Bemerkungen über die Farben: Difference between revisions

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95. In meinem Zimmer um mich her sind verschieden gefärbte Gegenstände. Es ist leicht, ihre Farben anzugeben. Wenn ich aber gefragt würde, welche Farbe ich jetzt von hier aus, an ''dieser'' Stelle meines Tisches etwa, sehe, so könnte ich darauf nicht antworten; die Stelle ist weißlich (weil der braune Tisch hier von der hellen Wand aufgehellt wird), sie ist jedenfalls weit heller als das Übrige des Tisches, aber ich könnte nicht aus Farbmustern eins auswählen, das die gleiche Färbung hätte wie diese Stelle des Tisches.
95. In meinem Zimmer um mich her sind verschieden gefärbte Gegenstände. Es ist leicht, ihre Farben anzugeben. Wenn ich aber gefragt würde, welche Farbe ich jetzt von hier aus, an ''dieser'' Stelle meines Tisches etwa, sehe, so könnte ich darauf nicht antworten; die Stelle ist weißlich (weil der braune Tisch hier von der hellen Wand aufgehellt wird), sie ist jedenfalls weit heller als das Übrige des Tisches, aber ich könnte nicht aus Farbmustern eins auswählen, das die gleiche Färbung hätte wie diese Stelle des Tisches.
96. Daß es mir – oder Allen – so scheint, daraus folgt nicht, daß es so ist.
Also: Daraus, daß uns Allen dieser Tisch braun erscheint, folgt nicht, daß er braun ist. Aber was heißt es nur: "Dieser Tisch ist am Ende doch nicht braun"? – So folgt also doch daraus, daß er uns braun erscheint, daß er braun ist?
97. ''Nennen'' wir nicht eben den Tisch braun, der dem Normalsichtigen unter gewissen Umständen braun erscheint? Wir könnten uns freilich jemand denken, dem die Dinge unabhängig von ihrer Farbe einmal so, einmal so gefärbt schienen.
98. Daß es den Menschen so scheint, ist ihr Kriterium dafür, daß es so ''ist''.
99. So scheinen und so sein mag freilich in Ausnahmsfällen von einander unabhängig sein, aber das macht sie nicht logisch unabhängig; das Sprachspiel liegt nicht in der Ausnahme.
100. ''Goldig'' ist eine Oberflächen-farbe.
101. Wir haben ''Vorurteile'' die Verwendung der Wörter betreffend.
102. Auf die Frage "Was bedeutet 'rot', 'blau', 'schwarz', 'weiß'?", können wir freilich gleich auf Dinge, die so gefärbt sind, zeigen, – aber das ist auch alles: weiter geht unsre Fähigkeit die Bedeutungen zu erklären nicht.
103. Im übrigen machen wir uns von ihnen keine, oder eine ganz rohe, zum Teil falsche Vorstellung.
104. 'Dunkel' und 'schwärzlich' sind nicht der gleiche Begriff.
105. Runge sagt, das Schwarz 'schmutzt': was heißt das? Ist das eine Wirkung des Schwarzen auf's Gemüt? Ist hier eine ''Wirkung'' der Beimischung der schwarzen Farbe gemeint?
106. Worin liegt es, daß ein dunkles Gelb nicht als 'schwärzlich' empfunden werden muß, auch wenn wir es dunkel nennen?
Die Logik der Farbbegriffe ist eben viel komplizierter als es scheinen möchte.
107. Die Begriffe 'matt' und 'glänzend'. Wenn man sich unter 'Farbe' etwas denkt, was die Eigenschaft eines Punktes im Raum ist, dann haben die Begriffe matt und glänzend keinen Bezug auf diese Farbbegriffe.
108. Die erste 'Lösung' für das Problem der Farben, die uns einfällt, ist daß die 'reinen' Farbbegriffe sich auf Punkte oder unteilbare kleine Flecken im Raum beziehen. Frage: wie sind die Farben zweier solchen Punkte zu vergleichen? Einfach indem man den Blick von dem einem zum andern wendet? Oder durch den Transport eines farbigen Gegenstands? Wenn dieses, wie weiß man, daß dieser Gegenstand seine Farbe dabei nicht geändert hat; wenn jenes, wie kann man die Farbpunkte mit einander vergleichen, ohne daß der Vergleich durch ihre Umgebung beeinflußt wird?
109. Ich könnte mir einen Logiker vorstellen, der erzählt, er sei jetzt dahin gelangt, daß er 2 × 2 = 4 ''wirklich denken'' könne.
110. Wenn du dir über die Rolle der Logik in den Farbbegriffen nicht klar bist, beginne mit dem einfachen Fall eines gelblichen Rot, z.B.. Dies gibt es, daran zweifelt niemand. Wie lerne ich den Gebrauch des Wortes "gelblich"? Durch Sprachspiele des Ordnens z.B.
Ich kann also lernen, in Übereinstimmung mit andern, gelbliche und gelblichere Rot, Grün, Braun und Weiß zu erkennen.
Dabei mache ich selbstständige Schritte wie in der Arithmetik. Die Aufgabe, ein gelbliches Blau zu finden, mag der Eine durch ein Grünblau lösen, der Andre nicht verstehen. Wovon hängt das ab?
111. ''Ich'' sage Grünblau enthält ''kein'' Gelb; wenn mir ein Andrer sagt, doch, es enthält Gelb, wer hat Recht? Wie ist es zu prüfen? Unterscheiden sich die beiden nur durch ihre Worte? – Wird nicht der Eine ein reines Grün anerkennen, das weder zum Blauen noch zum Gelben neigt? Und was ist der Nutzen hievon? In welchen Sprachspielen läßt sich das verwenden? – Er wird jedenfalls die Aufgabe lösen können, grüne Dinge auszusondern, die ''nichts'' Gelbliches haben, und solche, die ''kein'' Blau enthalten. Darin wird der Trennungspunkt 'Grün' bestehen, den der Andre nicht kennt.
112. Der Eine wird ein Sprachspiel erlernen können, das der Andre nicht erlernen kann. Und ''darin muß'' ja auch alle Art der Farbenblindheit bestehen. Denn könnte der 'Farbenblinde' die Sprachspiele des Normalen lernen, warum sollte man ihn von gewissen Berufen ausschließen?
113. Hätte man also Runge auf diesen Unterschied von Grün und Orange aufmerksam gemacht, so hätte er vielleicht die Idee, es gäbe nur ''drei'' Grundfarben, aufgegeben.
114. Inwiefern nun gehört, ob einer ein Spiel erlernen oder nicht erlernen kann, der Logik und nicht der Psychologie an?
115. Ich sage: Wer ''dies'' Spiel nicht spielen kann, hat ''diesen'' Begriff nicht.
116. Wer hat den Begriff 'morgen'? Von wem sagen wir, er hätte ihn?
117. Ich sah auf einer Photographie einen Buben mit glatt zurückgekämmtem blondem Haar und einer schmutzigen hellen Jacke und einen Mann mit dunklem Haar vor einer Maschine stehen, die zum Teil aus schwarz gestrichenen Gußteilen, teils aus bearbeiteten, glatten Wellen, Zahnrädern u.a. bestand, und daneben ein Gitter aus hellem verzinktem Draht. Das bearbeitete Eisen hatte Eisenfarbe, das Haar des Jungen war blond, die Gußteile schwarz, das Gitter zinkfarbig, obgleich alles nur durch hellere und dunklere Töne des photographischen Papiers dargestellt war.
118. Es mag Geistesschwache geben, denen man den Begriff 'morgen' nicht beibringen kann, oder den Begriff 'ich', oder das Ablesen der Uhrzeit. Er würde den Gebrauch des Wortes "morgen" nicht erlernen etc.
119. Wem kann ich nun mitteilen, ''was'' dieser Geistesschwache nicht erlernen kann? Nicht nur dem, der es selbst erlernt hat? Kann ich Einem nicht mitteilen, der und der könnte höhere Mathematik nicht erlernen, auch wenn jener sie nicht beherrscht? Und doch: weiß er, wer höhere Mathematik gelernt hat, nicht genauer? Versteht nicht der das Wort "Schach" anders, der das Spiel gelernt hat, als der es nicht kann? Was nennt man "eine Technik beschreiben"?

Revision as of 17:51, 18 September 2021

Teil I.

1. Ein Sprachspiel: Darüber berichten, ob ein bestimmter Körper heller oder dunkler als ein andrer sei. - Aber nun gibt es ein verwandtes: Uber das Verhältnis der Helligkeiten bestimmter Farbtöne aussagen. (Damit ist zu vergleichen: Das Verhältnis der Längen zweier Stäbe bestimmen - und das Verhältnis zweier Zahlen bestimmen.) Die Form der Sätze in beiden Sprachspielen ist die gleiche: "X ist heller als Y". Aber im ersten ist es eine externe Relation und der Satz zeitlich, im zweiten ist es eine interne Relation und der Satz zeitlos.

2. In einem Bild, in welchem ein Stück weißes Papier seine Helligkeit vom blauen Himmel kriegt, ist dieser heller als das weiße Papier. Und doch ist in einem andern Sinne Blau die dunklere, Weiß die hellere Farbe. (Goethe). Auf der Palette ist das Weiß die hellste Farbe.

3. Lichtenberg sagt, nur wenige Menschen hätten je reines Weiß gesehen. So verwenden also die Meisten das Wort falsch? Und wie hat er den richtigen Gebrauch gelernt? - Er hat nach dem gewöhnlichen Gebrauch einen idealen konstruiert. Und das heißt nicht, einen bessern, sondern einen in gewisser Richtung verfeinerten, worin etwas auf die Spitze getrieben wird.

4. Und freilich kann ein so konstruierter uns wieder über den tatsächlichen Gebrauch belehren.

5. Wenn ich von einem Papier sage, es sei rein weiß, und es würde Schnee neben das Papier gehalten und dieses sähe nun grau aus, so würde ich es in seiner normalen Umgebung doch mit Recht weiß, nicht hellgrau, nennen. Es könnte sein, daß ich, im Laboratorium etwa, einen verfeinerten Begriff von Weiß verwendete (wie z.B. auch einen verfeinerten Begriff der genauen Zeitbestimmung).

6. Was läßt sich dafür sagen, daß Grün cine primäre Farbe ist, keine Mischfarbe von Blau und Gelb? Wäre es richtig zu sagen: "Man kann das nur unmittelbar erkennen, indem man die Farben betrachtet?" Aber wie weiß ich, daß ich dasselbe mit den Worten "primäre Farbe" meine wie ein Andrer, der auch geneigt ist, Grün cine primäre Farbe zu nennen? Nein, -hier entscheiden Sprachspiele.

7. Es gibt die Aufgabe, zu einem gegebenen Gelbgrün (oder Blaugrün) ein weniger gelbliches (oder bläuliches) zu mischen, - oder aus einer Anzahl von Farbmustern auszuwählen. Ein weniger gelbliches ist aber kein bläuliches Grün (und umgekehrt), und es gibt auch die Aufgabe, ein Grün zu wählen, oder zu mischen, das weder gelblich noch bläulich ist. Ich sage "oder zu mischen", weil ein Grün dadurch nicht zugleich bläulich[1] und gelblich wird, daß es durch eine Art der Mischung von Gelb und Blau zustandekommt.

8. Menschen könnten den Begriff der Zwischenfarbe oder Mischfarbe haben auch wenn sie nie Farben durch Mischung (in welchem Sinne immer) erzeugten. Es könnte sich in ihren Sprachspielen immer nur darum handeln, schon vorhandene Zwischen- oder Mischfarben zu suchen, zu wählen.

9. Wenn nun auch nicht Grün eine Zwischenfarbe von Gelb und Blau ist, könnte es nicht Leute geben, für die es ein bläuliches Gelb, ein rötliches Grün gibt? Leute also, deren Farbbegriffe von den unsern abwichen – da ja auch die Farbbegriffe der Farbenblinden von denen der Normalen abweichen und nicht jede Abweichung vom Normalen muß eine Blindheit, ein Defekt sein.

10. Wer gelernt hat, zu einem gegebenen Farbton einen gelblicheren, weißlicheren, rötlicheren zu finden oder zu mischen, u.s.f., Wer also den Begriff der Zwischenfarbe kennt, den fordre nun auf, uns ein rötliches Grün zu zeigen. Er mag diesen Befehl nun einfach nicht verstehen und etwa so reagieren, als hätte man von ihm verlangt, nach einem regelmäßigen Viereck, Fünfeck, Sachseck ein regelmäßiges Eineck zu zeigen. Wie aber, wenn er, ohne zu zögern, auf ein Farbmuster wiese (etwa auf ein schwärzliches Braun, wie wir es nennen würden)?

11. Wem ein Rötlichgrün bekannt wäre, der sollte im Stande sein, eine Farbenreihe herzustellen, die mit Rot anfinge, mit Grün endet und, auch für uns vielleicht, einen kontinuierlichen Übergang zwischen ihnen bildet. Es würde sich dann zeigen, daß dort, wo wir jedesmal den gleichen Ton, von Braun z.B., sehen, er einmal Braun, einmal Rötlichgrün sähe. Daß er z.B. zwei chemische Verbindungen, die für uns die gleiche Farbe haben, nach der Farbe unterscheiden könnte und die eine braun die andre rötlichgrün nennte.

12. Stell dir vor, alle Menschen mit seltenen Ausnahmen wären rot-grün-blind. Oder auch den andern Fall: alle Menschen wären entweder rot-grün-, oder blau-gelb-blind.

13. Denken wir uns ein Volk von Farbenblinden, und das könnte es leicht geben. Sie würden nicht die gleichen Farbbegriffe haben wie wir. Denn auch angenommen sie redeten z.B. Deutsch, hätten also alle deutschen Farbwörter, so würden sie sie doch anders gebrauchen als wir, und anders zu gebrauchen lernen.

Oder haben sie eine fremde Sprache, so würde es uns schwer, ihre Farbwörter in die unsern zu übersetzen.

14. Wenn es aber auch Menschen gäbe, denen es natürlich wäre den Ausdruck "rötlichgrün" oder "gelblichblau" in konsequenter Weise zu verwenden, und [die] dabei vielleicht auch Fähigkeiten verrieten, die uns fehlen, so wären wir dennoch nicht gezwungen anzuerkennen, sie sähen, Farben, die wir nicht sehen. Es gibt ja kein allgemein anerkanntes Kriterium dafür, was eine Farbe sei, es sei denn, daß es eine unserer Farben ist.

15. In jedem ernsteren philosophischen Problem reicht die Unsicherheit bis an die Wurzeln hinab.

Man muß immer darauf gefaßt sein, etwas ganz Neues zu lernen.

16. Die Beschreibung der Phänomene der Farbenblindheit gehört in die Psychologie: also auch die der Phänomene des normalen Sehens? Die Psychologie beschreibt nur die Abweichungen der Farbenblindheit vom normalen Schen.

17. Runge (in dem Brief, den Goethe in der Farbenlehre abdruckt) sagt, es gebe durchsichtige und undurchsichtige Farben. Weiß sei eine undurchsichtige Farbe.

Dies zeigt die Unbestimmtheit im Begriff der Farbe, oder auch der Farbengleichheit.

18. Kann ein durchsichtiges grünes Glas die gleiche Farbe haben wie ein undurchsichtiges Papier, oder nicht? Wenn ein solches Glas auf einem Gemälde dargestellt würde, so wären die Farben auf der Palette nicht durchsichtig. Wollte man sagen, die Farbe des Glases wäre auch auf dem Gemälde durchsichtig, so müßte man den Komplex von Farbflecken, der das Glas darstellt, seine Farbe nennen.

19. Wie kommt es, daß etwas Durchsichtiges grün, aber nicht weiß sein kann?

Durchsichtigkeit und Spiegeln gibt es nur in der Tiefendimension eines Gesichtsbilds.

Der Eindruck des durchsichtigen Mediums ist der, daß etwas hinter dem Medium liegt. Vollkommene Einfarbigkeit des Gesichtsbilds kann nicht durchsichtig sein.

20. Etwas Weißes hinter einem gefärbten durchsichtigen Medium erscheint in der Farbe des Mediums, etwas Schwarzes schwarz. Nach dieser Regel muß Schwarz auf weißem Grund durch ein 'weißes durchsichtiges' Medium wie durch ein farbloses gesehen werden.

21. Runge: "Wenn man sich ein bläuliches Orange, ein rötliches Grün, oder ein gelbliches Violett denken will, wird einem zu Muthe wie bei einem südwestlichen Nordwinde..... Weiß sowohl als Schwarz sind beide undurchsichtig oder körperlich..... Weißes Wasser wird man sich nicht denken können, was rein ist; so wenig wie klare Milch."

22. Wir wollen keine Theorie der Farben finden (weder eine physiologische, noch eine psychologische), sondern die Logik der Farbbegriffe. Und diese leistet, was man sich oft mit Unrecht von einer Theorie erwartet hat.

23. "Weißes Wasser wird man sich nicht denken können etc." Das heißt, man kann nicht beschreiben (z.B. malen), wie etwas weißes Klares aussähe, und das heißt: man weiß nicht, welche Beschreibung, Darstellung, diese Worte von uns fordern.

24. Es ist nicht ohne weiters klar, von welchem durchsichtigen Glas man sagen soll, es habe die gleiche Farbe, wie ein undurchsichtiges Farbmuster. Wenn ich sage "Ich suche ein Glas von dieser Farbe" (wobei ich auf ein farbiges Papier deute), so wird das etwa heißen, daß etwas Weißes, durch das Glas gesehen, ausschauen soll wie mein Muster.

Ist das Muster rosa, himmelblau, lila, so wird man sich das Glas trübe denken, aber vielleicht auch klar und nur schwach rötlich, bläulich oder violett gefärbt.

25. Im Kino kann man manchmal die Vorgänge im Film so sehen, als lägen sie hinter der Leinwandfläche, diese aber sei durchsichtig, etwa eine Glastafel. Das Glas nähme den Dingen ihre Farbe und ließe nur Weiß, Grau und Schwarz durch. (Wir treiben hier nicht Physik, sondern betrachten Weiß und Schwarz als Farben ganz wie Grün und Rot.) - Man könnte also denken, daß wir uns hier eine Glastafel vorstellen, die weiß und durchsichtig zu nennen wäre. Und doch sind wir nicht versucht, sie so zu nennen: Bricht also die Analogie mit einer durchsichtigen grünen Tafel, z.B., irgendwo zusammen?

26. Von einer grünen Tafel würden wir etwa sagen: sie gäbe den Dingen hinter ihr eine grüne Färbung; also vor allem dem Weißen hinter ihr.

27. "Man kann sich das nicht vorstellen", wenn es sich um die Logik handelt, heißt: man weiß nicht, was man sich hier vorstellen soll.

28. Würde man von meiner fiktiven Glastafel im Kino sagen, sie gäbe den Dingen hinter ihr eine weiße Färbung?

29. Konstruiere aus der Regel für den Augenschein des durchsichtigen Färbigen, die du vom durchsichtigen Grünen, Roten etc. abliest, den Schein des durchsichtigen Weißen! Warum geht es nicht?

30. Jedes gefärbte Medium verdunkelt, was dadurch gesehen wird, es schluckt Licht: Soll nun mein weißes Glas auch verdunkeln? Und je dicker es ist, desto mehr? So wäre es also eigentlich ein dunkles Glas!

31. Warum kann man sich durchsichtig-weißes Glas nicht vorstellen, auch wenn es in Wirklichkeit keins gibt? Wo geht die Analogie mit dem durchsichtigen gefärbten schief?

32. Sätze werden oft an der Grenze von Logik und Empirie gebraucht, so daß ihr Sinn über die Grenze hin und her wechselt und sie bald als Ausdruck einer Norm, bald als Ausdruck einer Erfahrung gelten.

(Denn es ist ja nicht eine psychische Begleiterscheinung-so stellt man sich den Gedanken' vor-, sondern die Verwendung, die den logischen vom Erfahrungssatz unterscheidet.)

33. Man redet von der Farbe des Goldes' und meint nicht Gelb. "Goldfarben" ist die Eigenschaft einer Oberfläche, welche glänzt, oder schimmert.

34. Es gibt Rotglut und Weißglut: Wie aber sähe Braunglut und Grauglut aus? Warum kann man sich diese nicht als einen schwächeren Grad der Weißglut denken?

35. "Das Licht ist farblos." Wenn, dann in dem Sinne, wie die Zahlen farblos sind.

36. Was leuchtend aussieht, sicht nicht grau aus. Alles Grau sieht beleuchtet aus.

37. Was man als leuchtend sieht, sieht man nicht als grau. Wohl aber kann man es als weiß sehen.

38. Man könnte also etwas jetzt als schwach leuchtend, jetzt als grau sehen.

39. Ich sage nicht (wie die Gestaltpsychologen), daß der Eindruck des Weißen so und so zustande komme. Sondern die Frage ist gerade: Was die Bedeutung dieses Ausdrucks, die Logik des Begriffes ist.

40. Denn, daß man sich etwas 'grauglühendes' nicht denken kann, gehört nicht in die Physik, oder Psychologie der Farbe.

41. Man sagt mir, eine gewisse Substanz brenne mit grauer Flamme. Ich kenne doch nicht die Farbe der Flammen sämtlicher Substanzen; warum sollte das also nicht möglich sein?

42. Man redet von einem 'dunkelroten Schein', aber nicht von einem 'schwarzroten'.

43. Eine glatte weiße Fläche kann spiegeln: Wie nun, wenn man sich irrte, und was in ihr gespiegelt erscheint, wirklich hinter ihr wäre und durch sie gesehen würde? Wäre sie dann weiß und durchsichtig?

44. Man spricht von einem 'schwarzen' Spiegel. Aber wo er spiegelt, verdunkelt er zwar, aber sicht nicht schwarz aus, und was durch ihn gesehen wird, erscheint nicht 'schmutzig', sondern 'tief'.

45. Die Undurchsichtigkeit ist nicht eine Eigenschaft der weißen Farbe. Sowenig, wie Durchsichtigkeit eine Eigenschaft der grünen.

46. Und es genügt auch nicht zu sagen, das Wort "weiß" werde cben nur für die Erscheinung von Oberflächen angewandt. Es könnte sein, daß wir zwei Wörter für "grün" hätten: eines nur für grüne Oberflächen, das andre für grüne durchsichtige Gegenstände. Es bliebe also die Frage, warum es kein dem Wort "weiß" entsprechendes Farbwort für etwas Durchsichtiges gibt.

47. Ein Medium, wodurch ein schwarz und weißes Muster (Schachbrett) unverändert erscheint, wird man nicht ein weißes nennen, auch wenn dadurch die andern Farben an Färbigkeit verlieren.

48. Man könnte einen weißen Glanz nicht "weiß" nennen wollen und so nur das nennen, was man als Farbe einer Oberfläche sieht.

49. Von zwei Stellen meiner Umgebung, die ich, in einem Sinne, als gleichfarbig sehe, kann mir, in anderem Sinne, die eine als weiß, die andre als grau erscheinen.

In einem Zusammenhang ist diese Farbe für mich weiß in schlechter Beleuchtung, in einem andern grau in guter Beleuchtung,

Dies sind Sätze über die Begriffe 'weiß' und 'grau'.

50. Der Eimer, der hier vor mir steht, ist glänzend weiß lackiert, es wäre absurd, ihn "grau" zu nennen, oder zu sagen "Ich sehe eigentlich ein helles Grau." Aber er hat ein weißes Glanzlicht, das weit heller ist als seine übrige Fläche, und diese ist teils dem Licht zu-, teils abgeneigt, ohne doch anders gefärbt zu erscheinen. (Zu erscheinen, nicht nur zu sein.)

51. Es ist nicht dasselbe, zu sagen: der Eindruck des Weißen oder Grauen kommt unter solchen Bedingungen zustande (kausal), und: er ist ein Eindruck in einem bestimmten Zusammenhang von Farben und Formen.

52. Weiß als Stoffarbe (in dem Sinne, in welchem man sagt, Schnee ist weiß) ist heller als jede andre Stoffarbe: Schwarz dunkler. Hier ist die Farbe eine Verdunklung, und ist dem Stoff jede solche entzogen, so bleibt Weiß, und darum kann man es "farblos" nennen.

53. Es gibt zwar nicht Phänomenologie, wohl aber phänomenologische Probleme.

54. Daß nicht alle Farbbegriffe logisch gleichartig sind, sieht man leicht. Z.B. den Unterschied zwischen den Begriffen 'Farbe des Goldes' oder 'Farbe des Silbers' und 'gelb' oder 'grau'.

55. Eine Farbe 'leuchtet' in einer Umgebung. (Wie Augen nur in einem Gesicht lächeln). Eine 'schwärzliche' Farbe - z.B. Grau - 'leuchtet' nicht.

56. Die Schwierigkeiten, die wir beim Nachdenken über das Wesen der Farben empfinden (mit denen Goethe in der Farbenlehre sich auseinandersetzen wollte) liegen schon in der Unbestimmtheit unseres Begriffs der Farbengleichheit beschlossen.

57.

["Ich empfinde X"

"Ich beobachte X"

X steht im ersten und zweiten Satz nicht für den gleichen Begriff, wenn auch vielleicht für den gleichen Wortausdruck, z.B. für "einen Schmerz". Denn fragt man "was für einen Schmerz?” so könnte ich im ersten Fall antworten "Diesen" und den Fragenden etwa mit einer Nadel stechen. Im zweiten Falle muß ich auf dieselbe Frage anders antworten; z.B. "Den Schmerz in meinem Fuß".

Auch könnte das X im zweiten Satz für "meinen Schmerz" stehen, aber nicht im ersten.]

58. Denk, jemand zeigte auf eine Stelle der Iris in einem Rembrandtschen Auge und sagt: "Die Wände in meinem Zimmer sollen in dieser Farbe gemalt werden."

59. Ich male die Aussicht von meinem Fenster; eine bestimmte Stelle, bestimmt durch ihre Lage in der Architektur eines Hauses, male ich mit Ocker. Ich sage, ich sehe diese Stelle in dieser Farbe. Das bedeutet nicht, daß ich hier die Farbe Ocker sche, denn dieser Farbstoff mag, so umgeben, heller, dunkler, rötlicher (etc.) aussehen als Ocker. "Ich sehe diese Stelle, wie ich sie hier mit Ocker gemalt habe, nämlich als ein stark rötliches Gelb."

Wie aber, wenn man von mir verlangte, den genauen Farbton anzugeben, den ich dort sehe? - Wie soll er angegeben werden, und wie bestimmt werden? Man könnte verlangen, daß ich ein Farbmuster (ein rechteckiges Stück Papier von dieser Farbe) herstelle. Ich sage nicht, daß ein solcher Vergleich ohne jedes Interesse wäre, aber er zeigt uns, daß nicht von vornherein klar ist, wie Farbtöne zu vergleichen sind und was "Gleichheit der Farbe" bedeutet.

60. Denken wir uns ein Gemälde in kleine, annäherend einfärbige Stücke zerschnitten und diese dann als Steine eines Zusammenleg. spiels verwendet. Auch wo ein solcher Stein nicht einfarbig ist, soll er keine räumliche Form andeuten, sondern einfach als flacher Farbfleck erscheinen. Erst im Zusammenhang mit den andern wird er ein Stück blauen Himmels, ein Schatten, ein Glanz, durchsichtig oder undurchsichtig, etc. Zeigen uns die einzelnen Steine die eigentlichen Farben der Stellen des Bildes?

61. Man neigt dazu, zu glauben, die Analyse unsrer Farbbegriffe führe am Ende zu den Farben von Stellen unsres Gesichtsbilds, welche nun von jeder räumlichen oder physikalischen Deutung unabhängig sind; denn hier gibt es weder Beleuchtung, noch Schatten, noch Glanz, etc., etc.

62. Daß ich sagen kann, diese Stelle in meinem Gesichtsfeld sei graugrün, bedeutet nicht, daß ich weiß, was eine genaue Kopie des Farbtons zu nennen wäre.

63. Ich sehe auf einer (nicht färbigen) Photographie einen Mann mit dunklem Haar und einen Buben mit glatt zurückgekämmtem blondem Haar vor einer Art Drehbank stehen, die zum Teil aus schwarz gestrichenen Gußteilen, teils aus glatten Wellen, Zahnrädern, u.a. besteht, daneben ein Gitter aus hellem verzinkten Draht. Die bearbeiteten Eisenflächen sehe ich eisenfärbig, das Haar des Jungen blond, das Gitter zinkfarbig, obgleich alles durch hellere und dunklere Töne des photographischen Papiers dargestellt ist.

64. Aber sehe ich wirklich die Haare auf der Photographie blond? Und was spricht dafür? Welche Reaktion des Betrachters soll zeigen, daß er sie blond sieht, und nicht nur aus den Tönen der Photographie schließt, sie seien blond? - Würde von mir verlangt, daß ich jene Photographie beschreibe, so würde ich es am direktesten mit jenen Worten tun. Ließe man diese Art der Beschreibung nicht gelten, so müßte ich nun erst nach einer andern suchen.

65. Wenn selbst das Wort "blond" blond klingen kann, wieviel cher können die photographierten Haare blond aussehen!

66. "Kann man sich nicht denken, daß gewisse Menschen eine andere Farbengeometrie als die unsere hätten?" Das heißt doch: Kann man sich nicht Menschen mit andern Farbbegriffen als den unsern denken? Und das heißt wieder: Kann man sich nicht vorstellen, daß Menschen unsre Farbbegriffe nicht haben, und daß sie Begriffe haben, die mit unsern Farbbegriffen auf solche Art verwandt sind, daß wir sie auch "Farbbegriffe" nennen würden?

67. Sich dein Zimmer am späten Abend an, wenn Farben kaum mehr zu unterscheiden sind - und nun mach Licht und male, was du früher im Halbdunkel gesehen hast. - Wie vergleicht man die Farben auf so einem Bild mit denen des halbdunkeln Raums?

68. Auf die Frage "Was bedeuten die Wörter 'rot', 'blau', 'schwarz', 'weiß'," können wir freilich gleich auf Dinge zeigen, die so gefärbt sind, - aber weiter geht unsre Fähigkeit die Bedeutungen dieser Worte zu erklären nicht! Im übrigen machen wir uns von ihrer Verwendung keine, oder eine ganz rohe, zum Teil falsche, Vorstellung.

69. Ich kann mir einen Logiker vorstellen, der erzählt, er sei jetzt dahin gelangt, "2 × 2 = 4" wirklich denken zu können.

70. Die Goethesche Lehre von der Entstehung der Spektralfarben ist nicht eine Theorie, die sich als ungenügend erwiesen hat, sondern eigentlich gar keine Theorie. Es läßt sich mit ihr nichts vorhersagen. Sie ist eher ein vages Denkschema nach Art derer, die man in James's Psychologie findet. Es gibt auch kein experimentum crucis, das für, oder gegen diese Lehre entscheiden könnte.

71. Wer mit Goethe übereinstimmt, findet, Goethe habe die Natur der Farbe richtig erkannt. Und Natur ist hier nicht, was aus Experimenten hervorgeht, sondern sie liegt im Begriff der Farbe.

72. Eins war für Goethe unumstößlich klar: Aus Dunkelheiten kann sich kein Helles zusammensetzen - wie aus mehr und mehr Schatten kein Licht entsteht. Und dies ließe sich so ausdrücken: Wenn man Lila ein weißlich-rötlich-Blau nennt, oder Braun ein schwärzlich-rötlich-Gelb, - so kann man nun Weiß kein gelblich-rötlich-grünlich-Blau, oder dergleichen, nennen. Weiß ist nicht eine Zwischenfarbe anderer Farben. Und das können Versuche mit dem Spektrum weder bekräftigen noch widerlegen. Es wäre aber auch falsch zu sagen "Schau Dir die Farben nur in der Natur an, und Du wirst sehen, daß es so ist." Denn über die Begriffe der Farben wird man durch Schauen nicht belehrt.

73. Ich kann mir nicht denken, daß Goethes Bemerkungen über die Charaktere der Farben und Farbenzusammenstellungen für den Maler nützlich sein können; kaum für den Dekorateur. Die Farbe eines blutunterlaufenen Auges könnte als Farbe eines Wandbehangs prächtig wirken. Wer vom Charakter einer Farbe redet, denkt dabei immer nur an eine bestimmte Art ihrer Verwendung,

74. Gäbe es eine Harmonielehre der Farben, so würde sie etwa mit einer Einteilung der Farben in Gruppen anfangen und gewisse Mischungen, oder Nachbarschaften verbieten, andre erlauben. Und sie würde, wie die Harmonielehre, ihre Regeln nicht begründen.

75. Es mag Geistesschwache geben, denen man den Begriff 'morgen' nicht beibringen kann, oder den Begriff 'ich', oder das Ablesen der Uhrzeit. Sie würden den Gebrauch des Wortes 'morgen' nicht erlernen, etc.

Wem kann ich nun beschreiben, was diese nicht erlernen können? Nicht nur dem, der es erlernt hat? Kann ich dem A nicht mitteilen, B könne höhere Mathematik nicht erlernen, auch wenn A sie nicht beherrscht? Versteht nicht der das Wort "Schach" anders, der das Spiel gelernt hat, als der es nicht gelernt hat? Es bestehen Unterschiede zwischen der Verwendung, die jener von dem Wort machen kann, und der Verwendung, die dieser gelernt hat.

76. Heißt ein Spiel beschreiben immer: eine Beschreibung geben, durch die man es lernen kann?

77. Hat der Normalsehende und der Farbenblinde den gleichen Begriff von der Farbenblindheit? Ein Farbenblinder kann nicht nur unsre Farbwörter, sondern auch das Wort "Farbenblind" nicht so verwenden lernen wie ein Normaler. Er kann z.B. die Farbenblindheit nicht auf die gleiche Weise feststellen wie dieser.

78. Es könnte Menschen geben, die unsre Ausdrucksweise, Orange sei ein rötliches Gelb, nicht verstünden, und nur dann geneigt wären, so etwas zu sagen, wo sie einen Farbübergang von Gelb über Orange nach Rot vor Augen sehen. Und für solche müßte der Ausdruck "rötliches Grün" keine Schwierigkeit haben.

79. Die Psychologie beschreibt die Phänomene des Sehens. - Wem macht sie die Beschreibung? Welche Unwissenheit kann diese Beschreibung beheben?

80. Die Psychologie beschreibt, was beobachtet wurde.

81. Kann man dem Blindem beschreiben, wie das ist, wenn Einer sieht? - Doch. Ein Blinder lernt manches über den Unterschied des Blinden vom Sehenden. Aber die Frage war schlecht gestellt; als wäre Schen eine Tätigkeit und es gäbe von ihr eine Beschreibung,

82. Ich kann doch Farbenblindheit beobachten; warum also Sehen nicht? - Ich kann beobachten, welche Farburteile ein Farbenblinder - oder auch ein Normalsichtiger - unter gewissen Umständen fällt.

83. Man sagt manchmal (wenn auch mißverständlich) "Nur ich kann wissen, was ich sehe". Aber nicht: "Nur ich kann wissen, ob ich farbenblind bin." (Noch auch: "Nur ich kann wissen, ob ich sehe, oder blind bin.'')

84. Die Aussage "Ich sehe einen roten Kreis" und die "Ich sehe (bin nicht blind)" sind logisch nicht gleichartig. Wie prüft man die Wahrheit der ersten, wie die Wahrheit der zweiten?

85. Aber kann ich glauben zu sehen, und blind sein, oder glauben blind zu sein, und sehen?

86. Könnte in einem Lehrbuch der Psychologie der Satz stehen "Es gibt Menschen, welche sehen"? Wäre das falsch? Aber wem wird hier etwas mitgeteilt?

87. Wie kann es unsinnig sein zu sagen "Es gibt Menschen, welche sehen", wenn es nicht unsinnig ist zu sagen "Es gibt Menschen, welche blind sind"?

Aber angenommen, ich hätte nie von der Existenz blinder Menschen gehört und eines Tages teilt man mir mit "Es gibt Menschen, welche nicht sehen", müßte ich diesen Satz so ohne weiteres verstehen? Muß ich mir, wenn ich selber nicht blind bin, bewußt sein, daß ich die Fähigkeit des Sehens habe, und daß es also Leute geben kann, die sie nicht haben?

88. Wenn der Psychologe uns lehrt "Es gibt Menschen, welche sehen", so können wir ihn fragen: "Und was nennst Du 'Menschen, welche sehen'?" Darauf müßte die Antwort sein: Menschen, die unter den und den Umständen sich so und so benehmen.

Teil II.

1. Man könnte von dem Farbeindruck einer Fläche reden, womit nicht die Farbe gemeint wäre, sondern das Zusammen der Farbtöne, das den Eindruck einer braunen Fläche (z.B.) ergibt.

2. Die Beimischung des Weiß nimmt der Farbe das Farbige; dagegen nicht die Beimischung von Gelb. - Ist das am Grunde des Satzes, daß es kein klar durchsichtiges Weiß geben kann?

3. Was aber ist das für ein Satz: daß die Beimischung des Weißen der Farbe das Farbige nimmt?

Wie ich es meine, kann's kein physikalischer Satz sein.

Hier ist die Versuchung sehr groß, an eine Phänomenologie, ein Mittelding zwischen Wissenschaft und Logik, zu glauben.

4. Was ist denn das Wesentliche des Trüben? Denn rotes, gelbes Durchsichtiges ist nicht trübe, weißes ist trübe.

5. Ist trüb das, was die Formen verschleiert, und verschleiert es die Formen, weil es Licht und Schatten verwischt?

6. Ist nicht weiß das, was die Dunkelheit aufhebt?

7. Man redet zwar von 'schwarzem Glas', aber wer durch rotes Glas eine weiße Fläche sieht, sieht sie rot, durch 'schwarzes' Glas nicht schwarz.

8. Man bedient sich, um klar zu sehen, oft gefärbter Brillengläser, aber nie trüber.

9. "Die Beimischung von Weiß verwischt den Unterschied zwischen Hell und Dunkel, Licht und Schatten": bestimmt das die Begriffe näher? Ich glaube schon.

10. Wer das nicht fände, hätte nicht die entgegengesetzte Erfahrung; sondern wir würden ihn nicht verstehen.

11. In der Philosophie muß man immer fragen: "Wie muß man dieses Problem ansehen, daß es lösbar wird?"

12. Denn hier (wenn ich die Farben betrachte z.B.) ist da erst nur eine Unfähigkeit irgend eine Ordnung in den Begriffen zu machen.

Wir stehen da, wie der Ochs vor der neu gestrichenen Stalltür.

13. Denk daran, wie ein Maler die Durchsicht durch ein rötlich gefärbtes Glas darstellen würde. Es ist ja ein kompliziertes Flächenbild, was sich da ##ergiebt. D.h., das Bild wird nebeneinander eine Menge von Abschattungen von Rot und andern Farben enthalten. Und analog, wenn man durch ein blaues Glas sähe.

Wie aber, wenn man ein Bild malte, in dem dort, wo früher etwas bläulich oder rötlich wurde, es weißlich wird?

14. Ist der ganze Unterschied hier, daß die Farben durch den rötlichen Schein nicht ihre Sattheit verlieren, wohl aber durch den weißlichen?

Ja, man spricht gar nicht von einem 'weißlichen Schein'!

15. Wenn bei einer gewissen Beleuchtung alles weiblich aussähe, so würden wir nicht schließen, das Leuchtende müsse weiß ausschaun.

16. Die phänomenologische Analyse (wie sie z.B. Goethe wollte) ist eine Begriffsanalyse und kann der Physik weder ##beistimmen, noch widersprechen.

17. Wie aber, wenn es irgendwo so wäre: das Licht eines weißglühenden Körpers ließe die Sachen hell aber weiblich, also farbschwach, erscheinen, das Licht eines rotglühenden rötlich, etc.? (Nur eine unsichtbare, dem Auge nicht wahrnehmbare Quelle, ließe sie in Farben leuchten.)

18. Ja, wie wenn die Dinge nur dann in ihren Farben leuchteten, wenn, in unserm Sinne, kein Licht auf sie fällt, wenn z.B. der Himmel schwarz wäre? Könnte man dann nicht sagen: nur bei schwarzem Licht erscheinen uns die vollen Farben?

19. Aber wäre hier nicht ein Widerspruch?

20. Ich sehe nicht, daß die Farben der Körper Licht in mein Auge reflektieren.

Teil III.

24.3.50

1. ? In einem Bild muß das Weiß die hellste Farbe sein.

2. In der Tricolore kann z.B. das Weiß nicht dunkler sein als Blau und Rot.

3. Hier gibt es eine Art Farbmathematik.

26.3

4. Aber auch das reine Gelb ist heller als das reine, satte Rot, oder Blau. Und ist dies ein Satz der Erfahrung? - Ich weiß z.B. nicht, ob Rot (d.h. das reine) heller oder dunkler ist als Blau; ich müßte sie schen, um es sagen zu können. Und doch, wenn ich es geschen hätte, so wüßte ich's nun ein für alle mal, wie das Resultat einer Rechnung.

Wo trennen sich hier Logik und Erfahrung (Empirie)?

5. Das Wort, dessen Bedeutung nicht klar ist, ist "rein", oder "satt". Wie lernen wir diese Bedeutung? Wie zeigt es sich, daß Menschen das Gleiche damit meinen? Ich nenne eine Farbe (z.B. Rot) "satt", wenn sie weder Schwarz noch Weiß enthält, weder schwärzlich noch weißlich ist.

Aber diese Erklärung dient nur einer vorläufigen Verständigung.

6. Welche Wichtigkeit hat der Begriff der satten Farbe?

7. Es ist hier offenbar eine Tatsache wichtig: daß nämlich Menschen einem Punkt im Farbkreis eine besondere Stellung einräumen. Daß sie sich diesen Punkt nicht mühsam merken müssen, sondern Alle immer leicht zu demselben Punkt finden.

8. Gibt es eine 'Naturgeschichte der Farben', und wieweit ist sie analog ciner Naturgeschichte der Pflanzen? Ist diese nicht zeitlich, jene unzeitlich?

9. Wenn wir sagen, daß "sattes Gelb ist heller als sattes Blau" kein Satz der Psychologie ist (denn nur so könnte er Naturgeschichte sein) - so heißt das: Wir verwenden ihn nicht als naturgeschichtlichen Satz, und die Frage ist dann: wie sieht die andere, unzeitliche, Verwendung aus?

10. Denn nur so ließe sich der 'farbmathematische' Satz vom naturgeschichtlichen unterscheiden.

11. Oder auch: die Frage ist die: kann man hier zwei Verwendungen (klar) unterscheiden?

12. Hast du dir zwei Farbtöne A und B eingeprägt, und A ist heller als B, und nennst du danach einen Farbton "A" und einen andern "B", dieser aber ist heller als jener: so hast du die Farbtöne falsch benannt. (Das ist Logik).

13. Der Begriff der 'satten' Farbe sei von solcher Art, daß das satte X nicht einmal heller, einmal dunkler sein kann als das satte Y; d.h., daß es keinen Sinn hat, zu sagen, es sei einmal heller, ein andermal dunkler. Dies ist eine Begriffsbestimmung und gehört wieder zur Logik.

Ob ein so bestimmter Begriff nützlich sei, oder nicht, ist hier nicht entschieden.

14. Es könnte dieser Begriff nur eine sehr beschränkte Verwendung haben. Und zwar darum, weil, was wir für gewöhnlich ein sattes X nennen, ein Farbeindruck innerhalb einer bestimmten Umgebung ist. Vergleichbar dem 'durchsichtigen' X.

15. Gib Beispiele von einfachen Sprachspielen mit dem Begriff der 'satten Farben'!

16. Ich nehme an, gewisse chemische Verbindungen, z.B. die Salze einer bestimmten Säure, hätten satte Farben und könnten so erkannt werden.

17. Oder es ließe sich die Heimat gewisser Blumen nach der Sattheit ihrer Farben erraten. So daß man z.B. sagen könnte: "Das muß eine Alpenblume sein, weil ihre Farbe so intensiv ist.”

18. In so einem Fall könnte es aber helleres und dunkleres sattes Rot etc. geben.

19. Und muß ich nicht zugeben, daß Sätze oft an der Grenze von Logik und Empirie gebraucht werden, so daß ihr Sinn über die Grenze hin und her wechselt und sie bald Ausdruck einer Norm sind, bald als Ausdruck der Erfahrung behandelt werden.

Denn es ist ja nicht der 'Gedanke' (eine psychische Begleiterscheinung), sondern seine Verwendung (etwas, was ihn umgibt), die den logischen Satz vom Erfahrungssatz unterscheidet.

20. Das falsche Bild verwirrt, das richtige Bild hilft.

21. Die Frage wird z.B. sein: Läßt sich, was "sattes Grün" heißt, dadurch beibringen, daß man lehrt,[1] was sattes Rot, order Gelb, oder Blau ist?

22. Der 'Glanz', das 'Glanzlicht', kann nicht schwarz sein. Ersetzte ich das Helle der Glanzlichter in einem Bild durch Schwarze, so wären's nun nicht schwarze Glanzlichter: und zwar nicht einfach darum, weil in der Natur das Glanzlicht nur so und nicht anders entsteht, sondern auch weil wir auf ein Licht an dieser Stelle in bestimmter Weise reagieren. Eine Flagge mag gelb und schwarz, eine andere gelb und weiß sein.

23. Durchsichtigkeit im Bild gemalt wirkt anders als Undurchsichtigkeit.

24. Warum ist ein durchsichtiges Weiß nicht möglich? - Mal einen durchsichtigen roten Körper, und dann ersetze Rot durch Weiß!

Schwarz und Weiß haben bei der Durchsichtigkeit einer Farbe schon ihre Hand im Spiele.

Ersetzt du das Rot durch Weiß, so kommt der Eindruck der Durchsichtigkeit nicht mehr zustande; wie der Eindruck der Körperlichkeit nicht, wenn Du aus der Zeichnung  Bemerkungen ueber die Farben III-24-a.png  die Zeichnung  Bemerkungen ueber die Farben III-24-b.png  machtest.

27.3

25. Warum ist eine satte Farbe nicht einfach: diese, oder diese, oder diese, oder diese? - Weil man sie auf andere Art wiedererkennt, oder bestimmt.

26. Was uns mißtrauisch machen kann, ist, daß Manche drei Grundfarben zu erkennen glaubten, Manche vier. Manche hielten dafür, daß Grün eine Zwischenfarbe von Blau und Gelb sei, und mir z.B. kommt das falsch vor auch abgesehen von jeder Erfahrung.

Blau und Gelb, sowie Rot und Grün, erscheinen mir als Gegensätze - aber das mag einfach daherrühren, daß ich gewöhnt bin, sie im Farbenkreis an entgegengesetzten Punkten zu sehen.

Ja, welche Wichtigkeit hat für mich (sozusagen psychologisch) die Frage nach der Zahl der Reinen Farben?

27. Ich scheine ein logisch Wichtiges zu sehen: Wenn man Grün eine Zwischenfarbe von Blau und Gelb nennt, dann muß man z.B. auch sagen können, was ein nur leicht bläuliches Gelb heißt, oder ein nur etwas gelbliches Blau. Und diese Ausdrücke sagen mir gar nichts. Aber könnten sie nicht einem Andern etwas sagen?

Wer mir also die Farbe einer Wand so beschreibe, "Sie war ein etwas rötliches Gelb," den könnte ich so verstehen, daß ich aus einer Zahl von Mustern ein annähernd richtiges wählen könnte. Wer die Farbe aber so beschriebe, sie sei ein etwas bläuliches Gelb, dem könnte ich so ein Muster nicht zeigen. - Man pflegt hier zu sagen, man könne sich in einem Falle die Farbe vorstellen, im andern nicht, - aber dieser Ausdruck ist irreführend, denn man braucht hier gar nicht an das Auftauchen eines Bildes vor dem inneren Auge zu denken.

28. Wie es ein absolutes Gehör gibt und Leute, die es nicht besitzen, so könnte man sich doch denken, daß es mit Bezug auf das Farben sehen eine große Zahl verschiedener Veranlagungen gäbe.

Vergleiche z.B. den Begriff 'satte Farbe' mit 'warme Farbe'. Müßten alle Leute 'warme' und 'kalte' Farben kennen? Es sei denn, daß man sie einfach lehrt, eine bestimmte Disjunktion von Farben so, bezw. so zu nennen.

Könnte nicht z.B. ein Maler gar keinen Begriff von 'vier reinen Farben' haben, ja es lächerlich finden, von solchen zu reden?

29. Oder auch so: Was ginge Menschen ab, denen dieser Begriff gar nicht natürlich ist?

30. Frage so: Weißt du, was "rötlich" bedeutet? Und wie zeigst du, daß du's weißt?

Sprachspiele: "Zeige ein rötliches Gelb (Weiß, Blau, Braun)!" - "Zeige ein noch rötlicheres!" - "Ein weniger rötliches!" etc. Beherrschst du nun diese Spiele, so wird verlangt, "Zeig ein etwas rötliches Grün!” Nimm nun zwei Fälle an: Der eine: Du zeigst daraufhin auf eine Farbe (und immer auf die gleiche), z.B. (etwa) auf ein Olivgrün - der andere: Du sagst, "Ich weiß nicht, was das heißt," oder "Das gibt's nicht."

Man könnte geneigt sein zu sagen, der Eine habe einen andern Farbbegriff als der Andre; oder einen andern Begriff von '...lich.'

31. Wir reden von "Farbenblindheit" und nennen sie einen Defekt. Aber es könnte leicht mehrere verschiedene Anlagen geben, von denen keine gegen die andre offenbar minderwertig ist. - Und denk auch daran, daß ein Mensch durch's Leben gehen kann, ohne daß seine Farbenblindheit bemerkt wird, bis eine besondere Gelegenheit sie zum Vorschein bringt.

32. So können also verschiedene Menschen verschiedene Farbbegriffe haben? - Etwas verschiedene. In einem oder dem andern Zug verschiedene. Und das wird ihre Verständigung mehr, oder weniger, oft beinahe gar nicht beeinträchtigen.

33. Hier möchte ich eine allgemeine Bemerkung über die Natur der philosophischen Probleme machen. Die philosophische Unklarheit ist quälend. Sie wird als beschämend empfunden. Man fühlt: man kennt sich nicht aus, wo man sich auskennen sollte. Und dabei ist es doch nicht so. Wir können sehr wohl leben, ohne diese Unterscheidungen, auch ohne sich hier auszukennen.

34. Wie hängen Farbenmischung und "Zwischenfarbe zusammen? Man kann offenbar von Zwischenfarben in einem Sprachspiel reden, worin Farben gar nicht durch Mischung erzeugt werden, sondern nur vorhandene Farbtöne gewählt werden.

Und doch ist ein Gebrauch des Begriffes der Zwischenfarbe auch, die Farbenmischung zu erkennen, die einen Farbton erzeugt.

35. Lichtenberg sagt, nur wenige Menschen hätten je reines Weiß gesehen. So verwenden also die Meisten das Wort falsch? Und wie hat er den richtigen Gebrauch gelernt? - Vielmehr: er hat aus dem tatsächlichen einen Idealgebrauch konstruiert. Wie man eine Geometrie konstruiert. Aber mit "Ideal" ist hier nicht etwas besonders Gutes, sondern nur etwas auf die Spitze getriebenes gemeint.

36. Und freilich kann so ein erfundener uns wieder über den wirklichen Gebrauch belehren.

Und es könnte auch sein, daß wir, z.B. für wissenschaftliche Zwecke, einen neuen Begriff des 'reinen Weiß' einführen.

(Ein solcher neuer Begriff entspräche dann etwa dem chemischen Begriff eines 'Salzes'.)

37. Inwiefern ist Weiß und Schwarz mit Gelb, Rot und Blau zu vergleichen, und inwiefern nicht?

Hätten wir eine gewürfelte Tapete aus roten, blauen, grünen, gelben, schwarzen und weißen Quadraten, so wären wir nicht geneigt zu sagen, sie sei aus zweierlei Bestandteilen zusammengesetzt, aus 'farbigen' und 'unfäbigen' etwa.

38. Denken wir uns nun, daß Menschen nicht farbige und schwarzweiß Bilder kontrastierten, sondern farbige und blau-weiß Bilder. D.h.: könnte nicht auch Blau als keine eigentliche Farbe empfunden (und d.h. gebraucht) werden?

39. Meinem Gefühl nach löscht Blau das Gelb aus, - aber warum sollte ich nicht ein etwas grünliches Gelb ein "bläuliches Gelb" nennen und Grün eine Zwischenfarbe von Blau und Gelb, und ein stark bläuliches Grün ein etwas gelbliches Blau?

40. In einem grünlichen Gelb merke ich noch nichts Blaues. - Grün ist für mich eine besondere Station auf dem farbigen Wege von Blau nach Gelb, und Rot ist auch eine.

41. Was hätte Einer vor mir voraus, der einen direkten Farbenweg zwischen Blau und Gelb kennte? Und wie zeigt es sich, daß ich so einen Weg nicht kenne? - Liegt alles an den mir möglichen Sprachspielen mit der Form "...lich"?

42. Man wird sich also fragen müssen: wie sähe es aus, wenn Menschen Farben kennten, die auch unsre Normalsichtigen nicht kennen? Diese Frage wird sich im allgemeinen nicht eindeutig beantworten lassen. Denn es ist nicht ohne weiteres klar, daß wir von solchen Abnormen sagen müssen, sie kennten andere Farben. Es gibt ja kein allgemein anerkanntes Kriterium dafür, was eine Farbe sei, es sei denn, daß es eine unsrer Farben ist.

Und doch ließen sich Umstände denken, unter welchen wir sagen würden, "Diese Leute sehen außer den unsern noch andere Farben."

28.3.

43. Man muß in der Philosophie nicht nur in jedem Fall lernen, was über einen Gegenstand zu sagen ist, sondern wie man über ihn zu reden hat. Man muß immer wieder erst die Methode lernen wie er anzugehen ist.

44. Oder auch: In jedem ernstern Problem reicht die Unsicherheit bis in die Wurzeln hinab.

45. Man muß immer gefaßt sein, etwas gänzlich Neues zu lernen.

46. In den Farben: Verwandschaft, und Gegensatz. (Und das ist Logik.)

47. Was heißt es, "Das Braun ist dem Gelb verwandt"?

48. Heißt es, daß sich die Aufgabe, ein etwas bräunliches Gelb zu wählen, ohne weiteres verstünde? (Oder ein etwas gelblicheres Braun.)

49. Die färbige Vermittlung zwischen zwei Farben.

50. "Gelb ist dem Rot verwandter als dem Blau." –

51. Der Unterschied zwischen Schwarz-Rot-Gold und Schwarz-RotGelb. – Gold gilt hier als Farbe.

52. Tatsache ist, daß wir im Stande sind, uns über die Farben der Dinge mittels sechs Farbnamen zu verständigen. Auch, daß wir die Wörter "Rötlichgrün," "Gelblichblau" etc. nicht verwenden.

53. Beschreibung eines Zusammenlegspiels durch die Beschreibung der Steine. Ich nehme an, daß diese nie eine räumliche Form erkennen lassen, sondern uns als flache ein- oder mehrfarbige Stückchen erscheinen. Erst zusammengestzt wird etwas ein 'Schatten', ein 'Glanz', cine 'konkave oder konvexe einfärbige Fläche' etc.

54. Ich kann sagen: Dieser Mann unterscheidet nicht Rot und Grün. Kann ich aber sagen: Wir Normalen unterscheiden Rot und Grün? Wir könnten aber sagen: "Wir sehen hier zwei Farben, jener nur eine."

55. Die Beschreibung der Phänomene der Farbenblindheit gehört zur Psychologie. Also auch die der Phänomene des normalen Farbensehens? Gewiß, – aber was setzt so eine Beschreibung voraus, und für wen ist es eine Beschreibung, oder besser: welcher Hilfsmittel bedient sie sich? Wenn ich sage, “Was setzt sie voraus?" so heißt das, "Wie muß Einer auf sie schon reagieren, um sie zu verstehen?" "Wer in einem Buch die Phänomene der Farbenblindheit beschreibt, beschreibt sie mit den Begriffen der Sehenden."

56. Dieses Papier ist an verschiedenen Stellen verschieden hell; aber kann ich sagen, es sei nur an gewissen Stellen weiß, an den andern aber grau?? – Ja, wenn ich es malte, würde ich allerdings für die dunklern Stellen ein Grau mischen.

Eine Flächenfarbe ist eine Qualität einer Fläche. Man könnte also versucht sein, sie keinen reinen Farbbegriff zu nennen. Aber was wäre dann ein reiner?!

57. Es ist nicht richtig, daß in einem Bild das Weiße stets die hellste Farbe sein muß. Wohl aber in einer flächenhaften Kombina tion von Farbflecken. Ein Bild könnte ein Buch weißen Papiers im Schatten darstellen und heller als dieses einen gelb, oder blau, oder rötlich leuchtenden Himmel. Beschreibe ich aber eine ebene Fläche, eine Tapete z.B.: sie bestehe aus rein gelben, roten, blauen, weißen und schwarzen Quadraten, so können die gelben nicht heller sein als die weißen, die roten nicht heller als die gelben.

Darum waren die Farben für Goethe Schatten.

58. Es scheint einen fundamentalern: Farbbegriff zu geben, als den der Oberflächenfarbe. Er wäre, möchte man denken, darzustellen entweder durch kleine farbige Elemente des Gesichtsfeldes, oder durch leuchtende Punkte nach Art der Sterne. Aus diesen Punktfarben, oder kleinen Farbflecken setzten sich auch die größeren farbigen Ausdehnungen zusammen. So daß man also den Farbeindruck von einer Oberfläche beschreiben könnte, indem man die vielen kleinen Farbflecken in ihren Lagen angäbe.

Aber wie soll man z.B. so ein kleines Farbmuster mit einem Stück der größeren Oberfläche vergleichen? Welche Umgebung soll das Farbmuster haben?

59. Wir sind im gewöhnlichen Leben beinahe von lauter unreinen Farben umgeben. Um so merkwürdiger, daß wir einen Begriff von reinen Farben gebildet haben.

29.3

60. Warum reden wir nicht von einem 'reinen' Braun? Ist der Grund davon bloß die Stellung des Braun zu den andern 'reinen' Farben, seine Verwandschaft mit ihnen allen? – Braun ist vor allem nur Oberflächenfarbe. D.h.: es gibt kein klares Braun, sondern nur ein Trübes. Auch: Braun enthält Schwarz. – (?) – Wie müßte sich ein Mensch benchmen, daß man von ihm sagen könnte, er kenne ein reines, primäres, Braun?

61. Wir müssen uns immer wieder die Frage vorhalten: Wie lernt der Mensch die Bedeutung der Farbnamen?

62. Was heißt "Braun enthält Schwarz"? Es gibt mehr und weniger schwärzliches Braun. Gibt es eins, was gar nicht mehr schwärzlich ist? Es gibt gewiß nicht eins, welches gar nicht gelblich ist.

63. Wenn wir so weiter überlegen, so fallen uns nach und nach 'interne Eigenschaften' einer Farbe ein, an die wir anfangs nicht gedacht hatten. Und das kann uns den Gang einer philosophischen Untersuchung zeigen. Wir müssen immer gewärtig sein, daß eine neue, die wir nicht bedacht haben, uns einfällt.

64. Wir dürfen auch nicht vergessen, daß unsre Farbwörter den Eindruck einer Fläche charakterisieren, auf der unser Blick herumschweift. Dazu sind sie da.

65. "Braunes Licht". Angenommen es werde vorgeschlagen, ein Lichtsignal auf der Straße sollte braun sein.

66. Es ist nur zu erwarten, daß wir Adjektive finden werden, die (wie ja z.B. "schillernd") Farbcharakteristika einer ausgedehnten Fläche sind, oder auch einer kleinen Ausdehnung in einer bestimmten Umgebung ("schimmernd", "flimmernd", "glänzend", "leuchtend").

67. Ja, die reinen Farben haben nicht einmal besondere allgemein gebrauchte Namen, so wenig wichtig sind sie uns.

68. Denken wir uns jemand malte jedes beliebige Stück der Natur, und zwar in den naturgetreuen Farben. Jeder Flächenteil so eines Gemäldes hat eine bestimmte Farbe. Welche Farbe? Wie bestimme ich ihren Namen? Soll sie den Namen des Pigments haben, das er aufgetragen hat, unter dem es z.B. zu kaufen ist? Aber könnte nicht in der besondern Umgebung ein solches Pigment ganz anders ausschen als auf der Palette?

69. So kämen wir also vielleicht dazu, kleinen Farbstückchen auf einem schwarzen Grund (z.B.) besondere Namen zu geben.

Ich will damit eigentlich zeigen, daß es gar nicht a priori klar ist, welches die einfachen Farbbegriffe sind.

30.3

70. Es ist nicht wahr, daß eine dunklere Farbe zugleich eine schwärzlichere ist. Das ist ja klar. Ein sattes Gelb ist dunkler, aber nicht schwärzlicher als ein Weißlichgelb. Aber Amber ist auch nicht ein 'schwärzliches Gelb'. (?) Und doch redet man, auch von einem 'schwarzen' Glas oder Spiegel. – Liegt die Schwierigkeit darin, daß ich mit "Schwarz" wesentlich eine Oberflächenfarbe meine?

Ich würde von einem Rubin nicht sagen, er habe ein schwärzliches Rot, denn das würde auf Trübe deuten. (Anderseits erinnere dich, daß sich Trübe und Durchsichtigkeit malen lassen.)

71. Ich behandle die Farbbegriffe ähnlich wie die Begriffe der Sinnesempfindungen.

72. Die Farbbegriffe sind ähnlich zu behandeln wie die Begriffe der Sinnesempfindungen.

73. Es gibt nicht den reinen Farbbegriff.

74. Woher aber dann die Täuschung? Ist sie nicht eine vorschnelle Vereinfachung in der Logik wie jede andre?

75. D.h.: die verschiedenen Farbbegriffe sind wohl eng mit einander verwandt, die verschiedenen 'Farbwörter' haben einen verwandten Gebrauch, aber es sind mancherlei Unterschiede.

76. Runge sagt, es gebe durchsichtige und undurchsichtige Farben. Aber ein Stück grünes Glas wird in einem Bild darum nicht mit einem andern Grün gemalt als grünes Tuch.

77. Es ist ein eigentümlicher Schritt der Malerei, ein Glanzlicht durch eine Farbe darzustellen.

78. Die Unbestimmtheit im Begriff der Farbe liegt vor allem in der Unbestimmtheit des Begriffs der Farbengleichheit, also der Methode des Vergleichen der Farben.

79. Es gibt Goldfarbe, aber Rembrandt hat einen goldenen Helm nicht mit Goldfarbe dargestellt.

80. Was macht Grau zu einer neutralen Farbe? Ist es etwas Physiologisches, oder etwas Logisches?

Was macht die bunten Farben zu bunten? Liegt es im Begriff, oder in Ursache und Wirkung?

Warum nimmt man in den 'Farbenkreis' nicht Weiß und Schwarz auf? Nur weil das gegen ein Gefühl in uns streitet?

81. Es gibt kein leuchtendes Grau. Gehört das zum Begriff des Grau, oder zur Psychologie, also zur Naturgeschichte, des Grau? Und ist es nicht seltsam, daß ich das nicht weiß?

82. Daß die Farben ihre charakteristischen Ursachen und Wirkungen haben, das wissen wir.

83. Grau ist zwischen zwei Extremen (Schwarz und Weiß), und kann eine Tönung von jeder andern Farbe annehmen.

84. Wäre es denkbar, daß jemand alles, was wir weiß sehen, schwarz sähe, und umgekehrt?

85. In einem bunten Muster könnte Schwarzes und Weißes neben Rotem und Grünem etc. sein, ohne als andersartig sich abzusondern

Nur im Farbenkreis fiele es heraus. Schon weil sich Schwarz und Weiß mit allen andern Farben mischen; besonders auch: beide mit ihrem Gegenpol.

86. Kann man sich nicht vorstellen, daß Menschen eine andere Farbengeometrie hätten, als unsre normale? Und das heißt natürlich: kann man es beschreiben, kann man der Aufforderung es zu beschreiben ohne weiteres nachkommen, weiß man also unzweideutig, was von uns verlangt wird?

Die Schwierigkeit ist offenbar die: Zeigt uns nicht gerade die Farbengeometrie, wovon die Rede ist, daß nämlich von den Farben die Rede ist?

87. Die Schwierigkeit es sich vorzustellen (oder es sich auszumalen) ist also eigentlich die, zu wissen, wann man sich das ausgemalt hat. D.h., die Unbestimmtheit der Aufforderung, es sich vorzustellen.

88. Die Schwierigkeit ist also, zu wissen, was hier als das Analogon eines uns Bekannten zu betrachten ist.

89. Eine Farbe, die als Farbe einer Wand 'schmutzig' wäre, ist es darum nicht in einem Gemälde.

90. Ich bezweifle, daß Goethes Bemerkungen über die Charaktere der Farben für einen Maler nützlich sein können. Kaum für einen Dekorateur.

91. Gäbe es eine Harmonielehre der Farben, so würde sie etwa mit einer Einteilung der Farben in verschiedene Gruppen anfangen und gewisse Mischungen oder Nachbarschaften verbieten, andere erlauben; und sie würde, wie die Harmonielehre, ihre Regeln nicht begründen.

92. Kann uns das kein Licht aufstecken über die Art jener Unterscheidungen zwischen den Farben?

93. [Wir sagen nicht, A wisse etwas, B das Gegenteil. Setzt man aber statt "wissen" "glauben", so ist es ein Satz.]

94. Runge an Goethe: "Wenn man sich ein bläuliches Orange, ein rötliches Grün oder ein gelbliches Violett denken will, wird einem so zu Muthe wie bei einem südwestlichen Nordwinde."

Ebendaselbst: "Weiß sowohl als Schwarz sind beide undurchsichtig oder körperlich..... Weißes Wasser wird man sich nicht denken können, was rein ist, so wenig wie klare Milch. Wenn das Schwarze bloß dunkel machte, so könnte es wohl klar sein; da es aber schmutzt, so kann es solches nicht."

95. In meinem Zimmer um mich her sind verschieden gefärbte Gegenstände. Es ist leicht, ihre Farben anzugeben. Wenn ich aber gefragt würde, welche Farbe ich jetzt von hier aus, an dieser Stelle meines Tisches etwa, sehe, so könnte ich darauf nicht antworten; die Stelle ist weißlich (weil der braune Tisch hier von der hellen Wand aufgehellt wird), sie ist jedenfalls weit heller als das Übrige des Tisches, aber ich könnte nicht aus Farbmustern eins auswählen, das die gleiche Färbung hätte wie diese Stelle des Tisches.

96. Daß es mir – oder Allen – so scheint, daraus folgt nicht, daß es so ist.

Also: Daraus, daß uns Allen dieser Tisch braun erscheint, folgt nicht, daß er braun ist. Aber was heißt es nur: "Dieser Tisch ist am Ende doch nicht braun"? – So folgt also doch daraus, daß er uns braun erscheint, daß er braun ist?

97. Nennen wir nicht eben den Tisch braun, der dem Normalsichtigen unter gewissen Umständen braun erscheint? Wir könnten uns freilich jemand denken, dem die Dinge unabhängig von ihrer Farbe einmal so, einmal so gefärbt schienen.

98. Daß es den Menschen so scheint, ist ihr Kriterium dafür, daß es so ist.

99. So scheinen und so sein mag freilich in Ausnahmsfällen von einander unabhängig sein, aber das macht sie nicht logisch unabhängig; das Sprachspiel liegt nicht in der Ausnahme.

100. Goldig ist eine Oberflächen-farbe.

101. Wir haben Vorurteile die Verwendung der Wörter betreffend.

102. Auf die Frage "Was bedeutet 'rot', 'blau', 'schwarz', 'weiß'?", können wir freilich gleich auf Dinge, die so gefärbt sind, zeigen, – aber das ist auch alles: weiter geht unsre Fähigkeit die Bedeutungen zu erklären nicht.

103. Im übrigen machen wir uns von ihnen keine, oder eine ganz rohe, zum Teil falsche Vorstellung.

104. 'Dunkel' und 'schwärzlich' sind nicht der gleiche Begriff.

105. Runge sagt, das Schwarz 'schmutzt': was heißt das? Ist das eine Wirkung des Schwarzen auf's Gemüt? Ist hier eine Wirkung der Beimischung der schwarzen Farbe gemeint?

106. Worin liegt es, daß ein dunkles Gelb nicht als 'schwärzlich' empfunden werden muß, auch wenn wir es dunkel nennen?

Die Logik der Farbbegriffe ist eben viel komplizierter als es scheinen möchte.

107. Die Begriffe 'matt' und 'glänzend'. Wenn man sich unter 'Farbe' etwas denkt, was die Eigenschaft eines Punktes im Raum ist, dann haben die Begriffe matt und glänzend keinen Bezug auf diese Farbbegriffe.

108. Die erste 'Lösung' für das Problem der Farben, die uns einfällt, ist daß die 'reinen' Farbbegriffe sich auf Punkte oder unteilbare kleine Flecken im Raum beziehen. Frage: wie sind die Farben zweier solchen Punkte zu vergleichen? Einfach indem man den Blick von dem einem zum andern wendet? Oder durch den Transport eines farbigen Gegenstands? Wenn dieses, wie weiß man, daß dieser Gegenstand seine Farbe dabei nicht geändert hat; wenn jenes, wie kann man die Farbpunkte mit einander vergleichen, ohne daß der Vergleich durch ihre Umgebung beeinflußt wird?

109. Ich könnte mir einen Logiker vorstellen, der erzählt, er sei jetzt dahin gelangt, daß er 2 × 2 = 4 wirklich denken könne.

110. Wenn du dir über die Rolle der Logik in den Farbbegriffen nicht klar bist, beginne mit dem einfachen Fall eines gelblichen Rot, z.B.. Dies gibt es, daran zweifelt niemand. Wie lerne ich den Gebrauch des Wortes "gelblich"? Durch Sprachspiele des Ordnens z.B.

Ich kann also lernen, in Übereinstimmung mit andern, gelbliche und gelblichere Rot, Grün, Braun und Weiß zu erkennen.

Dabei mache ich selbstständige Schritte wie in der Arithmetik. Die Aufgabe, ein gelbliches Blau zu finden, mag der Eine durch ein Grünblau lösen, der Andre nicht verstehen. Wovon hängt das ab?

111. Ich sage Grünblau enthält kein Gelb; wenn mir ein Andrer sagt, doch, es enthält Gelb, wer hat Recht? Wie ist es zu prüfen? Unterscheiden sich die beiden nur durch ihre Worte? – Wird nicht der Eine ein reines Grün anerkennen, das weder zum Blauen noch zum Gelben neigt? Und was ist der Nutzen hievon? In welchen Sprachspielen läßt sich das verwenden? – Er wird jedenfalls die Aufgabe lösen können, grüne Dinge auszusondern, die nichts Gelbliches haben, und solche, die kein Blau enthalten. Darin wird der Trennungspunkt 'Grün' bestehen, den der Andre nicht kennt.

112. Der Eine wird ein Sprachspiel erlernen können, das der Andre nicht erlernen kann. Und darin muß ja auch alle Art der Farbenblindheit bestehen. Denn könnte der 'Farbenblinde' die Sprachspiele des Normalen lernen, warum sollte man ihn von gewissen Berufen ausschließen?

113. Hätte man also Runge auf diesen Unterschied von Grün und Orange aufmerksam gemacht, so hätte er vielleicht die Idee, es gäbe nur drei Grundfarben, aufgegeben.

114. Inwiefern nun gehört, ob einer ein Spiel erlernen oder nicht erlernen kann, der Logik und nicht der Psychologie an?

115. Ich sage: Wer dies Spiel nicht spielen kann, hat diesen Begriff nicht.

116. Wer hat den Begriff 'morgen'? Von wem sagen wir, er hätte ihn?

117. Ich sah auf einer Photographie einen Buben mit glatt zurückgekämmtem blondem Haar und einer schmutzigen hellen Jacke und einen Mann mit dunklem Haar vor einer Maschine stehen, die zum Teil aus schwarz gestrichenen Gußteilen, teils aus bearbeiteten, glatten Wellen, Zahnrädern u.a. bestand, und daneben ein Gitter aus hellem verzinktem Draht. Das bearbeitete Eisen hatte Eisenfarbe, das Haar des Jungen war blond, die Gußteile schwarz, das Gitter zinkfarbig, obgleich alles nur durch hellere und dunklere Töne des photographischen Papiers dargestellt war.

118. Es mag Geistesschwache geben, denen man den Begriff 'morgen' nicht beibringen kann, oder den Begriff 'ich', oder das Ablesen der Uhrzeit. Er würde den Gebrauch des Wortes "morgen" nicht erlernen etc.

119. Wem kann ich nun mitteilen, was dieser Geistesschwache nicht erlernen kann? Nicht nur dem, der es selbst erlernt hat? Kann ich Einem nicht mitteilen, der und der könnte höhere Mathematik nicht erlernen, auch wenn jener sie nicht beherrscht? Und doch: weiß er, wer höhere Mathematik gelernt hat, nicht genauer? Versteht nicht der das Wort "Schach" anders, der das Spiel gelernt hat, als der es nicht kann? Was nennt man "eine Technik beschreiben"?