Bemerkungen über Frazers “The Golden Bough”: Difference between revisions

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ist nur wahr, sofern sie überhaupt bei dem meisten, was Menschen tun, nahe liegt.
ist nur wahr, sofern sie überhaupt bei dem meisten, was Menschen tun, nahe liegt.


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Wenn ein Mensch in unserer (oder doch meiner) Gesellschaft zu viel lacht, so presse ich halb unwillkürlich die Lippen zusammen, als
Wenn ein Mensch in unserer (oder doch meiner) Gesellschaft zu viel lacht, so presse ich halb unwillkürlich die Lippen zusammen, als


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'''(MS 143, p. 2)'''
'''(MS 143, p. 2)'''


170
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Der Unsinn ist hier, dass Frazer es so darstellt, als hätten diese Völker eine vollkommen falsche (ja wahnsinnige) Vorstellung vom Laufe der Natur, während sie nur eine merkwürdige Interpretation der Phänomene besitzen. D.h. ihre Naturkenntnis, wenn sie sie niederschrieben, würde von der unsern sich nicht ''fundamental'' unterscheiden. Nur ihre ''Magie'' ist anders.
Der Unsinn ist hier, dass Frazer es so darstellt, als hätten diese Völker eine vollkommen falsche (ja wahnsinnige) Vorstellung vom Laufe der Natur, während sie nur eine merkwürdige Interpretation der Phänomene besitzen. D.h. ihre Naturkenntnis, wenn sie sie niederschrieben, würde von der unsern sich nicht ''fundamental'' unterscheiden. Nur ihre ''Magie'' ist anders.


'''(MS 143, p. 3)'''
'''(MS 143, p. 3)'''


171
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―A network of prohibitions and observances of which the intention is not to contribute to his dignity...‖ Das ist wahr und falsch. Freilich nicht die Würde des Schutzes der Person wohl aber die — sozusagen — natürliche Heiligkeit der Gottheit in ihm.]
―A network of prohibitions and observances of which the intention is not to contribute to his dignity...‖ Das ist wahr und falsch. Freilich nicht die Würde des Schutzes der Person wohl aber die — sozusagen
 
— natürliche Heiligkeit der Gottheit in ihm.]
 


So einfach es klingt: der Unterschied zwischen Magie und Wissenschaft kann dahin ausgedrückt werden, dass
So einfach es klingt: der Unterschied zwischen Magie und Wissenschaft kann dahin ausgedrückt werden, dass
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'''(MS 143, p. 5''')
'''(MS 143, p. 5''')


[179
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Wie viel mehr Wahrheit darin, dass der Seele dieselbe Multiplizität gegeben wird wie dem Leib als in einer modernen verwässerten Theorie.
Wie viel mehr Wahrheit darin, dass der Seele dieselbe Multiplizität
 
gegeben wird wie dem Leib als in einer modernen verwässerten Theorie.
 


Frazer merkt nicht, dass wir da Platos und Schopenhauers Lehre vor uns haben.
Frazer merkt nicht, dass wir da Platos und Schopenhauers Lehre vor uns haben.


'''(MS 143, p. 6)'''
'''(MS 143, p. 6)'''


Alle kindlichen (infantilen) Theorien finden wir in der heutigen Philosophie wieder; nur nicht mit dem Gewinnenden des Kindlichen.
Alle kindlichen (infantilen) Theorien finden wir in der heutigen Philosophie wieder; nur nicht mit dem Gewinnenden des Kindlichen.


'''(MS 143, p. 7)''']
'''(MS 143, p. 7)''']


614
614


 
Das Auffallendste schiene mir außer den Ähnlichkeiten die Verschiedenheit aller dieser Riten zu sein. Es ist eine Mannigfaltigkeit von Gesichtern mit gemeinsamen Zügen die da und dort immer wieder auftauchen. Und was man tun möchte, ist Linien ziehen, die die gemeinsamen Bestandteile verbinden. Es fehlt dann
Das Auffallendste schiene mir außer den Ähnlichkeiten die Verschiedenheit aller dieser Riten zu sein. Es ist eine Mannigfaltigkeit von Gesichtern mit gemeinsamen Zügen die da und
 
dort immer wieder auftauchen. Und was man tun möchte, ist Linien ziehen, die die gemeinsamen Bestandteile verbinden. Es fehlt dann
 
 


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'''(MS 143, p. 8)'''
'''(MS 143, p. 8)'''


In allen diesen Gebräuchen sieht man allerdings etwas, der Ideenassoziation ''Ähnliches'' und mit ihr Verwandtes. Man könnte von einer Assoziation der Gebräuche reden.
In allen diesen Gebräuchen sieht man allerdings etwas, der Ideenassoziation ''Ähnliches'' und mit ihr Verwandtes. Man könnte von einer Assoziation der Gebräuche reden.


'''(MS 143, p. 9)'''
'''(MS 143, p. 9)'''


618
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Nichts spricht dafür, warum das Feuer mit solchem Nimbus umgeben sein sollte. Und, wie seltsam, was heißt es eigentlich „es schien vom Himmel gekommen zu sein‖? von welchem Himmel. Nein, es ist gar nicht selbstverständlich, dass das Feuer so betrachtet wird; — aber es wird eben so betrachtet.
Nichts spricht dafür, warum das Feuer mit solchem Nimbus umgeben sein sollte. Und, wie seltsam, was heißt es eigentlich „es schien vom Himmel gekommen zu sein‖? von welchem Himmel. Nein, es ist gar nicht selbstverständlich, dass das Feuer so betrachtet wird; — aber es wird eben so betrachtet.


'''(MS 143, p. 10)'''
'''(MS 143, p. 10)'''


618
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Hier scheint die Hypothese erst der Sache Tiefe zu geben. Und man kann sich an die Erklärung des seltsamen Verhältnisses von Siegfried und Brunhild im neueren Nibelungenlied erinnern. Nämlich dass Siegfried Brunhilde schon früher einmal gesehen zu haben scheint. Es ist nun klar, dass, was diesem Gebrauch Tiefe gibt, sein ''Zusammenhang'' mit dem Verbrennen eines Menschen ist. Wenn es bei irgendeinem Fest Sitte wäre, dass Menschen (wie beim Roß-und- Reiter-Spiel) auf einander reiten, so würden wir darin nichts sehen als eine Form des Tragens, die an das Reiten des Menschen auf einem Pferd erinnert; — wüssten wir aber, dass es unter vielen Völkern Sitte gewesen wäre «i etwa» Sklaven als Reittiere zu benützen und so beritten gewisse Feste zu feiern, so würden wir jetzt in dem harmlosen Gebrauch unserer Zeit etwas Tieferes und weniger Harmloses entdecken. «sehen». «finden». Die Frage ist: haftet dieses — sagen wir — Finstere dem Gebrauch des Beltane Feuers wie er vor 100 Jahren geübt wurde (an sich) an, oder nur dann, wenn die Hypothese seiner Entstehung sich bewahrheiten sollte. Ich glaube, es ist offenbar die innere
Hier scheint die Hypothese erst der Sache Tiefe zu geben. Und man kann sich an die Erklärung des seltsamen Verhältnisses von Siegfried und Brunhild im neueren Nibelungenlied erinnern. Nämlich dass Siegfried Brunhilde schon früher einmal gesehen zu haben scheint. Es ist nun klar, dass, was diesem Gebrauch Tiefe gibt, sein ''Zusammenhang'' mit dem Verbrennen eines Menschen ist. Wenn es bei irgendeinem Fest Sitte wäre, dass Menschen (wie beim Roß-und- Reiter-Spiel) auf einander reiten, so würden wir darin nichts sehen als eine Form des Tragens, die an das Reiten des Menschen auf einem Pferd erinnert; — wüssten wir aber, dass es unter vielen Völkern Sitte gewesen wäre «i etwa» Sklaven als Reittiere zu benützen und so beritten gewisse Feste zu feiern, so würden wir jetzt in dem harmlosen Gebrauch unserer Zeit etwas Tieferes und weniger Harmloses entdecken. «sehen». «finden». Die Frage ist: haftet dieses
 
— sagen wir — Finstere dem Gebrauch des Beltane Feuers wie er vor 100 Jahren geübt wurde (an sich) an, oder nur dann, wenn die Hypothese seiner Entstehung sich bewahrheiten sollte. Ich glaube, es ist offenbar die innere


'''(MS 143, p. 11)'''
'''(MS 143, p. 11)'''


Natur des «neuzeitlichen» Gebrauchs selbst, die uns finster anmutet, und die uns bekannten Tatsachen von Menschenopfern weisen nur die Richtung, in der wir den Gebrauch ansehen sollen. Wenn ich von
Natur des «neuzeitlichen» Gebrauchs selbst, die uns finster anmutet, und die uns bekannten Tatsachen von Menschenopfern weisen nur die Richtung, in der wir den Gebrauch ansehen sollen. Wenn ich von


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der inneren Natur des Gebrauchs rede, meine ich alle Umstände, in denen er geübt wird, und die in dem Bericht von so einem Fest nicht enthalten sind, da sie nicht sowohl in bestimmten Handlungen bestehen, die das Fest charakterisieren, als in dem was man den Geist des Festes nennen könnte, welcher beschrieben würde, indem man
der inneren Natur des Gebrauchs rede, meine ich alle Umstände, in denen er geübt wird, und die in dem Bericht von so einem Fest nicht enthalten sind, da sie nicht sowohl in bestimmten Handlungen bestehen, die das Fest charakterisieren, als in dem was man den Geist des Festes nennen könnte, welcher beschrieben würde, indem man z.B. die Art von Leuten beschriebe, die daran teilnehmen, ihre übrige Handlungsweise, d.h. ihren Charakter; die Art der Spiele, die sie sonst spielen. Und man würde dann sehen, dass das Finstere im Charakter dieser Menschen selbst liegt.
 
z.B. die Art von Leuten beschriebe, die daran teilnehmen, ihre übrige Handlungsweise, d.h. ihren Charakter; die Art der Spiele, die sie sonst spielen. Und man würde dann sehen, dass das Finstere im Charakter dieser Menschen selbst liegt.


'''(MS 143, p. 12)'''
'''(MS 143, p. 12)'''


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Hier sieht etwas aus wie die Überreste eines Losens. Und durch diesen Aspekt gewinnt es plötzlich Tiefe. Würden wir erfahren, dass der Kuchen mit den Knöpfen in einem bestimmten Fall etwa «ursprünglich» zu Ehren eines Knopfmachers «zu seinem Geburtstag» gebacken worden sei und sich der Gebrauch dann in der Gegend  erhalten habe,  so würde  dieser Gebrauch  tatsächlich alles „Tiefe‖ verlieren, es sei denn, dass es in seiner gegenwärtigen Form an sich liegt. Aber man sagt in so einem Fall oft: „dieser Gebrauch ist ''offenbar'' uralt‖. Woher weiß man das? Ist es nur weil man historisches Zeugnis über derartige alte Gebräuche hat? Oder hat es noch einen andern Grund, einen den man durch Interpretation gewinnt? Aber auch, wenn die vorzeitliche Herkunft des Gebrauchs und die Abstammung von einem finstern Gebrauch historisch erwiesen ist, so ist es doch möglich, dass der Gebrauch heute ''gar nichts'' mehr Finsteres an sich hat, dass nichts von dem vorzeitlichen Grauen an ihm hängen geblieben ist. Vielleicht wird er heute nur mehr von Kindern geübt, die im Kuchenbacken und Verzieren mit Knöpfen wetteifern.
Hier sieht etwas aus wie die Überreste eines Losens. Und durch diesen Aspekt gewinnt es plötzlich Tiefe. Würden wir erfahren, dass der   Kuchen   mit   den   Knöpfen in   einem  bestimmten   Fall etwa
 
«ursprünglich» zu Ehren eines Knopfmachers «zu seinem Geburtstag» gebacken worden sei und sich der Gebrauch dann in der Gegend  erhalten habe,  so würde  dieser Gebrauch  tatsächlich alles
 
„Tiefe‖ verlieren, es sei denn, dass es in seiner gegenwärtigen Form an sich liegt. Aber man sagt in so einem Fall oft: „dieser Gebrauch ist ''offenbar'' uralt‖. Woher weiß man das? Ist es nur weil man historisches Zeugnis über derartige alte Gebräuche hat? Oder hat es noch einen andern Grund, einen den man durch Interpretation gewinnt? Aber auch, wenn die vorzeitliche Herkunft des Gebrauchs und die Abstammung von einem finstern Gebrauch historisch erwiesen ist, so ist es doch möglich, dass der Gebrauch heute ''gar nichts'' mehr Finsteres an sich hat, dass nichts von dem vorzeitlichen Grauen an ihm hängen geblieben ist. Vielleicht wird er heute nur mehr von Kindern geübt, die im Kuchenbacken und Verzieren mit Knöpfen wetteifern.


'''(MS 143, p. 13)'''
'''(MS 143, p. 13)'''


Dann liegt das Tiefe also nur im Gedanken an jene Abstammung. Aber diese kann doch ganz unsicher sein und man möchte sagen:
Dann liegt das Tiefe also nur im Gedanken an jene Abstammung. Aber diese kann doch ganz unsicher sein und man möchte sagen:


„wozu sich über eine so unsichere Sache Sorgen machen «sorgen»‖ (wie eine rückwärts schauende Kluge Else). Aber solche Sorgen sind es nicht. — Vor allem: woher die Sicherheit dass ein solcher Gebrauch  uralt  sein  muss  (was  sind  unsre  Daten,  was  ist  die
„wozu sich über eine so unsichere Sache Sorgen machen «sorgen»‖ (wie eine rückwärts schauende Kluge Else). Aber solche Sorgen sind es nicht. — Vor allem: woher die Sicherheit dass ein solcher Gebrauch uralt sein muss (was sind unsre Daten, was ist die Verifikation)? Aber haben wir denn eine Sicherheit, können wir uns nicht  darin irren und des  Irrtums «i historisch» überführt  werden?
 
Verifikation)? Aber haben wir denn eine Sicherheit, können wir uns nicht  darin irren und des  Irrtums «i historisch» überführt  werden?
 
 


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'''(MS 143, p. 14)'''
'''(MS 143, p. 14)'''


hat, so war das eine finstere tiefe Geschichte. Ich will sagen: Das Finstere, Tiefe liegt nicht darin, dass es sich mit der Geschichte dieses Gebrauches so verhalten hat, denn vielleicht hat es sich gar nicht so verhalten; auch nicht darin, dass es sich vielleicht oder wahrscheinlich so verhalten hat, sondern in dem, was mir Grund gibt, das anzunehmen. Ja woher überhaupt das Tiefe und Finstere im Menschenopfer. Denn sind es nur die Leiden des Opfers die uns den Eindruck machen? Krankheiten aller Art, die mit ebensoviel Leiden verbunden sind, rufen diesen Eindruck ''doch'' nicht hervor. Nein, dies Tiefe und Finstere versteht sich nicht von selbst, wenn wir nur die Geschichte der äußeren Handlung erfahren, sondern ''wir'' tragen es
hat, so war das eine finstere tiefe Geschichte. Ich will sagen: Das Finstere, Tiefe liegt nicht darin, dass es sich mit der Geschichte dieses Gebrauches so verhalten hat, denn vielleicht hat es sich gar nicht so verhalten; auch nicht darin, dass es sich vielleicht oder wahrscheinlich so verhalten hat, sondern in dem, was mir Grund gibt, das anzunehmen. Ja woher überhaupt das Tiefe und Finstere im Menschenopfer. Denn sind es nur die Leiden des Opfers die uns den Eindruck machen? Krankheiten aller Art, die mit ebensoviel Leiden verbunden sind, rufen diesen Eindruck ''doch'' nicht hervor. Nein, dies Tiefe und Finstere versteht sich nicht von selbst, wenn wir nur die Geschichte der äußeren Handlung erfahren, sondern ''wir'' tragen es wieder hinein aus einer Erfahrung in unserm Innern.
 
wieder hinein aus einer Erfahrung in unserm Innern.
 


Die Tatsache, dass das Los durch einen Kuchen gezogen wird, hat (auch) etwas besonders Schreckliches (beinahe wie der Verrat durch einen Kuss), und dass uns das besonders schrecklich anmutet, hat wieder eine wesentliche Bedeutung für die Untersuchung solcher
Die Tatsache, dass das Los durch einen Kuchen gezogen wird, hat (auch) etwas besonders Schreckliches (beinahe wie der Verrat durch einen Kuss), und dass uns das besonders schrecklich anmutet, hat wieder eine wesentliche Bedeutung für die Untersuchung solcher
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Gebräuche {eines solchen Gebrauchs}.
Gebräuche {eines solchen Gebrauchs}.


 
Es ist, wenn ich so einen Gebrauch sehe, von ihm höre, wie wenn ich einen Mann sehe, wie er bei «Gelegenheit» geringfügigem Anlass streng mit einem andern spricht, und aus dem Ton «i der Stimme» und dem Gesicht merke, dass dieser Mann bei gegebenem Anlass furchtbar sein kann. Der Eindruck, den ich hier erhalte, kann ein sehr tiefer und außerordentlich ernster sein.
Es ist, wenn ich so einen Gebrauch sehe, von ihm höre, wie wenn ich einen Mann sehe, wie er bei «Gelegenheit» geringfügigem Anlass streng mit einem andern spricht, und aus dem Ton «i der Stimme» und dem Gesicht merke, dass dieser Mann bei gegebenem Anlass furchtbar sein kann. Der Eindruck, den ich hier erhalte, kann ein sehr
 
tiefer und außerordentlich ernster sein.
 


Die ''Umgebung'' einer Handlungsweise.
Die ''Umgebung'' einer Handlungsweise.


 
Eine <s>Annahme</s> Überzeugung liegt jedenfalls den Annahmen über den Ursprung des Beltanefestes — z.B. — zu Grunde; die ist, dass solche Feste   nicht   von   einem   Menschen,   sozusagen   aufs Geratewohl,
Eine <s>Annahme</s> Überzeugung liegt jedenfalls den Annahmen über den Ursprung des Beltanefestes — z.B. — zu Grunde; die ist, dass solche
 
Feste   nicht   von   einem   Menschen,   sozusagen   aufs Geratewohl,
 
 


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erfunden werden, sondern eine unendlich viel breitere Basis brauchen, um sich zu erhalten. Wollte ich ein Fest erfinden, so würde es baldigst aussterben oder aber auf solcher Weise modifiziert
erfunden werden, sondern eine unendlich viel breitere Basis brauchen, um sich zu erhalten. Wollte ich ein Fest erfinden, so würde es baldigst aussterben oder aber auf solcher Weise modifiziert werden, dass es einem allgemeinen Hang der Leute entspricht.
 
werden, dass es einem allgemeinen Hang der Leute entspricht.
 


Was aber wehrt sich dagegen anzunehmen, das Beltanefest sei immer in der gegenwärtigen (oder jüngstvergangenen) Form gefeiert worden? Man möchte sagen: Es ist zu sinnlos, um so erfunden worden
Was aber wehrt sich dagegen anzunehmen, das Beltanefest sei immer in der gegenwärtigen (oder jüngstvergangenen) Form gefeiert worden? Man möchte sagen: Es ist zu sinnlos, um so erfunden worden
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'''(MS 143, p. 16)'''
'''(MS 143, p. 16)'''


zu sein. Ist es nicht, wie wenn ich eine Ruine sehe und sage: das muss einmal ein Haus gewesen sein, denn niemand würde einen so beschaffenen Haufen behauener und unregelmäßiger Steine errichten? Und wenn gefragt würde: Woher weißt du das, so könnte ich nur sagen: Meine Erfahrung mit den Menschen lehrt es mich. Ja
zu sein. Ist es nicht, wie wenn ich eine Ruine sehe und sage: das muss einmal ein Haus gewesen sein, denn niemand würde einen so beschaffenen Haufen behauener und unregelmäßiger Steine errichten? Und wenn gefragt würde: Woher weißt du das, so könnte ich nur sagen: Meine Erfahrung mit den Menschen lehrt es mich. Ja selbst da, wo sie wirklich Ruinen bauen, nehmen sie die Formen von eingestürzten Häusern her.
 
selbst da, wo sie wirklich Ruinen bauen, nehmen sie die Formen von eingestürzten Häusern her.
 


Man könnte auch so sagen: Wer uns mit der Erzählung vom Beltanefest einen Eindruck machen wollte, brauchte jedenfalls die Hypothese von seiner Herkunft nicht zu äußern, sondern er brauchte uns nur das Material (das zu dieser Hypothese führt) vorlegen und nichts weiter dazu sagen. Nun möchte man vielleicht sagen:
Man könnte auch so sagen: Wer uns mit der Erzählung vom Beltanefest einen Eindruck machen wollte, brauchte jedenfalls die Hypothese von seiner Herkunft nicht zu äußern, sondern er brauchte uns nur das Material (das zu dieser Hypothese führt) vorlegen und nichts weiter dazu sagen. Nun möchte man vielleicht sagen:
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'''(MS 143, p. 17)'''
'''(MS 143, p. 17)'''


Aber könnte ich da nicht ebenso gut fragen: Wenn ich sehe, wie einer umgebracht wird, — impressioniert mich da einfach, was ich sehe,
Aber könnte ich da nicht ebenso gut fragen: Wenn ich sehe, wie einer umgebracht wird, — impressioniert mich da einfach, was ich sehe, oder erst die Hypothese, dass hier ein Mensch umgebracht wird?
 
oder erst die Hypothese, dass hier ein Mensch umgebracht wird?
 
 
Aber es ist ja nicht einfach der Gedanke an die mögliche Herkunft des Beltanefestes, welcher den Eindruck mit sich führt, sondern, was man die ungeheure Wahrscheinlichkeit dieses Gedankens nennt. Als
 
das, was vom Material hergenommen ist.


Aber es ist ja nicht einfach der Gedanke an die mögliche Herkunft des Beltanefestes, welcher den Eindruck mit sich führt, sondern, was man die ungeheure Wahrscheinlichkeit dieses Gedankens nennt. Als das, was vom Material hergenommen ist.


So wie das Beltanefest auf uns gekommen ist, ist es ja ein Schauspiel
So wie das Beltanefest auf uns gekommen ist, ist es ja ein Schauspiel


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und ähnlich wie wenn Kinder Räuber spielen. Aber doch nicht so. Denn wenn es auch abgekartet ist, dass die Partei, die das Opfer rettet, gewinnt, so hat doch was geschieht noch immer einen Temperamentszusatz, den die bloße schauspielerische Darstellung nicht hat. — Aber auch wenn es sich bloß um eine ganz kühle Darstellung handelte, würden wir uns doch beunruhigt fragen: was soll diese Darstellung, was ist ihr ''Sinn''?! Und sie könnte uns abgesehen von jeder Deutung dann durch ihre eigentümliche Sinnlosigkeit beunruhigen. (Was zeigt, welcher Art der Grund so einer Beunruhigung sein kann.) Würde nun etwa eine harmlose Deutung gegeben: Das
und ähnlich wie wenn Kinder Räuber spielen. Aber doch nicht so. Denn wenn es auch abgekartet ist, dass die Partei, die das Opfer rettet, gewinnt, so hat doch was geschieht noch immer einen Temperamentszusatz, den die bloße schauspielerische Darstellung nicht hat. — Aber auch wenn es sich bloß um eine ganz kühle Darstellung handelte, würden wir uns doch beunruhigt fragen: was soll diese Darstellung, was ist ihr ''Sinn''?! Und sie könnte uns abgesehen von jeder Deutung dann durch ihre eigentümliche Sinnlosigkeit beunruhigen. (Was zeigt, welcher Art der Grund so einer Beunruhigung sein kann.) Würde nun etwa eine harmlose Deutung gegeben: Das


'''(MS 143, p. 18)'''
'''(MS 143, p. 18)'''


Los werde einfach geworfen, damit man das Vergnügen hätte, jemandem damit drohen zu können, ins Feuer geworfen zu werden, was nicht angenehm sei; so wird das Beltanefest allerdings viel ähnlicher einem jener Belustigungen, wo einer der Gesellschaft gewisse Grausamkeiten zu erdulden hat, und die, so wie sie sind, ein Bedürfnis befriedigen. Und das Beltanefest würde durch so eine Erklärung auch wirklich jedes Geheimnisvolle verlieren, wenn es eben nicht selbst in der Handlung wie in der Stimmung von solchen
Los werde einfach geworfen, damit man das Vergnügen hätte, jemandem damit drohen zu können, ins Feuer geworfen zu werden, was nicht angenehm sei; so wird das Beltanefest allerdings viel ähnlicher einem jener Belustigungen, wo einer der Gesellschaft gewisse Grausamkeiten zu erdulden hat, und die, so wie sie sind, ein Bedürfnis befriedigen. Und das Beltanefest würde durch so eine Erklärung auch wirklich jedes Geheimnisvolle verlieren, wenn es eben nicht selbst in der Handlung wie in der Stimmung von solchen gewöhnlichen Räuberspielen etc. abwiche.
 
gewöhnlichen Räuberspielen etc. abwiche.
 
 
Ebenso, dass Kinder an gewissen Tagen einen Strohmann verbrennen, auch wenn dafür keine Erklärung gegeben würde, könnte uns beunruhigen. Seltsam dass ''ein Mensch'' festlich «i von ihnen»
 
verbrannt werden sollte! Ich will sagen: die Lösung ist nicht beunruhigender als das Rätsel.


Ebenso, dass Kinder an gewissen Tagen einen Strohmann verbrennen, auch wenn dafür keine Erklärung gegeben würde, könnte uns beunruhigen. Seltsam dass ''ein Mensch'' festlich «↓ von ihnen» verbrannt werden sollte! Ich will sagen: die Lösung ist nicht beunruhigender als das Rätsel.


Warum soll es aber nicht wirklich nur (oder doch zum Teil) der ''Gedanke'' sein, der mir den Eindruck gibt? Sind denn Vorstellungen nicht furchtbar? Kann mir bei dem Gedanken, dass der Kuchen mit den Knöpfen einmal dazu gedient hat, das Todesopfer auszulosen, nicht schaurig zumute werden? Hat nicht der ''Gedanke''
Warum soll es aber nicht wirklich nur (oder doch zum Teil) der ''Gedanke'' sein, der mir den Eindruck gibt? Sind denn Vorstellungen nicht furchtbar? Kann mir bei dem Gedanken, dass der Kuchen mit den Knöpfen einmal dazu gedient hat, das Todesopfer auszulosen, nicht schaurig zumute werden? Hat nicht der ''Gedanke''
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'''(MS 143, p. 19)'''
'''(MS 143, p. 19)'''


etwas Furchtbares? — Ja, aber das, was ich in jenen Erzählungen sehe, gewinnen sie doch durch die Evidenz, auch durch solche, die damit nicht unmittelbar verbunden zu sein scheint, durch den Gedanken an den Menschen und seine Vergangenheit, durch all das
etwas Furchtbares? — Ja, aber das, was ich in jenen Erzählungen sehe, gewinnen sie doch durch die Evidenz, auch durch solche, die damit nicht unmittelbar verbunden zu sein scheint, durch den Gedanken an den Menschen und seine Vergangenheit, durch all das Seltsame, das ich in mir und dem andern sehe, gesehen und gehört
 
Seltsame, das ich in mir und dem andern sehe, gesehen und gehört
 
 


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'''(MS 143, p. 20)'''
'''(MS 143, p. 20)'''


[640
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Das kann man sich sehr gut denken — und als Grund wäre etwa angegeben worden, dass die Schutzheiligen sonst gegeneinander ziehen würden und dass nur einer die Sache dirigieren könne. Aber auch das wohl nur eine (nachträgliche) Ausdeutung des Instinkts.
Das kann man sich sehr gut denken — und als Grund wäre etwa angegeben worden, dass die Schutzheiligen sonst gegeneinander
 
ziehen würden und dass nur einer die Sache dirigieren könne. Aber auch das wohl nur eine (nachträgliche) Ausdeutung des Instinkts.
 


Alle diese ''verschiedenen'' Gebräuche zeigen, dass es sich hier nicht um die Abstammung des einen vom andern handelt,
Alle diese ''verschiedenen'' Gebräuche zeigen, dass es sich hier nicht um die Abstammung des einen vom andern handelt,
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'''(MS 143, p. 21)'''
'''(MS 143, p. 21)'''


sondern um einen gemeinsamen Geist. Und man könnte alle diese Zeremonien selber erfinden (erdichten). Und der Geist, aus dem man
sondern um einen gemeinsamen Geist. Und man könnte alle diese Zeremonien selber erfinden (erdichten). Und der Geist, aus dem man sie erfände, wäre eben ihr gemeinsamer Geist.
 
sie erfände, wäre eben ihr gemeinsamer Geist.
 


641. Die Verbindung von Krankheit und Schmutz. „Von einer Krankheit reinigen‖.
641. Die Verbindung von Krankheit und Schmutz. „Von einer Krankheit reinigen‖.


 
Es liefert eine einfache kindliche Theorie der Krankheit, dass sie ein Schmutz ist, der abgewaschen werden kann.
Es liefert eine einfache kindliche Theorie der Krankheit, dass sie ein
 
Schmutz ist, der abgewaschen werden kann.
 


Wie es „infantile Sexualtheorien gibt‖, so überhaupt infantile Theorien. Das heißt aber nicht, dass alles was ein Kind tut ''aus'' einer
Wie es „infantile Sexualtheorien gibt‖, so überhaupt infantile Theorien. Das heißt aber nicht, dass alles was ein Kind tut ''aus'' einer
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infantilen Theorie als seinem Grund hervorgegangen ist.
infantilen Theorie als seinem Grund hervorgegangen ist.


Das Richtige und Interessante ist nicht zu sagen, das ist aus dem hervorgegangen, sondern: es könnte so hervorgegangen sein.
Das Richtige und Interessante ist nicht zu sagen, das ist aus dem hervorgegangen, sondern: es könnte so hervorgegangen sein.


'''(MS 143, p. 23)'''
'''(MS 143, p. 23)'''


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Dass das Feuer zur Reinigung gebraucht wurde, ist klar. Aber nichts kann wahrscheinlicher sein, als dass die denkenden Menschen Reinigungszeremonien, auch wo sie ursprünglich nur als solche gedacht gewesen wären, später mit der Sonne in Zusammenhang gebracht haben. Wenn sich einem Menschen ein Gedanke aufdrängt (Feuer-Reinigung) und einem ein anderer
Dass das Feuer zur Reinigung gebraucht wurde, ist klar. Aber nichts kann wahrscheinlicher sein, als dass die denkenden Menschen Reinigungszeremonien, auch wo sie ursprünglich nur als solche gedacht gewesen wären, später mit der Sonne in Zusammenhang gebracht haben. Wenn sich einem Menschen ein Gedanke aufdrängt (Feuer-Reinigung) und einem ein anderer
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(Feuer-Sonne), was kann wahrscheinlicher sein, als dass sich einem Menschen beide Gedanken aufdrängen werden. Die Gelehrten, die immer ''eine'' Theorie haben möchten!!!
(Feuer-Sonne), was kann wahrscheinlicher sein, als dass sich einem Menschen beide Gedanken aufdrängen werden. Die Gelehrten, die immer ''eine'' Theorie haben möchten!!!


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Die ''gänzliche'' Zerstörung durch das Feuer anders als durch
Die ''gänzliche'' Zerstörung durch das Feuer anders als durch Zerschlagen Zerreißen etc. muss den Menschen aufgefallen sein.
 
Zerschlagen Zerreißen etc. muss den Menschen aufgefallen sein.
 


Auch wenn man nichts von einer solchen Verbindung des Reinigung und Sonne Gedankens wüsste, könnte man annehmen, dass er irgendwo wird aufgetreten sein.
Auch wenn man nichts von einer solchen Verbindung des Reinigung und Sonne Gedankens wüsste, könnte man annehmen, dass er irgendwo wird aufgetreten sein.


'''(MS 143, p. 25)'''
'''(MS 143, p. 25)'''


680 ―soul-stone‖ Da sieht man, wie eine solche Hypothese arbeitet.
680 ―soul-stone‖ Da sieht man, wie eine solche Hypothese arbeitet.


'''(MS 143, p. 26)'''
'''(MS 143, p. 26)'''


681
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Das würde darauf deuten, dass hier eine Wahrheit zu Grunde liegt und kein Aberglaube. (Freilich ist es dem dummen Wissenschaftler gegenüber leicht, in den Geist des Widerspruchs zu verfallen.) Aber es kann sehr wohl sein, dass der völlig enthaarte Leib uns in irgend einem Sinne den Selbstrespekt zu verlieren verleitet. (Brüder Karamasoff) Es ist gar kein Zweifel, dass eine Verstümmelung, die uns in unseren
Das würde darauf deuten, dass hier eine Wahrheit zu Grunde liegt und kein Aberglaube. (Freilich ist es dem dummen Wissenschaftler gegenüber leicht, in den Geist des Widerspruchs zu verfallen.) Aber es kann sehr wohl sein, dass der völlig enthaarte Leib uns in irgend einem Sinne den Selbstrespekt zu verlieren verleitet. (Brüder Karamasoff) Es ist gar kein Zweifel, dass eine Verstümmelung, die uns in unseren
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'''(MS 143, p. 27)'''
'''(MS 143, p. 27)'''


Augen unwürdig, lächerlich, aussehen macht, uns allen Willen rauben kann, uns zu verteidigen. Wie verlegen werden wir manchmal
Augen unwürdig, lächerlich, aussehen macht, uns allen Willen rauben kann, uns zu verteidigen. Wie verlegen werden wir manchmal — oder doch viele Menschen (ich)— durch unsere physische oder ästhetische Inferiorität.
 
— oder doch viele Menschen (ich)— durch unsere physische oder ästhetische Inferiorität.


'''(MS 143, p. 28)''']
'''(MS 143, p. 28)''']