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445. Wie kann ich den Satz ''jetzt'' verstehen, wenn die Analyse soll zeigen können, ''was'' ich eigentlich verstehe?—Hier spielt die Idee des Verstehens als eines sonderbaren geistigen Vorgangs hinein.
445. Wie kann ich den Satz ''jetzt'' verstehen, wenn die Analyse soll zeigen können, ''was'' ich eigentlich verstehe?—Hier spielt die Idee des Verstehens als eines sonderbaren geistigen Vorgangs hinein.
446. Denk doch einmal gar nicht an das Verstehen als 'seelischen Vorgang'!—Denn ''das'' ist die Redeweise, die dich verwirrt. Sondern frage dich: in was für einem Fall, unter was für Umständen sagen wir denn "jetzt weiß ich weiter", wenn uns die Formel eingefallen ist?
Es ist jene Redeweise, die uns hindert, die Tatsachen unparteiisch zu sehen. Betrachte die Aussprache eines Worts durch die Darstellungsform der Schreibung! Wie leicht kann man sich da überreden, daß zwei Worte—z. B. "für" und "führ"—im täglichen Gebrauche verschiedenen Klang haben—weil man sie verschieden ausspricht, wenn man sein Augenmerk gerade auf den Unterschied ihrer Schreibung richtet. Damit zu vergleichen ist die Meinung, ein Violinspieler mit feinem Gehör greife f immer etwas höher als eis. Uberlege dir solche Fälle!—''So'' kann es geschehen, daß das Darstellungsmittel eine ''Einbildung'' erzeugt. Denken wir also nicht, wir ''müßten'' einen spezifischen seelischen Vorgang finden, weil das Verbum "verstehen" dasteht, und weil man sagt: Verstehen sei eine seelische Tätigkeit.
447. Die Unruhe in der Philosophie, könnte man sagen, kommt daher, daß wir die Philosophie falsch ansehen, falsch sehen, nämlich gleichsam in (endlose) Längsstreifen zerlegt, statt in (begrenzte) Querstreifen. Diese Umstellung der Auffassung macht die ''größte'' Schwierigkeit. Wir wollen also gleichsam den unbegrenzten Streifen erfassen und klagen, daß es nicht Stück für Stück möglich ist. Freilich nicht, wenn man unter einem Stück einen endlosen Längsstreifen versteht. Wohl aber, wenn man einen Querstreifen darunter versteht.—Aber dann kommen wir ja mit unserer Arbeit wieder nicht zu Ende!—Freilich nicht, denn sie hat keins.
(Statt der turbulenten Mutmaßungen und Erklärungen wollen wir ruhige Erwägung sprachlicher Tatsachen setzen.)
448. Und sagt man denn vom Satz "Es regnet", er sage: es verhält sich so und so? Welches ist denn der alltägliche Gebrauch dieses Ausdrucks in der gewöhnlichen Sprache? Denn von diesem Gebrauch hast ja du ihn gelernt. Verwendest du ihn nun gegen seinen ursprünglichen Gebrauch und denkst, du spielest noch das alte Spiel mit ihm, so ist das, als wenn du mit Schachfiguren Dame spieltest und dir einbildetest, das Spiel habe noch etwas vom Geist des Schach.
449. Ausdehnung eines Begriffs in einer ''Theorie'' (z. B. Wunschtraum).
450. Wer philosophiert, macht oft zu einem Wortausdruck die falsche, unpassende Geste.
451. (Man sagt das ''Gewöhnliche''—mit der falschen Gebärde.)
452. Wie kommt es, daß die Philosophie ein so komplizierter Bau ist? Sie sollte doch gänzlich einfach sein, wenn sie jenes Letzte von aller Erfahrung Unabhängige ist, wofür du sie ausgibst.—Die Philosophie löst Knoten auf in unserm Denken; daher muß ihr Resultat einfach sein, das Philosophieren aber so kompliziert wie die Knoten, welche es auflöst.
453. (Wie man manchmal eine Musik nur im innern Ohr reproduzieren kann, aber sie nicht pfeifen, weil das Pfeifen schon die innere Stimme übertönt, so ist manchmal die Stimme cines philosophischen Gedankens so leise, daß sie vom Lärm des gesprochenen Wortes schon übertönt wird und nicht mehr gehört werden kann, wenn man gefragt wird und reden soll.)
454. Plato: "—Wie? sagt er, die sollte nicht nutzen? Denn wenn doch einmal die Besonnenheit die Erkenntnis der Erkenntnisse ist und den andern Erkenntnissen vorsteht, so muß sie ja auch dieser sich auf das Gute bezichenden Erkenntnis vorstehen und uns so doch nutzen.—Macht auch sie uns, sprach ich, etwa gesund und nicht die Heilkunde? Und so auch mit den andern Künsten; verrichtet sie die Geschäfte derselben und nicht viel mehr jede von ihnen das ihrige? Oder haben wir nicht lange schon eingestanden, daß sie nur der Erkenntnisse und Unkenntnisse Erkenntnis wäre und keiner anderen Sache?—Allerdings wohl.—Sie also wird uns nicht die Gesundheit bewirken?—Wohl nicht.—Weil nämlich die Gesundheit für eine andere Kunst gehört?—Ja.—Also auch nicht den Nutzen, Freund, wird sie uns bewirken. Denn auch dieses Geschäft haben wir jetzt einer andern Kunst beigelegt.—Freilich.—Wie kann also die Besonnenheit nützlich sein, wenn sie uns gar keinen Nutzen bringt?"
455. (Der Philosoph ist nicht Bürger einer Denkgemeinde. Das ist, was ihn zum Philosophen macht.)
456. Manche Philosophen (oder wie man sie nennen soll) leiden an dem, was man "loss of problems", "Problemverlust" nennen kann. Es scheint ihnen dann alles ganz einfach, und es scheinen keine tiefen Probleme mehr zu existieren, die Welt wird weit und flach und verliert jede Tiefe, und was sie schreiben, wird unendlich seicht und trivial. Russell und H. G. Wells haben dieses Leiden.
457. .... quia plus loquitur inquisitio quam inventio .... (Augustinus.)
458. Philosophische Untersuchungen: begriffliche Untersuchun gen. Das Wesentliche der Metaphysik: daß sie den Unterschied zwischen sachlichen und begrifflichen Untersuchungen verwischt.
459. Das Fundamentale grammatisch ausgedrückt: Wie ist es mit dem Satz "man kann nicht zweimal in den gleichen Fluß steigen"?
460. Man kann in gewissem Sinn mit philosophischen Irrtümern nicht vorsichtig genug umgehen, sie enthalten so viel Wahrheit.
461. Ich möchte doch, daß du sagst: "Ja, es ist wahr, das könnte man sich denken, das konnte auch geschehen!" Aber wollte ich dich darauf aufmerksam machen, daß du imstande bist, dir dies vorzustellen?——Ich wollte dies Bild vor deine Augen stellen, und deine ''Anerkennung'' dieses Bildes besteht darin, daß du nun geneigt bist, einen gegebenen Fall anders zu betrachten: nämlich ihn mit ''dieser'' Bilderreihe zu vergleichen. Ich habe deine ''Anschauungsweise'' geändert. Ich habe irgendwo gelesen, daß gewissen indischen Mathematikern zum Beweis eines Satzes eine geometrische Figur dient mit den Worten: "Sieh' dies an!" Auch dies Ansehen bewirkt eine Änderung der Anschauungsweise.)
462. (Die Klassifikationen der Philosophen und Psychologen: sie klassifizieren Wolken nach ihrer Gestalt.)
463. Zur Mathematik: "Du hast einen falschen Begriff.—Aber aufklären läßt sich die Sache nicht dadurch, daß ich gegen deine Worte wettere; sondern nur dadurch, daß ich versuche, deine Aufmerksamkeit von gewissen Ausdrücken, Illustrationen, Vorstellungen weg und auf die ''Verwendung'' der Wörter ''hin'' zu lenken."
464. Der Stammbaum der psychologischen Phänomene: ''Nicht Exaktheit'' strebe ich an, sondern Übersichtlichkeit.
465. Die Behandlung aller dieser Erscheinungen des Seelenlebens ist mir nicht darum wichtig, weil es mir auf Vollständigkeit ankommt. Sondern, weil jede für mich auf die richtige Behandlung ''aller'' ein Licht wirft.
466. Und nicht um Symptome handelt es sich hier, sondern um logische Kriterien. Daß diese nicht immer scharf getrennt sind, hindert nicht, daß sie getrennt sind.
467. Unsere Untersuchung trachtet nicht, die eigentliche, exakte Bedeutung der Wörter zu ''finden''; wohl aber ''geben'' wir den Wörtern im Verlauf unsrer Untersuchung oft exakte Bedeutungen.
468. "Der Mensch denkt, fürchtet sich, etc. etc.": das könnte man etwa einem antworten, der gefragt hat, welche Kapitel ein Buch über Psychologie enthalten soll.
469. Denke, jemand sagt: "Der Mensch hofft." Wie hätte man dies allgemeine naturgeschichtliche Phänomen zu beschreiben?—Man könnte ein Kind beobachten und warten, bis es eines Tages Hoffnung äußert; und man könnte dann sagen: "Heute hat es zum ersten Mal gehofft". Aber das klingt doch seltsam! Obwohl es ganz natürlich wäre zu sagen "Heute hat es zum ersten Mal gesagt 'ich hoffe'". Und warum seltsam?—Man sagt doch nicht von einem Säugling, er hoffe ...., noch auch, er hoffe nicht...., und man sagt es doch vom Erwachsenen.—Nun, das tägliche Leben wird nach und nach zu dem, worin für Hoffnung Platz ist.
Aber nun sagt man: Man kann eben nicht sicher sein, wann das Kind wirklich anfängt zu hoffen, denn Hoffnung ist ein innerer Vorgang. Welcher Unsinn! Wie weiß man denn dann überhaupt, wovon man redet?
470. Oder könnte er ''so'' exemplifizieren: "Ich, z.B., sehe, bin nicht blind"? Auch das klingt sonderbar.
Es wäre richtig zu sagen: "Und auch an ''mir'' kannst du die Erscheinung des Denkens, Hoffens, Sehens etc. beobachten."
471. Die psychologischen Verben sehen, glauben, denken, wünschen bezeichnen nicht Erscheinungen. Aber die Psychologie beobachtet die Erscheinungen des Schens, Glaubens, Denkens, Wünschens.
472. Plan zur Behandlung der psychologischen Begriffe.
Psychologische Verben charakterisiert dadurch, daß die Person des Präsens durch Beobachtung zu verifizieren ist, die erste Person nicht.
Satz in der dritten Person des Präsens: Mitteilung. In der ersten Person Präsens: Außerung. ((Stimmt nicht ganz.))
Die erste Person des Präsens der Außerung verwandt.
Sinnesempfindungen: ihre inneren Zusammenhänge und Analogien.
Alle haben echte Dauer. Möglichkeit der Angabe des Anfangs und Endes. Möglichkeit der Gleichzeitigkeit, des zeitlichen Zusammenfallens.
Alle haben Grade und qualitative Mischungen. Grad: kaum merkbar—nicht auszuhalten.
In diesem Sinne gibt es nicht Lage- oder Bewegungsempfindung. Ort der Empfindung am Leib: unterscheidet Sehen und Hören von Druck-, Temperatur-, Geschmacks- und Schmerzempfindung.
473. Man muß daran denken, daß es einen Zustand der Sprache geben kann (und wohl gegeben hat), in welchem sie den allgemeinen Begriff der Sinnesempfindung nicht besitzt, aber doch Wörter, die unseren "sehen”, "hören", "schmecken" entsprechen.
474. Sinneswahrnehmungen nennen wir Sehen, Hören, ..... Zwischen diesen Begriffen bestehen Analogien und Zusammenhänge; sie sind unsere Rechtfertigung für diese Zusammenfassung.
475. Man kann also fragen: Was für Zusammenhänge und Analogien bestehen zwischen Schen und Hören? Zwischen Sehen und Greifen? Zwischen Sehen und Riechen? Etc.
476. Und fragt man das, so rücken die Sinne für uns gleich weiter auseinander, als sie auf den ersten Blick zu liegen schienen.
477. Was ist den Sinneserlebnissen gemeinsam?—Die Antwort, daß sie uns die Außenwelt kennen lehren, ist eine falsche und eine richtige. Sie ist richtig, sofern sie auf ein ''logisches'' Kriterium deuten soll.
478. Die Dauer der Empfindung. Vergleiche die Dauer einer Tonempfindung mit der Dauer der Tastempfindung, die dich lehrt, daß du eine Kugel in der Hand hältst; und mit dem "Gefühl", das dich lehrt, daß deine Kniee gebogen sind.
479. Wir fühlen unsere Bewegungen. Ja, wir fühlen sie wirklich; die Empfindung ist nicht ähnlich einer Geschmacksemlich; die Empfindung empfindung, sondern einer Tastempfinpfindung oder einer Hitzeempfindung, sondern einer Tastem dung: der Empfindung, wenn Haut und Muskeln gedrückt, gezogen, verschoben werden.
480. Ich fühle meinen Arm und seltsamerweise möchte ich nun sagen: ich fühle ihn im Raum in bestimmter Lage; als wäre nämlich das Körpergefühl in einem Raum in der Form des Arms verteilt, sodaß ich, um es darzustellen, den Arm etwa in Gips in seiner richtigen Lage darstellen müßte.
481. Ja, es ist seltsam. Mein Unterarm liegt jetzt horizontal, und ich möchte sagen, daß ich das fühle; aber nicht so, als hätte ich ein Gefühl, das immer mit dieser Lage zusammengeht (als fühlte man etwa Blutleere oder Plethora)—sondern, als wäre eben das 'Körpergefühl' des Arms horizontal angeordnet oder verteilt, wie etwa ein Dunst oder Staubteilchen an der Oberfläche meines Armes so im Raume verteilt sind. Es ist also nicht wirklich, als fühlte ich die Lage meines Arms, sondern als fühlte ich meinen ''Arm'', und das Gefühl hätte die und die ''Lage''. D. h. aber nur: ich ''weiß'' einfach, wie er liegt—ohne es zu wissen, ''weil'' .... Wie ich auch weiß, wo ich den Schmerz empfinde—es aber nicht weiß, weil ....
482. Es ist uns förmlich, als hätte der Schmerz einen Körper, als wäre er ein Ding, ein Körper mit Form und Farbe. Warum? Hat er die Form des schmerzenden Körperteils? Man möchte z. B. sagen: "Ich könnte den Schmerz ''beschreiben'', wenn ich nur die nötigen Worte und Elementarbedeutungen dazu hätte." Man fühlt: es fehlt einem nur die notwendige Nomenklatur. (James.) Als könnte man die Empfindung sogar malen, wenn nur der Andere diese Sprache verstünde.—Und man kann den Schmerz ja wirklich räumlich und zeitlich beschreiben.
483. (Wenn Empfindungen die Lage der Glieder und die Bewegungen charakterisieren, so ist ihr Ort jedenfalls nicht das Gelenk.)
Die Lage der Glieder und ihre Bewegungen ''weiß'' man. Man kann sie z. B. angeben, wenn man gefragt wird. So wie man auch den Ort einer Empfindung (Schmerz) am Leibe weiß.
Reaktion des Berührens der schmerzhaften Stelle.