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Du mußt dich doch fragen, wie haben wir den Ausdruck "Ist das nicht herrlich!" überhaupt gelernt?—Niemand erklärte ihn uns, indem er sich auf Empfindungen, Vorstellungen oder Gedanken bezog, die das Hören begleiten! Ja, wir würden nicht bezweifeln, daß er's genossen hat, wenn er keine solchen Erlebnisse anzugeben wüßte; wohl aber, wenn es sich zeigte, daß er gewisse Zusammenhänge nicht versteht. | Du mußt dich doch fragen, wie haben wir den Ausdruck "Ist das nicht herrlich!" überhaupt gelernt?—Niemand erklärte ihn uns, indem er sich auf Empfindungen, Vorstellungen oder Gedanken bezog, die das Hören begleiten! Ja, wir würden nicht bezweifeln, daß er's genossen hat, wenn er keine solchen Erlebnisse anzugeben wüßte; wohl aber, wenn es sich zeigte, daß er gewisse Zusammenhänge nicht versteht. | ||
{{ParZ|171}} Aber zeigt sich das Verständnis nicht z. B. darin, mit welchem Ausdruck einer das Gedicht liest, die | {{ParZ|171}} Aber zeigt sich das Verständnis nicht z. B. darin, mit welchem Ausdruck einer das Gedicht liest, die Melodie singt? Gewiß. Aber was ist nun hier das Erlebnis während des Lesens? Da müßte man ja sagen: der genieße und verstehe es, der es gut gelesen hört oder in den Sprechorganen fühlt. | ||
{{ParZ|172}} Man kann auch vom Verstehen einer musikalischen Phrase sagen, es sei das Verstehen einer ''Sprache''. | {{ParZ|172}} Man kann auch vom Verstehen einer musikalischen Phrase sagen, es sei das Verstehen einer ''Sprache''. | ||
{{ParZ|173}} Ich denke an eine ganz kurze von nur zwei Takten. Du sagst "Was liegt nicht alles in ihr!" Aber es ist nur sozusagen | {{ParZ|173}} Ich denke an eine ganz kurze von nur zwei Takten. Du sagst "Was liegt nicht alles in ihr!" Aber es ist nur sozusagen eine optische Täuschung, wenn du denkst, beim Hören gehe vor, was in ihr liegt. ("Es kommt drauf an, ''wer's'' sagt".) (Nur in dem Fluß der Gedanken und des Lebens haben die Worte Bedeutung.) | ||
{{ParZ|174}} Nicht ''das'' enthält die Täuschung: “''Jetzt'' habe ich's verstanden”—und nun folgt vielleicht eine lange Erklärung dessen, was ich verstanden habe. | {{ParZ|174}} Nicht ''das'' enthält die Täuschung: “''Jetzt'' habe ich's verstanden”—und nun folgt vielleicht eine lange Erklärung dessen, was ich verstanden habe. | ||
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{{ParZ|176}} Die Worte "Gottlob! Noch etwas Weniges hat man geflüchtet—vor den Fingern der Kroaten", mit ihrem Ton und Blick, scheinen allerdings schon jede Nuance ihrer Bedeutung in sich zu tragen. Nur darum aber, weil wir sie als Teil einer bestimmten Szene kennen. Man könnte aber eine ganz andere Szene um diese Worte (im gleichen Tone gesprochen bauen um zu zeigen, wie ihre besondere Seele in der Geschichte liegt, zu der sie gehören. | {{ParZ|176}} Die Worte "Gottlob! Noch etwas Weniges hat man geflüchtet—vor den Fingern der Kroaten", mit ihrem Ton und Blick, scheinen allerdings schon jede Nuance ihrer Bedeutung in sich zu tragen. Nur darum aber, weil wir sie als Teil einer bestimmten Szene kennen. Man könnte aber eine ganz andere Szene um diese Worte (im gleichen Tone gesprochen bauen um zu zeigen, wie ihre besondere Seele in der Geschichte liegt, zu der sie gehören. | ||
{{ParZ|177}} Wenn ich einen mit verbannender Gebärde sagen höre " | {{ParZ|177}} Wenn ich einen mit verbannender Gebärde sagen höre "Weiche!", erlebe ich hier die Bedeutung des Wortes, wie in dem Spiel, wenn ich mir's für mich vorsage und es einmal ''so'' und einmal ''so'' 'meine?—Denn er konnte ja auch sagen "Weiche von mir", und dann erlebte ich vielleicht die ganze Phrase so und so; aber auch das einzelne Wort? Die ergänzenden Worte waren es vielleicht, die mir den Eindruck machten. | ||
{{ParZ|178}} Das besondere Erlebnis der Bedeutung ist charakterisiert dadurch, daß wir mit einer Erklärung und der Vergangenheitsform reagieren: gerade so, als erklärten wir die Bedeutung eines Worts für praktische Zwecke. | {{ParZ|178}} Das besondere Erlebnis der Bedeutung ist charakterisiert dadurch, daß wir mit einer Erklärung und der Vergangenheitsform reagieren: gerade so, als erklärten wir die Bedeutung eines Worts für praktische Zwecke. | ||
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{{ParZ|184}} Verschiedene Menschen empfinden es sehr verschieden stark, wenn die Rechtschreibung eines Worts geändert wird. Und die Empfindung ist nicht nur Pietät für einen alten Gebrauch.—Wem die Orthographie nur eine praktische Frage ist, dem geht ein Gefühl ab, nicht unähnlich dem, welches einem "Bedeutungsblinden" mangeln würde. (Goethe über Personennamen. Die Nummer des Gefangenen.) | {{ParZ|184}} Verschiedene Menschen empfinden es sehr verschieden stark, wenn die Rechtschreibung eines Worts geändert wird. Und die Empfindung ist nicht nur Pietät für einen alten Gebrauch.—Wem die Orthographie nur eine praktische Frage ist, dem geht ein Gefühl ab, nicht unähnlich dem, welches einem "Bedeutungsblinden" mangeln würde. (Goethe über Personennamen. Die Nummer des Gefangenen.) | ||
{{ParZ|185}} Wie mancher auch die Frage nicht versteht "Welche Farbe hat für dich der Vokal ''a''?"—Wenn einer sie nicht | {{ParZ|185}} Wie mancher auch die Frage nicht versteht "Welche Farbe hat für dich der Vokal ''a''?"—Wenn einer sie nicht verstünde, wenn er erklärte, sie sei Unsinn,—könnten wir sagen, er verstehe nicht deutsch, oder nicht die Bedeutungen der Wörter "Farbe", "Vokal”, etc.? | ||
Im Gegenteil: Wenn er diese Worte verstehen gelernt hat, dann kann er auch auf jene Fragen 'mit Verständnis' oder 'ohne Verständnis' reagieren. | Im Gegenteil: Wenn er diese Worte verstehen gelernt hat, dann kann er auch auf jene Fragen 'mit Verständnis' oder 'ohne Verständnis' reagieren. | ||
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{{ParZ|193}} Ist es nicht genau so mit dem Verbum "verstehen"? Es erklärt mir jemand die Route, die ich dort und dorthin zu nehmen habe. Er fragt "Hast du mich verstanden?" Ich antworte "Ich hab's verstanden."—Will ich ihm mitteilen, was in mir während seiner Erklärung vorging?—Und doch liebe sich auch das mitteilen. | {{ParZ|193}} Ist es nicht genau so mit dem Verbum "verstehen"? Es erklärt mir jemand die Route, die ich dort und dorthin zu nehmen habe. Er fragt "Hast du mich verstanden?" Ich antworte "Ich hab's verstanden."—Will ich ihm mitteilen, was in mir während seiner Erklärung vorging?—Und doch liebe sich auch das mitteilen. | ||
{{ParZ|194}} Denk dir dieses Spiel: Eine Liste von Wörtern verschiedener Sprachen und von sinnlosen Lautreihen wird mir vorgelesen. Ich soll nach jedem sagen, ob ich es verstehe oder nicht; auch, was beim Verstehen oder Nichtverstehen in mir vorging.—Auf das Wort "Baum" werde ich, ohne mich zu bedenken, mit "ja" antworten (ein Bild mag mir dabei vorschweben); auf eine Lautzusammenstellung, die ich noch nie gehört habe, antworte ich ebenso unbedenklich mit "nein". Bei Wörtern, die einen speziellen Farbton bezeichnen, wird häufig ein Vorstellen der Antwort vorhergehen; bei seltenen Wörtern ("Kontinuum" etwa) ein | {{ParZ|194}} Denk dir dieses Spiel: Eine Liste von Wörtern verschiedener Sprachen und von sinnlosen Lautreihen wird mir vorgelesen. Ich soll nach jedem sagen, ob ich es verstehe oder nicht; auch, was beim Verstehen oder Nichtverstehen in mir vorging.—Auf das Wort "Baum" werde ich, ohne mich zu bedenken, mit "ja" antworten (ein Bild mag mir dabei vorschweben); auf eine Lautzusammenstellung, die ich noch nie gehört habe, antworte ich ebenso unbedenklich mit "nein". Bei Wörtern, die einen speziellen Farbton bezeichnen, wird häufig ein Vorstellen der Antwort vorhergehen; bei seltenen Wörtern ("Kontinuum" etwa) ein Überlegen; bei Wörtern, wie der Artikel "das etwa ein Achselzucken; Wörter einer fremden Sprache werde ich ''manchmal'' ins Deutsche Übersetzen; schweben mir Bilder vor, so sind es manchmal die der Gegenstände, die von den Worten bezeichnet werden (wieder tausenderlei Fälle), manchmal andere Bilder. | ||
Dies Spiel könnte man durch eines ergänzen, in welchem | Dies Spiel könnte man durch eines ergänzen, in welchem einer die Namen von ''Tätigkeiten'' nennt und bei jeder fragt: "Kannst du das?"—Das Subjekt soll angeben, welche Gründe es hatte, die Frage mit "ja" oder "nein" zu beantworten. | ||
{{ParZ|195}} Denken wir uns eine Art Vexierbild, worin nicht ''ein'' bestimmter Gegenstand aufzufinden ist, sondern das uns auf den ersten Blick als ein Gewirr nichtssagender Striche erscheint und nach einigem Suchen erst als, sagen wir, ein Landschaftsbild.—Worin besteht der Unterschied zwischen dem Anblick des Bildes vor und nach der Lösung? Daß wir es beide Male anders sehen, ist klar. In wiefern aber kann man nach der Auflösung sagen, jetzt sage uns das Bild etwas, früher habe es uns nichts gesagt? | {{ParZ|195}} Denken wir uns eine Art Vexierbild, worin nicht ''ein'' bestimmter Gegenstand aufzufinden ist, sondern das uns auf den ersten Blick als ein Gewirr nichtssagender Striche erscheint und nach einigem Suchen erst als, sagen wir, ein Landschaftsbild.—Worin besteht der Unterschied zwischen dem Anblick des Bildes vor und nach der Lösung? Daß wir es beide Male anders sehen, ist klar. In wiefern aber kann man nach der Auflösung sagen, jetzt sage uns das Bild etwas, früher habe es uns nichts gesagt? | ||
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(Wer nicht versteht, warum wir über diese Dinge reden, muß, was wir sagen, als leere Spielerei empfinden.) | (Wer nicht versteht, warum wir über diese Dinge reden, muß, was wir sagen, als leere Spielerei empfinden.) | ||
{{ParZ|198}} Kann ich mir den Eindruck der Bekanntschaft wegdenken, wo er ist; und hinzudenken, wo er nicht ist? Und was heißt das? Ich sehe z. B. das Gesicht eines Freundes an und frage mich: Wie schaut dieses Gesicht aus, wenn ich es als ein mir fremdes Gesicht | {{ParZ|198}} Kann ich mir den Eindruck der Bekanntschaft wegdenken, wo er ist; und hinzudenken, wo er nicht ist? Und was heißt das? Ich sehe z. B. das Gesicht eines Freundes an und frage mich: Wie schaut dieses Gesicht aus, wenn ich es als ein mir fremdes Gesicht sehe (als sähe ich es etwa jetzt zum erstenmal)? Was bleibt sozusagen von dem Anblick des Gesichts, wenn ich den Eindruck der Bekanntheit wegdenke, abziehe? Hier bin ich nun geneigt zu sagen: "Es ist ''sehr schwer'', die Bekanntheit von dem Eindruck des Gesichts zu trennen." Aber ich fühle auch, daß das eine schlechte Ausdrucksweise ist. Ich weiß nämlich gar nicht, wie ich es auch nur versuchen soll, diese beiden zu trennen. Der Ausdruck "sie trennen" hat für mich gar keinen klaren Sinn. | ||
Ich weiß, was ''es heißt'': "Stell dir diesen Tisch schwarz vor statt braun." Dem entspricht: "Male diesen Tisch, aber schwarz statt braun". | Ich weiß, was ''es heißt'': "Stell dir diesen Tisch schwarz vor statt braun." Dem entspricht: "Male diesen Tisch, aber schwarz statt braun". | ||
{{ParZ|199}} Wie, wenn man sagte: "Denke dir diesen Schmetterling genau so wie er ist, aber | {{ParZ|199}} Wie, wenn man sagte: "Denke dir diesen Schmetterling genau so wie er ist, aber häßlich statt schön"?! | ||
{{ParZ|200}} ''Wir'' haben in diesem Fall nicht ''bestimmt'', was es heißen soll, sich die Wohlbekanntheit wegzudenken. | {{ParZ|200}} ''Wir'' haben in diesem Fall nicht ''bestimmt'', was es heißen soll, sich die Wohlbekanntheit wegzudenken. | ||
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Man sagt z. B.: “Sieh von diesen Flecken ab und auch von dieser kleinen Unregelmäßigkeit, und schau es als Bild eines .... an!" | Man sagt z. B.: “Sieh von diesen Flecken ab und auch von dieser kleinen Unregelmäßigkeit, und schau es als Bild eines .... an!" | ||
"Denk dir das weg! Wär's dir auch ohne dieses . . . . unangenehm?" Man wird doch sagen, ich ändere mein Gesichtsbild—wie durch Blinzeln oder Weghalten eines Details. Dieses "Absehen von ..." spielt doch eine ganz ähnliche Rolle, wie etwa die Anfertigung eines neuen Bildes. | "Denk dir das weg! Wär's dir auch ohne dieses .... unangenehm?" Man wird doch sagen, ich ändere mein Gesichtsbild—wie durch Blinzeln oder Weghalten eines Details. Dieses "Absehen von ..." spielt doch eine ganz ähnliche Rolle, wie etwa die Anfertigung eines neuen Bildes. | ||
{{ParZ|205}} Nun wohl,—und das sind gute Gründe dafür zu sagen, wir hätten durch unsre Einstellung unsern Gesichtseindruck geändert. D. h., es sind dies) gute Gründe, den Begriff 'Gesichtseindruck' so zu begrenzen. | {{ParZ|205}} Nun wohl,—und das sind gute Gründe dafür zu sagen, wir hätten durch unsre Einstellung unsern Gesichtseindruck geändert. D. h., es sind dies) gute Gründe, den Begriff 'Gesichtseindruck' so zu begrenzen. | ||
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Ich will fragen: Worin besteht es, die Figur einmal so, einmal anders sehen?—Sehe ich wirklich jedesmal etwas Anderes? Oder ''deute'' ich nur, was ich sehe, auf verschiedene Weise?—Ich bin geneigt, das erste zu sagen. Aber warum? Nun, Deuten ist eine Handlung. Es kann z. B. darin bestehen, daß einer sagt "Das ''soll'' ein F sein"; oder daß er's nicht sagt, aber das Zeichen beim Kopieren durch ein F ersetzt; oder sich überlegt: "Was mag das wohl sein? Es wird ein F sein, das dem Schreiber mißglückt ist."—Sehen ist keine Handlung, sondern ein Zustand. (Grammatische Bemerkung.) Und wenn ich die Figur nie anders als F gelesen, mir nie überlegt habe, was es wohl sein mag, so wird man sagen, ich ''sehe'' sie als F; wenn man nämlich weiß, daß es sich auch anders sehen läßt. "Deuten" würde ich es nennen, wenn ich sagte: "Das soll gewiß ein F sein; der Schreiber schreibt alle seine F so." | Ich will fragen: Worin besteht es, die Figur einmal so, einmal anders sehen?—Sehe ich wirklich jedesmal etwas Anderes? Oder ''deute'' ich nur, was ich sehe, auf verschiedene Weise?—Ich bin geneigt, das erste zu sagen. Aber warum? Nun, Deuten ist eine Handlung. Es kann z. B. darin bestehen, daß einer sagt "Das ''soll'' ein F sein"; oder daß er's nicht sagt, aber das Zeichen beim Kopieren durch ein F ersetzt; oder sich überlegt: "Was mag das wohl sein? Es wird ein F sein, das dem Schreiber mißglückt ist."—Sehen ist keine Handlung, sondern ein Zustand. (Grammatische Bemerkung.) Und wenn ich die Figur nie anders als F gelesen, mir nie überlegt habe, was es wohl sein mag, so wird man sagen, ich ''sehe'' sie als F; wenn man nämlich weiß, daß es sich auch anders sehen läßt. "Deuten" würde ich es nennen, wenn ich sagte: "Das soll gewiß ein F sein; der Schreiber schreibt alle seine F so." | ||
Wie ist man denn überhaupt zu dem Begriff des 'Dies als das kommen? Bei welchen Gelegenheiten wird er gebildet, ist für ihn ein Bedarf? (Sehr häufig in der Kunst.) Dort z. B., wo es sich um ein Phrasieren durchs Auge oder Ohr handelt. Wir sagen "Du mußt diese Takte als Einleitung hören", "Du mußt nach dieser Tonart hin hören", "Wenn man diese Figur einmal als .... gesehen hat, ist es schwer, sie anders zu sehen", "Ich höre das französische 'ne .... pas' als zweiteilige Verneinung, aber nicht als 'nicht ein Schritt'", etc. etc. Ist es nun ein wirkliches | Wie ist man denn überhaupt zu dem Begriff des 'Dies als das kommen? Bei welchen Gelegenheiten wird er gebildet, ist für ihn ein Bedarf? (Sehr häufig in der Kunst.) Dort z. B., wo es sich um ein Phrasieren durchs Auge oder Ohr handelt. Wir sagen "Du mußt diese Takte als Einleitung hören", "Du mußt nach dieser Tonart hin hören", "Wenn man diese Figur einmal als .... gesehen hat, ist es schwer, sie anders zu sehen", "Ich höre das französische 'ne .... pas' als zweiteilige Verneinung, aber nicht als 'nicht ein Schritt'", etc. etc. Ist es nun ein wirkliches Sehen oder Hören? Nun: so nennen wir es; mit diesen Worten reagieren wir in bestimmten Situationen. Und ''auf'' diese Worte reagieren wir wieder durch bestimmte Handlungen. | ||
{{ParZ|209}} Diese Form, die ich sehe—möchte ich sagen—ist nicht einfach ''eine'' Form, sondern sie ist eine von den mir bekannten Formen; sie ist eine im Vorhinein ausgezeichnete Form. Sie ist eine von den Formen, deren Bild schon früher in mir war, und nur weil sie so einem Bild entspricht, ist sie die wohlbekannte Form. (Ich trage gleichsam einen Katalog solcher Formen mit mir herum und die Gegenstände, die dort abgebildet sind, sind dann die wohlbekannten.) | {{ParZ|209}} Diese Form, die ich sehe—möchte ich sagen—ist nicht einfach ''eine'' Form, sondern sie ist eine von den mir bekannten Formen; sie ist eine im Vorhinein ausgezeichnete Form. Sie ist eine von den Formen, deren Bild schon früher in mir war, und nur weil sie so einem Bild entspricht, ist sie die wohlbekannte Form. (Ich trage gleichsam einen Katalog solcher Formen mit mir herum und die Gegenstände, die dort abgebildet sind, sind dann die wohlbekannten.) | ||
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{{ParZ|211}} "Wenn ich gefragt werde 'Siehst du dort eine Kugel?, ein andermal 'Siehst du dort die Halbkugel?', so kann, was ich sehe, beide Male das Gleiche sein, und wenn ich antworte 'Ja', so unterscheide ich doch zwischen den beiden Hypothesen. Wie ich im Schachspiel zwischen einem Bauern und dem König unterscheide, auch wenn der gegenwärtige Zug einer ist, den beide machen könnten, und wenn selbst eine Königsfigur als Bauer fungierte."—Man ist in der Philosophie immer in Gefahr, einen Mythus des Symbolismus zu erzeugen, oder einen der seelischen Vorgänge. Statt einfach zu sagen, was jeder weiß und zugeben muß. | {{ParZ|211}} "Wenn ich gefragt werde 'Siehst du dort eine Kugel?, ein andermal 'Siehst du dort die Halbkugel?', so kann, was ich sehe, beide Male das Gleiche sein, und wenn ich antworte 'Ja', so unterscheide ich doch zwischen den beiden Hypothesen. Wie ich im Schachspiel zwischen einem Bauern und dem König unterscheide, auch wenn der gegenwärtige Zug einer ist, den beide machen könnten, und wenn selbst eine Königsfigur als Bauer fungierte."—Man ist in der Philosophie immer in Gefahr, einen Mythus des Symbolismus zu erzeugen, oder einen der seelischen Vorgänge. Statt einfach zu sagen, was jeder weiß und zugeben muß. | ||
{{ParZ|212}} Ist es Introspektion, was mich lehrt, ob ich's mit einem echten | {{ParZ|212}} Ist es Introspektion, was mich lehrt, ob ich's mit einem echten Sehen zu tun habe, oder doch mit einem Deuten? Zuerst einmal muß ich mir klar werden, was ich denn ein Deuten nennen würde; woran sich erkennen läßt, ob etwas ein Deuten oder ein Sehen zu nennen ist. [''Randbemerkung:'' Einer Deutung entsprechend sehen.] | ||
{{ParZ|213}} Sehe ich die Figur nicht einmal so, einmal anders, auch wenn ich nicht mit Worten oder sonst wie reagiere? | {{ParZ|213}} Sehe ich die Figur nicht einmal so, einmal anders, auch wenn ich nicht mit Worten oder sonst wie reagiere? | ||
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Aber "einmal so", "einmal anders" sind ja Worte, und mit welchem Recht gebrauche ich sie hier? Kann ich dir oder mir selbst mein Recht erweisen? (Es sei denn durch eine weitere Reaktion.) | Aber "einmal so", "einmal anders" sind ja Worte, und mit welchem Recht gebrauche ich sie hier? Kann ich dir oder mir selbst mein Recht erweisen? (Es sei denn durch eine weitere Reaktion.) | ||
Aber ich weiß doch, daß es zwei Eindrücke sind, auch wenn ich's nicht sage! Aber wie weiß ich, daß, was ich dann sage, das ist, was ich wußte? Welche Konsequenzen folgen daraus, daß ich dies als das deute? Welche daraus, daß ich dies als das | Aber ich weiß doch, daß es zwei Eindrücke sind, auch wenn ich's nicht sage! Aber wie weiß ich, daß, was ich dann sage, das ist, was ich wußte? Welche Konsequenzen folgen daraus, daß ich dies als das deute? Welche daraus, daß ich dies als das sehe? | ||
{{ParZ|214}} Erlebnis der wirklichen Größe. Wir sehen ein Bild, das die Form eines Sessels zeigt; man sagt uns, es stelle eine Konstruktion von Hausgröße vor. Nun sehen wir sie anders. | {{ParZ|214}} Erlebnis der wirklichen Größe. Wir sehen ein Bild, das die Form eines Sessels zeigt; man sagt uns, es stelle eine Konstruktion von Hausgröße vor. Nun sehen wir sie anders. | ||
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{{ParZ|216}} Nicht den Aspektwechsel sieht man, sondern den Deutungswechsel. | {{ParZ|216}} Nicht den Aspektwechsel sieht man, sondern den Deutungswechsel. | ||
{{ParZ|217}} Du siehst es nicht einer Deutung, sondern einem Deuten | {{ParZ|217}} Du siehst es nicht einer Deutung, sondern einem Deuten gemäß. | ||
{{ParZ|218}} Ich deute die Worte; wohl aber deute ich auch die Mienen? Deute ich einen Gesichtsausdruck als drohend oder freundlich? Es ''kann'' geschehen. | {{ParZ|218}} Ich deute die Worte; wohl aber deute ich auch die Mienen? Deute ich einen Gesichtsausdruck als drohend oder freundlich? Es ''kann'' geschehen. | ||
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{{ParZ|224}} Laß einen Menschen zornig, hochmütig, ironisch blicken; und nun verhäng sein Gesicht, daß nur die Augen frei bleiben,—in denen der ganze Ausdruck vereint schien: Ihr Ausdruck ist nun überraschend ''vieldeutig''. | {{ParZ|224}} Laß einen Menschen zornig, hochmütig, ironisch blicken; und nun verhäng sein Gesicht, daß nur die Augen frei bleiben,—in denen der ganze Ausdruck vereint schien: Ihr Ausdruck ist nun überraschend ''vieldeutig''. | ||
{{ParZ|225}} "Man ''sieht'' Gemütsbewegung.”—Im Gegensatz wozu?Man sieht nicht die Gesichtsverziehungen und ''schließt'' nun (wie der Arzt, der eine Diagnose stellt) auf Freude, Trauer, Langeweile. Man beschreibt sein Gesicht unmittelbar als traurig, glückstrahlend, gelangweilt, auch wenn man nicht imstande ist, eine andere Beschreibung der Gesichtszüge zu geben.—Die Trauer ist im Gesicht personifiziert, möchte man sagen. | {{ParZ|225}} "Man ''sieht'' Gemütsbewegung.”—Im Gegensatz wozu? Man sieht nicht die Gesichtsverziehungen und ''schließt'' nun (wie der Arzt, der eine Diagnose stellt) auf Freude, Trauer, Langeweile. Man beschreibt sein Gesicht unmittelbar als traurig, glückstrahlend, gelangweilt, auch wenn man nicht imstande ist, eine andere Beschreibung der Gesichtszüge zu geben.—Die Trauer ist im Gesicht personifiziert, möchte man sagen. | ||
Dies gehört zum Begriff der Gemütsbewegung. | Dies gehört zum Begriff der Gemütsbewegung. | ||
{{ParZ|226}} (Die | {{ParZ|226}} (Die Häßlichkeit eines Menschen kann im Bild, im gemalten, abstoßen, wie in der Wirklichkeit, aber auch in der Beschreibung, in den Worten.) | ||
{{ParZ|227}} Es ist sonderbar: Unser Verstehen einer Geste möchten wir durch ihre Übersetzung in Worte erklären, und das Verstehen von Worten durch Übersetzung in eine Geste. (So werden wir hin und her geworfen, wenn wir suchen wollen, wo das Verstehen eigentlich liegt.) | {{ParZ|227}} Es ist sonderbar: Unser Verstehen einer Geste möchten wir durch ihre Übersetzung in Worte erklären, und das Verstehen von Worten durch Übersetzung in eine Geste. (So werden wir hin und her geworfen, wenn wir suchen wollen, wo das Verstehen eigentlich liegt.) | ||
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Und wirklich werden wir Worte durch eine Geste, und eine Geste durch Worte erklären. | Und wirklich werden wir Worte durch eine Geste, und eine Geste durch Worte erklären. | ||
{{ParZ|228}} Erkläre | {{ParZ|228}} Erkläre einem, die Zeigerstellung, die du aufgezeichnet hast, solle ausdrücken: die Zeiger dieser Uhr stünden jetzt so.—Die Unbeholfenheit, mit der das Zeichen, wie ein Stummer, durch allerlei suggestive Gebärden sich verständlich zu machen sucht—sie verschwindet, wenn wir erkennen, daß es aufs ''System'' ankommt, dem das Zeichen angehört. | ||
Man wollte sagen: nur der ''Gedanke'' kann es ''sagen'', das Zeichen nicht. | Man wollte sagen: nur der ''Gedanke'' kann es ''sagen'', das Zeichen nicht. | ||
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{{ParZ|234}} Nicht das findet statt, daß sich dieses Symbol nicht mehr deuten läßt, sondern: ich deute nicht. Ich deute nicht, weil ich mich in dem gegenwärtigen Bild heimisch fühle. Wenn ich deute, so schreite ich auf dem Gedankenweg von Stufe zu Stufe. | {{ParZ|234}} Nicht das findet statt, daß sich dieses Symbol nicht mehr deuten läßt, sondern: ich deute nicht. Ich deute nicht, weil ich mich in dem gegenwärtigen Bild heimisch fühle. Wenn ich deute, so schreite ich auf dem Gedankenweg von Stufe zu Stufe. | ||
{{ParZ|235}} | {{ParZ|235}} Sehe ich das gedachte Symbol 'von außen' an, so kommt es mir zum Bewußtsein, daß es so und so gedeutet werden ''könnte''; ist es eine Stufe meines Gedankenweges, so ist es ein mir natürlicher Aufenthalt, und es beschäftigt (und beunruhigt) mich seine weitere Deutbarkeit nicht.—Wie ich die Tabelle, den Fahrplan bei mir habe und verwende, ohne daß es mich beschäftigt, daß eine Tabelle verschiedenerlei Deutungen zuläßt. | ||
{{ParZ|236}} Wenn ich den Vorgang der Intention beschreiben will, so fühle ich vor allem, daß sie noch am ehesten leisten kann, was sie soll, wenn sie ein äußerst getreues Bild von dem enthält, was sie intendiert. Aber ferner, daß auch das nicht ausreicht, weil ja das Bild, was immer es ist, sich verschieden deuten läßt; daß also dieses Bild doch wieder isoliert dasteht. Wie man das Bild allein ins Auge faßt, ist es plötzlich tot, und es ist, als wäre ihm etwas genommen worden, was es zuvor belebt hatte. Es ist kein Gedanke, keine Intention, und wie immer wir es uns begleitet denken, durch artikulierte oder unartikulierte Vorgänge, und durch welche Empfindungen immer: es bleibt isoliert, weist nicht aus sich heraus auf eine Realität außer ihm. | {{ParZ|236}} Wenn ich den Vorgang der Intention beschreiben will, so fühle ich vor allem, daß sie noch am ehesten leisten kann, was sie soll, wenn sie ein äußerst getreues Bild von dem enthält, was sie intendiert. Aber ferner, daß auch das nicht ausreicht, weil ja das Bild, was immer es ist, sich verschieden deuten läßt; daß also dieses Bild doch wieder isoliert dasteht. Wie man das Bild allein ins Auge faßt, ist es plötzlich tot, und es ist, als wäre ihm etwas genommen worden, was es zuvor belebt hatte. Es ist kein Gedanke, keine Intention, und wie immer wir es uns begleitet denken, durch artikulierte oder unartikulierte Vorgänge, und durch welche Empfindungen immer: es bleibt isoliert, weist nicht aus sich heraus auf eine Realität außer ihm. | ||
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Wie, wenn wir nun hier sagten "Ein Bild ist etwas nur in einer Bildersprache"? | Wie, wenn wir nun hier sagten "Ein Bild ist etwas nur in einer Bildersprache"? | ||
{{ParZ|243}} Gewiß, ich lese eine Geschichte und kümmere mich den Teufel um ein System der Sprache. Ich lese einfach, habe Eindrücke, sehe Bilder vor mir, etc. Ich lasse die Geschichte an mir vorüberziehen wie Bilder, wie eine Bildergeschichte. (Damit will ich natürlich nicht sagen, daß jeder Satz in mir ein visuelles Bild oder mehrere hervorruft, und daß das etwa der Zweck eines Satzes | {{ParZ|243}} Gewiß, ich lese eine Geschichte und kümmere mich den Teufel um ein System der Sprache. Ich lese einfach, habe Eindrücke, sehe Bilder vor mir, etc. Ich lasse die Geschichte an mir vorüberziehen wie Bilder, wie eine Bildergeschichte. (Damit will ich natürlich nicht sagen, daß jeder Satz in mir ein visuelles Bild oder mehrere hervorruft, und daß das etwa der Zweck eines Satzes sei.) | ||
{{ParZ|244}} "Sätze dienen ja dazu zu beschreiben, wie sich alles verhält", denken wir. Der Satz als ''Bild''. | {{ParZ|244}} "Sätze dienen ja dazu zu beschreiben, wie sich alles verhält", denken wir. Der Satz als ''Bild''. | ||
{{ParZ|245}} Ich verstehe dieses Bild genau, ich könnte es in Ton modellieren.—Ich verstehe diese Beschreibung genau, ich könnte | {{ParZ|245}} Ich verstehe dieses Bild genau, ich könnte es in Ton modellieren.—Ich verstehe diese Beschreibung genau, ich könnte eine Zeichnung nach ihr machen. | ||
Man könnte in vielen Fällen als Kriterium des Verstehens festsetzen, daß man den Sinn des Satzes muß zeichnerisch darstellen können. (Ich denke etwa an eine offiziell festgelegte Prüfung des Verstehens.) Wie wird man z. B. im Kartenlesen geprüft? | Man könnte in vielen Fällen als Kriterium des Verstehens festsetzen, daß man den Sinn des Satzes muß zeichnerisch darstellen können. (Ich denke etwa an eine offiziell festgelegte Prüfung des Verstehens.) Wie wird man z. B. im Kartenlesen geprüft? | ||
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{{ParZ|253}} "Ich habe tatsächlich nie gesehen, daß ein schwarzer Fleck allmählich heller wird, bis er weiß ist, dann das Weiß immer rötlicher, bis er rot ist. Aber ich weiß, daß es möglich ist, weil ich es mir vorstellen kann." | {{ParZ|253}} "Ich habe tatsächlich nie gesehen, daß ein schwarzer Fleck allmählich heller wird, bis er weiß ist, dann das Weiß immer rötlicher, bis er rot ist. Aber ich weiß, daß es möglich ist, weil ich es mir vorstellen kann." | ||
{{ParZ|254}} (Wenn man mit jemandem über eine Zeiteinteilung redet, so geschieht es oft, daß man die Uhr zieht, nicht um zu sehen, | {{ParZ|254}} (Wenn man mit jemandem über eine Zeiteinteilung redet, so geschieht es oft, daß man die Uhr zieht, nicht um zu sehen, wieviel Uhr es ist, sondern um sich ein Bild der überdachten Einteilung machen zu können.) | ||
{{ParZ|255}} Wie kann man durch Denken die Wahrheit lernen? Wie man ein Gesicht besser sehen lernt, wenn man es zeichnet. | {{ParZ|255}} Wie kann man durch Denken die Wahrheit lernen? Wie man ein Gesicht besser sehen lernt, wenn man es zeichnet. | ||
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{{ParZ|271}} Wozu dient ein Satz wie dieser: "Wir können uns die Empfindungen eines Jongleurs wie Rastelli gar nicht vorstellen"? | {{ParZ|271}} Wozu dient ein Satz wie dieser: "Wir können uns die Empfindungen eines Jongleurs wie Rastelli gar nicht vorstellen"? | ||
{{ParZ|272}} "Es hat Sinn, von einer endlosen Baumreihe zu reden; ich kann mir doch vorstellen, daß eine Baumreihe ohne Ende weiterläuft." D. h. etwa: Wenn es Sinn hat zu sagen, die Baumreihe komme hier zu einem Ende, hat es Sinn zu sagen, [sie komme nie zu einem Ende]."<ref>Vermutung der Herausgeber.</ref> Ramsey pflegte auf solche Fragen zu antworten: es sei ''eben doch'' möglich, so etwas zu denken. So etwa, wie man sagt "Die Technik leistet heute eben Dinge, die du dir gar | {{ParZ|272}} "Es hat Sinn, von einer endlosen Baumreihe zu reden; ich kann mir doch vorstellen, daß eine Baumreihe ohne Ende weiterläuft." D. h. etwa: Wenn es Sinn hat zu sagen, die Baumreihe komme hier zu einem Ende, hat es Sinn zu sagen, [sie komme nie zu einem Ende]."<ref>Vermutung der Herausgeber.</ref> Ramsey pflegte auf solche Fragen zu antworten: es sei ''eben doch'' möglich, so etwas zu denken. So etwa, wie man sagt "Die Technik leistet heute eben Dinge, die du dir gar nie vorstellen kannst."——Nun, da muß man herausfinden, was du dabei denkst. (Daß du versicherst, diese Phrase ließe sich ''denken''—was kann ich damit machen? Darauf kommt es ja nicht an. Ihr Zweck ist ja nicht der, Nebel in deiner Seele aufsteigen zu lassen.) ''Was'' du meinst—Wie ist es herauszufinden? Wir müssen geduldig prüfen, wie dieser Satz angewandt werden soll. Wie ''rund um ihn'' alles aussieht. Da wird sich sein Sinn zeigen. | ||
{{ParZ|273}} Hardy: "That 'the finite cannot understand the infinite' should surely be a theological and not a mathematical war-cry." Es ist wahr, dieser Ausdruck ist ungeschickt. Aber was Leute damit sagen wollen, ist: "Es muß hier doch mit rechten Dingen zugehen! Woher dieser Sprung von Endlichen zum Unendlichen?” Und so ganz unsinnig ist die Ausdrucksweise auch nicht—nur ist das 'Endliche', was das Unendliche nicht soll denken können, nicht der Mensch', oder 'unser Verstand', sondern der Kalkül. Und ''wie'' dieser das 'Unendliche' denkt, dies ist wohl einer Untersuchung wert. Und die ist zu vergleichen der genauen Untersuchung und Klärung der Geschäftsgebarung eines Unternehmens durch einen Chartered Accountant. Das Ziel ist eine übersichtliche, vergleichende Darstellung aller Anwendungen, Illustrationen, Auffassungen des Kalküls. Die vollkommene Übersicht über alles, was Unklarheit schaffen kann. Und diese Übersicht muß sich auf ein weites Gebiet erstrecken, denn die Wurzeln unserer Ideen reichen weit.—"Das Endliche kann nicht das Unendliche verstehen", heißt hier: ''So'' kann es nicht zugehen, wie ihr es in charakteristischer Oberflächlichkeit darstellt. | {{ParZ|273}} Hardy: "That 'the finite cannot understand the infinite' should surely be a theological and not a mathematical war-cry." Es ist wahr, dieser Ausdruck ist ungeschickt. Aber was Leute damit sagen wollen, ist: "Es muß hier doch mit rechten Dingen zugehen! Woher dieser Sprung von Endlichen zum Unendlichen?” Und so ganz unsinnig ist die Ausdrucksweise auch nicht—nur ist das 'Endliche', was das Unendliche nicht soll denken können, nicht der Mensch', oder 'unser Verstand', sondern der Kalkül. Und ''wie'' dieser das 'Unendliche' denkt, dies ist wohl einer Untersuchung wert. Und die ist zu vergleichen der genauen Untersuchung und Klärung der Geschäftsgebarung eines Unternehmens durch einen Chartered Accountant. Das Ziel ist eine übersichtliche, vergleichende Darstellung aller Anwendungen, Illustrationen, Auffassungen des Kalküls. Die vollkommene Übersicht über alles, was Unklarheit schaffen kann. Und diese Übersicht muß sich auf ein weites Gebiet erstrecken, denn die Wurzeln unserer Ideen reichen weit.—"Das Endliche kann nicht das Unendliche verstehen", heißt hier: ''So'' kann es nicht zugehen, wie ihr es in charakteristischer Oberflächlichkeit darstellt. | ||
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{{ParZ|284}} Der Satz "Ich muß den Befehl verstehen, ehe ich nach ihm handeln kann", hat natürlich einen guten Sinn; aber wieder keinen metalogischen. | {{ParZ|284}} Der Satz "Ich muß den Befehl verstehen, ehe ich nach ihm handeln kann", hat natürlich einen guten Sinn; aber wieder keinen metalogischen. | ||
{{ParZ|285}} Die Idee, die man dabei vom | {{ParZ|285}} Die Idee, die man dabei vom Verstehen hat, ist etwa, daß man dadurch von den Worten näher an die Ausführung heran kommt.—In welchem Sinne ist das richtig? | ||
{{ParZ|286}} "Aber ich muß einen Befehl verstehen, um nach ihm handeln zu können." Hier ist das "''Muß''" verdächtig.— | {{ParZ|286}} "Aber ich muß einen Befehl verstehen, um nach ihm handeln zu können." Hier ist das "''Muß''" verdächtig.— | ||
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{{ParZ|294}} Im einen Fall machen wir den Zug eines bestehenden Spiels, im andern setzen wir eine Spielregel fest. Man könnte auch das Zichen mit einer Spielfigur auf diese beiden Arten auffassen: als Paradigma für künftige Züge, und als Zug einer Partie. | {{ParZ|294}} Im einen Fall machen wir den Zug eines bestehenden Spiels, im andern setzen wir eine Spielregel fest. Man könnte auch das Zichen mit einer Spielfigur auf diese beiden Arten auffassen: als Paradigma für künftige Züge, und als Zug einer Partie. | ||
{{ParZ|295}} Du mußt bedenken, daß es ein Sprachspiel geben kann, 'eine Reihe von Ziffern fortsetzen', in dem keine Regel, kein Regelausdruck je gegeben wird, sondern das Lernen nur durch Beispiele | {{ParZ|295}} Du mußt bedenken, daß es ein Sprachspiel geben kann, 'eine Reihe von Ziffern fortsetzen', in dem keine Regel, kein Regelausdruck je gegeben wird, sondern das Lernen nur durch Beispiele geschieht. So daß die Idee, jeder Schritt sei durch ein Etwas—eine Art Vorbild—in unserm Geiste zu rechtfertigen, diesen Leuten gänzlich fremd wäre. | ||
{{ParZ|296}} Wie seltsam: Es scheint, als ob zwar eine physische (mechanische) Führung versagen, Unvorhergesehenes zulassen könnte, aber eine Regel nicht! Sie wäre sozusagen die einzig verläßliche Führung. Aber worin besteht es, daß eine Führung eine Bewegung nicht zuläßt und worin, daß eine Regel sie nicht zuläßt?—Wie weiß man das eine, und wie das andere? | {{ParZ|296}} Wie seltsam: Es scheint, als ob zwar eine physische (mechanische) Führung versagen, Unvorhergesehenes zulassen könnte, aber eine Regel nicht! Sie wäre sozusagen die einzig verläßliche Führung. Aber worin besteht es, daß eine Führung eine Bewegung nicht zuläßt und worin, daß eine Regel sie nicht zuläßt?—Wie weiß man das eine, und wie das andere? | ||
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Ich kann aber glauben, sie anwenden zu können, und es zeigt sich, daß ich im Irrtum war. | Ich kann aber glauben, sie anwenden zu können, und es zeigt sich, daß ich im Irrtum war. | ||
{{ParZ|298}} Daraus folgt nicht, daß Verstehen die Tätigkeit ist, durch die wir unser Verständnis zeigen. Die Frage, ob es diese Tätigkeit ist, ist irreführend. Sie darf nicht so aufgefaßt werden: "Ist also das Verstehen diese Tätigkeit—ist es nicht doch eine ''andere''?"—Sondern so: "Wird 'Verstehen' zur Bezeichnung dieser Tätigkeit gebraucht wird es nicht ''anders'' gebraucht?" | {{ParZ|298}} Daraus folgt nicht, daß Verstehen die Tätigkeit ist, durch die wir unser Verständnis zeigen. Die Frage, ob es diese Tätigkeit ist, ist irreführend. Sie darf nicht ''so'' aufgefaßt werden: "Ist also das Verstehen diese Tätigkeit—ist es nicht doch eine ''andere''?"—Sondern so: "Wird 'Verstehen' zur Bezeichnung dieser Tätigkeit gebraucht wird es nicht ''anders'' gebraucht?" | ||
{{ParZ|299}} Wir sagen: "Wenn ihr beim Multiplizieren wirklich der Regel folgt, ''muß'' das Gleiche herauskommen." Nun, wenn dies nur die etwas hysterische Ausdrucksweise der Universitätssprache ist, so braucht sie uns nicht sehr zu interessieren. Es ist aber der Ausdruck einer Einstellung zu der Technik des Rechnens, die sich überall in unserm Leben zeigt. Die Emphase des Muß entspricht nur der Unerbittlichkeit dieser Einstellung, sowohl zur Technik des Rechnens, als auch zu unzähligen verwandten Übungen. | {{ParZ|299}} Wir sagen: "Wenn ihr beim Multiplizieren wirklich der Regel folgt, ''muß'' das Gleiche herauskommen." Nun, wenn dies nur die etwas hysterische Ausdrucksweise der Universitätssprache ist, so braucht sie uns nicht sehr zu interessieren. Es ist aber der Ausdruck einer Einstellung zu der Technik des Rechnens, die sich überall in unserm Leben zeigt. Die Emphase des Muß entspricht nur der Unerbittlichkeit dieser Einstellung, sowohl zur Technik des Rechnens, als auch zu unzähligen verwandten Übungen. | ||
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Eine Rede vollständig (oder unvollständig) wiedergeben. Gehört dazu auch die Wiedergabe des Tonfalls, des Mienenspiels, der Echtheit oder Unechtheit der Gefühle, der Absichten des Redners, der Anstrengung des Redens? Ob das oder jenes für uns zur vollständigen Beschreibung gehört, wird vom Zweck der Beschreibung abhängen, davon, was der Empfänger mit der Beschreibung anfängt. | Eine Rede vollständig (oder unvollständig) wiedergeben. Gehört dazu auch die Wiedergabe des Tonfalls, des Mienenspiels, der Echtheit oder Unechtheit der Gefühle, der Absichten des Redners, der Anstrengung des Redens? Ob das oder jenes für uns zur vollständigen Beschreibung gehört, wird vom Zweck der Beschreibung abhängen, davon, was der Empfänger mit der Beschreibung anfängt. | ||
{{ParZ|312}} Der Ausdruck | {{ParZ|312}} Der Ausdruck "Das ist alles, was ''geschieht''", grenzt ab, was wir "geschehen" nennen. | ||
{{ParZ|313}} Hier ist die Versuchung überwältigend, noch etwas zu sagen, wenn schon alles beschrieben ist.—Woher dieser Drang? Welche Analogie, welche falsche Interpretation erzeugt ihn? | {{ParZ|313}} Hier ist die Versuchung überwältigend, noch etwas zu sagen, wenn schon alles beschrieben ist.—Woher dieser Drang? Welche Analogie, welche falsche Interpretation erzeugt ihn? | ||
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{{ParZ|314}} Hier stoßen wir auf eine merkwürdige und charakteristische Erscheinung in philosophischen Untersuchungen: Die Schwierigkeit—könnte ich sagen—ist nicht, die Lösung zu finden, sondern etwas als die Lösung anzuerkennen, was aussieht, als wäre es erst eine Vorstufe zu ihr. "Wir haben schon alles gesagt.—Nicht etwas, was daraus folgt, sondern eben ''das'' ist die Lösung!" | {{ParZ|314}} Hier stoßen wir auf eine merkwürdige und charakteristische Erscheinung in philosophischen Untersuchungen: Die Schwierigkeit—könnte ich sagen—ist nicht, die Lösung zu finden, sondern etwas als die Lösung anzuerkennen, was aussieht, als wäre es erst eine Vorstufe zu ihr. "Wir haben schon alles gesagt.—Nicht etwas, was daraus folgt, sondern eben ''das'' ist die Lösung!" | ||
Das hängt, glaube ich, damit zusammen, daß wir | Das hängt, glaube ich, damit zusammen, daß wir fälschlich eine Erklärung erwarten; während eine Beschreibung die Lösung der Schwierigkeit ist, wenn wir sie richtig in unsere Betrachtung einordnen. Wenn wir bei ihr verweilen, nicht versuchen, über sie hinauszukommen. | ||
Die Schwierigkeit ist hier: Halt zu machen. | Die Schwierigkeit ist hier: Halt zu machen. | ||
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{{ParZ|316}} Man kann einen roten Gegenstand als Muster für das Malen eines ''rötlichen'' Weiß oder eines rötlichen Gelb (etc.) verwenden—aber kann man es auch als Muster für das Malen eines blaugrünen Farbtones z. B. verwenden?—Wie, wenn ich jemanden mit allen äußern Zeichen des genauen Kopierens einen roten Fleck blaugrün 'wiedergeben' sähe?—Ich würde sagen "Ich weiß nicht, wie er es macht!" Oder auch "Ich weiß nicht, ''was'' er macht!"—Aber angenommen, er 'kopierte' nun diesen Ton von Rot bei verschiedenen Gelegenheiten in Blaugrün und etwa andere Töne von Rot regelmäßig in andern blaugrünen Tönen—soll ich nun sagen, er kopiere, oder er kopiere nicht? | {{ParZ|316}} Man kann einen roten Gegenstand als Muster für das Malen eines ''rötlichen'' Weiß oder eines rötlichen Gelb (etc.) verwenden—aber kann man es auch als Muster für das Malen eines blaugrünen Farbtones z. B. verwenden?—Wie, wenn ich jemanden mit allen äußern Zeichen des genauen Kopierens einen roten Fleck blaugrün 'wiedergeben' sähe?—Ich würde sagen "Ich weiß nicht, wie er es macht!" Oder auch "Ich weiß nicht, ''was'' er macht!"—Aber angenommen, er 'kopierte' nun diesen Ton von Rot bei verschiedenen Gelegenheiten in Blaugrün und etwa andere Töne von Rot regelmäßig in andern blaugrünen Tönen—soll ich nun sagen, er kopiere, oder er kopiere nicht? | ||
Was heißt es aber, daß ich nicht weiß, 'was er macht'? | Was heißt es aber, daß ich nicht weiß, 'was er macht'? Sehe ich denn nicht, was er macht?—Aber ich sehe nicht ''in ihn hinein''.—Nur dieses Gleichnis nicht! Wenn ich ihn Rot in Rot kopieren sehe,—was weiß ich denn da? Weiß ich, ''wie'' ich es mache? Freilich, man sagt: ich male eben die ''gleiche'' Farbe.—Aber wie, wenn ''er'' sagt "Und ich male die Quint zu dieser Farbe"? Sehe ich einen besonderen Vorgang der Vermittlung, wenn ich die 'gleiche' Farbe male? | ||
Nimm an, ich kenne ihn als einen ehrlichen Menschen; er gibt, wie ich es beschrieben habe, ein Rot durch ein Blaugrün wieder—aber nun ''nicht'' den gleichen Ton immer durch den gleichen, sondern einmal durch einen, einmal durch einen andern Ton.—Soll ich sagen "Ich weiß nicht, was er macht"?—Er macht, was ich sehe—aber ''ich'' würde es nie tun; ich weiß nicht, warum er es tut; seine Handlungsweise 'ist mir unverständlich'. | Nimm an, ich kenne ihn als einen ehrlichen Menschen; er gibt, wie ich es beschrieben habe, ein Rot durch ein Blaugrün wieder—aber nun ''nicht'' den gleichen Ton immer durch den gleichen, sondern einmal durch einen, einmal durch einen andern Ton.—Soll ich sagen "Ich weiß nicht, was er macht"?—Er macht, was ich sehe—aber ''ich'' würde es nie tun; ich weiß nicht, warum er es tut; seine Handlungsweise 'ist mir unverständlich'. |