5,953
edits
No edit summary |
No edit summary |
||
Line 127: | Line 127: | ||
Ja, Frazers Erklärungen wären überhaupt keine Erklärungen, wenn sie nicht letzten Endes an eine Neigung in uns selbst appellierten. | Ja, Frazers Erklärungen wären überhaupt keine Erklärungen, wenn sie nicht letzten Endes an eine Neigung in uns selbst appellierten. | ||
Das Essen und Trinken ist mit Gefahren verbunden, nicht nur für den Wilden, sondern auch für uns; nichts natürlicher, als dass man sich vor diesen schützen will; und nun könnten wir uns selbst solche Schutzmaßnahmen ausdenken. — Aber nach welchem Prinzip denken wir sie uns aus// nach welchem Prinzip erdichten wir sie //? Offenbar danach, dass alle Gefahren der Form nach auf einige sehr einfache reduziert werden, die dem Menschen ohne weiteres sichtbar sind. Also nach dem selben Prinzip, nach dem die ungebildeten Leute unter uns sagen, die Krankheit ziehe sich vom Kopf in die Brust etc., etc.. In diesen einfachen Bildern wird natürlich die Personifikation eine große Rolle spielen, denn, dass Menschen (also Geister) dem Menschen gefährlich werden können, ist uns // jedem // bekannt. | Das Essen und Trinken ist mit Gefahren verbunden, nicht nur für den Wilden, sondern auch für uns; nichts natürlicher, als dass man sich vor diesen schützen will; und nun könnten wir uns selbst solche Schutzmaßnahmen ausdenken. — Aber nach welchem Prinzip denken wir sie uns aus //nach welchem Prinzip erdichten wir sie//? Offenbar danach, dass alle Gefahren der Form nach auf einige sehr einfache reduziert werden, die dem Menschen ohne weiteres sichtbar sind. Also nach dem selben Prinzip, nach dem die ungebildeten Leute unter uns sagen, die Krankheit ziehe sich vom Kopf in die Brust etc., etc.. In diesen einfachen Bildern wird natürlich die Personifikation eine große Rolle spielen, denn, dass Menschen (also Geister) dem Menschen gefährlich werden können, ist uns //jedem// bekannt. | ||
Dass der Schatten des Menschen, der wie ein Mensch ausschaut, oder sein Spiegelbild, dass Regen, Gewitter, die Mondphasen, der Jahreszeitwechsel, die Ähnlichkeit uns Verschiedenheit der Tiere unter einander und zum Menschen, die Erscheinungen des Todes, der Geburt und der Geschlechts- | Dass der Schatten des Menschen, der wie ein Mensch ausschaut, oder sein Spiegelbild, dass Regen, Gewitter, die Mondphasen, der Jahreszeitwechsel, die Ähnlichkeit uns Verschiedenheit der Tiere unter einander und zum Menschen, die Erscheinungen des Todes, der Geburt und der Geschlechts- | ||
Line 158: | Line 158: | ||
Nun aber ist es Unsinn, so fortzufahren, dass man als das Charakteristische ''dieser'' Handlungen sagt, sie seien solche, die aus fehlerhaften Anschauungen über die Physik der Dinge entsprängen. | Nun aber ist es Unsinn, so fortzufahren, dass man als das Charakteristische ''dieser'' Handlungen sagt, sie seien solche, die aus fehlerhaften Anschauungen über die Physik der Dinge entsprängen. | ||
(So tut es Frazer, wenn er sagt, Magie sei wesentlich falsche Physik, bzw. Falsche Medizin//Heilkunst//, Technik, etc..) | (So tut es Frazer, wenn er sagt, Magie sei wesentlich falsche Physik, bzw. Falsche Medizin //Heilkunst//, Technik, etc..) | ||
Vielmehr ist das Charakteristische der rituellen Handlung gar keine Ansicht, Meinung, ob sie nun richtig oder falsch ist, obgleich eine Meinung — ein Glaube — selbst auch rituell sein kann, zum Ritus gehören kann. | Vielmehr ist das Charakteristische der rituellen Handlung gar keine Ansicht, Meinung, ob sie nun richtig oder falsch ist, obgleich eine Meinung — ein Glaube — selbst auch rituell sein kann, zum Ritus gehören kann. | ||
Line 169: | Line 169: | ||
Wir müssen die ganze Sprache durchpflügen. | Wir müssen die ganze Sprache durchpflügen. | ||
Frazer: | Frazer: »... That these observances are dictated by fear of the ghost of the slain seems certain; ...« Aber warum gebraucht Frazer denn das Wort »ghost«? Er versteht also sehr wohl diesen Aberglauben, da er ihn uns mit einem ihm geläufigen abergläubischen Wort erklärt. Oder vielmehr, er hätte daraus sehen können, dass auch in uns etwas für jene Handlungsweisen der Wilden spricht. — Wenn ich, der ich nicht glaube, dass es irgendwo menschlich-übermenschliche Wesen gibt, die man Götter nennen kann — wenn ich sage: »ich fürchte die Rache der Götter«, so zeigt das, dass ich damit etwas meinen (kann), oder einer Empfindung Ausdruck geben kann, die nicht notwendig | ||
'''(TS 211, p. 320)''' | '''(TS 211, p. 320)''' | ||
Line 184: | Line 184: | ||
Identifizierung der eigenen Götter mit Göttern andrer Völker. Man überzeugt sich davon, dass die Namen die gleiche Bedeutung haben. | Identifizierung der eigenen Götter mit Göttern andrer Völker. Man überzeugt sich davon, dass die Namen die gleiche Bedeutung haben. | ||
»Und so deutet das Chor auf ein geheimes Gesetz« möchte man zu der Frazerschen Tatsachensammlung sagen. Dieses Gesetz, diese Idee ''kann'' ich nun durch eine Entwicklungshypothese ausdrücken // darstellen// oder auch, analog dem Schema einer Pflanze, durch das Schema einer religiösen Zeremonie, oder aber durch die Gruppierung des Tatsachenmaterials allein, in einer »''übersichtlichen''« Darstellung. | »Und so deutet das Chor auf ein geheimes Gesetz« möchte man zu der Frazerschen Tatsachensammlung sagen. Dieses Gesetz, diese Idee ''kann'' ich nun durch eine Entwicklungshypothese ausdrücken //darstellen// oder auch, analog dem Schema einer Pflanze, durch das Schema einer religiösen Zeremonie, oder aber durch die Gruppierung des Tatsachenmaterials allein, in einer »''übersichtlichen''« Darstellung. | ||
'''(TS 211, p. 321)''' | '''(TS 211, p. 321)''' | ||
Line 194: | Line 194: | ||
wir die Dinge sehen. (Eine Art der 'Weltanschauung' wie sie scheinbar für unsere Zeit typisch ist. Spengler) | wir die Dinge sehen. (Eine Art der 'Weltanschauung' wie sie scheinbar für unsere Zeit typisch ist. Spengler) | ||
Diese übersichtliche Darstellung vermittelt das Verstehen // Verständnis //, welches eben darin besteht, dass wir die "Zusammenhänge sehen". Daher die Wichtigkeit des Findens von ''Zwischengliedern''. | Diese übersichtliche Darstellung vermittelt das Verstehen //Verständnis//, welches eben darin besteht, dass wir die "Zusammenhänge sehen". Daher die Wichtigkeit des Findens von ''Zwischengliedern''. | ||
'''(TS 211, p. 282)''' | '''(TS 211, p. 282)''' | ||
Line 201: | Line 201: | ||
{{pagebreak}} | {{pagebreak}} | ||
Beziehung der Kreisform zur Ellipse dadurch illustrieren wollte // illustrierte //, dass man eine Ellipse allmählich in einen Kreis überführt; ''aber nicht um zu behaupten, dass eine gewisse Ellipse tatsächlich, historisch, aus einem Kreis entstanden wäre'' (Entwicklungshypothese), sondern nur um unser Auge für einen formalen Zusammenhang zu schärfen. | Beziehung der Kreisform zur Ellipse dadurch illustrieren wollte //illustrierte//, dass man eine Ellipse allmählich in einen Kreis überführt; ''aber nicht um zu behaupten, dass eine gewisse Ellipse tatsächlich, historisch, aus einem Kreis entstanden wäre'' (Entwicklungshypothese), sondern nur um unser Auge für einen formalen Zusammenhang zu schärfen. | ||
Aber auch die Entwicklungshypothese kann ich als weiter Nichts sehen, als die »eine« Einkleidung eines formalen Zusammenhangs. | Aber auch die Entwicklungshypothese kann ich als weiter Nichts sehen, als die »eine« Einkleidung eines formalen Zusammenhangs. | ||
Line 211: | Line 211: | ||
'''(TS 211, p. 250)''' | '''(TS 211, p. 250)''' | ||
(Das ist ja doch etwas anderes, als wenn er etwa beschriebe, die Wilden bildeten // bilden // sich ein, dass ihnen ihr Kopf herunterfällt, wenn sie einen Feind erschlagen haben. Hier hätte ''unsere Beschreibung'' nichts Abergläubisches oder Magisches an sich.) | (Das ist ja doch etwas anderes, als wenn er etwa beschriebe, die Wilden bildeten //bilden// sich ein, dass ihnen ihr Kopf herunterfällt, wenn sie einen Feind erschlagen haben. Hier hätte ''unsere Beschreibung'' nichts Abergläubisches oder Magisches an sich.) | ||
Ja, diese Sonderbarkeit bezieht sich nur auf die Ausdrücke »ghost« und »shade«, und es wird viel zu wenig Aufhebens davon gemacht, dass wir das Wort »Seele«, »Geist« (»pirit«) zu unserem eigenen gebildeten Vokabular zählen. Dagegen ist eine Kleinigkeit, dass wir nicht glauben, dass unsere Seele isst und trinkt. | Ja, diese Sonderbarkeit bezieht sich nur auf die Ausdrücke »ghost« und »shade«, und es wird viel zu wenig Aufhebens davon gemacht, dass wir das Wort »Seele«, »Geist« (»pirit«) zu unserem eigenen gebildeten Vokabular zählen. Dagegen ist eine Kleinigkeit, dass wir nicht glauben, dass unsere Seele isst und trinkt. |