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Muß ich annehmen, daß, wer aus der Vorstellung oder Erinnerung etwas zeichnet oder beschreibt oder nachahmt, seine Darstellung von irgend etwas ''abliest''?!—Was spricht dafür? | Muß ich annehmen, daß, wer aus der Vorstellung oder Erinnerung etwas zeichnet oder beschreibt oder nachahmt, seine Darstellung von irgend etwas ''abliest''?!—Was spricht dafür? | ||
{{ParZ|35}} Gedanken erraten. Spielkarten liegen auf einem Tisch. Ich will, daß der Andre eine von ihnen berühren soll. Ich schließe die Augen und denke an | {{ParZ|35}} Gedanken erraten. Spielkarten liegen auf einem Tisch. Ich will, daß der Andre eine von ihnen berühren soll. Ich schließe die Augen und denke an eine dieser Karten; der Andre soll erraten, welche ich meine.—Er läßt sich darauf etwa eine Karte einfallen und wünscht dabei, meine Meinung zu treffen. Er berührt die Karte, und ich sage "Ja, die war's", oder sie war's nicht. Eine Variante dieses Spiels wäre es, daß ich auf eine bestimmte Karte ''schaue'', so zwar, daß der Andre die Richtung meines Blicks nicht sieht, und daß er nun die Karte erraten muß, auf die ich schaue. Daß dies eine Variante des ersten Spiels ist, ist wichtig. Es kann hier wichtig sein, ''wie'' ich an die Karte denke, weil ''es'' sich zeigen könnte, daß davon die Zuverlässigkeit des Erratens abhängt. Sage ich aber im gewöhnlichen Leben "Ich dachte soeben an N", so fragt man mich nicht "''Wie'' hast du an ihn gedacht?". | ||
{{ParZ|36}} Man möchte fragen: "Hätte einer, der in dein Inneres zu sehen imstande wäre, dort sehen können, daß du das sagen ''wolltest''?" | {{ParZ|36}} Man möchte fragen: "Hätte einer, der in dein Inneres zu sehen imstande wäre, dort sehen können, daß du das sagen ''wolltest''?" | ||
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{{ParZ|428}} Ist aber nicht die Übereinstimmung der Menschen dem Spiel wesentlich? Muß, wer es lernt, also nicht zuerst die Bedeutung von "gleich" kennen, und setzt die nicht auch Übereinstimmung voraus? U. s. f. | {{ParZ|428}} Ist aber nicht die Übereinstimmung der Menschen dem Spiel wesentlich? Muß, wer es lernt, also nicht zuerst die Bedeutung von "gleich" kennen, und setzt die nicht auch Übereinstimmung voraus? U. s. f. | ||
{{ParZ|429}} Du sagst "''Das'' ist rot", aber wie wird entschieden, ob du recht hast? Entscheidet es nicht die Übereinstimmung der Menschen?—Aber berufe ich mich denn auf diese Übereinstimmung in meinen Farburteilen? Geht es denn ''so'' vor sich: Ich lasse | {{ParZ|429}} Du sagst "''Das'' ist rot", aber wie wird entschieden, ob du recht hast? Entscheidet es nicht die Übereinstimmung der Menschen?—Aber berufe ich mich denn auf diese Übereinstimmung in meinen Farburteilen? Geht es denn ''so'' vor sich: Ich lasse eine Anzahl Leute einen Gegenstand anschauen; jedem von ihnen fällt dabei eines einer gewissen Gruppe von Wörtern (der sogenannten Farbwörter) ein; ist der Mehrzahl der Betrachter das Wort "rot" z. B. eingefallen (zu dieser Mehrzahl muß ich selbst nicht gehören), so gebührt dem Gegenstand das Prädikat "rot". So eine Technik könnte ja ihre Wichtigkeit haben. | ||
{{ParZ|430}} Die ''Farbwörter'' werden ''so'' gelehrt: "Das ist rot" z. B.—Unser Sprachspiel kommt freilich nur zustande, wenn eine gewisse Übereinstimmung herrscht, aber der Begriff der Übereinstimmung tritt ins Sprachspiel nicht ein. Wäre die Übereinstimmung vollkommen, so könnte ihr Begriff ganz unbekannt sein. | {{ParZ|430}} Die ''Farbwörter'' werden ''so'' gelehrt: "Das ist rot" z. B.—Unser Sprachspiel kommt freilich nur zustande, wenn eine gewisse Übereinstimmung herrscht, aber der Begriff der Übereinstimmung tritt ins Sprachspiel nicht ein. Wäre die Übereinstimmung vollkommen, so könnte ihr Begriff ganz unbekannt sein. | ||
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Wir müssen natürlich für verschiedene Zwecke einen Befehl haben der Art "Rechne dies im Kopf!"; eine Frage "Hast du es gerechnet?"; ja auch: "Wie weit bist du?"; eine Aussage des Automaten "Ich habe .... gerechnet"; etc. Kurz: alles, was ''wir'' unter uns über das Kopfrechnen sagen, hat auch Interesse für uns, wenn sie es sagen. Und was für Kopfrechnen gilt, gilt auch für alle anderen Formen des Denkens.——Äußert einer von uns die Meinung, diese Wesen ''müßten'' doch irgendeine Art von Seele haben, in der dies und jenes vor sich ginge, so lachen wir ihn aus. | Wir müssen natürlich für verschiedene Zwecke einen Befehl haben der Art "Rechne dies im Kopf!"; eine Frage "Hast du es gerechnet?"; ja auch: "Wie weit bist du?"; eine Aussage des Automaten "Ich habe .... gerechnet"; etc. Kurz: alles, was ''wir'' unter uns über das Kopfrechnen sagen, hat auch Interesse für uns, wenn sie es sagen. Und was für Kopfrechnen gilt, gilt auch für alle anderen Formen des Denkens.——Äußert einer von uns die Meinung, diese Wesen ''müßten'' doch irgendeine Art von Seele haben, in der dies und jenes vor sich ginge, so lachen wir ihn aus. | ||
{{ParZ|530}} Die Sklaven sagen auch: "Als ich das Wort 'Bank' hörte, bedeutete es für mich .....". Frage: Auf dem Hintergrund ''welcher'' Sprachtechnik sagen sie das? Denn darauf kommt alles an. Was hatten wir sie gelehrt, welche Benutzung des Wortes "bedeuten"? Und was, wenn überhaupt irgend etwas, entnehmen wir ihrer Äußerung? Denn wenn wir gar nichts mit ihr anfangen können, so könnte sie uns als Kuriosität interessieren.——Denken wir uns einen Stamm von Menschen, die keine Träume kennen, und die unsere Traumerzählungen hören. Einer von uns käme zu diesen nichtträumenden Leuten und lernte nach und nach, sich mit ihnen zu verständigen.—Vielleicht denkt man, sie würden nun das Wort "träumen" nie verstehen. Aber sie würden bald eine Verwendung dafür finden. Und ihre Ärzte könnten sich sehr wohl für das Phänomen interessieren und wichtige Schlüsse aus den Träumen des Fremden ziehen.——Auch kann man nicht sagen, daß für diese Leute das Verbum "träumen" nichts Anderes bedeuten könnte als: | {{ParZ|530}} Die Sklaven sagen auch: "Als ich das Wort 'Bank' hörte, bedeutete es für mich .....". Frage: Auf dem Hintergrund ''welcher'' Sprachtechnik sagen sie das? Denn darauf kommt alles an. Was hatten wir sie gelehrt, welche Benutzung des Wortes "bedeuten"? Und was, wenn überhaupt irgend etwas, entnehmen wir ihrer Äußerung? Denn wenn wir gar nichts mit ihr anfangen können, so könnte sie uns als Kuriosität interessieren.——Denken wir uns einen Stamm von Menschen, die keine Träume kennen, und die unsere Traumerzählungen hören. Einer von uns käme zu diesen nichtträumenden Leuten und lernte nach und nach, sich mit ihnen zu verständigen.—Vielleicht denkt man, sie würden nun das Wort "träumen" nie verstehen. Aber sie würden bald eine Verwendung dafür finden. Und ihre Ärzte könnten sich sehr wohl für das Phänomen interessieren und wichtige Schlüsse aus den Träumen des Fremden ziehen.——Auch kann man nicht sagen, daß für diese Leute das Verbum "träumen" nichts Anderes bedeuten könnte als: einen Traum erzählen. Denn der Fremde würde ja beide Ausdrücke gebrauchen: "träumen" und "einen Traum erzählen", und die Leute jenes Stammes dürften nicht "ich träumte ..." mit "ich erzählte den Traum ....." verwechseln. | ||
{{ParZ|531}} "Ich nehme an, es schwebe ihm ein Bild vor."—Könnte ich auch annehmen, es schwebe diesem Ofen ein Bild vor?—Und warum scheint dies unmöglich? Ist denn also die menschliche Gestalt dazu nötig?— | {{ParZ|531}} "Ich nehme an, es schwebe ihm ein Bild vor."—Könnte ich auch annehmen, es schwebe diesem Ofen ein Bild vor?—Und warum scheint dies unmöglich? Ist denn also die menschliche Gestalt dazu nötig?— | ||
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{{ParZ|590}} Die Verbindung unseres Hauptproblems mit dem epistemologischen Problem des Wollens ist mir schon früher einmal aufgefallen. Wenn in der Psychologie ein solches hartnäckiges Problem auftritt, so ist es nie eine Frage nach der tatsächlichen Erfahrung (eine solche ist immer viel gutmütiger), sondern ein logisches, also eigentlich grammatisches Problem. | {{ParZ|590}} Die Verbindung unseres Hauptproblems mit dem epistemologischen Problem des Wollens ist mir schon früher einmal aufgefallen. Wenn in der Psychologie ein solches hartnäckiges Problem auftritt, so ist es nie eine Frage nach der tatsächlichen Erfahrung (eine solche ist immer viel gutmütiger), sondern ein logisches, also eigentlich grammatisches Problem. | ||
{{ParZ|591}} Mein Benehmen ist eben manchmal Gegenstand meiner Beobachtung, aber doch ''selten''. Und das hängt damit zusammen, daß ich mein Benehmen beabsichtige. Selbst wenn der Schauspieler im Spiegel seine eigenen Mienen beobachtet, oder der Musiker genau auf jeden Ton seines Spiels merkt und ihn beurteilt, so | {{ParZ|591}} Mein Benehmen ist eben manchmal Gegenstand meiner Beobachtung, aber doch ''selten''. Und das hängt damit zusammen, daß ich mein Benehmen beabsichtige. Selbst wenn der Schauspieler im Spiegel seine eigenen Mienen beobachtet, oder der Musiker genau auf jeden Ton seines Spiels merkt und ihn beurteilt, so geschieht es doch, um seine Handlung danach zu richten. | ||
{{ParZ|592}} Was heißt es z. B., daß Selbstbeobachtung mein Handeln, meine Bewegungen unsicher macht? | {{ParZ|592}} Was heißt es z. B., daß Selbstbeobachtung mein Handeln, meine Bewegungen unsicher macht? |