas entsprechen. Also muß das Wort »Nothung« bei der Analyse des Sinnes verschwinden und statt seiner müssen Wörter eintreten, die Einfaches benennen. Diese Wörter werden wir billigerweise die eigentlichen Namen nennen. | ||
{{ParPU|40}} Laß uns zuerst über ''den'' Punkt dieses Gedankengangs reden: daß das Wort keine Bedeutung hat, wenn ihm nichts entspricht. – Es ist wichtig, festzustellen, daß das Wort »Bedeutung« sprachwidrig gebraucht wird, wenn man damit das Ding bezeichnet, das dem Wort ›entspricht‹. Dies heißt, die Bedeutung eines Namens verwechseln mit dem ''Träger'' des Namens. Wenn Herr N. N. stirbt, so sagt man, es sterbe der Träger des Namens, nicht, es sterbe die Bedeutung des Namens. Und es wäre unsinnig, so zu reden, denn hörte der Name auf, Bedeutung zu haben, so hätte es keinen Sinn, zu sagen »Herr N. N. ist gestorben«. | {{ParPU|40}} Laß uns zuerst über ''den'' Punkt dieses Gedankengangs reden: daß das Wort keine Bedeutung hat, wenn ihm nichts entspricht. – Es ist wichtig, festzustellen, daß das Wort »Bedeutung« sprachwidrig gebraucht wird, wenn man damit das Ding bezeichnet, das dem Wort ›entspricht‹. Dies heißt, die Bedeutung eines Namens verwechseln mit dem ''Träger'' des Namens. Wenn Herr N. N. stirbt, so sagt man, es sterbe der Träger des Namens, nicht, es sterbe die Bedeutung des Namens. Und es wäre unsinnig, so zu reden, denn hörte der Name auf, Bedeutung zu haben, so hätte es keinen Sinn, zu sagen »Herr N. N. ist gestorben«. | ||
{{ParPU|41}} Im § 15 haben wir in die Sprache (8) Eigennamen eingeführt. Nimm nun an, das Werkzeug mit dem Namen »N« sei zerbrochen. A weiß es nicht und gibt dem B das Zeichen »N«. Hat dieses Zeichen nun Bedeutung, oder hat es keine? – Was soll B tun, wenn er dieses Zeichen erhält? – Wir haben darüber nichts vereinbart. Man könnte fragen: was ''wird'' er tun? Nun, er wird vielleicht ratlos dastehen, oder A die Stücke zeigen. Man ''könnte'' hier sagen: »N« sei bedeutungslos geworden; und dieser Ausdruck würde besagen, daß für das Zeichen »N« in unserm Sprachspiel nun keine Verwendung mehr ist (es sei denn, wir gäben ihm eine neue). »N« könnte auch dadurch bedeutungslos werden, daß man, aus welchem Grund immer, dem Werkzeug eine andere Bezeichnung gibt und das Zeichen »N« im Sprachspiel nicht weiter verwendet. – Wir können uns aber auch eine Abmachung denken, nach der B, wenn ein Werkzeug zerbrochen ist und A das Zeichen dieses Werkzeugs gibt, als Antwort darauf den Kopf zu schütteln hat. – Damit, könnte man sagen, ist der Befehl »N«, auch wenn dieses Werkzeug nicht mehr existiert, in das Sprachspiel aufgenommen worden, und das Zeichen »N« habe Bedeutung, auch wenn sein Träger zu existieren aufhört. | {{ParPU|41}} Im § 15 haben wir in die Sprache (8) Eigennamen eingeführt. Nimm nun an, das Werkzeug mit dem Namen »N« sei zerbrochen. A weiß es nicht und gibt dem B das Zeichen »N«. Hat dieses Zeichen nun Bedeutung, oder hat es keine? – Was soll B tun, wenn er dieses Zeichen erhält? – Wir haben darüber nichts vereinbart. Man könnte fragen: was ''wird'' er tun? Nun, er wird vielleicht ratlos dastehen, oder A die Stücke zeigen. Man ''könnte'' hier sagen: »N« sei bedeutungslos geworden; und dieser Ausdruck würde besagen, daß für das Zeichen »N« in unserm Sprachspiel nun keine Verwendung mehr ist (es sei denn, wir gäben ihm eine neue). »N« könnte auch dadurch bedeutungslos werden, daß man, aus welchem Grund immer, dem Werkzeug eine andere Bezeichnung gibt und das Zeichen »N« im Sprachspiel nicht weiter verwendet. – Wir können uns aber auch eine Abmachung denken, nach der B, wenn ein Werkzeug zerbrochen ist und A das Zeichen dieses Werkzeugs gibt, als Antwort darauf den Kopf zu schütteln hat. – Damit, könnte man sagen, ist der Befehl »N«, auch wenn dieses Werkzeug nicht mehr existiert, in das Sprachspiel aufgenommen worden, und das Zeichen »N« habe Bedeutung, auch wenn sein Träger zu existieren aufhört. | ||
{{ParPU|42}} Aber haben etwa auch Namen in jenem Spiel Bedeutung, die ''nie'' für ein Werkzeug verwendet worden sind? –– Nehmen wir also an, »X« sei so ein Zeichen, und A gäbe dieses Zeichen dem B – nun, es könnten auch solche Zeichen in das Sprachspiel aufgenommen werden, und B hätte etwa auch sie mit einem Kopfschütteln zu beantworten. (Man könnte sich dies als eine Art Belustigung der Beiden denken.) | {{ParPU|42}} Aber haben etwa auch Namen in jenem Spiel Bedeutung, die ''nie'' für ein Werkzeug verwendet worden sind? –– Nehmen wir also an, »X« sei so ein Zeichen, und A gäbe dieses Zeichen dem B – nun, es könnten auch solche Zeichen in das Sprachspiel aufgenommen werden, und B hätte etwa auch sie mit einem Kopfschütteln zu beantworten. (Man könnte sich dies als eine Art Belustigung der Beiden denken.) | ||
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Und die ''Bedeutung'' eines Namens erklärt man manchmal dadurch, daß man auf seinen ''Träger'' zeigt. | Und die ''Bedeutung'' eines Namens erklärt man manchmal dadurch, daß man auf seinen ''Träger'' zeigt. | ||
{{ParPU|44}} Wir sagten: der Satz »Nothung hat eine scharfe Schneide« habe Sinn, auch wenn Nothung schon zerschlagen ist. Nun, das ist so, weil in diesem Sprachspiel ein Name auch in der Abwesenheit seines Trägers gebraucht wird. Aber wir können uns ein Sprachspiel mit Namen denken (d. h. mit Zeichen, die wir gewiß auch »Namen« nennen werden), in welchem diese nur in der Anwesenheit des Trägers gebraucht werden; also ''immer'' ersetzt werden können durch das hinweisende Fürwort mit der hinweisenden Gebärde. | {{ParPU|44}} Wir sagten: der Satz »Nothung hat eine scharfe Schneide« habe Sinn, auch wenn Nothung schon zerschlagen ist. Nun, das ist so, weil in diesem Sprachspiel ein Name auch in der Abwesenheit seines Trägers gebraucht wird. Aber wir können uns ein Sprachspiel mit Namen denken (d. h. mit Zeichen, die wir gewiß auch »Namen« nennen werden), in welchem diese nur in der Anwesenheit des Trägers gebraucht werden; also ''immer'' ersetzt werden können durch das hinweisende Fürwort mit der hinweisenden Gebärde. | ||
{{ParPU|45}} Das hinweisende »dieses« kann nie trägerlos werden. Man könnte sagen: »Solange es ein ''Dieses'' gibt, solange hat das Wort ›dieses‹ auch Bedeutung, ob ''dieses'' nun einfach oder zusammengesetzt ist.« –– Aber das macht das Wort eben nicht zu einem Namen. Im Gegenteil; denn ein Name wird nicht mit der hinweisenden Geste verwendet, sondern nur durch sie erklärt. | {{ParPU|45}} Das hinweisende »dieses« kann nie trägerlos werden. Man könnte sagen: »Solange es ein ''Dieses'' gibt, solange hat das Wort ›dieses‹ auch Bedeutung, ob ''dieses'' nun einfach oder zusammengesetzt ist.« –– Aber das macht das Wort eben nicht zu einem Namen. Im Gegenteil; denn ein Name wird nicht mit der hinweisenden Geste verwendet, sondern nur durch sie erklärt. | ||
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Diese Urelemente waren auch Russell’s ›individuals‹, und auch meine ›Gegenstände‹ (Log. Phil. Abh.). | Diese Urelemente waren auch Russell’s ›individuals‹, und auch meine ›Gegenstände‹ (Log. Phil. Abh.). | ||
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Wir können das so ausdrücken: Dieses Muster ist ein Instrument der Sprache, mit der wir Farbaussagen machen. Es ist in diesem Spiel nicht Dargestelltes, sondern Mittel der Darstellung. – Und eben das gilt von einem Element im Sprachspiel (48), wenn wir, es benennend, das Wort »R« aussprechen: wir haben damit diesem Ding eine Rolle in unserm Sprachspiel gegeben; es ist nun ''Mittel'' der Darstellung. Und zu sagen »''Wäre'' es nicht, so könnte es keinen Namen haben« sagt nun so viel, und so wenig, wie: gäbe es dieses Ding nicht, so könnten wir es in unserem Spiel nicht verwenden. – Was es, scheinbar, geben ''muß'', gehört zur Sprache. Es ist in unserem Spiel ein Paradigma; etwas, womit verglichen wird. Und dies feststellen, kann heißen, eine wichtige Feststellung machen; aber es ist dennoch eine Feststellung unser Sprachspiel – unsere Darstellungsweise – betreffend. | Wir können das so ausdrücken: Dieses Muster ist ein Instrument der Sprache, mit der wir Farbaussagen machen. Es ist in diesem Spiel nicht Dargestelltes, sondern Mittel der Darstellung. – Und eben das gilt von einem Element im Sprachspiel (48), wenn wir, es benennend, das Wort »R« aussprechen: wir haben damit diesem Ding eine Rolle in unserm Sprachspiel gegeben; es ist nun ''Mittel'' der Darstellung. Und zu sagen »''Wäre'' es nicht, so könnte es keinen Namen haben« sagt nun so viel, und so wenig, wie: gäbe es dieses Ding nicht, so könnten wir es in unserem Spiel nicht verwenden. – Was es, scheinbar, geben ''muß'', gehört zur Sprache. Es ist in unserem Spiel ein Paradigma; etwas, womit verglichen wird. Und dies feststellen, kann heißen, eine wichtige Feststellung machen; aber es ist dennoch eine Feststellung unser Sprachspiel – unsere Darstellungsweise – betreffend. | ||
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Um klarer zu sehen, müssen wir hier, wie in unzähligen ähnlichen Fällen, die Einzelheiten der Vorgänge ins Auge fassen; was vorgeht ''aus der Nähe betrachten''. | Um klarer zu sehen, müssen wir hier, wie in unzähligen ähnlichen Fällen, die Einzelheiten der Vorgänge ins Auge fassen; was vorgeht ''aus der Nähe betrachten''. | ||
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Was es aber ist, das sich in der Philosophie einer solchen Betrachtung der Einzelheiten entgegensetzt, müssen wir erst verstehen lernen. | Was es aber ist, das sich in der Philosophie einer solchen Betrachtung der Einzelheiten entgegensetzt, müssen wir erst verstehen lernen. | ||
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Nennen wir eine solche Tabelle den Ausdruck einer Regel des Sprachspiels, so kann man sagen, daß dem, was wir Regel eines Sprachspiels nennen, sehr verschiedene Rollen im Spiel zukommen können. | Nennen wir eine solche Tabelle den Ausdruck einer Regel des Sprachspiels, so kann man sagen, daß dem, was wir Regel eines Sprachspiels nennen, sehr verschiedene Rollen im Spiel zukommen können. | ||
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Die Regel kann ein Behelf des Unterrichts im Spiel sein. Sie wird dem Lernenden mitgeteilt und ihre Anwendung eingeübt. – Oder sie ist ein Werkzeug des Spieles selbst. – Oder: Eine Regel findet weder im Unterricht noch im Spiel selbst Verwendung; noch ist sie in einem Regelverzeichnis niedergelegt. Man lernt das Spiel, indem man zusieht, wie Andere es spielen. Aber wir sagen, es werde nach den und den Regeln gespielt, weil ein Beobachter diese Regeln aus der Praxis des Spiels ablesen kann, – wie ein Naturgesetz, dem die Spielhandlungen folgen. –– Wie aber unterscheidet der Beobachter in diesem Fall zwischen einem Fehler der Spielenden und einer richtigen Spielhandlung? – Es gibt dafür Merkmale im Benehmen der Spieler. Denke an das charakteristische Benehmen dessen, der ein Versprechen korrigiert. Es wäre möglich, zu erkennen, daß Einer dies tut, auch wenn wir seine Sprache nicht verstehen. | Die Regel kann ein Behelf des Unterrichts im Spiel sein. Sie wird dem Lernenden mitgeteilt und ihre Anwendung eingeübt. – Oder sie ist ein Werkzeug des Spieles selbst. – Oder: Eine Regel findet weder im Unterricht noch im Spiel selbst Verwendung; noch ist sie in einem Regelverzeichnis niedergelegt. Man lernt das Spiel, indem man zusieht, wie Andere es spielen. Aber wir sagen, es werde nach den und den Regeln gespielt, weil ein Beobachter diese Regeln aus der Praxis des Spiels ablesen kann, – wie ein Naturgesetz, dem die Spielhandlungen folgen. –– Wie aber unterscheidet der Beobachter in diesem Fall zwischen einem Fehler der Spielenden und einer richtigen Spielhandlung? – Es gibt dafür Merkmale im Benehmen der Spieler. Denke an das charakteristische Benehmen dessen, der ein Versprechen korrigiert. Es wäre möglich, zu erkennen, daß Einer dies tut, auch wenn wir seine Sprache nicht verstehen. | ||
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Man könnte nun freilich gleich einwenden, daß ja die Beschreibung selbst sich von der Zerstörung ausnehmen müsse. – Aber das, was den Wörtern der Beschreibung entspricht und also nicht zerstört sein darf, wenn sie wahr ist, ist, was den Wörtern ihre Bedeutung gibt, – ohne welches sie keine Bedeutung hätten. –– Aber dieser Mensch ist ja doch in einem Sinne das, was seinem Namen entspricht. Er aber ist zerstörbar; und sein Name verliert seine Bedeutung nicht, wenn der Träger zerstört wird. – Das, was dem Namen entspricht, und ohne den er keine Bedeutung hätte, ist, z.B., ein Paradigma, das im Sprachspiel in Verbindung mit dem Namen gebraucht wird. | Man könnte nun freilich gleich einwenden, daß ja die Beschreibung selbst sich von der Zerstörung ausnehmen müsse. – Aber das, was den Wörtern der Beschreibung entspricht und also nicht zerstört sein darf, wenn sie wahr ist, ist, was den Wörtern ihre Bedeutung gibt, – ohne welches sie keine Bedeutung hätten. –– Aber dieser Mensch ist ja doch in einem Sinne das, was seinem Namen entspricht. Er aber ist zerstörbar; und sein Name verliert seine Bedeutung nicht, wenn der Träger zerstört wird. – Das, was dem Namen entspricht, und ohne den er keine Bedeutung hätte, ist, z.B., ein Paradigma, das im Sprachspiel in Verbindung mit dem Namen gebraucht wird. | ||
{{ParPU|56}} Aber wie, wenn kein solches Muster zur Sprache gehört, wenn wir uns, z. B., die Farbe, die ein Wort bezeichnet, ''merken''? –– »Und wenn wir sie uns merken, so tritt sie also vor unser geistiges Auge, wenn wir etwa das Wort aussprechen. Sie muß also an sich unzerstörbar sein, wenn die Möglichkeit bestehen soll, daß wir uns jederzeit an sie erinnern.« –– Aber was sehen wir denn als das Kriterium dafür an, daß wir uns richtig an sie erinnern? – Wenn wir mit einem Muster statt mit unserm Gedächtnis arbeiten, so sagen wir unter Umständen, das Muster habe seine Farbe verändert und beurteilen dies mit dem Gedächtnis. Aber können wir nicht unter Umständen auch von einem Nachdunkeln (z.B.) unseres Erinnerungsbildes reden? Sind wir dem Gedächtnis nicht ebenso ausgeliefert wie einem Muster? (Denn es könnte Einer sagen wollen: »Wenn wir kein Gedächtnis hätten, wären wir einem Muster ausgeliefert.«) – Oder etwa einer chemischen Reaktion. Denke, du solltest eine bestimmte Farbe »F« malen, und es ist die Farbe, welche man sieht, wenn sich die chemischen Substanzen X und Y miteinander verbinden. – Nimm an, die Farbe käme dir an einem Tag heller vor als an einem andern; würdest du da nicht unter Umständen sagen: »Ich muß mich irren, die Farbe ist gewiß die gleiche wie gestern«? Das zeigt, daß wir uns dessen, was das Gedächtnis sagt, nicht immer als des obersten, inappellabeln, Schiedsspruchs bedienen. | {{ParPU|56}} Aber wie, wenn kein solches Muster zur Sprache gehört, wenn wir uns, z. B., die Farbe, die ein Wort bezeichnet, ''merken''? –– »Und wenn wir sie uns merken, so tritt sie also vor unser geistiges Auge, wenn wir etwa das Wort aussprechen. Sie muß also an sich unzerstörbar sein, wenn die Möglichkeit bestehen soll, daß wir uns jederzeit an sie erinnern.« –– Aber was sehen wir denn als das Kriterium dafür an, daß wir uns richtig an sie erinnern? – Wenn wir mit einem Muster statt mit unserm Gedächtnis arbeiten, so sagen wir unter Umständen, das Muster habe seine Farbe verändert und beurteilen dies mit dem Gedächtnis. Aber können wir nicht unter Umständen auch von einem Nachdunkeln (z.B.) unseres Erinnerungsbildes reden? Sind wir dem Gedächtnis nicht ebenso ausgeliefert wie einem Muster? (Denn es könnte Einer sagen wollen: »Wenn wir kein Gedächtnis hätten, wären wir einem Muster ausgeliefert.«) – Oder etwa einer chemischen Reaktion. Denke, du solltest eine bestimmte Farbe »F« malen, und es ist die Farbe, welche man sieht, wenn sich die chemischen Substanzen X und Y miteinander verbinden. – Nimm an, die Farbe käme dir an einem Tag heller vor als an einem andern; würdest du da nicht unter Umständen sagen: »Ich muß mich irren, die Farbe ist gewiß die gleiche wie gestern«? Das zeigt, daß wir uns dessen, was das Gedächtnis sagt, nicht immer als des obersten, inappellabeln, Schiedsspruchs bedienen. | ||
{{ParPU|57}} »Etwas Rotes kann zerstört werden, aber Rot kann nicht zerstört werden, und darum ist die Bedeutung des Wortes ›rot‹ von der Existenz eines roten Dinges unabhängig.« – Gewiß, es hat keinen Sinn, zu sagen, die Farbe Rot (color, nicht pigmentum) werde zerrissen, oder zerstampft. Aber sagen wir nicht, »Die Röte verschwindet«? Und klammre dich nicht daran, daß wir sie uns vors geistige Auge rufen können, auch wenn es nichts Rotes mehr gibt! Dies ist nicht anders, als wolltest du sagen, daß es dann immer noch eine chemische Reaktion gäbe, die eine rote Flamme erzeugt. – Denn wie, wenn du dich nicht mehr an die Farbe erinnern kannst? – Wenn wir vergessen, welche Farbe es ist, die diesen Namen hat, so verliert er seine Bedeutung für uns; d.h., wir können ein bestimmtes Sprachspiel nicht mehr mit ihm spielen. Und die Situation ist dann der zu vergleichen, daß das Paradigma, welches ein Mittel unserer Sprache war, verlorengegangen ist. | {{ParPU|57}} »Etwas Rotes kann zerstört werden, aber Rot kann nicht zerstört werden, und darum ist die Bedeutung des Wortes ›rot‹ von der Existenz eines roten Dinges unabhängig.« – Gewiß, es hat keinen Sinn, zu sagen, die Farbe Rot (color, nicht pigmentum) werde zerrissen, oder zerstampft. Aber sagen wir nicht, »Die Röte verschwindet«? Und klammre dich nicht daran, daß wir sie uns vors geistige Auge rufen können, auch wenn es nichts Rotes mehr gibt! Dies ist nicht anders, als wolltest du sagen, daß es dann immer noch eine chemische Reaktion gäbe, die eine rote Flamme erzeugt. – Denn wie, wenn du dich nicht mehr an die Farbe erinnern kannst? – Wenn wir vergessen, welche Farbe es ist, die diesen Namen hat, so verliert er seine Bedeutung für uns; d.h., wir können ein bestimmtes Sprachspiel nicht mehr mit ihm spielen. Und die Situation ist dann der zu vergleichen, daß das Paradigma, welches ein Mittel unserer Sprache war, verlorengegangen ist. | ||
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Aber eigentlich ''wollen'' wir eben nur »Rot existiert« auffassen als Aussage: das Wort »Rot« hat Bedeutung. Oder vielleicht richtiger: »Rot existiert nicht« als » ›Rot‹ hat keine Bedeutung«. Nur wollen wir nicht sagen, daß jener Ausdruck das ''sagt'', sondern daß er ''das'' sagen müßte, ''wenn'' er einen Sinn hätte. Daß er sich aber beim Versuch, das zu sagen, selbst widerspricht – da eben Rot ›an und für sich‹ sei. Während ein Widerspruch nur etwa darin liegt, daß der Satz aussieht, als rede er von der Farbe, während er etwas über den Gebrauch des Wortes »rot« sagen soll. – In Wirklichkeit aber sagen wir sehr wohl, eine bestimmte Farbe existiere; und das heißt soviel wie: es existiere etwas, was diese Farbe hat. Und der erste Ausdruck ist nicht weniger exakt als der zweite; besonders dort nicht, wo ›das, was die Farbe hat‹, kein physikalischer Gegenstand ist. | Aber eigentlich ''wollen'' wir eben nur »Rot existiert« auffassen als Aussage: das Wort »Rot« hat Bedeutung. Oder vielleicht richtiger: »Rot existiert nicht« als » ›Rot‹ hat keine Bedeutung«. Nur wollen wir nicht sagen, daß jener Ausdruck das ''sagt'', sondern daß er ''das'' sagen müßte, ''wenn'' er einen Sinn hätte. Daß er sich aber beim Versuch, das zu sagen, selbst widerspricht – da eben Rot ›an und für sich‹ sei. Während ein Widerspruch nur etwa darin liegt, daß der Satz aussieht, als rede er von der Farbe, während er etwas über den Gebrauch des Wortes »rot« sagen soll. – In Wirklichkeit aber sagen wir sehr wohl, eine bestimmte Farbe existiere; und das heißt soviel wie: es existiere etwas, was diese Farbe hat. Und der erste Ausdruck ist nicht weniger exakt als der zweite; besonders dort nicht, wo ›das, was die Farbe hat‹, kein physikalischer Gegenstand ist. | ||
{{ParPU|59}} »''Namen'' bezeichnen nur das, was ''Element'' der Wirklichkeit ist. Was sich nicht zerstören läßt; was in allem Wandel gleichbleibt.« – Aber was ist das? – Während wir den Satz sagten, schwebte es uns ja schon vor! Wir sprachen schon eine ganz bestimmte Vorstellung aus. Ein bestimmtes Bild, das wir verwenden wollen. Denn die Erfahrung zeigt uns diese Elemente ja nicht. Wir sehen ''Bestandteile'' von etwas Zusammengesetztem (eines Sessels z.B.). Wir sagen, die Lehne ist ein Teil des Sessels, aber selbst wieder zusammengesetzt aus verschiedenen Hölzern; während ein Fuß ein einfacher Bestandteil ist. Wir sehen auch ein Ganzes, was sich ändert (zerstört wird), während seine Bestandteile unverändert bleiben. Dies sind die Materialien, aus denen wir jenes Bild der Wirklichkeit anfertigen. | {{ParPU|59}} »''Namen'' bezeichnen nur das, was ''Element'' der Wirklichkeit ist. Was sich nicht zerstören läßt; was in allem Wandel gleichbleibt.« – Aber was ist das? – Während wir den Satz sagten, schwebte es uns ja schon vor! Wir sprachen schon eine ganz bestimmte Vorstellung aus. Ein bestimmtes Bild, das wir verwenden wollen. Denn die Erfahrung zeigt uns diese Elemente ja nicht. Wir sehen ''Bestandteile'' von etwas Zusammengesetztem (eines Sessels z.B.). Wir sagen, die Lehne ist ein Teil des Sessels, aber selbst wieder zusammengesetzt aus verschiedenen Hölzern; während ein Fuß ein einfacher Bestandteil ist. Wir sehen auch ein Ganzes, was sich ändert (zerstört wird), während seine Bestandteile unverändert bleiben. Dies sind die Materialien, aus denen wir jenes Bild der Wirklichkeit anfertigen. | ||
{{ParPU|60}} Wenn ich nun sage: »Mein Besen steht in der Ecke«, – ist dies eigentlich eine Aussage über den Besenstiel und die Bürste des Besens? Jedenfalls könnte man doch die Aussage ersetzen durch eine, die die Lage des Stiels und die Lage der Bürste angibt. Und diese Aussage ist doch nun wie eine weiter analysierte Form der ersten. – Warum aber nenne ich sie »weiter analysiert«? – Nun, wenn der Besen sich dort befindet, so heißt das doch, es müssen Stiel und Bürste dort sein und in bestimmter Lage zueinander; und dies war früher gleichsam im Sinn des Satzes verborgen, und im analysierten Satz ist es ''ausgesprochen''. Also meint der, der sagt, der Besen stehe in der Ecke, eigentlich: der Stiel sei dort und die Bürste, und der Stiel stecke in der Bürste? – Wenn wir jemand fragten, ob er das meint, würde er wohl sagen, daß er gar nicht an den Besenstiel besonders, oder an die Bürste besonders, gedacht habe. Und das wäre die ''richtige'' Antwort, denn er wollte weder vom Besenstiel, noch von der Bürste besonders reden. Denke, du sagtest jemandem statt »Bring mir den Besen!« – »Bring mir den Besenstiel und die Bürste, die an ihm steckt!« – Ist die Antwort darauf nicht: »Willst du den Besen haben? Und warum drückst du das so sonderbar aus?« –– Wird er den weiter analysierten Satz also besser verstehen? – Dieser Satz, könnte man sagen, leistet dasselbe, wie der gewöhnliche, aber auf einem umständlicheren Wege. – Denk dir ein Sprachspiel, in dem jemandem Befehle gegeben werden, gewisse, aus mehreren Teilen zusammengesetzte, Dinge zu bringen, zu bewegen, oder dergleichen. Und zwei Arten es zu spielen: in der einen (a) haben die zusammengesetzten Dinge (Besen, Stühle, Tische, etc.) Namen, wie in (15); in anderen (b) erhalten nur die Teile Namen und das Ganze wird mit ihrer Hilfe beschrieben. – In wiefern ist denn ein Befehl des zweiten Spiels eine analysierte Form eines Befehls des ersten? Steckt denn jener in diesem und wird nun durch Analyse herausgeholt? – Ja, der Besen wird zerlegt, wenn man Stiel und Bürste trennt; aber besteht darum auch der Befehl, den Besen zu bringen, aus entsprechenden Teilen? | {{ParPU|60}} Wenn ich nun sage: »Mein Besen steht in der Ecke«, – ist dies eigentlich eine Aussage über den Besenstiel und die Bürste des Besens? Jedenfalls könnte man doch die Aussage ersetzen durch eine, die die Lage des Stiels und die Lage der Bürste angibt. Und diese Aussage ist doch nun wie eine weiter analysierte Form der ersten. – Warum aber nenne ich sie »weiter analysiert«? – Nun, wenn der Besen sich dort befindet, so heißt das doch, es müssen Stiel und Bürste dort sein und in bestimmter Lage zueinander; und dies war früher gleichsam im Sinn des Satzes verborgen, und im analysierten Satz ist es ''ausgesprochen''. Also meint der, der sagt, der Besen stehe in der Ecke, eigentlich: der Stiel sei dort und die Bürste, und der Stiel stecke in der Bürste? – Wenn wir jemand fragten, ob er das meint, würde er wohl sagen, daß er gar nicht an den Besenstiel besonders, oder an die Bürste besonders, gedacht habe. Und das wäre die ''richtige'' Antwort, denn er wollte weder vom Besenstiel, noch von der Bürste besonders reden. Denke, du sagtest jemandem statt »Bring mir den Besen!« – »Bring mir den Besenstiel und die Bürste, die an ihm steckt!« – Ist die Antwort darauf nicht: »Willst du den Besen haben? Und warum drückst du das so sonderbar aus?« –– Wird er den weiter analysierten Satz also besser verstehen? – Dieser Satz, könnte man sagen, leistet dasselbe, wie der gewöhnliche, aber auf einem umständlicheren Wege. – Denk dir ein Sprachspiel, in dem jemandem Befehle gegeben werden, gewisse, aus mehreren Teilen zusammengesetzte, Dinge zu bringen, zu bewegen, oder dergleichen. Und zwei Arten es zu spielen: in der einen (a) haben die zusammengesetzten Dinge (Besen, Stühle, Tische, etc.) Namen, wie in (15); in anderen (b) erhalten nur die Teile Namen und das Ganze wird mit ihrer Hilfe beschrieben. – In wiefern ist denn ein Befehl des zweiten Spiels eine analysierte Form eines Befehls des ersten? Steckt denn jener in diesem und wird nun durch Analyse herausgeholt? – Ja, der Besen wird zerlegt, wenn man Stiel und Bürste trennt; aber besteht darum auch der Befehl, den Besen zu bringen, aus entsprechenden Teilen? | ||
{{ParPU|61}} »Aber du wirst doch nicht leugnen, daß ein bestimmter Befehl in (a) das Gleiche sagt, wie einer in (b); und wie willst du denn den zweiten nennen, wenn nicht eine analysierte Form des ersten?« – Freilich, ich würde auch sagen, ein Befehl in (a) habe den gleichen Sinn, wie einer in (b); oder, wie ich es früher ausgedrückt habe: sie leisten dasselbe. Und das heißt: Wenn mir etwa ein Befehl in (a) gezeigt und die Frage gestellt würde »Welchem Befehl in (b) ist dieser gleichsinnig?«, oder auch »Welchen Befehlen in (b) widerspricht er?«, so werde ich die Frage so und so beantworten. Aber damit ist nicht gesagt, daß wir uns über die Verwendung des Ausdrucks »den gleichen Sinn haben«, oder »dasselbe leisten« ''im Allgemeinen'' verständigt haben. Man kann nämlich fragen: In welchem Fall sagen wir »Das sind nur zwei verschiedene Formen desselben Spiels«? | {{ParPU|61}} »Aber du wirst doch nicht leugnen, daß ein bestimmter Befehl in (a) das Gleiche sagt, wie einer in (b); und wie willst du denn den zweiten nennen, wenn nicht eine analysierte Form des ersten?« – Freilich, ich würde auch sagen, ein Befehl in (a) habe den gleichen Sinn, wie einer in (b); oder, wie ich es früher ausgedrückt habe: sie leisten dasselbe. Und das heißt: Wenn mir etwa ein Befehl in (a) gezeigt und die Frage gestellt würde »Welchem Befehl in (b) ist dieser gleichsinnig?«, oder auch »Welchen Befehlen in (b) widerspricht er?«, so werde ich die Frage so und so beantworten. Aber damit ist nicht gesagt, daß wir uns über die Verwendung des Ausdrucks »den gleichen Sinn haben«, oder »dasselbe leisten« ''im Allgemeinen'' verständigt haben. Man kann nämlich fragen: In welchem Fall sagen wir »Das sind nur zwei verschiedene Formen desselben Spiels«? | ||
{{ParPU|62}} Denke etwa, der, dem die Befehle in (a) und (b) gegeben werden, habe in einer Tabelle, welche Namen und Bilder einander zuordnet, nachzusehen, ehe er das Verlangte bringt. Tut er nun ''dasselbe'', wenn er einen Befehl in (a) und den entsprechenden in (b) ausführt? – Ja und nein. Du kannst sagen: »Der ''Witz'' der beiden Befehle ist der gleiche«. Ich würde hier dasselbe sagen. – Aber es ist nicht überall klar, was man den ›Witz‹ des Befehls nennen soll. (Ebenso kann man von gewissen Dingen sagen: ihr Zweck ist der und der. Das Wesentliche ist, daß das eine ''Lampe'' ist, zur Beleuchtung dient –– daß sie das Zimmer schmückt, einen leeren Raum füllt, etc., ist nicht wesentlich. Aber nicht immer sind wesentlich und unwesentlich klar getrennt.) | {{ParPU|62}} Denke etwa, der, dem die Befehle in (a) und (b) gegeben werden, habe in einer Tabelle, welche Namen und Bilder einander zuordnet, nachzusehen, ehe er das Verlangte bringt. Tut er nun ''dasselbe'', wenn er einen Befehl in (a) und den entsprechenden in (b) ausführt? – Ja und nein. Du kannst sagen: »Der ''Witz'' der beiden Befehle ist der gleiche«. Ich würde hier dasselbe sagen. – Aber es ist nicht überall klar, was man den ›Witz‹ des Befehls nennen soll. (Ebenso kann man von gewissen Dingen sagen: ihr Zweck ist der und der. Das Wesentliche ist, daß das eine ''Lampe'' ist, zur Beleuchtung dient –– daß sie das Zimmer schmückt, einen leeren Raum füllt, etc., ist nicht wesentlich. Aber nicht immer sind wesentlich und unwesentlich klar getrennt.) | ||
{{ParPU|63}} Der Ausdruck aber, ein Satz in (b) sei eine ›analysierte‹ Form eines in (a), verführt uns leicht dazu, zu meinen, jene Form sei die fundamentalere; sie zeige erst, was mit der andern gemeint sei, etc. Wir denken etwa: Wer nur die unanalysierte Form besitzt, dem geht die Analyse ab; wer aber die analysierte Form kennt, der besitze damit alles. – Aber kann ich nicht sagen, daß ''diesem'' ein Aspekt der Sache verlorengeht, so wie jenem ? | {{ParPU|63}} Der Ausdruck aber, ein Satz in (b) sei eine ›analysierte‹ Form eines in (a), verführt uns leicht dazu, zu meinen, jene Form sei die fundamentalere; sie zeige erst, was mit der andern gemeint sei, etc. Wir denken etwa: Wer nur die unanalysierte Form besitzt, dem geht die Analyse ab; wer aber die analysierte Form kennt, der besitze damit alles. – Aber kann ich nicht sagen, daß ''diesem'' ein Aspekt der Sache verlorengeht, so wie jenem ? | ||
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In wiefern sind die Zeichen dieses Sprachspiels einer Analyse bedürftig? Ja, in wieweit ''kann'' das Spiel durch (48) ersetzt werden? – Es ist eben ein ''anderes'' Sprachspiel; wenn auch mit (48) verwandt. | In wiefern sind die Zeichen dieses Sprachspiels einer Analyse bedürftig? Ja, in wieweit ''kann'' das Spiel durch (48) ersetzt werden? – Es ist eben ein ''anderes'' Sprachspiel; wenn auch mit (48) verwandt. | ||
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Und das ist wahr. – Statt etwas anzugeben, was allem, was wir Sprache nennen, gemeinsam ist, sage ich, es ist diesen Erscheinungen gar nicht Eines gemeinsam, weswegen wir für alle das gleiche Wort verwenden, – sondern sie sind miteinander in vielen verschiedenen Weisen ''verwandt''. Und dieser Verwandtschaft, oder dieser Verwandtschaften wegen nennen wir sie alle »Sprachen«. Ich will versuchen, dies zu erklären. | Und das ist wahr. – Statt etwas anzugeben, was allem, was wir Sprache nennen, gemeinsam ist, sage ich, es ist diesen Erscheinungen gar nicht Eines gemeinsam, weswegen wir für alle das gleiche Wort verwenden, – sondern sie sind miteinander in vielen verschiedenen Weisen ''verwandt''. Und dieser Verwandtschaft, oder dieser Verwandtschaften wegen nennen wir sie alle »Sprachen«. Ich will versuchen, dies zu erklären. | ||
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Und das Ergebnis dieser Betrachtung lautet nun: Wir sehen ein kompliziertes Netz von Ähnlichkeiten, die einander übergreifen und kreuzen. Ähnlichkeiten im Großen und Kleinen. | Und das Ergebnis dieser Betrachtung lautet nun: Wir sehen ein kompliziertes Netz von Ähnlichkeiten, die einander übergreifen und kreuzen. Ähnlichkeiten im Großen und Kleinen. | ||
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Wenn aber Einer sagen wollte: »Also ist allen diesen Gebilden etwas gemeinsam, – nämlich die Disjunktion aller dieser Gemeinsamkeiten« – so würde ich antworten: hier spielst du nur mit einem Wort. Ebenso könnte man sagen: es läuft ein Etwas durch den ganzen Faden, – nämlich das lückenlose Übergreifen dieser Fasern. | Wenn aber Einer sagen wollte: »Also ist allen diesen Gebilden etwas gemeinsam, – nämlich die Disjunktion aller dieser Gemeinsamkeiten« – so würde ich antworten: hier spielst du nur mit einem Wort. Ebenso könnte man sagen: es läuft ein Etwas durch den ganzen Faden, – nämlich das lückenlose Übergreifen dieser Fasern. | ||
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»Aber dann ist ja die Anwendung des Wortes nicht geregelt; das ›Spiel‹, welches wir mit ihm spielen, ist nicht geregelt.« –– Es ist nicht überall von Regeln begrenzt; aber es gibt ja auch keine Regel dafür z.B., wie hoch man im Tennis den Ball werfen darf, oder wie stark, aber Tennis ist doch ein Spiel und es hat auch Regeln. | »Aber dann ist ja die Anwendung des Wortes nicht geregelt; das ›Spiel‹, welches wir mit ihm spielen, ist nicht geregelt.« –– Es ist nicht überall von Regeln begrenzt; aber es gibt ja auch keine Regel dafür z.B., wie hoch man im Tennis den Ball werfen darf, oder wie stark, aber Tennis ist doch ein Spiel und es hat auch Regeln. | ||
{{ParPU|69}} Wie würden wir denn jemandem erklären, was ein Spiel ist? Ich glaube, wir werden ihm ''Spiele'' beschreiben, und wir könnten der Beschreibung hinzufügen: »das, ''und Ähnliches'', nennt man ›Spiele‹«. Und wissen wir selbst denn mehr? Können wir etwa nur dem Andern nicht genau sagen, was ein Spiel ist? – Aber das ist nicht Unwissenheit. Wir kennen die Grenzen nicht, weil keine gezogen sind. Wie gesagt, wir können – für einen besondern Zweck – eine Grenze ziehen. Machen wir dadurch den Begriff erst brauchbar? Durchaus nicht! Es sei denn, für diesen besondern Zweck. So wenig, wie der das Längenmaß ›1 Schritt‹ brauchbar machte, der die Definition gab: 1 Schritt = 75 cm. Und wenn du sagen willst »Aber vorher war es doch kein exaktes Längenmaß«, so antworte ich: gut, dann war es ein unexaktes. – Obgleich du mir noch die Definition der Exaktheit schuldig bist. | {{ParPU|69}} Wie würden wir denn jemandem erklären, was ein Spiel ist? Ich glaube, wir werden ihm ''Spiele'' beschreiben, und wir könnten der Beschreibung hinzufügen: »das, ''und Ähnliches'', nennt man ›Spiele‹«. Und wissen wir selbst denn mehr? Können wir etwa nur dem Andern nicht genau sagen, was ein Spiel ist? – Aber das ist nicht Unwissenheit. Wir kennen die Grenzen nicht, weil keine gezogen sind. Wie gesagt, wir können – für einen besondern Zweck – eine Grenze ziehen. Machen wir dadurch den Begriff erst brauchbar? Durchaus nicht! Es sei denn, für diesen besondern Zweck. So wenig, wie der das Längenmaß ›1 Schritt‹ brauchbar machte, der die Definition gab: 1 Schritt = 75 cm. Und wenn du sagen willst »Aber vorher war es doch kein exaktes Längenmaß«, so antworte ich: gut, dann war es ein unexaktes. – Obgleich du mir noch die Definition der Exaktheit schuldig bist. | ||
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Frege vergleicht den Begriff mit einem Bezirk und sagt: einen unklar begrenzten Bezirk könne man überhaupt keinen Bezirk nennen. Das heißt wohl, wir können mit ihm nichts anfangen. – Aber ist es sinnlos zu sagen: »Halte dich ungefähr hier auf«? Denk dir, ich stünde mit einem Andern auf einem Platz und sagte dies. Dabei werde ich nicht einmal irgend eine Grenze ziehen, sondern etwa mit der Hand eine zeigende Bewegung machen – als zeigte ich ihm einen bestimmten ''Punkt''. Und gerade so erklärt man etwa, was ein Spiel ist. Man gibt Beispiele und will, daß sie in einem gewissen Sinn verstanden werden. – Aber mit diesem Ausdruck meine ich nicht: er solle nun in diesen Beispielen das Gemeinsame sehen, welches ich – aus irgend einem Grunde – nicht aussprechen konnte. Sondern: er solle diese Beispiele nun in bestimmter Weise ''verwenden''. Das Exemplifizieren ist hier nicht ein ''indirektes'' Mittel der Erklärung, – in Ermanglung eines Bessern. Denn, mißverstanden kann auch jede allgemeine Erklärung werden. ''So'' spielen wir eben das Spiel. (Ich meine das Sprachspiel mit dem Wort »Spiel«.) | Frege vergleicht den Begriff mit einem Bezirk und sagt: einen unklar begrenzten Bezirk könne man überhaupt keinen Bezirk nennen. Das heißt wohl, wir können mit ihm nichts anfangen. – Aber ist es sinnlos zu sagen: »Halte dich ungefähr hier auf«? Denk dir, ich stünde mit einem Andern auf einem Platz und sagte dies. Dabei werde ich nicht einmal irgend eine Grenze ziehen, sondern etwa mit der Hand eine zeigende Bewegung machen – als zeigte ich ihm einen bestimmten ''Punkt''. Und gerade so erklärt man etwa, was ein Spiel ist. Man gibt Beispiele und will, daß sie in einem gewissen Sinn verstanden werden. – Aber mit diesem Ausdruck meine ich nicht: er solle nun in diesen Beispielen das Gemeinsame sehen, welches ich – aus irgend einem Grunde – nicht aussprechen konnte. Sondern: er solle diese Beispiele nun in bestimmter Weise ''verwenden''. Das Exemplifizieren ist hier nicht ein ''indirektes'' Mittel der Erklärung, – in Ermanglung eines Bessern. Denn, mißverstanden kann auch jede allgemeine Erklärung werden. ''So'' spielen wir eben das Spiel. (Ich meine das Sprachspiel mit dem Wort »Spiel«.) | ||
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Und vergleiche damit: Ich zeige ihm Muster verschiedener Schattierungen von Blau und sage: »Die Farbe, die allen gemeinsam ist, nenne ich ›Blau‹«. | Und vergleiche damit: Ich zeige ihm Muster verschiedener Schattierungen von Blau und sage: »Die Farbe, die allen gemeinsam ist, nenne ich ›Blau‹«. | ||
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Frage dich: Welche ''Gestalt'' muß das Muster der Farbe Grün haben? Soll es viereckig sein? oder würde es dann das Muster für grüne Vierecke sein? – Soll es also ›unregelmäßig‹ geformt sein? Und was verhindert uns, es dann nur als Muster der unregelmäßigen Form anzusehen – d.h. zu verwenden? | Frage dich: Welche ''Gestalt'' muß das Muster der Farbe Grün haben? Soll es viereckig sein? oder würde es dann das Muster für grüne Vierecke sein? – Soll es also ›unregelmäßig‹ geformt sein? Und was verhindert uns, es dann nur als Muster der unregelmäßigen Form anzusehen – d.h. zu verwenden? | ||
{{ParPU|74}} Hierher gehört auch der Gedanke, daß der, welcher dieses Blatt als Muster ›der Blattform im allgemeinem‹ ansieht, es anders ''sieht'' als der, welcher es etwa als Muster für diese bestimmte Form betrachtet. Nun, das könnte ja so sein – obwohl es nicht so ist – , denn es würde nur besagen, daß erfahrungsgemäß der, welcher das Blatt in bestimmter Weise ''sieht'', es dann so und so, oder den und den Regeln gemäß, verwendet. Es gibt natürlich ein ''so'' und ''anders'' Sehen; und es gibt auch Fälle, in denen der, der ein Muster ''so'' sieht, es im allgemeinen in ''dieser'' Weise verwenden wird, und wer es anders sieht, in anderer Weise. Wer, z.B., die schematische Zeichnung eines Würfels als ebene Figur sieht, bestehend aus einem Quadrat und zwei Rhomben, der wird den Befehl »Bringe mir so etwas!« vielleicht anders ausführen als der, welcher das Bild räumlich sieht. | {{ParPU|74}} Hierher gehört auch der Gedanke, daß der, welcher dieses Blatt als Muster ›der Blattform im allgemeinem‹ ansieht, es anders ''sieht'' als der, welcher es etwa als Muster für diese bestimmte Form betrachtet. Nun, das könnte ja so sein – obwohl es nicht so ist – , denn es würde nur besagen, daß erfahrungsgemäß der, welcher das Blatt in bestimmter Weise ''sieht'', es dann so und so, oder den und den Regeln gemäß, verwendet. Es gibt natürlich ein ''so'' und ''anders'' Sehen; und es gibt auch Fälle, in denen der, der ein Muster ''so'' sieht, es im allgemeinen in ''dieser'' Weise verwenden wird, und wer es anders sieht, in anderer Weise. Wer, z.B., die schematische Zeichnung eines Würfels als ebene Figur sieht, bestehend aus einem Quadrat und zwei Rhomben, der wird den Befehl »Bringe mir so etwas!« vielleicht anders ausführen als der, welcher das Bild räumlich sieht. | ||
{{ParPU|75}} Was heißt es: wissen, was ein Spiel ist? Was heißt es, es wissen und es nicht sagen können? Ist dieses Wissen irgendein Äquivalent einer nicht ausgesprochenen Definition? So daß, wenn sie ausgesprochen würde, ich sie als den Ausdruck meines Wissens anerkennen könnte? Ist nicht mein Wissen, mein Begriff vom Spiel, ganz in den Erklärungen ausgedrückt, die ich geben könnte? Nämlich darin, daß ich Beispiele von Spielen verschiedener Art beschreibe; zeige, wie man nach Analogie dieser auf alle möglichen Arten andere Spiele konstruieren kann; sage, daß ich das und das wohl kaum mehr ein Spiel nennen würde; und dergleichen mehr. | {{ParPU|75}} Was heißt es: wissen, was ein Spiel ist? Was heißt es, es wissen und es nicht sagen können? Ist dieses Wissen irgendein Äquivalent einer nicht ausgesprochenen Definition? So daß, wenn sie ausgesprochen würde, ich sie als den Ausdruck meines Wissens anerkennen könnte? Ist nicht mein Wissen, mein Begriff vom Spiel, ganz in den Erklärungen ausgedrückt, die ich geben könnte? Nämlich darin, daß ich Beispiele von Spielen verschiedener Art beschreibe; zeige, wie man nach Analogie dieser auf alle möglichen Arten andere Spiele konstruieren kann; sage, daß ich das und das wohl kaum mehr ein Spiel nennen würde; und dergleichen mehr. | ||
{{ParPU|76}} Wenn Einer eine scharfe Grenze zöge, so könnte ich sie nicht als die anerkennen, die ich auch schon immer ziehen wollte, oder im Geist gezogen habe. Denn ich wollte gar keine ziehen. Man kann dann sagen: sein Begriff ist nicht der gleiche wie der meine, aber ihm verwandt. Und die Verwandtschaft ist die zweier Bilder, deren eines aus unscharf begrenzten Farbflecken, das andere aus ähnlich geformten und verteilten, aber scharf begrenzten, besteht. Die Verwandtschaft ist dann ebenso unleugbar wie die Verschiedenheit. | {{ParPU|76}} Wenn Einer eine scharfe Grenze zöge, so könnte ich sie nicht als die anerkennen, die ich auch schon immer ziehen wollte, oder im Geist gezogen habe. Denn ich wollte gar keine ziehen. Man kann dann sagen: sein Begriff ist nicht der gleiche wie der meine, aber ihm verwandt. Und die Verwandtschaft ist die zweier Bilder, deren eines aus unscharf begrenzten Farbflecken, das andere aus ähnlich geformten und verteilten, aber scharf begrenzten, besteht. Die Verwandtschaft ist dann ebenso unleugbar wie die Verschiedenheit. | ||
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Frage dich in dieser Schwierigkeit immer: Wie haben wir denn die Bedeutung dieses Wortes (»gut« z.B.) ''gelernt''? An was für Beispielen; in welchen Sprachspielen? (Du wirst dann leichter sehen, daß das Wort eine Familie von Bedeutungen haben muß.) | Frage dich in dieser Schwierigkeit immer: Wie haben wir denn die Bedeutung dieses Wortes (»gut« z.B.) ''gelernt''? An was für Beispielen; in welchen Sprachspielen? (Du wirst dann leichter sehen, daß das Wort eine Familie von Bedeutungen haben muß.) | ||
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Wer sich wundert, daß man etwas wissen könne, und nicht sagen, denkt vielleicht an einen Fall wie den ersten. Gewiß nicht an einen wie den dritten. | Wer sich wundert, daß man etwas wissen könne, und nicht sagen, denkt vielleicht an einen Fall wie den ersten. Gewiß nicht an einen wie den dritten. | ||
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(Das Schwanken wissenschaftlicher Definitionen: Was heute als erfahrungsmäßige Begleiterscheinung des Phänomens A gilt, wird morgen zur Definition von »A« benützt.) | (Das Schwanken wissenschaftlicher Definitionen: Was heute als erfahrungsmäßige Begleiterscheinung des Phänomens A gilt, wird morgen zur Definition von »A« benützt.) | ||
{{ParPU|80}} Ich sage: »Dort steht ein Sessel«. Wie, wenn ich hingehe und ihn holen will, und er entschwindet plötzlich meinem Blick? –– »Also war es kein Sessel, sondern irgend eine Täuschung.« –– Aber in ein paar Sekunden sehen wir ihn wieder und können ihn angreifen, etc. –– »Also war der Sessel doch da und sein Verschwinden war irgend eine Täuschung.« –– Aber nimm an, nach einer Zeit verschwindet er wieder, – oder scheint zu verschwinden. Was sollen wir nun sagen? Hast du für solche Fälle Regeln bereit, – die sagen, ob man so etwas noch »Sessel« nennen darf? Aber gehen sie uns beim Gebrauch des Wortes »Sessel« ab; und sollen wir sagen, daß wir mit diesem Wort eigentlich keine Bedeutung verbinden, da wir nicht für alle Möglichkeiten seiner Anwendung mit Regeln ausgerüstet sind? | {{ParPU|80}} Ich sage: »Dort steht ein Sessel«. Wie, wenn ich hingehe und ihn holen will, und er entschwindet plötzlich meinem Blick? –– »Also war es kein Sessel, sondern irgend eine Täuschung.« –– Aber in ein paar Sekunden sehen wir ihn wieder und können ihn angreifen, etc. –– »Also war der Sessel doch da und sein Verschwinden war irgend eine Täuschung.« –– Aber nimm an, nach einer Zeit verschwindet er wieder, – oder scheint zu verschwinden. Was sollen wir nun sagen? Hast du für solche Fälle Regeln bereit, – die sagen, ob man so etwas noch »Sessel« nennen darf? Aber gehen sie uns beim Gebrauch des Wortes »Sessel« ab; und sollen wir sagen, daß wir mit diesem Wort eigentlich keine Bedeutung verbinden, da wir nicht für alle Möglichkeiten seiner Anwendung mit Regeln ausgerüstet sind? | ||
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All das kann aber erst dann im rechten Licht erscheinen, wenn man über die Begriffe des Verstehens, Meinens und Denkens größere Klarheit gewonnen hat. Denn dann wird es auch klar werden, was uns dazu verleiten kann (und mich verleitet hat) zu denken, daß, wer einen Satz ausspricht und ihn ''meint'', oder ''versteht'', damit einen Kalkül betreibt nach bestimmten Regeln. | All das kann aber erst dann im rechten Licht erscheinen, wenn man über die Begriffe des Verstehens, Meinens und Denkens größere Klarheit gewonnen hat. Denn dann wird es auch klar werden, was uns dazu verleiten kann (und mich verleitet hat) zu denken, daß, wer einen Satz ausspricht und ihn ''meint'', oder ''versteht'', damit einen Kalkül betreibt nach bestimmten Regeln. | ||
{{ParPU|82}} Was nenne ich ›die Regel, nach der er vorgehe‹? – Die Hypothese, die seinen Gebrauch der Worte, den wir beobachten, zufriedenstellend beschreibt; oder die Regel, die er beim Gebrauch der Zeichen nachschlägt; oder, die er uns zur Antwort gibt, wenn wir ihn nach seiner Regel fragen? – Wie aber, wenn die Beobachtung keine Regel klar erkennen läßt, und die Frage keine zu Tage fördert? – Denn er gab mir zwar auf meine Frage, was er unter »N« verstehe, eine Erklärung, war aber bereit, diese Erklärung zu widerrufen und abzuändern. – Wie soll ich also die Regel bestimmen, nach der er spielt? Er weiß sie selbst nicht. – Oder richtiger: Was soll der Ausdruck »Regel, nach welcher er vorgeht« hier noch besagen? | {{ParPU|82}} Was nenne ich ›die Regel, nach der er vorgehe‹? – Die Hypothese, die seinen Gebrauch der Worte, den wir beobachten, zufriedenstellend beschreibt; oder die Regel, die er beim Gebrauch der Zeichen nachschlägt; oder, die er uns zur Antwort gibt, wenn wir ihn nach seiner Regel fragen? – Wie aber, wenn die Beobachtung keine Regel klar erkennen läßt, und die Frage keine zu Tage fördert? – Denn er gab mir zwar auf meine Frage, was er unter »N« verstehe, eine Erklärung, war aber bereit, diese Erklärung zu widerrufen und abzuändern. – Wie soll ich also die Regel bestimmen, nach der er spielt? Er weiß sie selbst nicht. – Oder richtiger: Was soll der Ausdruck »Regel, nach welcher er vorgeht« hier noch besagen? | ||
Line 654: | Line 580: | ||
Und gibt es nicht auch den Fall, wo wir spielen und – ›make up the rules as we go along‹? Ja auch den, in welchem wir sie abandern – as we go along. | Und gibt es nicht auch den Fall, wo wir spielen und – ›make up the rules as we go along‹? Ja auch den, in welchem wir sie abandern – as we go along. | ||
Line 660: | Line 585: | ||
Aber das sagt nicht, daß wir zweifeln, weil wir uns einen Zweifel ''denken'' können. Ich kann mir sehr wohl denken, daß jemand jedesmal vor dem Öffnen seiner Haustür zweifelt, ob sich hinter ihr nicht ein Abgrund aufgetan hat, und daß er sich darüber vergewissert, eh’ er durch die Tür tritt (und es kann sich einmal erweisen, daß er recht hatte) – aber deswegen zweifle ich im gleichen Falle doch nicht. | Aber das sagt nicht, daß wir zweifeln, weil wir uns einen Zweifel ''denken'' können. Ich kann mir sehr wohl denken, daß jemand jedesmal vor dem Öffnen seiner Haustür zweifelt, ob sich hinter ihr nicht ein Abgrund aufgetan hat, und daß er sich darüber vergewissert, eh’ er durch die Tür tritt (und es kann sich einmal erweisen, daß er recht hatte) – aber deswegen zweifle ich im gleichen Falle doch nicht. | ||
{{ParPU|85}} Eine Regel steht da, wie ein Wegweiser. – Läßt er keinen Zweifel offen über den Weg, den ich zu gehen habe? Zeigt er, in welche Richtung ich gehen soll, wenn ich an ihm vorbei bin; ob der Straße nach, oder dem Feldweg, oder querfeldein? Aber wo steht, in welchem Sinne ich ihm zu folgen habe; ob in der Richtung der Hand, oder (z.B.) in der entgegengesetzten? – Und wenn statt eines Wegweisers eine geschlossene Kette von Wegweisern stünde, oder Kreidestriche auf dem Boden liefen, – gibt es für sie nur ''eine'' Deutung? – Also kann ich sagen, der Wegweiser läßt doch keinen Zweifel offen. Oder vielmehr: er läßt manchmal einen Zweifel offen, manchmal nicht. Und dies ist nun kein philosophischer Satz mehr, sondern ein Erfahrungssatz. | {{ParPU|85}} Eine Regel steht da, wie ein Wegweiser. – Läßt er keinen Zweifel offen über den Weg, den ich zu gehen habe? Zeigt er, in welche Richtung ich gehen soll, wenn ich an ihm vorbei bin; ob der Straße nach, oder dem Feldweg, oder querfeldein? Aber wo steht, in welchem Sinne ich ihm zu folgen habe; ob in der Richtung der Hand, oder (z.B.) in der entgegengesetzten? – Und wenn statt eines Wegweisers eine geschlossene Kette von Wegweisern stünde, oder Kreidestriche auf dem Boden liefen, – gibt es für sie nur ''eine'' Deutung? – Also kann ich sagen, der Wegweiser läßt doch keinen Zweifel offen. Oder vielmehr: er läßt manchmal einen Zweifel offen, manchmal nicht. Und dies ist nun kein philosophischer Satz mehr, sondern ein Erfahrungssatz. | ||
Line 680: | Line 603: | ||
Können wir uns nun nicht weitere Regeln zur Erklärung ''dieser'' vorstellen? und war anderseits jene erste Tabelle unvollständig ohne das Schema der Pfeile? Und sind es die andern Tabellen ohne ihr Schema? | Können wir uns nun nicht weitere Regeln zur Erklärung ''dieser'' vorstellen? und war anderseits jene erste Tabelle unvollständig ohne das Schema der Pfeile? Und sind es die andern Tabellen ohne ihr Schema? | ||
Line 688: | Line 610: | ||
Der Wegweiser ist in Ordnung, – wenn er, unter normalen Verhältnissen, seinen Zweck erfüllt. | Der Wegweiser ist in Ordnung, – wenn er, unter normalen Verhältnissen, seinen Zweck erfüllt. | ||
Line 700: | Line 621: | ||
''Ein'' Ideal der Genauigkeit ist nicht vorgesehen; wir wissen nicht, was wir uns darunter vorstellen sollen – es sei denn, du selbst setzt fest, was so genannt werden soll. Aber es wird dir schwer werden, so eine Festsetzung zu treffen; eine, die dich befriedigt. | ''Ein'' Ideal der Genauigkeit ist nicht vorgesehen; wir wissen nicht, was wir uns darunter vorstellen sollen – es sei denn, du selbst setzt fest, was so genannt werden soll. Aber es wird dir schwer werden, so eine Festsetzung zu treffen; eine, die dich befriedigt. | ||
Line 708: | Line 628: | ||
Augustinus (Conf. XI/14): »quid est ergo tempus? si nemo ex me quaerat scio; si quaerenti explicare velim, nescio.« – Dies könnte man nicht von einer Frage der Naturwissenschaft sagen (etwa der nach dem spezifischen Gewicht des Wasserstoffs). Das, was man weiß, wenn uns niemand fragt, aber nicht mehr weiß, wenn wir es erklären sollen, ist etwas, worauf man sich ''besinnen'' muß. (Und offenbar etwas, worauf man sich aus irgendeinem Grunde schwer besinnt.) | Augustinus (Conf. XI/14): »quid est ergo tempus? si nemo ex me quaerat scio; si quaerenti explicare velim, nescio.« – Dies könnte man nicht von einer Frage der Naturwissenschaft sagen (etwa der nach dem spezifischen Gewicht des Wasserstoffs). Das, was man weiß, wenn uns niemand fragt, aber nicht mehr weiß, wenn wir es erklären sollen, ist etwas, worauf man sich ''besinnen'' muß. (Und offenbar etwas, worauf man sich aus irgendeinem Grunde schwer besinnt.) | ||
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Unsere Betrachtung ist daher eine grammatische. Und diese Betrachtung bringt Licht in unser Problem, indem sie Mißverständnisse wegräumt. Mißverständnisse, die den Gebrauch von Worten betreffen; hervorgerufen, unter anderem, durch gewisse Analogien zwischen den Ausdrucksformen in verschiedenen Gebieten unserer Sprache. – Manche von ihnen lassen sich beseitigen, indem man eine Ausdrucksform durch eine andere ersetzt; dies kann man ein »Analysieren« unsrer Ausdrucksformen nennen, denn der Vorgang hat manchmal Ähnlichkeit mit einem Zerlegen. | Unsere Betrachtung ist daher eine grammatische. Und diese Betrachtung bringt Licht in unser Problem, indem sie Mißverständnisse wegräumt. Mißverständnisse, die den Gebrauch von Worten betreffen; hervorgerufen, unter anderem, durch gewisse Analogien zwischen den Ausdrucksformen in verschiedenen Gebieten unserer Sprache. – Manche von ihnen lassen sich beseitigen, indem man eine Ausdrucksform durch eine andere ersetzt; dies kann man ein »Analysieren« unsrer Ausdrucksformen nennen, denn der Vorgang hat manchmal Ähnlichkeit mit einem Zerlegen. | ||
Line 720: | Line 638: | ||
Man kann das auch so sagen: Wir beseitigen Mißverständnisse, indem wir unsern Ausdruck exakter machen: aber es kann nun so scheinen, als ob wir einem bestimmten Zustand, der vollkommenen Exaktheit, zustreben; und als wäre das das eigentliche Ziel unserer Untersuchung. | Man kann das auch so sagen: Wir beseitigen Mißverständnisse, indem wir unsern Ausdruck exakter machen: aber es kann nun so scheinen, als ob wir einem bestimmten Zustand, der vollkommenen Exaktheit, zustreben; und als wäre das das eigentliche Ziel unserer Untersuchung. | ||
Line 726: | Line 643: | ||
›''Das Wesen ist uns verborgen''‹. das ist die Form, die unser Problem nun annimmt. Wir fragen: »''Was ist'' die Sprache?«, »''Was ist'' der Satz?«. Und die Antwort auf diese Fragen ist ein für allemal zu geben; und unabhängig von jeder künftigen Erfahrung. | ›''Das Wesen ist uns verborgen''‹. das ist die Form, die unser Problem nun annimmt. Wir fragen: »''Was ist'' die Sprache?«, »''Was ist'' der Satz?«. Und die Antwort auf diese Fragen ist ein für allemal zu geben; und unabhängig von jeder künftigen Erfahrung. | ||
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Warum sagen wir, der Satz sei etwas Merkwürdiges? Einerseits, wegen der ungeheuren Bedeutung, die ihm zukommt. (Und das ist richtig.) Anderseits verführt uns diese Bedeutung und ein Mißverstehen der Sprachlogik dazu, daß wir meinen, der Satz müsse etwas Außerordentliches, ja Einzigartiges, leisten. – Durch ein ''Mißverständnis'' erscheint es uns, als ''tue'' der Satz etwas Seltsames. | Warum sagen wir, der Satz sei etwas Merkwürdiges? Einerseits, wegen der ungeheuren Bedeutung, die ihm zukommt. (Und das ist richtig.) Anderseits verführt uns diese Bedeutung und ein Mißverstehen der Sprachlogik dazu, daß wir meinen, der Satz müsse etwas Außerordentliches, ja Einzigartiges, leisten. – Durch ein ''Mißverständnis'' erscheint es uns, als ''tue'' der Satz etwas Seltsames. | ||
{{ParPU|94}} ›Der Satz, ein merkwürdiges Ding!‹: darin liegt schon die Sublimierung der ganzen Darstellung. Die Tendenz, ein reines Mittelwesen anzunehmen zwischen dem Satz''zeichen'' und den Tatsachen. Oder auch, das Satzzeichen selber reinigen, sublimieren, zu wollen. – Denn, daß es mit gewöhnlichen Dingen zugeht, das zu sehen, verhindern uns auf mannigfache Weise unsere Ausdrucksformen, indem sie uns auf die Jagd nach Chimären schicken. | {{ParPU|94}} ›Der Satz, ein merkwürdiges Ding!‹: darin liegt schon die Sublimierung der ganzen Darstellung. Die Tendenz, ein reines Mittelwesen anzunehmen zwischen dem Satz''zeichen'' und den Tatsachen. Oder auch, das Satzzeichen selber reinigen, sublimieren, zu wollen. – Denn, daß es mit gewöhnlichen Dingen zugeht, das zu sehen, verhindern uns auf mannigfache Weise unsere Ausdrucksformen, indem sie uns auf die Jagd nach Chimären schicken. | ||
{{ParPU|95}} »Denken muß etwas Einzigartiges sein.« Wenn wir sagen, ''meinen'', daß es sich so und so verhält, so halten wir mit dem, was wir meinen, nicht irgendwo vor der Tatsache: sondern meinen, daß ''das und das – so und so – ist''. – Man kann aber dieses Paradox (welches ja die Form einer Selbstverständlichkeit hat) auch so ausdrücken: Man kann ''denken'', was nicht der Fall ist. | {{ParPU|95}} »Denken muß etwas Einzigartiges sein.« Wenn wir sagen, ''meinen'', daß es sich so und so verhält, so halten wir mit dem, was wir meinen, nicht irgendwo vor der Tatsache: sondern meinen, daß ''das und das – so und so – ist''. – Man kann aber dieses Paradox (welches ja die Form einer Selbstverständlichkeit hat) auch so ausdrücken: Man kann ''denken'', was nicht der Fall ist. | ||
{{ParPU|96}} Der besondern Täuschung, die hier gemeint ist, schließen sich, von verschiedenen Seiten, andere an. Das Denken, die Sprache, erscheint uns nun als das einzigartige Korrelat, Bild, der Welt. Die Begriffe: Satz, Sprache, Denken, Welt, stehen in einer Reihe hintereinander, jeder dem andern äquivalent. (Wozu aber sind diese Wörter nun zu brauchen? Es fehlt das Sprachspiel, worin sie anzuwenden sind.) | {{ParPU|96}} Der besondern Täuschung, die hier gemeint ist, schließen sich, von verschiedenen Seiten, andere an. Das Denken, die Sprache, erscheint uns nun als das einzigartige Korrelat, Bild, der Welt. Die Begriffe: Satz, Sprache, Denken, Welt, stehen in einer Reihe hintereinander, jeder dem andern äquivalent. (Wozu aber sind diese Wörter nun zu brauchen? Es fehlt das Sprachspiel, worin sie anzuwenden sind.) | ||
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Wir sind in der Täuschung, das Besondere, Tiefe, das uns Wesentliche unserer Untersuchung liege darin, daß sie das unvergleichliche Wesen der Sprache zu begreifen trachtet. D.i., die Ordnung, die zwischen den Begriffen des Satzes, Wortes, Schließens, der Wahrheit, der Erfahrung, usw. besteht. Diese Ordnung ist eine ''Über''-Ordnung zwischen – sozusagen – ''Über''-Begriffen. Während doch die Worte »Sprache«, »Erfahrung«, »Welt«, wenn sie eine Verwendung haben, eine so niedrige haben müssen, wie die Worte »Tisch«, »Lampe«, »Tür«. | Wir sind in der Täuschung, das Besondere, Tiefe, das uns Wesentliche unserer Untersuchung liege darin, daß sie das unvergleichliche Wesen der Sprache zu begreifen trachtet. D.i., die Ordnung, die zwischen den Begriffen des Satzes, Wortes, Schließens, der Wahrheit, der Erfahrung, usw. besteht. Diese Ordnung ist eine ''Über''-Ordnung zwischen – sozusagen – ''Über''-Begriffen. Während doch die Worte »Sprache«, »Erfahrung«, »Welt«, wenn sie eine Verwendung haben, eine so niedrige haben müssen, wie die Worte »Tisch«, »Lampe«, »Tür«. | ||
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{{ParPU|99}} Der Sinn des Satzes – möchte man sagen – kann freilich dies oder das offen lassen, aber der Satz muß doch ''einen'' bestimmten Sinn haben. Ein unbestimmter Sinn, – das wäre eigentlich ''gar kein'' Sinn. – Das ist wie: Eine unscharfe Begrenzung, das ist eigentlich gar keine Begrenzung. Man denkt da etwa so: Wenn ich sage »ich habe den Mann fest im Zimmer eingeschlossen – nur ''eine'' Tür ist offen geblieben« – so habe ich ihn eben gar nicht eingeschlossen. Er ist nur zum Schein eingeschlossen. Man wäre geneigt, hier zu sagen: »also hast du damit gar nichts getan«. Eine Umgrenzung, die ein Loch hat, ist so gut, wie ''gar keine''. – Aber ist das denn wahr? | {{ParPU|99}} Der Sinn des Satzes – möchte man sagen – kann freilich dies oder das offen lassen, aber der Satz muß doch ''einen'' bestimmten Sinn haben. Ein unbestimmter Sinn, – das wäre eigentlich ''gar kein'' Sinn. – Das ist wie: Eine unscharfe Begrenzung, das ist eigentlich gar keine Begrenzung. Man denkt da etwa so: Wenn ich sage »ich habe den Mann fest im Zimmer eingeschlossen – nur ''eine'' Tür ist offen geblieben« – so habe ich ihn eben gar nicht eingeschlossen. Er ist nur zum Schein eingeschlossen. Man wäre geneigt, hier zu sagen: »also hast du damit gar nichts getan«. Eine Umgrenzung, die ein Loch hat, ist so gut, wie ''gar keine''. – Aber ist das denn wahr? | ||
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{{ParPU|101}} Eine Vagheit in der Logik – wollen wir sagen – kann es nicht geben. Wir leben nun in der Idee: das Ideal ›''müsse''‹ sich in der Realität finden. Während man noch nicht sieht, ''wie'' es sich darin findet, und nicht das Wesen dieses »muß« versteht. Wir glauben: es muß in ihr stecken; denn wir glauben, es schon in ihr zu sehen. | {{ParPU|101}} Eine Vagheit in der Logik – wollen wir sagen – kann es nicht geben. Wir leben nun in der Idee: das Ideal ›''müsse''‹ sich in der Realität finden. Während man noch nicht sieht, ''wie'' es sich darin findet, und nicht das Wesen dieses »muß« versteht. Wir glauben: es muß in ihr stecken; denn wir glauben, es schon in ihr zu sehen. | ||
{{ParPU|102}} Die strengen und klaren Regeln des logischen Satzbaues erscheinen uns als etwas im Hintergrund, – im Medium des Verstehens versteckt. Ich sehe sie schon jetzt (wenn auch durch ein Medium hindurch), da ich ja das Zeichen verstehe, etwas mit ihm meine. | {{ParPU|102}} Die strengen und klaren Regeln des logischen Satzbaues erscheinen uns als etwas im Hintergrund, – im Medium des Verstehens versteckt. Ich sehe sie schon jetzt (wenn auch durch ein Medium hindurch), da ich ja das Zeichen verstehe, etwas mit ihm meine. | ||
{{ParPU|103}} Das Ideal, in unsern Gedanken, sitzt unverrückbar fest. Du kannst nicht aus ihm heraustreten. Du muß immer wieder zurück. Es gibt gar kein Draußen; draußen fehlt die Lebensluft. – Woher dies? Die Idee sitzt gleichsam als Brille auf unsrer Nase, und was wir ansehen, sehen wir durch sie. Wir kommen gar nicht auf den Gedanken, sie abzunehmen. | {{ParPU|103}} Das Ideal, in unsern Gedanken, sitzt unverrückbar fest. Du kannst nicht aus ihm heraustreten. Du muß immer wieder zurück. Es gibt gar kein Draußen; draußen fehlt die Lebensluft. – Woher dies? Die Idee sitzt gleichsam als Brille auf unsrer Nase, und was wir ansehen, sehen wir durch sie. Wir kommen gar nicht auf den Gedanken, sie abzunehmen. | ||
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Der Satz, das Wort, von dem die Logik handelt, soll etwas Reines und Scharfgeschnittenes sein. Und wir zerbrechen uns nun über das Wesen des ''eigentlichen'' Zeichens den Kopf. – Ist es etwa die ''Vorstellung'' vom Zeichen? oder die Vorstellung im gegenwärtigen Augenblick? | Der Satz, das Wort, von dem die Logik handelt, soll etwas Reines und Scharfgeschnittenes sein. Und wir zerbrechen uns nun über das Wesen des ''eigentlichen'' Zeichens den Kopf. – Ist es etwa die ''Vorstellung'' vom Zeichen? oder die Vorstellung im gegenwärtigen Augenblick? | ||
{{ParPU|106}} Hier ist es schwer, gleichsam den Kopf oben zu behalten, – zu sehen, daß wir bei den Dingen des alltäglichen Denkens bleiben müssen, um nicht auf den Abweg zu geraten, wo es scheint, als müßten wir die letzten Feinheiten beschreiben, die wir doch wieder mit unsern Mitteln gar nicht beschreiben könnten. Es ist uns, als sollten wir ein zerstörtes Spinnennetz mit unsern Fingern in Ordnung bringen. | {{ParPU|106}} Hier ist es schwer, gleichsam den Kopf oben zu behalten, – zu sehen, daß wir bei den Dingen des alltäglichen Denkens bleiben müssen, um nicht auf den Abweg zu geraten, wo es scheint, als müßten wir die letzten Feinheiten beschreiben, die wir doch wieder mit unsern Mitteln gar nicht beschreiben könnten. Es ist uns, als sollten wir ein zerstörtes Spinnennetz mit unsern Fingern in Ordnung bringen. | ||
{{ParPU|107}} Je genauer wir die tatsächliche Sprache betrachten, desto stärker wird der Widerstreit zwischen ihr und unsrer Forderung. (Die Kristallreinheit der Logik hatte sich mir ja nicht ''ergeben''; sondern sie war eine Forderung.) Der Widerstreit wird unerträglich; die Forderung droht nun, zu etwas Leerem zu werden. – Wir sind aufs Glatteis geraten, wo die Reibung fehlt, also die Bedingungen in gewissem Sinne ideal sind, aber wir eben deshalb auch nicht gehen können. Wir wollen gehen; dann brauchen wir die ''Reibung''. Zurück auf den rauhen Boden! | {{ParPU|107}} Je genauer wir die tatsächliche Sprache betrachten, desto stärker wird der Widerstreit zwischen ihr und unsrer Forderung. (Die Kristallreinheit der Logik hatte sich mir ja nicht ''ergeben''; sondern sie war eine Forderung.) Der Widerstreit wird unerträglich; die Forderung droht nun, zu etwas Leerem zu werden. – Wir sind aufs Glatteis geraten, wo die Reibung fehlt, also die Bedingungen in gewissem Sinne ideal sind, aber wir eben deshalb auch nicht gehen können. Wir wollen gehen; dann brauchen wir die ''Reibung''. Zurück auf den rauhen Boden! | ||
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{{ParPU|109}} Richtig war, daß unsere Betrachtungen nicht wissenschaftliche Betrachtungen sein durften. Die Erfahrung, ›daß sich das oder das denken lasse, entgegen unserm Vorurteil‹ – was immer das heißen mag – konnte uns nicht interessieren. (Die pneumatische Auffassung des Denkens.) Und wir dürfen keinerlei Theorie aufstellen. Es darf nichts Hypothetisches in unsern Betrachtungen sein. Alle ''Erklärung'' muß fort, und nur Beschreibung an ihre Stelle treten. Und diese Beschreibung empfängt ihr Licht, d.i. ihren Zweck, von den philosophischen Problemen. Diese sind freilich keine empirischen, sondern sie werden durch eine Einsicht in das Arbeiten unserer Sprache gelöst, und zwar so, daß dieses erkannt wird: ''entgegen'' einem Trieb, es mißzuverstehen. Diese Probleme werden gelöst, nicht durch Beibringen neuer Erfahrung, sondern durch Zusammenstellung des längst Bekannten. Die Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung unsres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache. | {{ParPU|109}} Richtig war, daß unsere Betrachtungen nicht wissenschaftliche Betrachtungen sein durften. Die Erfahrung, ›daß sich das oder das denken lasse, entgegen unserm Vorurteil‹ – was immer das heißen mag – konnte uns nicht interessieren. (Die pneumatische Auffassung des Denkens.) Und wir dürfen keinerlei Theorie aufstellen. Es darf nichts Hypothetisches in unsern Betrachtungen sein. Alle ''Erklärung'' muß fort, und nur Beschreibung an ihre Stelle treten. Und diese Beschreibung empfängt ihr Licht, d.i. ihren Zweck, von den philosophischen Problemen. Diese sind freilich keine empirischen, sondern sie werden durch eine Einsicht in das Arbeiten unserer Sprache gelöst, und zwar so, daß dieses erkannt wird: ''entgegen'' einem Trieb, es mißzuverstehen. Diese Probleme werden gelöst, nicht durch Beibringen neuer Erfahrung, sondern durch Zusammenstellung des längst Bekannten. Die Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung unsres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache. | ||
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Und auf diese Täuschungen, auf die Probleme, fällt nun das Pathos zurück. | Und auf diese Täuschungen, auf die Probleme, fällt nun das Pathos zurück. | ||
{{ParPU|111}} Die Probleme, die durch ein Mißdeuten unserer Sprachformen entstehen, haben den Charakter der ''Tief''e. Es sind tiefe Beunruhigungen; sie wurzeln so tief in uns wie die Formen unserer Sprache, und ihre Bedeutung ist so groß wie die Wichtigkeit unserer Sprache. –– Fragen wir uns: Warum empfinden wir einen grammatischen Witz als ''tief''? (Und das ist ja die philosophische Tiefe.) | {{ParPU|111}} Die Probleme, die durch ein Mißdeuten unserer Sprachformen entstehen, haben den Charakter der ''Tief''e. Es sind tiefe Beunruhigungen; sie wurzeln so tief in uns wie die Formen unserer Sprache, und ihre Bedeutung ist so groß wie die Wichtigkeit unserer Sprache. –– Fragen wir uns: Warum empfinden wir einen grammatischen Witz als ''tief''? (Und das ist ja die philosophische Tiefe.) | ||
{{ParPU|112}} Ein Gleichnis, das in die Formen unserer Sprache aufgenommen ist, bewirkt einen falschen Schein; der beunruhigt uns: »Es ist doch nicht ''so''!« – sagen wir. »Aber es muß doch ''so sein''!« | {{ParPU|112}} Ein Gleichnis, das in die Formen unserer Sprache aufgenommen ist, bewirkt einen falschen Schein; der beunruhigt uns: »Es ist doch nicht ''so''!« – sagen wir. »Aber es muß doch ''so sein''!« | ||
{{ParPU|113}} »Es ist doch ''so'' – – –« sage ich wieder und wieder vor mich hin. Es ist mir, als müßte ich das Wesen der Sache erfassen, wenn ich meinen Blick ''nur ganz scharf'' auf dies Faktum einstellen, es in den Brennpunkt rücken könnte. | {{ParPU|113}} »Es ist doch ''so'' – – –« sage ich wieder und wieder vor mich hin. Es ist mir, als müßte ich das Wesen der Sache erfassen, wenn ich meinen Blick ''nur ganz scharf'' auf dies Faktum einstellen, es in den Brennpunkt rücken könnte. | ||
{{ParPU|114}} Log. Phil. Abh. (4.5): »Die allgemeine Form des Satzes ist: Es verhält sich so und so«. – Das ist ein Satz von jener Art, die man sich unzählige Male wiederholt. Man glaubt, wieder und wieder der Natur nachzufahren, und fährt nur der Form entlang, durch die wir sie betrachten. | {{ParPU|114}} Log. Phil. Abh. (4.5): »Die allgemeine Form des Satzes ist: Es verhält sich so und so«. – Das ist ein Satz von jener Art, die man sich unzählige Male wiederholt. Man glaubt, wieder und wieder der Natur nachzufahren, und fährt nur der Form entlang, durch die wir sie betrachten. | ||
{{ParPU|115}} Ein ''Bild'' hielt uns gefangen. Und heraus konnten wir nicht, denn es lag in unsrer Sprache, und sie schien es uns nur unerbittlich zu wiederholen. | {{ParPU|115}} Ein ''Bild'' hielt uns gefangen. Und heraus konnten wir nicht, denn es lag in unsrer Sprache, und sie schien es uns nur unerbittlich zu wiederholen. | ||
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''Wir'' führen die Wörter von ihrer metaphysischen, wieder auf ihre alltägliche Verwendung zurück. | ''Wir'' führen die Wörter von ihrer metaphysischen, wieder auf ihre alltägliche Verwendung zurück. | ||
Line 852: | Line 748: | ||
Wenn z.B. Einer sagt, der Satz »Dies ist hier« (wobei er vor sich hin auf einen Gegenstand zeigt) habe für ihn Sinn, so möge er sich fragen, unter welchen besonderen Umständen man diesen Satz tatsächlich verwendet. In diesen hat er dann Sinn. | Wenn z.B. Einer sagt, der Satz »Dies ist hier« (wobei er vor sich hin auf einen Gegenstand zeigt) habe für ihn Sinn, so möge er sich fragen, unter welchen besonderen Umständen man diesen Satz tatsächlich verwendet. In diesen hat er dann Sinn. | ||
{{ParPU|118}} Woher nimmt die Betrachtung ihre Wichtigkeit, da sie doch nur alles Interessante, d.h. alles Große und Wichtige, zu zerstören scheint? (Gleichsam alle Bauwerke; indem sie nur Steinbrocken und Schutt übrig läßt.) Aber es sind nur Luftgebäude, die wir zerstören, und wir legen den Grund der Sprache frei, auf dem sie standen. | {{ParPU|118}} Woher nimmt die Betrachtung ihre Wichtigkeit, da sie doch nur alles Interessante, d.h. alles Große und Wichtige, zu zerstören scheint? (Gleichsam alle Bauwerke; indem sie nur Steinbrocken und Schutt übrig läßt.) Aber es sind nur Luftgebäude, die wir zerstören, und wir legen den Grund der Sprache frei, auf dem sie standen. | ||
{{ParPU|119}} Die Ergebnisse der Philosophie sind die Entdeckung irgendeines schlichten Unsinns und Beulen, die sich der Verstand beim Anrennen an die Grenze der Sprache geholt hat. Sie, die Beulen, lassen uns den Wert jener Entdeckung erkennen. | {{ParPU|119}} Die Ergebnisse der Philosophie sind die Entdeckung irgendeines schlichten Unsinns und Beulen, die sich der Verstand beim Anrennen an die Grenze der Sprache geholt hat. Sie, die Beulen, lassen uns den Wert jener Entdeckung erkennen. | ||
Line 876: | Line 769: | ||
{{ParPU|121}} Man könnte meinen: wenn die Philosophie vom Gebrauch des Wortes »Philosophie« redet, so müsse es eine Philosophie zweiter Ordnung geben. Aber es ist eben nicht so; sondern der Fall entspricht dem der Rechtschreibelehre, die es auch mit dem Wort »Rechtschreibelehre« zu tun hat, aber dann nicht eine solche zweiter Ordnung ist. | {{ParPU|121}} Man könnte meinen: wenn die Philosophie vom Gebrauch des Wortes »Philosophie« redet, so müsse es eine Philosophie zweiter Ordnung geben. Aber es ist eben nicht so; sondern der Fall entspricht dem der Rechtschreibelehre, die es auch mit dem Wort »Rechtschreibelehre« zu tun hat, aber dann nicht eine solche zweiter Ordnung ist. | ||
Line 882: | Line 774: | ||
Der Begriff der übersichtlichen Darstellung ist für uns von grundlegender Bedeutung. Er bezeichnet unsere Darstellungsform, die Art, wie wir die Dinge sehen. (Ist dies eine ›Weltanschauung‹?) | Der Begriff der übersichtlichen Darstellung ist für uns von grundlegender Bedeutung. Er bezeichnet unsere Darstellungsform, die Art, wie wir die Dinge sehen. (Ist dies eine ›Weltanschauung‹?) | ||
Line 894: | Line 785: | ||
Sie läßt auch die Mathematik, wie sie ist, und keine mathematische Entdeckung kann sie weiterbringen. Ein »führendes Problem der mathematischen Logik« ist für uns ein Problem der Mathematik, wie jedes andere. | Sie läßt auch die Mathematik, wie sie ist, und keine mathematische Entdeckung kann sie weiterbringen. Ein »führendes Problem der mathematischen Logik« ist für uns ein Problem der Mathematik, wie jedes andere. | ||
Line 906: | Line 796: | ||
Die bürgerliche Stellung des Widerspruchs, oder seine Stellung in der bürgerlichen Welt: das ist das philosophische Problem. | Die bürgerliche Stellung des Widerspruchs, oder seine Stellung in der bürgerlichen Welt: das ist das philosophische Problem. | ||
Line 912: | Line 801: | ||
»Philosophie« könnte man auch das nennen, was ''vor'' allen neuen Entdeckungen und Erfindungen möglich ist. | »Philosophie« könnte man auch das nennen, was ''vor'' allen neuen Entdeckungen und Erfindungen möglich ist. | ||
{{ParPU|127}} Die Arbeit des Philosophen ist ein Zusammentragen von Erinnerungen zu einem bestimmten Zweck. | {{ParPU|127}} Die Arbeit des Philosophen ist ein Zusammentragen von Erinnerungen zu einem bestimmten Zweck. | ||
{{ParPU|128}} Wollte man ''Thesen'' in der Philosophie aufstellen, es könnte nie über sie zur Diskussion kommen, weil Alle mit ihnen einverstanden wären. | {{ParPU|128}} Wollte man ''Thesen'' in der Philosophie aufstellen, es könnte nie über sie zur Diskussion kommen, weil Alle mit ihnen einverstanden wären. | ||
{{ParPU|129}} Die für uns wichtigsten Aspekte der Dinge sind durch ihre Einfachheit und Alltäglichkeit verborgen. (Man kann es nicht bemerken, – weil man es immer vor Augen hat.) Die eigentlichen Grundlagen seiner Forschung fallen dem Menschen gar nicht auf. Es sei denn, daß ihm ''dies'' einmal aufgefallen ist. – Und das heißt: das, was, einmal gesehen, das Auffallendste und Stärkste ist, fällt uns nicht auf. | {{ParPU|129}} Die für uns wichtigsten Aspekte der Dinge sind durch ihre Einfachheit und Alltäglichkeit verborgen. (Man kann es nicht bemerken, – weil man es immer vor Augen hat.) Die eigentlichen Grundlagen seiner Forschung fallen dem Menschen gar nicht auf. Es sei denn, daß ihm ''dies'' einmal aufgefallen ist. – Und das heißt: das, was, einmal gesehen, das Auffallendste und Stärkste ist, fällt uns nicht auf. | ||
{{ParPU|130}} Unsere klaren und einfachen Sprachspiele sind nicht Vorstudien zu einer künftigen Reglementierung der Sprache, – gleichsam erste Annäherungen, ohne Berücksichtigung der Reibung und des Luftwiderstands. Vielmehr stehen die Sprachspiele da als ''Vergleichsobjekte'', die durch Ähnlichkeit und Unähnlichkeit ein Licht in die Verhältnisse unsrer Sprache werfen sollen. | {{ParPU|130}} Unsere klaren und einfachen Sprachspiele sind nicht Vorstudien zu einer künftigen Reglementierung der Sprache, – gleichsam erste Annäherungen, ohne Berücksichtigung der Reibung und des Luftwiderstands. Vielmehr stehen die Sprachspiele da als ''Vergleichsobjekte'', die durch Ähnlichkeit und Unähnlichkeit ein Licht in die Verhältnisse unsrer Sprache werfen sollen. | ||
{{ParPU|131}} Nur so nämlich können wir der Ungerechtigkeit, oder Leere unserer Behauptungen entgehen, indem wir das Vorbild als das, was es ist, als Vergleichsobjekt – sozusagen als Maßstab hinstellen; und nicht als Vorurteil, dem die Wirklichkeit entsprechen ''müsse''. (Der Dogmatismus, in den wir beim Philosophieren so leicht verfallen.) | {{ParPU|131}} Nur so nämlich können wir der Ungerechtigkeit, oder Leere unserer Behauptungen entgehen, indem wir das Vorbild als das, was es ist, als Vergleichsobjekt – sozusagen als Maßstab hinstellen; und nicht als Vorurteil, dem die Wirklichkeit entsprechen ''müsse''. (Der Dogmatismus, in den wir beim Philosophieren so leicht verfallen.) | ||
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So eine Reform für bestimmte praktische Zwecke, die Verbesserung unserer Terminologie zur Vermeidung von Mißverständnissen im praktischen Gebrauch, ist wohl möglich. Aber das sind nicht die Fälle, mit denen wir es zu tun haben. Die Verwirrungen, die uns beschäftigen, entstehen gleichsam, wenn die Sprache leerläuft, nicht wenn sie arbeitet. | So eine Reform für bestimmte praktische Zwecke, die Verbesserung unserer Terminologie zur Vermeidung von Mißverständnissen im praktischen Gebrauch, ist wohl möglich. Aber das sind nicht die Fälle, mit denen wir es zu tun haben. Die Verwirrungen, die uns beschäftigen, entstehen gleichsam, wenn die Sprache leerläuft, nicht wenn sie arbeitet. | ||
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Wir sagen z.B.: »Er erklärte mir seine Lage, sagte, es verhalte sich so und so, und er brauche daher einen Vorschuß.« Man kann also insofern sagen, jener Satz stünde für irgendwelche Aussagen. Er wird als Satz''schema'' verwendet; aber das ''nur'', weil er den Bau eines deutschen Satzes hat. Man könnte statt seiner ohneweiters auch sagen: »das und das ist der Fall«, oder »so und so liegen die Sachen«, etc. Man könnte auch, wie in der symbolischen Logik, bloß einen Buchstaben, eine Variable gebrauchen. Aber den Buchstaben »p« wird doch niemand die allgemeine Form eines Satzes nennen. Wie gesagt: »Es verhält sich so und so« war dies nur dadurch, daß er selbst das ist, was man einen deutschen Satz nennt. Aber obschon es ein Satz ist, so hat es doch nur als Satzvariable Verwendung. Zu sagen, dieser Satz stimme mit der Wirklichkeit überein (oder nicht überein), wäre offenbarer Unsinn, und er illustriert also dies, daß ''ein'' Merkmal unseres Satzbegriffes der ''Satzklang'' ist. | Wir sagen z.B.: »Er erklärte mir seine Lage, sagte, es verhalte sich so und so, und er brauche daher einen Vorschuß.« Man kann also insofern sagen, jener Satz stünde für irgendwelche Aussagen. Er wird als Satz''schema'' verwendet; aber das ''nur'', weil er den Bau eines deutschen Satzes hat. Man könnte statt seiner ohneweiters auch sagen: »das und das ist der Fall«, oder »so und so liegen die Sachen«, etc. Man könnte auch, wie in der symbolischen Logik, bloß einen Buchstaben, eine Variable gebrauchen. Aber den Buchstaben »p« wird doch niemand die allgemeine Form eines Satzes nennen. Wie gesagt: »Es verhält sich so und so« war dies nur dadurch, daß er selbst das ist, was man einen deutschen Satz nennt. Aber obschon es ein Satz ist, so hat es doch nur als Satzvariable Verwendung. Zu sagen, dieser Satz stimme mit der Wirklichkeit überein (oder nicht überein), wäre offenbarer Unsinn, und er illustriert also dies, daß ''ein'' Merkmal unseres Satzbegriffes der ''Satzklang'' ist. | ||
{{ParPU|135}} Aber haben wir denn nicht einen Begriff davon, was ein Satz ist, was wir unter »Satz« verstehen? – Doch; sofern wir auch einen Begriff davon haben, was wir unter »Spiel« verstehen. Gefragt, was ein Satz ist – ob wir nun einem Andern antworten sollen, oder uns selbst – werden wir Beispiele angeben und unter diesen auch, was man induktive Reihen von Sätzen nennen kann; nun, auf ''diese'' Weise haben wir einen Begriff vom Satz. (Vergleiche den Begriff des Satzes mit dem Begriff der Zahl.) | {{ParPU|135}} Aber haben wir denn nicht einen Begriff davon, was ein Satz ist, was wir unter »Satz« verstehen? – Doch; sofern wir auch einen Begriff davon haben, was wir unter »Spiel« verstehen. Gefragt, was ein Satz ist – ob wir nun einem Andern antworten sollen, oder uns selbst – werden wir Beispiele angeben und unter diesen auch, was man induktive Reihen von Sätzen nennen kann; nun, auf ''diese'' Weise haben wir einen Begriff vom Satz. (Vergleiche den Begriff des Satzes mit dem Begriff der Zahl.) | ||
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Aber das ist ein schlechtes Bild. Es ist, als sagte man »Schachkönig ist ''die'' Figur, der man Schach ansagen kann.« Aber das kann doch nur heißen, daß wir in unserm Schachspiel nur dem König Schach geben. So wie der Satz, daß nur ein ''Satz'' wahr sein könne, nur sagen kann, daß wir »wahr« und »falsch« nur von dem prädizieren, was wir einen Satz nennen. Und was ein Satz ist, ist in ''einem'' Sinne bestimmt durch die Regeln des Satzbaus (der deutschen Sprache z.B.), in einem andern Sinne durch den Gebrauch des Zeichens im Sprachspiel. Und der Gebrauch der Wörter »wahr« und »falsch« kann auch ein Bestandteil dieses Spiels sein; und dann ''gehört'' er für uns zum Satz, aber er ›paßt‹ nicht zu ihm. Wie wir auch sagen können, das Schachgeben ''gehöre'' zu unserm Begriff vom Schachkönig (gleichsam als ein Bestandteil desselben). Zu sagen, das Schachgeben ''passe'' nicht auf unsern Begriff von den Bauern, würde heißen, daß ein Spiel, in welchem den Bauern Schach gegeben wird, in welchem etwa der verliert, der seine Bauern verliert, – daß ein solches Spiel uninteressant wäre, oder dumm, oder zu kompliziert, oder dergleichen. | Aber das ist ein schlechtes Bild. Es ist, als sagte man »Schachkönig ist ''die'' Figur, der man Schach ansagen kann.« Aber das kann doch nur heißen, daß wir in unserm Schachspiel nur dem König Schach geben. So wie der Satz, daß nur ein ''Satz'' wahr sein könne, nur sagen kann, daß wir »wahr« und »falsch« nur von dem prädizieren, was wir einen Satz nennen. Und was ein Satz ist, ist in ''einem'' Sinne bestimmt durch die Regeln des Satzbaus (der deutschen Sprache z.B.), in einem andern Sinne durch den Gebrauch des Zeichens im Sprachspiel. Und der Gebrauch der Wörter »wahr« und »falsch« kann auch ein Bestandteil dieses Spiels sein; und dann ''gehört'' er für uns zum Satz, aber er ›paßt‹ nicht zu ihm. Wie wir auch sagen können, das Schachgeben ''gehöre'' zu unserm Begriff vom Schachkönig (gleichsam als ein Bestandteil desselben). Zu sagen, das Schachgeben ''passe'' nicht auf unsern Begriff von den Bauern, würde heißen, daß ein Spiel, in welchem den Bauern Schach gegeben wird, in welchem etwa der verliert, der seine Bauern verliert, – daß ein solches Spiel uninteressant wäre, oder dumm, oder zu kompliziert, oder dergleichen. | ||
{{ParPU|137}} Wie ist es denn, wenn wir das Subjekt im Satz bestimmen lernen durch die Frage »Wer oder was ...?« – Hier gibt es doch ein ›''Passen''‹ des Subjekts zu dieser Frage; denn wie erführen wir sonst durch die Frage, was das Subjekt ist? Wir erfahren es in ähnlicher Weise, wie wir erfahren, welcher Buchstabe im Alphabet nach dem ›K‹ kommt, indem wir uns das Alphabet bis zum ›K‹ hersagen. In wiefern paßt nun das ›L‹ zu jener Buchstabenreihe? – Und insofern könnte man auch sagen, »wahr« und »falsch« passe zum Satz; und man könnte ein Kind lehren, Sätze von andern Ausdrücken zu unterscheiden, indem man ihm sagt: »Frag dich, ob du danach sagen kannst ›ist wahr‹. Wenn diese Worte passen, so ist es ein Satz.« (Und ebenso hätte man sagen können: Frage dich, ob du davor die Worte »Es verhält sich ''so'':« setzen kannst.) | {{ParPU|137}} Wie ist es denn, wenn wir das Subjekt im Satz bestimmen lernen durch die Frage »Wer oder was ...?« – Hier gibt es doch ein ›''Passen''‹ des Subjekts zu dieser Frage; denn wie erführen wir sonst durch die Frage, was das Subjekt ist? Wir erfahren es in ähnlicher Weise, wie wir erfahren, welcher Buchstabe im Alphabet nach dem ›K‹ kommt, indem wir uns das Alphabet bis zum ›K‹ hersagen. In wiefern paßt nun das ›L‹ zu jener Buchstabenreihe? – Und insofern könnte man auch sagen, »wahr« und »falsch« passe zum Satz; und man könnte ein Kind lehren, Sätze von andern Ausdrücken zu unterscheiden, indem man ihm sagt: »Frag dich, ob du danach sagen kannst ›ist wahr‹. Wenn diese Worte passen, so ist es ein Satz.« (Und ebenso hätte man sagen können: Frage dich, ob du davor die Worte »Es verhält sich ''so'':« setzen kannst.) | ||
Line 1,020: | Line 898: | ||
Und das Wesentliche ist nun, daß wir sehen, daß uns das Gleiche beim Hören des Wortes vorschweben, und seine Anwendung doch eine andere sein kann. Und hat es dann beide Male die ''gleiche'' Bedeutung? Ich glaube, das werden wir verneinen. | Und das Wesentliche ist nun, daß wir sehen, daß uns das Gleiche beim Hören des Wortes vorschweben, und seine Anwendung doch eine andere sein kann. Und hat es dann beide Male die ''gleiche'' Bedeutung? Ich glaube, das werden wir verneinen. | ||
Line 1,030: | Line 907: | ||
Ich will sagen: Es gibt hier einen ''normalen'' Fall und abnormale Fälle. | Ich will sagen: Es gibt hier einen ''normalen'' Fall und abnormale Fälle. | ||
Line 1,050: | Line 926: | ||
Man kann ihm nun vielleicht den systematischen Fehler abgewöhnen (wie eine Unart). Oder, man läßt seine Art des Kopierens gelten und trachtet, ihm die normale Art als eine Abart, Variation, der seinigen beizubringen. – Und auch hier kann die Lernfähigkeit unseres Schülers abbrechen. | Man kann ihm nun vielleicht den systematischen Fehler abgewöhnen (wie eine Unart). Oder, man läßt seine Art des Kopierens gelten und trachtet, ihm die normale Art als eine Abart, Variation, der seinigen beizubringen. – Und auch hier kann die Lernfähigkeit unseres Schülers abbrechen. | ||
{{ParPU|144}} Was meine ich denn, wenn ich sage »hier ''kann'' die Lernfähigkeit des Schülers abbrechen«? Teile ich das aus meiner Erfahrung mit? Natürlich nicht. (Auch wenn ich so eine Erfahrung gemacht hätte.) Und was tue ich denn mit jenem Satz? Ich möchte doch, daß du sagst: »Ja, es ist wahr, das könnte man sich auch denken, das könnte auch geschehen!« – Aber wollte ich Einen darauf aufmerksam machen, daß er imstande ist, sich dies vorzustellen? –– Ich wollte dies Bild vor seine Augen stellen, und seine ''Anerkennung'' dieses Bildes besteht darin, daß er nun geneigt ist, einen gegebenen Fall anders zu betrachten: nämlich ihn mit ''dieser'' Bilderreihe zu vergleichen. Ich habe seine ''Anschauungsweise'' geändert. (Indische Mathematiker: »Sieh dies an!«) | {{ParPU|144}} Was meine ich denn, wenn ich sage »hier ''kann'' die Lernfähigkeit des Schülers abbrechen«? Teile ich das aus meiner Erfahrung mit? Natürlich nicht. (Auch wenn ich so eine Erfahrung gemacht hätte.) Und was tue ich denn mit jenem Satz? Ich möchte doch, daß du sagst: »Ja, es ist wahr, das könnte man sich auch denken, das könnte auch geschehen!« – Aber wollte ich Einen darauf aufmerksam machen, daß er imstande ist, sich dies vorzustellen? –– Ich wollte dies Bild vor seine Augen stellen, und seine ''Anerkennung'' dieses Bildes besteht darin, daß er nun geneigt ist, einen gegebenen Fall anders zu betrachten: nämlich ihn mit ''dieser'' Bilderreihe zu vergleichen. Ich habe seine ''Anschauungsweise'' geändert. (Indische Mathematiker: »Sieh dies an!«) | ||
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Aber nehmen wir nun an, er setzt, nach einigen Bemühungen des Lehrers, die Reihe richtig fort, d. h. so, wie wir es tun. Nun können wir also sagen: er beherrscht das System. – Aber wie weit muß er die Reihe richtig fortsetzen, damit wir das mit Recht sagen können? Es ist klar: du kannst hier keine Begrenzung angeben. | Aber nehmen wir nun an, er setzt, nach einigen Bemühungen des Lehrers, die Reihe richtig fort, d. h. so, wie wir es tun. Nun können wir also sagen: er beherrscht das System. – Aber wie weit muß er die Reihe richtig fortsetzen, damit wir das mit Recht sagen können? Es ist klar: du kannst hier keine Begrenzung angeben. | ||
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Und an was denkt man da eigentlich? Denkt man nicht an das Ableiten einer Reihe aus ihrem algebraischen Ausdruck? Oder doch an etwas Analoges? – Aber da waren wir ja schon einmal. Wir können uns ja eben mehr als ''eine'' Anwendung eines algebraischen Ausdrucks denken; und jede Anwendungsart kann zwar wieder algebraisch niedergelegt werden, aber dies führt uns selbstverständlich nicht weiter. – Die Anwendung bleibt ein Kriterium des Verständnisses. | Und an was denkt man da eigentlich? Denkt man nicht an das Ableiten einer Reihe aus ihrem algebraischen Ausdruck? Oder doch an etwas Analoges? – Aber da waren wir ja schon einmal. Wir können uns ja eben mehr als ''eine'' Anwendung eines algebraischen Ausdrucks denken; und jede Anwendungsart kann zwar wieder algebraisch niedergelegt werden, aber dies führt uns selbstverständlich nicht weiter. – Die Anwendung bleibt ein Kriterium des Verständnisses. | ||
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Du meinst also: du weißt die Anwendung des Gesetzes der Reihe, auch ganz abgesehen von einer Erinnerung an die tatsächlichen Anwendungen auf bestimmte Zahlen. Und du wirst vielleicht sagen: »Selbstverständlich! denn die Reihe ist ja unendlich und das Reihenstück, das ich entwickeln konnte, endlich.« | Du meinst also: du weißt die Anwendung des Gesetzes der Reihe, auch ganz abgesehen von einer Erinnerung an die tatsächlichen Anwendungen auf bestimmte Zahlen. Und du wirst vielleicht sagen: »Selbstverständlich! denn die Reihe ist ja unendlich und das Reihenstück, das ich entwickeln konnte, endlich.« | ||
{{ParPU|148}} Worin aber besteht dies Wissen? Laß mich fragen: ''Wann'' weißt du diese Anwendung? Immer? Tag und Nacht? Oder nur während du gerade an das Gesetz der Reihe denkst? D. h.: Weißt du sie, wie du auch das ABC und das Einmaleins weißt; oder nennst du ›Wissen‹ einen Bewußtheitszustand oder Vorgang – etwa ein An-etwas-denken, oder dergleichen? | {{ParPU|148}} Worin aber besteht dies Wissen? Laß mich fragen: ''Wann'' weißt du diese Anwendung? Immer? Tag und Nacht? Oder nur während du gerade an das Gesetz der Reihe denkst? D. h.: Weißt du sie, wie du auch das ABC und das Einmaleins weißt; oder nennst du ›Wissen‹ einen Bewußtheitszustand oder Vorgang – etwa ein An-etwas-denken, oder dergleichen? | ||
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{{ParPU|150}} Die Grammatik des Wortes »wissen« ist offenbar eng verwandt der Grammatik der Worte »können«, »imstande sein«. Aber auch eng verwandt der des Wortes »verstehen«. (Eine Technik ›beherrschen‹.) | {{ParPU|150}} Die Grammatik des Wortes »wissen« ist offenbar eng verwandt der Grammatik der Worte »können«, »imstande sein«. Aber auch eng verwandt der des Wortes »verstehen«. (Eine Technik ›beherrschen‹.) | ||
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Oder er sieht hin und sagt: »Ja, ''die'' Reihe kenn’ ich« – und setzt sie fort; wie er’s etwa auch getan hätte, wenn A die Reihe 1, 3, 5, 7, 9 hingeschrieben hätte. – Oder er sagt gar nichts und schreibt bloß die Reihe weiter. Vielleicht hatte er eine Empfindung, die man »das ist leicht!« nennen kann. (Eine solche Empfindung ist z.B. die eines leichten, schnellen Einziehens des Atems, ähnlich wie bei einem gelinden Schreck.) | Oder er sieht hin und sagt: »Ja, ''die'' Reihe kenn’ ich« – und setzt sie fort; wie er’s etwa auch getan hätte, wenn A die Reihe 1, 3, 5, 7, 9 hingeschrieben hätte. – Oder er sagt gar nichts und schreibt bloß die Reihe weiter. Vielleicht hatte er eine Empfindung, die man »das ist leicht!« nennen kann. (Eine solche Empfindung ist z.B. die eines leichten, schnellen Einziehens des Atems, ähnlich wie bei einem gelinden Schreck.) | ||
{{ParPU|152}} Aber sind denn diese Vorgänge, die ich da beschrieben habe, das ''Verstehen''? »B versteht das System der Reihe« heißt doch nicht einfach: B fällt die Formel »an = ....« ein! Denn es ist sehr wohl denkbar, daß ihm die Formel einfällt und er doch nicht versteht. »Er versteht« muß mehr beinhalten als: ihm fällt die Formel ein. Und ebenso auch mehr, als irgendeiner jener, mehr oder weniger charakteristischen, ''Begleitvorgänge'', oder Äußerungen, des Verstehens. ### | {{ParPU|152}} Aber sind denn diese Vorgänge, die ich da beschrieben habe, das ''Verstehen''? »B versteht das System der Reihe« heißt doch nicht einfach: B fällt die Formel »an = ....« ein! Denn es ist sehr wohl denkbar, daß ihm die Formel einfällt und er doch nicht versteht. »Er versteht« muß mehr beinhalten als: ihm fällt die Formel ein. Und ebenso auch mehr, als irgendeiner jener, mehr oder weniger charakteristischen, ''Begleitvorgänge'', oder Äußerungen, des Verstehens. ### | ||
{{ParPU|153}} Wir versuchen nun, den seelischen Vorgang des Verstehens, der sich, scheint es, hinter jenen gröbern und uns daher in die Augen fallenden Begleiterscheinungen versteckt, zu erfassen. Aber das gelingt nicht. Oder, richtiger gesagt: es kommt gar nicht zu einem wirklichen Versuch. Denn auch angenommen, ich hätte etwas gefunden, was in allen jenen Fällen des Verstehens geschähe, – warum sollte ''das'' nun das Verstehen sein? Ja, wie konnte denn der Vorgang des Verstehens versteckt sein, wenn ich doch sagte »Jetzt verstehe ich«, ''weil'' ich verstand?! Und wenn ich sage, er ist versteckt, – wie weiß ich denn, wonach ich zu suchen habe? Ich bin in einem Wirrwarr. | {{ParPU|153}} Wir versuchen nun, den seelischen Vorgang des Verstehens, der sich, scheint es, hinter jenen gröbern und uns daher in die Augen fallenden Begleiterscheinungen versteckt, zu erfassen. Aber das gelingt nicht. Oder, richtiger gesagt: es kommt gar nicht zu einem wirklichen Versuch. Denn auch angenommen, ich hätte etwas gefunden, was in allen jenen Fällen des Verstehens geschähe, – warum sollte ''das'' nun das Verstehen sein? Ja, wie konnte denn der Vorgang des Verstehens versteckt sein, wenn ich doch sagte »Jetzt verstehe ich«, ''weil'' ich verstand?! Und wenn ich sage, er ist versteckt, – wie weiß ich denn, wonach ich zu suchen habe? Ich bin in einem Wirrwarr. | ||
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(Das Ab- und Zunehmen einer Schmerzempfindung, das Hören einer Melodie, eines Satzes: seelische Vorgänge.) | (Das Ab- und Zunehmen einer Schmerzempfindung, das Hören einer Melodie, eines Satzes: seelische Vorgänge.) | ||
{{ParPU|155}} Ich wollte also sagen: Wenn er plötzlich weiter wußte, das System verstand, so hatte er vielleicht ein besonderes Erlebnis – welches er etwa beschreiben wird, wenn man ihn fragt »Wie war das, was ging da vor, als du das System plötzlich begriffst?«, ähnlich wie wir es oben beschrieben haben – das aber, was ihn für uns berechtigt, in so einem Fall zu sagen, er verstehe, er wisse weiter, sind die ''Umstände'', unter denen er ein solches Erlebnis hatte. | {{ParPU|155}} Ich wollte also sagen: Wenn er plötzlich weiter wußte, das System verstand, so hatte er vielleicht ein besonderes Erlebnis – welches er etwa beschreiben wird, wenn man ihn fragt »Wie war das, was ging da vor, als du das System plötzlich begriffst?«, ähnlich wie wir es oben beschrieben haben – das aber, was ihn für uns berechtigt, in so einem Fall zu sagen, er verstehe, er wisse weiter, sind die ''Umstände'', unter denen er ein solches Erlebnis hatte. | ||
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Ich will aber sagen: Wir müssen zugeben, daß – was das Aussprechen irgend ''eines'' der gedruckten Wörter betrifft – im Bewußtsein des Schülers, der ›vorgibt‹ es zu lesen, das Gleiche stattfinden kann wie im Bewußtsein des geübten Lesers, der es ›liest‹. Das Wort »lesen« wird ''anders'' angewandt, wenn wir vom Anfänger, und wenn wir vom geübten Leser sprechen. –– Wir möchten nun freilich sagen: Was im geübten Leser und was im Anfänger vor sich geht, wenn sie das Wort aussprechen, ''kann'' nicht das Gleiche sein. Und wenn kein Unterschied in dem wäre, was ihnen gerade bewußt ist, so im unbewußten Arbeiten ihres Geistes; oder auch im Gehirn. – Wir möchten also sagen: Hier sind jedenfalls zwei verschiedene Mechanismen! Und was in ihnen vorgeht, muß Lesen von Nichtlesen unterscheiden. – Aber diese Mechanismen sind doch nur Hypothesen; Modelle zur Erklärung, zur Zusammenfassung dessen, was du wahrnimmst. | Ich will aber sagen: Wir müssen zugeben, daß – was das Aussprechen irgend ''eines'' der gedruckten Wörter betrifft – im Bewußtsein des Schülers, der ›vorgibt‹ es zu lesen, das Gleiche stattfinden kann wie im Bewußtsein des geübten Lesers, der es ›liest‹. Das Wort »lesen« wird ''anders'' angewandt, wenn wir vom Anfänger, und wenn wir vom geübten Leser sprechen. –– Wir möchten nun freilich sagen: Was im geübten Leser und was im Anfänger vor sich geht, wenn sie das Wort aussprechen, ''kann'' nicht das Gleiche sein. Und wenn kein Unterschied in dem wäre, was ihnen gerade bewußt ist, so im unbewußten Arbeiten ihres Geistes; oder auch im Gehirn. – Wir möchten also sagen: Hier sind jedenfalls zwei verschiedene Mechanismen! Und was in ihnen vorgeht, muß Lesen von Nichtlesen unterscheiden. – Aber diese Mechanismen sind doch nur Hypothesen; Modelle zur Erklärung, zur Zusammenfassung dessen, was du wahrnimmst. | ||
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Im Falle aber der lebenden Lesemaschine hieß »lesen«: so und so auf Schriftzeichen reagieren. Dieser Begriff war also ganz unabhängig von dem eines seelischen, oder andern Mechanismus. – Der Lehrer kann hier auch vom Abgerichteten nicht sagen: »Vielleicht hat er dieses Wort schon gelesen«. Denn es ist ja kein Zweifel über das, was er getan hat. – Die Veränderung, als der Schüler zu lesen anfing, war eine Veränderung seines ''Verhaltens''; und von einem ›ersten Wort im neuen Zustand‹ zu reden, hat hier keinen Sinn. | Im Falle aber der lebenden Lesemaschine hieß »lesen«: so und so auf Schriftzeichen reagieren. Dieser Begriff war also ganz unabhängig von dem eines seelischen, oder andern Mechanismus. – Der Lehrer kann hier auch vom Abgerichteten nicht sagen: »Vielleicht hat er dieses Wort schon gelesen«. Denn es ist ja kein Zweifel über das, was er getan hat. – Die Veränderung, als der Schüler zu lesen anfing, war eine Veränderung seines ''Verhaltens''; und von einem ›ersten Wort im neuen Zustand‹ zu reden, hat hier keinen Sinn. | ||
{{ParPU|158}} Aber liegt dies nicht nur an unserer zu geringen Kenntnis der Vorgänge im Gehirn und im Nervensystem? Wenn wir diese genauer kennten, würden wir sehen, welche Verbindungen durch das Abrichten hergestellt worden waren, und wir könnten dann, wenn wir ihm ins Gehirn sähen, sagen: »Dieses Wort hat er jetzt ''gelesen'', jetzt war die Leseverbindung hergestellt.« –– Und das ''muß'' wohl so sein – denn wie könnten wir sonst so sicher sein, daß es eine solche Verbindung gibt? Das ist wohl a priori so – oder ist es nur wahrscheinlich? Und wie wahrscheinlich ist es? Frag dich doch: was ''weißt'' du denn von diesen Sachen? –– Ist es aber a priori, dann heißt das, daß es eine uns sehr einleuchtende Darstellungsform ist. | {{ParPU|158}} Aber liegt dies nicht nur an unserer zu geringen Kenntnis der Vorgänge im Gehirn und im Nervensystem? Wenn wir diese genauer kennten, würden wir sehen, welche Verbindungen durch das Abrichten hergestellt worden waren, und wir könnten dann, wenn wir ihm ins Gehirn sähen, sagen: »Dieses Wort hat er jetzt ''gelesen'', jetzt war die Leseverbindung hergestellt.« –– Und das ''muß'' wohl so sein – denn wie könnten wir sonst so sicher sein, daß es eine solche Verbindung gibt? Das ist wohl a priori so – oder ist es nur wahrscheinlich? Und wie wahrscheinlich ist es? Frag dich doch: was ''weißt'' du denn von diesen Sachen? –– Ist es aber a priori, dann heißt das, daß es eine uns sehr einleuchtende Darstellungsform ist. | ||
{{ParPU|159}} Aber wir sind, wenn wir darüber nachdenken, versucht zu sagen: das einzig wirkliche Kriterium dafür, daß Einer ''liest'', ist der bewußte Akt des Lesens, des Ablesens der Laute von den Buchstaben. »Ein Mensch weiß doch, ob er liest, oder nur vorgibt zu lesen!« – Angenommen, A will den B glauben machen, er könne cyrillische Schrift lesen. Er lernt einen russischen Satz auswendig und sagt ihn dann, indem er die gedruckten Wörter ansieht, als läse er sie. Wir werden hier gewiß sagen, A wisse, daß er nicht liest, und er empfinde, während er zu lesen vorgibt, eben dies. Denn es gibt natürlich eine Menge für das Lesen eines Satzes im Druck mehr oder weniger charakteristische Empfindungen; es ist nicht schwer, sich solche ins Gedächtnis zu rufen: denke an Empfindungen des Stockens, genauem Hinsehens, Verlesens, der größeren und geringeren Geläufigkeit der Wortfolgen, u. a. Und ebenso gibt es charakteristische Empfindungen für das Aufsagen von etwas Auswendiggelerntem. Und A wird in unserem Fall keine von den Empfindungen haben, die für das Lesen charakteristisch sind, und er wird etwa eine Reihe von Empfindungen haben, die für das Schwindeln charakteristisch sind. | {{ParPU|159}} Aber wir sind, wenn wir darüber nachdenken, versucht zu sagen: das einzig wirkliche Kriterium dafür, daß Einer ''liest'', ist der bewußte Akt des Lesens, des Ablesens der Laute von den Buchstaben. »Ein Mensch weiß doch, ob er liest, oder nur vorgibt zu lesen!« – Angenommen, A will den B glauben machen, er könne cyrillische Schrift lesen. Er lernt einen russischen Satz auswendig und sagt ihn dann, indem er die gedruckten Wörter ansieht, als läse er sie. Wir werden hier gewiß sagen, A wisse, daß er nicht liest, und er empfinde, während er zu lesen vorgibt, eben dies. Denn es gibt natürlich eine Menge für das Lesen eines Satzes im Druck mehr oder weniger charakteristische Empfindungen; es ist nicht schwer, sich solche ins Gedächtnis zu rufen: denke an Empfindungen des Stockens, genauem Hinsehens, Verlesens, der größeren und geringeren Geläufigkeit der Wortfolgen, u. a. Und ebenso gibt es charakteristische Empfindungen für das Aufsagen von etwas Auswendiggelerntem. Und A wird in unserem Fall keine von den Empfindungen haben, die für das Lesen charakteristisch sind, und er wird etwa eine Reihe von Empfindungen haben, die für das Schwindeln charakteristisch sind. | ||
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Oder aber: Wenn man einem Menschen, der unter dem Einfluß eines bestimmten Giftes steht, eine Reihe von Schriftzeichen vorlegt, die keinem existierenden Alphabet anzugehören brauchen, so spreche er nach der Anzahl der Zeichen Wörter aus, so als wären die Zeichen Buchstaben, und zwar mit allen äußeren Merkmalen und Empfindungen des Lesens. (Ähnliche Erfahrungen haben wir in Träumen; nach dem Aufwachen sagt man dann etwa: »Es kam mir vor, als läse ich die Zeichen, obwohl es gar keine Zeichen waren.«) In so einem Fall würden Manche geneigt sein, zu sagen, der Mensch ''lese'' diese Zeichen. Andere, er lese sie nicht. – Angenommen, er habe auf diese Weise eine Gruppe von vier Zeichen als OBEN gelesen (oder gedeutet) – nun zeigen wir ihm die gleichen Zeichen in umgekehrter Reihenfolge und er liest NEBO, und so behält er in weiteren Versuchen immer die gleiche Deutung der Zeichen bei; hier wären wir wohl geneigt, zu sagen, er lege sich ad hoc ein Alphabet zurecht und lese dann danach. | Oder aber: Wenn man einem Menschen, der unter dem Einfluß eines bestimmten Giftes steht, eine Reihe von Schriftzeichen vorlegt, die keinem existierenden Alphabet anzugehören brauchen, so spreche er nach der Anzahl der Zeichen Wörter aus, so als wären die Zeichen Buchstaben, und zwar mit allen äußeren Merkmalen und Empfindungen des Lesens. (Ähnliche Erfahrungen haben wir in Träumen; nach dem Aufwachen sagt man dann etwa: »Es kam mir vor, als läse ich die Zeichen, obwohl es gar keine Zeichen waren.«) In so einem Fall würden Manche geneigt sein, zu sagen, der Mensch ''lese'' diese Zeichen. Andere, er lese sie nicht. – Angenommen, er habe auf diese Weise eine Gruppe von vier Zeichen als OBEN gelesen (oder gedeutet) – nun zeigen wir ihm die gleichen Zeichen in umgekehrter Reihenfolge und er liest NEBO, und so behält er in weiteren Versuchen immer die gleiche Deutung der Zeichen bei; hier wären wir wohl geneigt, zu sagen, er lege sich ad hoc ein Alphabet zurecht und lese dann danach. | ||
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Mach diesen Versuch: sag die Zahlenreihe von 1 bis 12. Nun schau auf das Zifferblatt deiner Uhr und ''lies'' diese Reihe. – Was hast du in diesem Falle »lesen« genannt? Das heißt: was hast du getan, um es zum ''Lesen'' zu machen? | Mach diesen Versuch: sag die Zahlenreihe von 1 bis 12. Nun schau auf das Zifferblatt deiner Uhr und ''lies'' diese Reihe. – Was hast du in diesem Falle »lesen« genannt? Das heißt: was hast du getan, um es zum ''Lesen'' zu machen? | ||
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Aber warum sagen wir, er habe die gesprochenen Worte von den gedruckten ''abgeleitete?'' Wissen wir mehr, als daß wir ihn gelehrt haben, wie jeder Buchstabe auszusprechen sei, und daß er dann die Worte laut gelesen habe? Wir werden vielleicht antworten: der Schüler zeige: daß er den Übergang vom Gedruckten zum Gesprochenen mit Hilfe der Regel macht, die wir ihm gegeben haben. – Wie man dies ''zeigen'' könne, wird klarer, wenn wir unser Beispiel dahin abändern, daß der Schüler, statt den Text vorzulesen, ihn abzuschreiben hat, die Druckschrift in Schreibschrift zu übertragen hat. Denn in diesem Fall können wir ihm die Regel in Form einer Tabelle geben; in einer Spalte stehen die Druckbuchstaben, in der andern die Kursivbuchstaben. Und daß er die Schrift vom Gedruckten ableitet, zeigt sich darin, daß er in der Tabelle nachsieht. | Aber warum sagen wir, er habe die gesprochenen Worte von den gedruckten ''abgeleitete?'' Wissen wir mehr, als daß wir ihn gelehrt haben, wie jeder Buchstabe auszusprechen sei, und daß er dann die Worte laut gelesen habe? Wir werden vielleicht antworten: der Schüler zeige: daß er den Übergang vom Gedruckten zum Gesprochenen mit Hilfe der Regel macht, die wir ihm gegeben haben. – Wie man dies ''zeigen'' könne, wird klarer, wenn wir unser Beispiel dahin abändern, daß der Schüler, statt den Text vorzulesen, ihn abzuschreiben hat, die Druckschrift in Schreibschrift zu übertragen hat. Denn in diesem Fall können wir ihm die Regel in Form einer Tabelle geben; in einer Spalte stehen die Druckbuchstaben, in der andern die Kursivbuchstaben. Und daß er die Schrift vom Gedruckten ableitet, zeigt sich darin, daß er in der Tabelle nachsieht. | ||
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Aber heißt das nun, das Wort »ableiten« habe eigentlich keine Bedeutung, da es ja scheint, daß diese, wenn wir ihr nachgehen, in nichts zerfließt? | Aber heißt das nun, das Wort »ableiten« habe eigentlich keine Bedeutung, da es ja scheint, daß diese, wenn wir ihr nachgehen, in nichts zerfließt? | ||
Line 1,202: | Line 1,058: | ||
Und so verwenden wir auch das Wort »Lesen« für eine Familie von Fällen. Und wir wenden unter verschiedenen Umständen verschiedene Kriterien an dafür, daß Einer liest. | Und so verwenden wir auch das Wort »Lesen« für eine Familie von Fällen. Und wir wenden unter verschiedenen Umständen verschiedene Kriterien an dafür, daß Einer liest. | ||
Line 1,218: | Line 1,073: | ||
{{ParPU|166}} Ich sagte, die gesprochenen Worte beim Lesen kämen ›in besonderer Weise‹; aber in welcher Weise? Ist dies nicht eine Fiktion? Sehen wir uns einzelne Buchstaben an und geben acht, in welcher Weise der Laut des Buchstabens kommt. Lies den Buchstaben A. – Nun, wie kam der Laut? – Wir wissen gar nichts darüber zu sagen. –– Nun schreib ein kleines lateinisches a! – Wie kam die Handbewegung beim Schreiben? Anders als der Laut im vorigen Versuch? – Ich habe auf den Druckbuchstaben gesehen und schrieb den Kursivbuchstaben; mehr weiß ich nicht. –– Nun schau auf das Zeichen [[File:Par. 166.png|30px|link=]] und laß dir dabei einen Laut einfallen; sprich ihn aus. Mir fiel der Laut ›U‹ ein; aber ich könnte nicht sagen, es war ein wesentlicher Unterschied in der Art und Weise, wie dieser Laut ''kam''. Der Unterschied lag in der etwas andern Situation: Ich hatte mir vorher gesagt, ich solle mir einen Laut einfallen lassen; es war eine gewisse Spannung da, ehe der Laut kam. Und ich sprach nicht automatisch den Laut ›U‹, wie beim Anblick des Buchstaben U. Auch war mir jenes Zeichen nicht ''vertraut'', wie die Buchstaben. Ich sah es gleichsam gespannt, mit einem gewissen Interesse für seine Form an; ich dachte dabei an ein umgekehrtes Sigma. –– Stell dir vor, du müßtest nun dieses Zeichen regelmäßig als Buchstaben benützen; du gewöhnst dich also daran, bei seinem Anblick einen bestimmten Laut auszusprechen, etwa den Laut ›sch‹. Können wir mehr sagen, als daß nach einiger Zeit dieser Laut automatisch kommt, wenn wir das Zeichen ansehen? D.h.: ich frage mich bei seinem Anblick nicht mehr »Was ist das für ein Buchstabe?« – auch sage ich mir natürlich nicht »Ich will bei diesem Zeichen den Laut ›sch‹ aussprechen« – noch auch »Dieses Zeichen erinnert mich irgendwie an den Laut ›sch‹.« (Vergleiche damit die Idee: das Gedächtnisbild unterscheide sich von andern Vorstellungsbildern durch ein besonderes Merkmal.) | {{ParPU|166}} Ich sagte, die gesprochenen Worte beim Lesen kämen ›in besonderer Weise‹; aber in welcher Weise? Ist dies nicht eine Fiktion? Sehen wir uns einzelne Buchstaben an und geben acht, in welcher Weise der Laut des Buchstabens kommt. Lies den Buchstaben A. – Nun, wie kam der Laut? – Wir wissen gar nichts darüber zu sagen. –– Nun schreib ein kleines lateinisches a! – Wie kam die Handbewegung beim Schreiben? Anders als der Laut im vorigen Versuch? – Ich habe auf den Druckbuchstaben gesehen und schrieb den Kursivbuchstaben; mehr weiß ich nicht. –– Nun schau auf das Zeichen [[File:Par. 166.png|30px|link=]] und laß dir dabei einen Laut einfallen; sprich ihn aus. Mir fiel der Laut ›U‹ ein; aber ich könnte nicht sagen, es war ein wesentlicher Unterschied in der Art und Weise, wie dieser Laut ''kam''. Der Unterschied lag in der etwas andern Situation: Ich hatte mir vorher gesagt, ich solle mir einen Laut einfallen lassen; es war eine gewisse Spannung da, ehe der Laut kam. Und ich sprach nicht automatisch den Laut ›U‹, wie beim Anblick des Buchstaben U. Auch war mir jenes Zeichen nicht ''vertraut'', wie die Buchstaben. Ich sah es gleichsam gespannt, mit einem gewissen Interesse für seine Form an; ich dachte dabei an ein umgekehrtes Sigma. –– Stell dir vor, du müßtest nun dieses Zeichen regelmäßig als Buchstaben benützen; du gewöhnst dich also daran, bei seinem Anblick einen bestimmten Laut auszusprechen, etwa den Laut ›sch‹. Können wir mehr sagen, als daß nach einiger Zeit dieser Laut automatisch kommt, wenn wir das Zeichen ansehen? D.h.: ich frage mich bei seinem Anblick nicht mehr »Was ist das für ein Buchstabe?« – auch sage ich mir natürlich nicht »Ich will bei diesem Zeichen den Laut ›sch‹ aussprechen« – noch auch »Dieses Zeichen erinnert mich irgendwie an den Laut ›sch‹.« (Vergleiche damit die Idee: das Gedächtnisbild unterscheide sich von andern Vorstellungsbildern durch ein besonderes Merkmal.) | ||
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Bedenke, daß das gesehene Wortbild uns in ähnlichem Grade vertraut ist wie das gehörte. | Bedenke, daß das gesehene Wortbild uns in ähnlichem Grade vertraut ist wie das gehörte. | ||
{{ParPU|168}} Auch gleitet der Blick anders über die gedruckte Zeile als über eine Reihe beliebiger Haken und Schnörkel. (Ich rede hier aber nicht von dem, was durch Beobachtung der Augenbewegung des Lesenden festgestellt werden kann.) Der Blick gleitet, möchte man sagen, besonders widerstandslos, ohne hängen zu bleiben; und doch ''rutscht'' er nicht. Und dabei geht ein unwillkürliches Sprechen in der Vorstellung vor sich. Und so verhält es sich, wenn ich Deutsch und andere Sprachen lese; gedruckt oder geschrieben, und in verschiedenen Schriftformen. – Was aber von dem allen ist für das Lesen als solches wesentlich? Nicht ein Zug, der in allen Fällen des Lesens vorkäme! (Vergleiche mit dem Vorgang beim Lesen der gewöhnlichen Druckschrift das Lesen von Worten, die ganz in Großbuchstaben gedruckt sind, wie manchmal die Auflösung von Rätseln. Welch anderer Vorgang! – Oder das Lesen unserer Schrift von rechts nach links.) | {{ParPU|168}} Auch gleitet der Blick anders über die gedruckte Zeile als über eine Reihe beliebiger Haken und Schnörkel. (Ich rede hier aber nicht von dem, was durch Beobachtung der Augenbewegung des Lesenden festgestellt werden kann.) Der Blick gleitet, möchte man sagen, besonders widerstandslos, ohne hängen zu bleiben; und doch ''rutscht'' er nicht. Und dabei geht ein unwillkürliches Sprechen in der Vorstellung vor sich. Und so verhält es sich, wenn ich Deutsch und andere Sprachen lese; gedruckt oder geschrieben, und in verschiedenen Schriftformen. – Was aber von dem allen ist für das Lesen als solches wesentlich? Nicht ein Zug, der in allen Fällen des Lesens vorkäme! (Vergleiche mit dem Vorgang beim Lesen der gewöhnlichen Druckschrift das Lesen von Worten, die ganz in Großbuchstaben gedruckt sind, wie manchmal die Auflösung von Rätseln. Welch anderer Vorgang! – Oder das Lesen unserer Schrift von rechts nach links.) | ||
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Aber was soll es heißen, diese Begründung, die ich ausgesprochen, gedacht, habe, zu ''fühlen?'' Ich möchte sagen: Ich fühle beim Lesen einen gewissen ''Einfluß'' der Buchstaben auf mich –– aber nicht einen Einfluß jener Reihe beliebiger Schnörkel auf das, was ich rede. – Vergleichen wir wieder einen einzelnen Buchstaben mit einem solchen Schnörkel! Würde ich auch sagen, ich fühle den Einfluß von »i«, wenn ich diesen Buchstaben lese? Es ist natürlich ein Unterschied, ob ich beim Anblicken von »i« den i-Laut sage, oder beim Anblick von »§«. Der Unterschied ist etwa, daß beim Anblick des Buchstabens das innere Hören des i-Lauts automatisch, ja gegen meinen Willen, vor sich geht; und wenn ich den Buchstaben laut lese, sein Aussprechen anstrengungsloser ist als beim Anblick von »§«. Das heißt – es verhält sich so, wenn ich den ''Versuch'' mache; aber natürlich nicht, wenn ich, zufällig auf das Zeichen »§« blickend, etwa ein Wort ausspreche, in welchem der i-Laut vorkommt. | Aber was soll es heißen, diese Begründung, die ich ausgesprochen, gedacht, habe, zu ''fühlen?'' Ich möchte sagen: Ich fühle beim Lesen einen gewissen ''Einfluß'' der Buchstaben auf mich –– aber nicht einen Einfluß jener Reihe beliebiger Schnörkel auf das, was ich rede. – Vergleichen wir wieder einen einzelnen Buchstaben mit einem solchen Schnörkel! Würde ich auch sagen, ich fühle den Einfluß von »i«, wenn ich diesen Buchstaben lese? Es ist natürlich ein Unterschied, ob ich beim Anblicken von »i« den i-Laut sage, oder beim Anblick von »§«. Der Unterschied ist etwa, daß beim Anblick des Buchstabens das innere Hören des i-Lauts automatisch, ja gegen meinen Willen, vor sich geht; und wenn ich den Buchstaben laut lese, sein Aussprechen anstrengungsloser ist als beim Anblick von »§«. Das heißt – es verhält sich so, wenn ich den ''Versuch'' mache; aber natürlich nicht, wenn ich, zufällig auf das Zeichen »§« blickend, etwa ein Wort ausspreche, in welchem der i-Laut vorkommt. | ||
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Wir bilden uns ein, wir nähmen durch ein Gefühl, quasi, einen verbindenden Mechanismus wahr zwischen dem Wortbild und dem Laut, den wir sprechen. Denn wenn ich vom Erlebnis des Einflusses, der Verursachung, des Geführtwerdens rede, so soll das ja heißen, daß ich sozusagen die Bewegung der Hebel fühle, die den Anblick der Buchstaben mit dem Sprechen verbinden. | Wir bilden uns ein, wir nähmen durch ein Gefühl, quasi, einen verbindenden Mechanismus wahr zwischen dem Wortbild und dem Laut, den wir sprechen. Denn wenn ich vom Erlebnis des Einflusses, der Verursachung, des Geführtwerdens rede, so soll das ja heißen, daß ich sozusagen die Bewegung der Hebel fühle, die den Anblick der Buchstaben mit dem Sprechen verbinden. | ||
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Aber jetzt lies einmal ein paar Sätze im Druck, so wie du’s gewöhnlich tust, wenn du nicht an den Begriff des Lesens denkst; und frage dich, ob du beim Lesen solche Erlebnisse der Einheit, des Einflusses, etc. gehabt hast. – Sag nicht, du habest sie unbewußt gehabt! Auch lassen wir uns nicht durch das Bild verleiten, ›beim nähern Hinsehen‹ zeigten sich diese Erscheinungen! Wenn ich beschreiben soll, wie ein Gegenstand aus der Ferne ausschaut, so wird diese Beschreibung nicht genauer dadurch, daß ich sage, was bei näherem Hinsehen an ihm zu bemerken ist. | Aber jetzt lies einmal ein paar Sätze im Druck, so wie du’s gewöhnlich tust, wenn du nicht an den Begriff des Lesens denkst; und frage dich, ob du beim Lesen solche Erlebnisse der Einheit, des Einflusses, etc. gehabt hast. – Sag nicht, du habest sie unbewußt gehabt! Auch lassen wir uns nicht durch das Bild verleiten, ›beim nähern Hinsehen‹ zeigten sich diese Erscheinungen! Wenn ich beschreiben soll, wie ein Gegenstand aus der Ferne ausschaut, so wird diese Beschreibung nicht genauer dadurch, daß ich sage, was bei näherem Hinsehen an ihm zu bemerken ist. | ||
Line 1,272: | Line 1,121: | ||
Alle diese Situationen sind einander ähnlich; aber was ist allen den Erlebnissen gemeinsam? | Alle diese Situationen sind einander ähnlich; aber was ist allen den Erlebnissen gemeinsam? | ||
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Wenn ich mir das Erlebnis desjenigen vergegenwärtigen will, der in einem der früheren Beispiele durch den gedruckten Text und die Tabelle beim Schreiben geführt wird, so stelle ich mir das ›gewissenhafte‹ Nachsehen, etc., vor. Ich nehme dabei sogar einen bestimmten Gesichtsausdruck an (den z.B. eines gewissenhaften Buchhalters). An diesem Bild ist z.B. die ''Sorgfalt'' sehr wesentlich; an einem andern wieder das Ausschalten jedes eigenen Willens. (Denke dir aber, daß jemand Dinge, die der gewöhnliche Mensch mit den Zeichen der Unachtsamkeit tut, mit dem Ausdruck – und warum nicht mit den Empfindungen? – der Sorgfalt begleitet. – Ist er nun sorgfältig? Stell dir etwa vor, der Diener lasse das Teebrett mit allem was darauf ist, mit den äußeren Zeichen der Sorgfalt, zu Boden fallen.) Vergegenwärtige ich mir so ein bestimmtes Erlebnis, so erscheint es mir als ''das'' Erlebnis des Geführtwerdens (oder Lesens). Nun aber frage ich mich: Was tust du? – Du schaust auf jedes Zeichen, du machst dieses Gesicht dazu, du schreibst die Buchstaben mit Bedacht (u. dergl.). – Das ist also das Erlebnis des Geführtwerdens? –– Da möchte ich sagen: »Nein, das ist es nicht: es ist etwas Innerlicheres, Wesentlicheres.« – Es ist, als ob zuerst all diese mehr oder weniger unwesentlichen Vorgänge in eine bestimmte Atmosphäre gekleidet wären, die sich nun verflüchtigt, wenn ich genau hinschaue. | Wenn ich mir das Erlebnis desjenigen vergegenwärtigen will, der in einem der früheren Beispiele durch den gedruckten Text und die Tabelle beim Schreiben geführt wird, so stelle ich mir das ›gewissenhafte‹ Nachsehen, etc., vor. Ich nehme dabei sogar einen bestimmten Gesichtsausdruck an (den z.B. eines gewissenhaften Buchhalters). An diesem Bild ist z.B. die ''Sorgfalt'' sehr wesentlich; an einem andern wieder das Ausschalten jedes eigenen Willens. (Denke dir aber, daß jemand Dinge, die der gewöhnliche Mensch mit den Zeichen der Unachtsamkeit tut, mit dem Ausdruck – und warum nicht mit den Empfindungen? – der Sorgfalt begleitet. – Ist er nun sorgfältig? Stell dir etwa vor, der Diener lasse das Teebrett mit allem was darauf ist, mit den äußeren Zeichen der Sorgfalt, zu Boden fallen.) Vergegenwärtige ich mir so ein bestimmtes Erlebnis, so erscheint es mir als ''das'' Erlebnis des Geführtwerdens (oder Lesens). Nun aber frage ich mich: Was tust du? – Du schaust auf jedes Zeichen, du machst dieses Gesicht dazu, du schreibst die Buchstaben mit Bedacht (u. dergl.). – Das ist also das Erlebnis des Geführtwerdens? –– Da möchte ich sagen: »Nein, das ist es nicht: es ist etwas Innerlicheres, Wesentlicheres.« – Es ist, als ob zuerst all diese mehr oder weniger unwesentlichen Vorgänge in eine bestimmte Atmosphäre gekleidet wären, die sich nun verflüchtigt, wenn ich genau hinschaue. | ||
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(Es ist da ein Zusammenhang mit der Frage nach dem Wesen der Absicht, des Willens.) | (Es ist da ein Zusammenhang mit der Frage nach dem Wesen der Absicht, des Willens.) | ||
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Aber nun merke dies: ''Während'' ich mich führen lasse, ist alles ganz einfach, ich merke nichts ''besonderes''; aber danach, wenn ich mich frage, was damals geschehen ist, so scheint es etwas Unbeschreibbares gewesen zu sein. ''Danach'' genügt mir keine Beschreibung. Ich kann, sozusagen, nicht glauben, daß ich bloß hingeschaut, dieses Gesicht gemacht, den Strich gezogen habe. – Aber ''erinnere'' ich mich denn an etwas anderes? Nein; und doch kommt mir vor, als müsse etwas anderes gewesen sein; und zwar dann, wenn ich mir dabei das Wort »''führen''«, »''Einfluß''« und derlei, vorsage. »Denn ich bin doch ''geführt'' worden«, sage ich mir. – Dann erst tritt die Idee jenes ätherischen, ungreifbaren Einflusses auf. | Aber nun merke dies: ''Während'' ich mich führen lasse, ist alles ganz einfach, ich merke nichts ''besonderes''; aber danach, wenn ich mich frage, was damals geschehen ist, so scheint es etwas Unbeschreibbares gewesen zu sein. ''Danach'' genügt mir keine Beschreibung. Ich kann, sozusagen, nicht glauben, daß ich bloß hingeschaut, dieses Gesicht gemacht, den Strich gezogen habe. – Aber ''erinnere'' ich mich denn an etwas anderes? Nein; und doch kommt mir vor, als müsse etwas anderes gewesen sein; und zwar dann, wenn ich mir dabei das Wort »''führen''«, »''Einfluß''« und derlei, vorsage. »Denn ich bin doch ''geführt'' worden«, sage ich mir. – Dann erst tritt die Idee jenes ätherischen, ungreifbaren Einflusses auf. | ||
{{ParPU|176}} Ich habe, wenn ich nachträglich an das Erlebnis denke, das Gefühl, daß das Wesentliche an ihm ein ›Erlebnis eines Einflusses‹, einer Verbindung, ist – im Gegensatz zu irgendeiner bloßen Gleichzeitigkeit von Phänomenen: Zugleich aber möchte ich kein erlebtes Phänomen »Erlebnis des Einflusses« nennen. (Hier liegt die Idee: der Wille ist keine ''Erscheinung''.) Ich möchte sagen, ich hätte das ›''Weil''‹ erlebt; und doch will ich keine Erscheinung »Erlebnis des Weil« nennen. | {{ParPU|176}} Ich habe, wenn ich nachträglich an das Erlebnis denke, das Gefühl, daß das Wesentliche an ihm ein ›Erlebnis eines Einflusses‹, einer Verbindung, ist – im Gegensatz zu irgendeiner bloßen Gleichzeitigkeit von Phänomenen: Zugleich aber möchte ich kein erlebtes Phänomen »Erlebnis des Einflusses« nennen. (Hier liegt die Idee: der Wille ist keine ''Erscheinung''.) Ich möchte sagen, ich hätte das ›''Weil''‹ erlebt; und doch will ich keine Erscheinung »Erlebnis des Weil« nennen. | ||
{{ParPU|177}} Ich möchte sagen: »Ich erlebe das Weil«. Aber nicht, weil ich mich an dieses Erlebnis erinnere; sondern, weil ich beim Nachdenken darüber, was ich in so einem Fall erlebe, dies durch das Medium des Begriffes ›weil‹ (oder ›Einfluß‹, oder ›Ursache‹, oder ›Verbindung‹) anschaue. – Denn es ist freilich richtig, zu sagen, ich habe diese Linie unter dem Einfluß der Vorlage gezogen: dies liegt aber nicht einfach in dem, was ich beim Ziehen der Linie empfinde – sondern, unter Umständen, z.B. darin, daß ich sie zu der andern parallel ziehe; obwohl auch das wieder für das Geführtwerden nicht allgemein wesentlich ist. – | {{ParPU|177}} Ich möchte sagen: »Ich erlebe das Weil«. Aber nicht, weil ich mich an dieses Erlebnis erinnere; sondern, weil ich beim Nachdenken darüber, was ich in so einem Fall erlebe, dies durch das Medium des Begriffes ›weil‹ (oder ›Einfluß‹, oder ›Ursache‹, oder ›Verbindung‹) anschaue. – Denn es ist freilich richtig, zu sagen, ich habe diese Linie unter dem Einfluß der Vorlage gezogen: dies liegt aber nicht einfach in dem, was ich beim Ziehen der Linie empfinde – sondern, unter Umständen, z.B. darin, daß ich sie zu der andern parallel ziehe; obwohl auch das wieder für das Geführtwerden nicht allgemein wesentlich ist. – | ||
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Wenn ich zu mir selbst sage: »Ich werde doch geführt« – so mache ich etwa eine Handbewegung dazu, die das Führen ausdrückt. – Mach eine solche Handbewegung, gleichsam als leitetest du jemand entlang, und frage dich dann, worin ''das Führende'' dieser Bewegung besteht. Denn du hast hier ja niemand geführt. Und doch möchtest du die Bewegung eine ›führende‹ nennen. Also war in dieser Bewegung, und Empfindung, nicht das Wesen des Führens enthalten und doch drängte es dich, diese Bezeichnung zu gebrauchen. Es ist eben ''eine Erscheinungsform'' des Führens, die uns diesen Ausdruck aufdrängt. | Wenn ich zu mir selbst sage: »Ich werde doch geführt« – so mache ich etwa eine Handbewegung dazu, die das Führen ausdrückt. – Mach eine solche Handbewegung, gleichsam als leitetest du jemand entlang, und frage dich dann, worin ''das Führende'' dieser Bewegung besteht. Denn du hast hier ja niemand geführt. Und doch möchtest du die Bewegung eine ›führende‹ nennen. Also war in dieser Bewegung, und Empfindung, nicht das Wesen des Führens enthalten und doch drängte es dich, diese Bezeichnung zu gebrauchen. Es ist eben ''eine Erscheinungsform'' des Führens, die uns diesen Ausdruck aufdrängt. | ||
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Wir können uns auch den Fall vorstellen, daß im Geist des B gar nichts anderes vorfiel, als daß er plötzlich sagte »Jetzt weiß ich weiter« – etwa mit einem Gefühl der Erleichterung; und daß er nun die Reihe tatsächlich fortrechnet, ohne die Formel zu benützen. Und auch in diesem Fall würden wir – unter gewissen Umständen – sagen, er habe weiter gewußt. | Wir können uns auch den Fall vorstellen, daß im Geist des B gar nichts anderes vorfiel, als daß er plötzlich sagte »Jetzt weiß ich weiter« – etwa mit einem Gefühl der Erleichterung; und daß er nun die Reihe tatsächlich fortrechnet, ohne die Formel zu benützen. Und auch in diesem Fall würden wir – unter gewissen Umständen – sagen, er habe weiter gewußt. | ||
{{ParPU|180}} ''So werden diese Worte gebraucht''. Es wäre in diesem letzteren Fall z.B. ganz irreleitend, die Worte eine »Beschreibung eines seelischen Zustandes« zu nennen. – Eher könne man sie hier ein »Signal« nennen; und ob es richtig angewendet war, beurteilen wir nach dem, was er weiter tut. | {{ParPU|180}} ''So werden diese Worte gebraucht''. Es wäre in diesem letzteren Fall z.B. ganz irreleitend, die Worte eine »Beschreibung eines seelischen Zustandes« zu nennen. – Eher könne man sie hier ein »Signal« nennen; und ob es richtig angewendet war, beurteilen wir nach dem, was er weiter tut. | ||
{{ParPU|181}} Um dies zu verstehen, müssen wir uns auch folgendes überlegen: Angenommen, B sagt, er wisse weiter – wenn er aber nun fortsetzen will, stockt er und kann es nicht: Sollen wir dann sagen, er habe mit Unrecht gesagt, er könne fortsetzen, oder aber: er hätte damals fortsetzen können, nur jetzt könne er es nicht? – Es ist klar, daß wir in verschiedenen Fällen Verschiedenes sagen werden. (Überlege dir beide Arten von Fällen.) | {{ParPU|181}} Um dies zu verstehen, müssen wir uns auch folgendes überlegen: Angenommen, B sagt, er wisse weiter – wenn er aber nun fortsetzen will, stockt er und kann es nicht: Sollen wir dann sagen, er habe mit Unrecht gesagt, er könne fortsetzen, oder aber: er hätte damals fortsetzen können, nur jetzt könne er es nicht? – Es ist klar, daß wir in verschiedenen Fällen Verschiedenes sagen werden. (Überlege dir beide Arten von Fällen.) | ||
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(Diese Rolle ist es, die wir verstehen müssen, um philosophische Paradoxe aufzulösen. Und darum genügt dazu gewöhnlich nicht eine Definition; und schon erst recht nicht die Feststellung, ein Wort sei ›undefinierbar‹.) | (Diese Rolle ist es, die wir verstehen müssen, um philosophische Paradoxe aufzulösen. Und darum genügt dazu gewöhnlich nicht eine Definition; und schon erst recht nicht die Feststellung, ein Wort sei ›undefinierbar‹.) | ||
{{ParPU|183}} Wie aber, – hat nun der Satz »Jetzt kann ich fortsetzen« im Fall (151) das Gleiche geheißen, wie »Jetzt ist mir die Formel eingefallen«, oder etwas anderes? Wir können sagen, daß dieser Satz, unter diesen Umständen, den gleichen Sinn habe (das Gleiche leiste) wie jener. Aber auch, daß, ''allgemein'', diese beiden Sätze nicht den gleichen Sinn haben. Wir sagen auch: »Jetzt kann ich fortsetzen, ich meine, ich weiß die Formel«; wie wir sagen: »Ich kann gehen, d.h., ich habe Zeit«; aber auch: »Ich kann gehen, d.h., ich bin schon stark genug«; oder: »Ich kann gehen, was den Zustand meines Beins anbelangt«, wenn wir nämlich ''diese'' Bedingung des Gehens andern Bedingungen entgegensetzen. Hier müssen wir uns aber hüten, zu glauben, es gebe, entsprechend der Natur des Falles, eine ''Gesamtheit'' aller Bedingungen (z.B. dafür daß Einer geht), so daß er, sozusagen, nicht anders als gehen ''könnte'', wenn sie alle erfüllt sind. | {{ParPU|183}} Wie aber, – hat nun der Satz »Jetzt kann ich fortsetzen« im Fall (151) das Gleiche geheißen, wie »Jetzt ist mir die Formel eingefallen«, oder etwas anderes? Wir können sagen, daß dieser Satz, unter diesen Umständen, den gleichen Sinn habe (das Gleiche leiste) wie jener. Aber auch, daß, ''allgemein'', diese beiden Sätze nicht den gleichen Sinn haben. Wir sagen auch: »Jetzt kann ich fortsetzen, ich meine, ich weiß die Formel«; wie wir sagen: »Ich kann gehen, d.h., ich habe Zeit«; aber auch: »Ich kann gehen, d.h., ich bin schon stark genug«; oder: »Ich kann gehen, was den Zustand meines Beins anbelangt«, wenn wir nämlich ''diese'' Bedingung des Gehens andern Bedingungen entgegensetzen. Hier müssen wir uns aber hüten, zu glauben, es gebe, entsprechend der Natur des Falles, eine ''Gesamtheit'' aller Bedingungen (z.B. dafür daß Einer geht), so daß er, sozusagen, nicht anders als gehen ''könnte'', wenn sie alle erfüllt sind. | ||
{{ParPU|184}} Ich will mich an eine Melodie erinnern und sie fällt mir nicht ein; plötzlich sage ich »Jetzt weiß ich’s!«, und singe sie. Wie war es, als ich sie plötzlich wußte? Sie konnte mir doch nicht in diesem Moment ''ganz'' eingefallen sein! – Du sagst vielleicht: »Es ist ein bestimmtes Gefühl, als wäre sie jetzt ''da''« – aber ''ist'' sie jetzt da? Wie, wenn ich nun anfange, sie zu singen und stecken bleibe? –– Ja aber konnte ich nicht doch in diesem Moment ''sicher'' sein, daß ich sie wüßte? Sie war also eben doch in irgendeinem Sinne ''da''! –– Aber in welchem Sinne? Du sagst wohl, die Melodie sei da, wenn er sie etwa durchsingt, oder von Anfang zu Ende vor dem Innern Ohr hört. Ich leugne natürlich nicht, daß der Aussage, die Melodie sei da, auch ein ganz anderer Sinn gegeben werden kann – z.B. der, ich hätte einen Zettel, auf dem sie aufgeschrieben steht. – Und worin besteht es denn, daß er ›sicher‹ ist, er wisse sie? – Man kann natürlich sagen: Wenn jemand mit Überzeugung sagt, jetzt wisse er die Melodie, so steht sie in diesem Augenblick (irgendwie) ganz vor seinem Geist –– und dies ist eine Erklärung der Worte: »die Melodie steht ganz vor seinem Geist«. | {{ParPU|184}} Ich will mich an eine Melodie erinnern und sie fällt mir nicht ein; plötzlich sage ich »Jetzt weiß ich’s!«, und singe sie. Wie war es, als ich sie plötzlich wußte? Sie konnte mir doch nicht in diesem Moment ''ganz'' eingefallen sein! – Du sagst vielleicht: »Es ist ein bestimmtes Gefühl, als wäre sie jetzt ''da''« – aber ''ist'' sie jetzt da? Wie, wenn ich nun anfange, sie zu singen und stecken bleibe? –– Ja aber konnte ich nicht doch in diesem Moment ''sicher'' sein, daß ich sie wüßte? Sie war also eben doch in irgendeinem Sinne ''da''! –– Aber in welchem Sinne? Du sagst wohl, die Melodie sei da, wenn er sie etwa durchsingt, oder von Anfang zu Ende vor dem Innern Ohr hört. Ich leugne natürlich nicht, daß der Aussage, die Melodie sei da, auch ein ganz anderer Sinn gegeben werden kann – z.B. der, ich hätte einen Zettel, auf dem sie aufgeschrieben steht. – Und worin besteht es denn, daß er ›sicher‹ ist, er wisse sie? – Man kann natürlich sagen: Wenn jemand mit Überzeugung sagt, jetzt wisse er die Melodie, so steht sie in diesem Augenblick (irgendwie) ganz vor seinem Geist –– und dies ist eine Erklärung der Worte: »die Melodie steht ganz vor seinem Geist«. | ||
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Wir sagen ihm: »Schau, was du machst!« – Er versteht uns nicht. Wir sagen: »Du solltest doch ''zwei'' addieren; schau, wie du die Reihe begonnen hast!« – Er antwortet: »Ja! Ist es denn nicht richtig? Ich dachte, so ''soll'' ich’s machen.« –– Oder nimm an, er sagte, auf die Reihe weisend: »Ich bin doch auf die gleiche Weise fortgefahren!« – Es würde uns nun nichts nützen, zu sagen »Aber siehst du denn nicht…?« – und ihm die alten Erklärungen und Beispiele zu wiederholen. – Wir könnten in so einem Falle etwa sagen: Dieser Mensch versteht von Natur aus jenen Befehl, auf unsre Erklärungen hin, so, wie ''wir'' den Befehl: »Addiere bis 1000 immer 2, bis 2000 4, bis 3000 6, etc.«. Dieser Fall hätte Ähnlichkeit mit dem, als reagierte ein Mensch auf eine zeigende Gebärde der Hand von Natur damit, daß er in der Richtung von der Fingerspitze zur Handwurzel blickt, statt in der Richtung zur Fingerspitze. | Wir sagen ihm: »Schau, was du machst!« – Er versteht uns nicht. Wir sagen: »Du solltest doch ''zwei'' addieren; schau, wie du die Reihe begonnen hast!« – Er antwortet: »Ja! Ist es denn nicht richtig? Ich dachte, so ''soll'' ich’s machen.« –– Oder nimm an, er sagte, auf die Reihe weisend: »Ich bin doch auf die gleiche Weise fortgefahren!« – Es würde uns nun nichts nützen, zu sagen »Aber siehst du denn nicht…?« – und ihm die alten Erklärungen und Beispiele zu wiederholen. – Wir könnten in so einem Falle etwa sagen: Dieser Mensch versteht von Natur aus jenen Befehl, auf unsre Erklärungen hin, so, wie ''wir'' den Befehl: »Addiere bis 1000 immer 2, bis 2000 4, bis 3000 6, etc.«. Dieser Fall hätte Ähnlichkeit mit dem, als reagierte ein Mensch auf eine zeigende Gebärde der Hand von Natur damit, daß er in der Richtung von der Fingerspitze zur Handwurzel blickt, statt in der Richtung zur Fingerspitze. | ||
{{ParPU|186}} »Was du sagst, läuft also darauf hinaus, es sei zum richtigen Befolgen des Befehls ›+n‹ auf jeder Stufe eine neue Einsicht – Intuition – nötig.« – Zur richtigen Befolgung! Wie wird denn entschieden, welches an einem bestimmten Punkt der richtige Schritt ist? – »Der richtige Schritt ist der, welcher mit dem Befehl – wie er ''gemeint'' war – übereinstimmt.« – Du hast also zur Zeit, als du den Befehl »+2« gabst, gemeint, er solle auf 1000 1002 schreiben – und hast du damals auch gemeint, er solle auf 1866 1868 schreiben, und auf 100054 100036, usf. – eine unendliche Anzahl solcher Sätze? – »Nein; ich habe gemeint, er solle nach ''jeder'' Zahl, die er schreibt, die zweitnächste schreiben; und daraus folgen ihres Orts alle jene Sätze.« – Aber es ist ja gerade die Frage, was, an irgendeinem Ort, aus jenem Satz folgt. Oder auch – was wir an irgendeinem Ort »Übereinstimmung« mit jenem Satz nennen sollen (und auch mit der ''Meinung'', die du damals dem Satz gegeben hast, – worin immer diese bestanden haben mag). Richtiger, als zu sagen, es sei an jedem Punkt eine Intuition nötig, wäre beinah, zu sagen: es sei an jedem Punkt eine neue Entscheidung nötig. | {{ParPU|186}} »Was du sagst, läuft also darauf hinaus, es sei zum richtigen Befolgen des Befehls ›+n‹ auf jeder Stufe eine neue Einsicht – Intuition – nötig.« – Zur richtigen Befolgung! Wie wird denn entschieden, welches an einem bestimmten Punkt der richtige Schritt ist? – »Der richtige Schritt ist der, welcher mit dem Befehl – wie er ''gemeint'' war – übereinstimmt.« – Du hast also zur Zeit, als du den Befehl »+2« gabst, gemeint, er solle auf 1000 1002 schreiben – und hast du damals auch gemeint, er solle auf 1866 1868 schreiben, und auf 100054 100036, usf. – eine unendliche Anzahl solcher Sätze? – »Nein; ich habe gemeint, er solle nach ''jeder'' Zahl, die er schreibt, die zweitnächste schreiben; und daraus folgen ihres Orts alle jene Sätze.« – Aber es ist ja gerade die Frage, was, an irgendeinem Ort, aus jenem Satz folgt. Oder auch – was wir an irgendeinem Ort »Übereinstimmung« mit jenem Satz nennen sollen (und auch mit der ''Meinung'', die du damals dem Satz gegeben hast, – worin immer diese bestanden haben mag). Richtiger, als zu sagen, es sei an jedem Punkt eine Intuition nötig, wäre beinah, zu sagen: es sei an jedem Punkt eine neue Entscheidung nötig. | ||
{{ParPU|187}} »Ich habe aber doch auch damals, als ich den Befehl gab, schon gewußt, daß er auf 1000 1002 schreiben soll!« – Gewiß; und du kannst sogar sagen, du habest es damals ''gemeint''; nur sollst du dich nicht von der Grammatik der Wörter »wissen« und »meinen« irreführen lassen. Denn du meinst ja nicht, daß du damals an den Übergang von 1000 auf 1002 gedacht hast – und wenn auch an diesen Übergang, so doch an andre nicht. Dein »Ich habe damals schon gewußt…« heißt etwa: »Hätte man mich damals gefragt, welche Zahl er nach 1000 schreiben soll, so hätte ich geantwortet ›1002‹.« Und daran zweifle ich nicht. Es ist das eine Annahme etwa von der Art dieser: »Wenn er damals ins Wasser gefallen wäre, so wäre ich ihm nachgesprungen.« – Worin lag nun das Irrige deiner Idee? | {{ParPU|187}} »Ich habe aber doch auch damals, als ich den Befehl gab, schon gewußt, daß er auf 1000 1002 schreiben soll!« – Gewiß; und du kannst sogar sagen, du habest es damals ''gemeint''; nur sollst du dich nicht von der Grammatik der Wörter »wissen« und »meinen« irreführen lassen. Denn du meinst ja nicht, daß du damals an den Übergang von 1000 auf 1002 gedacht hast – und wenn auch an diesen Übergang, so doch an andre nicht. Dein »Ich habe damals schon gewußt…« heißt etwa: »Hätte man mich damals gefragt, welche Zahl er nach 1000 schreiben soll, so hätte ich geantwortet ›1002‹.« Und daran zweifle ich nicht. Es ist das eine Annahme etwa von der Art dieser: »Wenn er damals ins Wasser gefallen wäre, so wäre ich ihm nachgesprungen.« – Worin lag nun das Irrige deiner Idee? | ||
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Du warst also zu Ausdrücken geneigt, wie: »Die Übergänge sind ''eigentlich'' schon gemacht; auch ehe ich sie schriftlich, mündlich, oder in Gedanken mache.« Und es schien, als wären sie in einer ''einzigartigen'' Weise vorausbestimmt, antizipiert – wie nur das Meinen die Wirklichkeit antizipieren könne. | Du warst also zu Ausdrücken geneigt, wie: »Die Übergänge sind ''eigentlich'' schon gemacht; auch ehe ich sie schriftlich, mündlich, oder in Gedanken mache.« Und es schien, als wären sie in einer ''einzigartigen'' Weise vorausbestimmt, antizipiert – wie nur das Meinen die Wirklichkeit antizipieren könne. | ||
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Wir können anderseits verschiedene Arten von Formeln, und zu ihnen gehörige verschiedene Arten der Verwendung (verschiedene Arten der Abrichtung) einander entgegensetzen. Wir ''nennen'' dann Formeln einer bestimmten Art (und der dazugehörigen Verwendungsweise) »Formeln, welche eine Zahl y für ein gegebenes x bestimmen«, und Formeln anderer Art solche, »die die Zahl y für ein gegebenes x nicht bestimmen«. (y = x² wäre von der ersten Art, y ≠ x² von der zweiten.) Der Satz »Die Formel … bestimmt eine Zahl y« ist dann eine Aussage über die Form der Formel – und es ist nun zu unterscheiden ein Satz wie dieser: »Die Formel, die ich hingeschrieben habe, bestimmt y« oder »Hier steht eine Formel, die y bestimmt« – von einem Satz der Art: »Die Formel y = x² bestimmt die Zahl y für ein gegebenes x«. Die Frage »Steht dort eine Formel, die y bestimmt?« heißt dann dasselbe wie: »Steht dort eine Formel dieser Art, oder jener Art?« – was wir aber mit der Frage anfangen sollen »Ist y = x² eine Formel, die y für ein gegebenes x bestimmt?« ist nicht ohne weiteres klar. Diese Frage könnte man etwa an einen Schüler richten, um zu prüfen, ob er die Verwendung des Wortes »bestimmen« versteht; oder es könnte eine mathematische Aufgabe sein, in einem bestimmten System zu beweisen, daß x nur ein Quadrat besitzt. | Wir können anderseits verschiedene Arten von Formeln, und zu ihnen gehörige verschiedene Arten der Verwendung (verschiedene Arten der Abrichtung) einander entgegensetzen. Wir ''nennen'' dann Formeln einer bestimmten Art (und der dazugehörigen Verwendungsweise) »Formeln, welche eine Zahl y für ein gegebenes x bestimmen«, und Formeln anderer Art solche, »die die Zahl y für ein gegebenes x nicht bestimmen«. (y = x² wäre von der ersten Art, y ≠ x² von der zweiten.) Der Satz »Die Formel … bestimmt eine Zahl y« ist dann eine Aussage über die Form der Formel – und es ist nun zu unterscheiden ein Satz wie dieser: »Die Formel, die ich hingeschrieben habe, bestimmt y« oder »Hier steht eine Formel, die y bestimmt« – von einem Satz der Art: »Die Formel y = x² bestimmt die Zahl y für ein gegebenes x«. Die Frage »Steht dort eine Formel, die y bestimmt?« heißt dann dasselbe wie: »Steht dort eine Formel dieser Art, oder jener Art?« – was wir aber mit der Frage anfangen sollen »Ist y = x² eine Formel, die y für ein gegebenes x bestimmt?« ist nicht ohne weiteres klar. Diese Frage könnte man etwa an einen Schüler richten, um zu prüfen, ob er die Verwendung des Wortes »bestimmen« versteht; oder es könnte eine mathematische Aufgabe sein, in einem bestimmten System zu beweisen, daß x nur ein Quadrat besitzt. | ||
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''So'' kann also das Meinen die Übergänge zum Voraus bestimmen. | ''So'' kann also das Meinen die Übergänge zum Voraus bestimmen. | ||
{{ParPU|191}} »Es ist, als könnten wir die ganze Verwendung des Wortes mit einem Schlage erfassen.« – Wie ''was'' z. B.? – ''Kann'' man sie nicht – in gewissem Sinne – mit einem Schlag erfassen? Und in ''welchem'' Sinne kannst du dies nicht? – Es ist eben, als könnten wir sie in einem noch viel direkteren Sinne ›mit einem Schlag erfassen‹. – Aber hast du dafür ein Vorbild? Nein. Es bietet sich uns nur diese Ausdrucksweise an. Als das Resultat sich kreuzender Bilder. | {{ParPU|191}} »Es ist, als könnten wir die ganze Verwendung des Wortes mit einem Schlage erfassen.« – Wie ''was'' z. B.? – ''Kann'' man sie nicht – in gewissem Sinne – mit einem Schlag erfassen? Und in ''welchem'' Sinne kannst du dies nicht? – Es ist eben, als könnten wir sie in einem noch viel direkteren Sinne ›mit einem Schlag erfassen‹. – Aber hast du dafür ein Vorbild? Nein. Es bietet sich uns nur diese Ausdrucksweise an. Als das Resultat sich kreuzender Bilder. | ||
{{ParPU|192}} Du hast kein Vorbild dieser übermäßigen Tatsache, aber du wirst dazu verführt, einen Über-Ausdruck zu gebrauchen. (Man könnte das einen philosophischen Superlativ nennen.) | {{ParPU|192}} Du hast kein Vorbild dieser übermäßigen Tatsache, aber du wirst dazu verführt, einen Über-Ausdruck zu gebrauchen. (Man könnte das einen philosophischen Superlativ nennen.) | ||
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Wenn wir aber bedenken, daß sich die Maschine auch anders hätte bewegen können, so kann es nun scheinen, als müßte in der Maschine, als Symbol, ihre Bewegungsart noch viel bestimmter enthalten sein als in der wirklichen Maschine. Es genüge da nicht, daß dies die erfahrungsmäßig vorausbestimmten Bewegungen seien, sondern sie müßten eigentlich – in einem mysteriösen Sinne – bereits ''gegenwärtig'' sein. Und es ist ja wahr: die Bewegung des Maschinensymbols ist in anderer Weise vorausbestimmt als die einer gegebenen wirklichen Maschine. | Wenn wir aber bedenken, daß sich die Maschine auch anders hätte bewegen können, so kann es nun scheinen, als müßte in der Maschine, als Symbol, ihre Bewegungsart noch viel bestimmter enthalten sein als in der wirklichen Maschine. Es genüge da nicht, daß dies die erfahrungsmäßig vorausbestimmten Bewegungen seien, sondern sie müßten eigentlich – in einem mysteriösen Sinne – bereits ''gegenwärtig'' sein. Und es ist ja wahr: die Bewegung des Maschinensymbols ist in anderer Weise vorausbestimmt als die einer gegebenen wirklichen Maschine. | ||
Line 1,406: | Line 1,233: | ||
Wir achten auf unsere eigene Ausdrucksweise, diese Dinge betreffend, verstehen sie aber nicht, sondern mißdeuten sie. Wir sind, wenn wir philosophieren, wie wilde, primitive Menschen, die die Ausdrucksweise zivilisierter Menschen hören, sie mißdeuten und nun die seltsamsten Schlüsse aus ihrer Deutung ziehen. | Wir achten auf unsere eigene Ausdrucksweise, diese Dinge betreffend, verstehen sie aber nicht, sondern mißdeuten sie. Wir sind, wenn wir philosophieren, wie wilde, primitive Menschen, die die Ausdrucksweise zivilisierter Menschen hören, sie mißdeuten und nun die seltsamsten Schlüsse aus ihrer Deutung ziehen. | ||
{{ParPU|195}} »Aber ich meine nicht, daß, was ich jetzt (beim Erfassen) tue, die künftige Verwendung ''kausal'' und erfahrungsmäßig bestimmt, sondern daß, in einer ''seltsamen'' Weise, diese Verwendung selbst in irgendeinem Sinne, gegenwärtig ist.« – Aber ›in ''irgendeinem'' Sinne‹ ist sie es ja! Eigentlich ist an dem, was du sagst, falsch nur der Ausdruck »in seltsamer Weise«. Das Übrige ist richtig; und seltsam erscheint der Satz nur, wenn man sich zu ihm ein anderes Sprachspiel vorstellt als das, worin wir ihn tatsächlich verwenden. (Jemand sagte mir, er habe sich als Kind darüber gewundert, daß der Schneider ›''ein Kleid nähen könne''‹ – er dachte, dies heiße, es werde durch bloßes Nähen ein Kleid erzeugt, indem man Faden an Faden näht.) | {{ParPU|195}} »Aber ich meine nicht, daß, was ich jetzt (beim Erfassen) tue, die künftige Verwendung ''kausal'' und erfahrungsmäßig bestimmt, sondern daß, in einer ''seltsamen'' Weise, diese Verwendung selbst in irgendeinem Sinne, gegenwärtig ist.« – Aber ›in ''irgendeinem'' Sinne‹ ist sie es ja! Eigentlich ist an dem, was du sagst, falsch nur der Ausdruck »in seltsamer Weise«. Das Übrige ist richtig; und seltsam erscheint der Satz nur, wenn man sich zu ihm ein anderes Sprachspiel vorstellt als das, worin wir ihn tatsächlich verwenden. (Jemand sagte mir, er habe sich als Kind darüber gewundert, daß der Schneider ›''ein Kleid nähen könne''‹ – er dachte, dies heiße, es werde durch bloßes Nähen ein Kleid erzeugt, indem man Faden an Faden näht.) | ||
{{ParPU|196}} Die unverstandene Verwendung des Wortes wird als Ausdruck eines seltsamen ''Vorgangs'' gedeutet. (Wie man sich die Zeit als seltsames Medium, die Seele als seltsames Wesen denkt.) | {{ParPU|196}} Die unverstandene Verwendung des Wortes wird als Ausdruck eines seltsamen ''Vorgangs'' gedeutet. (Wie man sich die Zeit als seltsames Medium, die Seele als seltsames Wesen denkt.) | ||
{{ParPU|197}} »Es ist, als könnten wir die ganze Verwendung des Wortes mit einem Schlag erfassen.« – Wir sagen ja, daß wir es tun. D.h., wir beschreiben ja manchmal, was wir tun, mit diesen Worten. Aber es ist an dem, was geschieht, nichts Erstaunliches, nichts Seltsames. Seltsam wird es, wenn wir dazu geführt werden, zu denken, daß die künftige Entwicklung auf irgendeine Weise schon im Akt des Erfassens gegenwärtig sein muß und doch nicht gegenwärtig ist. – Denn wir sagen, es sei kein Zweifel, daß wir dies Wort verstehen, und anderseits liegt seine Bedeutung in seiner Verwendung. Es ist kein Zweifel, daß ich jetzt Schach spielen will; aber das Schachspiel ist dies Spiel durch alle seine Regeln (u. s. f.). Weiß ich also nicht, was ich spielen wollte, ehe ich gespielt ''habe?'' oder aber, sind alle Regeln in meinem Akt der Intention enthalten? Ist es nun Erfahrung, die mich lehrt, daß auf diesen Akt der Intention für gewöhnlich diese Art des Spielens folgt? Kann ich also doch nicht sicher sein, was ich zu tun beabsichtigte? Und wenn dies Unsinn ist, – welcherlei über-starre Verbindung besteht zwischen dem Akt der Absicht und dem Beabsichtigten? –– Wo ist die Verbindung gemacht zwischen dem Sinn der Worte »Spielen wir eine Partie Schach!« und allen Regeln des Spiels? – Nun, im Regelverzeichnis des Spiels, im Schachunterricht, in der täglichen Praxis des Spielens. | {{ParPU|197}} »Es ist, als könnten wir die ganze Verwendung des Wortes mit einem Schlag erfassen.« – Wir sagen ja, daß wir es tun. D.h., wir beschreiben ja manchmal, was wir tun, mit diesen Worten. Aber es ist an dem, was geschieht, nichts Erstaunliches, nichts Seltsames. Seltsam wird es, wenn wir dazu geführt werden, zu denken, daß die künftige Entwicklung auf irgendeine Weise schon im Akt des Erfassens gegenwärtig sein muß und doch nicht gegenwärtig ist. – Denn wir sagen, es sei kein Zweifel, daß wir dies Wort verstehen, und anderseits liegt seine Bedeutung in seiner Verwendung. Es ist kein Zweifel, daß ich jetzt Schach spielen will; aber das Schachspiel ist dies Spiel durch alle seine Regeln (u. s. f.). Weiß ich also nicht, was ich spielen wollte, ehe ich gespielt ''habe?'' oder aber, sind alle Regeln in meinem Akt der Intention enthalten? Ist es nun Erfahrung, die mich lehrt, daß auf diesen Akt der Intention für gewöhnlich diese Art des Spielens folgt? Kann ich also doch nicht sicher sein, was ich zu tun beabsichtigte? Und wenn dies Unsinn ist, – welcherlei über-starre Verbindung besteht zwischen dem Akt der Absicht und dem Beabsichtigten? –– Wo ist die Verbindung gemacht zwischen dem Sinn der Worte »Spielen wir eine Partie Schach!« und allen Regeln des Spiels? – Nun, im Regelverzeichnis des Spiels, im Schachunterricht, in der täglichen Praxis des Spielens. | ||
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Aber damit hast du nur einen kausalen Zusammenhang angegeben, nur erklärt, wie es dazu kam, daß wir uns jetzt nach dem Wegweiser richten; nicht, worin dieses Dem-Zeichen-Folgen eigentlich besteht. Nein; ich habe auch noch angedeutet, daß sich Einer nur insofern nach einem Wegweiser richtet, als es einen ständigen Gebrauch, eine Gepflogenheit, gibt. | Aber damit hast du nur einen kausalen Zusammenhang angegeben, nur erklärt, wie es dazu kam, daß wir uns jetzt nach dem Wegweiser richten; nicht, worin dieses Dem-Zeichen-Folgen eigentlich besteht. Nein; ich habe auch noch angedeutet, daß sich Einer nur insofern nach einem Wegweiser richtet, als es einen ständigen Gebrauch, eine Gepflogenheit, gibt. | ||
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Einen Satz verstehen, heißt, eine Sprache verstehen. Eine Sprache verstehen, heißt, eine Technik beherrschen. | Einen Satz verstehen, heißt, eine Sprache verstehen. Eine Sprache verstehen, heißt, eine Technik beherrschen. | ||
Line 1,445: | Line 1,266: | ||
Darum besteht eine Neigung, zu sagen: jedes Handeln nach der Regel sei ein Deuten. »Deuten« aber sollte man nur nennen: einen Ausdruck der Regel durch einen anderen ersetzen. | Darum besteht eine Neigung, zu sagen: jedes Handeln nach der Regel sei ein Deuten. »Deuten« aber sollte man nur nennen: einen Ausdruck der Regel durch einen anderen ersetzen. | ||
{{ParPU|202}} Darum ist ›der Regel folgen‹ eine Praxis. Und der Regel zu folgen ''glauben'' ist nicht: der Regel folgen. Und darum kann man nicht der Regel ›privatim‹ folgen, weil sonst der Regel zu folgen glauben dasselbe wäre, wie der Regel folgen. | {{ParPU|202}} Darum ist ›der Regel folgen‹ eine Praxis. Und der Regel zu folgen ''glauben'' ist nicht: der Regel folgen. Und darum kann man nicht der Regel ›privatim‹ folgen, weil sonst der Regel zu folgen glauben dasselbe wäre, wie der Regel folgen. | ||
{{ParPU|203}} Die Sprache ist ein Labyrinth von Wegen. Du kommst von ''einer'' Seite und kennst dich aus; du kommst von einer andern zur selben Stelle, und kennst dich nicht mehr aus. | {{ParPU|203}} Die Sprache ist ein Labyrinth von Wegen. Du kommst von ''einer'' Seite und kennst dich aus; du kommst von einer andern zur selben Stelle, und kennst dich nicht mehr aus. | ||
{{ParPU|204}} Ich kann etwa, wie die Sachen stehen, ein Spiel erfinden, das nie von jemandem gespielt wird. – Wäre aber auch dies möglich: Die Menschheit habe nie Spiele gespielt; einmal aber hat Einer ein Spiel erfunden, – das dann allerdings nie gespielt wurde? | {{ParPU|204}} Ich kann etwa, wie die Sachen stehen, ein Spiel erfinden, das nie von jemandem gespielt wird. – Wäre aber auch dies möglich: Die Menschheit habe nie Spiele gespielt; einmal aber hat Einer ein Spiel erfunden, – das dann allerdings nie gespielt wurde? | ||
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Ist aber das Schachspiel nicht durch seine Regeln definiert? Und wie sind diese Regeln im Geist dessen gegenwärtig, der beabsichtigt, Schach zu spielen? | Ist aber das Schachspiel nicht durch seine Regeln definiert? Und wie sind diese Regeln im Geist dessen gegenwärtig, der beabsichtigt, Schach zu spielen? | ||
Line 1,471: | Line 1,287: | ||
Die gemeinsame menschliche Handlungsweise ist das Bezugssystem, mittels dessen wir uns eine fremde Sprache deuten. | Die gemeinsame menschliche Handlungsweise ist das Bezugssystem, mittels dessen wir uns eine fremde Sprache deuten. | ||
Line 1,479: | Line 1,294: | ||
Zu dem, was wir »Sprache« nennen, fehlt die Regelmäßigkeit. | Zu dem, was wir »Sprache« nennen, fehlt die Regelmäßigkeit. | ||
Line 1,495: | Line 1,309: | ||
Ein Unterricht, der bei den vorgeführten Beispielen stehen bleiben will, unterscheidet sich von einem, der über sie ›''hinausweist''‹. | Ein Unterricht, der bei den vorgeführten Beispielen stehen bleiben will, unterscheidet sich von einem, der über sie ›''hinausweist''‹. | ||
Line 1,503: | Line 1,316: | ||
Ist es, wie wenn ich das nicht Begrenzte als Länge deute, die über jede Länge hinausreicht? | Ist es, wie wenn ich das nicht Begrenzte als Länge deute, die über jede Länge hinausreicht? | ||
{{ParPU|210}} »Aber erklärst du ihm wirklich, was du selber verstehst? Läßt du ihn das Wesentliche nicht ''erraten''? Du gibst ihm Beispiele, – er aber muß ihre Tendenz erraten, also deine Absicht.« – Jede Erklärung, die ich mir selbst geben kann, gebe ich auch ihm. – »Er errät, was ich meine« würde heißen: ihm schweben verschiedene Deutungen meiner Erklärung vor, und errät auf eine von ihnen. Er könnte also in diesem Falle fragen; und ich könnte, und würde, ihm antworten. | {{ParPU|210}} »Aber erklärst du ihm wirklich, was du selber verstehst? Läßt du ihn das Wesentliche nicht ''erraten''? Du gibst ihm Beispiele, – er aber muß ihre Tendenz erraten, also deine Absicht.« – Jede Erklärung, die ich mir selbst geben kann, gebe ich auch ihm. – »Er errät, was ich meine« würde heißen: ihm schweben verschiedene Deutungen meiner Erklärung vor, und errät auf eine von ihnen. Er könnte also in diesem Falle fragen; und ich könnte, und würde, ihm antworten. | ||
{{ParPU|211}} »Wie immer du ihn im Fortführen des Reihenornaments unterrichtest, – wie kann er ''wissen'', wie er selbständig fortzusetzen hat?« – Nun, wie weiß ''ich’s''? –– Wenn das heißt »Habe ich Gründe?«, so ist die Antwort: die Gründe werden mir bald ausgehen. Und ich werde dann, ohne Gründe, handeln. | {{ParPU|211}} »Wie immer du ihn im Fortführen des Reihenornaments unterrichtest, – wie kann er ''wissen'', wie er selbständig fortzusetzen hat?« – Nun, wie weiß ''ich’s''? –– Wenn das heißt »Habe ich Gründe?«, so ist die Antwort: die Gründe werden mir bald ausgehen. Und ich werde dann, ohne Gründe, handeln. | ||
{{ParPU|212}} Wenn jemand, den ich fürchte, mir den Befehl gibt, die Reihe fortzusetzen, so werde ich schleunig, mit völliger Sicherheit, handeln, und das Fehlen der Gründe stört mich nicht. | {{ParPU|212}} Wenn jemand, den ich fürchte, mir den Befehl gibt, die Reihe fortzusetzen, so werde ich schleunig, mit völliger Sicherheit, handeln, und das Fehlen der Gründe stört mich nicht. | ||
Line 1,523: | Line 1,332: | ||
((Die Intuition eine unnötige Ausrede.)) | ((Die Intuition eine unnötige Ausrede.)) | ||
{{ParPU|214}} Ist eine Intuition zum Entwickeln der Reihe 1 2 3 4 … nötig, dann auch zum Entwickeln der Reihe 2 2 2 2 … | {{ParPU|214}} Ist eine Intuition zum Entwickeln der Reihe 1 2 3 4 … nötig, dann auch zum Entwickeln der Reihe 2 2 2 2 … | ||
Line 1,535: | Line 1,342: | ||
Also sind zwei Dinge gleich, wenn sie so sind, wie ''ein'' Ding? Und wie soll ich nun das, was mir das ''eine'' Ding zeigt, auf den Fall der zwei anwenden? | Also sind zwei Dinge gleich, wenn sie so sind, wie ''ein'' Ding? Und wie soll ich nun das, was mir das ''eine'' Ding zeigt, auf den Fall der zwei anwenden? | ||
Line 1,545: | Line 1,351: | ||
»Jeder Farbfleck paßt genau in seine Umgebung« ist ein etwas spezialisierter Satz der Identität. | »Jeder Farbfleck paßt genau in seine Umgebung« ist ein etwas spezialisierter Satz der Identität. | ||
Line 1,553: | Line 1,358: | ||
(Erinnere dich, daß wir manchmal Erklärungen fordern nicht ihres Inhalts wegen, sondern der Form der Erklärung wegen. Unsere Forderung ist eine architektonische; die Erklärung eine Art Scheingesims, das nichts trägt.) | (Erinnere dich, daß wir manchmal Erklärungen fordern nicht ihres Inhalts wegen, sondern der Form der Erklärung wegen. Unsere Forderung ist eine architektonische; die Erklärung eine Art Scheingesims, das nichts trägt.) | ||
{{ParPU|218}} Woher die Idee, es wäre die angefangene Reihe ein sichtbares Stück unsichtbar bis ins Unendliche gelegter Geleise? Nun, statt der Regel könnten wir uns Geleise denken. Und der nicht begrenzten Anwendung der Regel entsprechen unendlich lange Geleise. | {{ParPU|218}} Woher die Idee, es wäre die angefangene Reihe ein sichtbares Stück unsichtbar bis ins Unendliche gelegter Geleise? Nun, statt der Regel könnten wir uns Geleise denken. Und der nicht begrenzten Anwendung der Regel entsprechen unendlich lange Geleise. | ||
Line 1,567: | Line 1,370: | ||
Ich folge der Regel ''blind''. | Ich folge der Regel ''blind''. | ||
{{ParPU|220}} Welchen Zweck hat aber jener symbolische Satz? Er sollte einen Unterschied hervorheben zwischen kausaler Bedingtheit und logischer Bedingtheit. | {{ParPU|220}} Welchen Zweck hat aber jener symbolische Satz? Er sollte einen Unterschied hervorheben zwischen kausaler Bedingtheit und logischer Bedingtheit. | ||
{{ParPU|221}} Mein symbolischer Ausdruck war eigentlich eine mythologische Beschreibung des Gebrauchs einer Regel. | {{ParPU|221}} Mein symbolischer Ausdruck war eigentlich eine mythologische Beschreibung des Gebrauchs einer Regel. | ||
{{ParPU|222}} »Die Linie gibt’s mir ein, wie ich gehen soll.« – Aber das ist natürlich nur ein Bild. Und urteile ich, sie gebe mir, gleichsam verantwortungslos, dies oder das ein, so würde ich nicht sagen, ich folgte ihr als einer Regel. | {{ParPU|222}} »Die Linie gibt’s mir ein, wie ich gehen soll.« – Aber das ist natürlich nur ein Bild. Und urteile ich, sie gebe mir, gleichsam verantwortungslos, dies oder das ein, so würde ich nicht sagen, ich folgte ihr als einer Regel. | ||
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Man könnte dem, den man abrichtet, sagen: »Sieh, ich tue immer das Gleiche: ich …« | Man könnte dem, den man abrichtet, sagen: »Sieh, ich tue immer das Gleiche: ich …« | ||
{{ParPU|224}} Das Wort »Übereinstimmung« und das Wort »Regel« sind miteinander ''verwandt'', sie sind Vettern. Lehre ich Einen den Gebrauch des einen Wortes, so lernt er damit auch den Gebrauch des andern. | {{ParPU|224}} Das Wort »Übereinstimmung« und das Wort »Regel« sind miteinander ''verwandt'', sie sind Vettern. Lehre ich Einen den Gebrauch des einen Wortes, so lernt er damit auch den Gebrauch des andern. | ||
{{ParPU|225}} Die Verwendung des Wortes »Regel« ist mit der Verwendung des Wortes »gleich« verwoben. (Wie die Verwendung von »Satz« mit der Verwendung von »wahr«.) | {{ParPU|225}} Die Verwendung des Wortes »Regel« ist mit der Verwendung des Wortes »gleich« verwoben. (Wie die Verwendung von »Satz« mit der Verwendung von »wahr«.) | ||
Line 1,599: | Line 1,395: | ||
Wer von einem Tag auf den andern verspricht »Morgen will ich dich besuchen« – sagt der jeden Tag das Gleiche; oder jeden Tag etwas anderes? | Wer von einem Tag auf den andern verspricht »Morgen will ich dich besuchen« – sagt der jeden Tag das Gleiche; oder jeden Tag etwas anderes? | ||
{{ParPU|227}} Hätte es einen Sinn zu sagen: »Wenn er jedesmal etwas ''anderes'' täte, würden wir nicht sagen: er folge einer Regel«? Das hat ''keinen'' Sinn. | {{ParPU|227}} Hätte es einen Sinn zu sagen: »Wenn er jedesmal etwas ''anderes'' täte, würden wir nicht sagen: er folge einer Regel«? Das hat ''keinen'' Sinn. | ||
{{ParPU|228}} »Eine Reihe hat für uns ''ein'' Gesicht!« – Wohl; aber welches? Nun doch das algebraische, und das eines Stücks der Entwicklung. Oder hat sie sonst noch eins? – »Aber in dem liegt doch schon alles!« – Aber das ist keine Feststellung über das Reihenstück, oder über etwas, was wir darin erblicken; sondern der Ausdruck dafür, daß wir nur auf den Mund der Regel schauen und ''tun'', und an keine weitere Anleitung appellieren. | {{ParPU|228}} »Eine Reihe hat für uns ''ein'' Gesicht!« – Wohl; aber welches? Nun doch das algebraische, und das eines Stücks der Entwicklung. Oder hat sie sonst noch eins? – »Aber in dem liegt doch schon alles!« – Aber das ist keine Feststellung über das Reihenstück, oder über etwas, was wir darin erblicken; sondern der Ausdruck dafür, daß wir nur auf den Mund der Regel schauen und ''tun'', und an keine weitere Anleitung appellieren. | ||
{{ParPU|229}} Ich glaube, im Reihenstück ganz fein eine Zeichnung wahrzunehmen, einen charakteristischen Zug, der nur noch des »usw.« bedarf, um in die Unendlichkeit zu reichen. | {{ParPU|229}} Ich glaube, im Reihenstück ganz fein eine Zeichnung wahrzunehmen, einen charakteristischen Zug, der nur noch des »usw.« bedarf, um in die Unendlichkeit zu reichen. | ||
{{ParPU|230}} »Die Linie gibt’s mir ein, wie ich gehen soll«: das paraphrasiert nur: sie sei meine ''letzte'' Instanz dafür, wie ich gehen soll. | {{ParPU|230}} »Die Linie gibt’s mir ein, wie ich gehen soll«: das paraphrasiert nur: sie sei meine ''letzte'' Instanz dafür, wie ich gehen soll. | ||
{{ParPU|231}} »Aber du siehst doch…!« Nun, das ist eben die charakteristische Äußerung Eines, der von der Regel gezwungen ist. | {{ParPU|231}} »Aber du siehst doch…!« Nun, das ist eben die charakteristische Äußerung Eines, der von der Regel gezwungen ist. | ||
Line 1,625: | Line 1,415: | ||
Dies sind nicht meine Erfahrungen vom Handeln nach einer Inspiration und nach einer Regel; sondern grammatische Anmerkungen. | Dies sind nicht meine Erfahrungen vom Handeln nach einer Inspiration und nach einer Regel; sondern grammatische Anmerkungen. | ||
{{ParPU|233}} Man könnte sich auch so einen Unterricht in einer Art von Arithmetik denken. Die Kinder können dann, ein jedes auf seine Weise, rechnen, – solange sie nur auf die innere Stimme horchen und ihr folgen. Dieses Rechnen wäre wie ein Komponieren. | {{ParPU|233}} Man könnte sich auch so einen Unterricht in einer Art von Arithmetik denken. Die Kinder können dann, ein jedes auf seine Weise, rechnen, – solange sie nur auf die innere Stimme horchen und ihr folgen. Dieses Rechnen wäre wie ein Komponieren. | ||
{{ParPU|234}} Aber könnten wir nicht auch rechnen, wie wir rechnen (Alle übereinstimmend, etc.), und doch bei jedem Schritt das Gefühl haben, von den Regeln wie von einem Zauber geleitet zu werden; erstaunt darüber vielleicht, daß wir übereinstimmen? (Der Gottheit etwa für diese Übereinstimmung dankend.) | {{ParPU|234}} Aber könnten wir nicht auch rechnen, wie wir rechnen (Alle übereinstimmend, etc.), und doch bei jedem Schritt das Gefühl haben, von den Regeln wie von einem Zauber geleitet zu werden; erstaunt darüber vielleicht, daß wir übereinstimmen? (Der Gottheit etwa für diese Übereinstimmung dankend.) | ||
{{ParPU|235}} Daraus siehst du nur, was alles zu der Physiognomie desjenigen gehört, was wir im alltäglichen Leben »einer Regel folgen« nennen. | {{ParPU|235}} Daraus siehst du nur, was alles zu der Physiognomie desjenigen gehört, was wir im alltäglichen Leben »einer Regel folgen« nennen. | ||
{{ParPU|236}} Die Kunstrechner, die zum richtigen Resultat gelangen, aber nicht sagen können, wie. Sollen wir sagen, sie rechnen nicht? (Eine Familie von Fällen.) | {{ParPU|236}} Die Kunstrechner, die zum richtigen Resultat gelangen, aber nicht sagen können, wie. Sollen wir sagen, sie rechnen nicht? (Eine Familie von Fällen.) | ||
{{ParPU|237}} Denke dir, Einer folgte einer Linie als Regel auf diese Weise: Er hält einen Zirkel, dessen eine Spitze er der Regel-Linie entlang führt, während die andre Spitze die Linie zieht, welche der Regel folgt. Und während er so der Regel entlang fährt, verändert er die Öffnung des Zirkels, wie es scheint mit großer Genauigkeit, wobei er immer auf die Regel schaut, als bestimme sie sein Tun. Wir nun, die ihm zusehen, sehen keinerlei Regelmäßigkeit in diesem Öffnen und Schließen des Zirkels. Wir können seine Art, der Linie zu folgen, von ihm nicht lernen. Wir würden hier vielleicht wirklich sagen: »Die Vorlage scheint ihm ''einzugeben'', wie er zu gehen hat. Aber sie ist keine Regel.« | {{ParPU|237}} Denke dir, Einer folgte einer Linie als Regel auf diese Weise: Er hält einen Zirkel, dessen eine Spitze er der Regel-Linie entlang führt, während die andre Spitze die Linie zieht, welche der Regel folgt. Und während er so der Regel entlang fährt, verändert er die Öffnung des Zirkels, wie es scheint mit großer Genauigkeit, wobei er immer auf die Regel schaut, als bestimme sie sein Tun. Wir nun, die ihm zusehen, sehen keinerlei Regelmäßigkeit in diesem Öffnen und Schließen des Zirkels. Wir können seine Art, der Linie zu folgen, von ihm nicht lernen. Wir würden hier vielleicht wirklich sagen: »Die Vorlage scheint ihm ''einzugeben'', wie er zu gehen hat. Aber sie ist keine Regel.« | ||
{{ParPU|238}} Damit es mir erscheinen kann, als hätte die Regel alle ihre Folgesätze zum Voraus erzeugt, müssen sie mir ''selbstverständlich'' sein. So selbstverständlich, wie es mir ist, diese Farbe »blau« zu nennen. (Kriterien dafür, daß dies mir ›selbstverständlich‹ ist.) | {{ParPU|238}} Damit es mir erscheinen kann, als hätte die Regel alle ihre Folgesätze zum Voraus erzeugt, müssen sie mir ''selbstverständlich'' sein. So selbstverständlich, wie es mir ist, diese Farbe »blau« zu nennen. (Kriterien dafür, daß dies mir ›selbstverständlich‹ ist.) | ||
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»›Rot‹ bedeutet die Farbe, die mir beim Hören des Wortes ›rot‹ einfällt« – wäre eine ''Definition''. Keine Erklärung des ''Wesens'' der Bezeichnung durch ein Wort. | »›Rot‹ bedeutet die Farbe, die mir beim Hören des Wortes ›rot‹ einfällt« – wäre eine ''Definition''. Keine Erklärung des ''Wesens'' der Bezeichnung durch ein Wort. | ||
{{ParPU|240}} Es bricht kein Streit darüber aus (etwa zwischen Mathematikern), ob der Regel gemäß vorgegangen wurde oder nicht. Es kommt darüber z.B. nicht zu Tätlichkeiten. Das gehört zu dem Gerüst, von welchem aus unsere Sprache wirkt (z.B. eine Beschreibung gibt). | {{ParPU|240}} Es bricht kein Streit darüber aus (etwa zwischen Mathematikern), ob der Regel gemäß vorgegangen wurde oder nicht. Es kommt darüber z.B. nicht zu Tätlichkeiten. Das gehört zu dem Gerüst, von welchem aus unsere Sprache wirkt (z.B. eine Beschreibung gibt). | ||
{{ParPU|241}} »So sagst du also, daß die Übereinstimmung der Menschen entscheide, was richtig und was falsch ist?« – Richtig und falsch ist, was Menschen ''sagen''; und in der ''Sprache'' stimmen die Menschen überein. Dies ist keine Übereinstimmung der Meinungen, sondern der Lebensform. | {{ParPU|241}} »So sagst du also, daß die Übereinstimmung der Menschen entscheide, was richtig und was falsch ist?« – Richtig und falsch ist, was Menschen ''sagen''; und in der ''Sprache'' stimmen die Menschen überein. Dies ist keine Übereinstimmung der Meinungen, sondern der Lebensform. | ||
{{ParPU|242}} Zur Verständigung durch die Sprache gehört nicht nur eine Übereinstimmung in den Definitionen, sondern (so seltsam dies klingen mag) eine Übereinstimmung in den Urteilen. Dies scheint die Logik aufzuheben; hebt sie aber nicht auf. – Eines ist, die Meßmethode zu beschreiben, ein Anderes, Messungsergebnisse zu finden und auszusprechen. Aber was wir »messen« nennen, ist auch durch eine gewisse Konstanz der Messungsergebnisse bestimmt. | {{ParPU|242}} Zur Verständigung durch die Sprache gehört nicht nur eine Übereinstimmung in den Definitionen, sondern (so seltsam dies klingen mag) eine Übereinstimmung in den Urteilen. Dies scheint die Logik aufzuheben; hebt sie aber nicht auf. – Eines ist, die Meßmethode zu beschreiben, ein Anderes, Messungsergebnisse zu finden und auszusprechen. Aber was wir »messen« nennen, ist auch durch eine gewisse Konstanz der Messungsergebnisse bestimmt. | ||
Line 1,673: | Line 1,452: | ||
Wäre aber auch eine Sprache denkbar, in der Einer seine inneren Erlebnisse – seine Gefühle, Stimmungen, etc. – für den eigenen Gebrauch aufschreiben, oder aussprechen könnte? – Können wir denn das in unserer gewöhnlichen Sprache nicht tun? – Aber so meine ich’s nicht. Die Wörter dieser Sprache sollen sich auf das beziehen, wovon nur der Sprechende wissen kann; auf seine unmittelbaren, privaten, Empfindungen. Ein Anderer kann diese Sprache also nicht verstehen. | Wäre aber auch eine Sprache denkbar, in der Einer seine inneren Erlebnisse – seine Gefühle, Stimmungen, etc. – für den eigenen Gebrauch aufschreiben, oder aussprechen könnte? – Können wir denn das in unserer gewöhnlichen Sprache nicht tun? – Aber so meine ich’s nicht. Die Wörter dieser Sprache sollen sich auf das beziehen, wovon nur der Sprechende wissen kann; auf seine unmittelbaren, privaten, Empfindungen. Ein Anderer kann diese Sprache also nicht verstehen. | ||
Line 1,679: | Line 1,457: | ||
»So sagst du also, daß das Wort ›Schmerz‹ eigentlich das Schreien bedeute?« – Im Gegenteil; der Wortausdruck des Schmerzes ersetzt das Schreien und beschreibt es nicht. | »So sagst du also, daß das Wort ›Schmerz‹ eigentlich das Schreien bedeute?« – Im Gegenteil; der Wortausdruck des Schmerzes ersetzt das Schreien und beschreibt es nicht. | ||
{{ParPU|245}} Wie kann ich denn mit der Sprache noch zwischen die Schmerzäußerung und den Schmerz treten wollen? | {{ParPU|245}} Wie kann ich denn mit der Sprache noch zwischen die Schmerzäußerung und den Schmerz treten wollen? | ||
Line 1,689: | Line 1,465: | ||
Man kann nicht sagen, die Andern lernen meine Empfindung ''nur'' durch mein Benehmen, – denn von mir kann man nicht sagen, ich lernte sie. Ich ''habe'' sie. Das ist richtig: es hat Sinn, von Ändern zu sagen, sie seien im Zweifel darüber, ob ich Schmerzen habe; aber nicht, es von mir selbst zu sagen. | Man kann nicht sagen, die Andern lernen meine Empfindung ''nur'' durch mein Benehmen, – denn von mir kann man nicht sagen, ich lernte sie. Ich ''habe'' sie. Das ist richtig: es hat Sinn, von Ändern zu sagen, sie seien im Zweifel darüber, ob ich Schmerzen habe; aber nicht, es von mir selbst zu sagen. | ||
Line 1,695: | Line 1,470: | ||
(Und »wissen« heißt hier, daß der Ausdruck der Ungewißheit sinnlos ist.) | (Und »wissen« heißt hier, daß der Ausdruck der Ungewißheit sinnlos ist.) | ||
{{ParPU|248}} Der Satz »Empfindungen sind privat« ist vergleichbar dem: »Patience spielt man allein.« | {{ParPU|248}} Der Satz »Empfindungen sind privat« ist vergleichbar dem: »Patience spielt man allein.« | ||
Line 1,705: | Line 1,478: | ||
(Das Lügen ist ein Sprachspiel, das gelernt sein will, wie jedes andre.) | (Das Lügen ist ein Sprachspiel, das gelernt sein will, wie jedes andre.) | ||
{{ParPU|250}} Warum kann ein Hund nicht Schmerzen heucheln? Ist er zu ehrlich? Könnte man einen Hund Schmerzen heucheln lehren? Man kann ihm vielleicht beibringen, bei bestimmten Gelegenheiten wie im Schmerz aufzuheulen, ohne daß er Schmerzen hat. Aber zum eigentlichen Heucheln fehlte diesem Benehmen noch immer die richtige Umgebung. | {{ParPU|250}} Warum kann ein Hund nicht Schmerzen heucheln? Ist er zu ehrlich? Könnte man einen Hund Schmerzen heucheln lehren? Man kann ihm vielleicht beibringen, bei bestimmten Gelegenheiten wie im Schmerz aufzuheulen, ohne daß er Schmerzen hat. Aber zum eigentlichen Heucheln fehlte diesem Benehmen noch immer die richtige Umgebung. | ||
Line 1,723: | Line 1,494: | ||
((Bemerkung über die Verneinung eines Satzes a priori.)) | ((Bemerkung über die Verneinung eines Satzes a priori.)) | ||
{{ParPU|252}} Wir könnten auf den Satz »Dieser Körper hat eine Ausdehnung« antworten: »Unsinn!« – neigen aber dazu, zu antworten: »Freilich!« – Warum? | {{ParPU|252}} Wir könnten auf den Satz »Dieser Körper hat eine Ausdehnung« antworten: »Unsinn!« – neigen aber dazu, zu antworten: »Freilich!« – Warum? | ||
Line 1,735: | Line 1,504: | ||
Ich habe gesehen, wie jemand in einer Diskussion über diesen Gegenstand sich an die Brust schlug und sagte: »Aber der Andre kann doch nicht DIESEN Schmerz haben!« – Die Antwort darauf ist, daß man durch das emphatische Betonen des Wortes »diesen« kein Kriterium der Identität definiert. Die Emphase spiegelt uns vielmehr nur den Fall vor, daß ein solches Kriterium uns geläufig ist, wir aber daran erinnert werden müssen. | Ich habe gesehen, wie jemand in einer Diskussion über diesen Gegenstand sich an die Brust schlug und sagte: »Aber der Andre kann doch nicht DIESEN Schmerz haben!« – Die Antwort darauf ist, daß man durch das emphatische Betonen des Wortes »diesen« kein Kriterium der Identität definiert. Die Emphase spiegelt uns vielmehr nur den Fall vor, daß ein solches Kriterium uns geläufig ist, wir aber daran erinnert werden müssen. | ||
{{ParPU|254}} Auch das Ersetzen des Wortes »gleich« durch »identisch« (z.B.) ist ein typisches Auskunftsmittel in der Philosophie. Als redeten wir von Abschattungen der Bedeutung und es handle sich nur darum, mit unsern Worten die richtige Nuance zu treffen. Und darum handelt sich’s beim Philosophieren nur dort, wo es unsre Aufgabe ist, die Versuchung, eine bestimmte Ausdrucksweise zu gebrauchen, psychologisch genau darzustellen. Was wir in so einem Fall ›zu sagen versucht sind‹, ist natürlich nicht Philosophie; sondern es ist ihr Rohmaterial. Was also ein Mathematiker, z.B., über Objektivität und Realität der mathematischen Tatsachen zu sagen geneigt ist, ist nicht eine Philosophie der Mathematik, sondern etwas, was Philosophie zu ''behandeln'' hätte. | {{ParPU|254}} Auch das Ersetzen des Wortes »gleich« durch »identisch« (z.B.) ist ein typisches Auskunftsmittel in der Philosophie. Als redeten wir von Abschattungen der Bedeutung und es handle sich nur darum, mit unsern Worten die richtige Nuance zu treffen. Und darum handelt sich’s beim Philosophieren nur dort, wo es unsre Aufgabe ist, die Versuchung, eine bestimmte Ausdrucksweise zu gebrauchen, psychologisch genau darzustellen. Was wir in so einem Fall ›zu sagen versucht sind‹, ist natürlich nicht Philosophie; sondern es ist ihr Rohmaterial. Was also ein Mathematiker, z.B., über Objektivität und Realität der mathematischen Tatsachen zu sagen geneigt ist, ist nicht eine Philosophie der Mathematik, sondern etwas, was Philosophie zu ''behandeln'' hätte. | ||
{{ParPU|255}} Der Philosoph behandelt eine Frage; wie eine Krankheit. | {{ParPU|255}} Der Philosoph behandelt eine Frage; wie eine Krankheit. | ||
{{ParPU|256}} Wie ist es nun mit der Sprache, die meine Innern Erlebnisse beschreibt und die nur ich selbst verstehen kann? ''Wie'' bezeichne ich meine Empfindungen mit Worten? – So wie wir’s gewöhnlich tun? Sind also meine Empfindungsworte mit meinen natürlichen Empfindungsäußerungen verknüpft? – In diesem Falle ist meine Sprache nicht ›privat‹. Ein Anderer könnte sie verstehen, wie ich. – Aber wie, wenn ich keine natürlichen Äußerungen der Empfindung, sondern nur die Empfindung besäße? Und nun ''assoziiere'' ich einfach Namen mit den Empfindungen und verwende diese Namen in einer Beschreibung. – | {{ParPU|256}} Wie ist es nun mit der Sprache, die meine Innern Erlebnisse beschreibt und die nur ich selbst verstehen kann? ''Wie'' bezeichne ich meine Empfindungen mit Worten? – So wie wir’s gewöhnlich tun? Sind also meine Empfindungsworte mit meinen natürlichen Empfindungsäußerungen verknüpft? – In diesem Falle ist meine Sprache nicht ›privat‹. Ein Anderer könnte sie verstehen, wie ich. – Aber wie, wenn ich keine natürlichen Äußerungen der Empfindung, sondern nur die Empfindung besäße? Und nun ''assoziiere'' ich einfach Namen mit den Empfindungen und verwende diese Namen in einer Beschreibung. – | ||
{{ParPU|257}} »Wie wäre es, wenn die Menschen ihre Schmerzen nicht äußerten (nicht stöhnten, das Gesicht nicht verzögen, etc.)? Dann könnte man einem Kind nicht den Gebrauch des Wortes ›Zahnschmerzen‹ beibringen.« – Nun, nehmen wir an, das Kind sei ein Genie und erfinde selbst einen Namen für die Empfindung! – Aber nun könnte es sich freilich mit diesem Wort nicht verständlich machen. – Also versteht es den Namen, kann aber seine Bedeutung niemand erklären? – Aber was heißt es denn, daß er ›seinen Schmerz benannt hat‹? – Wie hat er das gemacht: den Schmerz benennen?! Und, was immer er getan hat, was hat es für einen Zweck? – Wenn man sagt »Er hat der Empfindung einen Namen gegeben«, so vergißt man, daß schon viel in der Sprache vorbereitet sein muß, damit das bloße Benennen einen Sinn hat. Und wenn wir davon reden, daß einer dem Schmerz einen Namen gibt, so ist die Grammatik des Wortes »Schmerz« hier das Vorbereitete; sie zeigt den Posten an, an den das neue Wort gestellt wird. | {{ParPU|257}} »Wie wäre es, wenn die Menschen ihre Schmerzen nicht äußerten (nicht stöhnten, das Gesicht nicht verzögen, etc.)? Dann könnte man einem Kind nicht den Gebrauch des Wortes ›Zahnschmerzen‹ beibringen.« – Nun, nehmen wir an, das Kind sei ein Genie und erfinde selbst einen Namen für die Empfindung! – Aber nun könnte es sich freilich mit diesem Wort nicht verständlich machen. – Also versteht es den Namen, kann aber seine Bedeutung niemand erklären? – Aber was heißt es denn, daß er ›seinen Schmerz benannt hat‹? – Wie hat er das gemacht: den Schmerz benennen?! Und, was immer er getan hat, was hat es für einen Zweck? – Wenn man sagt »Er hat der Empfindung einen Namen gegeben«, so vergißt man, daß schon viel in der Sprache vorbereitet sein muß, damit das bloße Benennen einen Sinn hat. Und wenn wir davon reden, daß einer dem Schmerz einen Namen gibt, so ist die Grammatik des Wortes »Schmerz« hier das Vorbereitete; sie zeigt den Posten an, an den das neue Wort gestellt wird. | ||
{{ParPU|258}} Stellen wir uns diesen Fall vor. Ich will über das Wiederkehren einer gewissen Empfindung ein Tagebuch führen. Dazu assoziiere ich sie mit dem Zeichen »E« und schreibe in einem Kalender zu jedem Tag, an dem ich die Empfindung habe, dieses Zeichen. –– Ich will zuerst bemerken, daß sich eine Definition des Zeichens nicht aussprechen läßt. – Aber ich kann sie doch mir selbst als eine Art hinweisende Definition geben! – Wie? kann ich auf die Empfindung zeigen? – Nicht im gewöhnlichen Sinne. Aber ich spreche, oder schreibe das Zeichen, und dabei konzentriere ich meine Aufmerksamkeit auf die Empfindung – zeige also gleichsam im Innern auf sie. – Aber wozu diese Zeremonie? denn nur eine solche scheint es zu sein! Eine Definition dient doch dazu, die Bedeutung eines Zeichens festzulegen. – Nun, das geschieht eben durch das Konzentrieren der Aufmerksamkeit; denn dadurch präge ich mir die Verbindung des Zeichens mit der Empfindung ein. – »Ich präge sie mir ein« kann doch nur heißen: dieser Vorgang bewirkt, daß ich mich in Zukunft ''richtig'' an die Verbindung erinnere. Aber in unserm Falle habe ich ja kein Kriterium für die Richtigkeit. Man möchte hier sagen: richtig ist, was immer mir als richtig erscheinen wird. Und das heißt nur, daß hier von ›richtig‹ nicht geredet werden kann. | {{ParPU|258}} Stellen wir uns diesen Fall vor. Ich will über das Wiederkehren einer gewissen Empfindung ein Tagebuch führen. Dazu assoziiere ich sie mit dem Zeichen »E« und schreibe in einem Kalender zu jedem Tag, an dem ich die Empfindung habe, dieses Zeichen. –– Ich will zuerst bemerken, daß sich eine Definition des Zeichens nicht aussprechen läßt. – Aber ich kann sie doch mir selbst als eine Art hinweisende Definition geben! – Wie? kann ich auf die Empfindung zeigen? – Nicht im gewöhnlichen Sinne. Aber ich spreche, oder schreibe das Zeichen, und dabei konzentriere ich meine Aufmerksamkeit auf die Empfindung – zeige also gleichsam im Innern auf sie. – Aber wozu diese Zeremonie? denn nur eine solche scheint es zu sein! Eine Definition dient doch dazu, die Bedeutung eines Zeichens festzulegen. – Nun, das geschieht eben durch das Konzentrieren der Aufmerksamkeit; denn dadurch präge ich mir die Verbindung des Zeichens mit der Empfindung ein. – »Ich präge sie mir ein« kann doch nur heißen: dieser Vorgang bewirkt, daß ich mich in Zukunft ''richtig'' an die Verbindung erinnere. Aber in unserm Falle habe ich ja kein Kriterium für die Richtigkeit. Man möchte hier sagen: richtig ist, was immer mir als richtig erscheinen wird. Und das heißt nur, daß hier von ›richtig‹ nicht geredet werden kann. | ||
{{ParPU|259}} Sind die Regeln der privaten Sprache ''Eindrucke'' von Regeln? – Die Waage, auf der man die Eindrücke wägt, ist nicht der ''Eindruck'' von einer Waage. | {{ParPU|259}} Sind die Regeln der privaten Sprache ''Eindrucke'' von Regeln? – Die Waage, auf der man die Eindrücke wägt, ist nicht der ''Eindruck'' von einer Waage. | ||
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(Man kann zu sich selber reden. – Spricht Jeder zu sich selbst, der redet, wenn niemand anderer zugegen ist?) | (Man kann zu sich selber reden. – Spricht Jeder zu sich selbst, der redet, wenn niemand anderer zugegen ist?) | ||
{{ParPU|261}} Welchen Grund haben wir, »E« das Zeichen für eine ''Empfindung'' zu nennen? »Empfindung« ist nämlich ein Wort unserer allgemeinen, nicht mir allein verständlichen, Sprache. Der Gebrauch dieses Worts bedarf also einer Rechtfertigung, die Alle verstehen. – Und es hülfe auch nichts, zu sagen: es müsse keine ''Empfindung'' sein; wenn er »E« schreibe, habe er ''Etwas'' – und mehr könnten wir nicht sagen. Aber »haben« und »etwas« gehören auch zur allgemeinen Sprache. – So gelangt man beim Philosophieren am Ende dahin, wo man nur noch einen unartikulierten Laut ausstoßen möchte. – Aber ein solcher Laut ist ein Ausdruck nur in einem bestimmten Sprachspiel, das nun zu beschreiben ist. | {{ParPU|261}} Welchen Grund haben wir, »E« das Zeichen für eine ''Empfindung'' zu nennen? »Empfindung« ist nämlich ein Wort unserer allgemeinen, nicht mir allein verständlichen, Sprache. Der Gebrauch dieses Worts bedarf also einer Rechtfertigung, die Alle verstehen. – Und es hülfe auch nichts, zu sagen: es müsse keine ''Empfindung'' sein; wenn er »E« schreibe, habe er ''Etwas'' – und mehr könnten wir nicht sagen. Aber »haben« und »etwas« gehören auch zur allgemeinen Sprache. – So gelangt man beim Philosophieren am Ende dahin, wo man nur noch einen unartikulierten Laut ausstoßen möchte. – Aber ein solcher Laut ist ein Ausdruck nur in einem bestimmten Sprachspiel, das nun zu beschreiben ist. | ||
{{ParPU|262}} Man könnte sagen: Wer sich eine private Worterklärung gegeben hat, der muß sich nun im Innern ''vornehmen'', das Wort so und so zu gebrauchen. Und wie nimmt er sich das vor? Soll ich annehmen, daß er die Technik dieser Anwendung erfindet; oder daß er sie schon fertig vorgefunden hat? | {{ParPU|262}} Man könnte sagen: Wer sich eine private Worterklärung gegeben hat, der muß sich nun im Innern ''vornehmen'', das Wort so und so zu gebrauchen. Und wie nimmt er sich das vor? Soll ich annehmen, daß er die Technik dieser Anwendung erfindet; oder daß er sie schon fertig vorgefunden hat? | ||
{{ParPU|263}} »Ich kann mir (im Innern) doch vornehmen, in Zukunft DAS ›Schmerz‹ zu nennen.« – »Aber hast du es dir auch gewiß vorgenommen? Bist du sicher, daß es dazu genug war, die Aufmerksamkeit auf dein Gefühl zu konzentrieren?« – Seltsame Frage. – | {{ParPU|263}} »Ich kann mir (im Innern) doch vornehmen, in Zukunft DAS ›Schmerz‹ zu nennen.« – »Aber hast du es dir auch gewiß vorgenommen? Bist du sicher, daß es dazu genug war, die Aufmerksamkeit auf dein Gefühl zu konzentrieren?« – Seltsame Frage. – | ||
{{ParPU|264}} »Wenn du einmal weißt, ''was'' das Wort bezeichnet, verstehst du es, kennst seine ganze Anwendung.« | {{ParPU|264}} »Wenn du einmal weißt, ''was'' das Wort bezeichnet, verstehst du es, kennst seine ganze Anwendung.« | ||
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In der Vorstellung eine Tabelle nachschlagen, ist so wenig ein Nachschlagen einer Tabelle, wie die Vorstellung des Ergebnisses eines vorgestellten Experiments das Ergebnis eines Experiments ist. | In der Vorstellung eine Tabelle nachschlagen, ist so wenig ein Nachschlagen einer Tabelle, wie die Vorstellung des Ergebnisses eines vorgestellten Experiments das Ergebnis eines Experiments ist. | ||
{{ParPU|266}} Ich kann auf die Uhr schaun, um zu sehen, wieviel Uhr es ist. Aber ich kann auch, um zu ''raten'', wieviel Uhr es ist, auf das Zifferblatt einer Uhr sehen; oder zu diesem Zweck die Zeiger einer Uhr verstellen, bis mir die Stellung richtig vorkommt. So kann das Bild der Uhr auf mehr als eine Weise dazu dienen, die Zeit zu bestimmen. (In der Vorstellung auf die Uhr schaun.) | {{ParPU|266}} Ich kann auf die Uhr schaun, um zu sehen, wieviel Uhr es ist. Aber ich kann auch, um zu ''raten'', wieviel Uhr es ist, auf das Zifferblatt einer Uhr sehen; oder zu diesem Zweck die Zeiger einer Uhr verstellen, bis mir die Stellung richtig vorkommt. So kann das Bild der Uhr auf mehr als eine Weise dazu dienen, die Zeit zu bestimmen. (In der Vorstellung auf die Uhr schaun.) | ||
{{ParPU|267}} Angenommen, ich wollte die Dimensionierung einer Brücke, die in meiner Vorstellung gebaut wird, dadurch rechtfertigen, daß ich zuerst in der Vorstellung Zerreißproben mit dem Material der Brücke mache. Dies wäre natürlich die Vorstellung von dem, was man die Rechtfertigung der Dimensionierung einer Brücke nennt. Aber würden wir es auch eine Rechtfertigung der Vorstellung einer Dimensionierung nennen? | {{ParPU|267}} Angenommen, ich wollte die Dimensionierung einer Brücke, die in meiner Vorstellung gebaut wird, dadurch rechtfertigen, daß ich zuerst in der Vorstellung Zerreißproben mit dem Material der Brücke mache. Dies wäre natürlich die Vorstellung von dem, was man die Rechtfertigung der Dimensionierung einer Brücke nennt. Aber würden wir es auch eine Rechtfertigung der Vorstellung einer Dimensionierung nennen? | ||
{{ParPU|268}} Warum kann meine rechte Hand nicht meiner linken Geld schenken? – Meine rechte Hand kann es in meine linke geben. Meine rechte Hand kann eine Schenkungsurkunde schreiben und meine linke eine Quittung. – Aber die weitern praktischen Folgen wären nicht die einer Schenkung. Wenn die linke Hand das Geld von der rechten genommen hat, etc., wird man fragen: »Nun, und was weiter?« Und das Gleiche könnte man fragen, wenn Einer sich eine private Worterklärung gegeben hätte; ich meine, wenn er sich ein Wort vorgesagt und dabei seine Aufmerksamkeit auf eine Empfindung gerichtet hat. | {{ParPU|268}} Warum kann meine rechte Hand nicht meiner linken Geld schenken? – Meine rechte Hand kann es in meine linke geben. Meine rechte Hand kann eine Schenkungsurkunde schreiben und meine linke eine Quittung. – Aber die weitern praktischen Folgen wären nicht die einer Schenkung. Wenn die linke Hand das Geld von der rechten genommen hat, etc., wird man fragen: »Nun, und was weiter?« Und das Gleiche könnte man fragen, wenn Einer sich eine private Worterklärung gegeben hätte; ich meine, wenn er sich ein Wort vorgesagt und dabei seine Aufmerksamkeit auf eine Empfindung gerichtet hat. | ||
{{ParPU|269}} Erinnern wir uns daran, daß es gewisse Kriterien des Benehmens dafür gibt, daß Einer ein Wort nicht versteht: daß es ihm nichts sagt, er nichts damit anzufangen weiß. Und Kriterien dafür, daß er das Wort ›zu verstehen glaubt‹, eine Bedeutung mit ihm verbindet, aber nicht die richtige. Und endlich Kriterien dafür, daß er das Wort richtig versteht. Im zweiten Falle könnte man von einem subjektiven Verstehen reden. Und eine »private Sprache« könnte man Laute nennen, die kein Andrer versteht, ich aber ›''zu verstehen scheine''‹. | {{ParPU|269}} Erinnern wir uns daran, daß es gewisse Kriterien des Benehmens dafür gibt, daß Einer ein Wort nicht versteht: daß es ihm nichts sagt, er nichts damit anzufangen weiß. Und Kriterien dafür, daß er das Wort ›zu verstehen glaubt‹, eine Bedeutung mit ihm verbindet, aber nicht die richtige. Und endlich Kriterien dafür, daß er das Wort richtig versteht. Im zweiten Falle könnte man von einem subjektiven Verstehen reden. Und eine »private Sprache« könnte man Laute nennen, die kein Andrer versteht, ich aber ›''zu verstehen scheine''‹. | ||
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Und welchen Grund haben wir hier, »E« die Bezeichnung einer Empfindung zu nennen? Vielleicht die Art und Weise, wie dies Zeichen in diesem Sprachspiel verwendet wird. – Und warum eine »bestimmte Empfindung«, also jedesmal die gleiche? Nun, wir nehmen ja an, wir schrieben jedesmal »E«. | Und welchen Grund haben wir hier, »E« die Bezeichnung einer Empfindung zu nennen? Vielleicht die Art und Weise, wie dies Zeichen in diesem Sprachspiel verwendet wird. – Und warum eine »bestimmte Empfindung«, also jedesmal die gleiche? Nun, wir nehmen ja an, wir schrieben jedesmal »E«. | ||
{{ParPU|271}} »Denke dir einen Menschen, der es nicht im Gedächtnis behalten könnte, ''was'' das Wort ›Schmerz‹ bedeutet – und der daher immer wieder etwas Anderes so nennt – das Wort aber dennoch in Übereinstimmung mit den gewöhnlichen Anzeichen und Voraussetzungen des Schmerzes verwendete!« – der es also verwendet, wie wir Alle. Hier möchte ich sagen: das Rad gehört nicht zur Maschine, das man drehen kann, ohne daß Anderes sich mitbewegt. | {{ParPU|271}} »Denke dir einen Menschen, der es nicht im Gedächtnis behalten könnte, ''was'' das Wort ›Schmerz‹ bedeutet – und der daher immer wieder etwas Anderes so nennt – das Wort aber dennoch in Übereinstimmung mit den gewöhnlichen Anzeichen und Voraussetzungen des Schmerzes verwendete!« – der es also verwendet, wie wir Alle. Hier möchte ich sagen: das Rad gehört nicht zur Maschine, das man drehen kann, ohne daß Anderes sich mitbewegt. | ||
{{ParPU|272}} Das Wesentliche am privaten Erlebnis ist eigentlich nicht, daß Jeder sein eigenes Exemplar besitzt, sondern daß keiner weiß, ob der Andere auch ''dies'' hat, oder etwas anderes. Es wäre also die Annahme möglich – obwohl nicht verifizierbar – ein Teil der Menschheit habe ''eine'' Rotempfindung, ein anderer Teil eine andere. | {{ParPU|272}} Das Wesentliche am privaten Erlebnis ist eigentlich nicht, daß Jeder sein eigenes Exemplar besitzt, sondern daß keiner weiß, ob der Andere auch ''dies'' hat, oder etwas anderes. Es wäre also die Annahme möglich – obwohl nicht verifizierbar – ein Teil der Menschheit habe ''eine'' Rotempfindung, ein anderer Teil eine andere. | ||
{{ParPU|273}} Wie ist es nun mit dem Worte »rot« – soll ich sagen, dies bezeichne etwas ›uns Allen Gegenüberstehendes‹, und Jeder sollte eigentlich außer diesem Wort noch eines haben zur Bezeichnung seiner ''eigenen'' Empfindung von Rot? Oder ist es so: das Wort »rot« bezeichnet etwas uns gemeinsam Bekanntes; und für Jeden, außerdem, etwas nur ihm Bekanntes? (Oder vielleicht besser: es ''bezieht'' sich auf etwas nur ihm Bekanntes.) | {{ParPU|273}} Wie ist es nun mit dem Worte »rot« – soll ich sagen, dies bezeichne etwas ›uns Allen Gegenüberstehendes‹, und Jeder sollte eigentlich außer diesem Wort noch eines haben zur Bezeichnung seiner ''eigenen'' Empfindung von Rot? Oder ist es so: das Wort »rot« bezeichnet etwas uns gemeinsam Bekanntes; und für Jeden, außerdem, etwas nur ihm Bekanntes? (Oder vielleicht besser: es ''bezieht'' sich auf etwas nur ihm Bekanntes.) | ||
{{ParPU|274}} Es hilft uns natürlich nichts zum Begreifen der Funktion von »rot«, zu sagen, es »''beziehe'' sich auf« statt »es bezeichne« das Private; aber es ist der psychologisch treffendere Ausdruck für ein bestimmtes Erlebnis beim Philosophieren. Es ist, als werfe ich beim Aussprechen des Worts einen Seitenblick auf die eigene Empfindung, gleichsam um mir zu sagen: ich wisse schon, was ich damit meine. | {{ParPU|274}} Es hilft uns natürlich nichts zum Begreifen der Funktion von »rot«, zu sagen, es »''beziehe'' sich auf« statt »es bezeichne« das Private; aber es ist der psychologisch treffendere Ausdruck für ein bestimmtes Erlebnis beim Philosophieren. Es ist, als werfe ich beim Aussprechen des Worts einen Seitenblick auf die eigene Empfindung, gleichsam um mir zu sagen: ich wisse schon, was ich damit meine. | ||
{{ParPU|275}} Schau auf das Blau des Himmels, und sag zu dir selbst »Wie blau der Himmel ist!« – Wenn du es spontan tust – nicht mit philosophischen Absichten – so kommt es dir nicht in den Sinn, dieser Farbeneindruck gehöre nur ''dir''. Und du hast kein Bedenken, diesen Ausruf an einen Andern zu richten. Und wenn du bei den Worten auf etwas zeigst, so ist es der Himmel. Ich meine: du hast nicht das Gefühl des In-dich-selber-Zeigens, das oft das ›Benennen der Empfindung‹ begleitet, wenn man über die ›private Sprache‹ nachdenkt. Du denkst auch nicht, du solltest eigentlich nicht mit der Hand, sondern nur mit der Aufmerksamkeit auf die Farbe zeigen. (Überlege, was es heißt, »mit der Aufmerksamkeit auf etwas zeigen«.) | {{ParPU|275}} Schau auf das Blau des Himmels, und sag zu dir selbst »Wie blau der Himmel ist!« – Wenn du es spontan tust – nicht mit philosophischen Absichten – so kommt es dir nicht in den Sinn, dieser Farbeneindruck gehöre nur ''dir''. Und du hast kein Bedenken, diesen Ausruf an einen Andern zu richten. Und wenn du bei den Worten auf etwas zeigst, so ist es der Himmel. Ich meine: du hast nicht das Gefühl des In-dich-selber-Zeigens, das oft das ›Benennen der Empfindung‹ begleitet, wenn man über die ›private Sprache‹ nachdenkt. Du denkst auch nicht, du solltest eigentlich nicht mit der Hand, sondern nur mit der Aufmerksamkeit auf die Farbe zeigen. (Überlege, was es heißt, »mit der Aufmerksamkeit auf etwas zeigen«.) | ||
{{ParPU|276}} »Aber ''meinen'' wir denn nicht wenigstens etwas ganz Bestimmtes, wenn wir auf eine Farbe hinschauen und den Farbeindruck benennen?« Es ist doch förmlich, als lösten wir den Farb''eindruck'', wie ein Häutchen, von dem gesehenen Gegenstand ab. (Dies sollte unsern Verdacht erregen.) | {{ParPU|276}} »Aber ''meinen'' wir denn nicht wenigstens etwas ganz Bestimmtes, wenn wir auf eine Farbe hinschauen und den Farbeindruck benennen?« Es ist doch förmlich, als lösten wir den Farb''eindruck'', wie ein Häutchen, von dem gesehenen Gegenstand ab. (Dies sollte unsern Verdacht erregen.) | ||
{{ParPU|277}} Aber wie ist es überhaupt möglich, daß man in Versuchung ist zu glauben, man ''meine'' einmal mit einem Wort die Allen bekannte Farbe, – einmal: den ›visuellen Eindrucke‹, den ''ich jetzt'' erhalte? Wie kann hier auch nur eine Versuchung bestehen? –– Ich wende in diesen Fällen der Farbe nicht die gleiche Art der Aufmerksamkeit zu. Meine ich (wie ich sagen möchte) den mir zu eigen gehörenden Farbeindruck, so vertiefe ich mich in die Farbe – ungefähr so, wie wenn ich mich an einer Farbe ›nicht sattsehen kann‹. Daher ist es leichter, dieses Erlebnis zu erzeugen, wenn man auf eine leuchtende Farbe sieht, oder auf eine Farbenzusammenstellung, die sich uns einprägt. | {{ParPU|277}} Aber wie ist es überhaupt möglich, daß man in Versuchung ist zu glauben, man ''meine'' einmal mit einem Wort die Allen bekannte Farbe, – einmal: den ›visuellen Eindrucke‹, den ''ich jetzt'' erhalte? Wie kann hier auch nur eine Versuchung bestehen? –– Ich wende in diesen Fällen der Farbe nicht die gleiche Art der Aufmerksamkeit zu. Meine ich (wie ich sagen möchte) den mir zu eigen gehörenden Farbeindruck, so vertiefe ich mich in die Farbe – ungefähr so, wie wenn ich mich an einer Farbe ›nicht sattsehen kann‹. Daher ist es leichter, dieses Erlebnis zu erzeugen, wenn man auf eine leuchtende Farbe sieht, oder auf eine Farbenzusammenstellung, die sich uns einprägt. | ||
{{ParPU|278}} »Ich weiß, wie ''mir'' die Farbe Grün erscheint« – nun, das hat doch Sinn! – Gewiß; welche Verwendung des Satzes denkst du dir? | {{ParPU|278}} »Ich weiß, wie ''mir'' die Farbe Grün erscheint« – nun, das hat doch Sinn! – Gewiß; welche Verwendung des Satzes denkst du dir? | ||
{{ParPU|279}} Denke dir Einen, der sagte: »Ich weiß doch, wie hoch ich bin!« und dabei die Hand als Zeichen auf seinen Scheitel legt! | {{ParPU|279}} Denke dir Einen, der sagte: »Ich weiß doch, wie hoch ich bin!« und dabei die Hand als Zeichen auf seinen Scheitel legt! | ||
{{ParPU|280}} Einer malt ein Bild, um zu zeigen, wie er sich, etwa, eine Szene auf dem Theater vorstellt. Und nun sage ich: »Dies Bild hat eine doppelte Funktion; es teilt Ändern etwas mit, wie Bilder oder Worte eben etwas mitteilen –– aber für den Mitteilenden ist es noch eine Darstellung (oder Mitteilung?) anderer Art: für ihn ist es das Bild seiner Vorstellung, wie es das für keinen Andern sein kann. Sein privater Eindruck des Bildes sagt ihm, was er sich vorgestellt hat; in einem Sinne, in welchem es das Bild für die Andern nicht kann.« – Und mit welchem Recht rede ich in diesem zweiten Falle von Darstellung oder Mitteilung, – wenn diese Worte im ''ersten'' Falle richtig angewandt waren? | {{ParPU|280}} Einer malt ein Bild, um zu zeigen, wie er sich, etwa, eine Szene auf dem Theater vorstellt. Und nun sage ich: »Dies Bild hat eine doppelte Funktion; es teilt Ändern etwas mit, wie Bilder oder Worte eben etwas mitteilen –– aber für den Mitteilenden ist es noch eine Darstellung (oder Mitteilung?) anderer Art: für ihn ist es das Bild seiner Vorstellung, wie es das für keinen Andern sein kann. Sein privater Eindruck des Bildes sagt ihm, was er sich vorgestellt hat; in einem Sinne, in welchem es das Bild für die Andern nicht kann.« – Und mit welchem Recht rede ich in diesem zweiten Falle von Darstellung oder Mitteilung, – wenn diese Worte im ''ersten'' Falle richtig angewandt waren? | ||
{{ParPU|281}} »Aber kommt es, was du sagst, nicht darauf hinaus, es gebe, z.B., keinen Schmerz ohne ''Schmerzbenehmen''?« – Es kommt darauf hinaus: man könne nur vom lebenden Menschen, und was ihm ähnlich ist, (sich ähnlich benimmt) sagen, es habe Empfindungen; es sähe; sei blind; höre; sei taub; sei bei Bewußtsein, oder bewußtlos. | {{ParPU|281}} »Aber kommt es, was du sagst, nicht darauf hinaus, es gebe, z.B., keinen Schmerz ohne ''Schmerzbenehmen''?« – Es kommt darauf hinaus: man könne nur vom lebenden Menschen, und was ihm ähnlich ist, (sich ähnlich benimmt) sagen, es habe Empfindungen; es sähe; sei blind; höre; sei taub; sei bei Bewußtsein, oder bewußtlos. | ||
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Ja; wir sagen von Leblosem, es habe Schmerzen: im Spiel mit Puppen z.B. Aber diese Verwendung des Schmerzbegriffs ist eine sekundäre. Stellen wir uns doch den Fall vor, Leute sagten ''nur'' von Leblosem, es habe Schmerzen; bedauerten ''nur'' Puppen! (Wenn Kinder Eisenbahn spielen, hängt ihr Spiel mit ihrer Kenntnis der Eisenbahn zusammen. Es könnten aber Kinder eines Volksstammes, dem die Eisenbahn unbekannt ist, dies Spiel von andern übernommen haben, und es spielen, ohne zu wissen, daß damit etwas nachgeahmt wird. Man könnte sagen, das Spiel habe für sie nicht den gleichen ''Sinn'' wie für uns.) | Ja; wir sagen von Leblosem, es habe Schmerzen: im Spiel mit Puppen z.B. Aber diese Verwendung des Schmerzbegriffs ist eine sekundäre. Stellen wir uns doch den Fall vor, Leute sagten ''nur'' von Leblosem, es habe Schmerzen; bedauerten ''nur'' Puppen! (Wenn Kinder Eisenbahn spielen, hängt ihr Spiel mit ihrer Kenntnis der Eisenbahn zusammen. Es könnten aber Kinder eines Volksstammes, dem die Eisenbahn unbekannt ist, dies Spiel von andern übernommen haben, und es spielen, ohne zu wissen, daß damit etwas nachgeahmt wird. Man könnte sagen, das Spiel habe für sie nicht den gleichen ''Sinn'' wie für uns.) | ||
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Denn man muß es von einem Körper sagen, oder, wenn du willst, von einer Seele, die ein Körper ''hat''. Und wie kann ein Körper eine Seele ''haben?'' | Denn man muß es von einem Körper sagen, oder, wenn du willst, von einer Seele, die ein Körper ''hat''. Und wie kann ein Körper eine Seele ''haben?'' | ||
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Und so scheint uns auch ein Leichnam dem Schmerz gänzlich unzugänglich. – Unsre Einstellung zum Lebenden ist nicht die zum Toten. Alle unsre Reaktionen sind verschieden. – Sagt Einer: »Das kann nicht einfach daran liegen, daß das Lebendige sich so und so bewegt und das Tote nicht« – so will ich ihm bedeuten, hier liege ein Fall des Übergangs ›von der Quantität zur Qualität‹ vor. | Und so scheint uns auch ein Leichnam dem Schmerz gänzlich unzugänglich. – Unsre Einstellung zum Lebenden ist nicht die zum Toten. Alle unsre Reaktionen sind verschieden. – Sagt Einer: »Das kann nicht einfach daran liegen, daß das Lebendige sich so und so bewegt und das Tote nicht« – so will ich ihm bedeuten, hier liege ein Fall des Übergangs ›von der Quantität zur Qualität‹ vor. | ||
{{ParPU|285}} Denk an das Erkennen des ''Gesichtsausdrucks''. Oder an die Beschreibung des Gesichtsausdrucks, – die nicht darin besteht, daß man die Maße des Gesichts angibt! Denke auch daran, wie man das Gesicht eines Menschen nachahmen kann, ohne das eigene dabei im Spiegel zu sehen. | {{ParPU|285}} Denk an das Erkennen des ''Gesichtsausdrucks''. Oder an die Beschreibung des Gesichtsausdrucks, – die nicht darin besteht, daß man die Maße des Gesichts angibt! Denke auch daran, wie man das Gesicht eines Menschen nachahmen kann, ohne das eigene dabei im Spiegel zu sehen. | ||
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Was ist das für eine Streitfrage: Ist es der ''Körper'', der Schmerzen fühlt? – Wie ist sie zu entscheiden? Wie macht es sich geltend, daß es ''nicht'' der Körper ist? – Nun, etwa so: Wenn Einer in der Hand Schmerzen hat, so sagt’s die ''Hand'' nicht (außer sie schreibt’s), und man spricht nicht der Hand Trost zu, sondern dem Leidenden; man sieht ihm in die Augen. | Was ist das für eine Streitfrage: Ist es der ''Körper'', der Schmerzen fühlt? – Wie ist sie zu entscheiden? Wie macht es sich geltend, daß es ''nicht'' der Körper ist? – Nun, etwa so: Wenn Einer in der Hand Schmerzen hat, so sagt’s die ''Hand'' nicht (außer sie schreibt’s), und man spricht nicht der Hand Trost zu, sondern dem Leidenden; man sieht ihm in die Augen. | ||
{{ParPU|287}} Wie bin ich von Mitleid ''für diesen Menschen'' erfüllt? Wie zeigt es sich, welches Objekt das Mitleid hat? (Das Mitleid, kann man sagen, ist eine Form der Überzeugung, daß ein Andrer Schmerzen hat.) | {{ParPU|287}} Wie bin ich von Mitleid ''für diesen Menschen'' erfüllt? Wie zeigt es sich, welches Objekt das Mitleid hat? (Das Mitleid, kann man sagen, ist eine Form der Überzeugung, daß ein Andrer Schmerzen hat.) | ||
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Jener Ausdruck des Zweifels gehört nicht zu dem Sprachspiel; aber wenn nun der Ausdruck der Empfindung, das menschliche Benehmen, ausgeschlossen ist, dann scheint es, ich ''dürfe'' wieder zweifeln. Daß ich hier versucht bin, zu sagen, man könne die Empfindung für etwas andres halten, als was sie ist, kommt daher: Wenn ich das normale Sprachspiel mit dem Ausdruck der Empfindung abgeschafft denke, brauche ich nun ein Kriterium der Identität für sie; und dann bestünde auch die Möglichkeit des Irrtums. | Jener Ausdruck des Zweifels gehört nicht zu dem Sprachspiel; aber wenn nun der Ausdruck der Empfindung, das menschliche Benehmen, ausgeschlossen ist, dann scheint es, ich ''dürfe'' wieder zweifeln. Daß ich hier versucht bin, zu sagen, man könne die Empfindung für etwas andres halten, als was sie ist, kommt daher: Wenn ich das normale Sprachspiel mit dem Ausdruck der Empfindung abgeschafft denke, brauche ich nun ein Kriterium der Identität für sie; und dann bestünde auch die Möglichkeit des Irrtums. | ||
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Ein Wort ohne Rechtfertigung gebrauchen, heißt nicht, es zu Unrecht gebrauchen. | Ein Wort ohne Rechtfertigung gebrauchen, heißt nicht, es zu Unrecht gebrauchen. | ||
Line 1,917: | Line 1,649: | ||
Aber fängt es nicht mit der Empfindung an, – die ich beschreibe? – Das Wort »beschreiben« hat uns da vielleicht zum Besten. Ich sage »Ich beschreibe meinen Seelenzustand« und »Ich beschreibe mein Zimmer«. Man muß sich die Verschiedenheiten der Sprachspiele ins Gedächtnis rufen. | Aber fängt es nicht mit der Empfindung an, – die ich beschreibe? – Das Wort »beschreiben« hat uns da vielleicht zum Besten. Ich sage »Ich beschreibe meinen Seelenzustand« und »Ich beschreibe mein Zimmer«. Man muß sich die Verschiedenheiten der Sprachspiele ins Gedächtnis rufen. | ||
{{ParPU|291}} Was wir »''Beschreibungen''« nennen, sind Instrumente für besondere Verwendungen. Denke dabei an eine Maschinenzeichnung, einen Schnitt, einen Aufriß mit den Maßen, den der Mechaniker vor sich hat. Wenn man an eine Beschreibung als ein Wortbild der Tatsachen denkt, so hat das etwas Irreführendes: Man denkt etwa nur an Bilder, wie sie an unsern Wänden hängen; die schlechtweg abzubilden scheinen, wie ein Ding aussieht, wie es beschaffen ist. (Diese Bilder sind gleichsam müßig.) | {{ParPU|291}} Was wir »''Beschreibungen''« nennen, sind Instrumente für besondere Verwendungen. Denke dabei an eine Maschinenzeichnung, einen Schnitt, einen Aufriß mit den Maßen, den der Mechaniker vor sich hat. Wenn man an eine Beschreibung als ein Wortbild der Tatsachen denkt, so hat das etwas Irreführendes: Man denkt etwa nur an Bilder, wie sie an unsern Wänden hängen; die schlechtweg abzubilden scheinen, wie ein Ding aussieht, wie es beschaffen ist. (Diese Bilder sind gleichsam müßig.) | ||
{{ParPU|292}} Glaub nicht immer, daß du deine Worte von Tatsachen abliest; diese nach Regeln in Worte abbildest! Denn die Anwendung der Regel im besondern Fall müßtest du ja doch ohne Führung machen. | {{ParPU|292}} Glaub nicht immer, daß du deine Worte von Tatsachen abliest; diese nach Regeln in Worte abbildest! Denn die Anwendung der Regel im besondern Fall müßtest du ja doch ohne Führung machen. | ||
Line 1,933: | Line 1,662: | ||
Das heißt: Wenn man die Grammatik des Ausdrucks der Empfindung nach dem Muster von ›Gegenstand und Bezeichnung‹ konstruiert, dann fällt der Gegenstand als irrelevant aus der Betrachtung heraus. | Das heißt: Wenn man die Grammatik des Ausdrucks der Empfindung nach dem Muster von ›Gegenstand und Bezeichnung‹ konstruiert, dann fällt der Gegenstand als irrelevant aus der Betrachtung heraus. | ||
{{ParPU|294}} Wenn du sagst, er sähe ein privates Bild vor sich, das er beschreibe, so hast du immerhin eine Annahme gemacht über das, was er vor sich hat. Und das heißt, daß du es näher beschreiben kannst, oder beschreibst. Gibst du zu, daß du gar keine Ahnung hast, von welcher Art, was er vor sich hat, sein könnte, – was verführt dich dann dennoch zu sagen, er habe etwas vor sich? Ist das nicht, als sagte ich von Einem: »Er ''hat'' etwas. Aber ob es Geld, oder Schulden, oder eine leere Kasse ist, weiß ich nicht.« | {{ParPU|294}} Wenn du sagst, er sähe ein privates Bild vor sich, das er beschreibe, so hast du immerhin eine Annahme gemacht über das, was er vor sich hat. Und das heißt, daß du es näher beschreiben kannst, oder beschreibst. Gibst du zu, daß du gar keine Ahnung hast, von welcher Art, was er vor sich hat, sein könnte, – was verführt dich dann dennoch zu sagen, er habe etwas vor sich? Ist das nicht, als sagte ich von Einem: »Er ''hat'' etwas. Aber ob es Geld, oder Schulden, oder eine leere Kasse ist, weiß ich nicht.« | ||
Line 1,945: | Line 1,672: | ||
Ja, wenn wir beim Philosophieren in uns schauen, bekommen wir oft gerade so ein Bild zu sehen. Förmlich, eine bildliche Darstellung unsrer Grammatik. Nicht Fakten; sondern gleichsam illustrierte Redewendungen. | Ja, wenn wir beim Philosophieren in uns schauen, bekommen wir oft gerade so ein Bild zu sehen. Förmlich, eine bildliche Darstellung unsrer Grammatik. Nicht Fakten; sondern gleichsam illustrierte Redewendungen. | ||
{{ParPU|296}} »Ja, aber es ist doch da ein Etwas, was meinen Ausruf des Schmerzes begleitet! Und um dessentwillen ich ihn mache. Und dieses Etwas ist das, was wichtig ist, – und schrecklich.« – Wem teilen wir das nur mit? Und bei welcher Gelegenheit? | {{ParPU|296}} »Ja, aber es ist doch da ein Etwas, was meinen Ausruf des Schmerzes begleitet! Und um dessentwillen ich ihn mache. Und dieses Etwas ist das, was wichtig ist, – und schrecklich.« – Wem teilen wir das nur mit? Und bei welcher Gelegenheit? | ||
{{ParPU|297}} Freilich, wenn das Wasser im Topf kocht, so steigt der Dampf aus dem Topf und auch das Bild des Dampfes aus dem Bild des Topfes. Aber wie, wenn man sagen wollte, im Bild des Topfes müsse auch etwas kochen? | {{ParPU|297}} Freilich, wenn das Wasser im Topf kocht, so steigt der Dampf aus dem Topf und auch das Bild des Dampfes aus dem Bild des Topfes. Aber wie, wenn man sagen wollte, im Bild des Topfes müsse auch etwas kochen? | ||
{{ParPU|298}} Daß wir so gerne sagen möchten »Das Wichtige ist ''das''« – indem wir für uns selbst auf die Empfindung deuten, – zeigt schon, wie sehr wir geneigt sind, etwas zu sagen, was keine Mitteilung ist. | {{ParPU|298}} Daß wir so gerne sagen möchten »Das Wichtige ist ''das''« – indem wir für uns selbst auf die Empfindung deuten, – zeigt schon, wie sehr wir geneigt sind, etwas zu sagen, was keine Mitteilung ist. | ||
{{ParPU|299}} Nicht umhin können – wenn wir uns philosophischen Gedanken hingeben – das und das zu sagen, unwiderstehlich dazu neigen, dies zu sagen, heißt nicht, zu einer ''Annahme'' gezwungen sein, oder einen Sachverhalt unmittelbar einsehen, oder wissen. | {{ParPU|299}} Nicht umhin können – wenn wir uns philosophischen Gedanken hingeben – das und das zu sagen, unwiderstehlich dazu neigen, dies zu sagen, heißt nicht, zu einer ''Annahme'' gezwungen sein, oder einen Sachverhalt unmittelbar einsehen, oder wissen. | ||
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{{ParPU|301}} Eine Vorstellung ist kein Bild, aber ein Bild kann ihr entsprechen. | {{ParPU|301}} Eine Vorstellung ist kein Bild, aber ein Bild kann ihr entsprechen. | ||
Line 1,973: | Line 1,694: | ||
Das Schmerzbenehmen kann auf eine schmerzhafte Stelle deuten, – aber die leidende Person ist die, welche Schmerz äußert. | Das Schmerzbenehmen kann auf eine schmerzhafte Stelle deuten, – aber die leidende Person ist die, welche Schmerz äußert. | ||
Line 1,979: | Line 1,699: | ||
Versuch einmal – in einem wirklichen Fall – die Angst, die Schmerzen des Andern zu bezweifeln. | Versuch einmal – in einem wirklichen Fall – die Angst, die Schmerzen des Andern zu bezweifeln. | ||
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Das Paradox verschwindet nur dann, wenn wir radikal mit der Idee brechen, die Sprache funktioniere immer auf ''eine'' Weise, diene immer dem gleichen Zweck: Gedanken zu übertragen – seien diese nun Gedanken über Häuser, Schmerzen, Gut und Böse, oder was immer. | Das Paradox verschwindet nur dann, wenn wir radikal mit der Idee brechen, die Sprache funktioniere immer auf ''eine'' Weise, diene immer dem gleichen Zweck: Gedanken zu übertragen – seien diese nun Gedanken über Häuser, Schmerzen, Gut und Böse, oder was immer. | ||
{{ParPU|305}} »Aber du kannst doch nicht leugnen, daß, z.B., beim Erinnern ein innerer Vorgang stattfindet.« – Warum macht es denn den Eindruck, als wollten wir etwas leugnen? Wenn man sagt »Es findet doch dabei ein innerer Vorgang statt« – so will man fortsetzen: »Du ''siehst'' es doch.« Und es ist doch dieser innere Vorgang, den man mit dem Wort »sich erinnern« meint. – Der Eindruck, als wollten wir etwas leugnen, rührt daher, daß wir uns gegen das Bild vom ›innern Vorgang‹ wenden. Was wir leugnen, ist, daß das Bild vom Innern Vorgang uns die richtige Idee von der Verwendung des Wortes »erinnern« gibt. Ja wir sagen, daß dieses Bild mit seinen Ramifikationen uns verhindert, die Verwendung des Wortes zu sehen, wie sie ist. | {{ParPU|305}} »Aber du kannst doch nicht leugnen, daß, z.B., beim Erinnern ein innerer Vorgang stattfindet.« – Warum macht es denn den Eindruck, als wollten wir etwas leugnen? Wenn man sagt »Es findet doch dabei ein innerer Vorgang statt« – so will man fortsetzen: »Du ''siehst'' es doch.« Und es ist doch dieser innere Vorgang, den man mit dem Wort »sich erinnern« meint. – Der Eindruck, als wollten wir etwas leugnen, rührt daher, daß wir uns gegen das Bild vom ›innern Vorgang‹ wenden. Was wir leugnen, ist, daß das Bild vom Innern Vorgang uns die richtige Idee von der Verwendung des Wortes »erinnern« gibt. Ja wir sagen, daß dieses Bild mit seinen Ramifikationen uns verhindert, die Verwendung des Wortes zu sehen, wie sie ist. | ||
{{ParPU|306}} Warum soll ich denn leugnen, daß ein geistiger Vorgang da ist?! Nur heißt »Es hat jetzt in mir der geistige Vorgang der Erinnerung an ... stattgefunden« nichts andres als: »Ich habe mich jetzt an ... erinnert«. Den geistigen Vorgang leugnen, hieße, das Erinnern leugnen; leugnen, daß irgend jemand sich je an etwas erinnert. | {{ParPU|306}} Warum soll ich denn leugnen, daß ein geistiger Vorgang da ist?! Nur heißt »Es hat jetzt in mir der geistige Vorgang der Erinnerung an ... stattgefunden« nichts andres als: »Ich habe mich jetzt an ... erinnert«. Den geistigen Vorgang leugnen, hieße, das Erinnern leugnen; leugnen, daß irgend jemand sich je an etwas erinnert. | ||
{{ParPU|307}} »Bist du nicht doch ein verkappter Behaviourist? Sagst du nicht doch, im Grunde, daß alles Fiktion ist, außer dem menschlichen Benehmen?« – Wenn ich von einer Fiktion rede, dann von einer grammatischen Fiktion. | {{ParPU|307}} »Bist du nicht doch ein verkappter Behaviourist? Sagst du nicht doch, im Grunde, daß alles Fiktion ist, außer dem menschlichen Benehmen?« – Wenn ich von einer Fiktion rede, dann von einer grammatischen Fiktion. | ||
{{ParPU|308}} Wie kommt es nur zum philosophischen Problem der seelischen Vorgänge und Zustände und des Behaviourism? –– Der erste Schritt ist der ganz unauffällige. Wir reden von Vorgängen und Zuständen, und lassen ihre Natur unentschieden! Wir werden vielleicht einmal mehr über sie wissen – meinen wir. Aber eben dadurch haben wir uns auf eine bestimmte Betrachtungsweise festgelegt. Denn wir haben einen bestimmten Begriff davon, was es heißt: einen Vorgang näher kennen zu lernen. (Der entscheidende Schritt im Taschenspielerkunststück ist getan, und gerade er schien uns unschuldig.) – Und nun zerfällt der Vergleich, der uns unsere Gedanken hätte begreiflich machen sollen. Wir müssen also den noch unverstandenen Prozeß im noch unerforschten Medium leugnen. Und so scheinen wir also die geistigen Vorgänge geleugnet zu haben. Und wollen sie doch natürlich nicht leugnen! | {{ParPU|308}} Wie kommt es nur zum philosophischen Problem der seelischen Vorgänge und Zustände und des Behaviourism? –– Der erste Schritt ist der ganz unauffällige. Wir reden von Vorgängen und Zuständen, und lassen ihre Natur unentschieden! Wir werden vielleicht einmal mehr über sie wissen – meinen wir. Aber eben dadurch haben wir uns auf eine bestimmte Betrachtungsweise festgelegt. Denn wir haben einen bestimmten Begriff davon, was es heißt: einen Vorgang näher kennen zu lernen. (Der entscheidende Schritt im Taschenspielerkunststück ist getan, und gerade er schien uns unschuldig.) – Und nun zerfällt der Vergleich, der uns unsere Gedanken hätte begreiflich machen sollen. Wir müssen also den noch unverstandenen Prozeß im noch unerforschten Medium leugnen. Und so scheinen wir also die geistigen Vorgänge geleugnet zu haben. Und wollen sie doch natürlich nicht leugnen! | ||
{{ParPU|309}} Was ist dein Ziel in der Philosophie? – Der Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglas zeigen. | {{ParPU|309}} Was ist dein Ziel in der Philosophie? – Der Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglas zeigen. | ||
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Nehmen wir an, er sagt: »Es wird nicht so schlimm sein.« – Ist das nicht der Beweis dafür, daß er an etwas glaubt, das hinter der Schmerzäußerung steht? –– Seine Einstellung ist ein Beweis seiner Einstellung. Denke dir nicht nur den Satz »Ich habe Schmerzen«, sondern auch die Antwort »Es wird nicht so schlimm sein« durch Naturlaute und Gebärden ersetzt! | Nehmen wir an, er sagt: »Es wird nicht so schlimm sein.« – Ist das nicht der Beweis dafür, daß er an etwas glaubt, das hinter der Schmerzäußerung steht? –– Seine Einstellung ist ein Beweis seiner Einstellung. Denke dir nicht nur den Satz »Ich habe Schmerzen«, sondern auch die Antwort »Es wird nicht so schlimm sein« durch Naturlaute und Gebärden ersetzt! | ||
{{ParPU|311}} »Welcher Unterschied könnte größer sein!« – Im Falle der Schmerzen glaube ich, ich könne mir diesen Unterschied privatim vorführen. Den Unterschied aber zwischen einem abgebrochenen und einem nicht abgebrochenen Zahn kann ich Jedem vorführen. – Aber zu der privaten Vorführung brauchst du dir gar nicht Schmerzen hervorzurufen, sondern es genügt, wenn du dir sie ''vorstellst'', – z. B. ein wenig das Gesicht verziehst. Und weißt du, daß, was du dir so vorführst, Schmerzen sind, und nicht z. B. ein Gesichtsausdruck? Wie weißt du auch, was du dir vorführen sollst, ehe du dir’s vorführst? Diese ''private'' Vorführung ist eine Illusion. | {{ParPU|311}} »Welcher Unterschied könnte größer sein!« – Im Falle der Schmerzen glaube ich, ich könne mir diesen Unterschied privatim vorführen. Den Unterschied aber zwischen einem abgebrochenen und einem nicht abgebrochenen Zahn kann ich Jedem vorführen. – Aber zu der privaten Vorführung brauchst du dir gar nicht Schmerzen hervorzurufen, sondern es genügt, wenn du dir sie ''vorstellst'', – z. B. ein wenig das Gesicht verziehst. Und weißt du, daß, was du dir so vorführst, Schmerzen sind, und nicht z. B. ein Gesichtsausdruck? Wie weißt du auch, was du dir vorführen sollst, ehe du dir’s vorführst? Diese ''private'' Vorführung ist eine Illusion. | ||
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Denken wir uns diesen Fall: Die Oberflächen der Dinge unsrer Umgebung (Steine, Pflanzen, etc. etc.) hätten Flecken und Zonen, die unsrer Haut bei der Berührung Schmerz verursachten. (Etwa durch die chemische Beschaffenheit dieser Oberflächen. Aber das brauchen wir nicht zu wissen.) Wir würden nun, wie heute von einem rotgefleckten Blatt einer bestimmten Pflanze, von einem Blatt mit Schmerzflecken reden. Ich denke mir, daß die Wahrnehmung dieser Flecken und ihrer Gestalt für uns von Nutzen wäre, daß wir aus ihr Schlüsse auf wichtige Eigenschaften der Dinge ziehen könnten. | Denken wir uns diesen Fall: Die Oberflächen der Dinge unsrer Umgebung (Steine, Pflanzen, etc. etc.) hätten Flecken und Zonen, die unsrer Haut bei der Berührung Schmerz verursachten. (Etwa durch die chemische Beschaffenheit dieser Oberflächen. Aber das brauchen wir nicht zu wissen.) Wir würden nun, wie heute von einem rotgefleckten Blatt einer bestimmten Pflanze, von einem Blatt mit Schmerzflecken reden. Ich denke mir, daß die Wahrnehmung dieser Flecken und ihrer Gestalt für uns von Nutzen wäre, daß wir aus ihr Schlüsse auf wichtige Eigenschaften der Dinge ziehen könnten. | ||
{{ParPU|313}} Ich kann Schmerzen vorführen, wie ich Rot vorführe, und wie ich Gerade und Krumm und Baum und Stein vorführe. – ''Das nennen'' wir eben »vorführen«. | {{ParPU|313}} Ich kann Schmerzen vorführen, wie ich Rot vorführe, und wie ich Gerade und Krumm und Baum und Stein vorführe. – ''Das nennen'' wir eben »vorführen«. | ||
{{ParPU|314}} Es zeigt ein fundamentales Mißverständnis an, wenn ich meinen gegenwärtigen Zustand der Kopfschmerzen zu betrachten geneigt bin, um über das philosophische Problem der Empfindung ins Klare zu kommen. | {{ParPU|314}} Es zeigt ein fundamentales Mißverständnis an, wenn ich meinen gegenwärtigen Zustand der Kopfschmerzen zu betrachten geneigt bin, um über das philosophische Problem der Empfindung ins Klare zu kommen. | ||
{{ParPU|315}} Könnte der das Wort »Schmerz« verstehen, der ''nie'' Schmerz gefühlt hat? – Soll die Erfahrung mich lehren, ob es so ist oder nicht? – Und wenn wir sagen »Einer kann sich Schmerzen nicht vorstellen, außer er hat sie einmal gefühlt« – woher wissen wir das? Wie läßt sich entscheiden, ob das wahr ist? | {{ParPU|315}} Könnte der das Wort »Schmerz« verstehen, der ''nie'' Schmerz gefühlt hat? – Soll die Erfahrung mich lehren, ob es so ist oder nicht? – Und wenn wir sagen »Einer kann sich Schmerzen nicht vorstellen, außer er hat sie einmal gefühlt« – woher wissen wir das? Wie läßt sich entscheiden, ob das wahr ist? | ||
{{ParPU|316}} Um über die Bedeutung des Wortes »denken« klar zu werden, schauen wir uns selbst beim Denken zu: Was wir da beobachten, werde das sein, was das Wort bedeutet! – Aber so wird dieser Begriff eben nicht gebraucht. (Es wäre ähnlich, wenn ich, ohne Kenntnis des Schachspiels, durch genaues Beobachten des letzten Zuges einer Schachpartie herausbringen wollte, was das Wort »mattsetzen« bedeutet.) | {{ParPU|316}} Um über die Bedeutung des Wortes »denken« klar zu werden, schauen wir uns selbst beim Denken zu: Was wir da beobachten, werde das sein, was das Wort bedeutet! – Aber so wird dieser Begriff eben nicht gebraucht. (Es wäre ähnlich, wenn ich, ohne Kenntnis des Schachspiels, durch genaues Beobachten des letzten Zuges einer Schachpartie herausbringen wollte, was das Wort »mattsetzen« bedeutet.) | ||
Line 2,043: | Line 1,749: | ||
Als wäre es der Zweck des Satzes, Einen wissen zu lassen, wie es dem Andern zu Mute ist: Nur, sozusagen, im Denkapparat und nicht im Magen. | Als wäre es der Zweck des Satzes, Einen wissen zu lassen, wie es dem Andern zu Mute ist: Nur, sozusagen, im Denkapparat und nicht im Magen. | ||
{{ParPU|318}} Wenn wir denkend sprechen, oder auch schreiben – ich meine, wie wir es gewöhnlich tun – so werden wir, im allgemeinen, nicht sagen, wir dächten schneller, als wir sprechen; sondern der Gedanke erscheint hier vom Ausdruck ''nicht abgelöst''. Anderseits aber redet man von der Schnelle des Gedankens; wie ein Gedanke uns blitzartig durch den Kopf geht, wie Probleme uns mit einem Schlage klar werden, etc. Da liegt es nahe, zu fragen: Geschieht beim blitzartigen Denken das gleiche, wie beim nicht gedankenlosen Sprechen, – nur äußerst beschleunigt? So daß also im ersten Fall das Uhrwerk gleichsam mit einem Ruck abläuft, im zweiten aber, durch die Worte gehemmt, Schritt für Schritt. | {{ParPU|318}} Wenn wir denkend sprechen, oder auch schreiben – ich meine, wie wir es gewöhnlich tun – so werden wir, im allgemeinen, nicht sagen, wir dächten schneller, als wir sprechen; sondern der Gedanke erscheint hier vom Ausdruck ''nicht abgelöst''. Anderseits aber redet man von der Schnelle des Gedankens; wie ein Gedanke uns blitzartig durch den Kopf geht, wie Probleme uns mit einem Schlage klar werden, etc. Da liegt es nahe, zu fragen: Geschieht beim blitzartigen Denken das gleiche, wie beim nicht gedankenlosen Sprechen, – nur äußerst beschleunigt? So daß also im ersten Fall das Uhrwerk gleichsam mit einem Ruck abläuft, im zweiten aber, durch die Worte gehemmt, Schritt für Schritt. | ||
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Was macht diese Notiz zu einer Zusammenfassung dieses Gedankens? | Was macht diese Notiz zu einer Zusammenfassung dieses Gedankens? | ||
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Wird mir z.B. eine algebraische Funktion gegeben, so bin ich SICHER, ich werde ihre Werte für die Argumente 1, 2, 3, bis 10 berechnen können. Man wird diese Sicherheit ›wohlbegründet‹ nennen, denn ich habe gelernt, solche Funktionen zu berechnen, usw. In andern Fällen wird sie nicht begründet sein, – aber durch den Erfolg dennoch gerechtfertigt. | Wird mir z.B. eine algebraische Funktion gegeben, so bin ich SICHER, ich werde ihre Werte für die Argumente 1, 2, 3, bis 10 berechnen können. Man wird diese Sicherheit ›wohlbegründet‹ nennen, denn ich habe gelernt, solche Funktionen zu berechnen, usw. In andern Fällen wird sie nicht begründet sein, – aber durch den Erfolg dennoch gerechtfertigt. | ||
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(Es ist kein Grund, anzunehmen, daß ein Mensch die Ausdrucksbewegungen seines Gesichts, z.B., oder die für eine Gemütsbewegung charakteristischen Veränderungen in seiner Atmung, fühle. Auch wenn er sie fühlt, sobald er seine Aufmerksamkeit auf sie lenkt.) ((Positur.)) | (Es ist kein Grund, anzunehmen, daß ein Mensch die Ausdrucksbewegungen seines Gesichts, z.B., oder die für eine Gemütsbewegung charakteristischen Veränderungen in seiner Atmung, fühle. Auch wenn er sie fühlt, sobald er seine Aufmerksamkeit auf sie lenkt.) ((Positur.)) | ||
{{ParPU|322}} Daß die Antwort auf die Frage nach der Bedeutung des Ausdrucks mit dieser Beschreibung nicht gegeben ist, verleitet dann zu der Folgerung, das Verstehen sei eben ein spezifisches, undefinierbares, Erlebnis. Man vergißt aber, daß, was uns interessieren muß, die Frage ist: Wie ''vergleichen'' wir diese Erlebnisse; was ''legen wir fest'' als Kriterium der Identität des Geschehnisses? | {{ParPU|322}} Daß die Antwort auf die Frage nach der Bedeutung des Ausdrucks mit dieser Beschreibung nicht gegeben ist, verleitet dann zu der Folgerung, das Verstehen sei eben ein spezifisches, undefinierbares, Erlebnis. Man vergißt aber, daß, was uns interessieren muß, die Frage ist: Wie ''vergleichen'' wir diese Erlebnisse; was ''legen wir fest'' als Kriterium der Identität des Geschehnisses? | ||
Line 2,075: | Line 1,775: | ||
Es wäre auch denkbar, daß Einer immer wieder Scheinerleuchtungen hätte, – ausriefe »Jetzt hab ich’s!« und es dann nie durch die Tat rechtfertigen könnte. – Es könnte ihm scheinen, als vergäße er augenblicklich wieder die Bedeutung des Bildes, das ihm vorschwebte. | Es wäre auch denkbar, daß Einer immer wieder Scheinerleuchtungen hätte, – ausriefe »Jetzt hab ich’s!« und es dann nie durch die Tat rechtfertigen könnte. – Es könnte ihm scheinen, als vergäße er augenblicklich wieder die Bedeutung des Bildes, das ihm vorschwebte. | ||
{{ParPU|324}} Wäre es richtig zu sagen, es handle sich hier um Induktion, und ich sei so sicher, daß ich die Reihe werde fortsetzen können, wie ich es bin, daß dieses Buch zur Erde fallen wird, wenn ich es auslasse; und ich wäre nicht erstaunter, wenn ich plötzlich ohne offenbare Ursache im Entwickeln der Reihe steckenbliebe, als ich es wäre, wenn das Buch, statt zu fallen, in der Luft schweben bliebe? – Darauf will ich antworten, daß wir eben auch zu ''dieser'' Sicherheit keiner Gründe bedürfen. Was könnte die Sicherheit ''mehr'' rechtfertigen als der Erfolg? | {{ParPU|324}} Wäre es richtig zu sagen, es handle sich hier um Induktion, und ich sei so sicher, daß ich die Reihe werde fortsetzen können, wie ich es bin, daß dieses Buch zur Erde fallen wird, wenn ich es auslasse; und ich wäre nicht erstaunter, wenn ich plötzlich ohne offenbare Ursache im Entwickeln der Reihe steckenbliebe, als ich es wäre, wenn das Buch, statt zu fallen, in der Luft schweben bliebe? – Darauf will ich antworten, daß wir eben auch zu ''dieser'' Sicherheit keiner Gründe bedürfen. Was könnte die Sicherheit ''mehr'' rechtfertigen als der Erfolg? | ||
Line 2,085: | Line 1,783: | ||
Ist die Zuversicht gerechtfertigt? – Was die Menschen als Rechtfertigung gelten lassen, – zeigt, wie sie denken und leben. | Ist die Zuversicht gerechtfertigt? – Was die Menschen als Rechtfertigung gelten lassen, – zeigt, wie sie denken und leben. | ||
{{ParPU|326}} Wir erwarten ''dies'' und werden von ''dem'' überrascht; aber die Kette der Gründe hat ein Ende. | {{ParPU|326}} Wir erwarten ''dies'' und werden von ''dem'' überrascht; aber die Kette der Gründe hat ein Ende. | ||
{{ParPU|327}} »Kann man denken, ohne zu reden?« – Und was ist ''Denken? –'' Nun, denkst du nie? Kannst du dich nicht beobachten und sehen, was da vorgeht? Das sollte doch einfach sein. Du mußt ja darauf nicht, wie auf ein astronomisches Ereignis warten und dann etwa in Eile deine Beobachtung machen. | {{ParPU|327}} »Kann man denken, ohne zu reden?« – Und was ist ''Denken? –'' Nun, denkst du nie? Kannst du dich nicht beobachten und sehen, was da vorgeht? Das sollte doch einfach sein. Du mußt ja darauf nicht, wie auf ein astronomisches Ereignis warten und dann etwa in Eile deine Beobachtung machen. | ||
{{ParPU|328}} Nun, was nennt man noch »denken«? Wofür hat man gelernt, das Wort zu benützen? – Wenn ich sage, ich habe gedacht, – muß ich da immer recht haben? – Was für eine ''Art'' des Irrtums gibt es da? Gibt es Umstände, unter denen man fragen würde: »War, was ich da getan habe, wirklich ein Denken; irre ich mich nicht?« Wenn jemand, im Verlauf eines Gedankengangs, eine Messung ausführt: hat er das Denken unterbrochen, wenn er beim Messen nicht zu sich selbst spricht? | {{ParPU|328}} Nun, was nennt man noch »denken«? Wofür hat man gelernt, das Wort zu benützen? – Wenn ich sage, ich habe gedacht, – muß ich da immer recht haben? – Was für eine ''Art'' des Irrtums gibt es da? Gibt es Umstände, unter denen man fragen würde: »War, was ich da getan habe, wirklich ein Denken; irre ich mich nicht?« Wenn jemand, im Verlauf eines Gedankengangs, eine Messung ausführt: hat er das Denken unterbrochen, wenn er beim Messen nicht zu sich selbst spricht? | ||
{{ParPU|329}} Wenn ich in der Sprache denke, so schweben mir nicht neben dem sprachlichen Ausdruck noch ›Bedeutungen‹ vor; sondern die Sprache selbst ist das Vehikel des Denkens. | {{ParPU|329}} Wenn ich in der Sprache denke, so schweben mir nicht neben dem sprachlichen Ausdruck noch ›Bedeutungen‹ vor; sondern die Sprache selbst ist das Vehikel des Denkens. | ||
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Sprich die Zeile: »Die Feder ist wohl stumpf. Nu, nu, sie geht.« Einmal denkend; dann gedankenlos; dann denk nur den Gedanken, aber ohne die Worte. – Nun, ich könnte, im Laufe einer Handlung, die Spitze meiner Feder prüfen, mein Gesicht verziehen, – dann mit einer Gebärde der Resignation weiterschreiben. – Ich könnte auch, mit irgendwelchen Messungen beschäftigt, so handeln, daß, wer mir zusieht, sagen würde, ich habe – ohne Worte – gedacht: Sind zwei Größen einer dritten gleich, so sind sie untereinander gleich. – Aber was hier das Denken ausmacht, ist nicht ein Vorgang, der die Worte begleiten muß, wenn sie nicht gedankenlos ausgesprochen sein sollen. | Sprich die Zeile: »Die Feder ist wohl stumpf. Nu, nu, sie geht.« Einmal denkend; dann gedankenlos; dann denk nur den Gedanken, aber ohne die Worte. – Nun, ich könnte, im Laufe einer Handlung, die Spitze meiner Feder prüfen, mein Gesicht verziehen, – dann mit einer Gebärde der Resignation weiterschreiben. – Ich könnte auch, mit irgendwelchen Messungen beschäftigt, so handeln, daß, wer mir zusieht, sagen würde, ich habe – ohne Worte – gedacht: Sind zwei Größen einer dritten gleich, so sind sie untereinander gleich. – Aber was hier das Denken ausmacht, ist nicht ein Vorgang, der die Worte begleiten muß, wenn sie nicht gedankenlos ausgesprochen sein sollen. | ||
{{ParPU|331}} Stell dir Menschen vor, die nur laut denken könnten! (Wie es Menschen gibt, die nur laut lesen können.) | {{ParPU|331}} Stell dir Menschen vor, die nur laut denken könnten! (Wie es Menschen gibt, die nur laut lesen können.) | ||
{{ParPU|332}} »Denken« nennen wir wohl manchmal, den Satz mit einem seelischen Vorgang begleiten, aber »Gedanke« nennen wir nicht jene Begleitung. –– Sprich einen Satz und denke ihn; sprich ihn mit Verständnis! – Und nun sprich ihn nicht, und tu nur das, womit du ihn beim verständnisvollen Sprechen begleitet hast! – (Sing dies Lied mit Ausdruck! Und nun sing es nicht, aber wiederhole den Ausdruck! – Und man könnte auch hier etwas wiederholen; z.B. Schwingungen des Körpers, langsameres und schnelleres Atmen, etc.) | {{ParPU|332}} »Denken« nennen wir wohl manchmal, den Satz mit einem seelischen Vorgang begleiten, aber »Gedanke« nennen wir nicht jene Begleitung. –– Sprich einen Satz und denke ihn; sprich ihn mit Verständnis! – Und nun sprich ihn nicht, und tu nur das, womit du ihn beim verständnisvollen Sprechen begleitet hast! – (Sing dies Lied mit Ausdruck! Und nun sing es nicht, aber wiederhole den Ausdruck! – Und man könnte auch hier etwas wiederholen; z.B. Schwingungen des Körpers, langsameres und schnelleres Atmen, etc.) | ||
{{ParPU|333}} »Das kann nur Einer sagen, der davon ''überzeugt'' ist.« – Wie hilft ihm die Überzeugung, wenn er es sagt? – Ist sie dann neben dem gesprochenen Ausdruck vorhanden? (Oder wird sie von diesem zugedeckt, wie ein leiser Ton von einem lauten, so daß sie gleichsam nicht mehr gehört werden kann, wenn man sie laut ausdrückt?) Wie, wenn Einer sagte: »Damit man eine Melodie nach dem Gedächtnis singen kann, muß man sie im Geiste hören und sie nachsingen« ? | {{ParPU|333}} »Das kann nur Einer sagen, der davon ''überzeugt'' ist.« – Wie hilft ihm die Überzeugung, wenn er es sagt? – Ist sie dann neben dem gesprochenen Ausdruck vorhanden? (Oder wird sie von diesem zugedeckt, wie ein leiser Ton von einem lauten, so daß sie gleichsam nicht mehr gehört werden kann, wenn man sie laut ausdrückt?) Wie, wenn Einer sagte: »Damit man eine Melodie nach dem Gedächtnis singen kann, muß man sie im Geiste hören und sie nachsingen« ? | ||
{{ParPU|334}} »Du wolltest also eigentlich sagen ...« – Mit dieser Redeweise leiten wir Jemand von einer Ausdrucksform zu einer andern. Man ist versucht, das Bild zu gebrauchen: das, was er eigentlich ›sagen wollte‹, was er ›meinte‹, sei, noch ehe wir es aussprachen, in seinem Geist vorhanden gewesen. Was uns dazu bewegt, einen Ausdruck aufzugeben und an seiner Stelle einen andern anzunehmen, kann von mannigfacher Art sein. Das zu verstehen, ist es nützlich, das Verhältnis zu betrachten, in welchem Lösungen mathematischer Probleme zum Anlaß und Ursprung ihrer Fragestellung stehen. Der Begriff ›Dreiteilung des Winkels mit Lineal und Zirkel‹, wenn Einer nach der Dreiteilung sucht, und anderseits, wenn bewiesen ist, daß es sie nicht gibt. | {{ParPU|334}} »Du wolltest also eigentlich sagen ...« – Mit dieser Redeweise leiten wir Jemand von einer Ausdrucksform zu einer andern. Man ist versucht, das Bild zu gebrauchen: das, was er eigentlich ›sagen wollte‹, was er ›meinte‹, sei, noch ehe wir es aussprachen, in seinem Geist vorhanden gewesen. Was uns dazu bewegt, einen Ausdruck aufzugeben und an seiner Stelle einen andern anzunehmen, kann von mannigfacher Art sein. Das zu verstehen, ist es nützlich, das Verhältnis zu betrachten, in welchem Lösungen mathematischer Probleme zum Anlaß und Ursprung ihrer Fragestellung stehen. Der Begriff ›Dreiteilung des Winkels mit Lineal und Zirkel‹, wenn Einer nach der Dreiteilung sucht, und anderseits, wenn bewiesen ist, daß es sie nicht gibt. | ||
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Wenn man nun fragte »Hast du den Gedanken, ehe du den Ausdruck hattest?« – was müßte man da antworten? Und was auf die Frage: »Worin bestand der Gedanke, wie er vor dem Ausdruck vorhanden war?« | Wenn man nun fragte »Hast du den Gedanken, ehe du den Ausdruck hattest?« – was müßte man da antworten? Und was auf die Frage: »Worin bestand der Gedanke, wie er vor dem Ausdruck vorhanden war?« | ||
{{ParPU|336}} Es liegt hier ein Fall vor, ähnlich dem, wenn jemand sich vorstellt, man könne einen Satz mit der merkwürdigen Wortstellung der deutschen oder lateinischen Sprache nicht einfach denken, wie er dasteht. Man müsse ihn zuerst denken, und dann bringt man die Wörter in jene seltsame Ordnung. (Ein französischer Politiker schrieb einmal, es sei eine Eigentümlichkeit der französischen Sprache, daß in ihr die Worte in der Ordnung stehen, in welcher man sie denkt.) | {{ParPU|336}} Es liegt hier ein Fall vor, ähnlich dem, wenn jemand sich vorstellt, man könne einen Satz mit der merkwürdigen Wortstellung der deutschen oder lateinischen Sprache nicht einfach denken, wie er dasteht. Man müsse ihn zuerst denken, und dann bringt man die Wörter in jene seltsame Ordnung. (Ein französischer Politiker schrieb einmal, es sei eine Eigentümlichkeit der französischen Sprache, daß in ihr die Worte in der Ordnung stehen, in welcher man sie denkt.) | ||
{{ParPU|337}} Aber habe ich nicht die Gesamtform des Satzes, z.B., schon an seinem Anfang beabsichtigt? Also war er mir doch schon im Geiste, ehe er noch ausgesprochen war! – Wenn er mir im Geiste war, dann, im allgemeinen, nicht mit anderer Wortstellung. Aber wir machen uns hier wieder ein irreführendes Bild vom ›Beabsichtigen‹; d.h., vom Gebrauch dieses Worts. Die Absicht ist eingebettet in der Situation, den menschlichen Gepflogenheiten und Institutionen. Gäbe es nicht die Technik des Schachspiels, so könnte ich nicht beabsichtigen, eine Schachpartie zu spielen. Soweit ich die Satzform im voraus beabsichtige, ist dies dadurch ermöglicht, daß ich deutsch sprechen kann. | {{ParPU|337}} Aber habe ich nicht die Gesamtform des Satzes, z.B., schon an seinem Anfang beabsichtigt? Also war er mir doch schon im Geiste, ehe er noch ausgesprochen war! – Wenn er mir im Geiste war, dann, im allgemeinen, nicht mit anderer Wortstellung. Aber wir machen uns hier wieder ein irreführendes Bild vom ›Beabsichtigen‹; d.h., vom Gebrauch dieses Worts. Die Absicht ist eingebettet in der Situation, den menschlichen Gepflogenheiten und Institutionen. Gäbe es nicht die Technik des Schachspiels, so könnte ich nicht beabsichtigen, eine Schachpartie zu spielen. Soweit ich die Satzform im voraus beabsichtige, ist dies dadurch ermöglicht, daß ich deutsch sprechen kann. | ||
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Und wenn man darüber nachdenkt, so greift der Geist nach der ''Vorstellung'' des Tanzens, Redens, etc. | Und wenn man darüber nachdenkt, so greift der Geist nach der ''Vorstellung'' des Tanzens, Redens, etc. | ||
Line 2,149: | Line 1,833: | ||
Man könnte aber sagen »Denken ist ein unkörperlicher Vorgang«, wenn man dadurch die Grammatik des Wortes »denken« von der des Wortes »essen«, z.B., unterscheiden will. Nur erscheint dadurch der Unterschied der Bedeutung ''zu gering''. (Ähnlich ist es, wenn man sagt: die Zahlzeichen seien wirkliche, die Zahlen nicht-wirkliche Gegenstände.) Eine unpassende Ausdrucksweise ist ein sicheres Mittel, in einer Verwirrung stecken zu bleiben. Sie verriegelt gleichsam den Ausweg aus ihr. | Man könnte aber sagen »Denken ist ein unkörperlicher Vorgang«, wenn man dadurch die Grammatik des Wortes »denken« von der des Wortes »essen«, z.B., unterscheiden will. Nur erscheint dadurch der Unterschied der Bedeutung ''zu gering''. (Ähnlich ist es, wenn man sagt: die Zahlzeichen seien wirkliche, die Zahlen nicht-wirkliche Gegenstände.) Eine unpassende Ausdrucksweise ist ein sicheres Mittel, in einer Verwirrung stecken zu bleiben. Sie verriegelt gleichsam den Ausweg aus ihr. | ||
Line 2,155: | Line 1,838: | ||
Die Schwierigkeit aber ist, das Vorurteil zu beseitigen, das diesem Lernen entgegensteht. Es ist kein ''dummes'' Vorurteil. | Die Schwierigkeit aber ist, das Vorurteil zu beseitigen, das diesem Lernen entgegensteht. Es ist kein ''dummes'' Vorurteil. | ||
{{ParPU|341}} Gedankenloses und nicht gedankenloses Sprechen ist zu vergleichen dem gedankenlosen und nicht gedankenlosen Spielen eines Musikstücks. | {{ParPU|341}} Gedankenloses und nicht gedankenloses Sprechen ist zu vergleichen dem gedankenlosen und nicht gedankenlosen Spielen eines Musikstücks. | ||
{{ParPU|342}} William James, um zu zeigen, daß Denken ohne Sprechen möglich ist, zitiert die Erinnerung eines Taubstummen, Mr. Ballard, welcher schreibt, er habe in seiner frühen Jugend, noch ehe er sprechen konnte, sich über Gott und die Welt Gedanken gemacht. – Was das wohl heißen mag! – Ballard schreibt: »It was during those delightful rides, some two or three years before my initiation into the rudiments of written language, that I began to ask myself the question: how came the world into being?« – Bist du sicher, daß dies die richtige Übersetzung deiner wortlosen Gedanken in Worte ist? – möchte man fragen. Und warum reckt diese Frage – die doch sonst gar nicht zu existieren scheint – hier ihren Kopf hervor? Will ich sagen, es täusche den Schreiber sein Gedächtnis? – Ich weiß nicht einmal, ob ich ''das'' sagen würde. Diese Erinnerungen sind ein seltsames Gedächtnisphänomen – und ich weiß nicht, welche Schlüsse auf die Vergangenheit des Erzählers man aus ihnen ziehen kann! | {{ParPU|342}} William James, um zu zeigen, daß Denken ohne Sprechen möglich ist, zitiert die Erinnerung eines Taubstummen, Mr. Ballard, welcher schreibt, er habe in seiner frühen Jugend, noch ehe er sprechen konnte, sich über Gott und die Welt Gedanken gemacht. – Was das wohl heißen mag! – Ballard schreibt: »It was during those delightful rides, some two or three years before my initiation into the rudiments of written language, that I began to ask myself the question: how came the world into being?« – Bist du sicher, daß dies die richtige Übersetzung deiner wortlosen Gedanken in Worte ist? – möchte man fragen. Und warum reckt diese Frage – die doch sonst gar nicht zu existieren scheint – hier ihren Kopf hervor? Will ich sagen, es täusche den Schreiber sein Gedächtnis? – Ich weiß nicht einmal, ob ich ''das'' sagen würde. Diese Erinnerungen sind ein seltsames Gedächtnisphänomen – und ich weiß nicht, welche Schlüsse auf die Vergangenheit des Erzählers man aus ihnen ziehen kann! | ||
{{ParPU|343}} Die Worte, mit denen ich meine Erinnerung ausdrücke, sind meine Erinnerungsreaktion. | {{ParPU|343}} Die Worte, mit denen ich meine Erinnerung ausdrücke, sind meine Erinnerungsreaktion. | ||
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»Wenn die Menschen immer nur in ihrem Innern zu sich selbst sprächen, so täten sie schließlich nur dasjenige ''beständig'', was sie auch heute ''manchmal'' tun.« – Es ist also ganz leicht, sich dies vorzustellen; man braucht nur den leichten Übergang von Einigen zu Allen zu machen. (Ähnlich: »Eine unendlich lange Baumreihe ist einfach eine, die ''nicht'' zu einem Ende kommt«.) Unser Kriterium dafür, daß Einer zu sich selbst spricht, ist das, was er uns sagt, und sein übriges Verhalten; und wir sagen nur von dem, er spräche zu sich selbst, der, im gewöhnlichen Sinne, ''sprechen kann''. Und wir sagen es auch nicht von einem Papagei; und nicht von einem Grammophon. | »Wenn die Menschen immer nur in ihrem Innern zu sich selbst sprächen, so täten sie schließlich nur dasjenige ''beständig'', was sie auch heute ''manchmal'' tun.« – Es ist also ganz leicht, sich dies vorzustellen; man braucht nur den leichten Übergang von Einigen zu Allen zu machen. (Ähnlich: »Eine unendlich lange Baumreihe ist einfach eine, die ''nicht'' zu einem Ende kommt«.) Unser Kriterium dafür, daß Einer zu sich selbst spricht, ist das, was er uns sagt, und sein übriges Verhalten; und wir sagen nur von dem, er spräche zu sich selbst, der, im gewöhnlichen Sinne, ''sprechen kann''. Und wir sagen es auch nicht von einem Papagei; und nicht von einem Grammophon. | ||
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Befehle werden manchmal nicht befolgt. Wie aber würde es aussehen, wenn Befehle ''nie'' befolgt würden? Der Begriff ›Befehl‹ hätte seinen Zweck verloren. | Befehle werden manchmal nicht befolgt. Wie aber würde es aussehen, wenn Befehle ''nie'' befolgt würden? Der Begriff ›Befehl‹ hätte seinen Zweck verloren. | ||
{{ParPU|346}} Aber könnten wir uns nicht vorstellen, daß Gott einem Papagei plötzlich Verstand schenkte, und dieser nun zu sich selbst redete? – Aber hier ist es wichtig, daß ich zu dieser Vorstellung die Vorstellung von einer Gottheit zu Hilfe nahm. | {{ParPU|346}} Aber könnten wir uns nicht vorstellen, daß Gott einem Papagei plötzlich Verstand schenkte, und dieser nun zu sich selbst redete? – Aber hier ist es wichtig, daß ich zu dieser Vorstellung die Vorstellung von einer Gottheit zu Hilfe nahm. | ||
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Weiß ich’s nur von mir selbst, dann weiß ich also nur, was ''ich'' so nenne, nicht, was ein Andrer so nennt. | Weiß ich’s nur von mir selbst, dann weiß ich also nur, was ''ich'' so nenne, nicht, was ein Andrer so nennt. | ||
{{ParPU|348}} »Diese Taubstummen haben alle nur eine Gebärdensprache gelernt, Jeder aber spricht zu sich selbst im Innern eine Lautsprache.« – Nun, verstehst du das nicht? – Wie weiß ich nur, ob ich’s verstehe?! – Was kann ich mit dieser Mitteilung (wenn’s eine ist) anfangen? Die ganze Idee des Verstehens erhält hier einen verdächtigen Geruch. Ich weiß nicht, ob ich sagen soll, ich versteh’s, oder ich versteh’s nicht. Ich möchte antworten: »Es ist ein deutscher Satz; ''scheinbar'' ganz in Ordnung, – ehe man nämlich mit ihm arbeiten will; er steht mit andern Sätzen in einem Zusammenhang, der es uns schwer macht zu sagen, man wisse eigentlich nicht, was er uns mitteilt; Jeder, der nicht durch Philosophieren empfindungslos geworden ist, merkt, daß hier etwas nicht stimmt.« | {{ParPU|348}} »Diese Taubstummen haben alle nur eine Gebärdensprache gelernt, Jeder aber spricht zu sich selbst im Innern eine Lautsprache.« – Nun, verstehst du das nicht? – Wie weiß ich nur, ob ich’s verstehe?! – Was kann ich mit dieser Mitteilung (wenn’s eine ist) anfangen? Die ganze Idee des Verstehens erhält hier einen verdächtigen Geruch. Ich weiß nicht, ob ich sagen soll, ich versteh’s, oder ich versteh’s nicht. Ich möchte antworten: »Es ist ein deutscher Satz; ''scheinbar'' ganz in Ordnung, – ehe man nämlich mit ihm arbeiten will; er steht mit andern Sätzen in einem Zusammenhang, der es uns schwer macht zu sagen, man wisse eigentlich nicht, was er uns mitteilt; Jeder, der nicht durch Philosophieren empfindungslos geworden ist, merkt, daß hier etwas nicht stimmt.« | ||
{{ParPU|349}} »Aber diese Annahme hat doch gewiß einen guten Sinn!« – Ja; diese Worte und dies Bild haben unter gewöhnlichen Umständen eine uns geläufige Anwendung. – Nehmen wir aber einen Fall an, in welchem diese Anwendung wegfällt, so werden wir uns nun gleichsam zum ersten Male der Nacktheit der Worte und des Bildes bewußt. | {{ParPU|349}} »Aber diese Annahme hat doch gewiß einen guten Sinn!« – Ja; diese Worte und dies Bild haben unter gewöhnlichen Umständen eine uns geläufige Anwendung. – Nehmen wir aber einen Fall an, in welchem diese Anwendung wegfällt, so werden wir uns nun gleichsam zum ersten Male der Nacktheit der Worte und des Bildes bewußt. | ||
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Geradeso ist es keine Erklärung, zu sagen: die Annahme, er habe Schmerzen, sei eben die Annahme, er habe das Gleiche wie ich. Denn ''dieser'' Teil der Grammatik ist mir wohl klar: daß man nämlich sagen werde, der Ofen habe das gleiche Erlebnis wie ich, ''wenn'' man sagt: er habe Schmerzen und ich habe Schmerzen. | Geradeso ist es keine Erklärung, zu sagen: die Annahme, er habe Schmerzen, sei eben die Annahme, er habe das Gleiche wie ich. Denn ''dieser'' Teil der Grammatik ist mir wohl klar: daß man nämlich sagen werde, der Ofen habe das gleiche Erlebnis wie ich, ''wenn'' man sagt: er habe Schmerzen und ich habe Schmerzen. | ||
{{ParPU|351}} Wir möchten doch immer sagen: »Schmerzgefühl ist Schmerzgefühl – ob ''er'' es hat, oder ''ich'' es habe; und wie immer ich erfahre, ob er eines hat oder nicht.« – Damit könnte ich mich einverstanden erklären. – Und wenn du mich fragst: »Weißt du denn nicht, was ich meine, wenn ich sage, der Ofen habe Schmerzen?« – so kann ich antworten: Diese Worte können mich zu allerlei Vorstellungen führen; aber weiter geht ihr Nutzen nicht. Und ich kann mir auch etwas bei den Worten vorstellen »Es war gerade 5 Uhr nachmittag auf der Sonne« – nämlich etwa eine Pendeluhr, die auf 5 zeigt. – Noch besser wäre aber das Beispiel der Anwendung von »oben« und »unten« auf die Erdkugel. Hier haben wir alle eine ganz deutliche Vorstellung davon, was »oben« und »unten« bedeutet. Ich sehe doch, daß ich oben bin; die Erde ist doch unter mir! (Lächle ja nicht über dieses Beispiel. Es wird uns zwar schon in der Volksschule beigebracht, daß es dumm ist, so etwas zu sagen. Aber es ist eben viel leichter, ein Problem zuzuschütten, als es zu lösen.) Und erst eine Überlegung zeigt uns, daß in diesem Fall »oben« und »unten« nicht auf die gewohnte Weise zu gebrauchen sind. (Daß wir z.B. von den Antipoden als den Menschen ›unter‹ unserem Erdteil reden können, es aber nun für richtig anerkennen müssen, wenn sie auf uns den gleichen Ausdruck anwenden.) | {{ParPU|351}} Wir möchten doch immer sagen: »Schmerzgefühl ist Schmerzgefühl – ob ''er'' es hat, oder ''ich'' es habe; und wie immer ich erfahre, ob er eines hat oder nicht.« – Damit könnte ich mich einverstanden erklären. – Und wenn du mich fragst: »Weißt du denn nicht, was ich meine, wenn ich sage, der Ofen habe Schmerzen?« – so kann ich antworten: Diese Worte können mich zu allerlei Vorstellungen führen; aber weiter geht ihr Nutzen nicht. Und ich kann mir auch etwas bei den Worten vorstellen »Es war gerade 5 Uhr nachmittag auf der Sonne« – nämlich etwa eine Pendeluhr, die auf 5 zeigt. – Noch besser wäre aber das Beispiel der Anwendung von »oben« und »unten« auf die Erdkugel. Hier haben wir alle eine ganz deutliche Vorstellung davon, was »oben« und »unten« bedeutet. Ich sehe doch, daß ich oben bin; die Erde ist doch unter mir! (Lächle ja nicht über dieses Beispiel. Es wird uns zwar schon in der Volksschule beigebracht, daß es dumm ist, so etwas zu sagen. Aber es ist eben viel leichter, ein Problem zuzuschütten, als es zu lösen.) Und erst eine Überlegung zeigt uns, daß in diesem Fall »oben« und »unten« nicht auf die gewohnte Weise zu gebrauchen sind. (Daß wir z.B. von den Antipoden als den Menschen ›unter‹ unserem Erdteil reden können, es aber nun für richtig anerkennen müssen, wenn sie auf uns den gleichen Ausdruck anwenden.) | ||
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Ebenso, wenn man sagt »Entweder hat er diese Empfindung, oder er hat sie nicht!« – so schwebt uns dabei vor allem ein Bild vor, das schon den Sinn der Aussagen ''unmißverständlich'' zu bestimmen scheint. »Du weißt jetzt, worum es sich handelt« – möchte man sagen. Und gerade das weiß er damit noch nicht. | Ebenso, wenn man sagt »Entweder hat er diese Empfindung, oder er hat sie nicht!« – so schwebt uns dabei vor allem ein Bild vor, das schon den Sinn der Aussagen ''unmißverständlich'' zu bestimmen scheint. »Du weißt jetzt, worum es sich handelt« – möchte man sagen. Und gerade das weiß er damit noch nicht. | ||
{{ParPU|353}} Die Frage nach der Art und Möglichkeit der Verifikation eines Satzes ist nur eine besondere Form der Frage »Wie meinst du das?« Die Antwort ist ein Beitrag zur Grammatik des Satzes. | {{ParPU|353}} Die Frage nach der Art und Möglichkeit der Verifikation eines Satzes ist nur eine besondere Form der Frage »Wie meinst du das?« Die Antwort ist ein Beitrag zur Grammatik des Satzes. | ||
{{ParPU|354}} Das Schwanken in der Grammatik zwischen Kriterien und Symptomen läßt den Schein entstehen, als gäbe es überhaupt nur Symptome. Wir sagen etwa: »Die Erfahrung lehrt, daß es regnet, wenn das Barometer fällt, aber sie lehrt auch, daß es regnet, wenn wir bestimmte Gefühle der Nässe und Kälte haben, oder den und den Gesichtseindruck.« Als Argument dafür gibt man dann an, daß diese Sinneseindrücke uns täuschen können. Aber man bedenkt dabei nicht, daß die Tatsache, daß sie uns gerade den Regen vortäuschen, auf einer Definition beruht. | {{ParPU|354}} Das Schwanken in der Grammatik zwischen Kriterien und Symptomen läßt den Schein entstehen, als gäbe es überhaupt nur Symptome. Wir sagen etwa: »Die Erfahrung lehrt, daß es regnet, wenn das Barometer fällt, aber sie lehrt auch, daß es regnet, wenn wir bestimmte Gefühle der Nässe und Kälte haben, oder den und den Gesichtseindruck.« Als Argument dafür gibt man dann an, daß diese Sinneseindrücke uns täuschen können. Aber man bedenkt dabei nicht, daß die Tatsache, daß sie uns gerade den Regen vortäuschen, auf einer Definition beruht. | ||
{{ParPU|355}} Nicht darum handelt es sich, daß unsre Sinneseindrücke uns belügen können, sondern, daß wir ihre Sprache verstehen. (Und diese Sprache beruht, wie jede andere, auf Übereinkunft.) | {{ParPU|355}} Nicht darum handelt es sich, daß unsre Sinneseindrücke uns belügen können, sondern, daß wir ihre Sprache verstehen. (Und diese Sprache beruht, wie jede andere, auf Übereinkunft.) | ||
{{ParPU|356}} Man ist geneigt zu sagen: »Es regnet, oder es regnet nicht – wie ich das weiß, wie mich die Kunde davon erreicht hat, ist eine andere Sache.« Aber stellen wir also die Frage so: Was nenne ich »eine Kunde davon, daß es regnet«? (Oder habe ich auch von dieser Kunde nur Kunde erhalten?) Und was kennzeichnet denn diese ›Kunde‹ als Kunde von etwas? Leitet uns da nicht die Form unseres Ausdrucks irre? Ist das eben nicht eine irreführende Metapher: »Mein Auge gibt mir Kunde davon, daß dort ein Sessel stehe«? | {{ParPU|356}} Man ist geneigt zu sagen: »Es regnet, oder es regnet nicht – wie ich das weiß, wie mich die Kunde davon erreicht hat, ist eine andere Sache.« Aber stellen wir also die Frage so: Was nenne ich »eine Kunde davon, daß es regnet«? (Oder habe ich auch von dieser Kunde nur Kunde erhalten?) Und was kennzeichnet denn diese ›Kunde‹ als Kunde von etwas? Leitet uns da nicht die Form unseres Ausdrucks irre? Ist das eben nicht eine irreführende Metapher: »Mein Auge gibt mir Kunde davon, daß dort ein Sessel stehe«? | ||
{{ParPU|357}} Wir sagen nicht, ein Hund spräche ''möglicherweise'' zu sich selber. Ist das, weil wir seine Seele so genau kennen? Nun, man könnte so sagen: Wenn man das Benehmen des Lebewesens sieht, sieht man seine Seele. – Aber sage ich auch von mir, ich spreche zu mir selber, weil ich mich so und so benehme? – Ich sage es ''nicht'' auf die Beobachtung meines Benehmens hin. Aber es hat nur Sinn, weil ich mich so benehme. – So hat es also nicht darum Sinn, weil ich es ''meine''? | {{ParPU|357}} Wir sagen nicht, ein Hund spräche ''möglicherweise'' zu sich selber. Ist das, weil wir seine Seele so genau kennen? Nun, man könnte so sagen: Wenn man das Benehmen des Lebewesens sieht, sieht man seine Seele. – Aber sage ich auch von mir, ich spreche zu mir selber, weil ich mich so und so benehme? – Ich sage es ''nicht'' auf die Beobachtung meines Benehmens hin. Aber es hat nur Sinn, weil ich mich so benehme. – So hat es also nicht darum Sinn, weil ich es ''meine''? | ||
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Wie könnte man das lächerlich finden! es ist ja, gleichsam, ein Traum unserer Sprache. | Wie könnte man das lächerlich finden! es ist ja, gleichsam, ein Traum unserer Sprache. | ||
{{ParPU|359}} Könnte eine Maschine denken? –– Könnte sie Schmerzen haben? – Nun, soll der menschliche Körper so eine Maschine heißen? Er kommt doch am nächsten dazu, so eine Maschine zu sein. | {{ParPU|359}} Könnte eine Maschine denken? –– Könnte sie Schmerzen haben? – Nun, soll der menschliche Körper so eine Maschine heißen? Er kommt doch am nächsten dazu, so eine Maschine zu sein. | ||
{{ParPU|360}} Aber eine Maschine kann doch nicht denken! – Ist das ein Erfahrungssatz? Nein. Wir sagen nur vom Menschen, und was ihm ähnlich ist, es denke. Wir sagen es auch von Puppen und wohl auch von Geistern. Sieh das Wort »denken« als Instrument an! | {{ParPU|360}} Aber eine Maschine kann doch nicht denken! – Ist das ein Erfahrungssatz? Nein. Wir sagen nur vom Menschen, und was ihm ähnlich ist, es denke. Wir sagen es auch von Puppen und wohl auch von Geistern. Sieh das Wort »denken« als Instrument an! | ||
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Wie ist das, wenn man im Innern zu sich selbst spricht; was geht da vor? – Wie soll ich’s erklären? Nun, nur so, wie du Einen die Bedeutung des Ausdrucks »zu sich selbst sprechen« lehren kannst. Und als Kinder lernen wir ja diese Bedeutung. – Nur, daß niemand sagen wird, wer sie uns lehrt, sage uns, ›was da vorgehe‹. | Wie ist das, wenn man im Innern zu sich selbst spricht; was geht da vor? – Wie soll ich’s erklären? Nun, nur so, wie du Einen die Bedeutung des Ausdrucks »zu sich selbst sprechen« lehren kannst. Und als Kinder lernen wir ja diese Bedeutung. – Nur, daß niemand sagen wird, wer sie uns lehrt, sage uns, ›was da vorgehe‹. | ||
{{ParPU|362}} Vielmehr scheint es uns, als ob der Lehrer in diesem Falle dem Schüler die Bedeutung ''beibringe'' – ohne sie ihm direkt zu sagen; daß aber der Schüler endlich dazu gebracht wird, sich selbst die richtige hinweisende Erklärung zu geben. Und hierin liegt unsre Illusion. | {{ParPU|362}} Vielmehr scheint es uns, als ob der Lehrer in diesem Falle dem Schüler die Bedeutung ''beibringe'' – ohne sie ihm direkt zu sagen; daß aber der Schüler endlich dazu gebracht wird, sich selbst die richtige hinweisende Erklärung zu geben. Und hierin liegt unsre Illusion. | ||
Line 2,269: | Line 1,929: | ||
Man möchte sagen »Die Mitteilung bewirkt, daß er ''weiß'', daß ich Schmerzen habe; sie bewirkt dies geistige Phänomen; alles Andere ist der Mitteilung unwesentlich.« Was dieses merkwürdige Phänomen des Wissens ist – damit läßt man sich Zeit. Seelische Vorgänge sind eben merkwürdig. (Es ist, als sagte man: »Die Uhr zeigt uns die Zeit an. ''Was'' die Zeit ist, ist noch nicht entschieden. Und ''wozu'' man die Zeit abliest – das gehört nicht hierher.«) | Man möchte sagen »Die Mitteilung bewirkt, daß er ''weiß'', daß ich Schmerzen habe; sie bewirkt dies geistige Phänomen; alles Andere ist der Mitteilung unwesentlich.« Was dieses merkwürdige Phänomen des Wissens ist – damit läßt man sich Zeit. Seelische Vorgänge sind eben merkwürdig. (Es ist, als sagte man: »Die Uhr zeigt uns die Zeit an. ''Was'' die Zeit ist, ist noch nicht entschieden. Und ''wozu'' man die Zeit abliest – das gehört nicht hierher.«) | ||
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Ist das Rechnen in der Vorstellung in gewissem Sinne unwirklicher als das auf dem Papier? Es ist das ''wirkliche'' – Kopfrechnen. – Ist es ähnlich dem Rechnen auf dem Papier? – Ich weiß nicht, ob ich es ähnlich nennen soll. Ist ein Stück weißes Papier mit schwarzen Strichen drauf einem menschlichen Körper ähnlich? | Ist das Rechnen in der Vorstellung in gewissem Sinne unwirklicher als das auf dem Papier? Es ist das ''wirkliche'' – Kopfrechnen. – Ist es ähnlich dem Rechnen auf dem Papier? – Ich weiß nicht, ob ich es ähnlich nennen soll. Ist ein Stück weißes Papier mit schwarzen Strichen drauf einem menschlichen Körper ähnlich? | ||
{{ParPU|365}} Spielen Adelheid und der Bischof eine ''wirkliche'' Schachpartie? – Freilich. Sie geben nicht bloß vor, eine zu spielen – wie es doch in einem Theaterstücke auch geschehen könnte. – Aber diese Partie hat doch z.B. keinen Anfang! – Doch; sonst wäre es ja keine Schachpartie. | {{ParPU|365}} Spielen Adelheid und der Bischof eine ''wirkliche'' Schachpartie? – Freilich. Sie geben nicht bloß vor, eine zu spielen – wie es doch in einem Theaterstücke auch geschehen könnte. – Aber diese Partie hat doch z.B. keinen Anfang! – Doch; sonst wäre es ja keine Schachpartie. | ||
{{ParPU|366}} Ist das Rechnen im Kopf unwirklicher als das Rechnen auf dem Papier? – Man ist vielleicht geneigt, so etwas zu sagen; kann sich aber auch zur gegenteiligen Ansicht bringen, indem man sich sagt: Papier, Tinte, etc. seien nur logische Konstruktionen aus unsern Sinnesdaten. »Ich habe die Multiplikation ... im Kopfe ausgeführt« – ''glaube'' ich etwa so eine Aussage nicht? – Aber war es wirklich eine Multiplikation? Es war nicht bloß ›eine‹ Multiplikation, sondern ''diese'' – im Kopfe. Dies ist der Punkt, an dem ich irregehe. Denn ich will jetzt sagen: Es war irgend ein, dem Multiplizieren auf dem Papier ''entsprechender'', geistiger Vorgang. So daß es Sinn hätte, zu sagen: »''Dieser'' Vorgang im Geiste entspricht ''diesem'' Vorgang auf dem Papier.« Und es hätte dann Sinn, von einer Methode der Abbildung zu reden, nach welcher die Vorstellung des Zeichens das Zeichen selbst darstellt. | {{ParPU|366}} Ist das Rechnen im Kopf unwirklicher als das Rechnen auf dem Papier? – Man ist vielleicht geneigt, so etwas zu sagen; kann sich aber auch zur gegenteiligen Ansicht bringen, indem man sich sagt: Papier, Tinte, etc. seien nur logische Konstruktionen aus unsern Sinnesdaten. »Ich habe die Multiplikation ... im Kopfe ausgeführt« – ''glaube'' ich etwa so eine Aussage nicht? – Aber war es wirklich eine Multiplikation? Es war nicht bloß ›eine‹ Multiplikation, sondern ''diese'' – im Kopfe. Dies ist der Punkt, an dem ich irregehe. Denn ich will jetzt sagen: Es war irgend ein, dem Multiplizieren auf dem Papier ''entsprechender'', geistiger Vorgang. So daß es Sinn hätte, zu sagen: »''Dieser'' Vorgang im Geiste entspricht ''diesem'' Vorgang auf dem Papier.« Und es hätte dann Sinn, von einer Methode der Abbildung zu reden, nach welcher die Vorstellung des Zeichens das Zeichen selbst darstellt. | ||
{{ParPU|367}} Das Vorstellungsbild ist das Bild, das beschrieben wird, wenn Einer seine Vorstellung beschreibt. | {{ParPU|367}} Das Vorstellungsbild ist das Bild, das beschrieben wird, wenn Einer seine Vorstellung beschreibt. | ||
{{ParPU|368}} Ich beschreibe Einem ein Zimmer, und lasse ihn dann, zum Zeichen, daß er meine Beschreibung verstanden hat, ein ''impressionistisches'' Bild nach dieser Beschreibung malen. – Er malt nun die Stühle, die in meiner Beschreibung grün hießen, dunkelrot; wo ich »gelb« sagte, malt er blau. – Das ist der Eindruck, den er von diesem Zimmer erhielt. Und nun sage ich: »Ganz richtig; so sieht es aus.« | {{ParPU|368}} Ich beschreibe Einem ein Zimmer, und lasse ihn dann, zum Zeichen, daß er meine Beschreibung verstanden hat, ein ''impressionistisches'' Bild nach dieser Beschreibung malen. – Er malt nun die Stühle, die in meiner Beschreibung grün hießen, dunkelrot; wo ich »gelb« sagte, malt er blau. – Das ist der Eindruck, den er von diesem Zimmer erhielt. Und nun sage ich: »Ganz richtig; so sieht es aus.« | ||
{{ParPU|369}} Man möchte fragen: »Wie ist das – was geht da vor – wenn Einer im Kopfe rechnet?« – Und im besondern Fall kann die Antwort sein: »Ich addiere zuerst 17 und 18, dann subtrahiere ich 39 ...« Aber das ist nicht die Antwort auf unsre Frage. Was im Kopf rechnen heißt, wird auf ''solche'' Weise nicht erklärt. | {{ParPU|369}} Man möchte fragen: »Wie ist das – was geht da vor – wenn Einer im Kopfe rechnet?« – Und im besondern Fall kann die Antwort sein: »Ich addiere zuerst 17 und 18, dann subtrahiere ich 39 ...« Aber das ist nicht die Antwort auf unsre Frage. Was im Kopf rechnen heißt, wird auf ''solche'' Weise nicht erklärt. | ||
{{ParPU|370}} Nicht, was Vorstellungen sind, oder was da geschieht, wenn man sich etwas vorstellt, muß man fragen, sondern: wie das Wort »Vorstellung« gebraucht wird. Das heißt aber nicht, daß ich nur von Worten reden will. Denn soweit in meiner Frage vom Wort »Vorstellung« die Rede ist, ist sie’s auch in der Frage nach dem Wesen der Vorstellung. Und ich sage nur, daß diese Frage nicht durch ein Zeigen – weder für den Vorstellenden, noch für den Andern, zu erklären ist; noch durch die Beschreibung irgend eines Vorgangs. Nach einer Worterklärung fragt auch die erste Frage; aber sie lenkt unsre Erwartung auf eine falsche Art der Antwort. | {{ParPU|370}} Nicht, was Vorstellungen sind, oder was da geschieht, wenn man sich etwas vorstellt, muß man fragen, sondern: wie das Wort »Vorstellung« gebraucht wird. Das heißt aber nicht, daß ich nur von Worten reden will. Denn soweit in meiner Frage vom Wort »Vorstellung« die Rede ist, ist sie’s auch in der Frage nach dem Wesen der Vorstellung. Und ich sage nur, daß diese Frage nicht durch ein Zeigen – weder für den Vorstellenden, noch für den Andern, zu erklären ist; noch durch die Beschreibung irgend eines Vorgangs. Nach einer Worterklärung fragt auch die erste Frage; aber sie lenkt unsre Erwartung auf eine falsche Art der Antwort. | ||
{{ParPU|371}} Das ''Wesen'' ist in der Grammatik ausgesprochen. | {{ParPU|371}} Das ''Wesen'' ist in der Grammatik ausgesprochen. | ||
{{ParPU|372}} Überlege: »Das einzige Korrelat in der Sprache zu einer Naturnotwendigkeit ist eine willkürliche Regel. Sie ist das Einzige, was man von dieser Naturnotwendigkeit in einen Satz abziehen kann.« | {{ParPU|372}} Überlege: »Das einzige Korrelat in der Sprache zu einer Naturnotwendigkeit ist eine willkürliche Regel. Sie ist das Einzige, was man von dieser Naturnotwendigkeit in einen Satz abziehen kann.« | ||
{{ParPU|373}} Welche Art von Gegenstand etwas ist, sagt die Grammatik. (Theologie als Grammatik.) | {{ParPU|373}} Welche Art von Gegenstand etwas ist, sagt die Grammatik. (Theologie als Grammatik.) | ||
{{ParPU|374}} Die große Schwierigkeit ist hier, die Sache nicht so darzustellen, als ''könne'' man etwas nicht. Als wäre da wohl ein Gegenstand, von dem ich die Beschreibung abziehe, aber ich wäre nicht im Stande, ihn jemandem zu zeigen. –– Und das Beste, was ich vorschlagen kann, ist wohl, daß wir der Versuchung, dies Bild zu gebrauchen, nachgeben: aber nun untersuchen, wie die ''Anwendung'' dieses Bildes aussieht. | {{ParPU|374}} Die große Schwierigkeit ist hier, die Sache nicht so darzustellen, als ''könne'' man etwas nicht. Als wäre da wohl ein Gegenstand, von dem ich die Beschreibung abziehe, aber ich wäre nicht im Stande, ihn jemandem zu zeigen. –– Und das Beste, was ich vorschlagen kann, ist wohl, daß wir der Versuchung, dies Bild zu gebrauchen, nachgeben: aber nun untersuchen, wie die ''Anwendung'' dieses Bildes aussieht. | ||
{{ParPU|375}} Wie lehrt man jemand, leise für sich selbst lesen? Wie weiß man, wenn er’s kann? Wie weiß er selbst, daß er tut, was man von ihm verlangt? | {{ParPU|375}} Wie lehrt man jemand, leise für sich selbst lesen? Wie weiß man, wenn er’s kann? Wie weiß er selbst, daß er tut, was man von ihm verlangt? | ||
{{ParPU|376}} Wenn ich mir im Innern das ABC vorsage, was ist das Kriterium dafür, daß ich das Gleiche tue, wie ein Andrer, der es sich im Stillen vorsagt? Es könnte gefunden werden, daß in meinem Kehlkopf und in seinem das Gleiche dabei vorgeht. (Und ebenso, wenn wir beide an das Gleiche denken, das Gleiche wünschen, etc.) Aber lernten wir denn die Verwendung der Worte »sich im Stillen das und das vorsagen«, indem auf einen Vorgang im Kehlkopf, oder im Gehirn, hingewiesen wurde? Ist es nicht auch wohl möglich, daß meiner Vorstellung vom Laute a und seiner verschiedene physiologische Vorgänge entsprechen? Die Frage ist: ''Wie vergleicht'' man Vorstellungen? | {{ParPU|376}} Wenn ich mir im Innern das ABC vorsage, was ist das Kriterium dafür, daß ich das Gleiche tue, wie ein Andrer, der es sich im Stillen vorsagt? Es könnte gefunden werden, daß in meinem Kehlkopf und in seinem das Gleiche dabei vorgeht. (Und ebenso, wenn wir beide an das Gleiche denken, das Gleiche wünschen, etc.) Aber lernten wir denn die Verwendung der Worte »sich im Stillen das und das vorsagen«, indem auf einen Vorgang im Kehlkopf, oder im Gehirn, hingewiesen wurde? Ist es nicht auch wohl möglich, daß meiner Vorstellung vom Laute a und seiner verschiedene physiologische Vorgänge entsprechen? Die Frage ist: ''Wie vergleicht'' man Vorstellungen? | ||
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Was ist das Kriterium der Gleichheit zweier Vorstellungen? – Was ist das Kriterium der Röte einer Vorstellung? Für mich, wenn der Andre sie hat: was er sagt und tut. Für mich, wenn ich sie habe: gar nichts. Und was für »rot« gilt, gilt auch für »gleich«. | Was ist das Kriterium der Gleichheit zweier Vorstellungen? – Was ist das Kriterium der Röte einer Vorstellung? Für mich, wenn der Andre sie hat: was er sagt und tut. Für mich, wenn ich sie habe: gar nichts. Und was für »rot« gilt, gilt auch für »gleich«. | ||
Line 2,335: | Line 1,980: | ||
Denn, bedarf ich einer Berechtigung dafür, ein Wort zu gebrauchen, dann muß es eine auch für den Andern sein. | Denn, bedarf ich einer Berechtigung dafür, ein Wort zu gebrauchen, dann muß es eine auch für den Andern sein. | ||
{{ParPU|379}} Ich erkenne es erst als ''das''; und erinnere ich mich daran, wie das genannt wird. – Bedenke: In welchen Fällen kann man dies mit Recht sagen? | {{ParPU|379}} Ich erkenne es erst als ''das''; und erinnere ich mich daran, wie das genannt wird. – Bedenke: In welchen Fällen kann man dies mit Recht sagen? | ||
Line 2,347: | Line 1,990: | ||
Auf den ''privaten'' Übergang von dem Gesehenen zum Wort könnte ich keine Regeln anwenden. Hier hingen die Regeln wirklich in der Luft; da die Institution ihrer Anwendung fehlt. | Auf den ''privaten'' Übergang von dem Gesehenen zum Wort könnte ich keine Regeln anwenden. Hier hingen die Regeln wirklich in der Luft; da die Institution ihrer Anwendung fehlt. | ||
{{ParPU|381}} Wie erkenne ich, daß diese Farbe Rot ist? – Eine Antwort wäre: »Ich habe Deutsch gelernt.« | {{ParPU|381}} Wie erkenne ich, daß diese Farbe Rot ist? – Eine Antwort wäre: »Ich habe Deutsch gelernt.« | ||
Line 2,359: | Line 2,000: | ||
Was bedeuten die Worte »''diese'' Vorstellung«? Wie zeigt man auf eine Vorstellung? Wie zeigt man zweimal auf die gleiche Vorstellung? | Was bedeuten die Worte »''diese'' Vorstellung«? Wie zeigt man auf eine Vorstellung? Wie zeigt man zweimal auf die gleiche Vorstellung? | ||
{{ParPU|383}} Wir analysieren nicht ein Phänomen (z.B. das Denken), sondern einen Begriff (z.B. den des Denkens), und also die Anwendung eines Worts. So kann es scheinen, als wäre, was wir treiben, Nominalismus. Nominalisten machen den Fehler, daß sie alle Wörter als ''Namen'' deuten, also ihre Verwendung nicht wirklich beschreiben, sondern sozusagen nur eine papierene Anweisung auf so eine Beschreibung geben. | {{ParPU|383}} Wir analysieren nicht ein Phänomen (z.B. das Denken), sondern einen Begriff (z.B. den des Denkens), und also die Anwendung eines Worts. So kann es scheinen, als wäre, was wir treiben, Nominalismus. Nominalisten machen den Fehler, daß sie alle Wörter als ''Namen'' deuten, also ihre Verwendung nicht wirklich beschreiben, sondern sozusagen nur eine papierene Anweisung auf so eine Beschreibung geben. | ||
{{ParPU|384}} Den ''Begriff'' ›Schmerz‹ hast du mit der Sprache gelernt. | {{ParPU|384}} Den ''Begriff'' ›Schmerz‹ hast du mit der Sprache gelernt. | ||
{{ParPU|385}} Frage dich: Wäre es denkbar, daß Einer im Kopfe rechnen lernte, ohne je schriftlich oder mündlich zu rechnen? – »Es lernen« heißt wohl: dazu gebracht werden, daß man’s kann. Und es fragt sich nur, was als Kriterium dafür gelten wird, daß jemand dies kann. –– Ist aber auch dies möglich, daß einem Volksstamm nur das Kopfrechnen bekannt ist, und kein andres? Hier muß man sich fragen »Wie wird das aussehen?« – Man wird sich dies also als einen Grenzfall ausmalen müssen. Und es wird sich dann fragen, ob wir hier noch den Begriff des ›Kopfrechnens‹ anwenden wollen – oder ob er unter solchen Umständen seinen Zweck eingebüßt hat; weil die Erscheinungen nun zu einem ändern Vorbild hin gravitieren. | {{ParPU|385}} Frage dich: Wäre es denkbar, daß Einer im Kopfe rechnen lernte, ohne je schriftlich oder mündlich zu rechnen? – »Es lernen« heißt wohl: dazu gebracht werden, daß man’s kann. Und es fragt sich nur, was als Kriterium dafür gelten wird, daß jemand dies kann. –– Ist aber auch dies möglich, daß einem Volksstamm nur das Kopfrechnen bekannt ist, und kein andres? Hier muß man sich fragen »Wie wird das aussehen?« – Man wird sich dies also als einen Grenzfall ausmalen müssen. Und es wird sich dann fragen, ob wir hier noch den Begriff des ›Kopfrechnens‹ anwenden wollen – oder ob er unter solchen Umständen seinen Zweck eingebüßt hat; weil die Erscheinungen nun zu einem ändern Vorbild hin gravitieren. | ||
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(Ich kann sein Zeugnis nicht annehmen, weil es kein ''Zeugnis'' ist. Es sagt mir nur, was er zu sagen ''geneigt'' ist.) | (Ich kann sein Zeugnis nicht annehmen, weil es kein ''Zeugnis'' ist. Es sagt mir nur, was er zu sagen ''geneigt'' ist.) | ||
{{ParPU|387}} Der ''tiefe'' Aspekt entschlüpft leicht. | {{ParPU|387}} Der ''tiefe'' Aspekt entschlüpft leicht. | ||
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Wie weiß ich, daß ich etwas werde tun können? d.h., daß der Zustand, in welchem ich jetzt bin, der ist: jenes tun zu können? | Wie weiß ich, daß ich etwas werde tun können? d.h., daß der Zustand, in welchem ich jetzt bin, der ist: jenes tun zu können? | ||
{{ParPU|389}} »Die Vorstellung muß ihrem Gegenstand ähnlicher sein als jedes Bild: Denn wie ähnlich ich auch das Bild dem mache, was es darstellen soll, es kann immer noch das Bild von etwas anderem sein. Aber die Vorstellung hat es in sich, daß sie die Vorstellung von ''diesem'', und von nichts anderem, ist«. Man könnte so dahin kommen, die Vorstellung als ein Über-Bildnis anzusehen. | {{ParPU|389}} »Die Vorstellung muß ihrem Gegenstand ähnlicher sein als jedes Bild: Denn wie ähnlich ich auch das Bild dem mache, was es darstellen soll, es kann immer noch das Bild von etwas anderem sein. Aber die Vorstellung hat es in sich, daß sie die Vorstellung von ''diesem'', und von nichts anderem, ist«. Man könnte so dahin kommen, die Vorstellung als ein Über-Bildnis anzusehen. | ||
{{ParPU|390}} Könnte man sich vorstellen, daß ein Stein Bewußtsein hätte? Und wenn’s Einer kann – warum soll das nicht bloß beweisen, daß diese Vorstellerei für uns kein Interesse hat? | {{ParPU|390}} Könnte man sich vorstellen, daß ein Stein Bewußtsein hätte? Und wenn’s Einer kann – warum soll das nicht bloß beweisen, daß diese Vorstellerei für uns kein Interesse hat? | ||
{{ParPU|391}} Ich kann mir vielleicht auch vorstellen (obwohl es nicht leicht ist), jeder der Leute, die ich auf der Straße sehe, habe furchtbare Schmerzen, verberge sie aber kunstvoll. Und es ist wichtig, daß ich mir hier ein kunstvolles Verbergen vorstellen muß. Daß ich mir also nicht einfach sage: »Nun, seine Seele hat Schmerzen; aber was hat das mit seinem Leib zu tun!« oder »das muß sich schließlich am Leib nicht zeigen!« – Und wenn ich mir das nun vorstelle, – was tue ich; was sage ich zu mir selbst; wie sehe ich die Leute an? Ich schaue etwa Einen an und denke mir »Das muß schwer sein, zu lachen, wenn man solche Schmerzen hat«, und vieles dergleichen. Ich spiele gleichsam eine Rolle, ''tue so'', als hätten die Andern Schmerzen. Wenn ich das tue, sagt man etwa, ich stelle mir vor, ... | {{ParPU|391}} Ich kann mir vielleicht auch vorstellen (obwohl es nicht leicht ist), jeder der Leute, die ich auf der Straße sehe, habe furchtbare Schmerzen, verberge sie aber kunstvoll. Und es ist wichtig, daß ich mir hier ein kunstvolles Verbergen vorstellen muß. Daß ich mir also nicht einfach sage: »Nun, seine Seele hat Schmerzen; aber was hat das mit seinem Leib zu tun!« oder »das muß sich schließlich am Leib nicht zeigen!« – Und wenn ich mir das nun vorstelle, – was tue ich; was sage ich zu mir selbst; wie sehe ich die Leute an? Ich schaue etwa Einen an und denke mir »Das muß schwer sein, zu lachen, wenn man solche Schmerzen hat«, und vieles dergleichen. Ich spiele gleichsam eine Rolle, ''tue so'', als hätten die Andern Schmerzen. Wenn ich das tue, sagt man etwa, ich stelle mir vor, ... | ||
{{ParPU|392}} »Wenn ich mir vorstelle, er habe Schmerzen, geht eigentlich nur... in mir vor.« Ein Andrer sagt dann: »Ich glaube, ich kann es mir auch vorstellen, ''ohne'' dabei... zu denken«. (»Ich glaube, ich kann denken, ohne zu reden.«) Das führt zu nichts. Die Analyse schillert zwischen einer naturwissenschaftlichen und einer grammatischen. | {{ParPU|392}} »Wenn ich mir vorstelle, er habe Schmerzen, geht eigentlich nur... in mir vor.« Ein Andrer sagt dann: »Ich glaube, ich kann es mir auch vorstellen, ''ohne'' dabei... zu denken«. (»Ich glaube, ich kann denken, ohne zu reden.«) Das führt zu nichts. Die Analyse schillert zwischen einer naturwissenschaftlichen und einer grammatischen. | ||
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Man sagt z.B. dem, der eine Theaterrolle zu spielen hat: »Du mußt dir hier vorstellen, daß dieser Mensch Schmerzen hat, die er verbirgt« – und wir geben ihm nun keine Anweisung, sagen ihm nicht, was er ''eigentlich'' tun soll. Darum ist auch jene Analyse nicht zur Sache. – Wir schaun nun dem Schauspieler zu, der sich diese Situation vorstellt. | Man sagt z.B. dem, der eine Theaterrolle zu spielen hat: »Du mußt dir hier vorstellen, daß dieser Mensch Schmerzen hat, die er verbirgt« – und wir geben ihm nun keine Anweisung, sagen ihm nicht, was er ''eigentlich'' tun soll. Darum ist auch jene Analyse nicht zur Sache. – Wir schaun nun dem Schauspieler zu, der sich diese Situation vorstellt. | ||
{{ParPU|394}} Unter was für Umständen würden wir jemand fragen: »Was ist da eigentlich in dir vorgegangen, wie du dir dies vorgestellt hast?« – Und was für eine Antwort erwarten wir uns da? | {{ParPU|394}} Unter was für Umständen würden wir jemand fragen: »Was ist da eigentlich in dir vorgegangen, wie du dir dies vorgestellt hast?« – Und was für eine Antwort erwarten wir uns da? | ||
{{ParPU|395}} Es besteht Unklarheit darüber, welche Rolle ''Vorstellbarkeit'' in unserer Untersuchung spielt. Inwiefern sie nämlich den Sinn eines Satzes sicherstellt. | {{ParPU|395}} Es besteht Unklarheit darüber, welche Rolle ''Vorstellbarkeit'' in unserer Untersuchung spielt. Inwiefern sie nämlich den Sinn eines Satzes sicherstellt. | ||
{{ParPU|396}} Es ist so wenig für das Verständnis eines Satzes wesentlich, daß man sich bei ihm etwas vorstelle, als daß man nach ihm eine Zeichnung entwerfe. | {{ParPU|396}} Es ist so wenig für das Verständnis eines Satzes wesentlich, daß man sich bei ihm etwas vorstelle, als daß man nach ihm eine Zeichnung entwerfe. | ||
{{ParPU|397}} Statt »Vorstellbarkeit« kann man hier auch sagen: Darstellbarkeit in einem bestimmten Mittel der Darstellung. Und von einer solchen Darstellung ''kann'' allerdings ein sicherer Weg zur weitern Verwendung führen. Anderseits kann sich uns ein Bild aufdrängen und gar nichts nützen. | {{ParPU|397}} Statt »Vorstellbarkeit« kann man hier auch sagen: Darstellbarkeit in einem bestimmten Mittel der Darstellung. Und von einer solchen Darstellung ''kann'' allerdings ein sicherer Weg zur weitern Verwendung führen. Anderseits kann sich uns ein Bild aufdrängen und gar nichts nützen. | ||
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Denk dir ein Landschaftsbild, eine Phantasielandschaft, und in ihr ein Haus – und jemand fragte »Wem gehört das Haus?« – Es könnte übrigens die Antwort darauf sein: »Dem Bauern, der auf der Bank davor sitzt.« Aber dieser kann sein Haus dann, z.B., nicht betreten. | Denk dir ein Landschaftsbild, eine Phantasielandschaft, und in ihr ein Haus – und jemand fragte »Wem gehört das Haus?« – Es könnte übrigens die Antwort darauf sein: »Dem Bauern, der auf der Bank davor sitzt.« Aber dieser kann sein Haus dann, z.B., nicht betreten. | ||
{{ParPU|399}} Man könnte auch sagen: der Besitzer des visuellen Zimmers müßte doch wesensgleich mit ihm sein; aber er befindet sich nicht in ihm, noch gibt es ein Außen. | {{ParPU|399}} Man könnte auch sagen: der Besitzer des visuellen Zimmers müßte doch wesensgleich mit ihm sein; aber er befindet sich nicht in ihm, noch gibt es ein Außen. | ||
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Aber mein Ausdruck ist nicht einwandfrei: Du habest eine ›grammatische‹ Bewegung gemacht. Du hast vor allem eine neue Auffassung gefunden. So, als hättest du eine neue Malweise erfunden; oder auch ein neues Metrum, oder eine neue Art von Gesängen. – | Aber mein Ausdruck ist nicht einwandfrei: Du habest eine ›grammatische‹ Bewegung gemacht. Du hast vor allem eine neue Auffassung gefunden. So, als hättest du eine neue Malweise erfunden; oder auch ein neues Metrum, oder eine neue Art von Gesängen. – | ||
Line 2,453: | Line 2,075: | ||
Denn ''so'' sehen ja die Streitigkeiten zwischen Idealisten, Solipsisten und Realisten aus. Die Einen greifen die normale Ausdrucksform an, so als griffen sie eine Behauptung an; die Andern verteidigen sie, als konstatierten sie Tatsachen, die jeder vernünftige Mensch anerkennt. | Denn ''so'' sehen ja die Streitigkeiten zwischen Idealisten, Solipsisten und Realisten aus. Die Einen greifen die normale Ausdrucksform an, so als griffen sie eine Behauptung an; die Andern verteidigen sie, als konstatierten sie Tatsachen, die jeder vernünftige Mensch anerkennt. | ||
Line 2,459: | Line 2,080: | ||
Aber was hätte ich dann von dieser neuen Art der Darstellung? Nichts. Aber der Solipsist ''will'' ja auch keine praktischen Vorteile, wenn er seine Anschauung vertritt! | Aber was hätte ich dann von dieser neuen Art der Darstellung? Nichts. Aber der Solipsist ''will'' ja auch keine praktischen Vorteile, wenn er seine Anschauung vertritt! | ||
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Nun, welches ist es, das mich bestimmt, zu sagen, ›''ich''‹ habe Schmerzen? Gar keins. | Nun, welches ist es, das mich bestimmt, zu sagen, ›''ich''‹ habe Schmerzen? Gar keins. | ||
{{ParPU|405}} »Aber du willst doch jedenfalls, wenn du sagst ›ich habe Schmerzen‹, die Aufmerksamkeit der Andern auf eine bestimmte Person lenken.« – Die Antwort könnte sein: Nein; ich will sie nur auf ''mich'' lenken. – | {{ParPU|405}} »Aber du willst doch jedenfalls, wenn du sagst ›ich habe Schmerzen‹, die Aufmerksamkeit der Andern auf eine bestimmte Person lenken.« – Die Antwort könnte sein: Nein; ich will sie nur auf ''mich'' lenken. – | ||
{{ParPU|406}} »Aber du willst doch durch die Worte ›Ich habe...‹ zwischen ''dir'' und ''dem Andern'' unterscheiden.« – Kann man das in allen Fällen sagen? Auch, wenn ich bloß stöhne? Und auch wenn ich zwischen mir und dem Andern ›unterscheiden will‹ – will ich damit zwischen den Personen L. W. und N. N. unterscheiden? | {{ParPU|406}} »Aber du willst doch durch die Worte ›Ich habe...‹ zwischen ''dir'' und ''dem Andern'' unterscheiden.« – Kann man das in allen Fällen sagen? Auch, wenn ich bloß stöhne? Und auch wenn ich zwischen mir und dem Andern ›unterscheiden will‹ – will ich damit zwischen den Personen L. W. und N. N. unterscheiden? | ||
{{ParPU|407}} Man könnte sich denken, daß jemand stöhnte: »Irgend jemand hat Schmerzen – ich weiß nicht wer!« – worauf man ihm, dem Stöhnenden, zu Hilfe eilte. | {{ParPU|407}} Man könnte sich denken, daß jemand stöhnte: »Irgend jemand hat Schmerzen – ich weiß nicht wer!« – worauf man ihm, dem Stöhnenden, zu Hilfe eilte. | ||
{{ParPU|408}} »Du zweifelst doch nicht, ob du die Schmerzen, oder der Andere sie hat!« – Der Satz »Ich weiß nicht, ob ich, oder der Andere Schmerzen hat« wäre ein logisches Produkt, und einer seiner Faktoren: »Ich weiß nicht, ob ich Schmerzen habe oder nicht« – und dies ist kein sinnvoller Satz. | {{ParPU|408}} »Du zweifelst doch nicht, ob du die Schmerzen, oder der Andere sie hat!« – Der Satz »Ich weiß nicht, ob ich, oder der Andere Schmerzen hat« wäre ein logisches Produkt, und einer seiner Faktoren: »Ich weiß nicht, ob ich Schmerzen habe oder nicht« – und dies ist kein sinnvoller Satz. | ||
{{ParPU|409}} Denke, mehrere Leute stehen in einem Kreis, darunter auch ich. Irgend einer von uns, einmal der, einmal jener, wird mit den Polen einer Elektrisiermaschine verbunden, ohne daß wir es sehen können. Ich beobachte die Gesichter der Andern und trachte zu erkennen, welcher von uns jetzt gerade elektrisiert wird. – Einmal sage ich: »Jetzt ''weiß'' ich, welcher es ist; ''ich'' bin’s nämlich.« In diesem Sinn könnte ich auch sagen: »Jetzt weiß ich, wer die Schläge spürt; ich nämlich«. Dies wäre eine etwas seltsame Ausdrucksweise. – Nehme ich aber hier an, daß ich Schläge auch dann fühlen kann, wenn Andre elektrisiert werden, dann wird nun die Ausdrucksweise »Jetzt weiß ich wer...« ganz unpassend. Sie gehört nicht zu diesem Spiel. | {{ParPU|409}} Denke, mehrere Leute stehen in einem Kreis, darunter auch ich. Irgend einer von uns, einmal der, einmal jener, wird mit den Polen einer Elektrisiermaschine verbunden, ohne daß wir es sehen können. Ich beobachte die Gesichter der Andern und trachte zu erkennen, welcher von uns jetzt gerade elektrisiert wird. – Einmal sage ich: »Jetzt ''weiß'' ich, welcher es ist; ''ich'' bin’s nämlich.« In diesem Sinn könnte ich auch sagen: »Jetzt weiß ich, wer die Schläge spürt; ich nämlich«. Dies wäre eine etwas seltsame Ausdrucksweise. – Nehme ich aber hier an, daß ich Schläge auch dann fühlen kann, wenn Andre elektrisiert werden, dann wird nun die Ausdrucksweise »Jetzt weiß ich wer...« ganz unpassend. Sie gehört nicht zu diesem Spiel. | ||
{{ParPU|410}} »Ich« benennt keine Person, »hier« keinen Ort, »dieses« ist kein Name. Aber sie stehen mit Namen in Zusammenhang. Namen werden mittels ihrer erklärt. Es ist auch wahr, daß die Physik dadurch charakterisiert ist, daß sie diese Wörter nicht verwendet. | {{ParPU|410}} »Ich« benennt keine Person, »hier« keinen Ort, »dieses« ist kein Name. Aber sie stehen mit Namen in Zusammenhang. Namen werden mittels ihrer erklärt. Es ist auch wahr, daß die Physik dadurch charakterisiert ist, daß sie diese Wörter nicht verwendet. | ||
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Zu 4): Welche ist denn ''diese'' Empfindung? D.h.: wie verwendet man hier das hinweisende Fürwort? Doch anders als z.B. im ersten Beispiel! Verirrungen entstehen hier wieder dadurch, daß man sich einbildet, man zeige auf eine Empfindung, indem man seine Aufmerksamkeit auf sie richtet. | Zu 4): Welche ist denn ''diese'' Empfindung? D.h.: wie verwendet man hier das hinweisende Fürwort? Doch anders als z.B. im ersten Beispiel! Verirrungen entstehen hier wieder dadurch, daß man sich einbildet, man zeige auf eine Empfindung, indem man seine Aufmerksamkeit auf sie richtet. | ||
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Bedenk nun, daß an dem Satz, den ich als Paradox aussprach (DIES werde durch einen Gehirnvorgang erzeugt!) gar nichts Paradoxes war. Ich hätte ihn während eines Experiments aussprechen können, dessen Zweck es war zu zeigen, der Beleuchtungseffekt, den ich sehe, werde durch die Erregung einer bestimmten Gehirnpartie erzeugt. – Aber ich sprach den Satz nicht in der Umgebung aus, in welcher er einen alltäglichen und nicht-paradoxen Sinn gehabt hätte. Und meine Aufmerksamkeit war nicht von der Art, die dem Experiment gemäß gewesen wäre. – (Mein Blick wäre ›intent‹, nicht ›vacant‹ gewesen.) | Bedenk nun, daß an dem Satz, den ich als Paradox aussprach (DIES werde durch einen Gehirnvorgang erzeugt!) gar nichts Paradoxes war. Ich hätte ihn während eines Experiments aussprechen können, dessen Zweck es war zu zeigen, der Beleuchtungseffekt, den ich sehe, werde durch die Erregung einer bestimmten Gehirnpartie erzeugt. – Aber ich sprach den Satz nicht in der Umgebung aus, in welcher er einen alltäglichen und nicht-paradoxen Sinn gehabt hätte. Und meine Aufmerksamkeit war nicht von der Art, die dem Experiment gemäß gewesen wäre. – (Mein Blick wäre ›intent‹, nicht ›vacant‹ gewesen.) | ||
{{ParPU|413}} Hier haben wir einen Fall von Introspektion; nicht unähnlich derjenigen, durch welche William James herausbrachte, das ›Selbst‹ bestehe hauptsächlich aus ›peculiar motions in the head and between the head and throat‹. Und was die Introspektion James’ zeigte, war nicht die Bedeutung des Wortes »Selbst« (sofern dies etwas ähnliches bedeutet, wie »Person«, »Mensch«, »er selbst«, »ich selbst«), noch eine Analyse eines solchen Wesens, sondern der Aufmerksamkeitszustand eines Philosophen, der sich das Wort »Selbst« vorspricht und seine Bedeutung analysieren will. (Und daraus ließe sich vieles lernen.) | {{ParPU|413}} Hier haben wir einen Fall von Introspektion; nicht unähnlich derjenigen, durch welche William James herausbrachte, das ›Selbst‹ bestehe hauptsächlich aus ›peculiar motions in the head and between the head and throat‹. Und was die Introspektion James’ zeigte, war nicht die Bedeutung des Wortes »Selbst« (sofern dies etwas ähnliches bedeutet, wie »Person«, »Mensch«, »er selbst«, »ich selbst«), noch eine Analyse eines solchen Wesens, sondern der Aufmerksamkeitszustand eines Philosophen, der sich das Wort »Selbst« vorspricht und seine Bedeutung analysieren will. (Und daraus ließe sich vieles lernen.) | ||
{{ParPU|414}} Du denkst, du mußt doch einen Stoff weben: weil du vor einem – wenngleich leeren – Webstuhl sitzt und die Bewegungen des Webens machst. | {{ParPU|414}} Du denkst, du mußt doch einen Stoff weben: weil du vor einem – wenngleich leeren – Webstuhl sitzt und die Bewegungen des Webens machst. | ||
{{ParPU|415}} Was wir liefern, sind eigentlich Bemerkungen zur Naturgeschichte des Menschen; aber nicht kuriose Beiträge, sondern Feststellungen, an denen niemand gezweifelt hat, und die dem Bemerktwerden nur entgehen, weil sie ständig vor unsern Augen sind. | {{ParPU|415}} Was wir liefern, sind eigentlich Bemerkungen zur Naturgeschichte des Menschen; aber nicht kuriose Beiträge, sondern Feststellungen, an denen niemand gezweifelt hat, und die dem Bemerktwerden nur entgehen, weil sie ständig vor unsern Augen sind. | ||
{{ParPU|416}} »Die Menschen sagen übereinstimmend: sie sehen, hören, fühlen, etc. (wenn auch Mancher blind und Mancher taub ist). Sie bezeugen also von sich, sie haben ''Bewußtsein''.« – Aber wie merkwürdig! wem mache ich eigentlich eine Mitteilung, wenn ich sage »Ich habe Bewußtsein«? Was ist der Zweck, mir das zu sagen, und wie kann der Andre mich verstehen? – Nun, Sätze wie »Ich sehe«, »Ich höre«, »Ich bin bei Bewußtsein« haben ja wirklich ihren Gebrauch. Dem Arzt sage ich »Jetzt höre ich wieder auf diesem Ohr«; dem, der mich ohnmächtig glaubt, sage ich »Ich bin wieder bei Bewußtsein«, usw. | {{ParPU|416}} »Die Menschen sagen übereinstimmend: sie sehen, hören, fühlen, etc. (wenn auch Mancher blind und Mancher taub ist). Sie bezeugen also von sich, sie haben ''Bewußtsein''.« – Aber wie merkwürdig! wem mache ich eigentlich eine Mitteilung, wenn ich sage »Ich habe Bewußtsein«? Was ist der Zweck, mir das zu sagen, und wie kann der Andre mich verstehen? – Nun, Sätze wie »Ich sehe«, »Ich höre«, »Ich bin bei Bewußtsein« haben ja wirklich ihren Gebrauch. Dem Arzt sage ich »Jetzt höre ich wieder auf diesem Ohr«; dem, der mich ohnmächtig glaubt, sage ich »Ich bin wieder bei Bewußtsein«, usw. | ||
Line 2,541: | Line 2,148: | ||
Aber ist es denn nicht eine bestimmte Erfahrung, die mich veranlaßt, zu sagen »Ich bin wieder bei Bewußtsein«? – ''Welche'' Erfahrung? In welcher Situation sagen wir es? | Aber ist es denn nicht eine bestimmte Erfahrung, die mich veranlaßt, zu sagen »Ich bin wieder bei Bewußtsein«? – ''Welche'' Erfahrung? In welcher Situation sagen wir es? | ||
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Aber sagt man nicht vom Menschen, er habe Bewußtsein; vom Baum, oder Stein aber, sie haben keines? – Wie wäre es, wenn’s anders wäre? – Wären die Menschen alle bewußtlos? – Nein; nicht im gewöhnlichen Sinn des Worts. Aber ich, z.B., hätte nicht Bewußtsein –– wie ich’s jetzt tatsächlich habe. | Aber sagt man nicht vom Menschen, er habe Bewußtsein; vom Baum, oder Stein aber, sie haben keines? – Wie wäre es, wenn’s anders wäre? – Wären die Menschen alle bewußtlos? – Nein; nicht im gewöhnlichen Sinn des Worts. Aber ich, z.B., hätte nicht Bewußtsein –– wie ich’s jetzt tatsächlich habe. | ||
{{ParPU|419}} Unter welchen Umständen werde ich sagen, ein Stamm habe einen ''Häuptling''? Und der Häuptling muß doch ''Bewußtsein'' haben. Er darf doch nicht ohne Bewußtsein sein! | {{ParPU|419}} Unter welchen Umständen werde ich sagen, ein Stamm habe einen ''Häuptling''? Und der Häuptling muß doch ''Bewußtsein'' haben. Er darf doch nicht ohne Bewußtsein sein! | ||
Line 2,557: | Line 2,161: | ||
Einen lebenden Menschen als Automaten sehen, ist analog dem, irgend eine Figur als Grenzfall oder Variation einer ändern zu sehen, z.B. ein Fensterkreuz als Swastika. | Einen lebenden Menschen als Automaten sehen, ist analog dem, irgend eine Figur als Grenzfall oder Variation einer ändern zu sehen, z.B. ein Fensterkreuz als Swastika. | ||
{{ParPU|421}} Es scheint uns paradox, daß wir in ''einem'' Bericht Körper- und Bewußtseinszustände kunterbunt durcheinander mischen: »Er litt große Qualen und warf sich unruhig umher«. Das ist ganz gewöhnlich; warum erscheint es uns also paradox? Weil wir sagen wollen, der Satz handle von Greifbarem und Ungreifbarem. – Aber findest du etwas dabei, wenn ich sage: »Diese 3 Stützen geben dem Bau Festigkeit«? Sind Drei und Festigkeit greifbar? –– Sieh den Satz als Instrument an, und seinen Sinn als seine Verwendung! | {{ParPU|421}} Es scheint uns paradox, daß wir in ''einem'' Bericht Körper- und Bewußtseinszustände kunterbunt durcheinander mischen: »Er litt große Qualen und warf sich unruhig umher«. Das ist ganz gewöhnlich; warum erscheint es uns also paradox? Weil wir sagen wollen, der Satz handle von Greifbarem und Ungreifbarem. – Aber findest du etwas dabei, wenn ich sage: »Diese 3 Stützen geben dem Bau Festigkeit«? Sind Drei und Festigkeit greifbar? –– Sieh den Satz als Instrument an, und seinen Sinn als seine Verwendung! | ||
{{ParPU|422}} Woran glaube ich, wenn ich an eine Seele im Menschen glaube? Woran glaube ich, wenn ich glaube, diese Substanz enthalte zwei Ringe von Kohlenstoffatomen? In beiden Fällen ist ein Bild im Vordergrund, der Sinn aber weit im Hintergrund; d.h., die Anwendung des Bildes nicht leicht zu übersehen. | {{ParPU|422}} Woran glaube ich, wenn ich an eine Seele im Menschen glaube? Woran glaube ich, wenn ich glaube, diese Substanz enthalte zwei Ringe von Kohlenstoffatomen? In beiden Fällen ist ein Bild im Vordergrund, der Sinn aber weit im Hintergrund; d.h., die Anwendung des Bildes nicht leicht zu übersehen. | ||
{{ParPU|423}} ''Gewiß'', in dir geschehen alle diese Dinge. – Und nun laß mich nur den Ausdruck verstehen, den wir gebrauchen. – Das Bild ist da. Und seine Gültigkeit im besondern Falle bestreite ich nicht. – Nur laß mich jetzt noch die Anwendung des Bildes verstehen. | {{ParPU|423}} ''Gewiß'', in dir geschehen alle diese Dinge. – Und nun laß mich nur den Ausdruck verstehen, den wir gebrauchen. – Das Bild ist da. Und seine Gültigkeit im besondern Falle bestreite ich nicht. – Nur laß mich jetzt noch die Anwendung des Bildes verstehen. | ||
{{ParPU|424}} Das Bild ist ''da''; und ich bestreite seine ''Richtigkeit'' nicht. Aber ''was'' ist seine Anwendung? Denke an das Bild der Blindheit als einer Dunkelheit in der Seele oder im Kopf des Blinden. | {{ParPU|424}} Das Bild ist ''da''; und ich bestreite seine ''Richtigkeit'' nicht. Aber ''was'' ist seine Anwendung? Denke an das Bild der Blindheit als einer Dunkelheit in der Seele oder im Kopf des Blinden. | ||
Line 2,579: | Line 2,178: | ||
Frage ich z.B.: »Wie soll ich es mir vorstellen, daß ''dieser'' Mechanismus in ''dieses'' Gehäuse geht?« – so kann als Antwort etwa eine Zeichnung in verkleinertem Maßstab dienen. Man kann mir dann sagen »Siehst du, so geht er hinein«; oder vielleicht auch: »Warum wundert es dich? So, wie du es ''hier'' siehst, so geht es auch dort.« – Das letztere erklärt freilich nichts mehr, sondern fordert mich nur auf, nun die Anwendung von dem Bild, das man mir gegeben hat, zu machen. | Frage ich z.B.: »Wie soll ich es mir vorstellen, daß ''dieser'' Mechanismus in ''dieses'' Gehäuse geht?« – so kann als Antwort etwa eine Zeichnung in verkleinertem Maßstab dienen. Man kann mir dann sagen »Siehst du, so geht er hinein«; oder vielleicht auch: »Warum wundert es dich? So, wie du es ''hier'' siehst, so geht es auch dort.« – Das letztere erklärt freilich nichts mehr, sondern fordert mich nur auf, nun die Anwendung von dem Bild, das man mir gegeben hat, zu machen. | ||
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In der wirklichen Verwendung der Ausdrücke machen wir gleichsam Umwege, gehen durch Nebengassen; während wir wohl die gerade breite Straße vor uns sehen, sie aber freilich nicht benützen können, weil sie permanent gesperrt ist. | In der wirklichen Verwendung der Ausdrücke machen wir gleichsam Umwege, gehen durch Nebengassen; während wir wohl die gerade breite Straße vor uns sehen, sie aber freilich nicht benützen können, weil sie permanent gesperrt ist. | ||
{{ParPU|427}} »Während ich zu ihm sprach, wußte ich nicht, was hinter seiner Stirn vorging.« Dabei denkt man nicht an Gehirnvorgänge, sondern an Denkvorgänge. Das Bild ist ernst zu nehmen. Wir möchten wirklich hinter diese Stirne schauen. Und doch meinen wir nur das, was wir auch sonst mit den Worten meinen: wir möchten wissen, was er denkt. Ich will sagen: wir haben das lebhafte Bild – und denjenigen Gebrauch, der dem Bild zu widersprechen scheint, und das Psychische ausdrückt. | {{ParPU|427}} »Während ich zu ihm sprach, wußte ich nicht, was hinter seiner Stirn vorging.« Dabei denkt man nicht an Gehirnvorgänge, sondern an Denkvorgänge. Das Bild ist ernst zu nehmen. Wir möchten wirklich hinter diese Stirne schauen. Und doch meinen wir nur das, was wir auch sonst mit den Worten meinen: wir möchten wissen, was er denkt. Ich will sagen: wir haben das lebhafte Bild – und denjenigen Gebrauch, der dem Bild zu widersprechen scheint, und das Psychische ausdrückt. | ||
{{ParPU|428}} »Der Gedanke, dieses seltsame Wesen« – aber er kommt uns nicht seltsam vor, wenn wir denken. Der Gedanke kommt uns nicht geheimnisvoll vor, während wir denken, sondern nur, wenn wir gleichsam retrospektiv sagen: »Wie war das möglich?« Wie war es möglich, daß der Gedanke von diesem Gegenstand ''selbst'' handelte? Es scheint uns, als hätten wir mit ihm die Realität eingefangen. | {{ParPU|428}} »Der Gedanke, dieses seltsame Wesen« – aber er kommt uns nicht seltsam vor, wenn wir denken. Der Gedanke kommt uns nicht geheimnisvoll vor, während wir denken, sondern nur, wenn wir gleichsam retrospektiv sagen: »Wie war das möglich?« Wie war es möglich, daß der Gedanke von diesem Gegenstand ''selbst'' handelte? Es scheint uns, als hätten wir mit ihm die Realität eingefangen. | ||
{{ParPU|429}} Die Übereinstimmung, Harmonie, von Gedanke und Wirklichkeit liegt darin, daß, wenn ich fälschlich sage, etwas sei ''rot'', es doch immerhin nicht ''rot'' ist. Und wenn ich jemandem das Wort »rot« im Satze »Das ist nicht rot« erklären will, ich dazu auf etwas Rotes zeige. | {{ParPU|429}} Die Übereinstimmung, Harmonie, von Gedanke und Wirklichkeit liegt darin, daß, wenn ich fälschlich sage, etwas sei ''rot'', es doch immerhin nicht ''rot'' ist. Und wenn ich jemandem das Wort »rot« im Satze »Das ist nicht rot« erklären will, ich dazu auf etwas Rotes zeige. | ||
{{ParPU|430}} »Lege einen Maßstab an diesen Körper an; er sagt nicht, daß der Körper so lang ist. Vielmehr ist er an sich – ich möchte sagen – tot, und leistet nichts von dem, was der Gedanke leistet.« – Es ist, als hätten wir uns eingebildet, das Wesentliche am lebenden Menschen sei die äußere Gestalt, und hätten nun einen Holzblock von dieser Gestalt hergestellt und sähen mit Beschämung den toten Klotz, der auch keine Ähnlichkeit mit einem Lebewesen hat. | {{ParPU|430}} »Lege einen Maßstab an diesen Körper an; er sagt nicht, daß der Körper so lang ist. Vielmehr ist er an sich – ich möchte sagen – tot, und leistet nichts von dem, was der Gedanke leistet.« – Es ist, als hätten wir uns eingebildet, das Wesentliche am lebenden Menschen sei die äußere Gestalt, und hätten nun einen Holzblock von dieser Gestalt hergestellt und sähen mit Beschämung den toten Klotz, der auch keine Ähnlichkeit mit einem Lebewesen hat. | ||
Line 2,607: | Line 2,200: | ||
»Erst im Verstehen heißt es, daß wir DAS zu tun haben. Der ''Befehl'' –– das sind ja nur Laute, Tintenstriche. – « | »Erst im Verstehen heißt es, daß wir DAS zu tun haben. Der ''Befehl'' –– das sind ja nur Laute, Tintenstriche. – « | ||
{{ParPU|432}} Jedes Zeichen scheint ''allein'' tot. ''Was'' gibt ihm Leben? – Im Gebrauch ''lebt'' es. Hat es da den lebenden Atem in sich? – Oder ist der ''Gebrauch'' sein Atem? | {{ParPU|432}} Jedes Zeichen scheint ''allein'' tot. ''Was'' gibt ihm Leben? – Im Gebrauch ''lebt'' es. Hat es da den lebenden Atem in sich? – Oder ist der ''Gebrauch'' sein Atem? | ||
Line 2,617: | Line 2,208: | ||
Als trachtete das Zeichen mit unsichern Mitteln in uns ein Verständnis hervorzurufen. – Aber wenn wir es nun verstehen, in welchen Zeichen tun wir das? | Als trachtete das Zeichen mit unsichern Mitteln in uns ein Verständnis hervorzurufen. – Aber wenn wir es nun verstehen, in welchen Zeichen tun wir das? | ||
{{ParPU|434}} Die Gebärde ''versucht'' vorzubilden – möchte man sagen – aber kann es nicht. | {{ParPU|434}} Die Gebärde ''versucht'' vorzubilden – möchte man sagen – aber kann es nicht. | ||
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Aber auf die Antwort »Du weißt ja, wie es der Satz macht, es ist ja nichts verborgen« möchte man erwidern: »Ja, aber es fließt alles so rasch vorüber, und ich möchte es gleichsam breiter auseinander gelegt sehen.« | Aber auf die Antwort »Du weißt ja, wie es der Satz macht, es ist ja nichts verborgen« möchte man erwidern: »Ja, aber es fließt alles so rasch vorüber, und ich möchte es gleichsam breiter auseinander gelegt sehen.« | ||
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(Augustinus: Manifestissima et usitatissima sunt, et eadem rursus nimis latent, et nova est inventio eorum.) | (Augustinus: Manifestissima et usitatissima sunt, et eadem rursus nimis latent, et nova est inventio eorum.) | ||
{{ParPU|437}} Der Wunsch scheint schon zu wissen, was ihn erfüllen wird, oder würde; der Satz, der Gedanke, was ihn wahr macht, auch wenn es gar nicht da ist! Woher dieses ''Bestimmen'', dessen, was noch nicht da ist? Dieses despotische Fordern? (»Die Härte des logischen Muß.«) | {{ParPU|437}} Der Wunsch scheint schon zu wissen, was ihn erfüllen wird, oder würde; der Satz, der Gedanke, was ihn wahr macht, auch wenn es gar nicht da ist! Woher dieses ''Bestimmen'', dessen, was noch nicht da ist? Dieses despotische Fordern? (»Die Härte des logischen Muß.«) | ||
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Und hier meine ich: die Erwartung ist unbefriedigt, weil sie die Erwartung von etwas ist; der Glaube, die Meinung, unbefriedigt, weil sie die Meinung ist, daß etwas der Fall ist, etwas Wirkliches, etwas außerhalb dem Vorgang des Meinens. | Und hier meine ich: die Erwartung ist unbefriedigt, weil sie die Erwartung von etwas ist; der Glaube, die Meinung, unbefriedigt, weil sie die Meinung ist, daß etwas der Fall ist, etwas Wirkliches, etwas außerhalb dem Vorgang des Meinens. | ||
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Wir können in einem bestimmten System des Ausdrucks einen Gegenstand mittels der Worte »befriedigt« und »unbefriedigt« beschreiben. Wenn wir z.B. festsetzen, den Hohlzylinder einen »unbefriedigten Zylinder« zu nennen, und den ihn ergänzenden Vollzylinder »seine Befriedigung«. | Wir können in einem bestimmten System des Ausdrucks einen Gegenstand mittels der Worte »befriedigt« und »unbefriedigt« beschreiben. Wenn wir z.B. festsetzen, den Hohlzylinder einen »unbefriedigten Zylinder« zu nennen, und den ihn ergänzenden Vollzylinder »seine Befriedigung«. | ||
{{ParPU|440}} Zu sagen »Ich habe Lust auf einen Apfel« heißt nicht: Ich glaube, ein Apfel wird mein Gefühl der Unbefriedigung stillen. ''Dieser'' Satz ist keine Äußerung des Wunsches, sondern der Unbefriedigung. | {{ParPU|440}} Zu sagen »Ich habe Lust auf einen Apfel« heißt nicht: Ich glaube, ein Apfel wird mein Gefühl der Unbefriedigung stillen. ''Dieser'' Satz ist keine Äußerung des Wunsches, sondern der Unbefriedigung. | ||
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Wie, wenn man fragte: »Weiß ich, wonach ich lange, ehe ich es erhalte?« Wenn ich sprechen gelernt habe, so weiß ich’s. | Wie, wenn man fragte: »Weiß ich, wonach ich lange, ehe ich es erhalte?« Wenn ich sprechen gelernt habe, so weiß ich’s. | ||
Line 2,669: | Line 2,251: | ||
»Der Knall war nicht so laut, als ich ihn erwartet hatte.« – »Hat es also in deiner Erwartung lauter geknallt?« | »Der Knall war nicht so laut, als ich ihn erwartet hatte.« – »Hat es also in deiner Erwartung lauter geknallt?« | ||
{{ParPU|443}} »Das Rot, das du dir vorstellst, ist doch gewiß nicht Dasselbe (nicht dieselbe Sache) wie das, was du vor dir siehst; wie kannst du dann sagen, es sei das, was du dir vorgestellt hattest?« – Aber verhält es sich nicht analog in den Sätzen »Hier ist ein roter Fleck« und »Hier ist kein roter Fleck«? In beiden kommt das Wort »rot« vor; also kann dieses Wort nicht das Vorhandensein von etwas Rotem anzeigen. | {{ParPU|443}} »Das Rot, das du dir vorstellst, ist doch gewiß nicht Dasselbe (nicht dieselbe Sache) wie das, was du vor dir siehst; wie kannst du dann sagen, es sei das, was du dir vorgestellt hattest?« – Aber verhält es sich nicht analog in den Sätzen »Hier ist ein roter Fleck« und »Hier ist kein roter Fleck«? In beiden kommt das Wort »rot« vor; also kann dieses Wort nicht das Vorhandensein von etwas Rotem anzeigen. | ||
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Nun könnte man aber fragen: Wie schaut das aus, wenn er kommt? – Es geht die Tür auf, jemand tritt herein, etc. – Wie schaut das aus, wenn ich erwarte, daß er kommt? – Ich gehe im Zimmer auf und ab, sehe zuweilen auf die Uhr, etc. – Aber der eine Vorgang hat ja mit dem ändern nicht die geringste Ähnlichkeit! Wie kann man dann die selben Worte zu ihrer Beschreibung gebrauchen? – Aber nun sage ich vielleicht beim auf und ab Gehen: »Ich erwarte, daß er hereinkommt«. – Nun ist eine Ähnlichkeit vorhanden. Aber welcher Art ist sie?! | Nun könnte man aber fragen: Wie schaut das aus, wenn er kommt? – Es geht die Tür auf, jemand tritt herein, etc. – Wie schaut das aus, wenn ich erwarte, daß er kommt? – Ich gehe im Zimmer auf und ab, sehe zuweilen auf die Uhr, etc. – Aber der eine Vorgang hat ja mit dem ändern nicht die geringste Ähnlichkeit! Wie kann man dann die selben Worte zu ihrer Beschreibung gebrauchen? – Aber nun sage ich vielleicht beim auf und ab Gehen: »Ich erwarte, daß er hereinkommt«. – Nun ist eine Ähnlichkeit vorhanden. Aber welcher Art ist sie?! | ||
{{ParPU|445}} In der Sprache berühren sich Erwartung und Erfüllung. | {{ParPU|445}} In der Sprache berühren sich Erwartung und Erfüllung. | ||
{{ParPU|446}} Komisch wäre es, zu sagen: »Ein Vorgang sieht anders aus, wenn er geschieht, als wenn er nicht geschieht.« Oder: »Ein roter Fleck sieht anders aus, wenn er da ist, als wenn er nicht da ist – aber die Sprache abstrahiert von diesem Unterschied, denn sie spricht von einem roten Fleck, ob er da ist oder nicht.« | {{ParPU|446}} Komisch wäre es, zu sagen: »Ein Vorgang sieht anders aus, wenn er geschieht, als wenn er nicht geschieht.« Oder: »Ein roter Fleck sieht anders aus, wenn er da ist, als wenn er nicht da ist – aber die Sprache abstrahiert von diesem Unterschied, denn sie spricht von einem roten Fleck, ob er da ist oder nicht.« | ||
Line 2,693: | Line 2,270: | ||
(Die Behauptung des verneinenden Satzes enthält den verneinten Satz, aber nicht dessen Behauptung.) | (Die Behauptung des verneinenden Satzes enthält den verneinten Satz, aber nicht dessen Behauptung.) | ||
Line 2,703: | Line 2,279: | ||
Wenn Einer sagt: »Damit das Wort ›Schmerzen‹ Bedeutung habe, ist es notwendig, daß man Schmerzen als solche erkennt, wenn sie auftreten« – so kann man antworten: »Es ist nicht notwendiger, als daß man das Fehlen der Schmerzen erkennt.« | Wenn Einer sagt: »Damit das Wort ›Schmerzen‹ Bedeutung habe, ist es notwendig, daß man Schmerzen als solche erkennt, wenn sie auftreten« – so kann man antworten: »Es ist nicht notwendiger, als daß man das Fehlen der Schmerzen erkennt.« | ||
Line 2,709: | Line 2,284: | ||
Man bedenkt nicht, daß man mit den Worten ''rechnet'', operiert, sie mit der Zeit in dies oder jenes Bild überführt. – Es ist, als glaubte man, daß etwa die schriftliche Anweisung auf eine Kuh, die mir Einer ausfolgen soll, immer von einer Vorstellung einer Kuh begleitet sein müsse, damit diese Anweisung nicht ihren Sinn verliere. | Man bedenkt nicht, daß man mit den Worten ''rechnet'', operiert, sie mit der Zeit in dies oder jenes Bild überführt. – Es ist, als glaubte man, daß etwa die schriftliche Anweisung auf eine Kuh, die mir Einer ausfolgen soll, immer von einer Vorstellung einer Kuh begleitet sein müsse, damit diese Anweisung nicht ihren Sinn verliere. | ||
{{ParPU|450}} Wissen, wie jemand ausschaut: es sich vorstellen können – aber auch: es ''nachmachen'' können. Muß man sich’s vorstellen, um es nachzumachen? Und ist, es nachmachen, nicht ebenso stark, als es sich vorstellen? | {{ParPU|450}} Wissen, wie jemand ausschaut: es sich vorstellen können – aber auch: es ''nachmachen'' können. Muß man sich’s vorstellen, um es nachzumachen? Und ist, es nachmachen, nicht ebenso stark, als es sich vorstellen? | ||
{{ParPU|451}} Wie ist es, wenn ich Einem den Befehl gebe »Stell dir hier einen roten Kreis vor!« – und ich sage nun: den Befehl verstehen heiße, wissen, wie es ist, wenn er ausgeführt wurde – oder gar: sich vorstellen können, wie es ist...? | {{ParPU|451}} Wie ist es, wenn ich Einem den Befehl gebe »Stell dir hier einen roten Kreis vor!« – und ich sage nun: den Befehl verstehen heiße, wissen, wie es ist, wenn er ausgeführt wurde – oder gar: sich vorstellen können, wie es ist...? | ||
{{ParPU|452}} Ich will sagen: »Wenn Einer die Erwartung, den geistigen Vorgang, sehen könnte, müßte er sehen, ''was'' erwartet wird.« – Aber so ist es ja auch: Wer den Ausdruck der Erwartung sieht, sieht, was erwartet wird. Und wie könnte man es auf andere Weise, in anderem Sinne, sehen? | {{ParPU|452}} Ich will sagen: »Wenn Einer die Erwartung, den geistigen Vorgang, sehen könnte, müßte er sehen, ''was'' erwartet wird.« – Aber so ist es ja auch: Wer den Ausdruck der Erwartung sieht, sieht, was erwartet wird. Und wie könnte man es auf andere Weise, in anderem Sinne, sehen? | ||
{{ParPU|453}} Wer mein Erwarten wahrnähme, müßte unmittelbar wahrnehmen, ''was'' erwartet wird. D.h.: nicht aus dem wahrgenommenen Vorgang darauf ''schließen''! – Aber zu sagen, Einer nehme die Erwartung wahr, ''hat keinen Sinn''. Es sei denn etwa den: er nehme den Ausdruck der Erwartung wahr. Vom Erwartenden zu sagen, er nähme die Erwartung wahr, statt, er erwarte, wäre blödsinnige Verdrehung des Ausdrucks. | {{ParPU|453}} Wer mein Erwarten wahrnähme, müßte unmittelbar wahrnehmen, ''was'' erwartet wird. D.h.: nicht aus dem wahrgenommenen Vorgang darauf ''schließen''! – Aber zu sagen, Einer nehme die Erwartung wahr, ''hat keinen Sinn''. Es sei denn etwa den: er nehme den Ausdruck der Erwartung wahr. Vom Erwartenden zu sagen, er nähme die Erwartung wahr, statt, er erwarte, wäre blödsinnige Verdrehung des Ausdrucks. | ||
Line 2,731: | Line 2,301: | ||
Dieses Zeigen ist ''nicht'' ein Hokuspokus, welches nur die Seele vollziehen kann. | Dieses Zeigen ist ''nicht'' ein Hokuspokus, welches nur die Seele vollziehen kann. | ||
{{ParPU|455}} Wir wollen sagen: »Wenn wir meinen, so ist hier kein totes Bild (welcher Art immer), sondern es ist, als gingen wir auf jemand zu.« Wir gehen auf das Gemeinte zu. | {{ParPU|455}} Wir wollen sagen: »Wenn wir meinen, so ist hier kein totes Bild (welcher Art immer), sondern es ist, als gingen wir auf jemand zu.« Wir gehen auf das Gemeinte zu. | ||
{{ParPU|456}} »Wenn man meint, so meint man selber«; so bewegt man sich selber. Man stürmt selber vor und kann daher das Vorstürmen nicht auch beobachten. Gewiß nicht. | {{ParPU|456}} »Wenn man meint, so meint man selber«; so bewegt man sich selber. Man stürmt selber vor und kann daher das Vorstürmen nicht auch beobachten. Gewiß nicht. | ||
{{ParPU|457}} Ja; meinen ist, wie wenn man auf jemanden zugeht. | {{ParPU|457}} Ja; meinen ist, wie wenn man auf jemanden zugeht. | ||
{{ParPU|458}} »Der Befehl befiehlt seine Befolgung.« So kennt er seine Befolgung, schon ehe sie da ist? – Aber dies war ein grammatischer Satz und er sagt: Wenn ein Befehl lautet »Tu das und das!«, dann nennt man »das und das tun« das Befolgen des Befehls. | {{ParPU|458}} »Der Befehl befiehlt seine Befolgung.« So kennt er seine Befolgung, schon ehe sie da ist? – Aber dies war ein grammatischer Satz und er sagt: Wenn ein Befehl lautet »Tu das und das!«, dann nennt man »das und das tun« das Befolgen des Befehls. | ||
{{ParPU|459}} Wir sagen »Der Befehl befiehlt ''dies'' – « und tun es; aber auch: »Der Befehl befiehlt dies: ich soll ....«. Wir übertragen ihn einmal in einen Satz, einmal in eine Demonstration, und einmal in die Tat. | {{ParPU|459}} Wir sagen »Der Befehl befiehlt ''dies'' – « und tun es; aber auch: »Der Befehl befiehlt dies: ich soll ....«. Wir übertragen ihn einmal in einen Satz, einmal in eine Demonstration, und einmal in die Tat. | ||
{{ParPU|460}} Könnte die Rechtfertigung einer Handlung als Befolgung eines Befehls so lauten: »Du hast gesagt ›Bring mir eine gelbe Blume‹, und diese hier hat mir daraufhin ein Gefühl der Befriedigung gegeben, darum habe ich sie gebracht«? Müßte man da nicht antworten: »Ich habe dir doch nicht gesagt, mir die Blume zu bringen, die dir auf meine Worte hin ein solches Gefühl geben wird!«? | {{ParPU|460}} Könnte die Rechtfertigung einer Handlung als Befolgung eines Befehls so lauten: »Du hast gesagt ›Bring mir eine gelbe Blume‹, und diese hier hat mir daraufhin ein Gefühl der Befriedigung gegeben, darum habe ich sie gebracht«? Müßte man da nicht antworten: »Ich habe dir doch nicht gesagt, mir die Blume zu bringen, die dir auf meine Worte hin ein solches Gefühl geben wird!«? | ||
Line 2,763: | Line 2,326: | ||
Als nähme die bloße Prophezeiung, gleichgültig ob richtig oder falsch, schon einen Schatten der Zukunft voraus; während sie über die Zukunft nichts weiß, und weniger als nichts nicht wissen kann. | Als nähme die bloße Prophezeiung, gleichgültig ob richtig oder falsch, schon einen Schatten der Zukunft voraus; während sie über die Zukunft nichts weiß, und weniger als nichts nicht wissen kann. | ||
Line 2,769: | Line 2,331: | ||
Man könnte sagen wollen: »Da muß er doch auch dabei sein, wenn ich ihn suche«. – Dann muß er auch dabei sein, wenn ich ihn nicht finde, und auch, wenn es ihn gar nicht gibt. | Man könnte sagen wollen: »Da muß er doch auch dabei sein, wenn ich ihn suche«. – Dann muß er auch dabei sein, wenn ich ihn nicht finde, und auch, wenn es ihn gar nicht gibt. | ||
{{ParPU|463}} »''Den'' hast du gesucht? Du konntest ja nicht einmal wissen, ob er da ist!« – Dieses Problem aber entsteht ''wirklich'' beim Suchen in der Mathematik. Man kann z.B. die Frage stellen: Wie war es möglich, nach der Dreiteilung des Winkels auch nur zu ''suchen?'' | {{ParPU|463}} »''Den'' hast du gesucht? Du konntest ja nicht einmal wissen, ob er da ist!« – Dieses Problem aber entsteht ''wirklich'' beim Suchen in der Mathematik. Man kann z.B. die Frage stellen: Wie war es möglich, nach der Dreiteilung des Winkels auch nur zu ''suchen?'' | ||
{{ParPU|464}} Was ich lehren will, ist: von einem nicht offenkundigen Unsinn zu einem offenkundigen übergehen. | {{ParPU|464}} Was ich lehren will, ist: von einem nicht offenkundigen Unsinn zu einem offenkundigen übergehen. | ||
Line 2,783: | Line 2,342: | ||
Wenn man nun fragt: Ist also die Tatsache durch die Erwartung auf ja und nein bestimmt oder nicht, – d.h., ist es bestimmt, in welchem Sinne die Erwartung durch ein Ereignis – welches immer eintreffen mag – beantwortet werden wird; so muß man antworten »Ja; es sei denn, daß der Ausdruck der Erwartung unbestimmt ist, daß er etwa eine Disjunktion verschiedener Möglichkeiten enthält.« | Wenn man nun fragt: Ist also die Tatsache durch die Erwartung auf ja und nein bestimmt oder nicht, – d.h., ist es bestimmt, in welchem Sinne die Erwartung durch ein Ereignis – welches immer eintreffen mag – beantwortet werden wird; so muß man antworten »Ja; es sei denn, daß der Ausdruck der Erwartung unbestimmt ist, daß er etwa eine Disjunktion verschiedener Möglichkeiten enthält.« | ||
{{ParPU|466}} Wozu denkt der Mensch? wozu ist es nütze? – Wozu ''berechnet'' er Dampfkessel und überläßt ihre Wandstärke nicht dem Zufall? Es ist doch nur Erfahrungstatsache, daß Kessel, die so berechnet wurden, nicht so oft explodieren! Aber so, wie er alles eher täte, als die Hand ins Feuer stecken, das ihn früher gebrannt hat, so wird er alles eher tun, als den Kessel nicht berechnen. – Da uns Ursachen aber nicht interessieren, – werden wir sagen: Die Menschen denken tatsächlich: sie gehen, z.B., auf diese Weise vor, wenn sie einen Dampfkessel bauen. – Kann nun ein so erzeugter Kessel nicht explodieren? O doch. | {{ParPU|466}} Wozu denkt der Mensch? wozu ist es nütze? – Wozu ''berechnet'' er Dampfkessel und überläßt ihre Wandstärke nicht dem Zufall? Es ist doch nur Erfahrungstatsache, daß Kessel, die so berechnet wurden, nicht so oft explodieren! Aber so, wie er alles eher täte, als die Hand ins Feuer stecken, das ihn früher gebrannt hat, so wird er alles eher tun, als den Kessel nicht berechnen. – Da uns Ursachen aber nicht interessieren, – werden wir sagen: Die Menschen denken tatsächlich: sie gehen, z.B., auf diese Weise vor, wenn sie einen Dampfkessel bauen. – Kann nun ein so erzeugter Kessel nicht explodieren? O doch. | ||
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(Erzieht er seine Kinder, weil es sich bewährt hat?) | (Erzieht er seine Kinder, weil es sich bewährt hat?) | ||
{{ParPU|468}} Wie wäre herauszubringen: ''warum'' er denkt? | {{ParPU|468}} Wie wäre herauszubringen: ''warum'' er denkt? | ||
{{ParPU|469}} Und doch kann man sagen, das Denken habe sich bewährt. Es seien jetzt weniger Kesselexplosionen als früher, seit etwa die Wandstärken nicht mehr nach dem Gefühl bestimmt, sondern auf die und die Weise berechnet werden. Oder, seit man jede Berechnung eines Ingenieurs durch einen zweiten kontrollieren läßt. | {{ParPU|469}} Und doch kann man sagen, das Denken habe sich bewährt. Es seien jetzt weniger Kesselexplosionen als früher, seit etwa die Wandstärken nicht mehr nach dem Gefühl bestimmt, sondern auf die und die Weise berechnet werden. Oder, seit man jede Berechnung eines Ingenieurs durch einen zweiten kontrollieren läßt. | ||
{{ParPU|470}} ''Manchmal'' also denkt man, weil es sich bewährt hat. | {{ParPU|470}} ''Manchmal'' also denkt man, weil es sich bewährt hat. | ||
{{ParPU|471}} Wenn wir die Frage »warum« unterdrücken, werden wir oft erst die wichtigen ''Tatsachen'' gewahr; die dann in unseren Untersuchungen zu einer Antwort führen. | {{ParPU|471}} Wenn wir die Frage »warum« unterdrücken, werden wir oft erst die wichtigen ''Tatsachen'' gewahr; die dann in unseren Untersuchungen zu einer Antwort führen. | ||
{{ParPU|472}} Die Natur des Glaubens an die Gleichförmigkeit des Geschehens wird vielleicht am klarsten im Falle, in dem wir Furcht vor dem Erwarteten empfinden. Nichts könnte mich dazu bewegen, meine Hand in die Flamme zu stecken, – obwohl ich mich doch ''nur in der Vergangenheit'' verbrannt habe. | {{ParPU|472}} Die Natur des Glaubens an die Gleichförmigkeit des Geschehens wird vielleicht am klarsten im Falle, in dem wir Furcht vor dem Erwarteten empfinden. Nichts könnte mich dazu bewegen, meine Hand in die Flamme zu stecken, – obwohl ich mich doch ''nur in der Vergangenheit'' verbrannt habe. | ||
{{ParPU|473}} Der Glaube, daß mich das Feuer brennen wird, ist von der Art der Furcht, daß es mich brennen wird. | {{ParPU|473}} Der Glaube, daß mich das Feuer brennen wird, ist von der Art der Furcht, daß es mich brennen wird. | ||
Line 2,823: | Line 2,373: | ||
D.h., da sehen wir, was Sicherheit bedeutet. (Nicht nur, was das Wort »Sicherheit« bedeutet, sondern auch, was es mit ihr auf sich hat.) | D.h., da sehen wir, was Sicherheit bedeutet. (Nicht nur, was das Wort »Sicherheit« bedeutet, sondern auch, was es mit ihr auf sich hat.) | ||
{{ParPU|475}} Nach den Gründen zu einer Annahme gefragt, ''besinnt'' man sich auf diese Gründe. Geschieht hier dasselbe, wie wenn man darüber nachdenkt, was die Ursachen eines Ereignisses gewesen sein mögen? | {{ParPU|475}} Nach den Gründen zu einer Annahme gefragt, ''besinnt'' man sich auf diese Gründe. Geschieht hier dasselbe, wie wenn man darüber nachdenkt, was die Ursachen eines Ereignisses gewesen sein mögen? | ||
Line 2,833: | Line 2,381: | ||
So ist das Gesicht, das uns Furcht, oder Entzücken, einflößt (der Gegenstand der Furcht, des Entzückens) darum nicht ihre Ursache, sondern – man könnte sagen – ihre Richtung. | So ist das Gesicht, das uns Furcht, oder Entzücken, einflößt (der Gegenstand der Furcht, des Entzückens) darum nicht ihre Ursache, sondern – man könnte sagen – ihre Richtung. | ||
{{ParPU|477}} »Warum glaubst du, daß du dich an der heißen Herdplatte verbrennen wirst?« – Hast du Gründe für diesen Glauben; und brauchst du Gründe? | {{ParPU|477}} »Warum glaubst du, daß du dich an der heißen Herdplatte verbrennen wirst?« – Hast du Gründe für diesen Glauben; und brauchst du Gründe? | ||
{{ParPU|478}} Was für einen Grund habe ich, anzunehmen, daß mein Finger, wenn er den Tisch berührt, einen Widerstand spüren wird? Was für einen Grund, zu glauben, daß dieser Bleistift sich nicht schmerzlos durch meine Hand wird stecken lassen? – Wenn ich dies frage, melden sich hundert Gründe, die einander kaum zu Wort kommen lassen wollen. »Ich habe es doch selbst unzählige Male erfahren; und ebenso oft von ähnlichen Erfahrungen gehört; wenn es nicht wäre, würde...; etc.« | {{ParPU|478}} Was für einen Grund habe ich, anzunehmen, daß mein Finger, wenn er den Tisch berührt, einen Widerstand spüren wird? Was für einen Grund, zu glauben, daß dieser Bleistift sich nicht schmerzlos durch meine Hand wird stecken lassen? – Wenn ich dies frage, melden sich hundert Gründe, die einander kaum zu Wort kommen lassen wollen. »Ich habe es doch selbst unzählige Male erfahren; und ebenso oft von ähnlichen Erfahrungen gehört; wenn es nicht wäre, würde...; etc.« | ||
{{ParPU|479}} Die Frage »Aus welchen Gründen glaubst du das?« könnte bedeuten: »Aus welchen Gründen leitest du das jetzt ab (hast du es jetzt abgeleitet)?« Aber auch: »Welche Gründe kannst du mir nachträglich für diese Annahme angeben?« | {{ParPU|479}} Die Frage »Aus welchen Gründen glaubst du das?« könnte bedeuten: »Aus welchen Gründen leitest du das jetzt ab (hast du es jetzt abgeleitet)?« Aber auch: »Welche Gründe kannst du mir nachträglich für diese Annahme angeben?« | ||
{{ParPU|480}} Man könnte also unter »Gründen« zu einer Meinung tatsächlich nur das verstehen, was Einer sich vorgesagt hat, ehe er zu der Meinung kam. Die Rechnung, die er tatsächlich ausgeführt hat. Wenn man nun fragte: Wie ''kann'' aber frühere Erfahrung ein Grund zur Annahme sein, es werde später das und das eintreffen? – so ist die Antwort: Welchen allgemeinen Begriff vom Grund zu solch einer Annahme haben wir denn? Diese Art Angabe über die Vergangenheit nennen wir eben Grund zur Annahme, es werde das in Zukunft geschehen. – Und wenn man sich wundert, daß wir ein solches Spiel spielen, dann berufe ich mich auf die ''Wirkung'' einer vergangenen Erfahrung (darauf, daß ein gebranntes Kind das Feuer fürchtet). | {{ParPU|480}} Man könnte also unter »Gründen« zu einer Meinung tatsächlich nur das verstehen, was Einer sich vorgesagt hat, ehe er zu der Meinung kam. Die Rechnung, die er tatsächlich ausgeführt hat. Wenn man nun fragte: Wie ''kann'' aber frühere Erfahrung ein Grund zur Annahme sein, es werde später das und das eintreffen? – so ist die Antwort: Welchen allgemeinen Begriff vom Grund zu solch einer Annahme haben wir denn? Diese Art Angabe über die Vergangenheit nennen wir eben Grund zur Annahme, es werde das in Zukunft geschehen. – Und wenn man sich wundert, daß wir ein solches Spiel spielen, dann berufe ich mich auf die ''Wirkung'' einer vergangenen Erfahrung (darauf, daß ein gebranntes Kind das Feuer fürchtet). | ||
Line 2,857: | Line 2,400: | ||
Aber nicht, als ob man sagen könnte: fürs Glauben genügt eben weniger als für das Wissen. – Denn hier handelt es sich nicht um eine Annäherung an das logische Folgen. | Aber nicht, als ob man sagen könnte: fürs Glauben genügt eben weniger als für das Wissen. – Denn hier handelt es sich nicht um eine Annäherung an das logische Folgen. | ||
{{ParPU|482}} Wir werden irregeführt durch die Ausdrucksweise: »Dieser Grund ist gut, denn er macht das Eintreffen des Ereignisses wahrscheinlich.« Hier ist es, als ob wir nun etwas weiteres über den Grund ausgesagt hätten, was ihn als Grund rechtfertigt; während mit dem Satz, daß dieser Grund das Eintreffen wahrscheinlich macht, nichts gesagt ist, wenn nicht, daß dieser Grund einem bestimmten Maßstab des guten Grundes entspricht, – der Maßstab aber nicht begründet ist! | {{ParPU|482}} Wir werden irregeführt durch die Ausdrucksweise: »Dieser Grund ist gut, denn er macht das Eintreffen des Ereignisses wahrscheinlich.« Hier ist es, als ob wir nun etwas weiteres über den Grund ausgesagt hätten, was ihn als Grund rechtfertigt; während mit dem Satz, daß dieser Grund das Eintreffen wahrscheinlich macht, nichts gesagt ist, wenn nicht, daß dieser Grund einem bestimmten Maßstab des guten Grundes entspricht, – der Maßstab aber nicht begründet ist! | ||
{{ParPU|483}} Ein guter Grund ist einer, der ''so'' aussieht. | {{ParPU|483}} Ein guter Grund ist einer, der ''so'' aussieht. | ||
{{ParPU|484}} Man möchte sagen: »Ein guter Grund ist er nur darum, weil er das Eintreffen ''wirklich'' wahrscheinlich macht«. Weil er sozusagen wirklich einen Einfluß auf das Ereignis hat; also quasi einen erfahrungsmäßigen. | {{ParPU|484}} Man möchte sagen: »Ein guter Grund ist er nur darum, weil er das Eintreffen ''wirklich'' wahrscheinlich macht«. Weil er sozusagen wirklich einen Einfluß auf das Ereignis hat; also quasi einen erfahrungsmäßigen. | ||
{{ParPU|485}} Die Rechtfertigung durch die Erfahrung hat ein Ende. Hätte sie keins, so wäre sie keine Rechtfertigung. | {{ParPU|485}} Die Rechtfertigung durch die Erfahrung hat ein Ende. Hätte sie keins, so wäre sie keine Rechtfertigung. | ||
Line 2,879: | Line 2,417: | ||
War ich dazu berechtigt, diese Konsequenzen zu ziehen? Was ''nennt'' man hier eine Berechtigung? – Wie wird das Wort »Berechtigung« gebraucht? Beschreibe Sprachspiele! Aus ihnen wird sich auch die Wichtigkeit des Berechtigtseins entnehmen lassen. | War ich dazu berechtigt, diese Konsequenzen zu ziehen? Was ''nennt'' man hier eine Berechtigung? – Wie wird das Wort »Berechtigung« gebraucht? Beschreibe Sprachspiele! Aus ihnen wird sich auch die Wichtigkeit des Berechtigtseins entnehmen lassen. | ||
Line 2,885: | Line 2,422: | ||
Kann man fragen: »Woher weißt du, daß du es deswegen tust, oder nicht deswegen tust?« Und ist die Antwort gar: »Ich fühle es«? | Kann man fragen: »Woher weißt du, daß du es deswegen tust, oder nicht deswegen tust?« Und ist die Antwort gar: »Ich fühle es«? | ||
{{ParPU|488}} Wie beurteile ich, ob es so ist? Nach Indizien? | {{ParPU|488}} Wie beurteile ich, ob es so ist? Nach Indizien? | ||
Line 2,895: | Line 2,430: | ||
Welche Handlungsweisen begleiten diese Worte? (Denk ans Grüßen!) In welchen Szenen werden sie gebraucht; und wozu? | Welche Handlungsweisen begleiten diese Worte? (Denk ans Grüßen!) In welchen Szenen werden sie gebraucht; und wozu? | ||
{{ParPU|490}} Wie weiß ich, daß ''dieser Gedankengang'' mich zu dieser Handlung geführt hat? – Nun, es ist ein bestimmtes Bild: z.B., in einer experimentellen Untersuchung durch eine Rechnung zu einem weitern Experiment geführt werden. Es sieht ''so'' aus –– und nun könnte ich ein Beispiel beschreiben. | {{ParPU|490}} Wie weiß ich, daß ''dieser Gedankengang'' mich zu dieser Handlung geführt hat? – Nun, es ist ein bestimmtes Bild: z.B., in einer experimentellen Untersuchung durch eine Rechnung zu einem weitern Experiment geführt werden. Es sieht ''so'' aus –– und nun könnte ich ein Beispiel beschreiben. | ||
{{ParPU|491}} Nicht: »ohne Sprache könnten wir uns nicht miteinander verständigen« – wohl aber: ohne Sprache können wir andre Menschen nicht so und so beeinflussen; können wir nicht Straßen und Maschinen bauen, etc. Und auch: Ohne den Gebrauch der Rede und der Schrift könnten sich Menschen nicht verständigen. | {{ParPU|491}} Nicht: »ohne Sprache könnten wir uns nicht miteinander verständigen« – wohl aber: ohne Sprache können wir andre Menschen nicht so und so beeinflussen; können wir nicht Straßen und Maschinen bauen, etc. Und auch: Ohne den Gebrauch der Rede und der Schrift könnten sich Menschen nicht verständigen. | ||
Line 2,909: | Line 2,441: | ||
Ich sage hier etwas über die Grammatik des Wortes »Sprache« aus, indem ich sie mit der Grammatik des Wortes »erfinden« in Verbindung bringe. | Ich sage hier etwas über die Grammatik des Wortes »Sprache« aus, indem ich sie mit der Grammatik des Wortes »erfinden« in Verbindung bringe. | ||
Line 2,915: | Line 2,446: | ||
Wenn aber gezeigt würde, in welcher Weise die Worte »Komm zu mir!« auf den Angesprochenen einwirken, sodaß am Schluß unter gewissen Bedingungen seine Beinmuskeln innerviert werden, etc. – würde jener Satz damit für uns den Charakter des Satzes verlieren? | Wenn aber gezeigt würde, in welcher Weise die Worte »Komm zu mir!« auf den Angesprochenen einwirken, sodaß am Schluß unter gewissen Bedingungen seine Beinmuskeln innerviert werden, etc. – würde jener Satz damit für uns den Charakter des Satzes verlieren? | ||
{{ParPU|494}} Ich will sagen: Der Apparat unserer gewöhnlichen Sprache, unserer Wortsprache, ist ''vor allem'' das, was wir »Sprache« nennen; und dann anderes nach seiner Analogie oder Vergleichbarkeit mit ihr. | {{ParPU|494}} Ich will sagen: Der Apparat unserer gewöhnlichen Sprache, unserer Wortsprache, ist ''vor allem'' das, was wir »Sprache« nennen; und dann anderes nach seiner Analogie oder Vergleichbarkeit mit ihr. | ||
Line 2,925: | Line 2,454: | ||
Ja, ich brauche gar keinen Fall zu erdichten, und nur den tatsächlichen betrachten, daß ich einen Menschen, der nur Deutsch gelernt hat, nur mit der deutschen Sprache lenken kann. (Denn das Lernen der deutschen Sprache betrachte ich nun als ein Einstellen des Mechanismus auf eine gewisse Art der Beeinflussung; und es kann uns gleich sein, ob der Andre die Sprache gelernt hat, oder vielleicht schon von Geburt so gebaut ist, daß er auf die Sätze der deutschen Sprache so reagiert wie der gewöhnliche Mensch, wenn er Deutsch gelernt hat.) | Ja, ich brauche gar keinen Fall zu erdichten, und nur den tatsächlichen betrachten, daß ich einen Menschen, der nur Deutsch gelernt hat, nur mit der deutschen Sprache lenken kann. (Denn das Lernen der deutschen Sprache betrachte ich nun als ein Einstellen des Mechanismus auf eine gewisse Art der Beeinflussung; und es kann uns gleich sein, ob der Andre die Sprache gelernt hat, oder vielleicht schon von Geburt so gebaut ist, daß er auf die Sätze der deutschen Sprache so reagiert wie der gewöhnliche Mensch, wenn er Deutsch gelernt hat.) | ||
{{ParPU|496}} Grammatik sagt nicht, wie die Sprache gebaut sein muß, um ihren Zweck zu erfüllen, um so und so auf Menschen zu wirken. Sie beschreibt nur, aber erklärt in keiner Weise, den Gebrauch der Zeichen. | {{ParPU|496}} Grammatik sagt nicht, wie die Sprache gebaut sein muß, um ihren Zweck zu erfüllen, um so und so auf Menschen zu wirken. Sie beschreibt nur, aber erklärt in keiner Weise, den Gebrauch der Zeichen. | ||
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Wenn Einer sagt »Hätte unsere Sprache nicht diese Grammatik, so könnte sie diese Tatsachen nicht ausdrücken« – so frage man sich, was hier das »''könnte''« bedeutet. | Wenn Einer sagt »Hätte unsere Sprache nicht diese Grammatik, so könnte sie diese Tatsachen nicht ausdrücken« – so frage man sich, was hier das »''könnte''« bedeutet. | ||
{{ParPU|498}} Wenn ich sage, der Befehl »Bring mir Zucker!« und »Bring mir Milch!« hat Sinn, aber nicht die Kombination »Milch mir Zucker«, so heißt das nicht, daß das Aussprechen dieser Wortverbindung keine Wirkung hat. Und wenn sie nun die Wirkung hat, daß der Andre mich anstarrt und den Mund aufsperrt, so nenne ich sie deswegen nicht den Befehl, mich anzustarren etc., auch wenn ich gerade diese Wirkung hätte hervorbringen wollen. | {{ParPU|498}} Wenn ich sage, der Befehl »Bring mir Zucker!« und »Bring mir Milch!« hat Sinn, aber nicht die Kombination »Milch mir Zucker«, so heißt das nicht, daß das Aussprechen dieser Wortverbindung keine Wirkung hat. Und wenn sie nun die Wirkung hat, daß der Andre mich anstarrt und den Mund aufsperrt, so nenne ich sie deswegen nicht den Befehl, mich anzustarren etc., auch wenn ich gerade diese Wirkung hätte hervorbringen wollen. | ||
{{ParPU|499}} Zu sagen »Diese Wortverbindung hat keinen Sinn« schließt sie aus dem Bereich der Sprache aus und umgrenzt dadurch das Gebiet der Sprache. Wenn man aber eine Grenze zieht, so kann das verschiedenerlei Gründe haben. Wenn ich einen Platz mit einem Zaun, einem Strich, oder sonst irgendwie umziehe, so kann das den Zweck haben, jemand nicht hinaus, oder nicht hinein zu lassen; es kann aber auch zu einem Spiel gehören, und die Grenze soll etwa von den Spielern übersprungen werden; oder es kann andeuten, wo der Besitz eines Menschen aufhört und der des ändern anfängt; etc. Ziehe ich also eine Grenze, so ist damit noch nicht gesagt, weshalb ich sie ziehe. | {{ParPU|499}} Zu sagen »Diese Wortverbindung hat keinen Sinn« schließt sie aus dem Bereich der Sprache aus und umgrenzt dadurch das Gebiet der Sprache. Wenn man aber eine Grenze zieht, so kann das verschiedenerlei Gründe haben. Wenn ich einen Platz mit einem Zaun, einem Strich, oder sonst irgendwie umziehe, so kann das den Zweck haben, jemand nicht hinaus, oder nicht hinein zu lassen; es kann aber auch zu einem Spiel gehören, und die Grenze soll etwa von den Spielern übersprungen werden; oder es kann andeuten, wo der Besitz eines Menschen aufhört und der des ändern anfängt; etc. Ziehe ich also eine Grenze, so ist damit noch nicht gesagt, weshalb ich sie ziehe. | ||
{{ParPU|500}} Wenn gesagt wird, ein Satz sei sinnlos, so ist nicht, quasi, sein Sinn sinnlos. Sondern eine Wortverbindung wird aus der Sprache ausgeschlossen, aus dem Verkehr gezogen. | {{ParPU|500}} Wenn gesagt wird, ein Satz sei sinnlos, so ist nicht, quasi, sein Sinn sinnlos. Sondern eine Wortverbindung wird aus der Sprache ausgeschlossen, aus dem Verkehr gezogen. | ||
{{ParPU|501}} »Der Zweck der Sprache ist, Gedanken auszudrücken.« – So ist es wohl der Zweck jedes Satzes, einen Gedanken auszudrücken. Welchen Gedanken drückt also z.B. der Satz »Es regnet« aus? – | {{ParPU|501}} »Der Zweck der Sprache ist, Gedanken auszudrücken.« – So ist es wohl der Zweck jedes Satzes, einen Gedanken auszudrücken. Welchen Gedanken drückt also z.B. der Satz »Es regnet« aus? – | ||
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»Diese Wortreihe ist ein Satz.« – »Welcher?« | »Diese Wortreihe ist ein Satz.« – »Welcher?« | ||
{{ParPU|503}} Wenn ich jemandem einen Befehl gebe, so ist es mir ''ganz genug'', ihm Zeichen zu geben. Und ich würde nie sagen: Das sind ja nur Worte, und ich muß hinter die Worte dringen. Ebenso, wenn ich jemand etwas gefragt hätte, und er gibt mir eine Antwort (also ein Zeichen), bin ich zufrieden – das war es, was ich erwartete – und wende nicht ein: Das ist ja eine bloße Antwort. | {{ParPU|503}} Wenn ich jemandem einen Befehl gebe, so ist es mir ''ganz genug'', ihm Zeichen zu geben. Und ich würde nie sagen: Das sind ja nur Worte, und ich muß hinter die Worte dringen. Ebenso, wenn ich jemand etwas gefragt hätte, und er gibt mir eine Antwort (also ein Zeichen), bin ich zufrieden – das war es, was ich erwartete – und wende nicht ein: Das ist ja eine bloße Antwort. | ||
{{ParPU|504}} Wenn man aber sagt: »Wie soll ich wissen, was er meint, ich sehe ja nur seine Zeichen«, so sage ich: »Wie soll ''er'' wissen, was er meint, er hat ja auch nur seine Zeichen.« | {{ParPU|504}} Wenn man aber sagt: »Wie soll ich wissen, was er meint, ich sehe ja nur seine Zeichen«, so sage ich: »Wie soll ''er'' wissen, was er meint, er hat ja auch nur seine Zeichen.« | ||
{{ParPU|505}} Muß ich einen Befehl verstehen, ehe ich nach ihm handeln kann? – Gewiß! sonst wüßtest du ja nicht, was du zu tun hast. – Aber vom ''Wissen'' zum Tun ist ja wieder ein Sprung! – | {{ParPU|505}} Muß ich einen Befehl verstehen, ehe ich nach ihm handeln kann? – Gewiß! sonst wüßtest du ja nicht, was du zu tun hast. – Aber vom ''Wissen'' zum Tun ist ja wieder ein Sprung! – | ||
{{ParPU|506}} Der Zerstreute, der auf den Befehl »Rechts um!« sich nach links dreht, und nun, an die Stirn greifend, sagt »Ach so – rechts um« und rechts um macht. – Was ist ihm eingefallen? Eine Deutung? | {{ParPU|506}} Der Zerstreute, der auf den Befehl »Rechts um!« sich nach links dreht, und nun, an die Stirn greifend, sagt »Ach so – rechts um« und rechts um macht. – Was ist ihm eingefallen? Eine Deutung? | ||
{{ParPU|507}} »Ich sage das nicht nur, ich meine auch etwas damit.« – Wenn man sich überlegt, was dabei in uns vorgeht, wenn wir Worte ''meinen'' (und nicht nur sagen), so ist es uns, als wäre dann etwas mit diesen Worten gekuppelt, während sie sonst leerliefen. – Als ob sie gleichsam in uns eingriffen. | {{ParPU|507}} »Ich sage das nicht nur, ich meine auch etwas damit.« – Wenn man sich überlegt, was dabei in uns vorgeht, wenn wir Worte ''meinen'' (und nicht nur sagen), so ist es uns, als wäre dann etwas mit diesen Worten gekuppelt, während sie sonst leerliefen. – Als ob sie gleichsam in uns eingriffen. | ||
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(Ich bin nicht gewöhnt, Temperaturen in Fahrenheit-Graden zu messen. Darum ›''sagt''‹ mir eine solche Temperaturangabe nichts.) | (Ich bin nicht gewöhnt, Temperaturen in Fahrenheit-Graden zu messen. Darum ›''sagt''‹ mir eine solche Temperaturangabe nichts.) | ||
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Welches soll das Kriterium dafür sein, daß ich ''dies'' Erlebnis hatte? | Welches soll das Kriterium dafür sein, daß ich ''dies'' Erlebnis hatte? | ||
{{ParPU|510}} Mach diesen Versuch: ''Sag'' »Hier ist es kalt« und ''meine'' »Hier ist es warm«. Kannst du es? – Und was tust du dabei? Und gibt es nur eine Art, das zu tun? | {{ParPU|510}} Mach diesen Versuch: ''Sag'' »Hier ist es kalt« und ''meine'' »Hier ist es warm«. Kannst du es? – Und was tust du dabei? Und gibt es nur eine Art, das zu tun? | ||
{{ParPU|511}} Was heißt es denn: »entdecken, daß eine Aussage keinen Sinn hat«? – Und was heißt das: »Wenn ich etwas damit meine, muß es doch Sinn haben«? – Wenn ich etwas damit meine? – Wenn ich ''was'' damit meine?! – Man will sagen: der sinnvolle Satz ist der, den man nicht nur sagen, sondern den man auch denken kann. | {{ParPU|511}} Was heißt es denn: »entdecken, daß eine Aussage keinen Sinn hat«? – Und was heißt das: »Wenn ich etwas damit meine, muß es doch Sinn haben«? – Wenn ich etwas damit meine? – Wenn ich ''was'' damit meine?! – Man will sagen: der sinnvolle Satz ist der, den man nicht nur sagen, sondern den man auch denken kann. | ||
{{ParPU|512}} Es scheint, als könnte man sagen: »Die Wortsprache läßt unsinnige Wortzusammenstellungen zu, die Sprache der Vorstellung aber nicht unsinnige Vorstellungen.« – Also die Sprache der Zeichnung auch nicht unsinnige Zeichnungen? Denke, es wären Zeichnungen, nach denen Körper modelliert werden sollen. Dann haben manche Zeichnungen Sinn, manche keinen. – Wie, wenn ich mir unsinnige Wortzusammenstellungen vorstelle? | {{ParPU|512}} Es scheint, als könnte man sagen: »Die Wortsprache läßt unsinnige Wortzusammenstellungen zu, die Sprache der Vorstellung aber nicht unsinnige Vorstellungen.« – Also die Sprache der Zeichnung auch nicht unsinnige Zeichnungen? Denke, es wären Zeichnungen, nach denen Körper modelliert werden sollen. Dann haben manche Zeichnungen Sinn, manche keinen. – Wie, wenn ich mir unsinnige Wortzusammenstellungen vorstelle? | ||
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(Dies wirft ein Licht auf den Begriff ›Verstehen‹ und ›Meinen‹.) | (Dies wirft ein Licht auf den Begriff ›Verstehen‹ und ›Meinen‹.) | ||
{{ParPU|514}} Ein Philosoph sagt: er verstehe den Satz »Ich bin hier«, meine etwas mit ihm, denke etwas, – auch wenn er sich gar nicht darauf besinnt, wie, bei welcher Gelegenheit, dieser Satz verwendet wird. Und wenn ich sage »Die Rose ist auch im Finstern rot«, so siehst du diese Röte im Finstern förmlich vor dir. | {{ParPU|514}} Ein Philosoph sagt: er verstehe den Satz »Ich bin hier«, meine etwas mit ihm, denke etwas, – auch wenn er sich gar nicht darauf besinnt, wie, bei welcher Gelegenheit, dieser Satz verwendet wird. Und wenn ich sage »Die Rose ist auch im Finstern rot«, so siehst du diese Röte im Finstern förmlich vor dir. | ||
{{ParPU|515}} Zwei Bilder der Rose im Finstern. Das eine ist ganz schwarz; denn die Rose ist unsichtbar. Im andern ist sie in allen Einzelheiten gemalt und von Schwärze umgeben. Ist eines von ihnen richtig, das andere falsch? Reden wir nicht von einer weißen Rose im Finstern und von einer roten Rose im Finstern? Und sagen wir nicht doch, sie ließen sich im Finstern nicht unterscheiden? | {{ParPU|515}} Zwei Bilder der Rose im Finstern. Das eine ist ganz schwarz; denn die Rose ist unsichtbar. Im andern ist sie in allen Einzelheiten gemalt und von Schwärze umgeben. Ist eines von ihnen richtig, das andere falsch? Reden wir nicht von einer weißen Rose im Finstern und von einer roten Rose im Finstern? Und sagen wir nicht doch, sie ließen sich im Finstern nicht unterscheiden? | ||
{{ParPU|516}} Es scheint klar: wir verstehen, was die Frage bedeutet »Kommt die Ziffernfolge 7777 in der Entwicklung von π vor?« Es ist ein deutscher Satz; man kann zeigen, was es heißt, 415 komme in der Entwicklung von π vor; und ähnliches. Nun, soweit solche Erklärungen reichen, soweit, kann man sagen, versteht man jene Frage. | {{ParPU|516}} Es scheint klar: wir verstehen, was die Frage bedeutet »Kommt die Ziffernfolge 7777 in der Entwicklung von π vor?« Es ist ein deutscher Satz; man kann zeigen, was es heißt, 415 komme in der Entwicklung von π vor; und ähnliches. Nun, soweit solche Erklärungen reichen, soweit, kann man sagen, versteht man jene Frage. | ||
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Denn mancher mathematische Beweis führt uns eben dazu, zu sagen, daß wir uns ''nicht'' vorstellen können, was wir glaubten, uns vorstellen zu können. (Z.B. die Konstruktion des Siebenecks.) Er führt uns dazu, zu revidieren, was uns als der Bereich des Vorstellbaren galt. | Denn mancher mathematische Beweis führt uns eben dazu, zu sagen, daß wir uns ''nicht'' vorstellen können, was wir glaubten, uns vorstellen zu können. (Z.B. die Konstruktion des Siebenecks.) Er führt uns dazu, zu revidieren, was uns als der Bereich des Vorstellbaren galt. | ||
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Und wer malt, sollte nicht etwas malen – und wer etwas malt, nichts Wirkliches? – Ja, was ist das Objekt des Malens: das Menschenbild (z.B.) oder der Mensch, den das Bild darstellt? | Und wer malt, sollte nicht etwas malen – und wer etwas malt, nichts Wirkliches? – Ja, was ist das Objekt des Malens: das Menschenbild (z.B.) oder der Mensch, den das Bild darstellt? | ||
{{ParPU|519}} Man will sagen: ein Befehl sei ein Bild der Handlung, die nach ihm ausgeführt wurde? aber auch ein Bild der Handlung, die nach ihm ausgeführt werden ''soll''. | {{ParPU|519}} Man will sagen: ein Befehl sei ein Bild der Handlung, die nach ihm ausgeführt wurde? aber auch ein Bild der Handlung, die nach ihm ausgeführt werden ''soll''. | ||
{{ParPU|520}} »Wenn man auch den Satz als Bild eines möglichen Sachverhalts auffaßt und sagt, er zeige die Möglichkeit des Sachverhalts, so kann doch der Satz bestenfalls tun, was ein gemaltes, oder plastisches Bild, oder ein Film, tut; und er kann also jeden falls nicht hinstellen, was nicht der Fall ist. Also hängt es ganz von unserer Grammatik ab, was (logisch) möglich genannt wird, und was nicht, – nämlich eben was sie zuläßt?« – Aber das ist doch willkürlich! – Ist es willkürlich? – Nicht mit jeder satzartigen Bildung wissen wir etwas anzufangen, nicht jede Technik hat eine Verwendung in unserm Leben, und wenn wir in der Philosophie versucht sind, etwas ganz Unnützes unter die Sätze zu zählen, so geschieht es oft, weil wir uns seine Anwendung nicht genügend überlegt haben. | {{ParPU|520}} »Wenn man auch den Satz als Bild eines möglichen Sachverhalts auffaßt und sagt, er zeige die Möglichkeit des Sachverhalts, so kann doch der Satz bestenfalls tun, was ein gemaltes, oder plastisches Bild, oder ein Film, tut; und er kann also jeden falls nicht hinstellen, was nicht der Fall ist. Also hängt es ganz von unserer Grammatik ab, was (logisch) möglich genannt wird, und was nicht, – nämlich eben was sie zuläßt?« – Aber das ist doch willkürlich! – Ist es willkürlich? – Nicht mit jeder satzartigen Bildung wissen wir etwas anzufangen, nicht jede Technik hat eine Verwendung in unserm Leben, und wenn wir in der Philosophie versucht sind, etwas ganz Unnützes unter die Sätze zu zählen, so geschieht es oft, weil wir uns seine Anwendung nicht genügend überlegt haben. | ||
{{ParPU|521}} Vergleiche ›logisch möglich‹ mit ›chemisch mögliche‹. Chemisch möglich könnte man etwa eine Verbindung nennen, für die es eine Strukturformel mit den richtigen Valenzen gibt (etwa H-O-O-O-H). Eine solche Verbindung muß natürlich nicht existieren; aber auch einer Formel HO<sub>2</sub> kann nicht weniger in der Wirklichkeit entsprechen, als keine Verbindung. | {{ParPU|521}} Vergleiche ›logisch möglich‹ mit ›chemisch mögliche‹. Chemisch möglich könnte man etwa eine Verbindung nennen, für die es eine Strukturformel mit den richtigen Valenzen gibt (etwa H-O-O-O-H). Eine solche Verbindung muß natürlich nicht existieren; aber auch einer Formel HO<sub>2</sub> kann nicht weniger in der Wirklichkeit entsprechen, als keine Verbindung. | ||
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Wenn ich ein Genrebild anschaue, so ›sagt‹ es mir etwas, auch wenn ich keinen Augenblick glaube (mir einbilde), die Menschen, die ich darin sehe, seien wirklich, oder es habe wirkliche Menschen in dieser Situation gegeben. Denn wie, wenn ich fragte: »''Was'' sagt es mir denn?« | Wenn ich ein Genrebild anschaue, so ›sagt‹ es mir etwas, auch wenn ich keinen Augenblick glaube (mir einbilde), die Menschen, die ich darin sehe, seien wirklich, oder es habe wirkliche Menschen in dieser Situation gegeben. Denn wie, wenn ich fragte: »''Was'' sagt es mir denn?« | ||
{{ParPU|523}} »Das Bild sagt mir sich selbst« – möchte ich sagen. D.h., daß es mir etwas sagt, besteht in seiner eigenen Struktur, in ''seinen'' Formen und Farben. (Was hieße es, wenn man sagte »Das musikalische Thema sagt mir sich selbst«?) | {{ParPU|523}} »Das Bild sagt mir sich selbst« – möchte ich sagen. D.h., daß es mir etwas sagt, besteht in seiner eigenen Struktur, in ''seinen'' Formen und Farben. (Was hieße es, wenn man sagte »Das musikalische Thema sagt mir sich selbst«?) | ||
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((Übergang von einem offenkundigen zu einem nichtoffenkundigen Unsinn.)) | ((Übergang von einem offenkundigen zu einem nichtoffenkundigen Unsinn.)) | ||
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(Eine Menge wohlbekannter Pfade führen von diesen Worten aus in alle Richtungen.) | (Eine Menge wohlbekannter Pfade führen von diesen Worten aus in alle Richtungen.) | ||
{{ParPU|526}} Was heißt es, ein Bild, eine Zeichnung zu verstehen? Auch da gibt es Verstehen und Nichtverstehen. Und auch da können diese Ausdrücke verschiedenerlei bedeuten. Das Bild ist etwa ein Stilleben; einen Teil davon aber verstehe ich nicht: ich bin nicht fähig, dort Körper zu sehen, sondern sehe nur Farbflecke auf der Leinwand. – Oder ich sehe alles körperlich, aber es sind Gegenstände, die ich nicht kenne (sie schauen aus wie Geräte, aber ich kenne ihren Gebrauch nicht). – Vielleicht aber kenne ich die Gegenstände, verstehe aber, in anderem Sinne – ihre Anordnung nicht. | {{ParPU|526}} Was heißt es, ein Bild, eine Zeichnung zu verstehen? Auch da gibt es Verstehen und Nichtverstehen. Und auch da können diese Ausdrücke verschiedenerlei bedeuten. Das Bild ist etwa ein Stilleben; einen Teil davon aber verstehe ich nicht: ich bin nicht fähig, dort Körper zu sehen, sondern sehe nur Farbflecke auf der Leinwand. – Oder ich sehe alles körperlich, aber es sind Gegenstände, die ich nicht kenne (sie schauen aus wie Geräte, aber ich kenne ihren Gebrauch nicht). – Vielleicht aber kenne ich die Gegenstände, verstehe aber, in anderem Sinne – ihre Anordnung nicht. | ||
{{ParPU|527}} Das Verstehen eines Satzes der Sprache ist dem Verstehen eines Themas in der Musik viel verwandter, als man etwa glaubt. Ich meine es aber so: daß das Verstehen des sprachlichen Satzes näher, als man denkt, dem liegt, was man gewöhnlich Verstehen des musikalischen Themas nennt. Warum sollen sich Stärke und Tempo gerade in ''dieser'' Linie bewegen? Man möchte sagen: »Weil ich weiß, was das alles heißt.« Aber was heißt es? Ich wüßte es nicht zu sagen. Zur ›Erklärung‹ könnte ich es mit etwas anderem vergleichen, was denselben Rhythmus (ich meine, dieselbe Linie) hat. (Man sagt: »Siehst du nicht, das ist, als würde eine Schlußfolgerung gezogen« oder: »Das ist gleichsam eine Parenthese«, etc. Wie begründet man solche Vergleiche? – Da gibt es verschiedenartige Begründungen.) | {{ParPU|527}} Das Verstehen eines Satzes der Sprache ist dem Verstehen eines Themas in der Musik viel verwandter, als man etwa glaubt. Ich meine es aber so: daß das Verstehen des sprachlichen Satzes näher, als man denkt, dem liegt, was man gewöhnlich Verstehen des musikalischen Themas nennt. Warum sollen sich Stärke und Tempo gerade in ''dieser'' Linie bewegen? Man möchte sagen: »Weil ich weiß, was das alles heißt.« Aber was heißt es? Ich wüßte es nicht zu sagen. Zur ›Erklärung‹ könnte ich es mit etwas anderem vergleichen, was denselben Rhythmus (ich meine, dieselbe Linie) hat. (Man sagt: »Siehst du nicht, das ist, als würde eine Schlußfolgerung gezogen« oder: »Das ist gleichsam eine Parenthese«, etc. Wie begründet man solche Vergleiche? – Da gibt es verschiedenartige Begründungen.) | ||
{{ParPU|528}} Man könnte sich Menschen denken, die etwas einer Sprache nicht ganz Unähnliches besäßen: Lautgebärden, ohne Wortschatz oder Grammatik. (›Mit Zungen reden.‹) | {{ParPU|528}} Man könnte sich Menschen denken, die etwas einer Sprache nicht ganz Unähnliches besäßen: Lautgebärden, ohne Wortschatz oder Grammatik. (›Mit Zungen reden.‹) | ||
{{ParPU|529}} »Was wäre aber hier die Bedeutung der Laute?« – Was ist sie in der Musik? Wenn ich auch gar nicht sagen will, daß diese Sprache der klanglichen Gebärden mit Musik verglichen werden müßte. | {{ParPU|529}} »Was wäre aber hier die Bedeutung der Laute?« – Was ist sie in der Musik? Wenn ich auch gar nicht sagen will, daß diese Sprache der klanglichen Gebärden mit Musik verglichen werden müßte. | ||
{{ParPU|530}} Es könnte auch eine Sprache geben, in deren Verwendung die ›Seele‹ der Worte keine Rolle spielt. In der uns z.B. nichts daran liegt, ein Wort durch ein beliebig erfundenes neues zu ersetzen. | {{ParPU|530}} Es könnte auch eine Sprache geben, in deren Verwendung die ›Seele‹ der Worte keine Rolle spielt. In der uns z.B. nichts daran liegt, ein Wort durch ein beliebig erfundenes neues zu ersetzen. | ||
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Im einen Fall ist der Gedanke des Satzes, was verschiedenen Sätzen gemeinsam ist; im andern, etwas, was nur diese Worte, in diesen Stellungen, ausdrücken. (Verstehen eines Gedichts.) | Im einen Fall ist der Gedanke des Satzes, was verschiedenen Sätzen gemeinsam ist; im andern, etwas, was nur diese Worte, in diesen Stellungen, ausdrücken. (Verstehen eines Gedichts.) | ||
Line 3,105: | Line 2,597: | ||
Denn ich ''will'' »verstehen« auf alles das anwenden. | Denn ich ''will'' »verstehen« auf alles das anwenden. | ||
{{ParPU|533}} Wie kann man aber in jenem zweiten Falle den Ausdruck erklären, das Verständnis übermitteln? Frage dich: Wie ''führt'' man jemand zum Verständnis eines Gedichts, oder eines Themas? Die Antwort darauf sagt, wie man hier den Sinn erklärt. | {{ParPU|533}} Wie kann man aber in jenem zweiten Falle den Ausdruck erklären, das Verständnis übermitteln? Frage dich: Wie ''führt'' man jemand zum Verständnis eines Gedichts, oder eines Themas? Die Antwort darauf sagt, wie man hier den Sinn erklärt. | ||
Line 3,117: | Line 2,607: | ||
((Eine Menge wohlbekannter Pfade führen von diesen Worten aus in alle Richtungen.)) | ((Eine Menge wohlbekannter Pfade führen von diesen Worten aus in alle Richtungen.)) | ||
{{ParPU|535}} Was geschieht, wenn wir lernen, den Schluß einer Kirchentonart als Schluß zu ''empfinden''? | {{ParPU|535}} Was geschieht, wenn wir lernen, den Schluß einer Kirchentonart als Schluß zu ''empfinden''? | ||
{{ParPU|536}} Ich sage: »Dieses Gesicht (das den Eindruck der Furchtsamkeit macht) kann ich mir auch als ein mutiges denken.« Damit meinen wir nicht, daß ich mir vorstellen kann, wie jemand mit diesem Gesicht etwa einem Ändern das Leben retten kann (das kann man sich natürlich zu jedem Gesicht vorstellen). Ich rede vielmehr von einem Aspekt des Gesichtes selbst. Was ich meine, ist auch nicht, ich könnte mir vorstellen, daß dieser Mensch sein Gesicht in ein mutiges, im gewöhnlichen Sinn, verändern kann; wohl aber, daß es auf ganz bestimmtem Wege in ein solches übergehen kann. Die Umdeutung eines Gesichtsausdrucks ist zu vergleichen der Umdeutung eines Akkords in der Musik, wenn wir ihn einmal als Überleitung in diese, einmal in jene Tonart empfinden. | {{ParPU|536}} Ich sage: »Dieses Gesicht (das den Eindruck der Furchtsamkeit macht) kann ich mir auch als ein mutiges denken.« Damit meinen wir nicht, daß ich mir vorstellen kann, wie jemand mit diesem Gesicht etwa einem Ändern das Leben retten kann (das kann man sich natürlich zu jedem Gesicht vorstellen). Ich rede vielmehr von einem Aspekt des Gesichtes selbst. Was ich meine, ist auch nicht, ich könnte mir vorstellen, daß dieser Mensch sein Gesicht in ein mutiges, im gewöhnlichen Sinn, verändern kann; wohl aber, daß es auf ganz bestimmtem Wege in ein solches übergehen kann. Die Umdeutung eines Gesichtsausdrucks ist zu vergleichen der Umdeutung eines Akkords in der Musik, wenn wir ihn einmal als Überleitung in diese, einmal in jene Tonart empfinden. | ||
{{ParPU|537}} Man kann sagen »Ich lese die Furchtsamkeit in diesem Gesicht«, aber jedenfalls scheint mit dem Gesicht Furchtsamkeit nicht bloß assoziiert, äußerlich verbunden; sondern die Furcht lebt in den Gesichtszügen. Wenn sich die Züge ein wenig ändern, so können wir von einer entsprechenden Änderung der Furcht reden. Würden wir gefragt: »Kannst du dir dieses Gesicht auch als Ausdruck des Mutes denken?« – so wüßten wir, gleichsam, nicht, wie wir den Mut in diesen Zügen unterbringen sollten. Ich sage dann etwa: »Ich weiß nicht, was das hieße, wenn dieses Gesicht ein mutiges Gesicht ist«. Aber wie sieht die Lösung so einer Frage aus? Man sagt etwa: »Ja, jetzt versteh ich es: das Gesicht ist sozusagen gleichgültig gegen die Außenwelt.« Wir haben also Mut hineingedeutet. Der Mut, könnte man sagen, ''paßt'' jetzt wieder auf das Gesicht. Aber ''was'' paßt hier ''worauf''? | {{ParPU|537}} Man kann sagen »Ich lese die Furchtsamkeit in diesem Gesicht«, aber jedenfalls scheint mit dem Gesicht Furchtsamkeit nicht bloß assoziiert, äußerlich verbunden; sondern die Furcht lebt in den Gesichtszügen. Wenn sich die Züge ein wenig ändern, so können wir von einer entsprechenden Änderung der Furcht reden. Würden wir gefragt: »Kannst du dir dieses Gesicht auch als Ausdruck des Mutes denken?« – so wüßten wir, gleichsam, nicht, wie wir den Mut in diesen Zügen unterbringen sollten. Ich sage dann etwa: »Ich weiß nicht, was das hieße, wenn dieses Gesicht ein mutiges Gesicht ist«. Aber wie sieht die Lösung so einer Frage aus? Man sagt etwa: »Ja, jetzt versteh ich es: das Gesicht ist sozusagen gleichgültig gegen die Außenwelt.« Wir haben also Mut hineingedeutet. Der Mut, könnte man sagen, ''paßt'' jetzt wieder auf das Gesicht. Aber ''was'' paßt hier ''worauf''? | ||
{{ParPU|538}} Es ist ein verwandter Fall (obwohl es vielleicht nicht so scheinen möchte), wenn wir uns z.B. darüber wundern, daß im Französischen das prädikative Adjektiv mit dem Substantiv im Geschlecht übereinstimmt, und wenn wir uns dies so erklären: Sie meinen »der Mensch ist ''ein guter''«. | {{ParPU|538}} Es ist ein verwandter Fall (obwohl es vielleicht nicht so scheinen möchte), wenn wir uns z.B. darüber wundern, daß im Französischen das prädikative Adjektiv mit dem Substantiv im Geschlecht übereinstimmt, und wenn wir uns dies so erklären: Sie meinen »der Mensch ist ''ein guter''«. | ||
Line 3,141: | Line 2,626: | ||
((Wahrscheinlichkeit, Häufigkeit.)) | ((Wahrscheinlichkeit, Häufigkeit.)) | ||
Line 3,147: | Line 2,631: | ||
Nimm an, jemand rufe, auf den Himmel weisend, eine Reihe unverständlicher Worte aus. Da wir ihn fragen, was er meint, sagt er, das heiße »Gottlob, es wird bald aufhören zu regnen.« Ja, er erklärt uns auch, was die einzelnen Wörter bedeuten. – Ich nehme an, er käme gleichsam plötzlich zu sich und sagte: jener Satz sei völliger Unsinn gewesen, sei ihm aber, als er ihn aussprach, als Satz einer ihm geläufigen Sprache erschienen. (Ja sogar wie ein wohlbekanntes Zitat.) – Was soll ich nun sagen? Hat er diesen Satz nicht verstanden, als er ihn sagte? Trug der Satz nicht seine ganze Bedeutung in sich? | Nimm an, jemand rufe, auf den Himmel weisend, eine Reihe unverständlicher Worte aus. Da wir ihn fragen, was er meint, sagt er, das heiße »Gottlob, es wird bald aufhören zu regnen.« Ja, er erklärt uns auch, was die einzelnen Wörter bedeuten. – Ich nehme an, er käme gleichsam plötzlich zu sich und sagte: jener Satz sei völliger Unsinn gewesen, sei ihm aber, als er ihn aussprach, als Satz einer ihm geläufigen Sprache erschienen. (Ja sogar wie ein wohlbekanntes Zitat.) – Was soll ich nun sagen? Hat er diesen Satz nicht verstanden, als er ihn sagte? Trug der Satz nicht seine ganze Bedeutung in sich? | ||
{{ParPU|541}} Aber worin lag jenes Verstehen und die Bedeutung? Er sprach die Lautreihen etwa in erfreutem Tone, indem er auf den Himmel zeigte, während es noch regnete, aber schon lichter wurde; ''später'' machte er eine Verbindung seiner Worte mit den deutschen Worten. | {{ParPU|541}} Aber worin lag jenes Verstehen und die Bedeutung? Er sprach die Lautreihen etwa in erfreutem Tone, indem er auf den Himmel zeigte, während es noch regnete, aber schon lichter wurde; ''später'' machte er eine Verbindung seiner Worte mit den deutschen Worten. | ||
{{ParPU|542}} »Aber seine Worte fühlten sich für ihn eben wie die Worte einer ihm wohlbekannten Sprache an.« – Ja; ein Kriterium dafür ist, daß er ''dies'' später sagte. Und nun sag ''ja'' nicht: »Die Wörter einer uns geläufigen Sprache fühlen sich eben in ganz bestimmter Weise an.« (Was ist der ''Ausdruck'' dieses Gefühls?) | {{ParPU|542}} »Aber seine Worte fühlten sich für ihn eben wie die Worte einer ihm wohlbekannten Sprache an.« – Ja; ein Kriterium dafür ist, daß er ''dies'' später sagte. Und nun sag ''ja'' nicht: »Die Wörter einer uns geläufigen Sprache fühlen sich eben in ganz bestimmter Weise an.« (Was ist der ''Ausdruck'' dieses Gefühls?) | ||
Line 3,161: | Line 2,642: | ||
Und das heißt ungefähr: Es ließe sich viel aus ihnen ablesen. | Und das heißt ungefähr: Es ließe sich viel aus ihnen ablesen. | ||
Line 3,167: | Line 2,647: | ||
Man könnte hier aber auch sagen: das Gefühl gebe den Worten ''Wahrheit''. Und da siehst du, wie hier die Begriffe ineinander fließen. (Dies erinnert an die Frage: Was ist der ''Sinn'' eines mathematischen Satzes?) | Man könnte hier aber auch sagen: das Gefühl gebe den Worten ''Wahrheit''. Und da siehst du, wie hier die Begriffe ineinander fließen. (Dies erinnert an die Frage: Was ist der ''Sinn'' eines mathematischen Satzes?) | ||
Line 3,173: | Line 2,652: | ||
Ist die Hoffnung ein Gefühl? (Kennzeichen.) | Ist die Hoffnung ein Gefühl? (Kennzeichen.) | ||
{{ParPU|546}} So, möchte ich sagen, sind die Worte »Möchte er doch kommen!« mit meinem Wunsche geladen. Und Worte können sich uns entringen, – wie ein Schrei. Worte können ''schwer'' auszusprechen sein: solche z.B., mit denen man auf etwas Verzicht leistet, oder eine Schwäche eingesteht. (Worte sind auch Taten.) | {{ParPU|546}} So, möchte ich sagen, sind die Worte »Möchte er doch kommen!« mit meinem Wunsche geladen. Und Worte können sich uns entringen, – wie ein Schrei. Worte können ''schwer'' auszusprechen sein: solche z.B., mit denen man auf etwas Verzicht leistet, oder eine Schwäche eingesteht. (Worte sind auch Taten.) | ||
{{ParPU|547}} Verneinen: eine ›geistige Tätigkeit‹. Verneine etwas, und beobachte, was du tust! – Schüttelst du etwa innerlich den Kopf? Und wenn es so ist – ist dieser Vorgang nun unseres Interesses würdiger als der etwa, ein Verneinungszeichen in einen Satz zu schreiben? Kennst du jetzt das ''Wesen'' der Negation? | {{ParPU|547}} Verneinen: eine ›geistige Tätigkeit‹. Verneine etwas, und beobachte, was du tust! – Schüttelst du etwa innerlich den Kopf? Und wenn es so ist – ist dieser Vorgang nun unseres Interesses würdiger als der etwa, ein Verneinungszeichen in einen Satz zu schreiben? Kennst du jetzt das ''Wesen'' der Negation? | ||
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Will man es bildlich darstellen, so wird man mit dem Bild des Ereignisses verschiedenes vornehmen: es durchstreichen, es abzäunen, und dergleichen. Aber das, kommt uns vor, ist eine ''rohe'' Methode des Ausdrucks. In der Wortsprache gar verwenden wir das Zeichen »nicht«. Dies ist wie ein ungeschickter Behelf. Man meint: Im ''Denken'' geschieht es schon anders. | Will man es bildlich darstellen, so wird man mit dem Bild des Ereignisses verschiedenes vornehmen: es durchstreichen, es abzäunen, und dergleichen. Aber das, kommt uns vor, ist eine ''rohe'' Methode des Ausdrucks. In der Wortsprache gar verwenden wir das Zeichen »nicht«. Dies ist wie ein ungeschickter Behelf. Man meint: Im ''Denken'' geschieht es schon anders. | ||
{{ParPU|549}} »Wie kann das Wort ›nicht‹ verneinen?!« – »Das Zeichen ›nicht‹ deutet an, du sollst, was folgt, negativ auffassen.« Man möchte sagen: Das Zeichen der Verneinung ist eine Veranlassung, etwas – möglicherweise sehr Kompliziertes – zu tun. Es ist, als veranlaßte uns das Zeichen der Negation zu etwas. Aber wozu? Das wird nicht gesagt. Es ist, als brauchte es nur angedeutet werden; als wüßten wir es schon. Als sei eine Erklärung unnötig, da wir die Sache ohnehin schon kennen. | {{ParPU|549}} »Wie kann das Wort ›nicht‹ verneinen?!« – »Das Zeichen ›nicht‹ deutet an, du sollst, was folgt, negativ auffassen.« Man möchte sagen: Das Zeichen der Verneinung ist eine Veranlassung, etwas – möglicherweise sehr Kompliziertes – zu tun. Es ist, als veranlaßte uns das Zeichen der Negation zu etwas. Aber wozu? Das wird nicht gesagt. Es ist, als brauchte es nur angedeutet werden; als wüßten wir es schon. Als sei eine Erklärung unnötig, da wir die Sache ohnehin schon kennen. | ||
{{ParPU|550}} Die Negation, könnte man sagen, ist eine ausschließende, abweisende, Gebärde. Aber eine solche Gebärde verwenden wir in sehr verschiedenen Fällen! | {{ParPU|550}} Die Negation, könnte man sagen, ist eine ausschließende, abweisende, Gebärde. Aber eine solche Gebärde verwenden wir in sehr verschiedenen Fällen! | ||
{{ParPU|551}} »Ist es die ''gleiche'' Verneinung: ›Eisen schmilzt nicht bei 100 Grad C‹ und ›2 mal 2 ist nicht 5‹?« Soll das durch Introspektion entschieden werden; dadurch, daß wir zu sehen trachten, was wir bei beiden Sätzen ''denken?'' | {{ParPU|551}} »Ist es die ''gleiche'' Verneinung: ›Eisen schmilzt nicht bei 100 Grad C‹ und ›2 mal 2 ist nicht 5‹?« Soll das durch Introspektion entschieden werden; dadurch, daß wir zu sehen trachten, was wir bei beiden Sätzen ''denken?'' | ||
{{ParPU|552}} Wie, wenn ich fragte: Zeigt es sich uns klar, während wir die Sätze aussprechen »Dieser Stab ist 1 m lang« und »Hier steht 1 Soldat«, daß wir mit »1« Verschiedenes meinen, daß »1« verschiedene Bedeutungen hat? – Es zeigt sich uns gar nicht. – Sag etwa einen Satz wie »Auf je 1 m steht ein Soldat, auf je 2 m also 2 Soldaten«. Gefragt »Meinst du dasselbe mit den beiden Einsern?«, würde man etwa antworten: »Freilich meine ich dasselbe: ''eins''!« (Dabei hebt man etwa einen Finger in die Höhe.) | {{ParPU|552}} Wie, wenn ich fragte: Zeigt es sich uns klar, während wir die Sätze aussprechen »Dieser Stab ist 1 m lang« und »Hier steht 1 Soldat«, daß wir mit »1« Verschiedenes meinen, daß »1« verschiedene Bedeutungen hat? – Es zeigt sich uns gar nicht. – Sag etwa einen Satz wie »Auf je 1 m steht ein Soldat, auf je 2 m also 2 Soldaten«. Gefragt »Meinst du dasselbe mit den beiden Einsern?«, würde man etwa antworten: »Freilich meine ich dasselbe: ''eins''!« (Dabei hebt man etwa einen Finger in die Höhe.) | ||
{{ParPU|553}} Hat nun die »1« verschiedene Bedeutung, wenn sie einmal für die Maßzahl, ein andermal für die Anzahl steht? Wird die Frage ''so'' gestellt, so wird man sie bejahen. | {{ParPU|553}} Hat nun die »1« verschiedene Bedeutung, wenn sie einmal für die Maßzahl, ein andermal für die Anzahl steht? Wird die Frage ''so'' gestellt, so wird man sie bejahen. | ||
{{ParPU|554}} Wir können uns leicht Menschen mit einer ›primitiveren‹ Logik denken, in der es etwas unserer Verneinung entsprechendes nur für bestimmte Sätze gibt; für solche etwa, die noch keine Verneinung enthalten. Man könnte den Satz »Er geht in das Haus« verneinen, eine Verneinung des negativen Satzes aber wäre sinnlos, oder sie gilt nur als Wiederholung der Verneinung. Denk an andere Mittel als an die unseren, eine Verneinung auszudrücken: etwa durch die Tonhöhe des Satzes. Wie sähe hier eine doppelte Verneinung aus? | {{ParPU|554}} Wir können uns leicht Menschen mit einer ›primitiveren‹ Logik denken, in der es etwas unserer Verneinung entsprechendes nur für bestimmte Sätze gibt; für solche etwa, die noch keine Verneinung enthalten. Man könnte den Satz »Er geht in das Haus« verneinen, eine Verneinung des negativen Satzes aber wäre sinnlos, oder sie gilt nur als Wiederholung der Verneinung. Denk an andere Mittel als an die unseren, eine Verneinung auszudrücken: etwa durch die Tonhöhe des Satzes. Wie sähe hier eine doppelte Verneinung aus? | ||
{{ParPU|555}} Die Frage, ob für diese Menschen die Verneinung dieselbe Bedeutung hat wie für uns, wäre analog der, ob die Ziffer »5« für Menschen, deren Zahlenreihe mit 5 endigt, dasselbe bedeutet wie für uns. | {{ParPU|555}} Die Frage, ob für diese Menschen die Verneinung dieselbe Bedeutung hat wie für uns, wäre analog der, ob die Ziffer »5« für Menschen, deren Zahlenreihe mit 5 endigt, dasselbe bedeutet wie für uns. | ||
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{{ParPU|557}} Worin mag das gelegen haben, als ich die doppelte Verneinung aussprach, daß ich sie als verstärkte Verneinung und nicht als Bejahung meinte? Es gibt keine Antwort, die lautet: »Es lag darin, daß ...« Statt zu sagen »Diese Verdoppelung ist als Verstärkung gemeint«, kann ich sie unter gewissen Umständen als Verstärkung ''aussprechen''. Statt zu sagen »Die Verdoppelung der Verneinung ist als ihre Aufhebung gemeint«, kann ich z.B. Klammern setzen. – »Ja, aber diese Klammern selbst können doch verschiedene Rollen spielen; denn wer sagt, daß sie als ''Klammern'' aufzufassen seien?« Niemand sagt es. Und du hast ja deine Auffassung wieder durch Worte erklärt. Was die Klammern bedeuten, liegt in der Technik ihrer Anwendung. Die Frage ist: unter welchen Umständen hat es Sinn zu sagen: »Ich habe .... gemeint«, und welche Umstände berechtigen mich zu sagen »Er hat.... gemeint«? | {{ParPU|557}} Worin mag das gelegen haben, als ich die doppelte Verneinung aussprach, daß ich sie als verstärkte Verneinung und nicht als Bejahung meinte? Es gibt keine Antwort, die lautet: »Es lag darin, daß ...« Statt zu sagen »Diese Verdoppelung ist als Verstärkung gemeint«, kann ich sie unter gewissen Umständen als Verstärkung ''aussprechen''. Statt zu sagen »Die Verdoppelung der Verneinung ist als ihre Aufhebung gemeint«, kann ich z.B. Klammern setzen. – »Ja, aber diese Klammern selbst können doch verschiedene Rollen spielen; denn wer sagt, daß sie als ''Klammern'' aufzufassen seien?« Niemand sagt es. Und du hast ja deine Auffassung wieder durch Worte erklärt. Was die Klammern bedeuten, liegt in der Technik ihrer Anwendung. Die Frage ist: unter welchen Umständen hat es Sinn zu sagen: »Ich habe .... gemeint«, und welche Umstände berechtigen mich zu sagen »Er hat.... gemeint«? | ||
{{ParPU|558}} Was heißt es, daß im Satze »Die Rose ist rot« das »ist« eine andere Bedeutung hat als in »zwei mal zwei ist vier«? Wenn man antwortet, es heiße, daß verschiedene Regeln von diesen beiden Wörtern gelten, so ist zu sagen, daß wir hier nur ''ein'' Wort haben. – Und wenn ich nur auf die grammatischen Regeln achte, so erlauben diese eben die Verwendung des Wortes »ist« in beiderlei Zusammenhängen. – Die Regel aber, welche zeigt, daß das Wort »ist« in diesen Sätzen verschiedene Bedeutung hat, ist die, welche erlaubt, im zweiten Satz das Wort »ist« durch das Gleichheitszeichen zu ersetzen, und die diese Ersetzung im ersten Satz verbietet. | {{ParPU|558}} Was heißt es, daß im Satze »Die Rose ist rot« das »ist« eine andere Bedeutung hat als in »zwei mal zwei ist vier«? Wenn man antwortet, es heiße, daß verschiedene Regeln von diesen beiden Wörtern gelten, so ist zu sagen, daß wir hier nur ''ein'' Wort haben. – Und wenn ich nur auf die grammatischen Regeln achte, so erlauben diese eben die Verwendung des Wortes »ist« in beiderlei Zusammenhängen. – Die Regel aber, welche zeigt, daß das Wort »ist« in diesen Sätzen verschiedene Bedeutung hat, ist die, welche erlaubt, im zweiten Satz das Wort »ist« durch das Gleichheitszeichen zu ersetzen, und die diese Ersetzung im ersten Satz verbietet. | ||
{{ParPU|559}} Man möchte etwa von der Funktion des Wortes in ''diesem'' Satz reden. Als sei der Satz ein Mechanismus, in welchem das Wort eine bestimmte Funktion habe. Aber worin besteht diese Funktion? Wie tritt sie zu Tage? Denn es ist ja nichts verborgen, wir sehen ja den ganzen Satz! Die Funktion muß sich im Laufe des Kalküls zeigen. ((Bedeutungskörper.)) | {{ParPU|559}} Man möchte etwa von der Funktion des Wortes in ''diesem'' Satz reden. Als sei der Satz ein Mechanismus, in welchem das Wort eine bestimmte Funktion habe. Aber worin besteht diese Funktion? Wie tritt sie zu Tage? Denn es ist ja nichts verborgen, wir sehen ja den ganzen Satz! Die Funktion muß sich im Laufe des Kalküls zeigen. ((Bedeutungskörper.)) | ||
{{ParPU|560}} »Die Bedeutung des Wortes ist das, was die Erklärung der Bedeutung erklärt.« D.h.: willst du den Gebrauch des Worts »Bedeutung« verstehen, so sieh nach, was man »Erklärung der Bedeutung« nennt. | {{ParPU|560}} »Die Bedeutung des Wortes ist das, was die Erklärung der Bedeutung erklärt.« D.h.: willst du den Gebrauch des Worts »Bedeutung« verstehen, so sieh nach, was man »Erklärung der Bedeutung« nennt. | ||
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Man möchte sagen, diese beiden Arten des Gebrauchs geben nicht ''eine'' Bedeutung; die Personalunion durch das gleiche Wort sei ein unwesentlicher Zufall. | Man möchte sagen, diese beiden Arten des Gebrauchs geben nicht ''eine'' Bedeutung; die Personalunion durch das gleiche Wort sei ein unwesentlicher Zufall. | ||
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Denken wir an einen ähnlichen Fall im Spiel: im Damespiel wird eine Dame dadurch gekennzeichnet, daß man zwei Spielsteine aufeinanderlegt. Wird man nun nicht sagen, daß es für das Spiel unwesentlich ist, daß eine Dame aus zwei Steinen besteht? | Denken wir an einen ähnlichen Fall im Spiel: im Damespiel wird eine Dame dadurch gekennzeichnet, daß man zwei Spielsteine aufeinanderlegt. Wird man nun nicht sagen, daß es für das Spiel unwesentlich ist, daß eine Dame aus zwei Steinen besteht? | ||
{{ParPU|563}} Sagen wir: die Bedeutung eines Steines (einer Figur) ist ihre Rolle im Spiel. – Nun werde vor Beginn jeder Schachpartie durch das Los entschieden, welcher der Spieler Weiß erhält. Dazu halte der Eine in jeder geschlossenen Hand einen Schachkönig, der andre wählt auf gut Glück eine der beiden Hände. Wird man es nun zur Rolle des Schachkönigs im Schachspiel rechnen, daß er so zum Auslosen verwendet wird? | {{ParPU|563}} Sagen wir: die Bedeutung eines Steines (einer Figur) ist ihre Rolle im Spiel. – Nun werde vor Beginn jeder Schachpartie durch das Los entschieden, welcher der Spieler Weiß erhält. Dazu halte der Eine in jeder geschlossenen Hand einen Schachkönig, der andre wählt auf gut Glück eine der beiden Hände. Wird man es nun zur Rolle des Schachkönigs im Schachspiel rechnen, daß er so zum Auslosen verwendet wird? | ||
{{ParPU|564}} Ich bin also geneigt, auch im Spiel zwischen wesentlichen und unwesentlichen Regeln zu unterscheiden. Das Spiel, möchte man sagen, hat nicht nur Regeln, sondern auch einen ''Witz''. | {{ParPU|564}} Ich bin also geneigt, auch im Spiel zwischen wesentlichen und unwesentlichen Regeln zu unterscheiden. Das Spiel, möchte man sagen, hat nicht nur Regeln, sondern auch einen ''Witz''. | ||
{{ParPU|565}} Wozu das gleiche Wort? Wir machen ja im Kalkül keinen Gebrauch von dieser Gleichheit! – Warum für beide Zwecke die gleichen Spielsteine? – Aber was heißt es hier »von der Gleichheit Gebrauch machen«? Ist es denn nicht ein Gebrauch, wenn wir eben das gleiche Wort gebrauchen? | {{ParPU|565}} Wozu das gleiche Wort? Wir machen ja im Kalkül keinen Gebrauch von dieser Gleichheit! – Warum für beide Zwecke die gleichen Spielsteine? – Aber was heißt es hier »von der Gleichheit Gebrauch machen«? Ist es denn nicht ein Gebrauch, wenn wir eben das gleiche Wort gebrauchen? | ||
{{ParPU|566}} Hier scheint es nun, als hätte der Gebrauch des gleichen Worts, des gleichen Steins, einen ''Zweck'' – wenn die Gleichheit nicht zufällig, unwesentlich, ist. Und als sei der Zweck, daß man den Stein wiedererkennen, und wissen könne, wie man zu spielen hat. – Ist da von einer physischen, oder einer logischen Möglichkeit die Rede? Wenn das Letztere, so gehört eben die Gleichheit der Steine zum Spiel. | {{ParPU|566}} Hier scheint es nun, als hätte der Gebrauch des gleichen Worts, des gleichen Steins, einen ''Zweck'' – wenn die Gleichheit nicht zufällig, unwesentlich, ist. Und als sei der Zweck, daß man den Stein wiedererkennen, und wissen könne, wie man zu spielen hat. – Ist da von einer physischen, oder einer logischen Möglichkeit die Rede? Wenn das Letztere, so gehört eben die Gleichheit der Steine zum Spiel. | ||
{{ParPU|567}} Das Spiel soll doch durch die Regeln bestimmt sein! Wenn also eine Spielregel vorschreibt, daß zum Auslosen vor der Schachpartie die Könige zu verwenden sind, so gehört das, wesentlich, zum Spiel. Was könnte man dagegen einwenden? Daß man den Witz dieser Vorschrift nicht einsehe. Etwa, wie wenn man auch den Witz einer Regel nicht einsähe, nach der jeder Stein dreimal umzudrehen wäre, ehe man mit ihm zieht. Fänden wir diese Regel in einem Brettspiel, so würden wir uns wundern und Vermutungen über den Zweck der Regel anstellen. (»Sollte diese Vorschrift verhindern, daß man ohne Überlegung zieht?«) | {{ParPU|567}} Das Spiel soll doch durch die Regeln bestimmt sein! Wenn also eine Spielregel vorschreibt, daß zum Auslosen vor der Schachpartie die Könige zu verwenden sind, so gehört das, wesentlich, zum Spiel. Was könnte man dagegen einwenden? Daß man den Witz dieser Vorschrift nicht einsehe. Etwa, wie wenn man auch den Witz einer Regel nicht einsähe, nach der jeder Stein dreimal umzudrehen wäre, ehe man mit ihm zieht. Fänden wir diese Regel in einem Brettspiel, so würden wir uns wundern und Vermutungen über den Zweck der Regel anstellen. (»Sollte diese Vorschrift verhindern, daß man ohne Überlegung zieht?«) | ||
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((Die Bedeutung eine Physiognomie.)) | ((Die Bedeutung eine Physiognomie.)) | ||
{{ParPU|569}} Die Sprache ist ein Instrument. Ihre Begriffe sind Instrumente. Man denkt nun etwa, es könne keinen ''großen'' Unterschied machen, ''welche'' Begriffe wir verwenden. Wie man schließlich mit Fuß und Zoll Physik treiben kann, sowie mit m und cm; der Unterschied sei doch nur einer der Bequemlichkeit. Aber auch das ist nicht wahr, wenn, z.B., Rechnungen in einem Maßsystem mehr Zeit und Mühe erfordern, als wir aufwenden können. | {{ParPU|569}} Die Sprache ist ein Instrument. Ihre Begriffe sind Instrumente. Man denkt nun etwa, es könne keinen ''großen'' Unterschied machen, ''welche'' Begriffe wir verwenden. Wie man schließlich mit Fuß und Zoll Physik treiben kann, sowie mit m und cm; der Unterschied sei doch nur einer der Bequemlichkeit. Aber auch das ist nicht wahr, wenn, z.B., Rechnungen in einem Maßsystem mehr Zeit und Mühe erfordern, als wir aufwenden können. | ||
{{ParPU|570}} Begriffe leiten uns zu Untersuchungen. Sind der Ausdruck unseres Interesses, und lenken unser Interesse. | {{ParPU|570}} Begriffe leiten uns zu Untersuchungen. Sind der Ausdruck unseres Interesses, und lenken unser Interesse. | ||
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Sehen, Hören, Denken, Fühlen, Wollen sind nicht ''im gleichen Sinne'' die Gegenstände der Psychologie, wie die Bewegungen der Körper, die elektrischen Erscheinungen, etc., Gegenstände der Physik. Das siehst du daraus, daß der Physiker diese Erscheinungen sieht, hört, über sie nachdenkt, sie uns mitteilt, und der Psychologe die ''Äußerungen'' (das Benehmen) des Subjekts beobachtet. | Sehen, Hören, Denken, Fühlen, Wollen sind nicht ''im gleichen Sinne'' die Gegenstände der Psychologie, wie die Bewegungen der Körper, die elektrischen Erscheinungen, etc., Gegenstände der Physik. Das siehst du daraus, daß der Physiker diese Erscheinungen sieht, hört, über sie nachdenkt, sie uns mitteilt, und der Psychologe die ''Äußerungen'' (das Benehmen) des Subjekts beobachtet. | ||
{{ParPU|572}} Erwartung ist, grammatikalisch, ein Zustand; wie: einer Meinung sein, etwas hoffen, etwas wissen, etwas können. Aber um die Grammatik dieser Zustände zu verstehen, muß man fragen: »Was gilt als Kriterium dafür, daß sich jemand in diesem Zustand befindet?« (Zustand der Härte, des Gewichts, des Passens.) | {{ParPU|572}} Erwartung ist, grammatikalisch, ein Zustand; wie: einer Meinung sein, etwas hoffen, etwas wissen, etwas können. Aber um die Grammatik dieser Zustände zu verstehen, muß man fragen: »Was gilt als Kriterium dafür, daß sich jemand in diesem Zustand befindet?« (Zustand der Härte, des Gewichts, des Passens.) | ||
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Man darf eben von der Antwort auf die Frage noch keinen Aufschluß erwarten. Fragen, welche tiefer dringen, sind: Was sehen wir, in besondern Fällen, als Kriterien dafür an, daß Einer die und die Meinung hat? Wann sagen wir: er sei damals zu dieser Meinung gekommen? Wann: er habe seine Meinung geändert? Usw. Das Bild, welches die Antworten auf diese Fragen uns geben, zeigt, ''was'' hier grammatisch als ''Zustand'' behandelt wird. | Man darf eben von der Antwort auf die Frage noch keinen Aufschluß erwarten. Fragen, welche tiefer dringen, sind: Was sehen wir, in besondern Fällen, als Kriterien dafür an, daß Einer die und die Meinung hat? Wann sagen wir: er sei damals zu dieser Meinung gekommen? Wann: er habe seine Meinung geändert? Usw. Das Bild, welches die Antworten auf diese Fragen uns geben, zeigt, ''was'' hier grammatisch als ''Zustand'' behandelt wird. | ||
{{ParPU|574}} Ein Satz, und daher in anderm Sinne ein Gedanke, kann der ›Ausdruck‹ des Glaubens, Hoffens, Erwartens, etc., sein. Aber Glauben ist nicht Denken. (Eine grammatische Bemerkung.) Die Begriffe des Glaubens, Erwartens, Hoffens, sind einander weniger artfremd, als sie dem Begriff des Denkens sind. | {{ParPU|574}} Ein Satz, und daher in anderm Sinne ein Gedanke, kann der ›Ausdruck‹ des Glaubens, Hoffens, Erwartens, etc., sein. Aber Glauben ist nicht Denken. (Eine grammatische Bemerkung.) Die Begriffe des Glaubens, Erwartens, Hoffens, sind einander weniger artfremd, als sie dem Begriff des Denkens sind. | ||
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Aber: »Trotz allem, was er tat, hielt ich an dem Glauben fest, ...« Hier wird gedacht, und etwa immer wieder eine bestimmte Einstellung erkämpft. | Aber: »Trotz allem, was er tat, hielt ich an dem Glauben fest, ...« Hier wird gedacht, und etwa immer wieder eine bestimmte Einstellung erkämpft. | ||
{{ParPU|576}} Ich schaue auf die brennende Lunte, folge mit höchster Spannung dem Fortschreiten des Brandes und wie er sich dem Explosivstoff nähert. Ich denke vielleicht überhaupt nichts, oder eine Menge abgerissener Gedanken. Das ist gewiß ein Fall des Erwartens. | {{ParPU|576}} Ich schaue auf die brennende Lunte, folge mit höchster Spannung dem Fortschreiten des Brandes und wie er sich dem Explosivstoff nähert. Ich denke vielleicht überhaupt nichts, oder eine Menge abgerissener Gedanken. Das ist gewiß ein Fall des Erwartens. | ||
{{ParPU|577}} Wir sagen »Ich erwarte ihn«, wenn wir glauben, er werde kommen, sein Kommen uns aber nicht ''beschäftigt''. (»Ich erwarte ihn« hieße hier »Ich wäre erstaunt, wenn er nicht käme« – und das wird man nicht die Beschreibung eines Seelenzustands nennen.) Wir sagen aber auch »Ich erwarte ihn«, wenn dies heißen soll: Ich harre auf ihn. Wir könnten uns eine Sprache denken, die in diesen Fällen konsequent verschiedene Verben benützt. Und ebenso mehr als ein Verbum dort, wo wir von ›glauben‹, ›hoffen‹, usw. reden. Die Begriffe dieser Sprache wären für ein Verständnis der Psychologie vielleicht geeigneter als die Begriffe unsrer Sprache. | {{ParPU|577}} Wir sagen »Ich erwarte ihn«, wenn wir glauben, er werde kommen, sein Kommen uns aber nicht ''beschäftigt''. (»Ich erwarte ihn« hieße hier »Ich wäre erstaunt, wenn er nicht käme« – und das wird man nicht die Beschreibung eines Seelenzustands nennen.) Wir sagen aber auch »Ich erwarte ihn«, wenn dies heißen soll: Ich harre auf ihn. Wir könnten uns eine Sprache denken, die in diesen Fällen konsequent verschiedene Verben benützt. Und ebenso mehr als ein Verbum dort, wo wir von ›glauben‹, ›hoffen‹, usw. reden. Die Begriffe dieser Sprache wären für ein Verständnis der Psychologie vielleicht geeigneter als die Begriffe unsrer Sprache. | ||
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Ich möchte fragen: Wie greift der Glaube in diesen Satz ein? Sehen wir nach, welche Konsequenzen dieser Glaube hat, wozu er uns bringt. »Er bringt mich zum Suchen nach einem Beweis dieses Satzes.« – Gut, jetzt sehen wir noch nach, worin dein Suchen eigentlich besteht! dann werden wir wissen, was es mit dem Glauben an den Satz auf sich hat. | Ich möchte fragen: Wie greift der Glaube in diesen Satz ein? Sehen wir nach, welche Konsequenzen dieser Glaube hat, wozu er uns bringt. »Er bringt mich zum Suchen nach einem Beweis dieses Satzes.« – Gut, jetzt sehen wir noch nach, worin dein Suchen eigentlich besteht! dann werden wir wissen, was es mit dem Glauben an den Satz auf sich hat. | ||
{{ParPU|579}} Das Gefühl der Zuversicht. Wie äußert es sich im Benehmen? | {{ParPU|579}} Das Gefühl der Zuversicht. Wie äußert es sich im Benehmen? | ||
{{ParPU|580}} Ein ›innerer Vorgang‹ bedarf äußerer Kriterien. | {{ParPU|580}} Ein ›innerer Vorgang‹ bedarf äußerer Kriterien. | ||
{{ParPU|581}} Eine Erwartung ist in einer Situation eingebettet, aus der sie entspringt. Die Erwartung einer Explosion kann z.B. aus einer Situation entspringen, in der eine Explosion ''zu erwarten ist''. | {{ParPU|581}} Eine Erwartung ist in einer Situation eingebettet, aus der sie entspringt. Die Erwartung einer Explosion kann z.B. aus einer Situation entspringen, in der eine Explosion ''zu erwarten ist''. | ||
{{ParPU|582}} Wenn Einer, statt zu sagen »Ich erwarte jeden Moment die Explosion«, flüstert: »Es wird gleich losgehen«, so beschreiben doch seine Worte keine Empfindung; obgleich sie und ihr Ton eine Äußerung seiner Empfindung sein können. | {{ParPU|582}} Wenn Einer, statt zu sagen »Ich erwarte jeden Moment die Explosion«, flüstert: »Es wird gleich losgehen«, so beschreiben doch seine Worte keine Empfindung; obgleich sie und ihr Ton eine Äußerung seiner Empfindung sein können. | ||
{{ParPU|583}} »Aber du sprichst ja, als erwartete, hoffte, ich nicht eigentlich ''jetzt'' – da ich zu hoffen glaube. Als wäre, was ''jetzt'' geschieht, ohne tiefe Bedeutung.« – Was heißt es: »Was jetzt geschieht, hat Bedeutung« oder »hat tiefe Bedeutung«? Was ist eine ''tiefe'' Empfindung? Könnte Einer eine Sekunde lang innige Liebe oder Hoffnung empfinden, – ''was immer'' dieser Sekunde voranging oder ihr folgt? –– Was jetzt geschieht, hat Bedeutung – in dieser Umgebung. Die Umgebung gibt ihm die Wichtigkeit. Und das Wort »hoffen« bezieht sich auf ein Phänomen des menschlichen Lebens. (Ein lächelnder Mund ''lächelt'' nur in einem menschlichen Gesicht.) | {{ParPU|583}} »Aber du sprichst ja, als erwartete, hoffte, ich nicht eigentlich ''jetzt'' – da ich zu hoffen glaube. Als wäre, was ''jetzt'' geschieht, ohne tiefe Bedeutung.« – Was heißt es: »Was jetzt geschieht, hat Bedeutung« oder »hat tiefe Bedeutung«? Was ist eine ''tiefe'' Empfindung? Könnte Einer eine Sekunde lang innige Liebe oder Hoffnung empfinden, – ''was immer'' dieser Sekunde voranging oder ihr folgt? –– Was jetzt geschieht, hat Bedeutung – in dieser Umgebung. Die Umgebung gibt ihm die Wichtigkeit. Und das Wort »hoffen« bezieht sich auf ein Phänomen des menschlichen Lebens. (Ein lächelnder Mund ''lächelt'' nur in einem menschlichen Gesicht.) | ||
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Eine Königskrönung ist das Bild der Pracht und Würde. Schneide eine Minute dieses Vorgangs aus ihrer Umgebung heraus: dem König im Krönungsmantel wird die Krone aufs Haupt gesetzt. – In einer andern Umgebung aber ist Gold das billigste Metall, sein Glanz gilt als gemein. Das Gewebe des Mantels ist dort billig herzustellen. Die Krone ist die Parodie eines anständigen Huts. Etc. | Eine Königskrönung ist das Bild der Pracht und Würde. Schneide eine Minute dieses Vorgangs aus ihrer Umgebung heraus: dem König im Krönungsmantel wird die Krone aufs Haupt gesetzt. – In einer andern Umgebung aber ist Gold das billigste Metall, sein Glanz gilt als gemein. Das Gewebe des Mantels ist dort billig herzustellen. Die Krone ist die Parodie eines anständigen Huts. Etc. | ||
{{ParPU|585}} Wenn Einer sagt »Ich hoffe, er wird kommen« – ist das ein ''Bericht'' über seinen Seelenzustand, oder eine ''Äußerung'' seiner Hoffnung? – Ich kann es z.B. zu mir selbst sagen. Und mir mache ich doch keinen Bericht. Es kann ein Seufzer sein; aber muß kein Seufzer sein. Sage ich jemandem »Ich kann heute meine Gedanken nicht bei der Arbeit halten; ich denke immer an sein Kommen« – so wird man ''das'' eine Beschreibung meines Seelenzustandes nennen. | {{ParPU|585}} Wenn Einer sagt »Ich hoffe, er wird kommen« – ist das ein ''Bericht'' über seinen Seelenzustand, oder eine ''Äußerung'' seiner Hoffnung? – Ich kann es z.B. zu mir selbst sagen. Und mir mache ich doch keinen Bericht. Es kann ein Seufzer sein; aber muß kein Seufzer sein. Sage ich jemandem »Ich kann heute meine Gedanken nicht bei der Arbeit halten; ich denke immer an sein Kommen« – so wird man ''das'' eine Beschreibung meines Seelenzustandes nennen. | ||
{{ParPU|586}} »Ich habe gehört, er wird kommen; ich erwarte ihn schon den ganzen Tag.« Dies ist ein Bericht darüber, wie ich den Tag verbracht habe. –– Ich komme in einem Gespräch zum Ergebnis, daß ein bestimmtes Ereignis zu erwarten sei, und ziehe diesen Schluß mit den Worten: »Ich muß also jetzt sein Kommen erwarten«. Das kann man den ersten Gedanken, den ersten Akt, dieser Erwartung nennen. –– Den Ausruf »Ich erwarte ihn sehnsüchtig!« kann man einen Akt des Erwartens nennen. Ich kann aber dieselben Worte als das Resultat einer Selbstbeobachtung aussprechen, und sie hießen dann etwa: »Also nach allem, was vorgegangen ist, erwarte ich ihn dennoch mit Sehnsucht.« Es kommt darauf an: Wie ist es zu diesen Worten gekommen? | {{ParPU|586}} »Ich habe gehört, er wird kommen; ich erwarte ihn schon den ganzen Tag.« Dies ist ein Bericht darüber, wie ich den Tag verbracht habe. –– Ich komme in einem Gespräch zum Ergebnis, daß ein bestimmtes Ereignis zu erwarten sei, und ziehe diesen Schluß mit den Worten: »Ich muß also jetzt sein Kommen erwarten«. Das kann man den ersten Gedanken, den ersten Akt, dieser Erwartung nennen. –– Den Ausruf »Ich erwarte ihn sehnsüchtig!« kann man einen Akt des Erwartens nennen. Ich kann aber dieselben Worte als das Resultat einer Selbstbeobachtung aussprechen, und sie hießen dann etwa: »Also nach allem, was vorgegangen ist, erwarte ich ihn dennoch mit Sehnsucht.« Es kommt darauf an: Wie ist es zu diesen Worten gekommen? | ||
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Es hat Sinn, zu fragen: »Liebe ich sie wirklich, mache ich mir das nicht nur vor?« und der Vorgang der Introspektion ist das Wachrufen von Erinnerungen; von Vorstellungen möglicher Situationen und der Gefühle, die man hätte, wenn... | Es hat Sinn, zu fragen: »Liebe ich sie wirklich, mache ich mir das nicht nur vor?« und der Vorgang der Introspektion ist das Wachrufen von Erinnerungen; von Vorstellungen möglicher Situationen und der Gefühle, die man hätte, wenn... | ||
{{ParPU|588}} »Ich wälze den Entschluß in mir herum, morgen abzureisen.« (Dies kann man eine Beschreibung des Gemütszustandes nennen.) –– »Deine Gründe überzeugen mich nicht; ich bin nach wie vor der Absicht, morgen abzureisen.« Hier wird man versucht sein, die Absicht ein Gefühl zu nennen. Das Gefühl ist das einer gewissen Steifigkeit; des unabänderlichen Entschlusses. (Aber es gibt auch hier viele verschiedene charakteristische Gefühle und Haltungen.) –– Man fragt mich: »Wie lange bleibst du hier?« Ich antworte: »Morgen reise ich ab; meine Ferien gehen zu Ende.« – Dagegen aber: Ich sage am Ende eines Streits »Nun gut; dann reise ich morgen ab!« Ich fasse einen Entschluß. | {{ParPU|588}} »Ich wälze den Entschluß in mir herum, morgen abzureisen.« (Dies kann man eine Beschreibung des Gemütszustandes nennen.) –– »Deine Gründe überzeugen mich nicht; ich bin nach wie vor der Absicht, morgen abzureisen.« Hier wird man versucht sein, die Absicht ein Gefühl zu nennen. Das Gefühl ist das einer gewissen Steifigkeit; des unabänderlichen Entschlusses. (Aber es gibt auch hier viele verschiedene charakteristische Gefühle und Haltungen.) –– Man fragt mich: »Wie lange bleibst du hier?« Ich antworte: »Morgen reise ich ab; meine Ferien gehen zu Ende.« – Dagegen aber: Ich sage am Ende eines Streits »Nun gut; dann reise ich morgen ab!« Ich fasse einen Entschluß. | ||
{{ParPU|589}} »Ich habe mich in meinem Herzen dazu entschlossen.« Und man ist dabei auch geneigt, auf die Brust zu zeigen. Diese Redeweise ist psychologisch ernst zu nehmen. Warum sollte sie weniger ernst zu nehmen sein als die Aussage, der Glaube sei ein Zustand der Seele? (Luther: »Der Glaube ist unter der linken Brustzitze.«) | {{ParPU|589}} »Ich habe mich in meinem Herzen dazu entschlossen.« Und man ist dabei auch geneigt, auf die Brust zu zeigen. Diese Redeweise ist psychologisch ernst zu nehmen. Warum sollte sie weniger ernst zu nehmen sein als die Aussage, der Glaube sei ein Zustand der Seele? (Luther: »Der Glaube ist unter der linken Brustzitze.«) | ||
{{ParPU|590}} Es könnte sein, daß jemand die Bedeutung des Ausdrucks »was man sagt, ernstlich ''meinen''« durch ein Zeigen auf das Herz verstehen lerne. Aber nun muß man fragen »Wie zeigt sich’s, daß er es gelernt hat?« | {{ParPU|590}} Es könnte sein, daß jemand die Bedeutung des Ausdrucks »was man sagt, ernstlich ''meinen''« durch ein Zeigen auf das Herz verstehen lerne. Aber nun muß man fragen »Wie zeigt sich’s, daß er es gelernt hat?« | ||
{{ParPU|591}} Soll ich sagen, wer eine Absicht hat, erlebt eine Tendenz? Es gebe bestimmte Tendenzerlebnisse? – Erinnere dich an diesen Fall: Wenn man in einer Diskussion dringend eine Bemerkung, einen Einwurf machen will, geschieht es häufig, daß man den Mund öffnet, den Atem einzieht und anhält; entscheidet man sich dann, den Einwurf zu unterlassen, so läßt man den Atem aus. Das Erlebnis dieses Vorgangs ist offenbar das Erlebnis einer Tendenz, zu sprechen. Wer mich beobachtet, wird erkennen, daß ich etwas sagen wollte und mich dann anders besonnen habe. In ''dieser'' Situation nämlich. – In einer ändern würde er mein Benehmen so nicht deuten, so charakteristisch es auch in der gegenwärtigen Situation für die Absicht, zu sprechen, ist. Und ist irgend ein Grund vorhanden, anzunehmen, dieses selbe Erlebnis könnte in einer ganz ändern Situation nicht auftreten, – in der es mit einer Tendenz nichts zu tun hat? | {{ParPU|591}} Soll ich sagen, wer eine Absicht hat, erlebt eine Tendenz? Es gebe bestimmte Tendenzerlebnisse? – Erinnere dich an diesen Fall: Wenn man in einer Diskussion dringend eine Bemerkung, einen Einwurf machen will, geschieht es häufig, daß man den Mund öffnet, den Atem einzieht und anhält; entscheidet man sich dann, den Einwurf zu unterlassen, so läßt man den Atem aus. Das Erlebnis dieses Vorgangs ist offenbar das Erlebnis einer Tendenz, zu sprechen. Wer mich beobachtet, wird erkennen, daß ich etwas sagen wollte und mich dann anders besonnen habe. In ''dieser'' Situation nämlich. – In einer ändern würde er mein Benehmen so nicht deuten, so charakteristisch es auch in der gegenwärtigen Situation für die Absicht, zu sprechen, ist. Und ist irgend ein Grund vorhanden, anzunehmen, dieses selbe Erlebnis könnte in einer ganz ändern Situation nicht auftreten, – in der es mit einer Tendenz nichts zu tun hat? | ||
{{ParPU|592}} »Aber wenn du sagst ›Ich habe die Absicht, abzureisen‹, so meinst du’s doch! Es ist eben hier wieder das geistige Meinen, das den Satz belebt. Sprichst du den Satz bloß einem Andern nach, etwa um seine Sprechweise zu verspotten, so sprichst du ihn ohne dieses Meinen.« – Wenn wir philosophieren, so kann es manchmal so scheinen. Aber denken wir uns doch wirklich ''verschiedene'' Situationen aus, und Gespräche, und wie jener Satz in ihnen ausgesprochen wird! – »Ich entdecke immer einen geistigen Unterton; vielleicht nicht immer den ''gleichen''.« – Und war da kein Unterton vorhanden, als du den Satz dem Andern nachsprachst? Und wie nun den ›Unterton‹ von dem übrigen Erlebnis des Sprechens trennen? | {{ParPU|592}} »Aber wenn du sagst ›Ich habe die Absicht, abzureisen‹, so meinst du’s doch! Es ist eben hier wieder das geistige Meinen, das den Satz belebt. Sprichst du den Satz bloß einem Andern nach, etwa um seine Sprechweise zu verspotten, so sprichst du ihn ohne dieses Meinen.« – Wenn wir philosophieren, so kann es manchmal so scheinen. Aber denken wir uns doch wirklich ''verschiedene'' Situationen aus, und Gespräche, und wie jener Satz in ihnen ausgesprochen wird! – »Ich entdecke immer einen geistigen Unterton; vielleicht nicht immer den ''gleichen''.« – Und war da kein Unterton vorhanden, als du den Satz dem Andern nachsprachst? Und wie nun den ›Unterton‹ von dem übrigen Erlebnis des Sprechens trennen? | ||
{{ParPU|593}} Eine Hauptursache philosophischer Krankheiten – einseitige Diät: man nährt sein Denken mit nur einer Art von Beispielen. | {{ParPU|593}} Eine Hauptursache philosophischer Krankheiten – einseitige Diät: man nährt sein Denken mit nur einer Art von Beispielen. | ||
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(Ich kann des Ändern Zeugnis nicht annehmen, weil es kein ''Zeugnis'' ist. Es sagt mir nur, was er zu sagen ''geneigt'' ist.) | (Ich kann des Ändern Zeugnis nicht annehmen, weil es kein ''Zeugnis'' ist. Es sagt mir nur, was er zu sagen ''geneigt'' ist.) | ||
{{ParPU|595}} Es ist uns natürlich, den Satz in diesem Zusammenhang auszusprechen; und unnatürlich, ihn isoliert zu sagen. Sollen wir sagen: Es gibt ein bestimmtes Gefühl, das das Aussprechen jedes Satzes begleitet, dessen Aussprechen uns natürlich ist? | {{ParPU|595}} Es ist uns natürlich, den Satz in diesem Zusammenhang auszusprechen; und unnatürlich, ihn isoliert zu sagen. Sollen wir sagen: Es gibt ein bestimmtes Gefühl, das das Aussprechen jedes Satzes begleitet, dessen Aussprechen uns natürlich ist? | ||
{{ParPU|596}} Das Gefühl der ›Bekanntheit‹ und der ›Natürlichkeit‹. Leichter ist es, ein Gefühl der Unbekanntheit und der Unnatürlichkeit aufzufinden. Oder: ''Gefühle''. Denn nicht alles, was uns unbekannt ist, macht uns einen Eindruck der Unbekanntheit. Und hier muß man sich überlegen, was wir »unbekannt« nennen. Einen Feldstein, den wir am Wege sehen, erkennen wir als solchen, aber vielleicht nicht als den, der immer da gelegen ist. Einen Menschen etwa als Menschen, aber nicht als Bekannten. Es gibt Gefühle der Wohlvertrautheit; ihre Äußerung ist manchmal ein Blick, oder die Worte »Das alte Zimmer!« (das ich vor vielen Jahren bewohnt habe und nun unverändert wiederfinde). Ebenso gibt es Gefühle der Fremdheit: Ich stutze; sehe den Gegenstand, oder Menschen, prüfend oder mißtrauisch an; sage: »Es ist mir alles fremd.« – Aber weil es nun dies Gefühl der Fremdheit gibt, kann man nicht sagen: jeder Gegenstand, den wir gut kennen und der uns nicht fremd vorkommt, gebe uns ein Gefühl der Vertrautheit. – Wir meinen, quasi, der Platz, den einmal das Gefühl der Fremdheit einnimmt, müsse doch ''irgendwie'' besetzt sein. Es ist der Platz für diese Atmosphäre vorhanden und nimmt ihn nicht die eine ein, dann eine andere. | {{ParPU|596}} Das Gefühl der ›Bekanntheit‹ und der ›Natürlichkeit‹. Leichter ist es, ein Gefühl der Unbekanntheit und der Unnatürlichkeit aufzufinden. Oder: ''Gefühle''. Denn nicht alles, was uns unbekannt ist, macht uns einen Eindruck der Unbekanntheit. Und hier muß man sich überlegen, was wir »unbekannt« nennen. Einen Feldstein, den wir am Wege sehen, erkennen wir als solchen, aber vielleicht nicht als den, der immer da gelegen ist. Einen Menschen etwa als Menschen, aber nicht als Bekannten. Es gibt Gefühle der Wohlvertrautheit; ihre Äußerung ist manchmal ein Blick, oder die Worte »Das alte Zimmer!« (das ich vor vielen Jahren bewohnt habe und nun unverändert wiederfinde). Ebenso gibt es Gefühle der Fremdheit: Ich stutze; sehe den Gegenstand, oder Menschen, prüfend oder mißtrauisch an; sage: »Es ist mir alles fremd.« – Aber weil es nun dies Gefühl der Fremdheit gibt, kann man nicht sagen: jeder Gegenstand, den wir gut kennen und der uns nicht fremd vorkommt, gebe uns ein Gefühl der Vertrautheit. – Wir meinen, quasi, der Platz, den einmal das Gefühl der Fremdheit einnimmt, müsse doch ''irgendwie'' besetzt sein. Es ist der Platz für diese Atmosphäre vorhanden und nimmt ihn nicht die eine ein, dann eine andere. | ||
{{ParPU|597}} Wie dem Deutschen, der gut Englisch spricht, Germanismen unterlaufen, obgleich er nicht erst den deutschen Ausdruck bildet und ihn dann ins Englische übersetzt; wie er also Englisch spricht, ''als übersetze er'', ›unbewußt‹, aus dem Deutschen, so denken wir oft, als läge unserm Denken ein Denkschema zu Grunde; als übersetzten wir aus einer primitiveren Denkweise in die unsre. | {{ParPU|597}} Wie dem Deutschen, der gut Englisch spricht, Germanismen unterlaufen, obgleich er nicht erst den deutschen Ausdruck bildet und ihn dann ins Englische übersetzt; wie er also Englisch spricht, ''als übersetze er'', ›unbewußt‹, aus dem Deutschen, so denken wir oft, als läge unserm Denken ein Denkschema zu Grunde; als übersetzten wir aus einer primitiveren Denkweise in die unsre. | ||
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›''Hier'' verlangt die Erklärung unseres Denkens ein Gefühl!‹ Es ist, als ob unsre Überzeugung auf diese Forderung hin ihr nachkäme. | ›''Hier'' verlangt die Erklärung unseres Denkens ein Gefühl!‹ Es ist, als ob unsre Überzeugung auf diese Forderung hin ihr nachkäme. | ||
{{ParPU|599}} In der Philosophie werden nicht Schlüsse gezogen. »Es muß sich doch so verhalten!« ist kein Satz der Philosophie. Sie stellt nur fest, was Jeder ihr zugibt. | {{ParPU|599}} In der Philosophie werden nicht Schlüsse gezogen. »Es muß sich doch so verhalten!« ist kein Satz der Philosophie. Sie stellt nur fest, was Jeder ihr zugibt. | ||
{{ParPU|600}} Macht alles, was uns nicht auffällt, den Eindruck der Unauffälligkeit? Macht uns das Gewöhnliche immer den ''Eindruck'' der Gewöhnlichkeit? | {{ParPU|600}} Macht alles, was uns nicht auffällt, den Eindruck der Unauffälligkeit? Macht uns das Gewöhnliche immer den ''Eindruck'' der Gewöhnlichkeit? | ||
{{ParPU|601}} Wenn ich von diesem Tisch rede, – ''erinnere'' ich mich daran, daß dieser Gegenstand »Tisch« genannt wird? | {{ParPU|601}} Wenn ich von diesem Tisch rede, – ''erinnere'' ich mich daran, daß dieser Gegenstand »Tisch« genannt wird? | ||
{{ParPU|602}} Wenn man mich fragt »Hast du deinen Schreibtisch wiedererkannt, wie du heute morgens in dein Zimmer getreten bist?« – so würde ich wohl sagen »Gewiß!« Und doch wäre es irreführend, zu sagen, es habe sich da ein Wiedererkennen abgespielt. Der Schreibtisch war mir natürlich nicht fremd; ich war nicht überrascht, ihn zu sehen, wie ich es gewesen wäre, wenn ein Anderer da gestanden hätte, oder ein fremdartiger Gegenstand. | {{ParPU|602}} Wenn man mich fragt »Hast du deinen Schreibtisch wiedererkannt, wie du heute morgens in dein Zimmer getreten bist?« – so würde ich wohl sagen »Gewiß!« Und doch wäre es irreführend, zu sagen, es habe sich da ein Wiedererkennen abgespielt. Der Schreibtisch war mir natürlich nicht fremd; ich war nicht überrascht, ihn zu sehen, wie ich es gewesen wäre, wenn ein Anderer da gestanden hätte, oder ein fremdartiger Gegenstand. | ||
{{ParPU|603}} Niemand wird sagen, daß jedesmal, wenn ich in mein Zimmer komme, in die altgewohnte Umgebung, sich ein Wiedererkennen alles dessen, was ich sehe und hundertmal gesehen habe, abspielt. | {{ParPU|603}} Niemand wird sagen, daß jedesmal, wenn ich in mein Zimmer komme, in die altgewohnte Umgebung, sich ein Wiedererkennen alles dessen, was ich sehe und hundertmal gesehen habe, abspielt. | ||
{{ParPU|604}} Von den Vorgängen, die man »Wiedererkennen« nennt, haben wir leicht ein falsches Bild; als bestünde das Wiedererkennen immer darin, daß wir zwei Eindrücke miteinander vergleichen. Es ist, als trüge ich ein Bild eines Gegenstandes bei mir und agnoszierte danach einen Gegenstand als den, welchen das Bild darstellt. Unser Gedächtnis scheint uns so einen Vergleich zu vermitteln, indem es uns ein Bild des früher Gesehenen aufbewahrt, oder uns erlaubt (wie durch ein Rohr) in die Vergangenheit zu blicken. | {{ParPU|604}} Von den Vorgängen, die man »Wiedererkennen« nennt, haben wir leicht ein falsches Bild; als bestünde das Wiedererkennen immer darin, daß wir zwei Eindrücke miteinander vergleichen. Es ist, als trüge ich ein Bild eines Gegenstandes bei mir und agnoszierte danach einen Gegenstand als den, welchen das Bild darstellt. Unser Gedächtnis scheint uns so einen Vergleich zu vermitteln, indem es uns ein Bild des früher Gesehenen aufbewahrt, oder uns erlaubt (wie durch ein Rohr) in die Vergangenheit zu blicken. | ||
{{ParPU|605}} Und es ist ja nicht so sehr, als vergliche ich den Gegenstand mit einem neben ihm stehenden Bild, sondern als ''deckte'' er sich mit dem Bild. Ich sehe also nur Eins und nicht Zwei. | {{ParPU|605}} Und es ist ja nicht so sehr, als vergliche ich den Gegenstand mit einem neben ihm stehenden Bild, sondern als ''deckte'' er sich mit dem Bild. Ich sehe also nur Eins und nicht Zwei. | ||
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((»Ein ganz bestimmter Ausdruck.«)) | ((»Ein ganz bestimmter Ausdruck.«)) | ||
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Wenn ich sage: ich lese es auf einer Innern Uhr ab, – so ist das ein Bild, dem nur entspricht, daß ich diese Zeitangabe gemacht habe. Und der Zweck des Bildes ist, diesen Fall dem ändern anzugleichen. Ich sträube mich, die beiden verschiedenen Fälle anzuerkennen. | Wenn ich sage: ich lese es auf einer Innern Uhr ab, – so ist das ein Bild, dem nur entspricht, daß ich diese Zeitangabe gemacht habe. Und der Zweck des Bildes ist, diesen Fall dem ändern anzugleichen. Ich sträube mich, die beiden verschiedenen Fälle anzuerkennen. | ||
{{ParPU|608}} Von größter Wichtigkeit ist die Idee der Ungreifbarkeit jenes geistigen Zustands beim Schätzen der Zeit. Warum ist er ''ungreifbar''? Ist es nicht, weil wir, was an unserem Zustand greifbar ist, uns weigern, zu dem spezifischen Zustand zu rechnen, den wir postulieren? | {{ParPU|608}} Von größter Wichtigkeit ist die Idee der Ungreifbarkeit jenes geistigen Zustands beim Schätzen der Zeit. Warum ist er ''ungreifbar''? Ist es nicht, weil wir, was an unserem Zustand greifbar ist, uns weigern, zu dem spezifischen Zustand zu rechnen, den wir postulieren? | ||
Line 3,485: | Line 2,901: | ||
((Deuten des ›Verstehens‹ als Atmosphäre; als seelischer Akt. Man kann zu allem eine Atmosphäre hinzukonstruieren. ›Ein unbeschreiblicher Charakter‹.)) | ((Deuten des ›Verstehens‹ als Atmosphäre; als seelischer Akt. Man kann zu allem eine Atmosphäre hinzukonstruieren. ›Ein unbeschreiblicher Charakter‹.)) | ||
Line 3,491: | Line 2,906: | ||
((Ich möchte sagen: »Diese Töne sagen etwas Herrliches, aber ich weiß nicht was.« Diese Töne sind eine starke Geste, aber ich kann ihr nichts Erklärendes an die Seite stellen. Ein tief ernstes Kopfnicken. James: »Es fehlen uns die Worte«. Warum führen wir sie dann nicht ein? Was müßte der Fall sein, damit wir es könnten?)) | ((Ich möchte sagen: »Diese Töne sagen etwas Herrliches, aber ich weiß nicht was.« Diese Töne sind eine starke Geste, aber ich kann ihr nichts Erklärendes an die Seite stellen. Ein tief ernstes Kopfnicken. James: »Es fehlen uns die Worte«. Warum führen wir sie dann nicht ein? Was müßte der Fall sein, damit wir es könnten?)) | ||
Line 3,497: | Line 2,911: | ||
Nicht herbeiführen? – Wie ''was?'' Was kann ich denn herbeiführen? Womit vergleiche ich das Wollen, wenn ich dies sage? | Nicht herbeiführen? – Wie ''was?'' Was kann ich denn herbeiführen? Womit vergleiche ich das Wollen, wenn ich dies sage? | ||
{{ParPU|612}} Von der Bewegung meines Armes, z.B., würde ich nicht sagen, sie komme, wenn sie komme, etc. Und hier ist das Gebiet, in welchem wir sinnvoll sagen, daß uns etwas nicht einfach geschieht, sondern daß wir es ''tun''. »Ich brauche nicht abwarten, bis mein Arm sich heben wird, – ich kann ihn heben.« Und hier setze ich die Bewegung meines Arms etwa dem entgegen, daß sich das heftige Klopfen meines Herzens legen wird. | {{ParPU|612}} Von der Bewegung meines Armes, z.B., würde ich nicht sagen, sie komme, wenn sie komme, etc. Und hier ist das Gebiet, in welchem wir sinnvoll sagen, daß uns etwas nicht einfach geschieht, sondern daß wir es ''tun''. »Ich brauche nicht abwarten, bis mein Arm sich heben wird, – ich kann ihn heben.« Und hier setze ich die Bewegung meines Arms etwa dem entgegen, daß sich das heftige Klopfen meines Herzens legen wird. | ||
{{ParPU|613}} In dem Sinne, in welchem ich überhaupt etwas herbeiführen kann (etwa Magenschmerzen durch Überessen), kann ich auch das Wollen herbeiführen. In diesem Sinne führe ich das Schwimmen-Wollen herbei, indem ich ins Wasser springe. Ich wollte wohl sagen: ich könnte das Wollen nicht wollen; d.h., es hat keinen Sinn, vom Wollen-Wollen zu sprechen. »Wollen« ist nicht der Name für eine Handlung und also auch für keine willkürliche. Und mein falscher Ausdruck kam daher, daß man sich das Wollen als ein unmittelbares, nichtkausales, Herbeiführen denken will. Dieser Idee aber liegt eine irreführende Analogie zu Grunde; der kausale Nexus erscheint durch einen Mechanismus hergestellt, der zwei Maschinenteile verbindet. Die Verbindung kann auslassen, wenn der Mechanismus gestört wird. (Man denkt nur an die Störungen, denen ein Mechanismus normalerweise ausgesetzt ist; nicht daran, daß etwa die Zahnräder plötzlich weich werden, oder einander durchdringen, etc.) | {{ParPU|613}} In dem Sinne, in welchem ich überhaupt etwas herbeiführen kann (etwa Magenschmerzen durch Überessen), kann ich auch das Wollen herbeiführen. In diesem Sinne führe ich das Schwimmen-Wollen herbei, indem ich ins Wasser springe. Ich wollte wohl sagen: ich könnte das Wollen nicht wollen; d.h., es hat keinen Sinn, vom Wollen-Wollen zu sprechen. »Wollen« ist nicht der Name für eine Handlung und also auch für keine willkürliche. Und mein falscher Ausdruck kam daher, daß man sich das Wollen als ein unmittelbares, nichtkausales, Herbeiführen denken will. Dieser Idee aber liegt eine irreführende Analogie zu Grunde; der kausale Nexus erscheint durch einen Mechanismus hergestellt, der zwei Maschinenteile verbindet. Die Verbindung kann auslassen, wenn der Mechanismus gestört wird. (Man denkt nur an die Störungen, denen ein Mechanismus normalerweise ausgesetzt ist; nicht daran, daß etwa die Zahnräder plötzlich weich werden, oder einander durchdringen, etc.) | ||
{{ParPU|614}} Wenn ich meinen Arm ›willkürlich‹ bewege, so bediene ich mich nicht eines Mittels, die Bewegung herbeizuführen. Auch mein Wunsch ist nicht ein solches Mittel. | {{ParPU|614}} Wenn ich meinen Arm ›willkürlich‹ bewege, so bediene ich mich nicht eines Mittels, die Bewegung herbeizuführen. Auch mein Wunsch ist nicht ein solches Mittel. | ||
{{ParPU|615}} »Das Wollen, wenn es nicht eine Art Wünschen sein soll, muß das Handeln selber sein. Es darf nicht vor dem Handeln stehenbleiben.« Ist es das Handeln, so ist es dies im gewöhnlichen Sinne des Worts; also: sprechen, schreiben, gehen, etwas heben, sich etwas vorstellen. Aber auch: trachten, versuchen, sich bemühen, – zu sprechen, zu schreiben, etwas zu heben, sich etwas vorzustellen, etc. | {{ParPU|615}} »Das Wollen, wenn es nicht eine Art Wünschen sein soll, muß das Handeln selber sein. Es darf nicht vor dem Handeln stehenbleiben.« Ist es das Handeln, so ist es dies im gewöhnlichen Sinne des Worts; also: sprechen, schreiben, gehen, etwas heben, sich etwas vorstellen. Aber auch: trachten, versuchen, sich bemühen, – zu sprechen, zu schreiben, etwas zu heben, sich etwas vorzustellen, etc. | ||
{{ParPU|616}} Wenn ich meinen Arm hebe, so habe ich ''nicht'' gewünscht, er möge sich heben. Die willkürliche Handlung schließt diesen Wunsch aus. Man kann allerdings sagen: »Ich hoffe, ich werde den Kreis fehlerlos zeichnen«. Und damit drückt man einen Wunsch aus, die Hand möge sich so und so bewegen. | {{ParPU|616}} Wenn ich meinen Arm hebe, so habe ich ''nicht'' gewünscht, er möge sich heben. Die willkürliche Handlung schließt diesen Wunsch aus. Man kann allerdings sagen: »Ich hoffe, ich werde den Kreis fehlerlos zeichnen«. Und damit drückt man einen Wunsch aus, die Hand möge sich so und so bewegen. | ||
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Daß der Finger in diesem Falle gleichsam gelähmt ist, ehe wir eine Berührung in ihm fühlen, das zeigt die Erfahrung; es war aber nicht a priori einzusehen. | Daß der Finger in diesem Falle gleichsam gelähmt ist, ehe wir eine Berührung in ihm fühlen, das zeigt die Erfahrung; es war aber nicht a priori einzusehen. | ||
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Aber in dem Sinn, in welchem es mir nicht mißlingen kann, zu wollen, kann ich es auch nicht versuchen. | Aber in dem Sinn, in welchem es mir nicht mißlingen kann, zu wollen, kann ich es auch nicht versuchen. | ||
{{ParPU|619}} Und man könnte sagen: »Ich kann nur insofern jederzeit ''wollen'', als ich nie versuchen kann, zu wollen.« | {{ParPU|619}} Und man könnte sagen: »Ich kann nur insofern jederzeit ''wollen'', als ich nie versuchen kann, zu wollen.« | ||
{{ParPU|620}} ''Tun'' scheint selbst kein Volumen der Erfahrung zu haben. Es scheint wie ein ausdehnungsloser Punkt, die Spitze einer Nadel. Diese Spitze scheint das eigentliche Agens. Und das Geschehen in der Erscheinung nur Folge dieses Tuns. »Ich ''tue''« scheint einen bestimmten Sinn zu haben, abgelöst von jeder Erfahrung. | {{ParPU|620}} ''Tun'' scheint selbst kein Volumen der Erfahrung zu haben. Es scheint wie ein ausdehnungsloser Punkt, die Spitze einer Nadel. Diese Spitze scheint das eigentliche Agens. Und das Geschehen in der Erscheinung nur Folge dieses Tuns. »Ich ''tue''« scheint einen bestimmten Sinn zu haben, abgelöst von jeder Erfahrung. | ||
Line 3,543: | Line 2,947: | ||
((Sind nun die kinaesthetischen Empfindungen mein Wollen?)) | ((Sind nun die kinaesthetischen Empfindungen mein Wollen?)) | ||
{{ParPU|622}} Wenn ich meinen Arm hebe, ''versuche'' ich meistens nicht, ihn zu heben. | {{ParPU|622}} Wenn ich meinen Arm hebe, ''versuche'' ich meistens nicht, ihn zu heben. | ||
{{ParPU|623}} »Ich will unbedingt dieses Haus erreichen.« Wenn aber keine Schwierigkeit da ist, – ''kann'' ich da trachten, unbedingt dies Haus zu erreichen? | {{ParPU|623}} »Ich will unbedingt dieses Haus erreichen.« Wenn aber keine Schwierigkeit da ist, – ''kann'' ich da trachten, unbedingt dies Haus zu erreichen? | ||
{{ParPU|624}} Im Laboratorium, unter dem Einfluß elektrischer Ströme etwa, sagt Einer mit geschlossenen Augen »Ich bewege meinen Arm auf und ab« – obgleich sich der Arm nicht bewegt. »Er hat also das besondere Gefühl dieser Bewegung«, sagen wir. – Beweg mit geschlossenen Augen deinen Arm hin und her. Und nun versuch, während du es tust, dir einzureden, der Arm stehe still, und du habest nur gewisse seltsame Empfindungen in Muskeln und Gelenken! | {{ParPU|624}} Im Laboratorium, unter dem Einfluß elektrischer Ströme etwa, sagt Einer mit geschlossenen Augen »Ich bewege meinen Arm auf und ab« – obgleich sich der Arm nicht bewegt. »Er hat also das besondere Gefühl dieser Bewegung«, sagen wir. – Beweg mit geschlossenen Augen deinen Arm hin und her. Und nun versuch, während du es tust, dir einzureden, der Arm stehe still, und du habest nur gewisse seltsame Empfindungen in Muskeln und Gelenken! | ||
{{ParPU|625}} »Wie weißt du, daß du deinen Arm gehoben hast?« – »Ich fühle es.« Was du also wiedererkennst, ist die Empfindung? Und bist du sicher, daß du sie richtig wiedererkennst? – Du bist sicher, daß du deinen Arm gehoben hast; ist nicht dies das Kriterium, das Maß des Wiedererkennens? | {{ParPU|625}} »Wie weißt du, daß du deinen Arm gehoben hast?« – »Ich fühle es.« Was du also wiedererkennst, ist die Empfindung? Und bist du sicher, daß du sie richtig wiedererkennst? – Du bist sicher, daß du deinen Arm gehoben hast; ist nicht dies das Kriterium, das Maß des Wiedererkennens? | ||
{{ParPU|626}} »Wenn ich mit einem Stock diesen Gegenstand abtaste, habe ich die Tastempfindung in der Spitze des Stockes, nicht in der Hand, die ihn hält.« Wenn Einer sagt »Ich habe nicht hier in der Hand, sondern im Handgelenk Schmerzen«, so ist die Konsequenz, daß der Arzt das Handgelenk untersucht. Welchen Unterschied macht es aber, ob ich sage, ich fühle die Härte des Gegenstands in der Stockspitze, oder in der Hand? Heißt, was ich sage: »Es ist, als hätte ich Nervenenden in der Stockspitze«? ''Inwiefern'' ist es so? – Nun, ich bin jedenfalls geneigt zu sagen: »Ich fühle die Härte, etc. in der Stockspitze«. Und damit geht zusammen, daß ich beim Abtasten nicht auf meine Hand, sondern auf die Stockspitze sehe; daß ich, was ich fühle, mit den Worten beschreibe »Ich fühle dort etwas Hartes, Rundes« – nicht mit den Worten »Ich fühle einen Druck gegen die Fingerspitzen des Daumens, Mittelfingers und Zeigefingers....« Wenn mich etwa jemand fragt »Was fühlst du jetzt in den Fingern, die die Sonde halten?«, so könnte ich ihm antworten: »Ich weiß nicht –– ich fühle ''dort'' etwas Hartes, Rauhes.« | {{ParPU|626}} »Wenn ich mit einem Stock diesen Gegenstand abtaste, habe ich die Tastempfindung in der Spitze des Stockes, nicht in der Hand, die ihn hält.« Wenn Einer sagt »Ich habe nicht hier in der Hand, sondern im Handgelenk Schmerzen«, so ist die Konsequenz, daß der Arzt das Handgelenk untersucht. Welchen Unterschied macht es aber, ob ich sage, ich fühle die Härte des Gegenstands in der Stockspitze, oder in der Hand? Heißt, was ich sage: »Es ist, als hätte ich Nervenenden in der Stockspitze«? ''Inwiefern'' ist es so? – Nun, ich bin jedenfalls geneigt zu sagen: »Ich fühle die Härte, etc. in der Stockspitze«. Und damit geht zusammen, daß ich beim Abtasten nicht auf meine Hand, sondern auf die Stockspitze sehe; daß ich, was ich fühle, mit den Worten beschreibe »Ich fühle dort etwas Hartes, Rundes« – nicht mit den Worten »Ich fühle einen Druck gegen die Fingerspitzen des Daumens, Mittelfingers und Zeigefingers....« Wenn mich etwa jemand fragt »Was fühlst du jetzt in den Fingern, die die Sonde halten?«, so könnte ich ihm antworten: »Ich weiß nicht –– ich fühle ''dort'' etwas Hartes, Rauhes.« | ||
{{ParPU|627}} Betrachte diese Beschreibung einer willkürlichen Handlung: »Ich fasse den Entschluß, um 5 Uhr die Glocke zu ziehen; und wenn es 5 schlägt, macht mein Arm nun diese Bewegung.« – Ist das die richtige Beschreibung, und nicht ''die'': ».... und wenn es 5 schlägt, hebe ich meinen Arm«? –– Die erste Beschreibung möchte man so ergänzen: »und siehe da! mein Arm hebt sich, wenn es 5 schlägt.« Und dies »siehe da« ist gerade, was hier wegfällt. Ich sage ''nicht'': »Sieh, mein Arm hebt sich!« wenn ich ihn hebe. | {{ParPU|627}} Betrachte diese Beschreibung einer willkürlichen Handlung: »Ich fasse den Entschluß, um 5 Uhr die Glocke zu ziehen; und wenn es 5 schlägt, macht mein Arm nun diese Bewegung.« – Ist das die richtige Beschreibung, und nicht ''die'': ».... und wenn es 5 schlägt, hebe ich meinen Arm«? –– Die erste Beschreibung möchte man so ergänzen: »und siehe da! mein Arm hebt sich, wenn es 5 schlägt.« Und dies »siehe da« ist gerade, was hier wegfällt. Ich sage ''nicht'': »Sieh, mein Arm hebt sich!« wenn ich ihn hebe. | ||
{{ParPU|628}} Man könnte also sagen: die willkürliche Bewegung sei durch die Abwesenheit des Staunens charakterisiert. Und nun will ich nicht, daß man fragt »''Aber warum'' erstaunt man hier nicht?« | {{ParPU|628}} Man könnte also sagen: die willkürliche Bewegung sei durch die Abwesenheit des Staunens charakterisiert. Und nun will ich nicht, daß man fragt »''Aber warum'' erstaunt man hier nicht?« | ||
{{ParPU|629}} Wenn Leute über die Möglichkeit eines Vorherwissens der Zukunft reden, vergessen sie immer die Tatsache des Vorhersagens der willkürlichen Bewegungen. | {{ParPU|629}} Wenn Leute über die Möglichkeit eines Vorherwissens der Zukunft reden, vergessen sie immer die Tatsache des Vorhersagens der willkürlichen Bewegungen. | ||
Line 3,585: | Line 2,980: | ||
Es ist zwischen diesen beiden Sprachspielen eine offenbare Verwandtschaft, und auch Grundverschiedenheit. In beiden könnte man die ausgesprochenen Worte »Voraussagen« nennen. Vergleiche aber die Abrichtung, die zu der ersten Technik führt, mit der Abrichtung für die zweite! | Es ist zwischen diesen beiden Sprachspielen eine offenbare Verwandtschaft, und auch Grundverschiedenheit. In beiden könnte man die ausgesprochenen Worte »Voraussagen« nennen. Vergleiche aber die Abrichtung, die zu der ersten Technik führt, mit der Abrichtung für die zweite! | ||
Line 3,593: | Line 2,987: | ||
Nicht auf Grund von Beobachtungen meines Verhaltens sagte ich, ich würde jetzt zwei Pulver einnehmen. Die Antezedentien dieses Satzes waren andere. Ich meine die Gedanken, Handlungen etc., die zu ihm hinleiten. Und es ist nur irreführend, zu sagen: »Die einzige wesentliche Voraussetzung deiner Äußerung war eben dein Entschluß.« | Nicht auf Grund von Beobachtungen meines Verhaltens sagte ich, ich würde jetzt zwei Pulver einnehmen. Die Antezedentien dieses Satzes waren andere. Ich meine die Gedanken, Handlungen etc., die zu ihm hinleiten. Und es ist nur irreführend, zu sagen: »Die einzige wesentliche Voraussetzung deiner Äußerung war eben dein Entschluß.« | ||
{{ParPU|632}} Ich will nicht sagen: im Falle der Willensäußerung »Ich werde Pulver einnehmen« sei die Voraussage Ursache – und ihre Erfüllung der Effekt. (Das könnte vielleicht eine physiologische Untersuchung entscheiden.) Soviel aber ist wahr: Wir können häufig aus der Äußerung des Entschlusses die Handlung eines Menschen vorhersagen. Ein wichtiges Sprachspiel. | {{ParPU|632}} Ich will nicht sagen: im Falle der Willensäußerung »Ich werde Pulver einnehmen« sei die Voraussage Ursache – und ihre Erfüllung der Effekt. (Das könnte vielleicht eine physiologische Untersuchung entscheiden.) Soviel aber ist wahr: Wir können häufig aus der Äußerung des Entschlusses die Handlung eines Menschen vorhersagen. Ein wichtiges Sprachspiel. | ||
{{ParPU|633}} »Du wurdest früher unterbrochen; weißt du noch, was du sagen wolltest?« – Wenn ich’s nun weiß und es sage – heißt das, daß ich es schon früher gedacht, und nur nicht gesagt hatte? Nein. Es sei denn, daß du die Sicherheit, mit der ich den unterbrochenen Satz weiterführe, als Kriterium dafür nimmst, daß der Gedanke damals bereits fertig war. – Aber es lag freilich schon alles mögliche in der Situation und in meinen Gedanken, das dem Satz weiterhilft. | {{ParPU|633}} »Du wurdest früher unterbrochen; weißt du noch, was du sagen wolltest?« – Wenn ich’s nun weiß und es sage – heißt das, daß ich es schon früher gedacht, und nur nicht gesagt hatte? Nein. Es sei denn, daß du die Sicherheit, mit der ich den unterbrochenen Satz weiterführe, als Kriterium dafür nimmst, daß der Gedanke damals bereits fertig war. – Aber es lag freilich schon alles mögliche in der Situation und in meinen Gedanken, das dem Satz weiterhilft. | ||
Line 3,607: | Line 2,998: | ||
Und ''deute'' ich also diese Notizen nicht? War nur ''eine'' Fortsetzung unter jenen Umständen möglich? Gewiß nicht. Aber ich ''wählte'' nicht unter diesen Deutungen. Ich ''erinnerte'' mich: daß ich das sagen wollte. | Und ''deute'' ich also diese Notizen nicht? War nur ''eine'' Fortsetzung unter jenen Umständen möglich? Gewiß nicht. Aber ich ''wählte'' nicht unter diesen Deutungen. Ich ''erinnerte'' mich: daß ich das sagen wollte. | ||
{{ParPU|635}} »Ich wollte sagen....« – Du erinnerst dich an verschiedene Einzelheiten. Aber sie alle zeigen nicht diese Absicht. Es ist, als wäre das Bild einer Szene aufgenommen worden, aber es sind von ihm nur einige verstreute Einzelheiten zu sehen; hier eine Hand, dort ein Stück eines Gesichts, oder ein Hut, – das übrige ist dunkel. Und nun ist es, als wüßte ich doch ganz gewiß, was das ganze Bild darstellt. Als könnte ich das Dunkel lesen. | {{ParPU|635}} »Ich wollte sagen....« – Du erinnerst dich an verschiedene Einzelheiten. Aber sie alle zeigen nicht diese Absicht. Es ist, als wäre das Bild einer Szene aufgenommen worden, aber es sind von ihm nur einige verstreute Einzelheiten zu sehen; hier eine Hand, dort ein Stück eines Gesichts, oder ein Hut, – das übrige ist dunkel. Und nun ist es, als wüßte ich doch ganz gewiß, was das ganze Bild darstellt. Als könnte ich das Dunkel lesen. | ||
{{ParPU|636}} Diese ›Einzelheiten‹ sind nicht irrelevant in dem Sinne, in welchem andere Umstände, an die ich mich gleichfalls erinnern kann, es sind. Aber wem ich mitteile »Ich wollte für einen Augenblick sagen....«, der erfährt dadurch diese Einzelheiten nicht und muß sie auch nicht erraten. Er muß z.B. nicht wissen, daß ich schon den Mund zum Sprechen geöffnet hatte. Er ''kann'' sich aber den Vorgang so ›ausmalen‹. (Und diese Fähigkeit gehört zum Verstehen meiner Mitteilung.) | {{ParPU|636}} Diese ›Einzelheiten‹ sind nicht irrelevant in dem Sinne, in welchem andere Umstände, an die ich mich gleichfalls erinnern kann, es sind. Aber wem ich mitteile »Ich wollte für einen Augenblick sagen....«, der erfährt dadurch diese Einzelheiten nicht und muß sie auch nicht erraten. Er muß z.B. nicht wissen, daß ich schon den Mund zum Sprechen geöffnet hatte. Er ''kann'' sich aber den Vorgang so ›ausmalen‹. (Und diese Fähigkeit gehört zum Verstehen meiner Mitteilung.) | ||
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Und ich ''deute'' auch nicht die damalige Situation und ihre Vorgeschichte. Denn ich überlege mir sie nicht und beurteile sie nicht. | Und ich ''deute'' auch nicht die damalige Situation und ihre Vorgeschichte. Denn ich überlege mir sie nicht und beurteile sie nicht. | ||
Line 3,633: | Line 3,020: | ||
Aber auch die ganze Geschichte war nicht die Evidenz, auf Grund derer ich sagte »Für einen Augenblick....« | Aber auch die ganze Geschichte war nicht die Evidenz, auf Grund derer ich sagte »Für einen Augenblick....« | ||
{{ParPU|639}} Die Meinung, möchte man sagen, ''entwickelt sich''. Aber auch darin liegt ein Fehler. | {{ParPU|639}} Die Meinung, möchte man sagen, ''entwickelt sich''. Aber auch darin liegt ein Fehler. | ||
{{ParPU|640}} »Dieser Gedanke knüpft an Gedanken an, die ich früher einmal gehabt habe.« – Wie tut er das? Durch ein ''Gefühl'' der Anknüpfung? Aber wie kann das Gefühl die Gedanken wirklich verknüpfen? – Das Wort »Gefühl« ist hier sehr irreleitend. Aber es ist manchmal möglich, mit Sicherheit zu sagen »Dieser Gedanke hängt mit jenen früheren zusammen«, ohne daß man doch im Stande ist, den Zusammenhang zu zeigen. Dies gelingt vielleicht später. | {{ParPU|640}} »Dieser Gedanke knüpft an Gedanken an, die ich früher einmal gehabt habe.« – Wie tut er das? Durch ein ''Gefühl'' der Anknüpfung? Aber wie kann das Gefühl die Gedanken wirklich verknüpfen? – Das Wort »Gefühl« ist hier sehr irreleitend. Aber es ist manchmal möglich, mit Sicherheit zu sagen »Dieser Gedanke hängt mit jenen früheren zusammen«, ohne daß man doch im Stande ist, den Zusammenhang zu zeigen. Dies gelingt vielleicht später. | ||
{{ParPU|641}} »Wenn ich die Worte gesagt hätte ›Ich will ihn jetzt betrügen‹, hätte ich die Absicht nicht gewisser gehabt als so.« – Aber wenn du jene Worte gesagt hättest, mußtest du sie im vollen Ernste gemeint haben? (So ist also der am meisten explizite Ausdruck der Absicht allein keine genügende Evidenz der Absicht.) | {{ParPU|641}} »Wenn ich die Worte gesagt hätte ›Ich will ihn jetzt betrügen‹, hätte ich die Absicht nicht gewisser gehabt als so.« – Aber wenn du jene Worte gesagt hättest, mußtest du sie im vollen Ernste gemeint haben? (So ist also der am meisten explizite Ausdruck der Absicht allein keine genügende Evidenz der Absicht.) | ||
{{ParPU|642}} »Ich habe ihn in diesem Augenblick gehaßt« – was geschah da? Bestand es nicht in Gedanken, Gefühlen und Handlungen? Und wenn ich mir nun diesen Augenblick vorführte, würde ich ein bestimmtes Gesicht machen, dächte an gewisse Geschehnisse, atmete in bestimmter Weise, brächte in mir gewisse Gefühle hervor. Ich könnte ein Gespräch, eine ganze Szene erdenken, in der dieser Haß zum Aufflammen käme. Und ich könnte diese Szene mit Gefühlen spielen, die denen eines wirklichen Vorfalls nahekämen. Dabei wird mir natürlich helfen, daß ich Ähnliches wirklich durchlebt habe. | {{ParPU|642}} »Ich habe ihn in diesem Augenblick gehaßt« – was geschah da? Bestand es nicht in Gedanken, Gefühlen und Handlungen? Und wenn ich mir nun diesen Augenblick vorführte, würde ich ein bestimmtes Gesicht machen, dächte an gewisse Geschehnisse, atmete in bestimmter Weise, brächte in mir gewisse Gefühle hervor. Ich könnte ein Gespräch, eine ganze Szene erdenken, in der dieser Haß zum Aufflammen käme. Und ich könnte diese Szene mit Gefühlen spielen, die denen eines wirklichen Vorfalls nahekämen. Dabei wird mir natürlich helfen, daß ich Ähnliches wirklich durchlebt habe. | ||
{{ParPU|643}} Wenn ich mich nun des Vorfalls schäme, schäme ich mich des Ganzen: der Worte, des giftigen Tones, usw. | {{ParPU|643}} Wenn ich mich nun des Vorfalls schäme, schäme ich mich des Ganzen: der Worte, des giftigen Tones, usw. | ||
{{ParPU|644}} »Ich schäme mich nicht dessen, was ich damals tat, sondern der Absicht, die ich hatte.« – Und lag die Absicht nicht ''auch'' in dem, was ich tat? Was rechtfertigt die Scham? Die ganze Geschichte des Vorfalls. | {{ParPU|644}} »Ich schäme mich nicht dessen, was ich damals tat, sondern der Absicht, die ich hatte.« – Und lag die Absicht nicht ''auch'' in dem, was ich tat? Was rechtfertigt die Scham? Die ganze Geschichte des Vorfalls. | ||
Line 3,663: | Line 3,043: | ||
Es ist, als hätte man die Einstellung eines Mikroskops verändert, und was jetzt im Brennpunkt liegt, sah man früher nicht. | Es ist, als hätte man die Einstellung eines Mikroskops verändert, und was jetzt im Brennpunkt liegt, sah man früher nicht. | ||
Line 3,669: | Line 3,048: | ||
Daran ist etwas richtig. Aber nimm an, ich erinnere mich (mit einer bestimmten Einstellung der Linsen) an ''eine'' Empfindung; wie darf ich sagen, daß sie das ist, was ich die »Absicht« nenne? Es könnte sein, daß ein bestimmter Kitzel (z.B.) jede meiner Absichten begleitete. | Daran ist etwas richtig. Aber nimm an, ich erinnere mich (mit einer bestimmten Einstellung der Linsen) an ''eine'' Empfindung; wie darf ich sagen, daß sie das ist, was ich die »Absicht« nenne? Es könnte sein, daß ein bestimmter Kitzel (z.B.) jede meiner Absichten begleitete. | ||
Line 3,675: | Line 3,053: | ||
((Verbindung mit Sätzen über Empfindungen.)) | ((Verbindung mit Sätzen über Empfindungen.)) | ||
{{ParPU|648}} »Ich erinnere mich nicht mehr an meine Worte, aber ich erinnere mich genau an meine Absicht; ich wollte ihn mit meinen Worten beruhigen.« Was ''zeigt'' mir meine Erinnerung; was führt sie mir vor die Seele? Nun, wenn sie nichts täte, als mir diese Worte einzugeben! und vielleicht noch andere, die die Situation noch genauer ausmalen. – (»Ich erinnere mich nicht mehr meiner Worte, aber wohl an den Geist meiner Worte.«) | {{ParPU|648}} »Ich erinnere mich nicht mehr an meine Worte, aber ich erinnere mich genau an meine Absicht; ich wollte ihn mit meinen Worten beruhigen.« Was ''zeigt'' mir meine Erinnerung; was führt sie mir vor die Seele? Nun, wenn sie nichts täte, als mir diese Worte einzugeben! und vielleicht noch andere, die die Situation noch genauer ausmalen. – (»Ich erinnere mich nicht mehr meiner Worte, aber wohl an den Geist meiner Worte.«) | ||
{{ParPU|649}} »So kann also der gewisse Erinnerungen nicht haben, der keine Sprache gelernt hat?« Freilich, – er kann keine sprachlichen Erinnerungen, sprachlichen Wünsche oder Befürchtungen, etc. haben. Und Erinnerungen, etc., in der Sprache sind ja nicht bloß die fadenscheinigen Darstellungen der ''eigentlichen'' Erlebnisse; ist denn das Sprachliche kein Erlebnis? | {{ParPU|649}} »So kann also der gewisse Erinnerungen nicht haben, der keine Sprache gelernt hat?« Freilich, – er kann keine sprachlichen Erinnerungen, sprachlichen Wünsche oder Befürchtungen, etc. haben. Und Erinnerungen, etc., in der Sprache sind ja nicht bloß die fadenscheinigen Darstellungen der ''eigentlichen'' Erlebnisse; ist denn das Sprachliche kein Erlebnis? | ||
{{ParPU|650}} Wir sagen, der Hund fürchtet, sein Herr werde ihn schlagen; aber nicht: er fürchte, sein Herr werde ihn morgen schlagen. Warum nicht? | {{ParPU|650}} Wir sagen, der Hund fürchtet, sein Herr werde ihn schlagen; aber nicht: er fürchte, sein Herr werde ihn morgen schlagen. Warum nicht? | ||
{{ParPU|651}} »Ich erinnere mich, ich wäre damals gerne noch länger geblieben.« – Welches Bild dieses Verlangens tritt mir vor die Seele? Gar keins. Was ich in der Erinnerung vor mir sehe, läßt keinen Schluß auf meine Gefühle zu. Und doch erinnere ich mich ganz deutlich daran, daß sie vorhanden waren. | {{ParPU|651}} »Ich erinnere mich, ich wäre damals gerne noch länger geblieben.« – Welches Bild dieses Verlangens tritt mir vor die Seele? Gar keins. Was ich in der Erinnerung vor mir sehe, läßt keinen Schluß auf meine Gefühle zu. Und doch erinnere ich mich ganz deutlich daran, daß sie vorhanden waren. | ||
Line 3,697: | Line 3,070: | ||
((»Wenn du den Satz verstehen willst, mußt du dir die seelische Bedeutung, die Seelenzustände, dazu vorstellen.«)) | ((»Wenn du den Satz verstehen willst, mußt du dir die seelische Bedeutung, die Seelenzustände, dazu vorstellen.«)) | ||
Line 3,703: | Line 3,075: | ||
Könnte ich nun sagen: »Daß ich damals so und so handeln wollte, lese ich gleichsam wie von einem Plan ab, obgleich kein Plan da ist«? Aber das heißt doch nichts anderes als: ''Ich bin jetzt geneigt zu sagen'': »Ich lese die Absicht, so zu handeln, in gewissen Seelenzuständen, an die ich mich erinnere.« | Könnte ich nun sagen: »Daß ich damals so und so handeln wollte, lese ich gleichsam wie von einem Plan ab, obgleich kein Plan da ist«? Aber das heißt doch nichts anderes als: ''Ich bin jetzt geneigt zu sagen'': »Ich lese die Absicht, so zu handeln, in gewissen Seelenzuständen, an die ich mich erinnere.« | ||
{{ParPU|654}} Unser Fehler ist, dort nach einer Erklärung zu suchen, wo wir die Tatsachen als ›Urphänomene‹ sehen sollten. D. h., wo wir sagen sollten: ''dieses Sprachspiel wird gespielt''. | {{ParPU|654}} Unser Fehler ist, dort nach einer Erklärung zu suchen, wo wir die Tatsachen als ›Urphänomene‹ sehen sollten. D. h., wo wir sagen sollten: ''dieses Sprachspiel wird gespielt''. | ||
{{ParPU|655}} Nicht um die Erklärung eines Sprachspiels durch unsre Erlebnisse handelt sich’s, sondern um die Feststellung eines Sprachspiels. | {{ParPU|655}} Nicht um die Erklärung eines Sprachspiels durch unsre Erlebnisse handelt sich’s, sondern um die Feststellung eines Sprachspiels. | ||
Line 3,717: | Line 3,086: | ||
Man könnte fragen: Wie ist der Mensch je dahin gekommen, eine sprachliche Äußerung zu machen, die wir »Berichten eines vergangenen Wunsches«, oder einer vergangenen Absicht, nennen? | Man könnte fragen: Wie ist der Mensch je dahin gekommen, eine sprachliche Äußerung zu machen, die wir »Berichten eines vergangenen Wunsches«, oder einer vergangenen Absicht, nennen? | ||
{{ParPU|657}} Denken wir uns, diese Äußerung nehme immer die Form an: »Ich sagte mir: ›wenn ich nur länger bleiben könnte!‹« Der Zweck einer solchen Mitteilung könnte sein, den Andern meine Reaktionen kennen zu lehren. (Vergleiche die Grammatik von »meinen« und »vouloir dire«.) | {{ParPU|657}} Denken wir uns, diese Äußerung nehme immer die Form an: »Ich sagte mir: ›wenn ich nur länger bleiben könnte!‹« Der Zweck einer solchen Mitteilung könnte sein, den Andern meine Reaktionen kennen zu lehren. (Vergleiche die Grammatik von »meinen« und »vouloir dire«.) | ||
{{ParPU|658}} Denk, wir drückten die Absicht eines Menschen immer so aus, indem wir sagen: »Er sagte gleichsam zu sich selbst ›Ich will....‹« – Das ist das Bild. Und nun will ich wissen: Wie verwendet man den Ausdruck »etwas gleichsam zu sich selbst sagen«? Denn er bedeutet nicht: etwas zu sich selbst sagen. | {{ParPU|658}} Denk, wir drückten die Absicht eines Menschen immer so aus, indem wir sagen: »Er sagte gleichsam zu sich selbst ›Ich will....‹« – Das ist das Bild. Und nun will ich wissen: Wie verwendet man den Ausdruck »etwas gleichsam zu sich selbst sagen«? Denn er bedeutet nicht: etwas zu sich selbst sagen. | ||
Line 3,731: | Line 3,097: | ||
Ich erschließe ihm mein Inneres, wenn ich sage, was ich tun wollte. – Nicht aber auf Grund einer Selbstbeobachtung, sondern durch eine Reaktion (man könnte es auch eine Intuition nennen). | Ich erschließe ihm mein Inneres, wenn ich sage, was ich tun wollte. – Nicht aber auf Grund einer Selbstbeobachtung, sondern durch eine Reaktion (man könnte es auch eine Intuition nennen). | ||
Line 3,737: | Line 3,102: | ||
Im einen Fall die Erinnerung an eine Absicht, im ändern, an ein Verstehen. | Im einen Fall die Erinnerung an eine Absicht, im ändern, an ein Verstehen. | ||
{{ParPU|661}} Ich erinnere mich, ''ihn'' gemeint zu haben. Erinnere ich mich eines Vorgangs oder Zustands? – Wann fing er an; wie verlief er; etc.? | {{ParPU|661}} Ich erinnere mich, ''ihn'' gemeint zu haben. Erinnere ich mich eines Vorgangs oder Zustands? – Wann fing er an; wie verlief er; etc.? | ||
{{ParPU|662}} In einer nur um weniges verschiedenen Situation hätte er, statt stumm mit dem Finger zu winken, jemandem gesagt: »Sag dem N., er soll zu mir kommen«. Man kann nun sagen, die Worte »Ich wollte, N. solle zu mir kommen« beschreiben den damaligen Zustand meiner Seele, und kann es auch wieder ''nicht'' sagen. | {{ParPU|662}} In einer nur um weniges verschiedenen Situation hätte er, statt stumm mit dem Finger zu winken, jemandem gesagt: »Sag dem N., er soll zu mir kommen«. Man kann nun sagen, die Worte »Ich wollte, N. solle zu mir kommen« beschreiben den damaligen Zustand meiner Seele, und kann es auch wieder ''nicht'' sagen. | ||
{{ParPU|663}} Wenn ich sage »Ich meinte ''ihn''«, da mag mir wohl ein Bild vorschweben, etwa davon, wie ich ihn ansah, etc.; aber das Bild ist nur wie eine Illustration zu einer Geschichte. Aus ihr allein wäre meistens gar nichts zu erschließen; erst wenn man die Geschichte kennt, weiß man, was es mit dem Bild soll. | {{ParPU|663}} Wenn ich sage »Ich meinte ''ihn''«, da mag mir wohl ein Bild vorschweben, etwa davon, wie ich ihn ansah, etc.; aber das Bild ist nur wie eine Illustration zu einer Geschichte. Aus ihr allein wäre meistens gar nichts zu erschließen; erst wenn man die Geschichte kennt, weiß man, was es mit dem Bild soll. | ||
{{ParPU|664}} Man könnte im Gebrauch eines Worts eine ›Oberflächengrammatik‹ von einer ›Tiefengrammatik‹ unterscheiden. Das, was sich uns am Gebrauch eines Worts unmittelbar einprägt, ist seine Verwendungsweise im ''Satzbau'', der Teil seines Gebrauches – könnte man sagen – den man mit dem Ohr erfassen kann. –– Und nun vergleiche die Tiefengrammatik, des Wortes »meinen« etwa, mit dem, was seine Oberflächengrammatik uns würde vermuten lassen. Kein Wunder, wenn man es schwer findet, sich auszukennen. | {{ParPU|664}} Man könnte im Gebrauch eines Worts eine ›Oberflächengrammatik‹ von einer ›Tiefengrammatik‹ unterscheiden. Das, was sich uns am Gebrauch eines Worts unmittelbar einprägt, ist seine Verwendungsweise im ''Satzbau'', der Teil seines Gebrauches – könnte man sagen – den man mit dem Ohr erfassen kann. –– Und nun vergleiche die Tiefengrammatik, des Wortes »meinen« etwa, mit dem, was seine Oberflächengrammatik uns würde vermuten lassen. Kein Wunder, wenn man es schwer findet, sich auszukennen. | ||
Line 3,759: | Line 3,119: | ||
Aber wie, – kann ich denn nicht sagen »Mit ›abrakadabra‹ meine ich Zahnschmerzen«? Freilich; aber das ist eine Definition; nicht eine Beschreibung dessen, was in mir beim Aussprechen des Wortes vorgeht. | Aber wie, – kann ich denn nicht sagen »Mit ›abrakadabra‹ meine ich Zahnschmerzen«? Freilich; aber das ist eine Definition; nicht eine Beschreibung dessen, was in mir beim Aussprechen des Wortes vorgeht. | ||
{{ParPU|666}} Denke, du habest Schmerzen und zugleich hörst du, wie nebenan Klavier gestimmt wird. Du sagst: »Es wird bald aufhören.« Es ist doch wohl ein Unterschied, ob du den Schmerz meinst, oder das Klavierstimmen! – Freilich; aber worin besteht dieser Unterschied? Ich gebe zu: es wird in vielen Fällen der Meinung eine Richtung der Aufmerksamkeit entsprechen, sowie auch oft ein Blick, eine Geste, oder ein Schließen der Augen, das man ein »Nach-Innen-Blicken« nennen könnte. | {{ParPU|666}} Denke, du habest Schmerzen und zugleich hörst du, wie nebenan Klavier gestimmt wird. Du sagst: »Es wird bald aufhören.« Es ist doch wohl ein Unterschied, ob du den Schmerz meinst, oder das Klavierstimmen! – Freilich; aber worin besteht dieser Unterschied? Ich gebe zu: es wird in vielen Fällen der Meinung eine Richtung der Aufmerksamkeit entsprechen, sowie auch oft ein Blick, eine Geste, oder ein Schließen der Augen, das man ein »Nach-Innen-Blicken« nennen könnte. | ||
{{ParPU|667}} Denke, es simuliert Einer Schmerzen und sagt nun: »Es wird bald nachlassen«. Kann man nicht sagen, er meine den Schmerz? und doch konzentriert er seine Aufmerksamkeit auf keinen Schmerz. – Und wie, wenn ich endlich sage »Er hat schon aufgehört«? | {{ParPU|667}} Denke, es simuliert Einer Schmerzen und sagt nun: »Es wird bald nachlassen«. Kann man nicht sagen, er meine den Schmerz? und doch konzentriert er seine Aufmerksamkeit auf keinen Schmerz. – Und wie, wenn ich endlich sage »Er hat schon aufgehört«? | ||
{{ParPU|668}} Aber kann man nicht auch so lügen, indem man sagt »Es wird bald aufhören« und den Schmerz meint, – aber auf die Frage »Was hast du gemeint?« zur Antwort gibt: »Den Lärm im Nebenzimmer«? In Fällen dieser Art sagt man etwa: »Ich wollte antworten...., habe mir’s aber überlegt und geantwortet....« | {{ParPU|668}} Aber kann man nicht auch so lügen, indem man sagt »Es wird bald aufhören« und den Schmerz meint, – aber auf die Frage »Was hast du gemeint?« zur Antwort gibt: »Den Lärm im Nebenzimmer«? In Fällen dieser Art sagt man etwa: »Ich wollte antworten...., habe mir’s aber überlegt und geantwortet....« | ||
Line 3,777: | Line 3,133: | ||
Aber auch auf den Gegenstand ''zeigen'', von dem man spricht, kann ja für das Sprachspiel, für den Gedanken, unter Umständen ganz unwesentlich sein. | Aber auch auf den Gegenstand ''zeigen'', von dem man spricht, kann ja für das Sprachspiel, für den Gedanken, unter Umständen ganz unwesentlich sein. | ||
{{ParPU|670}} Denk, du telephonierst jemandem und sagst ihm: »Dieser Tisch ist zu hoch«, wobei du mit dem Finger auf den Tisch zeigst. Welche Rolle spielt hier das Zeigen? Kann ich sagen: ich ''meine'' den betreffenden Tisch, indem ich auf ihn zeige? Wozu dieses Zeigen, und wozu diese Worte und was sonst sie begleiten mag? | {{ParPU|670}} Denk, du telephonierst jemandem und sagst ihm: »Dieser Tisch ist zu hoch«, wobei du mit dem Finger auf den Tisch zeigst. Welche Rolle spielt hier das Zeigen? Kann ich sagen: ich ''meine'' den betreffenden Tisch, indem ich auf ihn zeige? Wozu dieses Zeigen, und wozu diese Worte und was sonst sie begleiten mag? | ||
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Das Horchen ''sucht'' gleichsam einen Gehörseindruck und kann daher auf ihn nicht zeigen, sondern nur auf den ''Ort'', wo es ihn sucht. | Das Horchen ''sucht'' gleichsam einen Gehörseindruck und kann daher auf ihn nicht zeigen, sondern nur auf den ''Ort'', wo es ihn sucht. | ||
{{ParPU|672}} Wenn die rezeptive Einstellung ein ›Hinweisen‹ auf etwas genannt wird, – dann nicht auf die Empfindung, die wir dadurch erhalten. | {{ParPU|672}} Wenn die rezeptive Einstellung ein ›Hinweisen‹ auf etwas genannt wird, – dann nicht auf die Empfindung, die wir dadurch erhalten. | ||
{{ParPU|673}} Die geistige Einstellung ›''begleitet''‹ das Wort nicht in demselben Sinne, wie eine Gebärde es begleitet. (Ähnlich, wie Einer allein reisen kann, und doch von meinen Wünschen begleitet, und wie ein Raum leer sein kann und doch vom Licht durchflossen.) | {{ParPU|673}} Die geistige Einstellung ›''begleitet''‹ das Wort nicht in demselben Sinne, wie eine Gebärde es begleitet. (Ähnlich, wie Einer allein reisen kann, und doch von meinen Wünschen begleitet, und wie ein Raum leer sein kann und doch vom Licht durchflossen.) | ||
{{ParPU|674}} Sagt man z.B.: »Ich habe jetzt eigentlich nicht meinen Schmerz gemeint; ich habe nicht genügend auf ihn Acht gegeben«? Frage ich mich etwa: »Was habe ich denn jetzt mit diesem Wort gemeint? meine Aufmerksamkeit war zwischen meinem Schmerz und dem Lärm geteilt – «? | {{ParPU|674}} Sagt man z.B.: »Ich habe jetzt eigentlich nicht meinen Schmerz gemeint; ich habe nicht genügend auf ihn Acht gegeben«? Frage ich mich etwa: »Was habe ich denn jetzt mit diesem Wort gemeint? meine Aufmerksamkeit war zwischen meinem Schmerz und dem Lärm geteilt – «? | ||
{{ParPU|675}} »Sag mir, was ist in dir vorgegangen, als du die Worte …. aussprachst?« – Darauf ist die Antwort nicht »Ich habe gemeint ....«! | {{ParPU|675}} »Sag mir, was ist in dir vorgegangen, als du die Worte …. aussprachst?« – Darauf ist die Antwort nicht »Ich habe gemeint ....«! | ||
{{ParPU|676}} »Ich meinte mit dem Wort ''dies''« ist eine Mitteilung, die anders verwendet wird als die einer Affektion der Seele. | {{ParPU|676}} »Ich meinte mit dem Wort ''dies''« ist eine Mitteilung, die anders verwendet wird als die einer Affektion der Seele. | ||
Line 3,813: | Line 3,161: | ||
Und man sagt allerdings auch: »Ich habe bei diesem Wort halb und halb an ihn gedacht.« | Und man sagt allerdings auch: »Ich habe bei diesem Wort halb und halb an ihn gedacht.« | ||
{{ParPU|678}} Worin besteht dieses Meinen (der Schmerzen oder des Klavierstimmens)? Es kommt keine Antwort – denn die Antworten, die sich uns auf den ersten Blick anbieten, taugen nicht. – »Und doch ''meinte'' ich damals das eine und nicht das andre.« Ja, – nun hast du nur einen Satz mit Emphase wiederholt, dem ja niemand widersprochen hat. | {{ParPU|678}} Worin besteht dieses Meinen (der Schmerzen oder des Klavierstimmens)? Es kommt keine Antwort – denn die Antworten, die sich uns auf den ersten Blick anbieten, taugen nicht. – »Und doch ''meinte'' ich damals das eine und nicht das andre.« Ja, – nun hast du nur einen Satz mit Emphase wiederholt, dem ja niemand widersprochen hat. | ||
{{ParPU|679}} »Kannst du aber zweifeln, daß du ''das'' meintest?« – Nein; aber sicher sein, es wissen, kann ich auch nicht. | {{ParPU|679}} »Kannst du aber zweifeln, daß du ''das'' meintest?« – Nein; aber sicher sein, es wissen, kann ich auch nicht. | ||
{{ParPU|680}} Wenn du mir sagst, du habest geflucht und dabei den N. gemeint, so wird es mir gleichgültig sein, ob du dabei sein Bild angeschaut, ob du dir ihn vorgestellt hast, seinen Namen aussprachst, etc. Die Schlüsse aus dem Faktum, die mich interessieren, haben damit nichts zu tun. Anderseits aber könnte es sein, daß Einer mir erklärt, der Fluch sei nur dann ''wirksam'', wenn man sich den Menschen klar vorstellt, oder seinen Namen laut ausspricht. Aber man würde nicht sagen: »Es kommt darauf an, wie der Fluchende sein Opfer ''meint''.« | {{ParPU|680}} Wenn du mir sagst, du habest geflucht und dabei den N. gemeint, so wird es mir gleichgültig sein, ob du dabei sein Bild angeschaut, ob du dir ihn vorgestellt hast, seinen Namen aussprachst, etc. Die Schlüsse aus dem Faktum, die mich interessieren, haben damit nichts zu tun. Anderseits aber könnte es sein, daß Einer mir erklärt, der Fluch sei nur dann ''wirksam'', wenn man sich den Menschen klar vorstellt, oder seinen Namen laut ausspricht. Aber man würde nicht sagen: »Es kommt darauf an, wie der Fluchende sein Opfer ''meint''.« | ||
Line 3,831: | Line 3,175: | ||
So ist also wohl diese Verbindung sehr leicht herzustellen, daß man ihrer so sicher sein kann?! Wissen kann, daß sie nicht daneben geht. – Nun, kann es mir passieren, daß ich an den ''Einen'' schreiben will und tatsächlich an den Andern schreibe? und wie könnte das geschehen? | So ist also wohl diese Verbindung sehr leicht herzustellen, daß man ihrer so sicher sein kann?! Wissen kann, daß sie nicht daneben geht. – Nun, kann es mir passieren, daß ich an den ''Einen'' schreiben will und tatsächlich an den Andern schreibe? und wie könnte das geschehen? | ||
{{ParPU|682}} »Du sagtest ›Es wird bald aufhören‹. – Hast du an den Lärm gedacht, oder an deine Schmerzen?« Wenn er nun antwortet »Ich habe ans Klavierstimmen gedacht« – konstatiert er, es habe diese Verbindung bestanden, oder schlägt er sie mit diesen Worten? – Kann ich nicht ''beides'' sagen? Wenn, was er sagte, wahr war, bestand da nicht jene Verbindung – und schlägt er nicht dennoch eine, die nicht bestand? | {{ParPU|682}} »Du sagtest ›Es wird bald aufhören‹. – Hast du an den Lärm gedacht, oder an deine Schmerzen?« Wenn er nun antwortet »Ich habe ans Klavierstimmen gedacht« – konstatiert er, es habe diese Verbindung bestanden, oder schlägt er sie mit diesen Worten? – Kann ich nicht ''beides'' sagen? Wenn, was er sagte, wahr war, bestand da nicht jene Verbindung – und schlägt er nicht dennoch eine, die nicht bestand? | ||
{{ParPU|683}} Ich zeichne einen Kopf. Du fragst »Wen soll das vorstellen?« – Ich: »Das soll N. sein.« – Du: »Es sieht ihm aber nicht ähnlich; eher noch dem M.« – Als ich sagte, es stelle den N. vor, – machte ich einen Zusammenhang, oder berichtete ich von einem? Welcher Zusammenhang hatte denn bestanden? | {{ParPU|683}} Ich zeichne einen Kopf. Du fragst »Wen soll das vorstellen?« – Ich: »Das soll N. sein.« – Du: »Es sieht ihm aber nicht ähnlich; eher noch dem M.« – Als ich sagte, es stelle den N. vor, – machte ich einen Zusammenhang, oder berichtete ich von einem? Welcher Zusammenhang hatte denn bestanden? | ||
{{ParPU|684}} Was ist dafür zu sagen, daß meine Worte einen Zusammenhang, der bestanden hat, beschreiben? Nun, sie beziehen sich auf Verschiedenes, was nicht erst mit ihnen in die Erscheinung trat. Sie sagen, z.B., daß ich damals eine bestimmte Antwort gegeben ''hätte'', wenn ich gefragt worden wäre. Und wenn dies auch nur konditional ist, so sagt es doch etwas über die Vergangenheit. | {{ParPU|684}} Was ist dafür zu sagen, daß meine Worte einen Zusammenhang, der bestanden hat, beschreiben? Nun, sie beziehen sich auf Verschiedenes, was nicht erst mit ihnen in die Erscheinung trat. Sie sagen, z.B., daß ich damals eine bestimmte Antwort gegeben ''hätte'', wenn ich gefragt worden wäre. Und wenn dies auch nur konditional ist, so sagt es doch etwas über die Vergangenheit. | ||
Line 3,849: | Line 3,189: | ||
Zu sagen, es müsse dabei etwas anderes geschehen, wäre ähnlich, als sagte man: die Sätze »Heute ist mein Geburtstag« und »Am 26. April ist mein Geburtstag« müßten sich auf verschiedene Tage beziehen, da ihr Sinn nicht der gleiche sei. | Zu sagen, es müsse dabei etwas anderes geschehen, wäre ähnlich, als sagte man: die Sätze »Heute ist mein Geburtstag« und »Am 26. April ist mein Geburtstag« müßten sich auf verschiedene Tage beziehen, da ihr Sinn nicht der gleiche sei. | ||
Line 3,855: | Line 3,194: | ||
»Ich wollte, B sollte zu mir kommen, damit ....« – Alles dies deutet auf einen größern Zusammenhang. | »Ich wollte, B sollte zu mir kommen, damit ....« – Alles dies deutet auf einen größern Zusammenhang. | ||
{{ParPU|687}} Statt »Ich habe ihn gemeint« kann man freilich manchmal sagen »Ich habe an ihn gedacht«; manchmal auch »Ja, wir haben von ihm geredet«. Also frag dich, worin es besteht ›von ihm reden‹! | {{ParPU|687}} Statt »Ich habe ihn gemeint« kann man freilich manchmal sagen »Ich habe an ihn gedacht«; manchmal auch »Ja, wir haben von ihm geredet«. Also frag dich, worin es besteht ›von ihm reden‹! | ||
{{ParPU|688}} Man kann unter Umständen sagen: »Als ich sprach, empfand ich, ich sagte es ''dir''.« Aber das würde ich nicht sagen, wenn ich ohnehin mit dir sprach. | {{ParPU|688}} Man kann unter Umständen sagen: »Als ich sprach, empfand ich, ich sagte es ''dir''.« Aber das würde ich nicht sagen, wenn ich ohnehin mit dir sprach. | ||
Line 3,873: | Line 3,209: | ||
(Man vergleicht »ihn meinen« mit »auf ihn zielen«.) | (Man vergleicht »ihn meinen« mit »auf ihn zielen«.) | ||
{{ParPU|690}} Wie, wenn ich einmal eine scheinbar unschuldige Bemerkung mache und sie mit einem verstohlenen Seitenblick auf jemand begleite; ein andermal, vor mich niedersehend, offen über einen Anwesenden rede, indem ich seinen Namen nenne, – denke ich wirklich ''eigens'' an ihn, wenn ich seinen Namen gebrauche? | {{ParPU|690}} Wie, wenn ich einmal eine scheinbar unschuldige Bemerkung mache und sie mit einem verstohlenen Seitenblick auf jemand begleite; ein andermal, vor mich niedersehend, offen über einen Anwesenden rede, indem ich seinen Namen nenne, – denke ich wirklich ''eigens'' an ihn, wenn ich seinen Namen gebrauche? | ||
Line 3,887: | Line 3,221: | ||
''Wie ruft er ihn?'' | ''Wie ruft er ihn?'' | ||
{{ParPU|692}} Ist es richtig, wenn Einer sagt: »Als ich dir diese Regel gab, meinte ich, du solltest in diesem Falle....«? Auch wenn er, als er die Regel gab, an diesen Fall gar nicht dachte? Freilich ist es richtig. »Es meinen« hieß eben nicht: daran denken. Die Frage ist nun aber: Wie haben wir zu beurteilen, ob Einer dies gemeint hat? – Daß er z.B. eine bestimmte Technik der Arithmetik und Algebra beherrschte und dem Andern den gewöhnlichen Unterricht im Entwickeln einer Reihe gab, ist so ein Kriterium. | {{ParPU|692}} Ist es richtig, wenn Einer sagt: »Als ich dir diese Regel gab, meinte ich, du solltest in diesem Falle....«? Auch wenn er, als er die Regel gab, an diesen Fall gar nicht dachte? Freilich ist es richtig. »Es meinen« hieß eben nicht: daran denken. Die Frage ist nun aber: Wie haben wir zu beurteilen, ob Einer dies gemeint hat? – Daß er z.B. eine bestimmte Technik der Arithmetik und Algebra beherrschte und dem Andern den gewöhnlichen Unterricht im Entwickeln einer Reihe gab, ist so ein Kriterium. | ||
{{ParPU|693}} »Wenn ich Einen die Bildung der Reihe .... lehre, meine ich doch, er solle an der hundertsten Stelle .... schreiben.« – Ganz richtig: du meinst es. Und offenbar, ohne notwendigerweise auch nur daran zu denken. Das zeigt dir, wie verschieden die Grammatik des Zeitworts »meinen« von der des Zeitworts »denken« ist. Und nichts Verkehrteres, als Meinen eine geistige Tätigkeit nennen! Wenn man nämlich nicht darauf ausgeht, Verwirrung zu erzeugen. (Man könnte auch von einer Tätigkeit der Butter reden, wenn sie im Preise steigt; und wenn dadurch keine Probleme erzeugt werden, so ist es harmlos.) | {{ParPU|693}} »Wenn ich Einen die Bildung der Reihe .... lehre, meine ich doch, er solle an der hundertsten Stelle .... schreiben.« – Ganz richtig: du meinst es. Und offenbar, ohne notwendigerweise auch nur daran zu denken. Das zeigt dir, wie verschieden die Grammatik des Zeitworts »meinen« von der des Zeitworts »denken« ist. Und nichts Verkehrteres, als Meinen eine geistige Tätigkeit nennen! Wenn man nämlich nicht darauf ausgeht, Verwirrung zu erzeugen. (Man könnte auch von einer Tätigkeit der Butter reden, wenn sie im Preise steigt; und wenn dadurch keine Probleme erzeugt werden, so ist es harmlos.) |