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{{ParZ|1}} W. James: der Gedanke sei schon am Anfang des Satzes fertig. Wie kann man das wissen?—Aber die ''Absicht'', ihn auszusprechen, kann schon bestehen, ehe das erste Wort gesagt ist. Denn fragt man Einen »weißt du, was du sagen willst?«, so wird er es oft bejahen.
{{ParZ|1}} W. James: der Gedanke sei schon am Anfang des Satzes fertig. Wie kann man das wissen? – Aber die ''Absicht'', ihn auszusprechen, kann schon bestehen, ehe das erste Wort gesagt ist. Denn fragt man Einen »weißt du, was du sagen willst?«, so wird er es oft bejahen.


{{ParZ|2}} Ich sage Einem »ich werde dir jetzt das Thema .... vorpfeifen«, ich habe die Absicht, es zu pfeifen, und ich weiß schon, was ich pfeifen werde.
{{ParZ|2}} Ich sage Einem »ich werde dir jetzt das Thema .... vorpfeifen«, ich habe die Absicht, es zu pfeifen, und ich weiß schon, was ich pfeifen werde.
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Ich habe die Absicht, dieses Thema zu pfeifen: habe ich es damit in irgendeinem Sinne etwa in Gedanken schon gepfiffen?
Ich habe die Absicht, dieses Thema zu pfeifen: habe ich es damit in irgendeinem Sinne etwa in Gedanken schon gepfiffen?


{{ParZ|3}} »Ich ''sage'' das nicht nur, ich meine etwas damit.«—Soll man darauf fragen »Was?«——Dann kommt wieder ein Satz zur Antwort.—Oder kann man nicht so fragen, da der Satz etwa sagte »Ich sage das nicht nur, sondern es bewegt mich auch.«
{{ParZ|3}} »Ich ''sage'' das nicht nur, ich meine etwas damit.« – Soll man darauf fragen »Was?« –– Dann kommt wieder ein Satz zur Antwort. – Oder kann man nicht so fragen, da der Satz etwa sagte »Ich sage das nicht nur, sondern es bewegt mich auch.«


{{ParZ|4}} (Eine der irreführendsten Redeweisen ist die Frage »Was meine ich damit?«—Man könnte in den meisten Fällen darauf antworten »Gar nichts—ich sage ....«.)
{{ParZ|4}} (Eine der irreführendsten Redeweisen ist die Frage »Was meine ich damit?« – Man könnte in den meisten Fällen darauf antworten »Gar nichts – ich sage ....«.)


{{ParZ|5}} Kann ich denn nicht mit Worten meinen, was ich will?——Schau auf die Tür deines Zimmers, sage dabei eine Reihe beliebiger Laute, und meine damit eine Beschreibung dieser Tür!
{{ParZ|5}} Kann ich denn nicht mit Worten meinen, was ich will? –– Schau auf die Tür deines Zimmers, sage dabei eine Reihe beliebiger Laute, und meine damit eine Beschreibung dieser Tür!


{{ParZ|6}} »Sag ›a b c d‹ und meine damit: Das Wetter ist schön.«—Soll ich also sagen, daß das Aussprechen eines Satzes einer uns geläufigen Sprache ein ganz anderes Erlebnis ist, als das Aussprechen von Lauten, die uns nicht als Satz geläufig sind? Wenn ich also die Sprache erlernte, in welcher »''abcd''« jenen Sinn haben,—würde ich nach und nach das uns bekannte Erlebnis beim Aussprechen dieser Buchstaben kriegen? Ja und nein.—Eine Hauptverschiedenheit der beiden Fälle liegt darin, daß ich mich im ersten ''nicht bewegen kann''. Es ist da, als wäre eines meiner Gelenke in Schienen und ich noch nicht an sie gewöhnt und hätte die möglichen Bewegungen noch nicht inne, stieße also sozusagen in einemfort an.
{{ParZ|6}} »Sag ›a b c d‹ und meine damit: Das Wetter ist schön.« – Soll ich also sagen, daß das Aussprechen eines Satzes einer uns geläufigen Sprache ein ganz anderes Erlebnis ist, als das Aussprechen von Lauten, die uns nicht als Satz geläufig sind? Wenn ich also die Sprache erlernte, in welcher »''abcd''« jenen Sinn haben, – würde ich nach und nach das uns bekannte Erlebnis beim Aussprechen dieser Buchstaben kriegen? Ja und nein. – Eine Hauptverschiedenheit der beiden Fälle liegt darin, daß ich mich im ersten ''nicht bewegen kann''. Es ist da, als wäre eines meiner Gelenke in Schienen und ich noch nicht an sie gewöhnt und hätte die möglichen Bewegungen noch nicht inne, stieße also sozusagen in einemfort an.


{{ParZ|7}} Wenn ich zwei Freunde gleichen Namens habe, und ich schreibe einem von ihnen einen Brief; worin liegt es, daß ich ihn nicht dem andern schreibe? Am Inhalt? Aber der könnte für beide passen. (Die Adresse habe ich noch nicht geschrieben.) Nun, die Verbindung kann in der Vorgeschichte liegen. Dann aber auch in dem, was dem Schreiben ''folgt''. Wenn mich nun jemand fragt »An welchen der beiden schreibst du?« und ich antworte ihm, schließe ich die Antwort aus der Vorgeschichte? Gebe ich sie nicht beinahe, wie ich sage »Ich habe Zahnschmerzen«?—Könnte ich im Zweifel darüber sein, welchem von beiden ich schreibe? Und wie sieht so ein Zweifelsfall aus?—Ja, wäre nicht auch der Fall einer Täuschung möglich: ich glaube dem Einen zu schreiben und schreibe dem Andern? Und wie sähe der Fall einer solchen Täuschung aus?
{{ParZ|7}} Wenn ich zwei Freunde gleichen Namens habe, und ich schreibe einem von ihnen einen Brief; worin liegt es, daß ich ihn nicht dem andern schreibe? Am Inhalt? Aber der könnte für beide passen. (Die Adresse habe ich noch nicht geschrieben.) Nun, die Verbindung kann in der Vorgeschichte liegen. Dann aber auch in dem, was dem Schreiben ''folgt''. Wenn mich nun jemand fragt »An welchen der beiden schreibst du?« und ich antworte ihm, schließe ich die Antwort aus der Vorgeschichte? Gebe ich sie nicht beinahe, wie ich sage »Ich habe Zahnschmerzen«? – Könnte ich im Zweifel darüber sein, welchem von beiden ich schreibe? Und wie sieht so ein Zweifelsfall aus? – Ja, wäre nicht auch der Fall einer Täuschung möglich: ich glaube dem Einen zu schreiben und schreibe dem Andern? Und wie sähe der Fall einer solchen Täuschung aus?


{{ParZ|8}} (Man sagt manchmal: »Was wollte ich nur in dieser Lade suchen?—Ach ja, die Photographie!« Und wenn uns dies einfällt, erinnern wir uns wieder an den Zusammenhang unsrer Handlung mit dem, was vorherging. Es könnte aber auch den · Fall geben: Ich öffne die Lade und krame in ihr; endlich komme ich gleichsam zur Besinnung und frage mich »Warum suche ich in dieser Lade herum?« Und dann kommt die Antwort »Ich will die Photographie des .... sehen«. »Ich ''will''«, nicht »Ich ''wollte''«. Das Öffnen der Lade etc. geschah sozusagen automatisch und erhielt ''nachträglich'' eine Interpretation.)
{{ParZ|8}} (Man sagt manchmal: »Was wollte ich nur in dieser Lade suchen? – Ach ja, die Photographie!« Und wenn uns dies einfällt, erinnern wir uns wieder an den Zusammenhang unsrer Handlung mit dem, was vorherging. Es könnte aber auch den · Fall geben: Ich öffne die Lade und krame in ihr; endlich komme ich gleichsam zur Besinnung und frage mich »Warum suche ich in dieser Lade herum?« Und dann kommt die Antwort »Ich will die Photographie des .... sehen«. »Ich ''will''«, nicht »Ich ''wollte''«. Das Öffnen der Lade etc. geschah sozusagen automatisch und erhielt ''nachträglich'' eine Interpretation.)


{{ParZ|9}} »Ich wollte mit dieser Bemerkung ''ihn'' treffen.« Wenn ich das höre, so kann ich mir dazu eine Situation und ihre Geschichte vorstellen. Ich könnte sie auf dem Theater darstellen, mich in den Seelenzustand versetzen, in dem ich ihn treffen will.—Aber wie ist dieser Seelenzustand zu beschreiben? also zu identifizieren?—Ich denke mich in die Situation hinein, nehme eine gewisse Miene und Stimme an etc. Was verbindet meine Worte mit ihm? Die Situation und meine Gedanken. Und meine Gedanken nicht anders als Worte, die ich ausspreche.
{{ParZ|9}} »Ich wollte mit dieser Bemerkung ''ihn'' treffen.« Wenn ich das höre, so kann ich mir dazu eine Situation und ihre Geschichte vorstellen. Ich könnte sie auf dem Theater darstellen, mich in den Seelenzustand versetzen, in dem ich ihn treffen will. – Aber wie ist dieser Seelenzustand zu beschreiben? also zu identifizieren? – Ich denke mich in die Situation hinein, nehme eine gewisse Miene und Stimme an etc. Was verbindet meine Worte mit ihm? Die Situation und meine Gedanken. Und meine Gedanken nicht anders als Worte, die ich ausspreche.


{{ParZ|10}} Angenommen, ich wollte auf einmal alle Wörter meiner Sprache durch andere ersetzen; wie könnte ''ich'' wissen, an welcher Stelle eines der neuen Wörter steht? Sind es die Vorstellungen, die die Plätze der Wörter halten?
{{ParZ|10}} Angenommen, ich wollte auf einmal alle Wörter meiner Sprache durch andere ersetzen; wie könnte ''ich'' wissen, an welcher Stelle eines der neuen Wörter steht? Sind es die Vorstellungen, die die Plätze der Wörter halten?


{{ParZ|11}} Ich bin geneigt zu sagen: Ich ›zeige‹ ''in verschiedenen Sinne'' auf diesen Körper, auf seine Gestalt, auf seine Farbe etc.—Was heißt das?
{{ParZ|11}} Ich bin geneigt zu sagen: Ich ›zeige‹ ''in verschiedenen Sinne'' auf diesen Körper, auf seine Gestalt, auf seine Farbe etc. – Was heißt das?


Was heißt es: Ich ›höre‹ ''in anderem Sinne'': das Klavier, seinen Klang, das Musikstück, den Klavierspieler, seine Geläufigkeit? Ich ›heirate‹ in einem Sinne eine Frau, in einem andern ihr Geld.
Was heißt es: Ich ›höre‹ ''in anderem Sinne'': das Klavier, seinen Klang, das Musikstück, den Klavierspieler, seine Geläufigkeit? Ich ›heirate‹ in einem Sinne eine Frau, in einem andern ihr Geld.
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{{ParZ|14}} »Ich mußte plötzlich an ihn denken.« Sein Bild schwebte mir etwa plötzlich vor. Wußte ich, daß es sein, des N. Bild war? Ich sagte es mir nicht. Worin lag es also, daß es das seine war? Vielleicht in dem, was ich später sagte oder tat.
{{ParZ|14}} »Ich mußte plötzlich an ihn denken.« Sein Bild schwebte mir etwa plötzlich vor. Wußte ich, daß es sein, des N. Bild war? Ich sagte es mir nicht. Worin lag es also, daß es das seine war? Vielleicht in dem, was ich später sagte oder tat.


{{ParZ|15}} Wenn Max sagt »Der Fürst trägt Vatersorge für die Truppen«, so meint er Wallenstein.—Angenommen, jemand sagte: Wir wissen nicht, ob er Wallenstein meint; er könne in diesem Satz auch einen andern Fürsten meinen.
{{ParZ|15}} Wenn Max sagt »Der Fürst trägt Vatersorge für die Truppen«, so meint er Wallenstein. – Angenommen, jemand sagte: Wir wissen nicht, ob er Wallenstein meint; er könne in diesem Satz auch einen andern Fürsten meinen.


{{ParZ|16}} »Daß du das Klavierspiel meintest, bestand darin, daß du ans Klavierspiel ''dachtest''.«
{{ParZ|16}} »Daß du das Klavierspiel meintest, bestand darin, daß du ans Klavierspiel ''dachtest''.«
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Der Irrtum ist zu sagen, Meinen bestehe in etwas.
Der Irrtum ist zu sagen, Meinen bestehe in etwas.


{{ParZ|17}} »Als ich das sagte, wollte ich ihm nur einen Wink geben.«—Wie kann ich wissen, daß ich es nur sagte, um ihm einen Wink zu geben? Nun, die Worte »Als ich es sagte etc.« beschreiben eine bestimmte uns verständliche Situation. Wie schaut die Situation aus? Um sie zu beschreiben, muß ich einen Zusammenhang beschreiben.
{{ParZ|17}} »Als ich das sagte, wollte ich ihm nur einen Wink geben.« – Wie kann ich wissen, daß ich es nur sagte, um ihm einen Wink zu geben? Nun, die Worte »Als ich es sagte etc.« beschreiben eine bestimmte uns verständliche Situation. Wie schaut die Situation aus? Um sie zu beschreiben, muß ich einen Zusammenhang beschreiben.


{{ParZ|18}} Wie tritt er in diese Vorgänge ein:
{{ParZ|18}} Wie tritt er in diese Vorgänge ein:
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{{ParZ|20}} Es wäre daher dumm, Meinen eine ›geistige Tätigkeit‹ zu nennen. Weil man damit eine falsche Vorstellung von der Funktion des Wortes begünstigt.
{{ParZ|20}} Es wäre daher dumm, Meinen eine ›geistige Tätigkeit‹ zu nennen. Weil man damit eine falsche Vorstellung von der Funktion des Wortes begünstigt.


{{ParZ|21}} Ich sage »Komm her!« und zeige in der Richtung des A. B, der neben ihm steht, macht einen Schritt auf mich zu. Ich sage: »Nein; A soll kommen.« Wird man das nun als eine Mitteilung über meine Seelenvorgänge auffassen? Gewiß nicht.—Und könnte man nicht doch daraus Schlüsse auf Vorgänge ziehen, die in mir beim Aussprechen des Befehls »Komm her!« stattgefunden haben?
{{ParZ|21}} Ich sage »Komm her!« und zeige in der Richtung des A. B, der neben ihm steht, macht einen Schritt auf mich zu. Ich sage: »Nein; A soll kommen.« Wird man das nun als eine Mitteilung über meine Seelenvorgänge auffassen? Gewiß nicht. – Und könnte man nicht doch daraus Schlüsse auf Vorgänge ziehen, die in mir beim Aussprechen des Befehls »Komm her!« stattgefunden haben?


Aber auf was für Vorgänge? Könnte man nicht mutmaßen, ich habe bei meinem Befehl auf A geschaut; mein Gedankengang habe mich zu ihm geleitet? Aber vielleicht kenne ich den B überhaupt nicht, stehe nur mit A in Verbindung. Dann hätte also, wer meine seelischen Vorgänge mutmaßte, ganz irregehen können, und hätte dennoch verstanden, daß ich den A und nicht den B gemeint habe.
Aber auf was für Vorgänge? Könnte man nicht mutmaßen, ich habe bei meinem Befehl auf A geschaut; mein Gedankengang habe mich zu ihm geleitet? Aber vielleicht kenne ich den B überhaupt nicht, stehe nur mit A in Verbindung. Dann hätte also, wer meine seelischen Vorgänge mutmaßte, ganz irregehen können, und hätte dennoch verstanden, daß ich den A und nicht den B gemeint habe.


{{ParZ|22}} Ich zeige mit der Hand und sage »Komm her!«. A fragt »Hast du mich gemeint?« Ich sage »Nein; den B.«—Was ging da vor, als ich den B meinte (da doch mein Zeigen es zweifelhaft ließ, welchen ich meinte)?—Ich sagte diese Worte, machte diese Handbewegung. Mußte noch mehr vorgehen, daß das Sprachspiel vor sich gehen konnte? Aber wußte ich nicht schon während des Zeigens, wen ich meinte? Wußte? Freilich,—nach den gewöhnlichen Kriterien des Wissens.
{{ParZ|22}} Ich zeige mit der Hand und sage »Komm her!«. A fragt »Hast du mich gemeint?« Ich sage »Nein; den B.« – Was ging da vor, als ich den B meinte (da doch mein Zeigen es zweifelhaft ließ, welchen ich meinte)? – Ich sagte diese Worte, machte diese Handbewegung. Mußte noch mehr vorgehen, daß das Sprachspiel vor sich gehen konnte? Aber wußte ich nicht schon während des Zeigens, wen ich meinte? Wußte? Freilich, – nach den gewöhnlichen Kriterien des Wissens.


{{ParZ|23}} »Ich wollte in meiner Erklärung auf .... lossteuern.« Mir schwebte dieses Ziel vor. Ich sah im Geist die Stelle des Buchs, auf die ich hinzielte.
{{ParZ|23}} »Ich wollte in meiner Erklärung auf .... lossteuern.« Mir schwebte dieses Ziel vor. Ich sah im Geist die Stelle des Buchs, auf die ich hinzielte.
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{{ParZ|25}} Wenn ich sage »Ich habe in diesem Zimmer einen Sessel gesehen«, so kann ich mich meistens nur sehr beiläufig an das besondere Gesichtsbild erinnern, und es hat in den meisten Fällen auch gar keine Bedeutung. Der Gebrauch, der von dem Satz gemacht wird, geht an dieser Besonderheit vorbei. Ist es nun so auch, wenn ich sage »Ich habe den N gemeint«? Geht dieser Satz in der gleichen Weise an den Besonderheiten des Vorgangs vorbei?
{{ParZ|25}} Wenn ich sage »Ich habe in diesem Zimmer einen Sessel gesehen«, so kann ich mich meistens nur sehr beiläufig an das besondere Gesichtsbild erinnern, und es hat in den meisten Fällen auch gar keine Bedeutung. Der Gebrauch, der von dem Satz gemacht wird, geht an dieser Besonderheit vorbei. Ist es nun so auch, wenn ich sage »Ich habe den N gemeint«? Geht dieser Satz in der gleichen Weise an den Besonderheiten des Vorgangs vorbei?


{{ParZ|26}} Wenn ich mit einer Bemerkung auf N anspiele, so mag sich dies—wenn bestimmte Umstände gegeben sind—aus meinem Blick, Gesichtsausdruck, etc. ersehen lassen.
{{ParZ|26}} Wenn ich mit einer Bemerkung auf N anspiele, so mag sich dies – wenn bestimmte Umstände gegeben sind – aus meinem Blick, Gesichtsausdruck, etc. ersehen lassen.


Daß du den Ausdruck »auf N anspielen« verstehst, kannst du dadurch zeigen, daß du Beispiele des Anspielens beschreibst. Was wirst du nun alles beschreiben? Vor allem Umstände. Dann was Einer sagt. Etwa auch seinen Blick etc. Dann, was der Anspielende tun will.
Daß du den Ausdruck »auf N anspielen« verstehst, kannst du dadurch zeigen, daß du Beispiele des Anspielens beschreibst. Was wirst du nun alles beschreiben? Vor allem Umstände. Dann was Einer sagt. Etwa auch seinen Blick etc. Dann, was der Anspielende tun will.


Und teile ich jemand dazu noch meine Gefühle, Vorstellungen etc., während ich diese Bemerkung machte (während dieser Anspielung), mit, so mögen diese das typische Bild des Anspielens (oder ''ein'' solches Bild) vervollständigen. Aber daraus folgt nicht, daß der Ausdruck »auf N anspielen« bedeute: sich so benehmen, dies fühlen, sich dies vorstellen, etc. Und hier wird mancher sagen: »Freilich nicht! das haben wir immer schon gesehen. Und es muß sich eben ein roter Faden durch alle diese Erscheinungen ziehen. Er ist mit ihnen sozusagen umsponnen, und daher schwer auffindbar.«—Und das ist auch nicht wahr.
Und teile ich jemand dazu noch meine Gefühle, Vorstellungen etc., während ich diese Bemerkung machte (während dieser Anspielung), mit, so mögen diese das typische Bild des Anspielens (oder ''ein'' solches Bild) vervollständigen. Aber daraus folgt nicht, daß der Ausdruck »auf N anspielen« bedeute: sich so benehmen, dies fühlen, sich dies vorstellen, etc. Und hier wird mancher sagen: »Freilich nicht! das haben wir immer schon gesehen. Und es muß sich eben ein roter Faden durch alle diese Erscheinungen ziehen. Er ist mit ihnen sozusagen umsponnen, und daher schwer auffindbar.« – Und das ist auch nicht wahr.


Aber es wäre auch falsch zu sagen, »anspielen« bezeichne eine Familie von geistigen und anderen Vorgängen.—Denn man kann zwar fragen »Welches war deine Anspielung auf N?«, »Wie hast du den andern zu verstehen gegeben, daß du N meintest?«; aber nicht: »Wie hast du diese Äußerung als Anspielung auf N gemeint?«
Aber es wäre auch falsch zu sagen, »anspielen« bezeichne eine Familie von geistigen und anderen Vorgängen. – Denn man kann zwar fragen »Welches war deine Anspielung auf N?«, »Wie hast du den andern zu verstehen gegeben, daß du N meintest?«; aber nicht: »Wie hast du diese Äußerung als Anspielung auf N gemeint?«


»Ich habe in meiner Rede auf ihn angespielt.«—»mit welchen Worten?«—»Ich habe auf ihn angespielt, als ich von einem Mann redete, der ....«.
»Ich habe in meiner Rede auf ihn angespielt.« – »mit welchen Worten?« – »Ich habe auf ihn angespielt, als ich von einem Mann redete, der ....«.


»Ich habe auf ihn angespielt«, heißt ungefähr: Ich ''wollte'', daß jemand bei diesen Worten an ihn denken solle. Aber »Ich wollte« ist nicht die Beschreibung eines Seelenzustandes, und »verstehen, daß N gemeint war« ist dies auch nicht.
»Ich habe auf ihn angespielt«, heißt ungefähr: Ich ''wollte'', daß jemand bei diesen Worten an ihn denken solle. Aber »Ich wollte« ist nicht die Beschreibung eines Seelenzustandes, und »verstehen, daß N gemeint war« ist dies auch nicht.
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Ja, wenn ich die ganze Gebärde machte und sagte »Er liegt dort drüben«, so wäre das kein Zeigen, wenn nicht diese Worte zu einer Sprache gehörten.
Ja, wenn ich die ganze Gebärde machte und sagte »Er liegt dort drüben«, so wäre das kein Zeigen, wenn nicht diese Worte zu einer Sprache gehörten.


{{ParZ|29}} »Du hast mit der Hand eine Bewegung gemacht; hast du etwas damit gemeint ?—Ich dachte, du meintest, ich solle zu dir kommen.«
{{ParZ|29}} »Du hast mit der Hand eine Bewegung gemacht; hast du etwas damit gemeint ? – Ich dachte, du meintest, ich solle zu dir kommen.«


Also er konnte etwas meinen oder auch nichts meinen. Und wenn das erstere: dann eben seine Handbewegung,—oder etwas Anderes? Hat er mit seinem Ausdruck etwas Anderes als diesen gemeint, oder hat er nur seinen Ausdruck—''gemeint''?
Also er konnte etwas meinen oder auch nichts meinen. Und wenn das erstere: dann eben seine Handbewegung, – oder etwas Anderes? Hat er mit seinem Ausdruck etwas Anderes als diesen gemeint, oder hat er nur seinen Ausdruck – ''gemeint''?


{{ParZ|30}} Könnte man auch antworten: »Ich habe etwas mit dieser Bewegung gemeint, was ich nur durch diese Bewegung ausdrücken kann«? (Musik, musikalischer Gedanke.)
{{ParZ|30}} Könnte man auch antworten: »Ich habe etwas mit dieser Bewegung gemeint, was ich nur durch diese Bewegung ausdrücken kann«? (Musik, musikalischer Gedanke.)


{{ParZ|31}} »Freilich dachte ich an ihn: ich habe ihn vor mir gesehen!«—Aber nicht nach seinem Bilde ''erkannt''.
{{ParZ|31}} »Freilich dachte ich an ihn: ich habe ihn vor mir gesehen!« – Aber nicht nach seinem Bilde ''erkannt''.


{{ParZ|32}} Stelle dir einen deiner Bekannten vor!——Nun sage, wer es war!—Manchmal kommt das Bild zuerst und der Name danach. Aber errate ich den Namen nach der Ähnlichkeit des Bildes?—Und wenn nun der Name dem Bild erst nachfolgt,—war die Vorstellung jenes Menschen schon mit dem Bild da, oder war sie erst mit dem Namen vollständig? Ich habe ja auf den Namen nicht aus dem Bild geschlossen; und eben darum kann ich sagen, die Vorstellung von ihm sei schon mit dem Bild gekommen.
{{ParZ|32}} Stelle dir einen deiner Bekannten vor! –– Nun sage, wer es war! – Manchmal kommt das Bild zuerst und der Name danach. Aber errate ich den Namen nach der Ähnlichkeit des Bildes? – Und wenn nun der Name dem Bild erst nachfolgt, – war die Vorstellung jenes Menschen schon mit dem Bild da, oder war sie erst mit dem Namen vollständig? Ich habe ja auf den Namen nicht aus dem Bild geschlossen; und eben darum kann ich sagen, die Vorstellung von ihm sei schon mit dem Bild gekommen.


{{ParZ|33}} Es ist, wie wenn man eine ''Tendenz'', eine Bereitschaft erlebte (James). Und warum soll ich es nicht so nennen? (Und manche würden auch, was da geschieht, durch Innervationen von Muskeln, Ansätze zu Bewegungen oder gar Vorstellungen von ihnen erklären.) Nur mußt du das Erlebnis einer Tendenz nicht unter dem Bild eines nicht ganz fertigen Erlebnisses ansehen.
{{ParZ|33}} Es ist, wie wenn man eine ''Tendenz'', eine Bereitschaft erlebte (James). Und warum soll ich es nicht so nennen? (Und manche würden auch, was da geschieht, durch Innervationen von Muskeln, Ansätze zu Bewegungen oder gar Vorstellungen von ihnen erklären.) Nur mußt du das Erlebnis einer Tendenz nicht unter dem Bild eines nicht ganz fertigen Erlebnisses ansehen.


Es scheint uns oft, als mache der Geist beim Verstehen der Bedeutung kleine rudimentäre Bewegungen, wie ein Unschlüssiger, der nicht weiß, welchen Weg er gehen soll—gehe also das Gebiet der möglichen Anwendungen ab.
Es scheint uns oft, als mache der Geist beim Verstehen der Bedeutung kleine rudimentäre Bewegungen, wie ein Unschlüssiger, der nicht weiß, welchen Weg er gehen soll – gehe also das Gebiet der möglichen Anwendungen ab.


{{ParZ|34}} Denke dir Menschen, die von Kind auf mit großer Schnelligkeit kritzeln, während sie reden: was sie reden, gleichsam illustrieren.
{{ParZ|34}} Denke dir Menschen, die von Kind auf mit großer Schnelligkeit kritzeln, während sie reden: was sie reden, gleichsam illustrieren.


Muß ich annehmen, daß, wer aus der Vorstellung oder Erinnerung etwas zeichnet oder beschreibt oder nachahmt, seine Darstellung von irgend etwas ''abliest''?!—Was spricht dafür?
Muß ich annehmen, daß, wer aus der Vorstellung oder Erinnerung etwas zeichnet oder beschreibt oder nachahmt, seine Darstellung von irgend etwas ''abliest''?! – Was spricht dafür?


{{ParZ|35}} Gedanken erraten. Spielkarten liegen auf einem Tisch. Ich will, daß der Andre eine von ihnen berühren soll. Ich schließe die Augen und denke an eine dieser Karten; der Andre soll erraten, welche ich meine.—Er läßt sich darauf etwa eine Karte einfallen und wünscht dabei, meine Meinung zu treffen. Er berührt die Karte, und ich sage »Ja, die war's«, oder sie war's nicht. Eine Variante dieses Spiels wäre es, daß ich auf eine bestimmte Karte ''schaue'', so zwar, daß der Andre die Richtung meines Blicks nicht sieht, und daß er nun die Karte erraten muß, auf die ich schaue. Daß dies eine Variante des ersten Spiels ist, ist wichtig. Es kann hier wichtig sein, ''wie'' ich an die Karte denke, weil ''es'' sich zeigen könnte, daß davon die Zuverlässigkeit des Erratens abhängt. Sage ich aber im gewöhnlichen Leben »Ich dachte soeben an N«, so fragt man mich nicht »''Wie'' hast du an ihn gedacht?«.
{{ParZ|35}} Gedanken erraten. Spielkarten liegen auf einem Tisch. Ich will, daß der Andre eine von ihnen berühren soll. Ich schließe die Augen und denke an eine dieser Karten; der Andre soll erraten, welche ich meine. – Er läßt sich darauf etwa eine Karte einfallen und wünscht dabei, meine Meinung zu treffen. Er berührt die Karte, und ich sage »Ja, die war's«, oder sie war's nicht. Eine Variante dieses Spiels wäre es, daß ich auf eine bestimmte Karte ''schaue'', so zwar, daß der Andre die Richtung meines Blicks nicht sieht, und daß er nun die Karte erraten muß, auf die ich schaue. Daß dies eine Variante des ersten Spiels ist, ist wichtig. Es kann hier wichtig sein, ''wie'' ich an die Karte denke, weil ''es'' sich zeigen könnte, daß davon die Zuverlässigkeit des Erratens abhängt. Sage ich aber im gewöhnlichen Leben »Ich dachte soeben an N«, so fragt man mich nicht »''Wie'' hast du an ihn gedacht?«.


{{ParZ|36}} Man möchte fragen: »Hätte einer, der in dein Inneres zu sehen imstande wäre, dort sehen können, daß du das sagen ''wolltest''?«
{{ParZ|36}} Man möchte fragen: »Hätte einer, der in dein Inneres zu sehen imstande wäre, dort sehen können, daß du das sagen ''wolltest''?«
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{{ParZ|37}} (Über einem Musikstück steht, vom Komponisten darübergeschrieben, [[File:Zettel 37.png|6px|link=]] = 88, aber um es heute richtig zu spielen, muß es [[File:Zettel 37.png|6px|link=]] = 94 gespielt werden: welches ist ''das vom Komponisten gemeinte Tempo''?)
{{ParZ|37}} (Über einem Musikstück steht, vom Komponisten darübergeschrieben, [[File:Zettel 37.png|6px|link=]] = 88, aber um es heute richtig zu spielen, muß es [[File:Zettel 37.png|6px|link=]] = 94 gespielt werden: welches ist ''das vom Komponisten gemeinte Tempo''?)


{{ParZ|38}} Unterbrich einen Menschen im gänzlich unvorbereiteten und fließenden Reden. Dann frag ihn, was er sagen wollte, und er wird in vielen Fällen den angefangenen Satz fortführen können.—»Dazu mußte ihm schon vorgeschwebt haben, was er sagen wollte.«—Ist nicht vielleicht jenes Phänomen der Grund, warum wir sagen, die Fortsetzung hätte ihm vorgeschwebt?
{{ParZ|38}} Unterbrich einen Menschen im gänzlich unvorbereiteten und fließenden Reden. Dann frag ihn, was er sagen wollte, und er wird in vielen Fällen den angefangenen Satz fortführen können. – »Dazu mußte ihm schon vorgeschwebt haben, was er sagen wollte.« – Ist nicht vielleicht jenes Phänomen der Grund, warum wir sagen, die Fortsetzung hätte ihm vorgeschwebt?


{{ParZ|39}} Ist es aber nicht sonderbar, daß es so eine Reaktion, so ein Geständnis der Intention gibt? Ist es nicht ein höchst merkwürdiges Sprachinstrument? Was ist eigentlich merkwürdig daran? Nun,—es ist schwer vorstellbar, wie der Mensch diesen Wortgebrauch lernt. Er ist gar so subtil.
{{ParZ|39}} Ist es aber nicht sonderbar, daß es so eine Reaktion, so ein Geständnis der Intention gibt? Ist es nicht ein höchst merkwürdiges Sprachinstrument? Was ist eigentlich merkwürdig daran? Nun, – es ist schwer vorstellbar, wie der Mensch diesen Wortgebrauch lernt. Er ist gar so subtil.


{{ParZ|40}} Aber ist er wirklich subtiler, als der der Worte »Ich habe mir ihn vorgestellt« z. B.? Ja, merkwürdig, sonderbar ist jede solche Sprachverwendung, wenn man nur auf die Betrachtung der Beschreibungen physikalischer Gegenstände eingestellt ist.
{{ParZ|40}} Aber ist er wirklich subtiler, als der der Worte »Ich habe mir ihn vorgestellt« z. B.? Ja, merkwürdig, sonderbar ist jede solche Sprachverwendung, wenn man nur auf die Betrachtung der Beschreibungen physikalischer Gegenstände eingestellt ist.


{{ParZ|41}} Sage ich »Ich wollte damals das und das tun«, und beruht diese Aussage auf den Gedanken, Vorstellungen, etc., an die ich mich erinnere, so muß ein Andrer, dem ich nur diese Gedanken, Vorstellungen etc. mitteile, daraus mit ebensolcher Sicherheit schließen können, ich hätte damals das und das tun wollen.—Er könnte das aber oft nicht. Ja, schlösse ich selbst nun aus dieser Evidenz auf meine Absicht, so würde der Andre mit Recht sagen, dieser Schluß sei sehr unsicher.
{{ParZ|41}} Sage ich »Ich wollte damals das und das tun«, und beruht diese Aussage auf den Gedanken, Vorstellungen, etc., an die ich mich erinnere, so muß ein Andrer, dem ich nur diese Gedanken, Vorstellungen etc. mitteile, daraus mit ebensolcher Sicherheit schließen können, ich hätte damals das und das tun wollen. – Er könnte das aber oft nicht. Ja, schlösse ich selbst nun aus dieser Evidenz auf meine Absicht, so würde der Andre mit Recht sagen, dieser Schluß sei sehr unsicher.


{{ParZ|42}} Und wie lernt [das Kind] den Ausdruck gebrauchen »Ich war damals im Begriffe zu werfen«? Und wie weiß man, daß es damals wirklich in jenem Seelenzustand war, den ''ich'' »im Begriffe sein ...« nenne?
{{ParZ|42}} Und wie lernt [das Kind] den Ausdruck gebrauchen »Ich war damals im Begriffe zu werfen«? Und wie weiß man, daß es damals wirklich in jenem Seelenzustand war, den ''ich'' »im Begriffe sein ...« nenne?
Line 153: Line 153:
{{ParZ|45}} Absicht (Intention) ist weder Gemütsbewegung, Stimmung, noch Empfindung oder Vorstellung. Sie ist kein Bewußtseinszustand. Sie hat nicht echte Dauer.
{{ParZ|45}} Absicht (Intention) ist weder Gemütsbewegung, Stimmung, noch Empfindung oder Vorstellung. Sie ist kein Bewußtseinszustand. Sie hat nicht echte Dauer.


{{ParZ|46}} »Ich habe die Absicht, morgen zu verreisen.«—Wann hast du die Absicht? Die ganze Zeit; oder intermittierend?
{{ParZ|46}} »Ich habe die Absicht, morgen zu verreisen.« – Wann hast du die Absicht? Die ganze Zeit; oder intermittierend?


{{ParZ|47}} Schau in die Lade, in der du sie zu finden glaubst. Die Lade ist leer.—Ich glaube, du hast sie unter den Empfindungen gesucht.
{{ParZ|47}} Schau in die Lade, in der du sie zu finden glaubst. Die Lade ist leer. – Ich glaube, du hast sie unter den Empfindungen gesucht.


Überlege, was das eigentlich heißen würde »eine Absicht intermittierend haben«. Es hieße etwa: die Absicht haben, sie fallen lassen, sie wieder aufnehmen u. s. f.
Überlege, was das eigentlich heißen würde »eine Absicht intermittierend haben«. Es hieße etwa: die Absicht haben, sie fallen lassen, sie wieder aufnehmen u. s. f.
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Wieder ein Anderes könnte bedeuten: über eine Absicht brüten; oder sie im Kopfe hin und her wälzen.
Wieder ein Anderes könnte bedeuten: über eine Absicht brüten; oder sie im Kopfe hin und her wälzen.


{{ParZ|50}} Man kann einen im Denken stören,—aber im Beabsichtigen?——Im Planen wohl. Auch im Festhalten einer Absicht, nämlich im Denken oder Handeln.
{{ParZ|50}} Man kann einen im Denken stören, – aber im Beabsichtigen? –– Im Planen wohl. Auch im Festhalten einer Absicht, nämlich im Denken oder Handeln.


{{ParZ|51}} Anwendung des Imperativs. Vergleiche die Befehle:
{{ParZ|51}} Anwendung des Imperativs. Vergleiche die Befehle:
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Ist ''das'' der Unterschied, daß die ersten willkürliche, die zweiten unwillkürliche Bewegungen des Geistes sind? Eher kann ich sagen, die Verben der zweiten Gruppe bezeichnen keine Handlungen. (Vergleiche damit den Befehl: »Lache herzlich über diesen Witz!«)
Ist ''das'' der Unterschied, daß die ersten willkürliche, die zweiten unwillkürliche Bewegungen des Geistes sind? Eher kann ich sagen, die Verben der zweiten Gruppe bezeichnen keine Handlungen. (Vergleiche damit den Befehl: »Lache herzlich über diesen Witz!«)


{{ParZ|52}} Kann man jemandem befehlen, einen Satz zu verstehen? Warum kann man einem nicht befehlen: »Versteh das!«? Könnte ich nicht den Befehl »Versteh diesen griechischen Satz!« dadurch befolgen, daß ich Griechisch lernte?——Ähnlich: Man kann sagen »Rufe dir Schmerzen hervor!«, aber nicht »Habe Schmerzen!« Man sagt: »Versetz dich in diesen Zustand!« aber nicht: »Sei in diesem Zustand!«
{{ParZ|52}} Kann man jemandem befehlen, einen Satz zu verstehen? Warum kann man einem nicht befehlen: »Versteh das!«? Könnte ich nicht den Befehl »Versteh diesen griechischen Satz!« dadurch befolgen, daß ich Griechisch lernte? –– Ähnlich: Man kann sagen »Rufe dir Schmerzen hervor!«, aber nicht »Habe Schmerzen!« Man sagt: »Versetz dich in diesen Zustand!« aber nicht: »Sei in diesem Zustand!«


{{ParZ|53}} Ich erwarte jeden Augenblick eine Explosion. Ich bin nicht imstande, einer andern Sache meine volle Aufmerksamkeit zu schenken; schaue in ein Buch, aber ohne zu lesen. Auf die Frage, warum ich zerstreut oder nervös scheine, sage ich, ich erwarte en Augenblick die Explosion.—Wie war es nun: Beschrieb dieser Satz eben jenes Verhalten? Aber wie unterscheidet sich dann der Vorgang des Erwartens der Explosion vom Vorgang des Erwartens eines ganz andern Ereignisses, z. B. eines bestimmten Signals? Und wie unterscheidet sich die Erwartung ''eines'' Signals von der Erwartung eines um weniges verschiedenen Signals? Oder war meine Handlungsweise nur Nebenerscheinung der eigentlichen Erwartung, und diese ein besonderer geistiger Vorgang? Und war dieser Vorgang homogen oder gegliedert wie ein Satz (mit ''internen'' Anfang und Ende)? Wie weiß aber der, in dem er vorgeht, welches Ereignisses Erwartung der Vorgang ist? Er scheint nämlich nicht darüber im Ungewissen. Es ist nicht, als konstatierte er einen seelischen oder andern Zustand und machte eine Vermutung über dessen Ursache. Er mag wohl sagen »Ich weiß nicht, ist es nur diese Erwartung, die mich heute so unruhig mache«, aber er wird nicht sagen: »Ich weiß nicht, ist dieser Seelenzustand, in dem ich jetzt bin, die Erwartung einer Explosion, oder von etwas Anderm.«
{{ParZ|53}} Ich erwarte jeden Augenblick eine Explosion. Ich bin nicht imstande, einer andern Sache meine volle Aufmerksamkeit zu schenken; schaue in ein Buch, aber ohne zu lesen. Auf die Frage, warum ich zerstreut oder nervös scheine, sage ich, ich erwarte en Augenblick die Explosion. – Wie war es nun: Beschrieb dieser Satz eben jenes Verhalten? Aber wie unterscheidet sich dann der Vorgang des Erwartens der Explosion vom Vorgang des Erwartens eines ganz andern Ereignisses, z. B. eines bestimmten Signals? Und wie unterscheidet sich die Erwartung ''eines'' Signals von der Erwartung eines um weniges verschiedenen Signals? Oder war meine Handlungsweise nur Nebenerscheinung der eigentlichen Erwartung, und diese ein besonderer geistiger Vorgang? Und war dieser Vorgang homogen oder gegliedert wie ein Satz (mit ''internen'' Anfang und Ende)? Wie weiß aber der, in dem er vorgeht, welches Ereignisses Erwartung der Vorgang ist? Er scheint nämlich nicht darüber im Ungewissen. Es ist nicht, als konstatierte er einen seelischen oder andern Zustand und machte eine Vermutung über dessen Ursache. Er mag wohl sagen »Ich weiß nicht, ist es nur diese Erwartung, die mich heute so unruhig mache«, aber er wird nicht sagen: »Ich weiß nicht, ist dieser Seelenzustand, in dem ich jetzt bin, die Erwartung einer Explosion, oder von etwas Anderm.«


Die Aussage »Ich erwarte jeden Moment einen Knall« ist eine ''Äußerung'' der Erwartung. Diese Wortreaktion ist der Ausschlag des Zeigers, der den Gegenstand der Erwartung anzeigt.
Die Aussage »Ich erwarte jeden Moment einen Knall« ist eine ''Äußerung'' der Erwartung. Diese Wortreaktion ist der Ausschlag des Zeigers, der den Gegenstand der Erwartung anzeigt.
Line 215: Line 215:
{{ParZ|55}} Wie alles Metaphysische ist die Harmonie zwischen Gedanken und Wirklichkeit in der Grammatik der Sprache aufzufinden.
{{ParZ|55}} Wie alles Metaphysische ist die Harmonie zwischen Gedanken und Wirklichkeit in der Grammatik der Sprache aufzufinden.


{{ParZ|56}} Mein Gedanke ist hier: Wenn Einer die Erwartung selbst sehen könnte—er müßte sehen, ''was'' erwartet wird. (So aber, daß es nicht noch einer Projektionsmethode, Vergleichsmethode bedürfte, um von dem, was er sieht, zu der Tatsache zu kommen, die erwartet wird.)
{{ParZ|56}} Mein Gedanke ist hier: Wenn Einer die Erwartung selbst sehen könnte – er müßte sehen, ''was'' erwartet wird. (So aber, daß es nicht noch einer Projektionsmethode, Vergleichsmethode bedürfte, um von dem, was er sieht, zu der Tatsache zu kommen, die erwartet wird.)


Aber so ist es ja auch: Wer den Ausdruck der Erwartung sieht, sieht, ›was erwartet wird‹.
Aber so ist es ja auch: Wer den Ausdruck der Erwartung sieht, sieht, ›was erwartet wird‹.
Line 221: Line 221:
{{ParZ|57}} Der Gedanke, daß uns erst das Finden zeigt, was wir gesucht, erst die Erfüllung des Wunsches, was wir gewünscht haben, heißt, den Vorgang so beurteilen, wie die Symptome der Erwartung oder des Suchens bei einem Andern. Ich sehe ihn unruhig in seinem Zimmer auf und ab gehen; da kommt jemand zur Tür herein, und er wird ruhig und gibt Zeichen der Befriedigung. Und nun sage ich »Er hat offenbar diesen Menschen erwartet«.
{{ParZ|57}} Der Gedanke, daß uns erst das Finden zeigt, was wir gesucht, erst die Erfüllung des Wunsches, was wir gewünscht haben, heißt, den Vorgang so beurteilen, wie die Symptome der Erwartung oder des Suchens bei einem Andern. Ich sehe ihn unruhig in seinem Zimmer auf und ab gehen; da kommt jemand zur Tür herein, und er wird ruhig und gibt Zeichen der Befriedigung. Und nun sage ich »Er hat offenbar diesen Menschen erwartet«.


{{ParZ|58}} Wir sagen, der Ausdruck der Erwartung ›beschreibe‹ die erwartete Tatsache und denken an sie, wie an einen Gegenstand oder Komplex, der als Erfüllung der Erwartung in die Erscheinung tritt.—Aber der Erwartete ist nicht die Erfüllung, sondern: daß er kommt.
{{ParZ|58}} Wir sagen, der Ausdruck der Erwartung ›beschreibe‹ die erwartete Tatsache und denken an sie, wie an einen Gegenstand oder Komplex, der als Erfüllung der Erwartung in die Erscheinung tritt. – Aber der Erwartete ist nicht die Erfüllung, sondern: daß er kommt.


Der Fehler ist tief in unserer Sprache verankert: Wir sagen »ich erwarte ihn« und »ich erwarte sein Kommen« und »ich erwarte, daß er kommt«.
Der Fehler ist tief in unserer Sprache verankert: Wir sagen »ich erwarte ihn« und »ich erwarte sein Kommen« und »ich erwarte, daß er kommt«.


{{ParZ|59}} Es ist uns schwer, von dem Vergleich loszukommen: Der Mensch tritt ein—das Ereignis tritt ein. Als wäre das Ereignis schon vorgebildet vor der Tür der Wirklichkeit und würde nun in diese (wie in ein Zimmer) eintreten.
{{ParZ|59}} Es ist uns schwer, von dem Vergleich loszukommen: Der Mensch tritt ein – das Ereignis tritt ein. Als wäre das Ereignis schon vorgebildet vor der Tür der Wirklichkeit und würde nun in diese (wie in ein Zimmer) eintreten.


{{ParZ|60}} Die Realität ist keine Eigenschaft, die dem Erwarteten noch fehlt, und die nun hinzutritt, wenn die Erwartung eintritt.—Die Realität ist auch nicht wie das Tageslicht, das den Dingen erst Farbe gibt, wenn sie im Dunkeln schon gleichsam farblos vorhanden sind.
{{ParZ|60}} Die Realität ist keine Eigenschaft, die dem Erwarteten noch fehlt, und die nun hinzutritt, wenn die Erwartung eintritt. – Die Realität ist auch nicht wie das Tageslicht, das den Dingen erst Farbe gibt, wenn sie im Dunkeln schon gleichsam farblos vorhanden sind.


{{ParZ|61}} Man kann vom Träger eines Namens sagen, daß er nicht existiert; und das ist natürlich keine Tätigkeit, obwohl man es mit einer vergleichen könnte und sagen: er müsse doch dabei sein, wenn er nicht existiert. (Und das ist von einem Philosophen bestimmt schon einmal geschrieben worden.)
{{ParZ|61}} Man kann vom Träger eines Namens sagen, daß er nicht existiert; und das ist natürlich keine Tätigkeit, obwohl man es mit einer vergleichen könnte und sagen: er müsse doch dabei sein, wenn er nicht existiert. (Und das ist von einem Philosophen bestimmt schon einmal geschrieben worden.)
Line 235: Line 235:
{{ParZ|63}} Mancher wird vielleicht sagen wollen »Die Erwartung ist ein Gedanke.« Das entspricht offenbar einem Gebrauch des Wortes »erwarten«. Und wir wollen uns nur erinnern, daß der Vorgang des Gedankens ''sehr verschiedenerlei'' sein kann.
{{ParZ|63}} Mancher wird vielleicht sagen wollen »Die Erwartung ist ein Gedanke.« Das entspricht offenbar einem Gebrauch des Wortes »erwarten«. Und wir wollen uns nur erinnern, daß der Vorgang des Gedankens ''sehr verschiedenerlei'' sein kann.


{{ParZ|64}} Ich pfeife, und jemand fragt mich, warum ich guter Dinge bin. Ich antworte, »Ich hoffe, N wird heute kommen.«—Aber während ich pfiff, dachte ich nicht an ihn. Und doch wäre es falsch zu sagen: ich hätte aufgehört zu hoffen, als ich zu pfeifen anfing.
{{ParZ|64}} Ich pfeife, und jemand fragt mich, warum ich guter Dinge bin. Ich antworte, »Ich hoffe, N wird heute kommen.« – Aber während ich pfiff, dachte ich nicht an ihn. Und doch wäre es falsch zu sagen: ich hätte aufgehört zu hoffen, als ich zu pfeifen anfing.


{{ParZ|65}} Wenn ich sage »Ich erwarte .....«—ist das die Feststellung: die Situation, meine Handlungen, Gedanken etc. seien die des Erwartens dieses Ereignisses; oder gehören die Worte »Ich erwarte .....« zum Vorgang des Erwartens ?
{{ParZ|65}} Wenn ich sage »Ich erwarte .....« – ist das die Feststellung: die Situation, meine Handlungen, Gedanken etc. seien die des Erwartens dieses Ereignisses; oder gehören die Worte »Ich erwarte .....« zum Vorgang des Erwartens ?


Unter gewissen Umständen werden diese Worte heißen (ersetzt werden können durch) »Ich glaube, das und das wird eintreten«. Manchmal auch: »Mach dich darauf gefaßt, daß .....«
Unter gewissen Umständen werden diese Worte heißen (ersetzt werden können durch) »Ich glaube, das und das wird eintreten«. Manchmal auch: »Mach dich darauf gefaßt, daß .....«


{{ParZ|66}} Die psychologischen—trivialen—Erörterungen über Erwartung, Assoziation u.s.w., lassen immer das eigentlich Merkwürdige aus, und man merkt ihnen an, daß sie herumreden, ohne den springenden Punkt zu berühren.
{{ParZ|66}} Die psychologischen – trivialen – Erörterungen über Erwartung, Assoziation u.s.w., lassen immer das eigentlich Merkwürdige aus, und man merkt ihnen an, daß sie herumreden, ohne den springenden Punkt zu berühren.


{{ParZ|67}} Eine Erwartung ist in einer Situation eingebettet, aus der sie entspringt. Die Erwartung einer Explosion kann z.B. aus einer Situation entspringen, in der eine Explosion ''zu erwarten ist''. Der sie erwartet, hatte zwei Leute flüstern hören: »Morgen um zehn Uhr wird die Lunte angebrannt«. Dann denkt er: vielleicht will jemand hier ein Haus in die Luft sprengen. Gegen zehn Uhr wird er unruhig, fährt bei jedem Lärm zusammen, und endlich antwortet er auf die Frage, warum er nervös sei: »Ich erwarte ....«. Diese Antwort wird z. B. sein Benehmen verständlich machen. Sie wird uns auch in den Stand setzen, uns seine Gedanken und Gefühle auszumalen.
{{ParZ|67}} Eine Erwartung ist in einer Situation eingebettet, aus der sie entspringt. Die Erwartung einer Explosion kann z.B. aus einer Situation entspringen, in der eine Explosion ''zu erwarten ist''. Der sie erwartet, hatte zwei Leute flüstern hören: »Morgen um zehn Uhr wird die Lunte angebrannt«. Dann denkt er: vielleicht will jemand hier ein Haus in die Luft sprengen. Gegen zehn Uhr wird er unruhig, fährt bei jedem Lärm zusammen, und endlich antwortet er auf die Frage, warum er nervös sei: »Ich erwarte ....«. Diese Antwort wird z. B. sein Benehmen verständlich machen. Sie wird uns auch in den Stand setzen, uns seine Gedanken und Gefühle auszumalen.
Line 247: Line 247:
{{ParZ|68}} Die Erfüllung der Erwartung besteht nicht darin, daß ein Drittes geschieht, das man, außer eben als »die Erfüllung dieser Erwartung« auch noch anders beschreiben könnte, also z. B. als ein Gefühl der Befriedigung oder der Freude oder wie immer. Die Erwartung, daß etwas der Fall sein wird, ist das Gleiche, wie die Erwartung der Erfüllung jener Erwartung. [''Randbemerkung:'' Erwartung dessen was nicht ist.]
{{ParZ|68}} Die Erfüllung der Erwartung besteht nicht darin, daß ein Drittes geschieht, das man, außer eben als »die Erfüllung dieser Erwartung« auch noch anders beschreiben könnte, also z. B. als ein Gefühl der Befriedigung oder der Freude oder wie immer. Die Erwartung, daß etwas der Fall sein wird, ist das Gleiche, wie die Erwartung der Erfüllung jener Erwartung. [''Randbemerkung:'' Erwartung dessen was nicht ist.]


{{ParZ|69}} Sokrates zu Theaitetos: »Und wer vorstellt, sollte nicht ''etwas'' vorstellen?«—Th.: »Notwendig«.—Sok.: »Und wer etwas vorstellt, nichts Wirkliches?«—Th.: »So scheint es.«
{{ParZ|69}} Sokrates zu Theaitetos: »Und wer vorstellt, sollte nicht ''etwas'' vorstellen?« – Th.: »Notwendig«. – Sok.: »Und wer etwas vorstellt, nichts Wirkliches?« – Th.: »So scheint es.«


Setzen wir in diesem Argument statt des Wortes »vorstellen« etwa das Wort »töten«, so gibt es eine Regel für den Gebrauch dieses Worts: es hat keinen Sinn zu sagen »Ich töte etwas, was nicht existiert«. Ich kann mir einen Hirsch auf dieser Wiese vorstellen, der nicht da ist, aber keinen töten, der nicht da ist. Und »sich einen Hirsch auf dieser Wiese vorstellen«, heißt: sich vorstellen, daß ein Hirsch da ist. Einen Hirsch töten aber heißt nicht: töten, daß etc. Wenn aber jemand sagt »Damit ich mir einen Hirsch vorstellen kann, muß es ihn doch in einem gewissen Sinne geben«—so ist die Antwort: nein, es muß ihn dazu in keinem Sinne geben. Und wenn geantwortet würde: »Aber die braune Farbe z. B. muß es doch geben, damit ich sie mir vorstellen kann«,—so ist zu sagen: »es gibt die braune Farbe«, heißt überhaupt nichts; außer etwa, daß sie da oder dort als Färbung eines Gegenstands vorhanden ist; und das ist nicht nötig, damit ich mir einen braunen Hirsch vorstellen kann.
Setzen wir in diesem Argument statt des Wortes »vorstellen« etwa das Wort »töten«, so gibt es eine Regel für den Gebrauch dieses Worts: es hat keinen Sinn zu sagen »Ich töte etwas, was nicht existiert«. Ich kann mir einen Hirsch auf dieser Wiese vorstellen, der nicht da ist, aber keinen töten, der nicht da ist. Und »sich einen Hirsch auf dieser Wiese vorstellen«, heißt: sich vorstellen, daß ein Hirsch da ist. Einen Hirsch töten aber heißt nicht: töten, daß etc. Wenn aber jemand sagt »Damit ich mir einen Hirsch vorstellen kann, muß es ihn doch in einem gewissen Sinne geben« – so ist die Antwort: nein, es muß ihn dazu in keinem Sinne geben. Und wenn geantwortet würde: »Aber die braune Farbe z. B. muß es doch geben, damit ich sie mir vorstellen kann«, – so ist zu sagen: »es gibt die braune Farbe«, heißt überhaupt nichts; außer etwa, daß sie da oder dort als Färbung eines Gegenstands vorhanden ist; und das ist nicht nötig, damit ich mir einen braunen Hirsch vorstellen kann.


{{ParZ|70}} Etwas tun können, erscheint wie ein Schatten des wirklichen Tuns, gerade wie der Sinn des Satzes als Schatten einer Tatsache, oder das Verstehen des Befehls als Schatten seiner Ausführung, Im Befehl wirft die Tatsache gleichsam »ihren Schatten schon voraus«. Dieser Schatten aber, was immer er wäre, ist nicht das Ereignis.
{{ParZ|70}} Etwas tun können, erscheint wie ein Schatten des wirklichen Tuns, gerade wie der Sinn des Satzes als Schatten einer Tatsache, oder das Verstehen des Befehls als Schatten seiner Ausführung, Im Befehl wirft die Tatsache gleichsam »ihren Schatten schon voraus«. Dieser Schatten aber, was immer er wäre, ist nicht das Ereignis.
Line 277: Line 277:
{{ParZ|77}} Wie beobachte ich mein Wissen, meine Meinungen? Und andererseits, ein Nachbild, einen Schmerz? Gibt es ein ununterbrochenes Beobachten meiner Fähigkeit die Multiplikation .... auszuführen?
{{ParZ|77}} Wie beobachte ich mein Wissen, meine Meinungen? Und andererseits, ein Nachbild, einen Schmerz? Gibt es ein ununterbrochenes Beobachten meiner Fähigkeit die Multiplikation .... auszuführen?


{{ParZ|78}} Ist »Ich hoffe ....« eine Beschreibung eines Seelenzustandes? Ein Seelenzustand hat eine Dauer. »Ich habe den ganzen Tag gehofft....«, ist also so eine Beschreibung. Sage ich aber einem »Ich hoffe, du kommst«—wie, wenn er mich fragte »Wie lange hoffst du es«? Ist die Antwort: »Ich hoffe, während ich's sage«? Angenommen ich hätte auf diese Frage irgend eine Antwort, wäre sie nicht für den Zweck der Worte »Ich hoffe, du wirst kommen« ganz irrelevant?
{{ParZ|78}} Ist »Ich hoffe ....« eine Beschreibung eines Seelenzustandes? Ein Seelenzustand hat eine Dauer. »Ich habe den ganzen Tag gehofft....«, ist also so eine Beschreibung. Sage ich aber einem »Ich hoffe, du kommst« – wie, wenn er mich fragte »Wie lange hoffst du es«? Ist die Antwort: »Ich hoffe, während ich's sage«? Angenommen ich hätte auf diese Frage irgend eine Antwort, wäre sie nicht für den Zweck der Worte »Ich hoffe, du wirst kommen« ganz irrelevant?


{{ParZ|79}} Man sagt »Ich hoffe, du wirst kommen«, aber nicht »Ich glaube, ich hoffe, du wirst kommen«; wohl aber wäre es möglich zu sagen: »Ich glaube, ich hoffe noch immer, er werde kommen«.
{{ParZ|79}} Man sagt »Ich hoffe, du wirst kommen«, aber nicht »Ich glaube, ich hoffe, du wirst kommen«; wohl aber wäre es möglich zu sagen: »Ich glaube, ich hoffe noch immer, er werde kommen«.
Line 291: Line 291:
{{ParZ|83}} »Aber die Verschiedenheit von Wissen und Hören liegt doch nicht einfach in so einem Merkmal, wie die Art ihrer Dauer. Sie sind doch ganz und gar grundverschieden!« Freilich. Aber man kann eben nicht sagen: »''Wisse'' und ''höre'', und du wirst den Unterschied merken!«
{{ParZ|83}} »Aber die Verschiedenheit von Wissen und Hören liegt doch nicht einfach in so einem Merkmal, wie die Art ihrer Dauer. Sie sind doch ganz und gar grundverschieden!« Freilich. Aber man kann eben nicht sagen: »''Wisse'' und ''höre'', und du wirst den Unterschied merken!«


{{ParZ|84}} »Schmerz ist ein Bewußtseinszustand, Verstehen nicht.«—»Nun, ich ''fühle'' eben das Verstehen nicht.«—Aber diese Erklärung taugt nichts. Es wäre auch keine Erklärung zu sagen: Was man in irgend einem Sinne ''fühlt'', sei ein Bewußtseinszustand. Das hiebe ja nur: Bewußtseinszustand = Gefühl. (Man hätte nur ein Wort durch ein anderes ersetzt.)
{{ParZ|84}} »Schmerz ist ein Bewußtseinszustand, Verstehen nicht.« – »Nun, ich ''fühle'' eben das Verstehen nicht.« – Aber diese Erklärung taugt nichts. Es wäre auch keine Erklärung zu sagen: Was man in irgend einem Sinne ''fühlt'', sei ein Bewußtseinszustand. Das hiebe ja nur: Bewußtseinszustand = Gefühl. (Man hätte nur ein Wort durch ein anderes ersetzt.)


{{ParZ|85}} Man sagt wohl überhaupt kaum, man habe etwas seit gestern »ununterbrochen« geglaubt, verstanden oder beabsichtigt. Eine Unterbrechung des Glaubens wäre eine Zeit des Unglaubens, nicht z. B. die Abwendung der Aufmerksamkeit von dem Geglaubten, z. B. der Schlaf.
{{ParZ|85}} Man sagt wohl überhaupt kaum, man habe etwas seit gestern »ununterbrochen« geglaubt, verstanden oder beabsichtigt. Eine Unterbrechung des Glaubens wäre eine Zeit des Unglaubens, nicht z. B. die Abwendung der Aufmerksamkeit von dem Geglaubten, z. B. der Schlaf.
Line 297: Line 297:
(Unterschied zwischen ›knowing‹ und ›being aware of‹.)
(Unterschied zwischen ›knowing‹ und ›being aware of‹.)


{{ParZ|86}} Das Wichtigste ist hier dies: es besteht ein Unterschied; man merkt den Unterschied ›der ein kategorischer ist‹—ohne sagen zu können, worin er besteht. Das ist der Fall, in dem man gewöhnlich sagt, man erkenne den Unterschied eben durch Introspektion.
{{ParZ|86}} Das Wichtigste ist hier dies: es besteht ein Unterschied; man merkt den Unterschied ›der ein kategorischer ist‹ – ohne sagen zu können, worin er besteht. Das ist der Fall, in dem man gewöhnlich sagt, man erkenne den Unterschied eben durch Introspektion.


{{ParZ|87}} Das ist wohl der Punkt, an dem man sagt, man könne dem ''Andern'' eben nur die Form mitteilen, nicht aber den Inhalt.—So redet man also zu sich selbst ''über den Inhalt''.——Wie ›beziehen‹ sich aber meine Worte auf den mir bewußten Inhalt? und zu welchem Zweck?
{{ParZ|87}} Das ist wohl der Punkt, an dem man sagt, man könne dem ''Andern'' eben nur die Form mitteilen, nicht aber den Inhalt. – So redet man also zu sich selbst ''über den Inhalt''. –– Wie ›beziehen‹ sich aber meine Worte auf den mir bewußten Inhalt? und zu welchem Zweck?


{{ParZ|88}} Es ist sehr merkwürdig, daß die ''Vorgänge'' beim Denken uns so gut wie nie interessieren. Es ist merkwürdig, aber nicht seltsam.
{{ParZ|88}} Es ist sehr merkwürdig, daß die ''Vorgänge'' beim Denken uns so gut wie nie interessieren. Es ist merkwürdig, aber nicht seltsam.
Line 305: Line 305:
{{ParZ|89}} (Gedanken, gleichsam nur Winke.)
{{ParZ|89}} (Gedanken, gleichsam nur Winke.)


Ist es hier nicht wie beim Kunstrechner?—Er hat richtig gerechnet, wenn das Richtige herauskam. Was in ihm vorging, kann er vielleicht selbst nicht sagen. Und hörten wir's, so erschiene es vielleicht wie ein seltsames ''Zerrbild'' einer Rechnung.
Ist es hier nicht wie beim Kunstrechner? – Er hat richtig gerechnet, wenn das Richtige herauskam. Was in ihm vorging, kann er vielleicht selbst nicht sagen. Und hörten wir's, so erschiene es vielleicht wie ein seltsames ''Zerrbild'' einer Rechnung.


{{ParZ|90}} Was weiß ich von den inneren Vorgängen Eines, der mit Aufmerksamkeit einen Satz liest? Und kann er mir sie beschreiben, nachdem er's getan hat; und ist, was er etwa beschreibt, eben der charakteristische Vorgang der Aufmerksamkeit?
{{ParZ|90}} Was weiß ich von den inneren Vorgängen Eines, der mit Aufmerksamkeit einen Satz liest? Und kann er mir sie beschreiben, nachdem er's getan hat; und ist, was er etwa beschreibt, eben der charakteristische Vorgang der Aufmerksamkeit?


{{ParZ|91}} Frage: Welche Wirkung will ich erzielen, wenn ich Einem sage »Lies aufmerksam!«? Etwa, daß ihm das und jenes auffällt, er davon berichten kann.—Wieder könnte man, glaube ich, sagen, daß, wer einen Satz mit Aufmerksamkeit liest, oft von Vorgängen in seinem Geist, Vorstellungen etwa, wird berichten können. Aber das heißt nicht, daß diese Vorgänge »Aufmerksamkeit« hießen.
{{ParZ|91}} Frage: Welche Wirkung will ich erzielen, wenn ich Einem sage »Lies aufmerksam!«? Etwa, daß ihm das und jenes auffällt, er davon berichten kann. – Wieder könnte man, glaube ich, sagen, daß, wer einen Satz mit Aufmerksamkeit liest, oft von Vorgängen in seinem Geist, Vorstellungen etwa, wird berichten können. Aber das heißt nicht, daß diese Vorgänge »Aufmerksamkeit« hießen.


{{ParZ|92}} »Hast du den Satz denkend gelesen?«—»Ja, ich habe ihn denkend gelesen; jedes Wort war mir wichtig.«
{{ParZ|92}} »Hast du den Satz denkend gelesen?« – »Ja, ich habe ihn denkend gelesen; jedes Wort war mir wichtig.«


Das ist nicht das gewöhnliche Erlebnis. Man hört sich für gewöhnlich nicht halb erstaunt etwas reden; folgt der eigenen Rede nicht mit der Aufmerksamkeit; denn man redet für gewöhnlich eben willkürlich, nicht unwillkürlich.
Das ist nicht das gewöhnliche Erlebnis. Man hört sich für gewöhnlich nicht halb erstaunt etwas reden; folgt der eigenen Rede nicht mit der Aufmerksamkeit; denn man redet für gewöhnlich eben willkürlich, nicht unwillkürlich.


{{ParZ|93}} Wenn ein sonst normaler Mensch unter normalen Umständen ein normales Gespräch führt, und ich gefragt würde, wie sich in so einem Falle der Denkende vom Nichtdenkenden unterschiede,——ich wüßte nicht zu antworten. Und ich könnte ''gewiß nicht'' sagen, daß der Unterschied in etwas liegt, was während des Sprechens vor sich ginge oder nicht vor sich ginge.
{{ParZ|93}} Wenn ein sonst normaler Mensch unter normalen Umständen ein normales Gespräch führt, und ich gefragt würde, wie sich in so einem Falle der Denkende vom Nichtdenkenden unterschiede, –– ich wüßte nicht zu antworten. Und ich könnte ''gewiß nicht'' sagen, daß der Unterschied in etwas liegt, was während des Sprechens vor sich ginge oder nicht vor sich ginge.


{{ParZ|94}} Die Grenzlinie zwischen ›denken‹ und ›nicht denken‹, die hier gezogen würde, liefe zwischen zwei Zuständen, die sich durch nichts einem Spiel der Vorstellungen auch nur Ähnliches unterschieden. (Denn das Spiel der Vorstellungen ist ja doch das Vorbild, wonach man sich das Denken denken möchte.)
{{ParZ|94}} Die Grenzlinie zwischen ›denken‹ und ›nicht denken‹, die hier gezogen würde, liefe zwischen zwei Zuständen, die sich durch nichts einem Spiel der Vorstellungen auch nur Ähnliches unterschieden. (Denn das Spiel der Vorstellungen ist ja doch das Vorbild, wonach man sich das Denken denken möchte.)
Line 331: Line 331:
Was soll ich nun dem antworten? Es ist natürlich wahr, das Leben jener Menschen muß dem unsern in vieler Beziehung gleichen, und ich habe über diese Ähnlichkeiten nichts gesagt. Das Wichtige aber ist, daß ihre Sprache, wie auch ihr Denken, rudimentär sein kann, daß es ein ›primitives Denken‹ gibt, welches durch ein primitives ''Verhalten'' zu beschreiben ist. Die Umgebung ist nicht die ›Denkbegleitung‹ des Sprechens.
Was soll ich nun dem antworten? Es ist natürlich wahr, das Leben jener Menschen muß dem unsern in vieler Beziehung gleichen, und ich habe über diese Ähnlichkeiten nichts gesagt. Das Wichtige aber ist, daß ihre Sprache, wie auch ihr Denken, rudimentär sein kann, daß es ein ›primitives Denken‹ gibt, welches durch ein primitives ''Verhalten'' zu beschreiben ist. Die Umgebung ist nicht die ›Denkbegleitung‹ des Sprechens.


{{ParZ|100}} Denken wir uns, daß einer eine Arbeit verrichtet, in der es ein Vergleichen, Versuchen, Wahlen gibt. Er stellt etwa einen Gebrauchsgegenstand aus gewissen Materialstücken mit gegebenen Werkzeugen her. Immer wieder entsteht das Problem »Soll ich ''dies'' Stück dazu nehmen?«—Das Stück wird verworfen, ein anderes versucht. Stücke werden versuchsweise zusammengestellt, auseinandergenommen; es wird nach einem passenden gesucht etc., etc. Ich denke mir nun diesen ganzen Hergang gefilmt. Der Arbeitende gibt etwa auch Laute von sich, wie »hm« oder »ha!« Sozusagen Laute des Zögerns, des plötzlichen Findens, des Entschlusses, der Zufriedenheit, der Unzufriedenheit. Aber kein Wort wird geredet. Jene Laute mögen im Film aufgenommen werden. Der Film wird mir vorgeführt, und ich erfinde nun ein Selbstgespräch des Arbeitenden, welches zu seiner Arbeitsweise, dem Rhythmus seiner Arbeit, seinem Mienenspiel, seinen Gebärden und Naturlauten paßt, welches all dem entspricht. Ich lasse ihn also manchmal sagen »Nein, das Stück ist zu lang, vielleicht paßt ein anderes besser.«——Oder »Was soll ich jetzt tun?«——»Ich hab's!«——Oder »Das ist ganz gut« etc.
{{ParZ|100}} Denken wir uns, daß einer eine Arbeit verrichtet, in der es ein Vergleichen, Versuchen, Wahlen gibt. Er stellt etwa einen Gebrauchsgegenstand aus gewissen Materialstücken mit gegebenen Werkzeugen her. Immer wieder entsteht das Problem »Soll ich ''dies'' Stück dazu nehmen?« – Das Stück wird verworfen, ein anderes versucht. Stücke werden versuchsweise zusammengestellt, auseinandergenommen; es wird nach einem passenden gesucht etc., etc. Ich denke mir nun diesen ganzen Hergang gefilmt. Der Arbeitende gibt etwa auch Laute von sich, wie »hm« oder »ha!« Sozusagen Laute des Zögerns, des plötzlichen Findens, des Entschlusses, der Zufriedenheit, der Unzufriedenheit. Aber kein Wort wird geredet. Jene Laute mögen im Film aufgenommen werden. Der Film wird mir vorgeführt, und ich erfinde nun ein Selbstgespräch des Arbeitenden, welches zu seiner Arbeitsweise, dem Rhythmus seiner Arbeit, seinem Mienenspiel, seinen Gebärden und Naturlauten paßt, welches all dem entspricht. Ich lasse ihn also manchmal sagen »Nein, das Stück ist zu lang, vielleicht paßt ein anderes besser.« –– Oder »Was soll ich jetzt tun?« –– »Ich hab's!« –– Oder »Das ist ganz gut« etc.


Wenn der Arbeitende reden kann,—wäre es eine Verfälschung des wirklichen Vorgangs, wenn er ihn genau beschriebe und etwa sagte: »Dann dachte ich: Nein, das geht nicht; ich muß es anders versuchen.« u.s.w.—obwohl er während der Arbeit nicht gesprochen und sich auch diese Worte nicht vorgestellt hatte?
Wenn der Arbeitende reden kann, – wäre es eine Verfälschung des wirklichen Vorgangs, wenn er ihn genau beschriebe und etwa sagte: »Dann dachte ich: Nein, das geht nicht; ich muß es anders versuchen.« u.s.w. – obwohl er während der Arbeit nicht gesprochen und sich auch diese Worte nicht vorgestellt hatte?


Ich will sagen: Kann er nicht seine wortlosen Gedanken später in Worten wiedergeben? So zwar, daß wir, die den Arbeitsvorgang sähen, mit dieser Wiedergabe einverstanden sein könnten?—Umsomehr, wenn wir den Mann nicht nur einmal, sondern öfters bei der Arbeit zugesehen hätten?
Ich will sagen: Kann er nicht seine wortlosen Gedanken später in Worten wiedergeben? So zwar, daß wir, die den Arbeitsvorgang sähen, mit dieser Wiedergabe einverstanden sein könnten? – Umsomehr, wenn wir den Mann nicht nur einmal, sondern öfters bei der Arbeit zugesehen hätten?


{{ParZ|101}} Wir könnten natürlich sein ›Denken‹ von der Tätigkeit nicht trennen. Das Denken ist eben keine Begleitung der Arbeit; so wenig wie der denkenden Rede.
{{ParZ|101}} Wir könnten natürlich sein ›Denken‹ von der Tätigkeit nicht trennen. Das Denken ist eben keine Begleitung der Arbeit; so wenig wie der denkenden Rede.
Line 343: Line 343:
{{ParZ|103}} Und wozu sollen wir auch diese Entscheidung fallen?
{{ParZ|103}} Und wozu sollen wir auch diese Entscheidung fallen?


Wir werden einen wichtigen Unterschied machen zwischen Wesen, die eine Arbeit, selbst eine komplizierte, ›mechanisch‹ zu verrichten lernen können und solchen, die bei der Arbeit probieren, vergleichen——Was aber »probieren« und »vergleichen« zu nennen ist, kann ich nur wieder an Beispielen erklären, und diese Beispiele werden unserm Leben oder einem, das dem unsern ähnlich ist, entnommen sein.
Wir werden einen wichtigen Unterschied machen zwischen Wesen, die eine Arbeit, selbst eine komplizierte, ›mechanisch‹ zu verrichten lernen können und solchen, die bei der Arbeit probieren, vergleichen –– Was aber »probieren« und »vergleichen« zu nennen ist, kann ich nur wieder an Beispielen erklären, und diese Beispiele werden unserm Leben oder einem, das dem unsern ähnlich ist, entnommen sein.


{{ParZ|104}} Hat er etwa spielend oder durch Zufall eine Kombination gemacht und verwendet sie nun als Methode, das und jenes zu tun, so werden wir sagen, er denke.—Beim Überlegen würde er Mittel und Wege an seinem geistigen Auge vorbeiziehen lassen. Aber dazu muß er schon welche im Vorrat haben. Das Denken gibt ihm die Möglichkeit zur ''Vervollkommnung'' seiner Methoden. Oder vielmehr: Er ›denkt‹, wenn er in bestimmter Art und Weise seine Methode vervollkommnet. [''Randbemerkung:'' Wie schaut denn das Forschen aus?]
{{ParZ|104}} Hat er etwa spielend oder durch Zufall eine Kombination gemacht und verwendet sie nun als Methode, das und jenes zu tun, so werden wir sagen, er denke. – Beim Überlegen würde er Mittel und Wege an seinem geistigen Auge vorbeiziehen lassen. Aber dazu muß er schon welche im Vorrat haben. Das Denken gibt ihm die Möglichkeit zur ''Vervollkommnung'' seiner Methoden. Oder vielmehr: Er ›denkt‹, wenn er in bestimmter Art und Weise seine Methode vervollkommnet. [''Randbemerkung:'' Wie schaut denn das Forschen aus?]


{{ParZ|105}} Man könnte auch sagen: einer denkt, wenn er in bestimmter Weise ''lernt''.
{{ParZ|105}} Man könnte auch sagen: einer denkt, wenn er in bestimmter Weise ''lernt''.
Line 377: Line 377:
{{ParZ|117}} Man lernt es etwa nur vom Menschen sagen, es von ihm behaupten oder leugnen. Die Frage »Denkt ein Fisch?« existiert unter seinen Sprachanwendungen nicht, ''wird nicht gestellt''. (Was kann natürlicher sein, als so ein Zustand, so eine Sprachverwendung?)
{{ParZ|117}} Man lernt es etwa nur vom Menschen sagen, es von ihm behaupten oder leugnen. Die Frage »Denkt ein Fisch?« existiert unter seinen Sprachanwendungen nicht, ''wird nicht gestellt''. (Was kann natürlicher sein, als so ein Zustand, so eine Sprachverwendung?)


{{ParZ|118}} »An ''diesen'' Fall hat niemand gedacht«—kann man sagen. Ich kann zwar nicht die Bedingungen aufzählen, unter denen das Wort »denken« zu gebrauchen ist,—aber, wenn ein Umstand den Gebrauch zweifelhaft macht, so kann ich's sagen und auch, ''wie'' die Lage von der gewöhnlichen abweicht.
{{ParZ|118}} »An ''diesen'' Fall hat niemand gedacht« – kann man sagen. Ich kann zwar nicht die Bedingungen aufzählen, unter denen das Wort »denken« zu gebrauchen ist, – aber, wenn ein Umstand den Gebrauch zweifelhaft macht, so kann ich's sagen und auch, ''wie'' die Lage von der gewöhnlichen abweicht.


{{ParZ|119}} Wenn ich in einem bestimmten Zimmer eine bestimmte Tätigkeit auszuführen gelernt habe (das Aufräumen des Zimmers etwa) und diese Technik beherrsche, so folgt doch nicht, daß ich bereit sein müsse, die Einrichtung des Zimmers zu beschreiben; auch wenn ich jede Veränderung in ihr gleich merken würde und auch sofort beschreiben könnte.
{{ParZ|119}} Wenn ich in einem bestimmten Zimmer eine bestimmte Tätigkeit auszuführen gelernt habe (das Aufräumen des Zimmers etwa) und diese Technik beherrsche, so folgt doch nicht, daß ich bereit sein müsse, die Einrichtung des Zimmers zu beschreiben; auch wenn ich jede Veränderung in ihr gleich merken würde und auch sofort beschreiben könnte.
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{{ParZ|120}} »Dieses Gesetz wurde nicht in Voraussicht solcher Fälle gegeben.« Ist es darum sinnlos?
{{ParZ|120}} »Dieses Gesetz wurde nicht in Voraussicht solcher Fälle gegeben.« Ist es darum sinnlos?


{{ParZ|121}} Es wäre doch sehr wohl denkbar, daß einer sich genau in einer Stadt auskennt, d. h., von jedem Ort der Stadt zu jedem andern mit Sicherheit den kürzesten Weg fände,—und dennoch ganz außer Stande wäre, einen Plan der Stadt zu zeichnen. Daß er, sobald er es versucht, nur ''gänzlich Falsches'' hervorbringt. (Unser Begriff vom ›Instinkt‹.)
{{ParZ|121}} Es wäre doch sehr wohl denkbar, daß einer sich genau in einer Stadt auskennt, d. h., von jedem Ort der Stadt zu jedem andern mit Sicherheit den kürzesten Weg fände, – und dennoch ganz außer Stande wäre, einen Plan der Stadt zu zeichnen. Daß er, sobald er es versucht, nur ''gänzlich Falsches'' hervorbringt. (Unser Begriff vom ›Instinkt‹.)


{{ParZ|122}} Bedenke, unsere Sprache könnte verschiedene Wörter besitzen: fürs ›laute Denken‹; fürs denkende Selbstgespräch in der Vorstellung; fürs Innehalten, wobei irgend etwas uns vorschwebt, woraufhin wir aber die Antwort mit Sicherheit geben können.
{{ParZ|122}} Bedenke, unsere Sprache könnte verschiedene Wörter besitzen: fürs ›laute Denken‹; fürs denkende Selbstgespräch in der Vorstellung; fürs Innehalten, wobei irgend etwas uns vorschwebt, woraufhin wir aber die Antwort mit Sicherheit geben können.
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Ein Wort für den Gedanken, der im Satz ausgedrückt ist; eines für den Gedankenblitz, den ich später ›in Worte kleiden‹ kann, eines für das denkende Arbeiten ohne Worte.
Ein Wort für den Gedanken, der im Satz ausgedrückt ist; eines für den Gedankenblitz, den ich später ›in Worte kleiden‹ kann, eines für das denkende Arbeiten ohne Worte.


{{ParZ|123}} »Denken ist eine geistige Tätigkeit.«——Denken ist ''keine'' körperliche Tätigkeit. Ist Denken eine Tätigkeit? Nun, man kann einem befehlen »denk darüber nach!«. Wenn aber einer in Befolgung dieses Befehls zu sich selbst oder auch zum Andern spricht, verrichtet er da zwei Tätigkeiten?
{{ParZ|123}} »Denken ist eine geistige Tätigkeit.« –– Denken ist ''keine'' körperliche Tätigkeit. Ist Denken eine Tätigkeit? Nun, man kann einem befehlen »denk darüber nach!«. Wenn aber einer in Befolgung dieses Befehls zu sich selbst oder auch zum Andern spricht, verrichtet er da zwei Tätigkeiten?


{{ParZ|124}} Die Anteilnahme an dem Gesprochenen hat ihre spezifischen Zeichen. Sie hat auch ihre spezifischen Folgen und Vorbedingungen. Die Anteilnahme ist ein Erlebtes: man sagt sie von sich selbst, nicht auf Grund einer Beobachtung, aus. Sie ist keine Begleitung des Gesprochenen. Wodurch wäre, was den Satz begleitet, eine Anteilnahme am Inhalt dieses Satzes? (Logische Bedingung.)
{{ParZ|124}} Die Anteilnahme an dem Gesprochenen hat ihre spezifischen Zeichen. Sie hat auch ihre spezifischen Folgen und Vorbedingungen. Die Anteilnahme ist ein Erlebtes: man sagt sie von sich selbst, nicht auf Grund einer Beobachtung, aus. Sie ist keine Begleitung des Gesprochenen. Wodurch wäre, was den Satz begleitet, eine Anteilnahme am Inhalt dieses Satzes? (Logische Bedingung.)


{{ParZ|125}} Vergleiche das Phänomen des Denkens mit dem Phänomen des Brennens! Kann nicht das Brennen, die Flamme uns rätselhaft erscheinen? Und warum die Flamme mehr als der Tisch?——Und wie klärst du dieses Rätsel auf?
{{ParZ|125}} Vergleiche das Phänomen des Denkens mit dem Phänomen des Brennens! Kann nicht das Brennen, die Flamme uns rätselhaft erscheinen? Und warum die Flamme mehr als der Tisch? –– Und wie klärst du dieses Rätsel auf?


Und wie soll nun das Rätsel des Denkens aufgelöst werden?—Wie das der Flamme?
Und wie soll nun das Rätsel des Denkens aufgelöst werden? – Wie das der Flamme?


{{ParZ|126}} Ist die Flamme nicht rätselhaft, weil sie ungreifbar ist? Wohl—aber warum macht sie das rätselhaft? Warum soll das Ungreifbare rätselhafter sein, als das Greifbare? Außer, weil wir es greifen ''wollen''.
{{ParZ|126}} Ist die Flamme nicht rätselhaft, weil sie ungreifbar ist? Wohl – aber warum macht sie das rätselhaft? Warum soll das Ungreifbare rätselhafter sein, als das Greifbare? Außer, weil wir es greifen ''wollen''.


{{ParZ|127}} Man sagt, die Seele ''verläßt'' den Körper. Um ihr dann aber jede Ähnlichkeit mit dem Körper zu nehmen, und damit man beileibe nicht denkt, es sei irgend ein gasförmiges Ding gemeint, sagt man, die Seele ist unkörperlich, unräumlich; aber mit dem Worte »verläßt« hat man schon alles gesagt. Zeige mir, wie du das Wort »seelisch« gebrauchst, und ich werde sehen, ob die Seele »unkörperlich« ist, und was du unter »Geist« verstehst.
{{ParZ|127}} Man sagt, die Seele ''verläßt'' den Körper. Um ihr dann aber jede Ähnlichkeit mit dem Körper zu nehmen, und damit man beileibe nicht denkt, es sei irgend ein gasförmiges Ding gemeint, sagt man, die Seele ist unkörperlich, unräumlich; aber mit dem Worte »verläßt« hat man schon alles gesagt. Zeige mir, wie du das Wort »seelisch« gebrauchst, und ich werde sehen, ob die Seele »unkörperlich« ist, und was du unter »Geist« verstehst.
Line 415: Line 415:
{{ParZ|133}} Also z. B.: »Wenn ''immer'' falsch gezogen worden wäre, so hätte es keinen Sinn, von einem ›falschen Zug‹ zu reden.« Aber das ist nur eine paradoxe Form, es zu sagen. Die nicht-paradoxe Form wäre: »Die allgemeine Beschreibung ..... hat keinen Sinn.«
{{ParZ|133}} Also z. B.: »Wenn ''immer'' falsch gezogen worden wäre, so hätte es keinen Sinn, von einem ›falschen Zug‹ zu reden.« Aber das ist nur eine paradoxe Form, es zu sagen. Die nicht-paradoxe Form wäre: »Die allgemeine Beschreibung ..... hat keinen Sinn.«


{{ParZ|134}} Statt »man kann nicht«, sage: »es gibt in diesem Spiel nicht«. Statt »man kann im Damespiel nicht rochieren«—»es gibt im Damespiel kein Rochieren«; statt »ich kann meine Empfindung nicht vorzeigen«—»es gibt in der Verwendung des Wortes ›Empfindung‹ kein Vorzeigen dessen, was man har«; statt »man kann nicht alle Kardinalzahlen aufzählen«—»es gibt hier kein Aufzählen aller Glieder«.
{{ParZ|134}} Statt »man kann nicht«, sage: »es gibt in diesem Spiel nicht«. Statt »man kann im Damespiel nicht rochieren« – »es gibt im Damespiel kein Rochieren«; statt »ich kann meine Empfindung nicht vorzeigen« – »es gibt in der Verwendung des Wortes ›Empfindung‹ kein Vorzeigen dessen, was man har«; statt »man kann nicht alle Kardinalzahlen aufzählen« – »es gibt hier kein Aufzählen aller Glieder«.


{{ParZ|135}} Das Gespräch, die Anwendung und Ausdeutung der Worte fließt dahin, und nur im Fluß hat das Wort seine Bedeutung.
{{ParZ|135}} Das Gespräch, die Anwendung und Ausdeutung der Worte fließt dahin, und nur im Fluß hat das Wort seine Bedeutung.


»Er ist abgereist.«—»Warum?«—Was meintest du, als du das Wort »warum« aussprachst? Woran ''dachtest'' du?
»Er ist abgereist.« – »Warum?« – Was meintest du, als du das Wort »warum« aussprachst? Woran ''dachtest'' du?


{{ParZ|136}} Denk ans Aufzeigen in der Schule. Muß einer sich die Antwort im Stillen vorgesagt haben, um mit Recht aufzeigen zu können? Und ''was'' muß in ihm dazu vorgegangen sein?—Nichts. Aber es ist wichtig, daß er für gewöhnlich eine Antwort wisse, wenn er aufzeigt; und das ist das Kriterium dafür, daß er das Aufzeigen ''versteht''.
{{ParZ|136}} Denk ans Aufzeigen in der Schule. Muß einer sich die Antwort im Stillen vorgesagt haben, um mit Recht aufzeigen zu können? Und ''was'' muß in ihm dazu vorgegangen sein? – Nichts. Aber es ist wichtig, daß er für gewöhnlich eine Antwort wisse, wenn er aufzeigt; und das ist das Kriterium dafür, daß er das Aufzeigen ''versteht''.


Es muß nichts in ihm vorgegangen sein; und doch wäre der merkwürdig, der in so einem Falle nie etwas über innere Vorgänge zu berichten wüßte.
Es muß nichts in ihm vorgegangen sein; und doch wäre der merkwürdig, der in so einem Falle nie etwas über innere Vorgänge zu berichten wüßte.
Line 427: Line 427:
{{ParZ|137}} Manchmal, wenn ich sage »Ich dachte damals .....«, kann ich berichten, daß ich mir eben diese Worte laut oder im Stillen gesagt hatte; oder wenn nicht diese, so andere Worte, wovon die gegenwärtigen eine sinngemäße Wiedergabe sind. Das kommt doch manchmal vor! Aber eben auch dies, daß meine gegenwärtigen Worte ›nicht eine ''Wiedergabe''‹ sind. Denn ›Wiedergabe‹ sind sie nur, wenn sie es nach Regeln der Abbildung sind.
{{ParZ|137}} Manchmal, wenn ich sage »Ich dachte damals .....«, kann ich berichten, daß ich mir eben diese Worte laut oder im Stillen gesagt hatte; oder wenn nicht diese, so andere Worte, wovon die gegenwärtigen eine sinngemäße Wiedergabe sind. Das kommt doch manchmal vor! Aber eben auch dies, daß meine gegenwärtigen Worte ›nicht eine ''Wiedergabe''‹ sind. Denn ›Wiedergabe‹ sind sie nur, wenn sie es nach Regeln der Abbildung sind.


{{ParZ|138}} Es scheint so, als wäre in einem Satz, der z. B. das Wort »Kugel« enthält, schon der Schatten anderer Verwendungen dieses Worts enthalten. Nämlich eben die ''Möglichkeit'', jene andern Sätze zu bilden.—Wem scheint es so? und unter welchen Umständen?
{{ParZ|138}} Es scheint so, als wäre in einem Satz, der z. B. das Wort »Kugel« enthält, schon der Schatten anderer Verwendungen dieses Worts enthalten. Nämlich eben die ''Möglichkeit'', jene andern Sätze zu bilden. – Wem scheint es so? und unter welchen Umständen?


{{ParZ|139}} Man kommt nicht davon weg, daß der Sinn des Satzes den Satz begleitet; bei dem Satz steht.
{{ParZ|139}} Man kommt nicht davon weg, daß der Sinn des Satzes den Satz begleitet; bei dem Satz steht.
Line 433: Line 433:
{{ParZ|140}} Man will etwa sagen: »Die eine Verneinung ''tut'' dasselbe mit dem Satz, wie die andere, sie schließt, was er beschreibt, aus.« Aber das sind nur andere Worte für eine Gleichsetzung der beiden negativen Sätze (welche nur gilt, wenn der verneinte Satz nicht selbst ein negativer Satz ist). Immer wieder der Gedanke, daß, was wir vom Zeichen sehen, nur eine Außenseite zu einem Innern ist, worin sich die eigentlichen Operationen des Sinnes und der Bedeutung abspielen.
{{ParZ|140}} Man will etwa sagen: »Die eine Verneinung ''tut'' dasselbe mit dem Satz, wie die andere, sie schließt, was er beschreibt, aus.« Aber das sind nur andere Worte für eine Gleichsetzung der beiden negativen Sätze (welche nur gilt, wenn der verneinte Satz nicht selbst ein negativer Satz ist). Immer wieder der Gedanke, daß, was wir vom Zeichen sehen, nur eine Außenseite zu einem Innern ist, worin sich die eigentlichen Operationen des Sinnes und der Bedeutung abspielen.


{{ParZ|141}} Unser Problem könnte man (sehr klar) so stellen: Angenommen, wir hätten zwei Systeme der Längenmessung: eine Länge wird in beiden durch ein Zahlzeichen ausgedrückt, diesem folgt ein Wort, das das Maß angibt. Das eine System bezeichnet eine Länge als »n Fuß«, und Fuß ist eine Längeneinheit im gewöhnlichen Sinne; im andern System wird eine Länge mit »n W« bezeichnet und 1 Fuß = 1 W. Aber 2 W = 4 Fuß, 3 W = 9 Fuß u.s.w.—Also heißt der Satz »Dieser Stock ist 1 W lang« dasselbe wie »Dieser Stock ist 1 Fuß lang«. Frage: Hat in diesen beiden Sätzen »W« und »Fuß« dieselbe Bedeutung?
{{ParZ|141}} Unser Problem könnte man (sehr klar) so stellen: Angenommen, wir hätten zwei Systeme der Längenmessung: eine Länge wird in beiden durch ein Zahlzeichen ausgedrückt, diesem folgt ein Wort, das das Maß angibt. Das eine System bezeichnet eine Länge als »n Fuß«, und Fuß ist eine Längeneinheit im gewöhnlichen Sinne; im andern System wird eine Länge mit »n W« bezeichnet und 1 Fuß = 1 W. Aber 2 W = 4 Fuß, 3 W = 9 Fuß u.s.w. – Also heißt der Satz »Dieser Stock ist 1 W lang« dasselbe wie »Dieser Stock ist 1 Fuß lang«. Frage: Hat in diesen beiden Sätzen »W« und »Fuß« dieselbe Bedeutung?


{{ParZ|142}} Die Frage ist falsch gestellt. Das sieht man, wenn wir die Bedeutungsgleichheit durch eine Gleichung ausdrücken. Die Frage kann nur lauten: »Ist W = Fuß oder nicht?«—Von den Sätzen, in denen diese Zeichen stehen, ist hier nicht die Rede.—Ebenso wenig kann man natürlich in dieser Terminologie fragen, ob »ist« hier das Gleiche bedeutet, wie »ist« dort; wohl aber, ob die Kopula das Gleiche bedeutet, wie das Gleichheitszeichen. Nun, wir sagten ja: 1 Fuß = 1 W; aber Fuß ≠ W.
{{ParZ|142}} Die Frage ist falsch gestellt. Das sieht man, wenn wir die Bedeutungsgleichheit durch eine Gleichung ausdrücken. Die Frage kann nur lauten: »Ist W = Fuß oder nicht?« – Von den Sätzen, in denen diese Zeichen stehen, ist hier nicht die Rede. – Ebenso wenig kann man natürlich in dieser Terminologie fragen, ob »ist« hier das Gleiche bedeutet, wie »ist« dort; wohl aber, ob die Kopula das Gleiche bedeutet, wie das Gleichheitszeichen. Nun, wir sagten ja: 1 Fuß = 1 W; aber Fuß ≠ W.


{{ParZ|143}} Man könnte sagen: in allen Fällen meint man mit »Gedanke« das ''Lebende'' am Satz. Das, ohne welches er tot, eine bloße Lautfolge oder Folge geschriebener Figuren ist.
{{ParZ|143}} Man könnte sagen: in allen Fällen meint man mit »Gedanke« das ''Lebende'' am Satz. Das, ohne welches er tot, eine bloße Lautfolge oder Folge geschriebener Figuren ist.


Wenn ich aber ebenso von einem Etwas spräche, welches einer Konfiguration von Schachfiguren Bedeutung gibt, d. h., sie von einer beliebigen Zusammenstellung von Holzklötzchen unterscheidet,—was könnte ich da nicht alles meinen? Die Regeln, die die Schachkonfiguration zu einer Situation eines Spiels machen; die besondern Erlebnisse, die wir mit solchen Spielstellungen verbinden; den Nutzen des Spiels.
Wenn ich aber ebenso von einem Etwas spräche, welches einer Konfiguration von Schachfiguren Bedeutung gibt, d. h., sie von einer beliebigen Zusammenstellung von Holzklötzchen unterscheidet, – was könnte ich da nicht alles meinen? Die Regeln, die die Schachkonfiguration zu einer Situation eines Spiels machen; die besondern Erlebnisse, die wir mit solchen Spielstellungen verbinden; den Nutzen des Spiels.


Oder wenn wir von einem Etwas sprachen, welches das Papiergeld von bloßen bedruckten Zetteln unterscheidet und ihm seine Bedeutung, sein Leben gibt!
Oder wenn wir von einem Etwas sprachen, welches das Papiergeld von bloßen bedruckten Zetteln unterscheidet und ihm seine Bedeutung, sein Leben gibt!
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{{ParZ|156}} Gibt es ''einen'' Unterschied der Bedeutung, der sich erklären läßt und einen, der in einer Erklärung nicht zu Tage tritt?
{{ParZ|156}} Gibt es ''einen'' Unterschied der Bedeutung, der sich erklären läßt und einen, der in einer Erklärung nicht zu Tage tritt?


{{ParZ|157}} Der seelenvolle Ausdruck in der Musik,—er ist doch nicht nach Regeln zu erkennen. Und warum können wir uns nicht vorstellen, daß er's für andere Wesen wäre?
{{ParZ|157}} Der seelenvolle Ausdruck in der Musik, – er ist doch nicht nach Regeln zu erkennen. Und warum können wir uns nicht vorstellen, daß er's für andere Wesen wäre?


{{ParZ|158}} Wenn dir plötzlich ein Thema, eine Wendung etwas sagt, so brauchst du dir's nicht erklären zu können. Es ist dir plötzlich auch ''diese'' Geste zugänglich.
{{ParZ|158}} Wenn dir plötzlich ein Thema, eine Wendung etwas sagt, so brauchst du dir's nicht erklären zu können. Es ist dir plötzlich auch ''diese'' Geste zugänglich.
Line 491: Line 491:
In der Wortsprache ist ein starkes musikalisches Element. (Ein Seufzer, der Tonfall der Frage, der Verkündigung, der Sehnsucht, alle die unzähligen ''Gesten'' des Tonfalls.)
In der Wortsprache ist ein starkes musikalisches Element. (Ein Seufzer, der Tonfall der Frage, der Verkündigung, der Sehnsucht, alle die unzähligen ''Gesten'' des Tonfalls.)


{{ParZ|162}} Wenn ich aber eine Melodie mit Verständnis höre, geht da nicht etwas Besonderes in mir vor—was nicht vorgeht, wenn ich sie verständnislos höre? Und ''was''?—Es kommt keine Antwort; oder was mir einfällt, ist abgeschmackt. Ich kann wohl sagen: »Jetzt habe ich sie verstanden« und nun etwa über sie reden, sie spielen, sie mit andern vergleichen etc. ''Zeichen'' des Verständnisses mögen das Hören begleiten.
{{ParZ|162}} Wenn ich aber eine Melodie mit Verständnis höre, geht da nicht etwas Besonderes in mir vor – was nicht vorgeht, wenn ich sie verständnislos höre? Und ''was''? – Es kommt keine Antwort; oder was mir einfällt, ist abgeschmackt. Ich kann wohl sagen: »Jetzt habe ich sie verstanden« und nun etwa über sie reden, sie spielen, sie mit andern vergleichen etc. ''Zeichen'' des Verständnisses mögen das Hören begleiten.


{{ParZ|163}} Es ist falsch, das Verstehen einen Vorgang zu nennen, der das Hören begleitet. (Man könnte ja auch die Äußerung davon, das ausdrucksvolle Spiel, nicht eine Begleitung des Hörens nennen.)
{{ParZ|163}} Es ist falsch, das Verstehen einen Vorgang zu nennen, der das Hören begleitet. (Man könnte ja auch die Äußerung davon, das ausdrucksvolle Spiel, nicht eine Begleitung des Hörens nennen.)


{{ParZ|164}} Denn wie läßt sich erklären, was ›ausdrucksvolles Spiel‹ ist? Gewiß nicht durch etwas, was das Spiel begleitet.—Was gehört also dazu? Eine Kultur, möchte man sagen.—Wer in einer bestimmten Kultur erzogen ist,—dann auf Musik so und so reagiert, dem wird man den Gebrauch des Wortes »ausdrucksvolles Spiel« beibringen können.
{{ParZ|164}} Denn wie läßt sich erklären, was ›ausdrucksvolles Spiel‹ ist? Gewiß nicht durch etwas, was das Spiel begleitet. – Was gehört also dazu? Eine Kultur, möchte man sagen. – Wer in einer bestimmten Kultur erzogen ist, – dann auf Musik so und so reagiert, dem wird man den Gebrauch des Wortes »ausdrucksvolles Spiel« beibringen können.


{{ParZ|165}} Das Verstehen der Musik ist weder eine Empfindung, noch eine Summe von Empfindungen. Es ein Erlebnis zu nennen, ist aber dennoch insofern richtig, als ''dieser'' Begriff des Verstehens manche Verwandtschaften mit andern Erlebnisbegriffen hat. Man sagt »Ich habe diese Stelle diesmal ganz anders erlebt«. Aber doch sagt dieser Ausdruck ›''was geschah''‹ nur für den, der in einer besonderen, diesen Situationen angehörigen Begriffswelt zu Hause ist. (Analogie: »Ich habe die Partie gewonnen«.)
{{ParZ|165}} Das Verstehen der Musik ist weder eine Empfindung, noch eine Summe von Empfindungen. Es ein Erlebnis zu nennen, ist aber dennoch insofern richtig, als ''dieser'' Begriff des Verstehens manche Verwandtschaften mit andern Erlebnisbegriffen hat. Man sagt »Ich habe diese Stelle diesmal ganz anders erlebt«. Aber doch sagt dieser Ausdruck ›''was geschah''‹ nur für den, der in einer besonderen, diesen Situationen angehörigen Begriffswelt zu Hause ist. (Analogie: »Ich habe die Partie gewonnen«.)


{{ParZ|166}} Beim Lesen schwebt mir ''das'' vor. So geht also etwas beim Lesen vor sich ....?—Diese Frage führt ja nicht weiter.
{{ParZ|166}} Beim Lesen schwebt mir ''das'' vor. So geht also etwas beim Lesen vor sich ....? – Diese Frage führt ja nicht weiter.


{{ParZ|167}} Wie kann mir doch das vorschweben?—Nicht in den Dimensionen, an die du denkst.
{{ParZ|167}} Wie kann mir doch das vorschweben? – Nicht in den Dimensionen, an die du denkst.


{{ParZ|168}} Wie weiß ich, daß einer entzückt ist? Wie lernt man den sprachlichen Ausdruck des Entzückens? Woran knüpft er sich? An den Ausdruck von Körperempfindungen? Fragen wir einen, was er in der Brust, in den Gesichtsmuskeln spürt um herauszufinden, ob er Genuß empfindet?
{{ParZ|168}} Wie weiß ich, daß einer entzückt ist? Wie lernt man den sprachlichen Ausdruck des Entzückens? Woran knüpft er sich? An den Ausdruck von Körperempfindungen? Fragen wir einen, was er in der Brust, in den Gesichtsmuskeln spürt um herauszufinden, ob er Genuß empfindet?
Line 507: Line 507:
{{ParZ|169}} Heißt das aber, es gäbe nicht Empfindungen, die oft beim Genießen der Musik wiederkehren? Durchaus nicht.
{{ParZ|169}} Heißt das aber, es gäbe nicht Empfindungen, die oft beim Genießen der Musik wiederkehren? Durchaus nicht.


{{ParZ|170}} Ein Gedicht macht uns beim Lesen einen Eindruck. »Fühlst du dasselbe, während du es liest, wie wenn du etwas Gleichgültiges liest?«—Wie habe ich auf diese Frage antworten gelernt? Ich werde vielleicht sagen: »Natürlich nicht!«—was soviel heißt, wie: mich ergreift ''dies'', und das Andere nicht.
{{ParZ|170}} Ein Gedicht macht uns beim Lesen einen Eindruck. »Fühlst du dasselbe, während du es liest, wie wenn du etwas Gleichgültiges liest?« – Wie habe ich auf diese Frage antworten gelernt? Ich werde vielleicht sagen: »Natürlich nicht!« – was soviel heißt, wie: mich ergreift ''dies'', und das Andere nicht.


»Ich erlebe dabei etwas Anderes.«—Und welcher Art ist dies?—Ich kann nichts Befriedigendes antworten. Denn, was ich angebe, ist nicht das Wichtigste.—»Hast du aber nicht ''während'' des Lesens genossen?« Freilich——denn die entgegengesetzte Antwort hieße: ich hätte es früher oder später genossen, und das will ich nicht sagen.
»Ich erlebe dabei etwas Anderes.« – Und welcher Art ist dies? – Ich kann nichts Befriedigendes antworten. Denn, was ich angebe, ist nicht das Wichtigste. – »Hast du aber nicht ''während'' des Lesens genossen?« Freilich –– denn die entgegengesetzte Antwort hieße: ich hätte es früher oder später genossen, und das will ich nicht sagen.


Aber nun erinnerst du dich ja doch an Empfindungen und Vorstellungen beim Lesen und zwar solche, die mit dem Genießen, mit dem Eindruck zusammenhängen.—Aber die hatten ihre Bedeutsamkeit nur durch ihre Umgebung erhalten: durch das Lesen des Gedichts, durch meine Vertrautheit mit der Sprache, dem Metrum und unzähligen Zusammenhangen.
Aber nun erinnerst du dich ja doch an Empfindungen und Vorstellungen beim Lesen und zwar solche, die mit dem Genießen, mit dem Eindruck zusammenhängen. – Aber die hatten ihre Bedeutsamkeit nur durch ihre Umgebung erhalten: durch das Lesen des Gedichts, durch meine Vertrautheit mit der Sprache, dem Metrum und unzähligen Zusammenhangen.


Du mußt dich doch fragen, wie haben wir den Ausdruck »Ist das nicht herrlich!« überhaupt gelernt?—Niemand erklärte ihn uns, indem er sich auf Empfindungen, Vorstellungen oder Gedanken bezog, die das Hören begleiten! Ja, wir würden nicht bezweifeln, daß er's genossen hat, wenn er keine solchen Erlebnisse anzugeben wüßte; wohl aber, wenn es sich zeigte, daß er gewisse Zusammenhänge nicht versteht.
Du mußt dich doch fragen, wie haben wir den Ausdruck »Ist das nicht herrlich!« überhaupt gelernt? – Niemand erklärte ihn uns, indem er sich auf Empfindungen, Vorstellungen oder Gedanken bezog, die das Hören begleiten! Ja, wir würden nicht bezweifeln, daß er's genossen hat, wenn er keine solchen Erlebnisse anzugeben wüßte; wohl aber, wenn es sich zeigte, daß er gewisse Zusammenhänge nicht versteht.


{{ParZ|171}} Aber zeigt sich das Verständnis nicht z. B. darin, mit welchem Ausdruck einer das Gedicht liest, die Melodie singt? Gewiß. Aber was ist nun hier das Erlebnis während des Lesens? Da müßte man ja sagen: der genieße und verstehe es, der es gut gelesen hört oder in den Sprechorganen fühlt.
{{ParZ|171}} Aber zeigt sich das Verständnis nicht z. B. darin, mit welchem Ausdruck einer das Gedicht liest, die Melodie singt? Gewiß. Aber was ist nun hier das Erlebnis während des Lesens? Da müßte man ja sagen: der genieße und verstehe es, der es gut gelesen hört oder in den Sprechorganen fühlt.
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{{ParZ|173}} Ich denke an eine ganz kurze von nur zwei Takten. Du sagst »Was liegt nicht alles in ihr!« Aber es ist nur sozusagen eine optische Täuschung, wenn du denkst, beim Hören gehe vor, was in ihr liegt. (»Es kommt drauf an, ''wer's'' sagt«.) (Nur in dem Fluß der Gedanken und des Lebens haben die Worte Bedeutung.)
{{ParZ|173}} Ich denke an eine ganz kurze von nur zwei Takten. Du sagst »Was liegt nicht alles in ihr!« Aber es ist nur sozusagen eine optische Täuschung, wenn du denkst, beim Hören gehe vor, was in ihr liegt. (»Es kommt drauf an, ''wer's'' sagt«.) (Nur in dem Fluß der Gedanken und des Lebens haben die Worte Bedeutung.)


{{ParZ|174}} Nicht ''das'' enthält die Täuschung: »''Jetzt'' habe ich's verstanden«—und nun folgt vielleicht eine lange Erklärung dessen, was ich verstanden habe.
{{ParZ|174}} Nicht ''das'' enthält die Täuschung: »''Jetzt'' habe ich's verstanden« – und nun folgt vielleicht eine lange Erklärung dessen, was ich verstanden habe.


{{ParZ|175}} Weist das Thema auf nichts außer sich? Oh ja! Das heißt aber:—Der Eindruck, den es mir macht, hängt mit Dingen in seiner Umgebung zusammen—z. B. mit unserer Sprache und ihrer Intonation, also mit dem ganzen Feld unserer Sprachspiele.
{{ParZ|175}} Weist das Thema auf nichts außer sich? Oh ja! Das heißt aber: – Der Eindruck, den es mir macht, hängt mit Dingen in seiner Umgebung zusammen – z. B. mit unserer Sprache und ihrer Intonation, also mit dem ganzen Feld unserer Sprachspiele.


Wenn ich z. B. sage: Es ist, als ob hier ein Schluß gezogen würde oder, als ob hier etwas bekräftigt würde oder, als ob ''dies'' eine Antwort auf das Frühere wäre,—so setzt mein Verständnis eben die Vertrautheit mit Schlüssen, Bekräftigungen, Antworten voraus.
Wenn ich z. B. sage: Es ist, als ob hier ein Schluß gezogen würde oder, als ob hier etwas bekräftigt würde oder, als ob ''dies'' eine Antwort auf das Frühere wäre, – so setzt mein Verständnis eben die Vertrautheit mit Schlüssen, Bekräftigungen, Antworten voraus.


{{ParZ|176}} Die Worte »Gottlob! Noch etwas Weniges hat man geflüchtet—vor den Fingern der Kroaten«, mit ihrem Ton und Blick, scheinen allerdings schon jede Nuance ihrer Bedeutung in sich zu tragen. Nur darum aber, weil wir sie als Teil einer bestimmten Szene kennen. Man könnte aber eine ganz andere Szene um diese Worte (im gleichen Tone gesprochen) bauen um zu zeigen, wie ihre besondere Seele in der Geschichte liegt, zu der sie gehören.
{{ParZ|176}} Die Worte »Gottlob! Noch etwas Weniges hat man geflüchtet – vor den Fingern der Kroaten«, mit ihrem Ton und Blick, scheinen allerdings schon jede Nuance ihrer Bedeutung in sich zu tragen. Nur darum aber, weil wir sie als Teil einer bestimmten Szene kennen. Man könnte aber eine ganz andere Szene um diese Worte (im gleichen Tone gesprochen) bauen um zu zeigen, wie ihre besondere Seele in der Geschichte liegt, zu der sie gehören.


{{ParZ|177}} Wenn ich einen mit verbannender Gebärde sagen höre »Weiche!«, erlebe ich hier die Bedeutung des Wortes, wie in dem Spiel, wenn ich mir's für mich vorsage und es einmal ''so'' und einmal ''so'' ›meine‹?—Denn er konnte ja auch sagen »Weiche von mir«, und dann erlebte ich vielleicht die ganze Phrase so und so; aber auch das einzelne Wort? Die ergänzenden Worte waren es vielleicht, die mir den Eindruck machten.
{{ParZ|177}} Wenn ich einen mit verbannender Gebärde sagen höre »Weiche!«, erlebe ich hier die Bedeutung des Wortes, wie in dem Spiel, wenn ich mir's für mich vorsage und es einmal ''so'' und einmal ''so'' ›meine‹? – Denn er konnte ja auch sagen »Weiche von mir«, und dann erlebte ich vielleicht die ganze Phrase so und so; aber auch das einzelne Wort? Die ergänzenden Worte waren es vielleicht, die mir den Eindruck machten.


{{ParZ|178}} Das besondere Erlebnis der Bedeutung ist charakterisiert dadurch, daß wir mit einer Erklärung und der Vergangenheitsform reagieren: gerade so, als erklärten wir die Bedeutung eines Worts für praktische Zwecke.
{{ParZ|178}} Das besondere Erlebnis der Bedeutung ist charakterisiert dadurch, daß wir mit einer Erklärung und der Vergangenheitsform reagieren: gerade so, als erklärten wir die Bedeutung eines Worts für praktische Zwecke.
Line 535: Line 535:
{{ParZ|179}} ''Vergiß'', vergiß, daß du diese Erlebnisse selber hast!
{{ParZ|179}} ''Vergiß'', vergiß, daß du diese Erlebnisse selber hast!


{{ParZ|180}} Wie konnte er das Wort in der Bedeutung hören? Wie war es möglich?! Gar nicht——in ''diesen'' Dimensionen.——
{{ParZ|180}} Wie konnte er das Wort in der Bedeutung hören? Wie war es möglich?! Gar nicht –– in ''diesen'' Dimensionen. ––


{{ParZ|181}} Aber ist es also nicht wahr, daß das Wort für mich jetzt das bedeutet? Warum nicht? Es kommt ja dieser Sinn mit der übrigen Verwendung des Wortes nicht in Konflikt.
{{ParZ|181}} Aber ist es also nicht wahr, daß das Wort für mich jetzt das bedeutet? Warum nicht? Es kommt ja dieser Sinn mit der übrigen Verwendung des Wortes nicht in Konflikt.


Es sagt einer: »Gib ihm die Nachricht .... und ''meine'' damit ....!«——Was wäre der Sinn dieses Befehls?
Es sagt einer: »Gib ihm die Nachricht .... und ''meine'' damit ....!« –– Was wäre der Sinn dieses Befehls?


{{ParZ|182}} »Als ich das Wort jetzt aussprach, bedeutete es für mich....«. Warum sollte das nicht einfach Wahnsinn sein? Weil ''ich'' das erlebte? Das ist kein Grund.
{{ParZ|182}} »Als ich das Wort jetzt aussprach, bedeutete es für mich....«. Warum sollte das nicht einfach Wahnsinn sein? Weil ''ich'' das erlebte? Das ist kein Grund.


{{ParZ|183}} Der, den ich bedeutungsblind nenne, wird wohl den Auftrag verstehen: »Sag ihm, er solle zur Bank gehen,—ich meine die Gartenbank«, aber nicht: »Sag das Wort Bank und meine damit Gartenbank«. Welche Formen geistiger Defekte bei Menschen vorgefunden werden, kümmert diese Untersuchung nicht; wohl aber die Möglichkeit solcher Formen. Nicht, ob es Menschen gibt, die eines Gedankens vom Typus »Ich wollte damals ....« nicht fähig sind,—sondern wie der Begriff so eines Defekts durchzuführen wäre, interessiert uns.
{{ParZ|183}} Der, den ich bedeutungsblind nenne, wird wohl den Auftrag verstehen: »Sag ihm, er solle zur Bank gehen, – ich meine die Gartenbank«, aber nicht: »Sag das Wort Bank und meine damit Gartenbank«. Welche Formen geistiger Defekte bei Menschen vorgefunden werden, kümmert diese Untersuchung nicht; wohl aber die Möglichkeit solcher Formen. Nicht, ob es Menschen gibt, die eines Gedankens vom Typus »Ich wollte damals ....« nicht fähig sind, – sondern wie der Begriff so eines Defekts durchzuführen wäre, interessiert uns.


Wenn du annimmst, daß einer ''das'' nicht kann, wie ist es dann mit ''dem''? Soll er es auch nicht können?—Wohin führt uns dieser Begriff? Denn wir haben ja hier Paradigmen.
Wenn du annimmst, daß einer ''das'' nicht kann, wie ist es dann mit ''dem''? Soll er es auch nicht können? – Wohin führt uns dieser Begriff? Denn wir haben ja hier Paradigmen.


{{ParZ|184}} Verschiedene Menschen empfinden es sehr verschieden stark, wenn die Rechtschreibung eines Worts geändert wird. Und die Empfindung ist nicht nur Pietät für einen alten Gebrauch.—Wem die Orthographie nur eine praktische Frage ist, dem geht ein Gefühl ab, nicht unähnlich dem, welches einem »Bedeutungsblinden« mangeln würde. (Goethe über Personennamen. Die Nummer des Gefangenen.)
{{ParZ|184}} Verschiedene Menschen empfinden es sehr verschieden stark, wenn die Rechtschreibung eines Worts geändert wird. Und die Empfindung ist nicht nur Pietät für einen alten Gebrauch. – Wem die Orthographie nur eine praktische Frage ist, dem geht ein Gefühl ab, nicht unähnlich dem, welches einem »Bedeutungsblinden« mangeln würde. (Goethe über Personennamen. Die Nummer des Gefangenen.)


{{ParZ|185}} Wie mancher auch die Frage nicht versteht »Welche Farbe hat für dich der Vokal ''a''?«—Wenn einer sie nicht verstünde, wenn er erklärte, sie sei Unsinn,—könnten wir sagen, er verstehe nicht deutsch, oder nicht die Bedeutungen der Wörter »Farbe«, »Vokal«, etc.?
{{ParZ|185}} Wie mancher auch die Frage nicht versteht »Welche Farbe hat für dich der Vokal ''a''?« – Wenn einer sie nicht verstünde, wenn er erklärte, sie sei Unsinn, – könnten wir sagen, er verstehe nicht deutsch, oder nicht die Bedeutungen der Wörter »Farbe«, »Vokal«, etc.?


Im Gegenteil: Wenn er diese Worte verstehen gelernt hat, dann kann er auch auf jene Fragen ›mit Verständnis‹ oder ›ohne Verständnis‹ reagieren.
Im Gegenteil: Wenn er diese Worte verstehen gelernt hat, dann kann er auch auf jene Fragen ›mit Verständnis‹ oder ›ohne Verständnis‹ reagieren.


{{ParZ|186}} Mißverständnis—Unverständnis. Verständnis wird durch Erklärung bewirkt; aber auch durch Abrichtung.
{{ParZ|186}} Mißverständnis – Unverständnis. Verständnis wird durch Erklärung bewirkt; aber auch durch Abrichtung.


{{ParZ|187}} Warum kann man einer Katze nicht das Apportieren beibringen? Versteht sie nicht, was man will? Und worin besteht hier Verstehen und Unverständnis ?
{{ParZ|187}} Warum kann man einer Katze nicht das Apportieren beibringen? Versteht sie nicht, was man will? Und worin besteht hier Verstehen und Unverständnis ?


{{ParZ|188}} »Ich lese jedes Wort mit dem ihm entsprechenden Gefühl. Das Wort aber z. B. mit dem Abergefühl—u.s.w.«——Und selbst wenn das wahr ist,—was bedeutet es eigentlich? Was ist die Logik des Begriffs ›Abergefühl‹?—Es wird ja nicht ein Gefühl dadurch, daß ich es »Gefühl« nenne.
{{ParZ|188}} »Ich lese jedes Wort mit dem ihm entsprechenden Gefühl. Das Wort aber z. B. mit dem Abergefühl – u.s.w.« –– Und selbst wenn das wahr ist, – was bedeutet es eigentlich? Was ist die Logik des Begriffs ›Abergefühl‹? – Es wird ja nicht ein Gefühl dadurch, daß ich es »Gefühl« nenne.


{{ParZ|189}} Ist Lügen ein bestimmtes Erlebnis? Nun, kann ich denn jemandem sagen »Ich werde dich jetzt anlügen« und es dann tun?
{{ParZ|189}} Ist Lügen ein bestimmtes Erlebnis? Nun, kann ich denn jemandem sagen »Ich werde dich jetzt anlügen« und es dann tun?
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{{ParZ|191}} Das Wissen wird eben nicht in Worte ''übersetzt'', wenn es sich äußert. Die Worte sind keine Übersetzung eines Andern, welches vor ihnen da war,
{{ParZ|191}} Das Wissen wird eben nicht in Worte ''übersetzt'', wenn es sich äußert. Die Worte sind keine Übersetzung eines Andern, welches vor ihnen da war,


{{ParZ|192}} »Sich etwas vornehmen, ist ein besonderer innerer Vorgang.«—Aber was für ein Vorgang—auch wenn du ihn erdichten dürftest—könnte denn das leisten, was wir vom Vorsatz fordern?
{{ParZ|192}} »Sich etwas vornehmen, ist ein besonderer innerer Vorgang.« – Aber was für ein Vorgang – auch wenn du ihn erdichten dürftest – könnte denn das leisten, was wir vom Vorsatz fordern?


{{ParZ|193}} Ist es nicht genau so mit dem Verbum »verstehen«? Es erklärt mir jemand die Route, die ich dort und dorthin zu nehmen habe. Er fragt »Hast du mich verstanden?« Ich antworte »Ich hab's verstanden.«—Will ich ihm mitteilen, was in mir während seiner Erklärung vorging?—Und doch liebe sich auch das mitteilen.
{{ParZ|193}} Ist es nicht genau so mit dem Verbum »verstehen«? Es erklärt mir jemand die Route, die ich dort und dorthin zu nehmen habe. Er fragt »Hast du mich verstanden?« Ich antworte »Ich hab's verstanden.« – Will ich ihm mitteilen, was in mir während seiner Erklärung vorging? – Und doch liebe sich auch das mitteilen.


{{ParZ|194}}‌ ‌Denk‌ ‌dir‌ ‌dieses‌ ‌Spiel:‌ ‌Eine‌ ‌Liste‌ ‌von‌ ‌Wörtern‌ ‌verschiedener‌ ‌Sprachen‌ ‌und‌ ‌von‌ sinnlosen‌ ‌Lautreihen‌ ‌wird‌ ‌mir‌ ‌vorgelesen.‌ ‌Ich‌ ‌soll‌ ‌nach‌ ‌jedem‌ ‌sagen,‌ ‌ob‌ ‌ich‌ ‌es‌ ‌verstehe‌ ‌oder‌ ‌nicht;‌ ‌auch,‌ ‌was‌ ‌beim‌ ‌Verstehen‌ ‌oder‌ ‌Nichtverstehen‌ ‌in‌ ‌mir‌ ‌vorging.—Auf‌ ‌das‌ ‌Wort‌ »Baum«‌ ‌werde‌ ‌ich,‌ ‌ohne‌ ‌mich‌ ‌zu‌ ‌bedenken,‌ ‌mit‌ »ja«‌ ‌antworten‌ ‌(ein‌ ‌Bild‌ ‌mag‌ ‌mir‌ ‌dabei‌ ‌vorschweben);‌ ‌auf‌ ‌eine‌ ‌Lautzusammenstellung,‌ ‌die‌ ‌ich‌ ‌noch‌ ‌nie‌ ‌gehört‌ ‌habe,‌ ‌antworte‌ ich‌ ‌ebenso‌ ‌unbedenklich‌ ‌mit‌ ‌»nein«.‌ ‌Bei‌ ‌Wörtern,‌ ‌die‌ ‌einen‌ ‌speziellen‌ ‌Farbton‌ ‌bezeichnen,‌ ‌wird‌ ‌häufig‌ ‌ein‌ ‌Vorstellen‌ ‌der‌ ‌Antwort‌ ‌vorhergehen;‌ ‌bei‌ ‌seltenen‌ ‌Wörtern (»Kontinuum« ‌etwa)‌ ‌ein‌ ‌Überlegen;‌ ‌bei‌ ‌Wörtern,‌ ‌wie‌ ‌der‌ ‌Artikel‌ »das«‌ ‌etwa‌ ‌ein‌ ‌Achselzucken;‌ ‌Wörter‌ ‌einer‌ ‌fremden‌ ‌Sprache‌ ‌werde‌ ‌ich‌ ‌''manchmal‌'' ‌ins‌ ‌Deutsche‌ Übersetzen;‌ ‌schweben‌ ‌mir‌ ‌Bilder‌ ‌vor,‌ ‌so‌ ‌sind‌ ‌es‌ ‌manchmal‌ ‌die‌ ‌der‌ ‌Gegenstände,‌ ‌die‌ von‌ ‌den‌ ‌Worten‌ ‌bezeichnet‌ ‌werden‌ ‌(wieder‌ ‌tausenderlei‌ ‌Fälle),‌ ‌manchmal‌ ‌andere‌ ‌Bilder.‌ ‌
{{ParZ|194}}‌ ‌Denk‌ ‌dir‌ ‌dieses‌ ‌Spiel:‌ ‌Eine‌ ‌Liste‌ ‌von‌ ‌Wörtern‌ ‌verschiedener‌ ‌Sprachen‌ ‌und‌ ‌von‌ sinnlosen‌ ‌Lautreihen‌ ‌wird‌ ‌mir‌ ‌vorgelesen.‌ ‌Ich‌ ‌soll‌ ‌nach‌ ‌jedem‌ ‌sagen,‌ ‌ob‌ ‌ich‌ ‌es‌ ‌verstehe‌ ‌oder‌ ‌nicht;‌ ‌auch,‌ ‌was‌ ‌beim‌ ‌Verstehen‌ ‌oder‌ ‌Nichtverstehen‌ ‌in‌ ‌mir‌ ‌vorging. – Auf‌ ‌das‌ ‌Wort‌ »Baum«‌ ‌werde‌ ‌ich,‌ ‌ohne‌ ‌mich‌ ‌zu‌ ‌bedenken,‌ ‌mit‌ »ja«‌ ‌antworten‌ ‌(ein‌ ‌Bild‌ ‌mag‌ ‌mir‌ ‌dabei‌ ‌vorschweben);‌ ‌auf‌ ‌eine‌ ‌Lautzusammenstellung,‌ ‌die‌ ‌ich‌ ‌noch‌ ‌nie‌ ‌gehört‌ ‌habe,‌ ‌antworte‌ ich‌ ‌ebenso‌ ‌unbedenklich‌ ‌mit‌ ‌»nein«.‌ ‌Bei‌ ‌Wörtern,‌ ‌die‌ ‌einen‌ ‌speziellen‌ ‌Farbton‌ ‌bezeichnen,‌ ‌wird‌ ‌häufig‌ ‌ein‌ ‌Vorstellen‌ ‌der‌ ‌Antwort‌ ‌vorhergehen;‌ ‌bei‌ ‌seltenen‌ ‌Wörtern (»Kontinuum« ‌etwa)‌ ‌ein‌ ‌Überlegen;‌ ‌bei‌ ‌Wörtern,‌ ‌wie‌ ‌der‌ ‌Artikel‌ »das«‌ ‌etwa‌ ‌ein‌ ‌Achselzucken;‌ ‌Wörter‌ ‌einer‌ ‌fremden‌ ‌Sprache‌ ‌werde‌ ‌ich‌ ‌''manchmal‌'' ‌ins‌ ‌Deutsche‌ Übersetzen;‌ ‌schweben‌ ‌mir‌ ‌Bilder‌ ‌vor,‌ ‌so‌ ‌sind‌ ‌es‌ ‌manchmal‌ ‌die‌ ‌der‌ ‌Gegenstände,‌ ‌die‌ von‌ ‌den‌ ‌Worten‌ ‌bezeichnet‌ ‌werden‌ ‌(wieder‌ ‌tausenderlei‌ ‌Fälle),‌ ‌manchmal‌ ‌andere‌ ‌Bilder.‌ ‌


Dies‌ ‌Spiel‌ ‌könnte‌ ‌man‌ ‌durch‌ ‌eines‌ ‌ergänzen,‌ ‌in‌ ‌welchem‌ einer‌ ‌die‌ ‌Namen‌ ‌von‌ ''Tätigkeiten‌'' ‌nennt‌ ‌und‌ ‌bei‌ ‌jeder‌ ‌fragt:‌ ‌»Kannst‌ ‌du‌ ‌das?«—Das‌ ‌Subjekt‌ ‌soll‌ ‌angeben,‌ ‌welche‌ ‌Gründe‌ ‌es‌ ‌hatte,‌ ‌die‌ ‌Frage‌ ‌mit‌ »ja« ‌oder »nein« zu‌ ‌beantworten.‌‌
Dies‌ ‌Spiel‌ ‌könnte‌ ‌man‌ ‌durch‌ ‌eines‌ ‌ergänzen,‌ ‌in‌ ‌welchem‌ einer‌ ‌die‌ ‌Namen‌ ‌von‌ ''Tätigkeiten‌'' ‌nennt‌ ‌und‌ ‌bei‌ ‌jeder‌ ‌fragt:‌ ‌»Kannst‌ ‌du‌ ‌das?« – Das‌ ‌Subjekt‌ ‌soll‌ ‌angeben,‌ ‌welche‌ ‌Gründe‌ ‌es‌ ‌hatte,‌ ‌die‌ ‌Frage‌ ‌mit‌ »ja« ‌oder »nein« zu‌ ‌beantworten.‌‌


{{ParZ|195}}‌ ‌Denken‌ ‌wir‌ ‌uns‌ ‌eine‌ ‌Art‌ ‌Vexierbild,‌ ‌worin‌ ‌nicht‌ ‌''ein‌'' ‌bestimmter‌ ‌Gegenstand‌ ‌aufzufinden‌ ‌ist,‌ ‌sondern‌ ‌das‌ ‌uns‌ ‌auf‌ ‌den‌ ‌ersten‌ ‌Blick‌ ‌als‌ ‌ein‌ ‌Gewirr‌ ‌nichtssagender‌ ‌Striche‌ ‌erscheint‌ ‌und‌ ‌nach‌ ‌einigem‌ ‌Suchen‌ ‌erst‌ ‌als,‌ ‌sagen‌ ‌wir,‌ ‌ein‌ ‌Landschaftsbild.—Worin‌ ‌besteht‌ ‌der‌ ‌Unterschied‌ zwischen‌ ‌dem‌ ‌Anblick‌ ‌des‌ ‌Bildes‌ ‌vor‌ ‌und‌ ‌nach‌ ‌der‌ ‌Lösung?‌ ‌Daß‌ ‌wir‌ ‌es‌ ‌beide‌ ‌Male‌ ‌anders‌ ‌sehen,‌ ‌ist‌ ‌klar.‌ ‌In‌ ‌wiefern‌ ‌aber‌ ‌kann‌ ‌man‌ ‌nach‌ ‌der‌ ‌Auflösung‌ ‌sagen,‌ ‌jetzt‌ ‌sage‌ ‌uns‌ ‌das‌ ‌Bild‌ etwas,‌ ‌früher‌ ‌habe‌ ‌es‌ ‌uns‌ ‌nichts‌ ‌gesagt?‌ ‌
{{ParZ|195}}‌ ‌Denken‌ ‌wir‌ ‌uns‌ ‌eine‌ ‌Art‌ ‌Vexierbild,‌ ‌worin‌ ‌nicht‌ ‌''ein‌'' ‌bestimmter‌ ‌Gegenstand‌ ‌aufzufinden‌ ‌ist,‌ ‌sondern‌ ‌das‌ ‌uns‌ ‌auf‌ ‌den‌ ‌ersten‌ ‌Blick‌ ‌als‌ ‌ein‌ ‌Gewirr‌ ‌nichtssagender‌ ‌Striche‌ ‌erscheint‌ ‌und‌ ‌nach‌ ‌einigem‌ ‌Suchen‌ ‌erst‌ ‌als,‌ ‌sagen‌ ‌wir,‌ ‌ein‌ ‌Landschaftsbild. – Worin‌ ‌besteht‌ ‌der‌ ‌Unterschied‌ zwischen‌ ‌dem‌ ‌Anblick‌ ‌des‌ ‌Bildes‌ ‌vor‌ ‌und‌ ‌nach‌ ‌der‌ ‌Lösung?‌ ‌Daß‌ ‌wir‌ ‌es‌ ‌beide‌ ‌Male‌ ‌anders‌ ‌sehen,‌ ‌ist‌ ‌klar.‌ ‌In‌ ‌wiefern‌ ‌aber‌ ‌kann‌ ‌man‌ ‌nach‌ ‌der‌ ‌Auflösung‌ ‌sagen,‌ ‌jetzt‌ ‌sage‌ ‌uns‌ ‌das‌ ‌Bild‌ etwas,‌ ‌früher‌ ‌habe‌ ‌es‌ ‌uns‌ ‌nichts‌ ‌gesagt?‌ ‌


{{ParZ|196}}‌ ‌Wir‌ ‌können‌ ‌diese‌ ‌Frage‌ ‌auch‌ ‌so‌ ‌stellen:‌ ‌Was‌ ‌ist‌ ‌das‌ ‌allgemeine‌ ‌Charakteristikum‌ dafür,‌ ‌daß‌ ‌die‌ ‌Lösung‌ ‌gefunden‌ ‌ist?‌ ‌
{{ParZ|196}}‌ ‌Wir‌ ‌können‌ ‌diese‌ ‌Frage‌ ‌auch‌ ‌so‌ ‌stellen:‌ ‌Was‌ ‌ist‌ ‌das‌ ‌allgemeine‌ ‌Charakteristikum‌ dafür,‌ ‌daß‌ ‌die‌ ‌Lösung‌ ‌gefunden‌ ‌ist?‌ ‌
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{{ParZ|201}} Die zeichnerische Darstellung des Innern eines Radio empfängers wird für den, der keine Kunde von solchen Dingen hat, Gewirr sinnloser Striche sein. Hat er aber den Apparat und seine Funktion kennengelernt, so wird jene Zeichnung für ihn ein sinnvolles Bild sein.
{{ParZ|201}} Die zeichnerische Darstellung des Innern eines Radio empfängers wird für den, der keine Kunde von solchen Dingen hat, Gewirr sinnloser Striche sein. Hat er aber den Apparat und seine Funktion kennengelernt, so wird jene Zeichnung für ihn ein sinnvolles Bild sein.


Gegeben nun irgend eine mir jetzt sinnlose körperliche Gestalt (etwa im Bild)—kann ich nach Belieben sie sinnvoll vorstellen? Das wäre, als fragte man: Kann ich mir einen beliebig geformten Gegenstand als Gebrauchsgegenstand vorstellen? Aber für welchen Gebrauch?
Gegeben nun irgend eine mir jetzt sinnlose körperliche Gestalt (etwa im Bild) – kann ich nach Belieben sie sinnvoll vorstellen? Das wäre, als fragte man: Kann ich mir einen beliebig geformten Gegenstand als Gebrauchsgegenstand vorstellen? Aber für welchen Gebrauch?


Man könnte eine Klasse von Körperformen sich methodisch als Wohnungen von Tieren oder Menschen denken. Eine andere Klasse als Waffen. Eine etwa als Modelle von Landschaften. Etc. etc. Und hier weiß ich also, wie ich einer sinnlosen Form Sinn andichten kann.
Man könnte eine Klasse von Körperformen sich methodisch als Wohnungen von Tieren oder Menschen denken. Eine andere Klasse als Waffen. Eine etwa als Modelle von Landschaften. Etc. etc. Und hier weiß ich also, wie ich einer sinnlosen Form Sinn andichten kann.
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Man sagt z. B.: »Sieh von diesen Flecken ab und auch von dieser kleinen Unregelmäßigkeit, und schau es als Bild eines .... an!«
Man sagt z. B.: »Sieh von diesen Flecken ab und auch von dieser kleinen Unregelmäßigkeit, und schau es als Bild eines .... an!«


»Denk dir das weg! Wär's dir auch ohne dieses .... unangenehm?« Man wird doch sagen, ich ändere mein Gesichtsbild—wie durch Blinzeln oder Weghalten eines Details. Dieses »Absehen von ...« spielt doch eine ganz ähnliche Rolle, wie etwa die Anfertigung eines neuen Bildes.
»Denk dir das weg! Wär's dir auch ohne dieses .... unangenehm?« Man wird doch sagen, ich ändere mein Gesichtsbild – wie durch Blinzeln oder Weghalten eines Details. Dieses »Absehen von ...« spielt doch eine ganz ähnliche Rolle, wie etwa die Anfertigung eines neuen Bildes.


{{ParZ|205}} Nun wohl,—und das sind gute Gründe dafür zu sagen, wir hätten durch unsre Einstellung unsern Gesichtseindruck geändert. D. h., es sind (dies) gute Gründe, den Begriff ›Gesichtseindruck‹ so zu begrenzen.
{{ParZ|205}} Nun wohl, – und das sind gute Gründe dafür zu sagen, wir hätten durch unsre Einstellung unsern Gesichtseindruck geändert. D. h., es sind (dies) gute Gründe, den Begriff ›Gesichtseindruck‹ so zu begrenzen.


{{ParZ|206}} »Aber ich kann doch offenbar im Sehen Elemente (Striche z. B.) ''zusammennehmen''!« Aber warum nennt man es »zusammennehmen«? Warum braucht man hier ein Wort—''wesentlich''—das schon eine andere Bedeutung hat? (Es ist hier natürlich wie im Fall des Wortes »Kopf''rechnen''«.)
{{ParZ|206}} »Aber ich kann doch offenbar im Sehen Elemente (Striche z. B.) ''zusammennehmen''!« Aber warum nennt man es »zusammennehmen«? Warum braucht man hier ein Wort – ''wesentlich'' – das schon eine andere Bedeutung hat? (Es ist hier natürlich wie im Fall des Wortes »Kopf''rechnen''«.)


{{ParZ|207}} Wenn ich jemandem sage: »Nimm diese Striche (oder anderes) zusammen!« was wird er tun? Nun, Verschiedenes, je nach den Umständen. Vielleicht soll er sie zu zwei und zwei zählen oder in eine Lade legen oder anblicken etc.
{{ParZ|207}} Wenn ich jemandem sage: »Nimm diese Striche (oder anderes) zusammen!« was wird er tun? Nun, Verschiedenes, je nach den Umständen. Vielleicht soll er sie zu zwei und zwei zählen oder in eine Lade legen oder anblicken etc.
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Die Figur [[File:Zettel 208.png|20px|link=]] einmal als ein F, einmal als das Spiegelbild eines F sehen.
Die Figur [[File:Zettel 208.png|20px|link=]] einmal als ein F, einmal als das Spiegelbild eines F sehen.


Ich will fragen: Worin besteht es, die Figur einmal so, einmal anders sehen?—Sehe ich wirklich jedesmal etwas Anderes? Oder ''deute'' ich nur, was ich sehe, auf verschiedene Weise?—Ich bin geneigt, das erste zu sagen. Aber warum? Nun, Deuten ist eine Handlung. Es kann z. B. darin bestehen, daß einer sagt »Das ''soll'' ein F sein«; oder daß er's nicht sagt, aber das Zeichen beim Kopieren durch ein F ersetzt; oder sich überlegt: »Was mag das wohl sein? Es wird ein F sein, das dem Schreiber mißglückt ist.«—Sehen ist keine Handlung, sondern ein Zustand. (Grammatische Bemerkung.) Und wenn ich die Figur nie anders als F gelesen, mir nie überlegt habe, was es wohl sein mag, so wird man sagen, ich ''sehe'' sie als F; wenn man nämlich weiß, daß es sich auch anders sehen läßt. »Deuten« würde ich es nennen, wenn ich sagte: »Das soll gewiß ein F sein; der Schreiber schreibt alle seine F so.«
Ich will fragen: Worin besteht es, die Figur einmal so, einmal anders sehen? – Sehe ich wirklich jedesmal etwas Anderes? Oder ''deute'' ich nur, was ich sehe, auf verschiedene Weise? – Ich bin geneigt, das erste zu sagen. Aber warum? Nun, Deuten ist eine Handlung. Es kann z. B. darin bestehen, daß einer sagt »Das ''soll'' ein F sein«; oder daß er's nicht sagt, aber das Zeichen beim Kopieren durch ein F ersetzt; oder sich überlegt: »Was mag das wohl sein? Es wird ein F sein, das dem Schreiber mißglückt ist.« – Sehen ist keine Handlung, sondern ein Zustand. (Grammatische Bemerkung.) Und wenn ich die Figur nie anders als F gelesen, mir nie überlegt habe, was es wohl sein mag, so wird man sagen, ich ''sehe'' sie als F; wenn man nämlich weiß, daß es sich auch anders sehen läßt. »Deuten« würde ich es nennen, wenn ich sagte: »Das soll gewiß ein F sein; der Schreiber schreibt alle seine F so.«


Wie ist man denn überhaupt zu dem Begriff des ›Dies als das‹ gekommen? Bei welchen Gelegenheiten wird er gebildet, ist für ihn ein Bedarf? (Sehr häufig in der Kunst.) Dort z. B., wo es sich um ein Phrasieren durchs Auge oder Ohr handelt. Wir sagen »Du mußt diese Takte als Einleitung hören«, »Du mußt nach dieser Tonart hin hören«, »Wenn man diese Figur einmal als .... gesehen hat, ist es schwer, sie anders zu sehen«, »Ich höre das französische ›ne .... pas‹ als zweiteilige Verneinung, aber nicht als ›nicht ein Schritt‹«, etc. etc. Ist es nun ein wirkliches Sehen oder Hören? Nun: so nennen wir es; mit diesen Worten reagieren wir in bestimmten Situationen. Und ''auf'' diese Worte reagieren wir wieder durch bestimmte Handlungen.
Wie ist man denn überhaupt zu dem Begriff des ›Dies als das‹ gekommen? Bei welchen Gelegenheiten wird er gebildet, ist für ihn ein Bedarf? (Sehr häufig in der Kunst.) Dort z. B., wo es sich um ein Phrasieren durchs Auge oder Ohr handelt. Wir sagen »Du mußt diese Takte als Einleitung hören«, »Du mußt nach dieser Tonart hin hören«, »Wenn man diese Figur einmal als .... gesehen hat, ist es schwer, sie anders zu sehen«, »Ich höre das französische ›ne .... pas‹ als zweiteilige Verneinung, aber nicht als ›nicht ein Schritt‹«, etc. etc. Ist es nun ein wirkliches Sehen oder Hören? Nun: so nennen wir es; mit diesen Worten reagieren wir in bestimmten Situationen. Und ''auf'' diese Worte reagieren wir wieder durch bestimmte Handlungen.


{{ParZ|209}} Diese Form, die ich sehe—möchte ich sagen—ist nicht einfach ''eine'' Form, sondern sie ist eine von den mir bekannten Formen; sie ist eine im Vorhinein ausgezeichnete Form. Sie ist eine von den Formen, deren Bild schon früher in mir war, und nur weil sie so einem Bild entspricht, ist sie die wohlbekannte Form. (Ich trage gleichsam einen Katalog solcher Formen mit mir herum und die Gegenstände, die dort abgebildet sind, sind dann die wohlbekannten.)
{{ParZ|209}} Diese Form, die ich sehe – möchte ich sagen – ist nicht einfach ''eine'' Form, sondern sie ist eine von den mir bekannten Formen; sie ist eine im Vorhinein ausgezeichnete Form. Sie ist eine von den Formen, deren Bild schon früher in mir war, und nur weil sie so einem Bild entspricht, ist sie die wohlbekannte Form. (Ich trage gleichsam einen Katalog solcher Formen mit mir herum und die Gegenstände, die dort abgebildet sind, sind dann die wohlbekannten.)


{{ParZ|210}} Aber daß ich das Bild schon früher mit mir herumgetragen habe, wäre nur eine kausale Erklärung des gegenwärtigen Eindrucks. Es ist, als sagte man: diese Bewegung geht so leicht, als wäre sie eingeübt worden.
{{ParZ|210}} Aber daß ich das Bild schon früher mit mir herumgetragen habe, wäre nur eine kausale Erklärung des gegenwärtigen Eindrucks. Es ist, als sagte man: diese Bewegung geht so leicht, als wäre sie eingeübt worden.


{{ParZ|211}} »Wenn ich gefragt werde ›Siehst du dort eine Kugel?‹, ein andermal ›Siehst du dort die Halbkugel?‹, so kann, was ich sehe, beide Male das Gleiche sein, und wenn ich antworte ›Ja‹, so unterscheide ich doch zwischen den beiden Hypothesen. Wie ich im Schachspiel zwischen einem Bauern und dem König unterscheide, auch wenn der gegenwärtige Zug einer ist, den beide machen könnten, und wenn selbst eine Königsfigur als Bauer fungierte.«—Man ist in der Philosophie immer in Gefahr, einen Mythus des Symbolismus zu erzeugen, oder einen der seelischen Vorgänge. Statt einfach zu sagen, was jeder weiß und zugeben muß.
{{ParZ|211}} »Wenn ich gefragt werde ›Siehst du dort eine Kugel?‹, ein andermal ›Siehst du dort die Halbkugel?‹, so kann, was ich sehe, beide Male das Gleiche sein, und wenn ich antworte ›Ja‹, so unterscheide ich doch zwischen den beiden Hypothesen. Wie ich im Schachspiel zwischen einem Bauern und dem König unterscheide, auch wenn der gegenwärtige Zug einer ist, den beide machen könnten, und wenn selbst eine Königsfigur als Bauer fungierte.« – Man ist in der Philosophie immer in Gefahr, einen Mythus des Symbolismus zu erzeugen, oder einen der seelischen Vorgänge. Statt einfach zu sagen, was jeder weiß und zugeben muß.


{{ParZ|212}} Ist es Introspektion, was mich lehrt, ob ich's mit einem echten Sehen zu tun habe, oder doch mit einem Deuten? Zuerst einmal muß ich mir klar werden, was ich denn ein Deuten nennen würde; woran sich erkennen läßt, ob etwas ein Deuten oder ein Sehen zu nennen ist. [''Randbemerkung:'' Einer Deutung entsprechend sehen.]
{{ParZ|212}} Ist es Introspektion, was mich lehrt, ob ich's mit einem echten Sehen zu tun habe, oder doch mit einem Deuten? Zuerst einmal muß ich mir klar werden, was ich denn ein Deuten nennen würde; woran sich erkennen läßt, ob etwas ein Deuten oder ein Sehen zu nennen ist. [''Randbemerkung:'' Einer Deutung entsprechend sehen.]
Line 679: Line 679:
{{ParZ|218}} Ich deute die Worte; wohl aber deute ich auch die Mienen? Deute ich einen Gesichtsausdruck als drohend oder freundlich? Es ''kann'' geschehen.
{{ParZ|218}} Ich deute die Worte; wohl aber deute ich auch die Mienen? Deute ich einen Gesichtsausdruck als drohend oder freundlich? Es ''kann'' geschehen.


Wenn ich nun sagte: »Es ist nicht genug, daß ich das drohende Gesicht wahrnehme, sondern ich muß es erst deuten.«—Es zückt jemand das Messer auf mich, und ich sage: »Ich fasse das als eine Drohung auf.«
Wenn ich nun sagte: »Es ist nicht genug, daß ich das drohende Gesicht wahrnehme, sondern ich muß es erst deuten.« – Es zückt jemand das Messer auf mich, und ich sage: »Ich fasse das als eine Drohung auf.«


{{ParZ|219}} Chinesische Gebärden verstehen wir so wenig wie chinesische Sätze.
{{ParZ|219}} Chinesische Gebärden verstehen wir so wenig wie chinesische Sätze.
Line 687: Line 687:
Schaust du in ''dich'', um den Grimm in ''seinem'' Gesicht zu erkennen? Er ist dort so deutlich wie in deiner eigenen Brust.
Schaust du in ''dich'', um den Grimm in ''seinem'' Gesicht zu erkennen? Er ist dort so deutlich wie in deiner eigenen Brust.


(Und was will man nun sagen? Daß das Gesicht des Andern mich zur Nachahmung anregt, und daß ich also kleine Bewegungen und Muskelspannungen im eigenen empfinde und die Summe dieser ''meine''? Unsinn. Unsinn,—denn du machst Annahmen statt bloß zu beschreiben. Wem hier Erklärungen im Kopf spuken, der vernachlässigt es, sich auf die wichtigsten Tatsachen zu besinnen.)
(Und was will man nun sagen? Daß das Gesicht des Andern mich zur Nachahmung anregt, und daß ich also kleine Bewegungen und Muskelspannungen im eigenen empfinde und die Summe dieser ''meine''? Unsinn. Unsinn, – denn du machst Annahmen statt bloß zu beschreiben. Wem hier Erklärungen im Kopf spuken, der vernachlässigt es, sich auf die wichtigsten Tatsachen zu besinnen.)


{{ParZ|221}} »Das Bewußtsein ist so deutlich in seinem Gesicht und Benehmen, wie in mir selbst.«
{{ParZ|221}} »Das Bewußtsein ist so deutlich in seinem Gesicht und Benehmen, wie in mir selbst.«
Line 697: Line 697:
Anderseits habe ich mit meiner Redeweise nicht etwas ''zugegeben'', und ich widerspreche dem, der mir sagt, ich sähe den Blick ›geradeso‹ wie die Gestalt und Farbe des Auges.
Anderseits habe ich mit meiner Redeweise nicht etwas ''zugegeben'', und ich widerspreche dem, der mir sagt, ich sähe den Blick ›geradeso‹ wie die Gestalt und Farbe des Auges.


Denn das ›naive Sprechen‹, d.h. unsere naive, normale Ausdrucksweise enthält ja keine Theorie des Sehens—zeigt dir keine ''Theorie'', sondern nur einen ''Begriff'' des Sehens.
Denn das ›naive Sprechen‹, d.h. unsere naive, normale Ausdrucksweise enthält ja keine Theorie des Sehens – zeigt dir keine ''Theorie'', sondern nur einen ''Begriff'' des Sehens.


{{ParZ|224}} Laß einen Menschen zornig, hochmütig, ironisch blicken; und nun verhäng sein Gesicht, daß nur die Augen frei bleiben,—in denen der ganze Ausdruck vereint schien: Ihr Ausdruck ist nun überraschend ''vieldeutig''.
{{ParZ|224}} Laß einen Menschen zornig, hochmütig, ironisch blicken; und nun verhäng sein Gesicht, daß nur die Augen frei bleiben, – in denen der ganze Ausdruck vereint schien: Ihr Ausdruck ist nun überraschend ''vieldeutig''.


{{ParZ|225}} »Man ''sieht'' Gemütsbewegung.«—Im Gegensatz wozu? Man sieht nicht die Gesichtsverziehungen und ''schließt'' nun (wie der Arzt, der eine Diagnose stellt) auf Freude, Trauer, Langeweile. Man beschreibt sein Gesicht unmittelbar als traurig, glückstrahlend, gelangweilt, auch wenn man nicht imstande ist, eine andere Beschreibung der Gesichtszüge zu geben.—Die Trauer ist im Gesicht personifiziert, möchte man sagen.
{{ParZ|225}} »Man ''sieht'' Gemütsbewegung.« – Im Gegensatz wozu? Man sieht nicht die Gesichtsverziehungen und ''schließt'' nun (wie der Arzt, der eine Diagnose stellt) auf Freude, Trauer, Langeweile. Man beschreibt sein Gesicht unmittelbar als traurig, glückstrahlend, gelangweilt, auch wenn man nicht imstande ist, eine andere Beschreibung der Gesichtszüge zu geben. – Die Trauer ist im Gesicht personifiziert, möchte man sagen.


Dies gehört zum Begriff der Gemütsbewegung.
Dies gehört zum Begriff der Gemütsbewegung.
Line 711: Line 711:
Und wirklich werden wir Worte durch eine Geste, und eine Geste durch Worte erklären.
Und wirklich werden wir Worte durch eine Geste, und eine Geste durch Worte erklären.


{{ParZ|228}} Erkläre einem, die Zeigerstellung, die du aufgezeichnet hast, solle ausdrücken: die Zeiger dieser Uhr stünden jetzt so.—Die Unbeholfenheit, mit der das Zeichen, wie ein Stummer, durch allerlei suggestive Gebärden sich verständlich zu machen sucht—sie verschwindet, wenn wir erkennen, daß es aufs ''System'' ankommt, dem das Zeichen angehört.
{{ParZ|228}} Erkläre einem, die Zeigerstellung, die du aufgezeichnet hast, solle ausdrücken: die Zeiger dieser Uhr stünden jetzt so. – Die Unbeholfenheit, mit der das Zeichen, wie ein Stummer, durch allerlei suggestive Gebärden sich verständlich zu machen sucht – sie verschwindet, wenn wir erkennen, daß es aufs ''System'' ankommt, dem das Zeichen angehört.


Man wollte sagen: nur der ''Gedanke'' kann es ''sagen'', das Zeichen nicht.
Man wollte sagen: nur der ''Gedanke'' kann es ''sagen'', das Zeichen nicht.


{{ParZ|229}} Eine ''Deutung'' ist doch etwas, was in Zeichen gegeben wird. Es ist diese Deutung im Gegensatz zu einer andern (die anders lautet).—Wenn man also sagen wollte »Jeder Satz bedarf noch einer Deutung«, so hieße das: kein Satz kann ohne einen Zusatz verstanden werden.
{{ParZ|229}} Eine ''Deutung'' ist doch etwas, was in Zeichen gegeben wird. Es ist diese Deutung im Gegensatz zu einer andern (die anders lautet). – Wenn man also sagen wollte »Jeder Satz bedarf noch einer Deutung«, so hieße das: kein Satz kann ohne einen Zusatz verstanden werden.


{{ParZ|230}} Ähnlich wäre es fast, wenn man beim Würfeln, wieviel ein Wurf gelten soll, durch einen weitern Wurf bestimmte.
{{ParZ|230}} Ähnlich wäre es fast, wenn man beim Würfeln, wieviel ein Wurf gelten soll, durch einen weitern Wurf bestimmte.
Line 725: Line 725:
{{ParZ|232}} Wir könnten da auch sagen, wir lebten nicht in der Zeichensprache, wohl aber im gemalten Bilde.
{{ParZ|232}} Wir könnten da auch sagen, wir lebten nicht in der Zeichensprache, wohl aber im gemalten Bilde.


{{ParZ|233}} »Nur das intendierte Bild reicht als Maßstab an die Wirklichkeit heran. Von außen betrachtet, steht es gleich tot und isoliert da.«—Es ist, als hätten wir ein Bild erst so angeschaut, daß wir in ihm leben und die Gegenstände in ihm uns als wirkliche umgeben, und dann traten wir zurück und wären nun außerhalb, sähen den Rahmen, und das Bild wäre eine bemalte Fläche. So, wenn wir intendieren, umgeben uns die ''Bilder'' der Intention, und wir leben unter ihnen. Aber wenn wir aus der Intention heraustreten, so sind es bloße Flecke auf einer Leinwand, ohne Leben und ohne Interesse für uns. Wenn wir intendieren, leben wir im Raum der Intention, unter den Bildern (Schatten) der Intention zugleich mit den wirklichen Dingen. Denken wir, wir sitzen im verdunkelten Kino und leben im Film. Der Saal wird nun erhellt, aber das Lichtspiel auf der Leinwand geht weiter. Aber jetzt stehen wir plötzlich außerhalb und sehen es als Bewegungen von lichten und dunkeln Flecken auf einer Leinwand.
{{ParZ|233}} »Nur das intendierte Bild reicht als Maßstab an die Wirklichkeit heran. Von außen betrachtet, steht es gleich tot und isoliert da.« – Es ist, als hätten wir ein Bild erst so angeschaut, daß wir in ihm leben und die Gegenstände in ihm uns als wirkliche umgeben, und dann traten wir zurück und wären nun außerhalb, sähen den Rahmen, und das Bild wäre eine bemalte Fläche. So, wenn wir intendieren, umgeben uns die ''Bilder'' der Intention, und wir leben unter ihnen. Aber wenn wir aus der Intention heraustreten, so sind es bloße Flecke auf einer Leinwand, ohne Leben und ohne Interesse für uns. Wenn wir intendieren, leben wir im Raum der Intention, unter den Bildern (Schatten) der Intention zugleich mit den wirklichen Dingen. Denken wir, wir sitzen im verdunkelten Kino und leben im Film. Der Saal wird nun erhellt, aber das Lichtspiel auf der Leinwand geht weiter. Aber jetzt stehen wir plötzlich außerhalb und sehen es als Bewegungen von lichten und dunkeln Flecken auf einer Leinwand.


(Im Traum geschieht es manchmal, daß wir eine Geschichte erst lesen und dann in ihr selbst agieren. Und nach dem Aufwachen aus einem Traum ist es manchmal, als wären wir aus dem Traum heraus zurückgetreten und sehen ihn jetzt als ein fremdes Bild vor uns.) Und es heißt auch etwas, »in den Seiten eines Buches leben«.
(Im Traum geschieht es manchmal, daß wir eine Geschichte erst lesen und dann in ihr selbst agieren. Und nach dem Aufwachen aus einem Traum ist es manchmal, als wären wir aus dem Traum heraus zurückgetreten und sehen ihn jetzt als ein fremdes Bild vor uns.) Und es heißt auch etwas, »in den Seiten eines Buches leben«.
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{{ParZ|234}} Nicht das findet statt, daß sich dieses Symbol nicht mehr deuten läßt, sondern: ich deute nicht. Ich deute nicht, weil ich mich in dem gegenwärtigen Bild heimisch fühle. Wenn ich deute, so schreite ich auf dem Gedankenweg von Stufe zu Stufe.
{{ParZ|234}} Nicht das findet statt, daß sich dieses Symbol nicht mehr deuten läßt, sondern: ich deute nicht. Ich deute nicht, weil ich mich in dem gegenwärtigen Bild heimisch fühle. Wenn ich deute, so schreite ich auf dem Gedankenweg von Stufe zu Stufe.


{{ParZ|235}} Sehe ich das gedachte Symbol ›von außen‹ an, so kommt es mir zum Bewußtsein, daß es so und so gedeutet werden ''könnte''; ist es eine Stufe meines Gedankenweges, so ist es ein mir natürlicher Aufenthalt, und es beschäftigt (und beunruhigt) mich seine weitere Deutbarkeit nicht.—Wie ich die Tabelle, den Fahrplan bei mir habe und verwende, ohne daß es mich beschäftigt, daß eine Tabelle verschiedenerlei Deutungen zuläßt.
{{ParZ|235}} Sehe ich das gedachte Symbol ›von außen‹ an, so kommt es mir zum Bewußtsein, daß es so und so gedeutet werden ''könnte''; ist es eine Stufe meines Gedankenweges, so ist es ein mir natürlicher Aufenthalt, und es beschäftigt (und beunruhigt) mich seine weitere Deutbarkeit nicht. – Wie ich die Tabelle, den Fahrplan bei mir habe und verwende, ohne daß es mich beschäftigt, daß eine Tabelle verschiedenerlei Deutungen zuläßt.


{{ParZ|236}} Wenn ich den Vorgang der Intention beschreiben will, so fühle ich vor allem, daß sie noch am ehesten leisten kann, was sie soll, wenn sie ein äußerst getreues Bild von dem enthält, was sie intendiert. Aber ferner, daß auch das nicht ausreicht, weil ja das Bild, was immer es ist, sich verschieden deuten läßt; daß also dieses Bild doch wieder isoliert dasteht. Wie man das Bild allein ins Auge faßt, ist es plötzlich tot, und es ist, als wäre ihm etwas genommen worden, was es zuvor belebt hatte. Es ist kein Gedanke, keine Intention, und wie immer wir es uns begleitet denken, durch artikulierte oder unartikulierte Vorgänge, und durch welche Empfindungen immer: es bleibt isoliert, weist nicht aus sich heraus auf eine Realität außer ihm.
{{ParZ|236}} Wenn ich den Vorgang der Intention beschreiben will, so fühle ich vor allem, daß sie noch am ehesten leisten kann, was sie soll, wenn sie ein äußerst getreues Bild von dem enthält, was sie intendiert. Aber ferner, daß auch das nicht ausreicht, weil ja das Bild, was immer es ist, sich verschieden deuten läßt; daß also dieses Bild doch wieder isoliert dasteht. Wie man das Bild allein ins Auge faßt, ist es plötzlich tot, und es ist, als wäre ihm etwas genommen worden, was es zuvor belebt hatte. Es ist kein Gedanke, keine Intention, und wie immer wir es uns begleitet denken, durch artikulierte oder unartikulierte Vorgänge, und durch welche Empfindungen immer: es bleibt isoliert, weist nicht aus sich heraus auf eine Realität außer ihm.


Nun sagt man: »Freilich intendiert das Bild nicht, sondern wir müssen mit ihm etwas intendieren«. Aber wenn dieses Intendieren, Meinen wieder etwas ist, was mit dem Bild geschieht, so sehe ich nicht ein, warum das an einen Menschen gebunden sein soll. Man kann ja auch den Vorgang der Verdauung als chemischen Prozeß studieren, unabhängig davon, ob er in einem Lebewesen stattfindet. Wir wollen sagen »Das Meinen ist doch wesentlich ein geistiger Vorgang, ein Vorgang des bewußten Lebens, nicht der toten Materie«. Aber was soll einen solchen ausmachen, als die spezifische Art dessen, was vorgeht—solange wir eben an einen Vorgang denken. Und nun scheint es uns, als ob gar kein Vorgang, welcher Art immer, das Intendieren sein kann.—Wir sind eben hier mit der Grammatik des ''Vorgangs'' nicht zufrieden, und nicht mit der spezifischen Art ''eines'' Vorgangs.—Man könnte sagen: jeden Vorgang würden wir in diesem Sinne »tot« nennen!
Nun sagt man: »Freilich intendiert das Bild nicht, sondern wir müssen mit ihm etwas intendieren«. Aber wenn dieses Intendieren, Meinen wieder etwas ist, was mit dem Bild geschieht, so sehe ich nicht ein, warum das an einen Menschen gebunden sein soll. Man kann ja auch den Vorgang der Verdauung als chemischen Prozeß studieren, unabhängig davon, ob er in einem Lebewesen stattfindet. Wir wollen sagen »Das Meinen ist doch wesentlich ein geistiger Vorgang, ein Vorgang des bewußten Lebens, nicht der toten Materie«. Aber was soll einen solchen ausmachen, als die spezifische Art dessen, was vorgeht – solange wir eben an einen Vorgang denken. Und nun scheint es uns, als ob gar kein Vorgang, welcher Art immer, das Intendieren sein kann. – Wir sind eben hier mit der Grammatik des ''Vorgangs'' nicht zufrieden, und nicht mit der spezifischen Art ''eines'' Vorgangs. – Man könnte sagen: jeden Vorgang würden wir in diesem Sinne »tot« nennen!


{{ParZ|237}} Fast könnte man sagen: »Die Meinung ''geht'', während jeder Vorgang steht«.
{{ParZ|237}} Fast könnte man sagen: »Die Meinung ''geht'', während jeder Vorgang steht«.
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{{ParZ|238}} Man sagt: Wie kann denn diese Gebärde, diese Haltung der Hand, dieses Bild der Wunsch sein, daß das und das der Fall wäre? Sie ist weiter nichts als eine Hand über einem Tisch und steht allein und ohne ''Sinn'' da! Wie eine einzelne Kulisse, die von der Aufführung eines Theaterstücks allein in einem Zimmer stehengeblieben ist. Sie hatte Leben nur im Stück.
{{ParZ|238}} Man sagt: Wie kann denn diese Gebärde, diese Haltung der Hand, dieses Bild der Wunsch sein, daß das und das der Fall wäre? Sie ist weiter nichts als eine Hand über einem Tisch und steht allein und ohne ''Sinn'' da! Wie eine einzelne Kulisse, die von der Aufführung eines Theaterstücks allein in einem Zimmer stehengeblieben ist. Sie hatte Leben nur im Stück.


{{ParZ|239}} »Der Gedanke stand in diesem Augenblick vor meiner Seele.«—Und wie?—»Ich hatte dieses Bild.«—So war das Bild der Gedanke? Nein; denn hätte ich einem bloß das Bild mitgeteilt, so hätte er nicht den Gedanken erhalten.
{{ParZ|239}} »Der Gedanke stand in diesem Augenblick vor meiner Seele.« – Und wie? – »Ich hatte dieses Bild.« – So war das Bild der Gedanke? Nein; denn hätte ich einem bloß das Bild mitgeteilt, so hätte er nicht den Gedanken erhalten.


{{ParZ|240}} Das Bild war der Schlüssel. Oder es ''erschien'' doch als Schlüssel.
{{ParZ|240}} Das Bild war der Schlüssel. Oder es ''erschien'' doch als Schlüssel.
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{{ParZ|244}} »Sätze dienen ja dazu zu beschreiben, wie sich alles verhält«, denken wir. Der Satz als ''Bild''.
{{ParZ|244}} »Sätze dienen ja dazu zu beschreiben, wie sich alles verhält«, denken wir. Der Satz als ''Bild''.


{{ParZ|245}} Ich verstehe dieses Bild genau, ich könnte es in Ton modellieren.—Ich verstehe diese Beschreibung genau, ich könnte eine Zeichnung nach ihr machen.
{{ParZ|245}} Ich verstehe dieses Bild genau, ich könnte es in Ton modellieren. – Ich verstehe diese Beschreibung genau, ich könnte eine Zeichnung nach ihr machen.


Man könnte in vielen Fällen als Kriterium des Verstehens festsetzen, daß man den Sinn des Satzes muß zeichnerisch darstellen können. (Ich denke etwa an eine offiziell festgelegte Prüfung des Verstehens.) Wie wird man z. B. im Kartenlesen geprüft?
Man könnte in vielen Fällen als Kriterium des Verstehens festsetzen, daß man den Sinn des Satzes muß zeichnerisch darstellen können. (Ich denke etwa an eine offiziell festgelegte Prüfung des Verstehens.) Wie wird man z. B. im Kartenlesen geprüft?
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Das Erste heißt doch: sich durch die Erscheinung eines Satzes nicht irren lassen und seine Anwendung im Sprachspiel untersuchen.
Das Erste heißt doch: sich durch die Erscheinung eines Satzes nicht irren lassen und seine Anwendung im Sprachspiel untersuchen.


Und »wenn ich etwas damit meine«—heißt das etwas ''Ähnliches'' wie: »wenn ich mir etwas dabei vorstellen kann«?—Von der Vorstellung führt oft ein Weg zur weiteren Verwendung.
Und »wenn ich etwas damit meine« – heißt das etwas ''Ähnliches'' wie: »wenn ich mir etwas dabei vorstellen kann«? – Von der Vorstellung führt oft ein Weg zur weiteren Verwendung.


{{ParZ|248}} (Etwas, was auf den ersten Blick ausschaut wie ein Satz und keiner ist.) Der folgende Vorschlag zur Konstruktion einer Straßenwalze wurde mir einmal mitgeteilt. Der Motor befindet sich im Innern der hohlen Walze. Die Kurbelwelle läuft durch die Mitte der Walze und ist an beiden Enden durch Speichen mit dem Walzenrand verbunden. Der Zylinder des Motors ist an der Innenseite der Walze befestigt. Auf den ersten Blick sieht diese Konstruktion wie eine Maschine aus. Aber sie ist ein starres System, und der Kolben kann sich im Zylinder nicht aus und ein bewegen. Wir haben ihn der Bewegungsmöglichkeit beraubt und wissen es nicht.
{{ParZ|248}} (Etwas, was auf den ersten Blick ausschaut wie ein Satz und keiner ist.) Der folgende Vorschlag zur Konstruktion einer Straßenwalze wurde mir einmal mitgeteilt. Der Motor befindet sich im Innern der hohlen Walze. Die Kurbelwelle läuft durch die Mitte der Walze und ist an beiden Enden durch Speichen mit dem Walzenrand verbunden. Der Zylinder des Motors ist an der Innenseite der Walze befestigt. Auf den ersten Blick sieht diese Konstruktion wie eine Maschine aus. Aber sie ist ein starres System, und der Kolben kann sich im Zylinder nicht aus und ein bewegen. Wir haben ihn der Bewegungsmöglichkeit beraubt und wissen es nicht.
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nur mit 4 Ausdehnungen!—»Aber ist nicht, was ich dir gezeigt habe, eben etwas wie
nur mit 4 Ausdehnungen! – »Aber ist nicht, was ich dir gezeigt habe, eben etwas wie


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nur mit 4 Ausdehnungen?«—Nein; das ''meine'' ich nicht!——Was aber meine ich? Was ist mein Bild? Nun, der 4-dimensionale Würfel, wie du ihn gezeichnet hast, ist es ''nicht''! Ich habe jetzt als Bild nur die ''Worte'' und die Ablehnung alles dessen, was du mir zeigen kannst.
nur mit 4 Ausdehnungen?« – Nein; das ''meine'' ich nicht! –– Was aber meine ich? Was ist mein Bild? Nun, der 4-dimensionale Würfel, wie du ihn gezeichnet hast, ist es ''nicht''! Ich habe jetzt als Bild nur die ''Worte'' und die Ablehnung alles dessen, was du mir zeigen kannst.


{{ParZ|250}} Sind die Rosen rot im Finstern?—Man kann an die Rose im Finstern als rot denken.
{{ParZ|250}} Sind die Rosen rot im Finstern? – Man kann an die Rose im Finstern als rot denken.


(Daß man sich etwas ›denken‹ kann, sagt nicht, daß es Sinn hat, es zu sagen.)
(Daß man sich etwas ›denken‹ kann, sagt nicht, daß es Sinn hat, es zu sagen.)


{{ParZ|251}} »Die Annahme, daß dieser Mensch—der sich ganz normal benimmt—dennoch blind ist, hat doch Sinn!«—D. h.: ›es ist doch eine Annahme‹, ›ich kann doch so etwas wirklich annehmen‹. Und das heißt: ich mache mir doch ein Bild von dem, was ich annehme. Wohl, aber geht es weiter? Wenn ich die Annahme, daß einer blind ist, unter andern Umständen mache, bestätige ich mir doch nie, daß diese Annahme wirklich Sinn hat. Und daß ich mir dabei wirklich etwas denke, ein Bild habe, spielt dann gar keine Rolle. Dieses Bild wird erst hier wichtig, wo es sozusagen der einzige Anhaltspunkt dafür ist, daß ich wirklich eine Annahme gemacht habe. Ja es ist alles, was von der Annahme hier noch übrig ist.
{{ParZ|251}} »Die Annahme, daß dieser Mensch – der sich ganz normal benimmt – dennoch blind ist, hat doch Sinn!« – D. h.: ›es ist doch eine Annahme‹, ›ich kann doch so etwas wirklich annehmen‹. Und das heißt: ich mache mir doch ein Bild von dem, was ich annehme. Wohl, aber geht es weiter? Wenn ich die Annahme, daß einer blind ist, unter andern Umständen mache, bestätige ich mir doch nie, daß diese Annahme wirklich Sinn hat. Und daß ich mir dabei wirklich etwas denke, ein Bild habe, spielt dann gar keine Rolle. Dieses Bild wird erst hier wichtig, wo es sozusagen der einzige Anhaltspunkt dafür ist, daß ich wirklich eine Annahme gemacht habe. Ja es ist alles, was von der Annahme hier noch übrig ist.


{{ParZ|252}} »Ich kann mir sehr wohl vorstellen, daß einer so handelt und doch nichts Schandbares in der Handlung sieht.«—Und nun folgt eine Beschreibung, wie man sich das vorzustellen habe.
{{ParZ|252}} »Ich kann mir sehr wohl vorstellen, daß einer so handelt und doch nichts Schandbares in der Handlung sieht.« – Und nun folgt eine Beschreibung, wie man sich das vorzustellen habe.


»Ich kann mir eine menschliche Gesellschaft vorstellen, in welcher es als unanständig gilt zu rechnen, außer zum Zeitvertreib.« Das heißt ungefähr soviel wie: ich könnte mir dies Bild leicht weiter ausmalen.
»Ich kann mir eine menschliche Gesellschaft vorstellen, in welcher es als unanständig gilt zu rechnen, außer zum Zeitvertreib.« Das heißt ungefähr soviel wie: ich könnte mir dies Bild leicht weiter ausmalen.
Line 813: Line 813:
{{ParZ|258}} Man kann in der Logik die Allgemeinheit nicht weiter ausdehnen, als unsere logische Voraussicht reicht. Oder richtiger: als unser logischer Blick reicht.
{{ParZ|258}} Man kann in der Logik die Allgemeinheit nicht weiter ausdehnen, als unsere logische Voraussicht reicht. Oder richtiger: als unser logischer Blick reicht.


{{ParZ|259}} »Wie aber kann der menschliche Verstand der Wirklichkeit vorausfliegen, und selbst das Unverifizierbare ''denken''?«—Warum sollen wir nicht das Unverifizierbare ''reden''? Wir machten es ja selbst unverifizierbar.
{{ParZ|259}} »Wie aber kann der menschliche Verstand der Wirklichkeit vorausfliegen, und selbst das Unverifizierbare ''denken''?« – Warum sollen wir nicht das Unverifizierbare ''reden''? Wir machten es ja selbst unverifizierbar.


Es wird ein falscher ''Schein'' erzeugt? Und wie kann es auch nur So ''scheinen''? Willst du denn nicht sagen, daß dies ''so'' auch nicht einmal eine Beschreibung ist? Nun, dann ist es also kein ''falscher'' Schein, sondern vielmehr einer, der uns der Orientierung beraubt. So daß wir uns an den Kopf greifen und eben fragen: Wie ist es möglich?
Es wird ein falscher ''Schein'' erzeugt? Und wie kann es auch nur So ''scheinen''? Willst du denn nicht sagen, daß dies ''so'' auch nicht einmal eine Beschreibung ist? Nun, dann ist es also kein ''falscher'' Schein, sondern vielmehr einer, der uns der Orientierung beraubt. So daß wir uns an den Kopf greifen und eben fragen: Wie ist es möglich?
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{{ParZ|265}} ''Bin ich berechtigt'' zu sagen, »Ich kann |||||||||| nicht als Gestalt sehen«? Was berechtigt mich dazu? (Was berechtigt den Blinden zu sagen, er könne nicht sehen?)
{{ParZ|265}} ''Bin ich berechtigt'' zu sagen, »Ich kann |||||||||| nicht als Gestalt sehen«? Was berechtigt mich dazu? (Was berechtigt den Blinden zu sagen, er könne nicht sehen?)


{{ParZ|266}} Kannst du dir absolutes Gehör vorstellen, wenn du es nicht hast?—Kannst du es dir vorstellen, ''wenn'' du es hast?—Kann ein Blinder sich das Sehen vorstellen? Kann ''ich'' mir es vorstellen?—Kann ich mir vorstellen, daß ich so und so spontan reagiere, wenn ich's nicht tue?—Kann ich mir's besser vorstellen, wenn ich's tue? ((Gehört zu der Frage: Kann ich mir vorstellen, daß jemand |||||||||| als artikulierte Gestalt sieht.))
{{ParZ|266}} Kannst du dir absolutes Gehör vorstellen, wenn du es nicht hast? – Kannst du es dir vorstellen, ''wenn'' du es hast? – Kann ein Blinder sich das Sehen vorstellen? Kann ''ich'' mir es vorstellen? – Kann ich mir vorstellen, daß ich so und so spontan reagiere, wenn ich's nicht tue? – Kann ich mir's besser vorstellen, wenn ich's tue? ((Gehört zu der Frage: Kann ich mir vorstellen, daß jemand |||||||||| als artikulierte Gestalt sieht.))


{{ParZ|267}} Soll es Erfahrungstatsache sein, daß, wer ein Erlebnis hatte, es sich vorstellen kann, und daß es ein Andrer ''nicht'' kann? (Wie weiß ich, daß der Blinde sich die Farben vorstellen kann?) Aber: er kann ein Sprachspiel nicht spielen (nicht erlernen). Aber wie? Erfahrungsgemäß oder eo ipso? Das letztere.
{{ParZ|267}} Soll es Erfahrungstatsache sein, daß, wer ein Erlebnis hatte, es sich vorstellen kann, und daß es ein Andrer ''nicht'' kann? (Wie weiß ich, daß der Blinde sich die Farben vorstellen kann?) Aber: er kann ein Sprachspiel nicht spielen (nicht erlernen). Aber wie? Erfahrungsgemäß oder eo ipso? Das letztere.
Line 845: Line 845:
{{ParZ|271}} Wozu dient ein Satz wie dieser: »Wir können uns die Empfindungen eines Jongleurs wie Rastelli gar nicht vorstellen«?
{{ParZ|271}} Wozu dient ein Satz wie dieser: »Wir können uns die Empfindungen eines Jongleurs wie Rastelli gar nicht vorstellen«?


{{ParZ|272}} »Es hat Sinn, von einer endlosen Baumreihe zu reden; ich kann mir doch vorstellen, daß eine Baumreihe ohne Ende weiterläuft.« D. h. etwa: Wenn es Sinn hat zu sagen, die Baumreihe komme hier zu einem Ende, hat es Sinn zu sagen, [sie komme nie zu einem Ende].<ref>Vermutung der Herausgeber der Papierausgabe.</ref> Ramsey pflegte auf solche Fragen zu antworten: es sei ''eben doch'' möglich, so etwas zu denken. So etwa, wie man sagt »Die Technik leistet heute eben Dinge, die du dir gar nie vorstellen kannst.«——Nun, da muß man herausfinden, was du dabei denkst. (Daß du versicherst, diese Phrase ließe sich ''denken''—was kann ich damit machen? Darauf kommt es ja nicht an. Ihr Zweck ist ja nicht der, Nebel in deiner Seele aufsteigen zu lassen.) ''Was'' du meinst—Wie ist es herauszufinden? Wir müssen geduldig prüfen, wie dieser Satz angewandt werden soll. Wie ''rund um ihn'' alles aussieht. Da wird sich sein Sinn zeigen.
{{ParZ|272}} »Es hat Sinn, von einer endlosen Baumreihe zu reden; ich kann mir doch vorstellen, daß eine Baumreihe ohne Ende weiterläuft.« D. h. etwa: Wenn es Sinn hat zu sagen, die Baumreihe komme hier zu einem Ende, hat es Sinn zu sagen, [sie komme nie zu einem Ende].<ref>Vermutung der Herausgeber der Papierausgabe.</ref> Ramsey pflegte auf solche Fragen zu antworten: es sei ''eben doch'' möglich, so etwas zu denken. So etwa, wie man sagt »Die Technik leistet heute eben Dinge, die du dir gar nie vorstellen kannst.« –– Nun, da muß man herausfinden, was du dabei denkst. (Daß du versicherst, diese Phrase ließe sich ''denken'' – was kann ich damit machen? Darauf kommt es ja nicht an. Ihr Zweck ist ja nicht der, Nebel in deiner Seele aufsteigen zu lassen.) ''Was'' du meinst – Wie ist es herauszufinden? Wir müssen geduldig prüfen, wie dieser Satz angewandt werden soll. Wie ''rund um ihn'' alles aussieht. Da wird sich sein Sinn zeigen.


{{ParZ|273}} Hardy: »That ›the finite cannot understand the infinite‹ should surely be a theological and not a mathematical war-cry.« Es ist wahr, dieser Ausdruck ist ungeschickt. Aber was Leute damit sagen wollen, ist: »Es muß hier doch mit rechten Dingen zugehen! Woher dieser Sprung von Endlichen zum Unendlichen?« Und so ganz unsinnig ist die Ausdrucksweise auch nicht—nur ist das ›Endliche‹, was das Unendliche nicht soll denken können, nicht ›der Mensch‹, oder ›unser Verstand‹, sondern der Kalkül. Und ''wie'' dieser das ›Unendliche‹ denkt, dies ist wohl einer Untersuchung wert. Und die ist zu vergleichen der genauen Untersuchung und Klärung der Geschäftsgebarung eines Unternehmens durch einen Chartered Accountant. Das Ziel ist eine übersichtliche, vergleichende Darstellung aller Anwendungen, Illustrationen, Auffassungen des Kalküls. Die vollkommene Übersicht über alles, was Unklarheit schaffen kann. Und diese Übersicht muß sich auf ein weites Gebiet erstrecken, denn die Wurzeln unserer Ideen reichen weit.—»Das Endliche kann nicht das Unendliche verstehen«, heißt hier: ''So'' kann es nicht zugehen, wie ihr es in charakteristischer Oberflächlichkeit darstellt.
{{ParZ|273}} Hardy: »That ›the finite cannot understand the infinite‹ should surely be a theological and not a mathematical war-cry.« Es ist wahr, dieser Ausdruck ist ungeschickt. Aber was Leute damit sagen wollen, ist: »Es muß hier doch mit rechten Dingen zugehen! Woher dieser Sprung von Endlichen zum Unendlichen?« Und so ganz unsinnig ist die Ausdrucksweise auch nicht – nur ist das ›Endliche‹, was das Unendliche nicht soll denken können, nicht ›der Mensch‹, oder ›unser Verstand‹, sondern der Kalkül. Und ''wie'' dieser das ›Unendliche‹ denkt, dies ist wohl einer Untersuchung wert. Und die ist zu vergleichen der genauen Untersuchung und Klärung der Geschäftsgebarung eines Unternehmens durch einen Chartered Accountant. Das Ziel ist eine übersichtliche, vergleichende Darstellung aller Anwendungen, Illustrationen, Auffassungen des Kalküls. Die vollkommene Übersicht über alles, was Unklarheit schaffen kann. Und diese Übersicht muß sich auf ein weites Gebiet erstrecken, denn die Wurzeln unserer Ideen reichen weit. – »Das Endliche kann nicht das Unendliche verstehen«, heißt hier: ''So'' kann es nicht zugehen, wie ihr es in charakteristischer Oberflächlichkeit darstellt.


Der Gedanke kann gleichsam ''fliegen'', er braucht nicht zu gehen. Du verstehst, d. h. übersiehst deine Transaktionen nicht und projizierst quasi dein Unverständnis in die Idee eines Mediums, in dem das Erstaunlichste möglich ist.
Der Gedanke kann gleichsam ''fliegen'', er braucht nicht zu gehen. Du verstehst, d. h. übersiehst deine Transaktionen nicht und projizierst quasi dein Unverständnis in die Idee eines Mediums, in dem das Erstaunlichste möglich ist.


{{ParZ|274}} Das ›wirklich Unendliche‹ ist ein ›bloßes Wort‹. Besser wäre zu sagen: dieser Ausdruck schafft vorläufig bloß ein Bild,—das noch in der Luft hängt; dessen Anwendung du uns noch schuldig bist.
{{ParZ|274}} Das ›wirklich Unendliche‹ ist ein ›bloßes Wort‹. Besser wäre zu sagen: dieser Ausdruck schafft vorläufig bloß ein Bild, – das noch in der Luft hängt; dessen Anwendung du uns noch schuldig bist.


{{ParZ|275}} Eine unendlich lange Kugelreihe, ein unendlich langer Stab. Denk dir, davon sei in einer Art Märchen die Rede. Welche Anwendung könnte man, wenn auch nur fiktiv, von diesem Begriff machen? Die Frage sei jetzt nicht: Kann es so etwas geben? Sondern: Was stellen wir uns vor? Lass also deiner Einbildung wirklich die Zügel schießen! Du kannst es jetzt haben, wie du's willst. Du brauchst nur zu ''sagen'', wie du's willst. Mach also (nur) ein Wortbild; illustrier es, wie du willst—durch Zeichnungen, durch Vergleiche etc.! Du kannst also—gleichsam—eine Werkzeichnung anfertigen.—Und nun ist noch die Frage, wie nach ihr gearbeitet werden soll.
{{ParZ|275}} Eine unendlich lange Kugelreihe, ein unendlich langer Stab. Denk dir, davon sei in einer Art Märchen die Rede. Welche Anwendung könnte man, wenn auch nur fiktiv, von diesem Begriff machen? Die Frage sei jetzt nicht: Kann es so etwas geben? Sondern: Was stellen wir uns vor? Lass also deiner Einbildung wirklich die Zügel schießen! Du kannst es jetzt haben, wie du's willst. Du brauchst nur zu ''sagen'', wie du's willst. Mach also (nur) ein Wortbild; illustrier es, wie du willst – durch Zeichnungen, durch Vergleiche etc.! Du kannst also – gleichsam – eine Werkzeichnung anfertigen. – Und nun ist noch die Frage, wie nach ihr gearbeitet werden soll.


{{ParZ|276}} Ich glaube, im Reihenstück ganz fein eine Zeichnung zu erblicken, die nurmehr des »u.s.w.« bedarf, um in die Unendlichkeit zu reichen.
{{ParZ|276}} Ich glaube, im Reihenstück ganz fein eine Zeichnung zu erblicken, die nurmehr des »u.s.w.« bedarf, um in die Unendlichkeit zu reichen.


»Ich erblicke ein Charakteristikum in ihr.«—Nun, doch etwas, was dem algebraischen Ausdruck entspricht.—»Ja, aber nichts Geschriebenes, sondern förmlich etwas Ätherisches.«—Welches seltsame Bild.—»Etwas, was nicht der algebraische Ausdruck ist, sondern wofür dieser nur eben der ''Ausdruck'' ist.«
»Ich erblicke ein Charakteristikum in ihr.« – Nun, doch etwas, was dem algebraischen Ausdruck entspricht. – »Ja, aber nichts Geschriebenes, sondern förmlich etwas Ätherisches.« – Welches seltsame Bild. – »Etwas, was nicht der algebraische Ausdruck ist, sondern wofür dieser nur eben der ''Ausdruck'' ist.«


{{ParZ|277}} Ich erblicke etwas in ihr—ähnlich wie eine Gestalt im Vexierbild. Und sehe ich das, so sage ich »Das ist alles, was ich brauche.«—Wer den Wegweiser findet, sucht nun nicht nach einer weiteren Instruktion, sondern er ''geht''. (Und sagte ich statt »er geht« »er richtet sich nun nach ihm«, so könnte der Unterschied der beiden nur sein, daß der zweite Ausdruck auf gewisse psychologische Begleiterscheinungen anspielt.)
{{ParZ|277}} Ich erblicke etwas in ihr – ähnlich wie eine Gestalt im Vexierbild. Und sehe ich das, so sage ich »Das ist alles, was ich brauche.« – Wer den Wegweiser findet, sucht nun nicht nach einer weiteren Instruktion, sondern er ''geht''. (Und sagte ich statt »er geht« »er richtet sich nun nach ihm«, so könnte der Unterschied der beiden nur sein, daß der zweite Ausdruck auf gewisse psychologische Begleiterscheinungen anspielt.)


{{ParZ|278}} Was heißt es: Man kann eine gerade Strecke beliebig verlängern? Gibt es hier nicht ein »Und so weiter ad inf.«, das ganz verschieden ist von dem der mathematischen Induktion? Nach dem Bisherigen bestünde der Ausdruck für die Möglichkeit der Verlängerns, im Sinn der Beschreibung des verlängerten Stückes oder des Verlängerns. Hier scheint es sich nun zunächst gar nicht um Zahlen zu handeln. Ich kann mir denken, daß der Bleistift, der die Strecke zeichnet, seine Bewegung fortsetzt und nun immer so weiter geht. Ist es aber auch denkbar, daß die Möglichkeit nicht besteht, diesen Vorgang mit einem zählbaren Vorgang zu begleiten? Ich glaube nicht.
{{ParZ|278}} Was heißt es: Man kann eine gerade Strecke beliebig verlängern? Gibt es hier nicht ein »Und so weiter ad inf.«, das ganz verschieden ist von dem der mathematischen Induktion? Nach dem Bisherigen bestünde der Ausdruck für die Möglichkeit der Verlängerns, im Sinn der Beschreibung des verlängerten Stückes oder des Verlängerns. Hier scheint es sich nun zunächst gar nicht um Zahlen zu handeln. Ich kann mir denken, daß der Bleistift, der die Strecke zeichnet, seine Bewegung fortsetzt und nun immer so weiter geht. Ist es aber auch denkbar, daß die Möglichkeit nicht besteht, diesen Vorgang mit einem zählbaren Vorgang zu begleiten? Ich glaube nicht.


{{ParZ|279}} Wann sagen wir: »Die Linie gibt mir das ''als Regel'' ein—immer das Gleiche.«? Und anderseits: »Sie gibt mir immer wieder ein, was ich zu tun habe—sie ist keine Regel.«?
{{ParZ|279}} Wann sagen wir: »Die Linie gibt mir das ''als Regel'' ein – immer das Gleiche.«? Und anderseits: »Sie gibt mir immer wieder ein, was ich zu tun habe – sie ist keine Regel.«?


Im ersten Fall heißt es: ich habe keine weitere Instanz dafür, was ich zu tun habe. Die Regel tut es ganz allein; ich brauche ihr nur zu folgen (und folgen ist eben ''eins''). Ich fühle nicht z. B.: es ist seltsam, daß mir die Linie immer etwas sagt.—Der andre Satz sagt: Ich weiß nicht, was ich tun werde; die Linie wird's mir sagen.
Im ersten Fall heißt es: ich habe keine weitere Instanz dafür, was ich zu tun habe. Die Regel tut es ganz allein; ich brauche ihr nur zu folgen (und folgen ist eben ''eins''). Ich fühle nicht z. B.: es ist seltsam, daß mir die Linie immer etwas sagt. – Der andre Satz sagt: Ich weiß nicht, was ich tun werde; die Linie wird's mir sagen.


{{ParZ|280}} Man könnte sich denken, daß einer mit solchen Gefühlen multipliziert, richtig multipliziert; immer wieder sagt »Ich weiß nicht—jetzt gibt mir die Regel auf einmal ''das'' ein!«—und daß wir antworten: »Freilich; du gehst ja ganz nach der Regel vor.«
{{ParZ|280}} Man könnte sich denken, daß einer mit solchen Gefühlen multipliziert, richtig multipliziert; immer wieder sagt »Ich weiß nicht – jetzt gibt mir die Regel auf einmal ''das'' ein!« – und daß wir antworten: »Freilich; du gehst ja ganz nach der Regel vor.«


{{ParZ|281}} Zu sagen, die Punkte, die dieses Experiment liefert, liegen durchschnittlich auf dieser Linie, z. B. einer Geraden, sagt etwas Ähnliches, wie: »Aus dieser Entfernung gesehen, scheinen sie in einer Geraden zu liegen.«
{{ParZ|281}} Zu sagen, die Punkte, die dieses Experiment liefert, liegen durchschnittlich auf dieser Linie, z. B. einer Geraden, sagt etwas Ähnliches, wie: »Aus dieser Entfernung gesehen, scheinen sie in einer Geraden zu liegen.«
Line 875: Line 875:
{{ParZ|282}} »Sie gibt mir verantwortungslos dies oder das ein« heißt: ich kann es dich nicht lehren, ''wie'' ich der Linie folge. Ich setze nicht voraus, daß du ihr folgen wirst wie ich, auch wenn du ihr folgst.
{{ParZ|282}} »Sie gibt mir verantwortungslos dies oder das ein« heißt: ich kann es dich nicht lehren, ''wie'' ich der Linie folge. Ich setze nicht voraus, daß du ihr folgen wirst wie ich, auch wenn du ihr folgst.


{{ParZ|283}} Was heißt es: verstehen, daß etwas ein Befehl ist, wenn man auch den Befehl selber noch nicht versteht? (»Er meint: ich soll etwas tun—aber ''was'' er wünscht, weiß ich nicht.«)
{{ParZ|283}} Was heißt es: verstehen, daß etwas ein Befehl ist, wenn man auch den Befehl selber noch nicht versteht? (»Er meint: ich soll etwas tun – aber ''was'' er wünscht, weiß ich nicht.«)


{{ParZ|284}} Der Satz »Ich muß den Befehl verstehen, ehe ich nach ihm handeln kann«, hat natürlich einen guten Sinn; aber wieder keinen metalogischen.
{{ParZ|284}} Der Satz »Ich muß den Befehl verstehen, ehe ich nach ihm handeln kann«, hat natürlich einen guten Sinn; aber wieder keinen metalogischen.


{{ParZ|285}} Die Idee, die man dabei vom Verstehen hat, ist etwa, daß man dadurch von den Worten näher an die Ausführung heran kommt.—In welchem Sinne ist das richtig?
{{ParZ|285}} Die Idee, die man dabei vom Verstehen hat, ist etwa, daß man dadurch von den Worten näher an die Ausführung heran kommt. – In welchem Sinne ist das richtig?


{{ParZ|286}} »Aber ich muß einen Befehl verstehen, um nach ihm handeln zu können.« Hier ist das »''Muß''« verdächtig.
{{ParZ|286}} »Aber ich muß einen Befehl verstehen, um nach ihm handeln zu können.« Hier ist das »''Muß''« verdächtig.


Denk auch an die Frage: »Wie lange vor dem Befolgen mußt du den Befehl verstehen?«
Denk auch an die Frage: »Wie lange vor dem Befolgen mußt du den Befehl verstehen?«


{{ParZ|287}} »Ich kann den Befehl nicht ausführen, weil ich nicht verstehe, was du meinst.——Ja, jetzt verstehe ich dich.«—Was ging da vor, als ich plötzlich den Andern verstand? Da gab es viele Möglichkeiten. Der Befehl konnte z. B. mit falscher Betonung gegeben worden sein; und es fiel mir plötzlich die richtige Betonung ein. Einem Dritten würde ich dann sagen »Jetzt verstehe ich ihn, er meint .....« und würde den Befehl in richtiger Betonung wiederholen. Und in der richtigen Betonung verstünde ich ihn nun; d. h., ich müßte nun nicht noch einen ''Sinn'' erfassen (etwas ''außerhalb'' des Satzes, also ätherisches), sondern es genügt mir vollkommen der wohlbekannte deutsche Wortlaut.—Oder der Befehl ist mir in verständlichem Deutsch gegeben worden, schien mir aber ungereimt. Dann fällt mir eine Erklärung ein; und nun kann ich ihn ausführen.—Oder es konnten mir mehrere Deutungen vorschweben, für deren eine ich mich endlich entscheide.
{{ParZ|287}} »Ich kann den Befehl nicht ausführen, weil ich nicht verstehe, was du meinst. –– Ja, jetzt verstehe ich dich.« – Was ging da vor, als ich plötzlich den Andern verstand? Da gab es viele Möglichkeiten. Der Befehl konnte z. B. mit falscher Betonung gegeben worden sein; und es fiel mir plötzlich die richtige Betonung ein. Einem Dritten würde ich dann sagen »Jetzt verstehe ich ihn, er meint .....« und würde den Befehl in richtiger Betonung wiederholen. Und in der richtigen Betonung verstünde ich ihn nun; d. h., ich müßte nun nicht noch einen ''Sinn'' erfassen (etwas ''außerhalb'' des Satzes, also ätherisches), sondern es genügt mir vollkommen der wohlbekannte deutsche Wortlaut. – Oder der Befehl ist mir in verständlichem Deutsch gegeben worden, schien mir aber ungereimt. Dann fällt mir eine Erklärung ein; und nun kann ich ihn ausführen. – Oder es konnten mir mehrere Deutungen vorschweben, für deren eine ich mich endlich entscheide.


{{ParZ|288}} Wenn der Befehl ''nicht'' befolgt wird—wo ist dann der Schatten seiner Befolgung, den du zu sehen meintest; weil dir die Form vorschwebte: Er befiehlt ''das und das''.
{{ParZ|288}} Wenn der Befehl ''nicht'' befolgt wird – wo ist dann der Schatten seiner Befolgung, den du zu sehen meintest; weil dir die Form vorschwebte: Er befiehlt ''das und das''.


{{ParZ|289}} Wenn die Verbindung des Meinens ''vor'' dem Befehl hergestellt werden konnte, dann auch nach dem Befehl.
{{ParZ|289}} Wenn die Verbindung des Meinens ''vor'' dem Befehl hergestellt werden konnte, dann auch nach dem Befehl.


{{ParZ|290}} »Er hat ''das'' getan, was ich ihm befohlen habe.«—Warum soll man hier nicht sagen: es sei eine Identität der Handlung und der ''Worte''?! Wozu soll ich einen Schatten zwischen die beiden stellen? Wir haben ja eine Projektionsmethode.—Nur ist es eine andere Identität: »Ich habe das getan, was er getan hat« und anderseits »Ich habe das getan, was er befohlen hat«.
{{ParZ|290}} »Er hat ''das'' getan, was ich ihm befohlen habe.« – Warum soll man hier nicht sagen: es sei eine Identität der Handlung und der ''Worte''?! Wozu soll ich einen Schatten zwischen die beiden stellen? Wir haben ja eine Projektionsmethode. – Nur ist es eine andere Identität: »Ich habe das getan, was er getan hat« und anderseits »Ich habe das getan, was er befohlen hat«.


{{ParZ|291}} »Verbindung des Bildes mit dem Abgebildeten« könnte man die Projektionsstrahlen nennen; aber auch die Technik des Projizierens.
{{ParZ|291}} »Verbindung des Bildes mit dem Abgebildeten« könnte man die Projektionsstrahlen nennen; aber auch die Technik des Projizierens.
Line 907: Line 907:
{{ParZ|294}} Im einen Fall machen wir den Zug eines bestehenden Spiels, im andern setzen wir eine Spielregel fest. Man könnte auch das Zichen mit einer Spielfigur auf diese beiden Arten auffassen: als Paradigma für künftige Züge, und als Zug einer Partie.
{{ParZ|294}} Im einen Fall machen wir den Zug eines bestehenden Spiels, im andern setzen wir eine Spielregel fest. Man könnte auch das Zichen mit einer Spielfigur auf diese beiden Arten auffassen: als Paradigma für künftige Züge, und als Zug einer Partie.


{{ParZ|295}} Du mußt bedenken, daß es ein Sprachspiel geben kann, ›eine Reihe von Ziffern fortsetzen‹, in dem keine Regel, kein Regelausdruck je gegeben wird, sondern das Lernen nur durch Beispiele geschieht. So daß die Idee, jeder Schritt sei durch ein Etwas—eine Art Vorbild—in unserm Geiste zu rechtfertigen, diesen Leuten gänzlich fremd wäre.
{{ParZ|295}} Du mußt bedenken, daß es ein Sprachspiel geben kann, ›eine Reihe von Ziffern fortsetzen‹, in dem keine Regel, kein Regelausdruck je gegeben wird, sondern das Lernen nur durch Beispiele geschieht. So daß die Idee, jeder Schritt sei durch ein Etwas – eine Art Vorbild – in unserm Geiste zu rechtfertigen, diesen Leuten gänzlich fremd wäre.


{{ParZ|296}} Wie seltsam: Es scheint, als ob zwar eine physische (mechanische) Führung versagen, Unvorhergesehenes zulassen könnte, aber eine Regel nicht! Sie wäre sozusagen die einzig verläßliche Führung. Aber worin besteht es, daß eine Führung eine Bewegung nicht zuläßt und worin, daß eine Regel sie nicht zuläßt?—Wie weiß man das eine, und wie das andere?
{{ParZ|296}} Wie seltsam: Es scheint, als ob zwar eine physische (mechanische) Führung versagen, Unvorhergesehenes zulassen könnte, aber eine Regel nicht! Sie wäre sozusagen die einzig verläßliche Führung. Aber worin besteht es, daß eine Führung eine Bewegung nicht zuläßt und worin, daß eine Regel sie nicht zuläßt? – Wie weiß man das eine, und wie das andere?


{{ParZ|297}} »Wie mach ich's denn, um ein Wort immer richtig, d. h., sinnvoll anzuwenden; schau ich immer in der Grammatik nach? Nein; daß ich etwas meine—was ich meine, hindert mich, Unsinn zu sagen.«—»Ich meine etwas mit den Worten« heißt hier: Ich ''weiß'', daß ich sie anwenden kann.
{{ParZ|297}} »Wie mach ich's denn, um ein Wort immer richtig, d. h., sinnvoll anzuwenden; schau ich immer in der Grammatik nach? Nein; daß ich etwas meine – was ich meine, hindert mich, Unsinn zu sagen.« – »Ich meine etwas mit den Worten« heißt hier: Ich ''weiß'', daß ich sie anwenden kann.


Ich kann aber glauben, sie anwenden zu können, und es zeigt sich, daß ich im Irrtum war.
Ich kann aber glauben, sie anwenden zu können, und es zeigt sich, daß ich im Irrtum war.


{{ParZ|298}} Daraus folgt nicht, daß Verstehen die Tätigkeit ist, durch die wir unser Verständnis zeigen. Die Frage, ob es diese Tätigkeit ist, ist irreführend. Sie darf nicht ''so'' aufgefaßt werden: »Ist also das Verstehen diese Tätigkeit—ist es nicht doch eine ''andere''?«—Sondern so: »Wird ›Verstehen‹ zur Bezeichnung dieser Tätigkeit gebraucht wird es nicht ''anders'' gebraucht?«
{{ParZ|298}} Daraus folgt nicht, daß Verstehen die Tätigkeit ist, durch die wir unser Verständnis zeigen. Die Frage, ob es diese Tätigkeit ist, ist irreführend. Sie darf nicht ''so'' aufgefaßt werden: »Ist also das Verstehen diese Tätigkeit – ist es nicht doch eine ''andere''?« – Sondern so: »Wird ›Verstehen‹ zur Bezeichnung dieser Tätigkeit gebraucht wird es nicht ''anders'' gebraucht?«


{{ParZ|299}} Wir sagen: »Wenn ihr beim Multiplizieren wirklich der Regel folgt, ''muß'' das Gleiche herauskommen.« Nun, wenn dies nur die etwas hysterische Ausdrucksweise der Universitätssprache ist, so braucht sie uns nicht sehr zu interessieren. Es ist aber der Ausdruck einer Einstellung zu der Technik des Rechnens, die sich überall in unserm Leben zeigt. Die Emphase des Muß entspricht nur der Unerbittlichkeit dieser Einstellung, sowohl zur Technik des Rechnens, als auch zu unzähligen verwandten Übungen.
{{ParZ|299}} Wir sagen: »Wenn ihr beim Multiplizieren wirklich der Regel folgt, ''muß'' das Gleiche herauskommen.« Nun, wenn dies nur die etwas hysterische Ausdrucksweise der Universitätssprache ist, so braucht sie uns nicht sehr zu interessieren. Es ist aber der Ausdruck einer Einstellung zu der Technik des Rechnens, die sich überall in unserm Leben zeigt. Die Emphase des Muß entspricht nur der Unerbittlichkeit dieser Einstellung, sowohl zur Technik des Rechnens, als auch zu unzähligen verwandten Übungen.
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{{ParZ|300}} Mit den Worten: »''Diese'' Zahl ist die folgerechte Fortsetzung dieser Reihe,« könnte ich einen dazu bringen, daß er in Zukunft das und das »folgerechte Fortsetzung« nennt. Was ›das und das‹ ist, kann ich nur an Beispielen zeigen. D. h., ich lehre ihn eine Reihe (Grundreihe) fortsetzen, ohne einen Ausdruck des ›Gesetzes der Reihe‹ zu verwenden; vielmehr, um ein Substrat zu erhalten für die Bedeutung algebraischer Regeln, oder was ihnen ähnlich ist.
{{ParZ|300}} Mit den Worten: »''Diese'' Zahl ist die folgerechte Fortsetzung dieser Reihe,« könnte ich einen dazu bringen, daß er in Zukunft das und das »folgerechte Fortsetzung« nennt. Was ›das und das‹ ist, kann ich nur an Beispielen zeigen. D. h., ich lehre ihn eine Reihe (Grundreihe) fortsetzen, ohne einen Ausdruck des ›Gesetzes der Reihe‹ zu verwenden; vielmehr, um ein Substrat zu erhalten für die Bedeutung algebraischer Regeln, oder was ihnen ähnlich ist.


{{ParZ|301}} Er muß ''ohne Grund'' so fortsetzen. Aber nicht, weil man ihm den Grund noch nicht begreiflich machen kann, sondern weil es—in ''diesem'' System—keinen Grund gibt. (»Die Kette der Gründe hat ein Ende.«)
{{ParZ|301}} Er muß ''ohne Grund'' so fortsetzen. Aber nicht, weil man ihm den Grund noch nicht begreiflich machen kann, sondern weil es – in ''diesem'' System – keinen Grund gibt. (»Die Kette der Gründe hat ein Ende.«)


Und das ''so'' (in »so fortsetzen«) ist durch eine Ziffer, einen Wert, bezeichnet. Denn auf ''dieser'' Stufe wird der Regelausdruck durch den Wert erklärt, nicht der Wert durch die Regel.
Und das ''so'' (in »so fortsetzen«) ist durch eine Ziffer, einen Wert, bezeichnet. Denn auf ''dieser'' Stufe wird der Regelausdruck durch den Wert erklärt, nicht der Wert durch die Regel.
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{{ParZ|302}} Denn dort, wo es heißt »Aber ''siehst'' du denn nicht .....?« nützt ja eben die Regel nichts, sie ist Erklärtes, nicht Erklärendes.
{{ParZ|302}} Denn dort, wo es heißt »Aber ''siehst'' du denn nicht .....?« nützt ja eben die Regel nichts, sie ist Erklärtes, nicht Erklärendes.


{{ParZ|303}} »Er erfaßt die Regel intuitiv.«—Warum aber die Regel? Und nicht, wie er jetzt fortsetzen soll?
{{ParZ|303}} »Er erfaßt die Regel intuitiv.« – Warum aber die Regel? Und nicht, wie er jetzt fortsetzen soll?


{{ParZ|304}} »Hat er nur das Richtige gesehen, diejenige der unendlich vielen Beziehungen, die ich ihm nahezubringen trachte,—hat er sie nur einmal erfaßt, so wird er jetzt ohne weiteres die Reihe richtig fortsetzen. Ich gebe zu, er kann diese Beziehung, die ich meine, nur erraten (intuitiv erraten)—ist es aber gelungen, dann ist das Spiel gewonnen.«—Aber dieses Richtige von mir Gemeinte gibt es gar nicht. Der Vergleich ist falsch. Es gibt hier nicht quasi ein Rädchen, das er erfassen soll, die richtige Maschine, die ihn, einmal gewählt, automatisch weiterbringt. Es könnte ja sein, daß sich in unserm Gehirn so etwas abspielt, aber das interessiert uns nicht.
{{ParZ|304}} »Hat er nur das Richtige gesehen, diejenige der unendlich vielen Beziehungen, die ich ihm nahezubringen trachte, – hat er sie nur einmal erfaßt, so wird er jetzt ohne weiteres die Reihe richtig fortsetzen. Ich gebe zu, er kann diese Beziehung, die ich meine, nur erraten (intuitiv erraten) – ist es aber gelungen, dann ist das Spiel gewonnen.« – Aber dieses Richtige von mir Gemeinte gibt es gar nicht. Der Vergleich ist falsch. Es gibt hier nicht quasi ein Rädchen, das er erfassen soll, die richtige Maschine, die ihn, einmal gewählt, automatisch weiterbringt. Es könnte ja sein, daß sich in unserm Gehirn so etwas abspielt, aber das interessiert uns nicht.


{{ParZ|305}} »Tu dasselbe!« Aber dabei muß ich ja auf die Regel zeigen. Die muß er also schon ''anzuwenden'' gelernt haben. Denn was bedeutet ihr Ausdruck sonst für ihn?
{{ParZ|305}} »Tu dasselbe!« Aber dabei muß ich ja auf die Regel zeigen. Die muß er also schon ''anzuwenden'' gelernt haben. Denn was bedeutet ihr Ausdruck sonst für ihn?
Line 937: Line 937:
{{ParZ|307}} Ich könnte z. B. erraten, welche Fortsetzung dem Andern ''Freude'' machen wird (etwa nach seinem Gesicht). Die Anwendung der Regel erraten könnte man nur, sofern man bereits unter verschiedenen Anwendungen wählen kann.
{{ParZ|307}} Ich könnte z. B. erraten, welche Fortsetzung dem Andern ''Freude'' machen wird (etwa nach seinem Gesicht). Die Anwendung der Regel erraten könnte man nur, sofern man bereits unter verschiedenen Anwendungen wählen kann.


{{ParZ|308}} Man könnte sich ja dann auch denken, daß er, statt die ›Anwendung der Regel zu erraten‹, sie ''erfindet''. Nun, wie sähe das aus?—Soll er etwa sagen: »Der Regel + 1 folgen, möge einmal heißen zu schreiben: 1, 1+1, 1+1+1, u. s. w.«? Aber was meint er damit? Das »u. s. w.« setzt ja eben schon das Beherrschen einer Technik voraus.
{{ParZ|308}} Man könnte sich ja dann auch denken, daß er, statt die ›Anwendung der Regel zu erraten‹, sie ''erfindet''. Nun, wie sähe das aus? – Soll er etwa sagen: »Der Regel + 1 folgen, möge einmal heißen zu schreiben: 1, 1+1, 1+1+1, u. s. w.«? Aber was meint er damit? Das »u. s. w.« setzt ja eben schon das Beherrschen einer Technik voraus.


Statt »u. s. w.« hätte er auch sagen können: »Du weißt schon, was ich meine.« Und seine Erklärung wäre einfach eine ''Definition'' des Ausdrucks »der Regel + 1 folgen« gewesen. ''Das'' wäre seine »Erfindung« gewesen.
Statt »u. s. w.« hätte er auch sagen können: »Du weißt schon, was ich meine.« Und seine Erklärung wäre einfach eine ''Definition'' des Ausdrucks »der Regel + 1 folgen« gewesen. ''Das'' wäre seine »Erfindung« gewesen.
Line 943: Line 943:
{{ParZ|309}} Wir kopieren die Ziffern von 1 bis 100 etwa und ''schließen'', ''denken'' auf diese Weise.
{{ParZ|309}} Wir kopieren die Ziffern von 1 bis 100 etwa und ''schließen'', ''denken'' auf diese Weise.


Ich könnte es so sagen: Wenn ich die Ziffern von 1 bis 100 kopiere,—wie weiß ich, daß ich eine Ziffernreihe erhalten werde, die beim Zählen stimmt? Und ''was'' ist hier eine Kontrolle ''wofür''? Oder wie soll ich hier die wichtige Erfahrungstatsache beschreiben? Soll ich sagen, die Erfahrung lehrt, daß ich immer gleich zähle? Oder, daß beim Kopieren keine Ziffer verloren geht? Oder, daß die Ziffern auf dem Papier stehen bleiben, wie sie sind, auch wenn ich nicht hinschaue? Oder ''alle'' diese Tatsachen? Oder soll ich sagen, daß wir einfach nicht in Schwierigkeiten kommen? Oder daß uns fast immer alles in Ordnung zu sein scheint ?
Ich könnte es so sagen: Wenn ich die Ziffern von 1 bis 100 kopiere, – wie weiß ich, daß ich eine Ziffernreihe erhalten werde, die beim Zählen stimmt? Und ''was'' ist hier eine Kontrolle ''wofür''? Oder wie soll ich hier die wichtige Erfahrungstatsache beschreiben? Soll ich sagen, die Erfahrung lehrt, daß ich immer gleich zähle? Oder, daß beim Kopieren keine Ziffer verloren geht? Oder, daß die Ziffern auf dem Papier stehen bleiben, wie sie sind, auch wenn ich nicht hinschaue? Oder ''alle'' diese Tatsachen? Oder soll ich sagen, daß wir einfach nicht in Schwierigkeiten kommen? Oder daß uns fast immer alles in Ordnung zu sein scheint ?


''So'' denken wir. ''So'' handeln wir. ''So'' reden wir darüber.
''So'' denken wir. ''So'' handeln wir. ''So'' reden wir darüber.
Line 949: Line 949:
{{ParZ|310}} Denke, du solltest beschreiben, wie Menschen das Zählen (im Dezimalsystem z. B.) lernen. Du beschreibst, was der Lehrer sagt und tut, und wie der Schüler darauf reagiert. In dem, was der Lehrer sagt und tut, werden sich z. B. Worte und Gebärden finden, die den Schüler zum Fortsetzen einer Reihe aufmuntern sollen; auch Worte wie »Er kann jetzt zählen«. Soll nun die Beschreibung, die ich von dem Vorgang des Lehrens und Lernens gebe, außer den Worten des Lehrers auch mein eigenes Urteil enthalten: der Schüler könne jetzt zählen oder der Schüler habe nun das System der Zahlworte verstanden? Wenn ich so ein Urteil nicht in die Beschreibung aufnehmen ist sie dann unvollständig? Und wenn ich es aufnehme, gehe ich über die bloße Beschreibung hinaus? Kann ich mich jener Urteile enthalten mit der Begründung: »''Das ist alles, was geschieht''«?
{{ParZ|310}} Denke, du solltest beschreiben, wie Menschen das Zählen (im Dezimalsystem z. B.) lernen. Du beschreibst, was der Lehrer sagt und tut, und wie der Schüler darauf reagiert. In dem, was der Lehrer sagt und tut, werden sich z. B. Worte und Gebärden finden, die den Schüler zum Fortsetzen einer Reihe aufmuntern sollen; auch Worte wie »Er kann jetzt zählen«. Soll nun die Beschreibung, die ich von dem Vorgang des Lehrens und Lernens gebe, außer den Worten des Lehrers auch mein eigenes Urteil enthalten: der Schüler könne jetzt zählen oder der Schüler habe nun das System der Zahlworte verstanden? Wenn ich so ein Urteil nicht in die Beschreibung aufnehmen ist sie dann unvollständig? Und wenn ich es aufnehme, gehe ich über die bloße Beschreibung hinaus? Kann ich mich jener Urteile enthalten mit der Begründung: »''Das ist alles, was geschieht''«?


{{ParZ|311}} Muß ich nicht vielmehr fragen: »Was tut die Beschreibung überhaupt? Wozu dient sie?«—Was eine vollständige und eine unvollständige Beschreibung ist, wissen wir allerdings in anderem Zusammenhang. Frage dich: Wie verwendet man die Ausdrücke »vollständige« und »unvollständige Beschreibung«?
{{ParZ|311}} Muß ich nicht vielmehr fragen: »Was tut die Beschreibung überhaupt? Wozu dient sie?« – Was eine vollständige und eine unvollständige Beschreibung ist, wissen wir allerdings in anderem Zusammenhang. Frage dich: Wie verwendet man die Ausdrücke »vollständige« und »unvollständige Beschreibung«?


Eine Rede vollständig (oder unvollständig) wiedergeben. Gehört dazu auch die Wiedergabe des Tonfalls, des Mienenspiels, der Echtheit oder Unechtheit der Gefühle, der Absichten des Redners, der Anstrengung des Redens? Ob das oder jenes für uns zur vollständigen Beschreibung gehört, wird vom Zweck der Beschreibung abhängen, davon, was der Empfänger mit der Beschreibung anfängt.
Eine Rede vollständig (oder unvollständig) wiedergeben. Gehört dazu auch die Wiedergabe des Tonfalls, des Mienenspiels, der Echtheit oder Unechtheit der Gefühle, der Absichten des Redners, der Anstrengung des Redens? Ob das oder jenes für uns zur vollständigen Beschreibung gehört, wird vom Zweck der Beschreibung abhängen, davon, was der Empfänger mit der Beschreibung anfängt.
Line 955: Line 955:
{{ParZ|312}} Der Ausdruck »Das ist alles, was ''geschieht''«, grenzt ab, was wir »geschehen« nennen.
{{ParZ|312}} Der Ausdruck »Das ist alles, was ''geschieht''«, grenzt ab, was wir »geschehen« nennen.


{{ParZ|313}} Hier ist die Versuchung überwältigend, noch etwas zu sagen, wenn schon alles beschrieben ist.—Woher dieser Drang? Welche Analogie, welche falsche Interpretation erzeugt ihn?
{{ParZ|313}} Hier ist die Versuchung überwältigend, noch etwas zu sagen, wenn schon alles beschrieben ist. – Woher dieser Drang? Welche Analogie, welche falsche Interpretation erzeugt ihn?


{{ParZ|314}} Hier stoßen wir auf eine merkwürdige und charakteristische Erscheinung in philosophischen Untersuchungen: Die Schwierigkeit—könnte ich sagen—ist nicht, die Lösung zu finden, sondern etwas als die Lösung anzuerkennen, was aussieht, als wäre es erst eine Vorstufe zu ihr. »Wir haben schon alles gesagt.—Nicht etwas, was daraus folgt, sondern eben ''das'' ist die Lösung!«
{{ParZ|314}} Hier stoßen wir auf eine merkwürdige und charakteristische Erscheinung in philosophischen Untersuchungen: Die Schwierigkeit – könnte ich sagen – ist nicht, die Lösung zu finden, sondern etwas als die Lösung anzuerkennen, was aussieht, als wäre es erst eine Vorstufe zu ihr. »Wir haben schon alles gesagt. – Nicht etwas, was daraus folgt, sondern eben ''das'' ist die Lösung!«


Das hängt, glaube ich, damit zusammen, daß wir fälschlich eine Erklärung erwarten; während eine Beschreibung die Lösung der Schwierigkeit ist, wenn wir sie richtig in unsere Betrachtung einordnen. Wenn wir bei ihr verweilen, nicht versuchen, über sie hinauszukommen.
Das hängt, glaube ich, damit zusammen, daß wir fälschlich eine Erklärung erwarten; während eine Beschreibung die Lösung der Schwierigkeit ist, wenn wir sie richtig in unsere Betrachtung einordnen. Wenn wir bei ihr verweilen, nicht versuchen, über sie hinauszukommen.
Line 965: Line 965:
{{ParZ|315}} »Warum verlangst du Erklärungen? Wenn diese gegeben sein werden, wirst du ja doch wieder vor einem Ende stehen. Sie können dich nicht weiterführen, als du jetzt bist.«
{{ParZ|315}} »Warum verlangst du Erklärungen? Wenn diese gegeben sein werden, wirst du ja doch wieder vor einem Ende stehen. Sie können dich nicht weiterführen, als du jetzt bist.«


{{ParZ|316}} Man kann einen roten Gegenstand als Muster für das Malen eines ''rötlichen'' Weiß oder eines rötlichen Gelb (etc.) verwenden—aber kann man es auch als Muster für das Malen eines blaugrünen Farbtones z. B. verwenden?—Wie, wenn ich jemanden mit allen äußern Zeichen des genauen Kopierens einen roten Fleck blaugrün ›wiedergeben‹ sähe?—Ich würde sagen »Ich weiß nicht, wie er es macht!« Oder auch »Ich weiß nicht, ''was'' er macht!«—Aber angenommen, er ›kopierte‹ nun diesen Ton von Rot bei verschiedenen Gelegenheiten in Blaugrün und etwa andere Töne von Rot regelmäßig in andern blaugrünen Tönen—soll ich nun sagen, er kopiere, oder er kopiere nicht?
{{ParZ|316}} Man kann einen roten Gegenstand als Muster für das Malen eines ''rötlichen'' Weiß oder eines rötlichen Gelb (etc.) verwenden – aber kann man es auch als Muster für das Malen eines blaugrünen Farbtones z. B. verwenden? – Wie, wenn ich jemanden mit allen äußern Zeichen des genauen Kopierens einen roten Fleck blaugrün ›wiedergeben‹ sähe? – Ich würde sagen »Ich weiß nicht, wie er es macht!« Oder auch »Ich weiß nicht, ''was'' er macht!« – Aber angenommen, er ›kopierte‹ nun diesen Ton von Rot bei verschiedenen Gelegenheiten in Blaugrün und etwa andere Töne von Rot regelmäßig in andern blaugrünen Tönen – soll ich nun sagen, er kopiere, oder er kopiere nicht?


Was heißt es aber, daß ich nicht weiß, ›was er macht‹? Sehe ich denn nicht, was er macht?—Aber ich sehe nicht ''in ihn hinein''.—Nur dieses Gleichnis nicht! Wenn ich ihn Rot in Rot kopieren sehe,—was weiß ich denn da? Weiß ich, ''wie'' ich es mache? Freilich, man sagt: ich male eben die ''gleiche'' Farbe.—Aber wie, wenn ''er'' sagt »Und ich male die Quint zu dieser Farbe«? Sehe ich einen besonderen Vorgang der Vermittlung, wenn ich die ›gleiche‹ Farbe male?
Was heißt es aber, daß ich nicht weiß, ›was er macht‹? Sehe ich denn nicht, was er macht? – Aber ich sehe nicht ''in ihn hinein''. – Nur dieses Gleichnis nicht! Wenn ich ihn Rot in Rot kopieren sehe, – was weiß ich denn da? Weiß ich, ''wie'' ich es mache? Freilich, man sagt: ich male eben die ''gleiche'' Farbe. – Aber wie, wenn ''er'' sagt »Und ich male die Quint zu dieser Farbe«? Sehe ich einen besonderen Vorgang der Vermittlung, wenn ich die ›gleiche‹ Farbe male?


Nimm an, ich kenne ihn als einen ehrlichen Menschen; er gibt, wie ich es beschrieben habe, ein Rot durch ein Blaugrün wieder—aber nun ''nicht'' den gleichen Ton immer durch den gleichen, sondern einmal durch einen, einmal durch einen andern Ton.—Soll ich sagen »Ich weiß nicht, was er macht«?—Er macht, was ich sehe—aber ''ich'' würde es nie tun; ich weiß nicht, warum er es tut; seine Handlungsweise ›ist mir unverständlich‹.
Nimm an, ich kenne ihn als einen ehrlichen Menschen; er gibt, wie ich es beschrieben habe, ein Rot durch ein Blaugrün wieder – aber nun ''nicht'' den gleichen Ton immer durch den gleichen, sondern einmal durch einen, einmal durch einen andern Ton. – Soll ich sagen »Ich weiß nicht, was er macht«? – Er macht, was ich sehe – aber ''ich'' würde es nie tun; ich weiß nicht, warum er es tut; seine Handlungsweise ›ist mir unverständlich‹.


{{ParZ|317}} Man könnte sich ein negatives Bildnis denken, das ist eines, das darstellen ''soll'', wie Herr N. ''nicht'' aussieht (das also ein schlechtes Porträt ist, wenn es dem Herrn N. ähnlich sieht).
{{ParZ|317}} Man könnte sich ein negatives Bildnis denken, das ist eines, das darstellen ''soll'', wie Herr N. ''nicht'' aussieht (das also ein schlechtes Porträt ist, wenn es dem Herrn N. ähnlich sieht).
Line 975: Line 975:
{{ParZ|318}} Ich kann nicht beschreiben, wie eine Regel (allgemein) zu verwenden ist, als indem ich dich ''lehre'', ''abrichte'', eine Regel zu verwenden.
{{ParZ|318}} Ich kann nicht beschreiben, wie eine Regel (allgemein) zu verwenden ist, als indem ich dich ''lehre'', ''abrichte'', eine Regel zu verwenden.


{{ParZ|319}} Ich kann nun z. B. einen solchen Unterricht im Sprechfilm aufnehmen. Der Lehrer wird manchmal sagen »So ist es recht«. Sollte der Schüler ihn fragen »warum?«—so wird er nichts oder doch nichts Relevantes antworten, auch nicht das: »Nun, weil wir's Alle so machen«; das wird nicht der Grund sein.
{{ParZ|319}} Ich kann nun z. B. einen solchen Unterricht im Sprechfilm aufnehmen. Der Lehrer wird manchmal sagen »So ist es recht«. Sollte der Schüler ihn fragen »warum?« – so wird er nichts oder doch nichts Relevantes antworten, auch nicht das: »Nun, weil wir's Alle so machen«; das wird nicht der Grund sein.


{{ParZ|320}} Warum nenne ich die Regeln des Kochens nicht willkürlich, und warum bin ich versucht, die Regeln der Grammatik willkürlich zu nennen? Weil ›Kochen‹ durch seinen Zweck definiert ist, dagegen ›Sprechen‹ nicht. Darum ist der Gebrauch der Sprache in einem gewissen Sinne autonom, in dem das Kochen und Waschen es nicht ist. Wer sich beim Kochen nach andern als den richtigen Regeln richtet, kocht schlecht; aber wer sich nach andern Regeln, als denen des Schach richtet, spielt ''ein anderes Spiel''; und wer sich nach andern grammatischen Regeln richtet, als den und den, spricht darum nichts Falsches, sondern von etwas Anderem.
{{ParZ|320}} Warum nenne ich die Regeln des Kochens nicht willkürlich, und warum bin ich versucht, die Regeln der Grammatik willkürlich zu nennen? Weil ›Kochen‹ durch seinen Zweck definiert ist, dagegen ›Sprechen‹ nicht. Darum ist der Gebrauch der Sprache in einem gewissen Sinne autonom, in dem das Kochen und Waschen es nicht ist. Wer sich beim Kochen nach andern als den richtigen Regeln richtet, kocht schlecht; aber wer sich nach andern Regeln, als denen des Schach richtet, spielt ''ein anderes Spiel''; und wer sich nach andern grammatischen Regeln richtet, als den und den, spricht darum nichts Falsches, sondern von etwas Anderem.
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{{ParZ|323}} Unsere Kenntnis vieler Sprachen läßt uns die Philosophie, die in den Formen einer jeden niedergelegt sind, nicht recht ernst nehmen. Dabei sind wir aber blind dafür, daß wir selbst starke Vorurteile für, wie gegen gewisse Ausdrucksformen haben, daß eben auch diese besondere Übereinanderlagerung mehrerer Sprachen für uns ein bestimmtes Bild ergibt.
{{ParZ|323}} Unsere Kenntnis vieler Sprachen läßt uns die Philosophie, die in den Formen einer jeden niedergelegt sind, nicht recht ernst nehmen. Dabei sind wir aber blind dafür, daß wir selbst starke Vorurteile für, wie gegen gewisse Ausdrucksformen haben, daß eben auch diese besondere Übereinanderlagerung mehrerer Sprachen für uns ein bestimmtes Bild ergibt.


{{ParZ|324}} Lernt das Kind nur sprechen oder auch denken? Lernt es den Sinn des Multiplizierens ''vor''—oder ''nach'' dem Multiplizieren?
{{ParZ|324}} Lernt das Kind nur sprechen oder auch denken? Lernt es den Sinn des Multiplizierens ''vor'' – oder ''nach'' dem Multiplizieren?


{{ParZ|325}} Wie bin ich denn zum Begriff ›Satz‹ oder zum Begriff ›Sprache‹ gekommen? Doch nur durch die Sprachen, die ich gelernt habe.—Aber die scheinen mich in gewissem Sinne über sich selbst hinausgeführt zu haben, denn ich bin jetzt im Stande, eine neue Sprache zu konstruieren, z. B. Wörter zu erfinden.—Also gehört diese Konstruktion noch zum Begriff der Sprache. Aber nur, wenn ich ihn so festlegen will.
{{ParZ|325}} Wie bin ich denn zum Begriff ›Satz‹ oder zum Begriff ›Sprache‹ gekommen? Doch nur durch die Sprachen, die ich gelernt habe. – Aber die scheinen mich in gewissem Sinne über sich selbst hinausgeführt zu haben, denn ich bin jetzt im Stande, eine neue Sprache zu konstruieren, z. B. Wörter zu erfinden. – Also gehört diese Konstruktion noch zum Begriff der Sprache. Aber nur, wenn ich ihn so festlegen will.


{{ParZ|326}} Der Begriff des Lebewesens hat die gleiche Unbestimmtheit, wie der der Sprache.
{{ParZ|326}} Der Begriff des Lebewesens hat die gleiche Unbestimmtheit, wie der der Sprache.


{{ParZ|327}} Vergleiche: Ein Spiel erfinden—eine Sprache erfinden—eine Maschine erfinden.
{{ParZ|327}} Vergleiche: Ein Spiel erfinden – eine Sprache erfinden – eine Maschine erfinden.


{{ParZ|328}} Daß der und der Satz keinen Sinn hat, ist in der Philosophie von Bedeutung; aber auch, daß er komisch klingt.
{{ParZ|328}} Daß der und der Satz keinen Sinn hat, ist in der Philosophie von Bedeutung; aber auch, daß er komisch klingt.
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{{ParZ|331}} Man ist versucht, Regeln der Grammatik durch Sätze zu rechtfertigen von der Art »Aber es gibt doch wirklich vier primäre Farben«. Und gegen die Möglichkeit dieser Rechtfertigung, die nach dem Modell der Rechtfertigung eines Satzes durch den Hinweis auf seine Verifikation gebaut ist, richtet sich das Wort, daß die Regeln der Grammatik willkürlich sind.
{{ParZ|331}} Man ist versucht, Regeln der Grammatik durch Sätze zu rechtfertigen von der Art »Aber es gibt doch wirklich vier primäre Farben«. Und gegen die Möglichkeit dieser Rechtfertigung, die nach dem Modell der Rechtfertigung eines Satzes durch den Hinweis auf seine Verifikation gebaut ist, richtet sich das Wort, daß die Regeln der Grammatik willkürlich sind.


Kann man aber nicht doch in irgendeinem Sinne sagen, daß die Grammatik der Farbwörter die Welt, wie sie tatsächlich ist, charakterisiert? Man möchte sagen: Kann ich nicht wirklich vergebens nach einer fünften primären Farbe suchen? Nimmt man nicht die primären Farben zusammen, weil sie eine Ähnlichkeit haben; oder zum mindesten die ''Farben'', im Gegensatz z. B. zu den Formen oder Tönen, weil sie eine Ähnlichkeit haben? Oder habe ich, wenn ich diese Einteilung der Welt als die richtige hinstelle, schon eine vorgefaßte Idee als Paradigma im Kopf? Von der ich dann etwa nur sagen kann: »Ja, das ist die Art, wie wir die Dinge betrachten«, oder »Wir wollen eben ein solches Bild machen«. Wenn ich nämlich sage: »die primären Farben haben doch eine bestimmte Ähnlichkeit miteinander«—woher nehme ich den Begriff dieser Ähnlichkeit? Ist nicht so, wie der Begriff ›primäre Farbe‹ nichts Andres ist, als ›blau oder rot oder grün oder gelb‹,—auch der Begriff jener Ähnlichkeit nur durch die vier Farben gegeben?—Ja, sind sie nicht die gleichen?—»Ja, könnte man denn auch rot, grün und kreisförmig zusammen. fassen?«—Warum nicht?!
Kann man aber nicht doch in irgendeinem Sinne sagen, daß die Grammatik der Farbwörter die Welt, wie sie tatsächlich ist, charakterisiert? Man möchte sagen: Kann ich nicht wirklich vergebens nach einer fünften primären Farbe suchen? Nimmt man nicht die primären Farben zusammen, weil sie eine Ähnlichkeit haben; oder zum mindesten die ''Farben'', im Gegensatz z. B. zu den Formen oder Tönen, weil sie eine Ähnlichkeit haben? Oder habe ich, wenn ich diese Einteilung der Welt als die richtige hinstelle, schon eine vorgefaßte Idee als Paradigma im Kopf? Von der ich dann etwa nur sagen kann: »Ja, das ist die Art, wie wir die Dinge betrachten«, oder »Wir wollen eben ein solches Bild machen«. Wenn ich nämlich sage: »die primären Farben haben doch eine bestimmte Ähnlichkeit miteinander« – woher nehme ich den Begriff dieser Ähnlichkeit? Ist nicht so, wie der Begriff ›primäre Farbe‹ nichts Andres ist, als ›blau oder rot oder grün oder gelb‹, – auch der Begriff jener Ähnlichkeit nur durch die vier Farben gegeben? – Ja, sind sie nicht die gleichen? – »Ja, könnte man denn auch rot, grün und kreisförmig zusammen. fassen?« – Warum nicht?!


{{ParZ|332}} Glaub doch nicht, daß du den Begriff der Farbe in dir hältst, weil du auf ein farbiges Objekt schaust,—wie immer du schaust.
{{ParZ|332}} Glaub doch nicht, daß du den Begriff der Farbe in dir hältst, weil du auf ein farbiges Objekt schaust, – wie immer du schaust.


(So wenig, wie du den Begriff der negativen Zahl besitzt, dadurch, daß du Schulden hast.)
(So wenig, wie du den Begriff der negativen Zahl besitzt, dadurch, daß du Schulden hast.)


{{ParZ|333}} »Rot ist etwas Spezifisches«, das müßte soviel heißen, wie: »Das ist etwas Spezifisches«—wobei man auf etwas Rotes deutet. Aber damit das verständlich wäre, müßte man schon unsern ''Begriff'' ›rot‹, den Gebrauch jenes Musters, meinen.
{{ParZ|333}} »Rot ist etwas Spezifisches«, das müßte soviel heißen, wie: »Das ist etwas Spezifisches« – wobei man auf etwas Rotes deutet. Aber damit das verständlich wäre, müßte man schon unsern ''Begriff'' ›rot‹, den Gebrauch jenes Musters, meinen.


{{ParZ|334}} Ich kann doch offenbar eine Erwartung einmal in den Worten »ich erwarte einen roten Kreis«, ein andermal statt der letzten beiden Worte durch das farbige Bild eines roten Kreises ausdrücken. Aber in diesem Ausdruck entsprechen den beiden Wörtern »rot« und »Kreis« nicht zwei Dinge. Also ist der Ausdruck der zweiten Sprache von ''ganz anderer Art''.
{{ParZ|334}} Ich kann doch offenbar eine Erwartung einmal in den Worten »ich erwarte einen roten Kreis«, ein andermal statt der letzten beiden Worte durch das farbige Bild eines roten Kreises ausdrücken. Aber in diesem Ausdruck entsprechen den beiden Wörtern »rot« und »Kreis« nicht zwei Dinge. Also ist der Ausdruck der zweiten Sprache von ''ganz anderer Art''.
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Es würde etwa zuerst gelernt, daß das erste Täfelchen immer die Wahl des Bleistiftes bestimmt, das zweite, was wir mit ihm zeichnen sollen. Die beiden Täfelchen gehören also verschiedenen Wortarten an (etwa Hauptwort und Tätigkeitswort). In der anderen Sprache aber gäbe es nichts, was man hier zwei Wörter nennen könnte.
Es würde etwa zuerst gelernt, daß das erste Täfelchen immer die Wahl des Bleistiftes bestimmt, das zweite, was wir mit ihm zeichnen sollen. Die beiden Täfelchen gehören also verschiedenen Wortarten an (etwa Hauptwort und Tätigkeitswort). In der anderen Sprache aber gäbe es nichts, was man hier zwei Wörter nennen könnte.


{{ParZ|338}} Wenn einer sagte »Rot ist zusammengesetzt«—so könnten wir nicht erraten, worauf er damit anspielt, was er mit diesem Satz wird anfangen wollen. Sagt er aber: »Dieser Sessel ist zusammengesetzt«, so mögen wir zwar nicht gleich wissen, von welcher Zusammensetzung er spricht, können aber gleich an mehr als einen Sinn für seine Aussage denken.
{{ParZ|338}} Wenn einer sagte »Rot ist zusammengesetzt« – so könnten wir nicht erraten, worauf er damit anspielt, was er mit diesem Satz wird anfangen wollen. Sagt er aber: »Dieser Sessel ist zusammengesetzt«, so mögen wir zwar nicht gleich wissen, von welcher Zusammensetzung er spricht, können aber gleich an mehr als einen Sinn für seine Aussage denken.


Was für eine Art von Faktum ist nun dies, worauf ich aufmerksam machte?
Was für eine Art von Faktum ist nun dies, worauf ich aufmerksam machte?


Jedenfalls ist es ein ''wichtiges'' Faktum.—Uns ist keine Technik geläufig, auf die dieser Satz anspielen könnte.
Jedenfalls ist es ein ''wichtiges'' Faktum. – Uns ist keine Technik geläufig, auf die dieser Satz anspielen könnte.


{{ParZ|339}} Wir beschreiben hier ein Sprachspiel, welches wir ''nicht lernen können''.
{{ParZ|339}} Wir beschreiben hier ein Sprachspiel, welches wir ''nicht lernen können''.


{{ParZ|340}} »Dann muß etwas ganz Anderes in ihm vorgehen, etwas, was wir nicht kennen.«—''Das zeigt ums'', wonach wir bestimmen, ob ›im Andern‹ etwas Anderes als oder dasselbe wie in uns stattfindet. Das zeigt uns, ''wonach'' wir die innern Vorgänge beurteilen.
{{ParZ|340}} »Dann muß etwas ganz Anderes in ihm vorgehen, etwas, was wir nicht kennen.« – ''Das zeigt ums'', wonach wir bestimmen, ob ›im Andern‹ etwas Anderes als oder dasselbe wie in uns stattfindet. Das zeigt uns, ''wonach'' wir die innern Vorgänge beurteilen.


{{ParZ|341}} Kannst du dir vorstellen, was der rot-grün Blinde sieht? Kannst du das Bild des Zimmers malen, wie er es sieht?
{{ParZ|341}} Kannst du dir vorstellen, was der rot-grün Blinde sieht? Kannst du das Bild des Zimmers malen, wie er es sieht?
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Kann ''er'' es malen, wie er es sieht? Kann ich also malen, wie ich es sehe? In welchem Sinne kann ich es?
Kann ''er'' es malen, wie er es sieht? Kann ich also malen, wie ich es sehe? In welchem Sinne kann ich es?


{{ParZ|342}} »Wer alles nur grau, schwarz und weiß sähe, dem müßte etwas ''gegeben'' werden, damit er wüßte, was rot, grün etc. ist.« Und was müßte ihm gegeben werden? Nun, die Farben. Also z. B. ''dies'' und ''dies'' und ''dies''. (Denk dir, z. B., daß farbige Vorbilder in sein Gehirn eingeführt werden müßten zu den bloß grauen und schwarzen.) Aber müßte das geschehen als Mittel zum Zweck des künftigen Handelns? Oder schließt eben dieses Handeln diese Vorbilder ein? Will ich sagen: »Es müßte ihm etwas gegeben werden, denn es ist klar, er könnte sonst nicht ....«—oder: Sein sehendes Benehmen ''enthält'' neue Bestandteile?
{{ParZ|342}} »Wer alles nur grau, schwarz und weiß sähe, dem müßte etwas ''gegeben'' werden, damit er wüßte, was rot, grün etc. ist.« Und was müßte ihm gegeben werden? Nun, die Farben. Also z. B. ''dies'' und ''dies'' und ''dies''. (Denk dir, z. B., daß farbige Vorbilder in sein Gehirn eingeführt werden müßten zu den bloß grauen und schwarzen.) Aber müßte das geschehen als Mittel zum Zweck des künftigen Handelns? Oder schließt eben dieses Handeln diese Vorbilder ein? Will ich sagen: »Es müßte ihm etwas gegeben werden, denn es ist klar, er könnte sonst nicht ....« – oder: Sein sehendes Benehmen ''enthält'' neue Bestandteile?


{{ParZ|343}} Auch: was würden wir eine »Erklärung des Sehens« ''nennen''? Soll man sagen: Nun, du weißt doch sonst, was »Erklärung« heißt; verwende diesen Begriff also auch hier!
{{ParZ|343}} Auch: was würden wir eine »Erklärung des Sehens« ''nennen''? Soll man sagen: Nun, du weißt doch sonst, was »Erklärung« heißt; verwende diesen Begriff also auch hier!


{{ParZ|344}} Kann ich sagen: »Schau es an! so wirst du sehen, daß es sich nicht erklären läßt.«—Oder: »Trinke die Farbe Rot in dich ein, so wirst du sehen, daß sie nicht durch etwas Anderes darzustellen ist!«——Und wenn der Andere nun mir beistimmt, zeigt es, daß er dasselbe eingetrunken hat, wie ich?—Und was bedeutet nun unsere Geneigtheit, dies zu sagen? Rot erscheint uns isoliert dazustehen. Warum? Was ist dieser Schein, diese Geneigtheit ''wert''?
{{ParZ|344}} Kann ich sagen: »Schau es an! so wirst du sehen, daß es sich nicht erklären läßt.« – Oder: »Trinke die Farbe Rot in dich ein, so wirst du sehen, daß sie nicht durch etwas Anderes darzustellen ist!« –– Und wenn der Andere nun mir beistimmt, zeigt es, daß er dasselbe eingetrunken hat, wie ich? – Und was bedeutet nun unsere Geneigtheit, dies zu sagen? Rot erscheint uns isoliert dazustehen. Warum? Was ist dieser Schein, diese Geneigtheit ''wert''?


Man könnte aber fragen: Auf welche Eigentümlichkeit des Begriffs deutet diese unsre Neigung?
Man könnte aber fragen: Auf welche Eigentümlichkeit des Begriffs deutet diese unsre Neigung?
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{{ParZ|347}} Daß wir mit gewissen Begriffen ''rechnen'', mit andern nicht, zeigt nur, wie verschiedener Art die Begriffswerkzeuge sind (wie wenig Grund wir haben, hier je Einförmigkeit anzunehmen). [''Randbemerkung:'' Zu Sätzen über Farben, die den mathematischen ähnlich sind, z. B.: Blau ist dunkler als weiß. Dazu Goethes Farbenlehre.]
{{ParZ|347}} Daß wir mit gewissen Begriffen ''rechnen'', mit andern nicht, zeigt nur, wie verschiedener Art die Begriffswerkzeuge sind (wie wenig Grund wir haben, hier je Einförmigkeit anzunehmen). [''Randbemerkung:'' Zu Sätzen über Farben, die den mathematischen ähnlich sind, z. B.: Blau ist dunkler als weiß. Dazu Goethes Farbenlehre.]


{{ParZ|348}} »Die Möglichkeit der Übereinstimmung bedingt schon ''eine'' Übereinstimmung.«—Denke, jemand sagte: »Schachspielenkönnen ist eine Art des Schachspielens«!
{{ParZ|348}} »Die Möglichkeit der Übereinstimmung bedingt schon ''eine'' Übereinstimmung.« – Denke, jemand sagte: »Schachspielenkönnen ist eine Art des Schachspielens«!


{{ParZ|349}} Es ist sehr schwer, Gedankenbahnen zu beschreiben, wo schon viel Fahrgeleise sind—ob deine eigenen oder andere—und nicht in eins der ausgefahrenen Geleise zu kommen. Es ist schwer: ''nur wenig'' von einem alten Gedankengeleise abzuweichen.
{{ParZ|349}} Es ist sehr schwer, Gedankenbahnen zu beschreiben, wo schon viel Fahrgeleise sind – ob deine eigenen oder andere – und nicht in eins der ausgefahrenen Geleise zu kommen. Es ist schwer: ''nur wenig'' von einem alten Gedankengeleise abzuweichen.


{{ParZ|350}} »Es ist, als wären unsere Begriffe bedingt durch ein Gerüst von Tatsachen.«
{{ParZ|350}} »Es ist, als wären unsere Begriffe bedingt durch ein Gerüst von Tatsachen.«


Das hieß doch: Wenn du dir gewisse Tatsachen anders denkst, sie anders beschreibst, als sie sind, dann kannst du die Anwendung gewisser Begriffe dir nicht mehr vorstellen, weil die Regeln ihrer Anwendung kein Analogon unter den neuen Umständen haben.—Was ich sage, kommt also ''darauf'' hinaus: Ein Gesetz wird für Menschen gegeben, und ein Jurist mag wohl fähig sein, Konsequenzen für jeden Fall zu ziehen, der ihm gewöhnlich vorkommt, das Gesetz hat also offenbar seine Verwendung, einen Sinn. Trotzdem aber setzt seine Gültigkeit allerlei voraus; und wenn das Wesen, welches er zu richten hat, ganz vom gewöhnlichen Menschen abweicht, dann wird z. B. die Entscheidung, ob er eine Tat mit böser Absicht begangen hat, nicht etwa schwer, sondern (einfach) unmöglich werden.
Das hieß doch: Wenn du dir gewisse Tatsachen anders denkst, sie anders beschreibst, als sie sind, dann kannst du die Anwendung gewisser Begriffe dir nicht mehr vorstellen, weil die Regeln ihrer Anwendung kein Analogon unter den neuen Umständen haben. – Was ich sage, kommt also ''darauf'' hinaus: Ein Gesetz wird für Menschen gegeben, und ein Jurist mag wohl fähig sein, Konsequenzen für jeden Fall zu ziehen, der ihm gewöhnlich vorkommt, das Gesetz hat also offenbar seine Verwendung, einen Sinn. Trotzdem aber setzt seine Gültigkeit allerlei voraus; und wenn das Wesen, welches er zu richten hat, ganz vom gewöhnlichen Menschen abweicht, dann wird z. B. die Entscheidung, ob er eine Tat mit böser Absicht begangen hat, nicht etwa schwer, sondern (einfach) unmöglich werden.


{{ParZ|351}} »Wenn die Menschen nicht im allgemeinen über die Farben der Dinge übereinstimmten, wenn Unstimmigkeiten nicht Ausnahmen wären, könnte es unsern Farbbegriff nicht geben.« Nein:''gäbe'' es unsern Farbbegriff nicht.
{{ParZ|351}} »Wenn die Menschen nicht im allgemeinen über die Farben der Dinge übereinstimmten, wenn Unstimmigkeiten nicht Ausnahmen wären, könnte es unsern Farbbegriff nicht geben.« Nein: ''gäbe'' es unsern Farbbegriff nicht.


{{ParZ|352}} Will ich also sagen, gewisse Tatsachen seien gewissen Begriffsbildungen günstig oder ungünstig? Und lehrt das die Erfahrung? Es ist Erfahrungstatsache, daß Menschen ihre Begriffe ändern, wechseln, wenn sie neue Tatsachen kennenlernen; wenn dadurch, was ihnen früher wichtig war, unwichtig wird und umgekehrt. (Man findet z. B.: was früher als Artunterschied galt, sei eigentlich ''nur'' ein Gradunterschied.)
{{ParZ|352}} Will ich also sagen, gewisse Tatsachen seien gewissen Begriffsbildungen günstig oder ungünstig? Und lehrt das die Erfahrung? Es ist Erfahrungstatsache, daß Menschen ihre Begriffe ändern, wechseln, wenn sie neue Tatsachen kennenlernen; wenn dadurch, was ihnen früher wichtig war, unwichtig wird und umgekehrt. (Man findet z. B.: was früher als Artunterschied galt, sei eigentlich ''nur'' ein Gradunterschied.)
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{{ParZ|354}} Zwischen Grün und Rot, will ich sagen, sei eine ''geometrische'' Leere, nicht eine physikalische.
{{ParZ|354}} Zwischen Grün und Rot, will ich sagen, sei eine ''geometrische'' Leere, nicht eine physikalische.


{{ParZ|355}} Aber entspricht dieser also nichts Physikalisches? Das leugne ich nicht. (Und wenn es bloß unsre Gewöhnung an ''diese'' Begriffe ist, an diese Sprachspiele wäre. Aber ich sage nicht, daß es so ist.) Wenn wir einem Menschen die und die Technik durch Exempel beibringen,—daß er dann mit einem bestimmten neuen Fall ''so'' und nicht ''so'' geht, oder daß er dann stockt, daß für ihn also dies und nicht jenes die ›natürliche‹ Fortsetzung ist, ist allein schon ein höchst wichtiges Naturfaktum.
{{ParZ|355}} Aber entspricht dieser also nichts Physikalisches? Das leugne ich nicht. (Und wenn es bloß unsre Gewöhnung an ''diese'' Begriffe ist, an diese Sprachspiele wäre. Aber ich sage nicht, daß es so ist.) Wenn wir einem Menschen die und die Technik durch Exempel beibringen, – daß er dann mit einem bestimmten neuen Fall ''so'' und nicht ''so'' geht, oder daß er dann stockt, daß für ihn also dies und nicht jenes die ›natürliche‹ Fortsetzung ist, ist allein schon ein höchst wichtiges Naturfaktum.


{{ParZ|356}} »Aber wenn ich mit ›bläulichgelb‹ grün meine, so fasse ich eben diesen Ausdruck anders als nach der ursprünglichen Weise auf. Die ursprüngliche Auffassung bezeichnet einen andern und eben ''nicht gangbaren'' Weg.«
{{ParZ|356}} »Aber wenn ich mit ›bläulichgelb‹ grün meine, so fasse ich eben diesen Ausdruck anders als nach der ursprünglichen Weise auf. Die ursprüngliche Auffassung bezeichnet einen andern und eben ''nicht gangbaren'' Weg.«
Line 1,081: Line 1,081:
{{ParZ|357}} Wir haben ein System der Farben wie ein System der Zahlen.
{{ParZ|357}} Wir haben ein System der Farben wie ein System der Zahlen.


Liegen die Systeme in ''unserer'' Natur oder in der Natur der Dinge? Wie soll man's sagen?''Nicht'' in der Natur der Zahlen oder Farben.
Liegen die Systeme in ''unserer'' Natur oder in der Natur der Dinge? Wie soll man's sagen? ''Nicht'' in der Natur der Zahlen oder Farben.


{{ParZ|358}} Hat denn dieses System etwas Willkürliches? Ja und nein. Es ist mit Willkürlichem verwandt und mit Nichtwillkürlichem.
{{ParZ|358}} Hat denn dieses System etwas Willkürliches? Ja und nein. Es ist mit Willkürlichem verwandt und mit Nichtwillkürlichem.
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{{ParZ|361}} Und da ist es wichtig, daß man z. B. bei ''Grau'' »Schwarz und Weiß« zur Antwort kriegen wird; bei ''Violett'' »Blau und Rot«, bei ''Rosa'' »Rot und Weiß« etc.; aber ''nicht'' bei ''Olivegrün'' »Rot und Grün«.
{{ParZ|361}} Und da ist es wichtig, daß man z. B. bei ''Grau'' »Schwarz und Weiß« zur Antwort kriegen wird; bei ''Violett'' »Blau und Rot«, bei ''Rosa'' »Rot und Weiß« etc.; aber ''nicht'' bei ''Olivegrün'' »Rot und Grün«.


{{ParZ|362}} Die Leute kennen ein Rötlichgrün.—»Aber es ''gibt'' doch gar keins!«—Welch sonderbarer Satz.(Wie weißt du's nur?)
{{ParZ|362}} Die Leute kennen ein Rötlichgrün. – »Aber es ''gibt'' doch gar keins!« – Welch sonderbarer Satz. (Wie weißt du's nur?)


{{ParZ|363}} Sagen wir's doch einmal so: Müssen denn diese Leute die Diskrepanz merken? Vielleicht sind sie zu stumpf dazu. Und dann wieder: vielleicht auch nicht.
{{ParZ|363}} Sagen wir's doch einmal so: Müssen denn diese Leute die Diskrepanz merken? Vielleicht sind sie zu stumpf dazu. Und dann wieder: vielleicht auch nicht.


{{ParZ|364}} Ja aber hat denn die Natur hier gar nichts mitzureden?! Doch—nur macht sie sich auf andere Weise hörbar.
{{ParZ|364}} Ja aber hat denn die Natur hier gar nichts mitzureden?! Doch – nur macht sie sich auf andere Weise hörbar.


»Irgendwo wirst du doch an Existenz und nicht-Existenz anrennen!« Das heißt aber doch an ''Tatsachen'', nicht an Begriffe.
»Irgendwo wirst du doch an Existenz und nicht-Existenz anrennen!« Das heißt aber doch an ''Tatsachen'', nicht an Begriffe.
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{{ParZ|366}} Verwirrung der Geschmäcke: Ich sage »Das ist süß«, der Andere »Das ist sauer« u. s. f. Einer kommt daher und sagt: »Ihr habt alle keine Ahnung, wovon ihr sprecht. Ihr wißt gar nicht mehr, was ihr einmal einen Geschmack genannt habt.« Was wäre das Zeichen dafür, daß wir's noch wissen? (Hängt mit einer Frage über eine Verwirrung im Rechnen zusammen.)
{{ParZ|366}} Verwirrung der Geschmäcke: Ich sage »Das ist süß«, der Andere »Das ist sauer« u. s. f. Einer kommt daher und sagt: »Ihr habt alle keine Ahnung, wovon ihr sprecht. Ihr wißt gar nicht mehr, was ihr einmal einen Geschmack genannt habt.« Was wäre das Zeichen dafür, daß wir's noch wissen? (Hängt mit einer Frage über eine Verwirrung im Rechnen zusammen.)


{{ParZ|367}} Aber könnten wir nicht auch in dieser ›Verwirrung‹ ein Sprachspiel spielen?—Aber ist es noch das Frühere?
{{ParZ|367}} Aber könnten wir nicht auch in dieser ›Verwirrung‹ ein Sprachspiel spielen? – Aber ist es noch das Frühere?


{{ParZ|368}} Denken wir uns Menschen, die eine Zwischenfarbe von Rot und Gelb z. B., durch eine Art binären Dezimalbruch so ausdrücken: R,LLRL u. dergl., wo auf der rechten Seite z. B. Gelb steht, auf der linken Rot.—Diese Leute lernen schon im Kindergarten, Farbtöne in dieser Weise beschreiben, nach solchen Beschreibungen Farben auszuwählen, zu mischen etc. Sie verhielten sich zu uns ungefähr, wie Leute mit absolutem Gehör zu Leuten, denen dies fehlt. ''Sie können tun'', was wir nicht können.
{{ParZ|368}} Denken wir uns Menschen, die eine Zwischenfarbe von Rot und Gelb z. B., durch eine Art binären Dezimalbruch so ausdrücken: R,LLRL u. dergl., wo auf der rechten Seite z. B. Gelb steht, auf der linken Rot. – Diese Leute lernen schon im Kindergarten, Farbtöne in dieser Weise beschreiben, nach solchen Beschreibungen Farben auszuwählen, zu mischen etc. Sie verhielten sich zu uns ungefähr, wie Leute mit absolutem Gehör zu Leuten, denen dies fehlt. ''Sie können tun'', was wir nicht können.


{{ParZ|369}} Und hier möchte man sagen: »Ist das denn aber auch vorstellbar? Ja, das ''Benehmen'' wohl! Aber auch der innere Vorgang, das Farberlebnis?« Und was man auf so eine Frage sagen soll, ist schwer zu sehen. Hätten die, die kein absolutes Gehör haben, vermuten können, es werde auch Leute mit absolutem Gehör geben?
{{ParZ|369}} Und hier möchte man sagen: »Ist das denn aber auch vorstellbar? Ja, das ''Benehmen'' wohl! Aber auch der innere Vorgang, das Farberlebnis?« Und was man auf so eine Frage sagen soll, ist schwer zu sehen. Hätten die, die kein absolutes Gehör haben, vermuten können, es werde auch Leute mit absolutem Gehör geben?
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{{ParZ|379}} Und Andere haben Begriffe, die unsere Begriffe durchschneiden.
{{ParZ|379}} Und Andere haben Begriffe, die unsere Begriffe durchschneiden.


{{ParZ|380}} Ein Stamm hat zwei Begriffe, verwandt unserm ›Schmerz‹. Der eine wird bei sichtbaren Verletzungen angewandt und ist mit Pflege, Mitleid etc. verknüpft. Den andern wenden sie bei Magenschmerzen z. B. an, und er verbindet sich mit Belustigung über den Klagenden. »Aber merken sie denn wirklich nicht die Ähnlichkeit?«—Haben wir denn überall einen Begriff, wo eine Ähnlichkeit besteht? Die Frage ist: Ist ihnen die Ähnlichkeit ''wichtig''? Und muß sie's ihnen sein? Und warum sollte nicht ihr Begriff unsern Begriff ›Schmerz‹ schneiden?
{{ParZ|380}} Ein Stamm hat zwei Begriffe, verwandt unserm ›Schmerz‹. Der eine wird bei sichtbaren Verletzungen angewandt und ist mit Pflege, Mitleid etc. verknüpft. Den andern wenden sie bei Magenschmerzen z. B. an, und er verbindet sich mit Belustigung über den Klagenden. »Aber merken sie denn wirklich nicht die Ähnlichkeit?« – Haben wir denn überall einen Begriff, wo eine Ähnlichkeit besteht? Die Frage ist: Ist ihnen die Ähnlichkeit ''wichtig''? Und muß sie's ihnen sein? Und warum sollte nicht ihr Begriff unsern Begriff ›Schmerz‹ schneiden?


{{ParZ|381}} Aber übersieht dieser dann nicht etwas, was da ist?—Er nimmt davon keine Notiz; und warum sollte er?—Aber dann ist ja eben sein Begriff grundverschieden von dem unsern.''Grund''verschieden? Verschieden.—Aber es ist dann doch, als ob sein Wort nicht ''dasselbe bezeichnen'' könnte wie unseres. Oder nur einen Teil davon.—Aber so muß es ja auch ausschauen, wenn sein Begriff verschieden ist. Denn die Unbestimmtheit unseres Begriffs kann sich ja für uns in den ''Gegenstand'' projezieren, den das Wort bezeichnet. So daß, fehlte die Unbestimmtheit, auch nicht ›dasselbe gemeint‹ wäre. Das Bild, das wir verwenden, versinnbildlicht die Unbestimmtheit.
{{ParZ|381}} Aber übersieht dieser dann nicht etwas, was da ist? – Er nimmt davon keine Notiz; und warum sollte er? – Aber dann ist ja eben sein Begriff grundverschieden von dem unsern. ''Grund''verschieden? Verschieden. – Aber es ist dann doch, als ob sein Wort nicht ''dasselbe bezeichnen'' könnte wie unseres. Oder nur einen Teil davon. – Aber so muß es ja auch ausschauen, wenn sein Begriff verschieden ist. Denn die Unbestimmtheit unseres Begriffs kann sich ja für uns in den ''Gegenstand'' projezieren, den das Wort bezeichnet. So daß, fehlte die Unbestimmtheit, auch nicht ›dasselbe gemeint‹ wäre. Das Bild, das wir verwenden, versinnbildlicht die Unbestimmtheit.


{{ParZ|382}} In der Philosophie darf man keine Denkkrankheit ''abschneiden''. Sie muß ihren natürlichen Lauf gehen, und die ''langsame'' Heilung ist das Wichtigste. (Daher die Mathematiker so schlechte Philosophen sind.)
{{ParZ|382}} In der Philosophie darf man keine Denkkrankheit ''abschneiden''. Sie muß ihren natürlichen Lauf gehen, und die ''langsame'' Heilung ist das Wichtigste. (Daher die Mathematiker so schlechte Philosophen sind.)
Line 1,149: Line 1,149:
{{ParZ|387}} Ich will sagen: eine ganz andere Erziehung als die unsere könnte auch die Grundlage ganz anderer Begriffe sein.
{{ParZ|387}} Ich will sagen: eine ganz andere Erziehung als die unsere könnte auch die Grundlage ganz anderer Begriffe sein.


{{ParZ|388}} Denn es würde hier das Leben anders verlaufen.—Was uns interessiert, würde ''sie'' nicht interessieren. Andere Begriffe wären da nicht mehr unvorstellbar. Ja, ''wesentlich'' andere Begriffe sind nur so vorstellbar.
{{ParZ|388}} Denn es würde hier das Leben anders verlaufen. – Was uns interessiert, würde ''sie'' nicht interessieren. Andere Begriffe wären da nicht mehr unvorstellbar. Ja, ''wesentlich'' andere Begriffe sind nur so vorstellbar.


{{ParZ|389}} Man könnte [jemanden] doch einfach lehren, den Schmerz (z. B.) zu mimen (nicht in der Absicht zu betrügen). Aber wäre es jedem beizubringen? Ich meine: Er könnte ja wohl erlernen, gewisse rohe Schmerzzeichen von sich zu geben, ohne aber je aus eigenem, aus seiner eigenen Einsicht eine feinere Nachahmung zu geben. (Sprachtalent.) (Man könnte vielleicht einem gescheiten Hund eine Art Schmerzgeheul beibringen; aber es käme doch nie bei ihm zu einem bewußten Nachahmen.)
{{ParZ|389}} Man könnte [jemanden] doch einfach lehren, den Schmerz (z. B.) zu mimen (nicht in der Absicht zu betrügen). Aber wäre es jedem beizubringen? Ich meine: Er könnte ja wohl erlernen, gewisse rohe Schmerzzeichen von sich zu geben, ohne aber je aus eigenem, aus seiner eigenen Einsicht eine feinere Nachahmung zu geben. (Sprachtalent.) (Man könnte vielleicht einem gescheiten Hund eine Art Schmerzgeheul beibringen; aber es käme doch nie bei ihm zu einem bewußten Nachahmen.)


{{ParZ|390}} ›Diese Menschen hätten nichts Menschenähnliches.‹ Warum?—Wir könnten uns unmöglich mit ihnen verständigen. Nicht einmal so, wie wir's mit einem Hund können. Wir könnten uns nicht in sie finden.
{{ParZ|390}} ›Diese Menschen hätten nichts Menschenähnliches.‹ Warum? – Wir könnten uns unmöglich mit ihnen verständigen. Nicht einmal so, wie wir's mit einem Hund können. Wir könnten uns nicht in sie finden.


Und doch könnte es ja solche, im übrigen menschliche, Wesen geben.
Und doch könnte es ja solche, im übrigen menschliche, Wesen geben.
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Und der Begriff ist daher im Sprachspiel zu Hause.
Und der Begriff ist daher im Sprachspiel zu Hause.


{{ParZ|392}} ›Sandhaufen‹ ist ein unscharf begrenzter Begriff——aber warum verwendet man statt seiner nicht einen scharf begrenzten?—Liegt der Grund in der Natur der Haufen? Welche Erscheinung ist es, deren Natur für unsern Begriff maßgebend ist?
{{ParZ|392}} ›Sandhaufen‹ ist ein unscharf begrenzter Begriff –– aber warum verwendet man statt seiner nicht einen scharf begrenzten? – Liegt der Grund in der Natur der Haufen? Welche Erscheinung ist es, deren Natur für unsern Begriff maßgebend ist?


{{ParZ|393}} Man kann sich leicht Ereignisse vorstellen und in alle Einzelheiten ausmalen, die, wenn wir sie eintreten sähen, uns an allem Urteilen irre werden ließen.
{{ParZ|393}} Man kann sich leicht Ereignisse vorstellen und in alle Einzelheiten ausmalen, die, wenn wir sie eintreten sähen, uns an allem Urteilen irre werden ließen.
Line 1,169: Line 1,169:
Das Wichtige aber für mich daran ist, daß es zwischen einem solchen Zustand und dem normalen keine scharfe Grenze gibt.
Das Wichtige aber für mich daran ist, daß es zwischen einem solchen Zustand und dem normalen keine scharfe Grenze gibt.


{{ParZ|394}} Was hieße es, mich darin irren, daß er eine Seele, Bewußt. sein habe? Und was hieße es, daß ich mich irre und selbst keines habe? Was hieße es zu sagen »Ich bin nicht bei Bewußtsein.«?——Aber weiß ich nicht doch, daß Bewußtsein in mir ist?—So weiß ich's also, und doch hat die Aussage, es sei so, keinen Zweck?
{{ParZ|394}} Was hieße es, mich darin irren, daß er eine Seele, Bewußt. sein habe? Und was hieße es, daß ich mich irre und selbst keines habe? Was hieße es zu sagen »Ich bin nicht bei Bewußtsein.«? –– Aber weiß ich nicht doch, daß Bewußtsein in mir ist? – So weiß ich's also, und doch hat die Aussage, es sei so, keinen Zweck?


Und wie merkwürdig, daß man lernen kann, sich in dieser Sache mit andern Leuten zu verständigen!
Und wie merkwürdig, daß man lernen kann, sich in dieser Sache mit andern Leuten zu verständigen!
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{{ParZ|395}} Einer kann sich bewußtlos stellen; aber auch ''bewußt''?
{{ParZ|395}} Einer kann sich bewußtlos stellen; aber auch ''bewußt''?


{{ParZ|396}} Wie wäre es, wenn mir jemand allen Ernstes sagte, er wisse (wirklich) nicht, ob er träume oder wache?
{{ParZ|396}} Wie wäre es, wenn mir jemand allen Ernstes sagte, er wisse (wirklich) nicht, ob er träume oder wache?


Kann es diese Situation geben: Einer sagt »Ich glaube, ich träume jetzt«; wirklich wacht er bald danach auf, erinnert sich an jene Äußerung im Traum und sagt »So hatte ich also recht!«——Diese Erzählung kann doch nur besagen: Einer habe geträumt, er hätte gesagt, er träume.
Kann es diese Situation geben: Einer sagt »Ich glaube, ich träume jetzt«; wirklich wacht er bald danach auf, erinnert sich an jene Äußerung im Traum und sagt »So hatte ich also recht!« –– Diese Erzählung kann doch nur besagen: Einer habe geträumt, er hätte gesagt, er träume.


Denke, ein Bewußtloser sagte (etwa in der Narkose) »Ich bin bei Bewußtsein«—würden wir sagen »Er muß es wissen«?
Denke, ein Bewußtloser sagte (etwa in der Narkose) »Ich bin bei Bewußtsein« – würden wir sagen »Er muß es wissen«?


Und wenn Einer im Schlaf spräche »Ich schlafe«,—würden wir sagen »Er hat ganz recht«?
Und wenn Einer im Schlaf spräche »Ich schlafe«, – würden wir sagen »Er hat ganz recht«?


Spricht einer die Unwahrheit, der mir sagt: »Ich bin nicht bei Bewußtsein«? (Und die Wahrheit, wenn er's bewußtlos sagt? Und wie, wenn ein Papagei sagte »Ich verstehe kein Wort«, oder ein Grammophon »Ich bin bloß eine Maschine«?)
Spricht einer die Unwahrheit, der mir sagt: »Ich bin nicht bei Bewußtsein«? (Und die Wahrheit, wenn er's bewußtlos sagt? Und wie, wenn ein Papagei sagte »Ich verstehe kein Wort«, oder ein Grammophon »Ich bin bloß eine Maschine«?)


{{ParZ|397}} Denke, in einem Tagtraum ließe ich mich sprechen »Ich phantasiere bloß«, wäre das ''wahr''? Denke, ich schreibe so eine Phantasie oder Erzählung, einen phantasierten Dialog, und in ihm sage ich »Ich phantasiere«——aber, wenn ich es aufschreibe,—wie zeigt sich's, daß diese Worte Worte der Phantasie sind, und daß ich nicht aus der Phantasie herausgetreten bin?
{{ParZ|397}} Denke, in einem Tagtraum ließe ich mich sprechen »Ich phantasiere bloß«, wäre das ''wahr''? Denke, ich schreibe so eine Phantasie oder Erzählung, einen phantasierten Dialog, und in ihm sage ich »Ich phantasiere« –– aber, wenn ich es aufschreibe, – wie zeigt sich's, daß diese Worte Worte der Phantasie sind, und daß ich nicht aus der Phantasie herausgetreten bin?


Wäre es nicht wirklich möglich, daß der Träumende, sozusagen aus dem Traum heraustretend, im Schlaf spräche »Ich träume«? Es wäre wohl denkbar, daß so ein Sprachspiel existierte.
Wäre es nicht wirklich möglich, daß der Träumende, sozusagen aus dem Traum heraustretend, im Schlaf spräche »Ich träume«? Es wäre wohl denkbar, daß so ein Sprachspiel existierte.
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Dies hängt mit dem Problem des ›Meinens‹ zusammen. Denn ich kann im Dialog eines Stücks schreiben »Ich bin gesund« und es also nicht ''weinen'', obwohl es auch wahr ist. Die Worte gehören zu diesem und nicht zu jenem Sprachspiel.
Dies hängt mit dem Problem des ›Meinens‹ zusammen. Denn ich kann im Dialog eines Stücks schreiben »Ich bin gesund« und es also nicht ''weinen'', obwohl es auch wahr ist. Die Worte gehören zu diesem und nicht zu jenem Sprachspiel.


{{ParZ|398}} ›Wahr‹ und ›Falsch‹ im Traum. Ich träume, daß es regnet, und daß ich sage »Es regnet«——anderseits: Ich träume, daß ich sage »Ich träume«.
{{ParZ|398}} ›Wahr‹ und ›Falsch‹ im Traum. Ich träume, daß es regnet, und daß ich sage »Es regnet« –– anderseits: Ich träume, daß ich sage »Ich träume«.


{{ParZ|399}} Hat das Verbum »träumen« eine Gegenwartsform? Wie lernt der Mensch diese gebrauchen?
{{ParZ|399}} Hat das Verbum »träumen« eine Gegenwartsform? Wie lernt der Mensch diese gebrauchen?
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{{ParZ|401}} »›Ich habe Bewußtsein‹, das ist eine Aussage, an der kein Zweifel möglich ist.« Warum soll das nicht das Gleiche sagen, wie dies: »›Ich habe Bewußtsein‹ ist kein Satz«?
{{ParZ|401}} »›Ich habe Bewußtsein‹, das ist eine Aussage, an der kein Zweifel möglich ist.« Warum soll das nicht das Gleiche sagen, wie dies: »›Ich habe Bewußtsein‹ ist kein Satz«?


Man könnte auch so sagen: Was schadet es, daß einer sagt, »Ich habe Bewußtsein« sei eine Aussage, die keinen Zweifel zulasse? Wie komme ich mit ihm in Widerspruch? Nimm an, jemand sagte mir dies,—warum soll ich mich nicht gewöhnen, ihm nichts darauf zu antworten, statt etwa einen Streit anzufangen? Warum soll ich seine Worte nicht behandeln, wie sein Pfeifen oder Summen?
Man könnte auch so sagen: Was schadet es, daß einer sagt, »Ich habe Bewußtsein« sei eine Aussage, die keinen Zweifel zulasse? Wie komme ich mit ihm in Widerspruch? Nimm an, jemand sagte mir dies, – warum soll ich mich nicht gewöhnen, ihm nichts darauf zu antworten, statt etwa einen Streit anzufangen? Warum soll ich seine Worte nicht behandeln, wie sein Pfeifen oder Summen?


{{ParZ|402}} »Nichts ist so gewiß wie, daß mir Bewußtsein eignet.« Warum soll ich es dann nicht auf sich beruhen lassen? Diese Gewißheit ist wie eine große Kraft, deren Angriffspunkt sich nicht bewegt, die also keine Arbeit leistet.
{{ParZ|402}} »Nichts ist so gewiß wie, daß mir Bewußtsein eignet.« Warum soll ich es dann nicht auf sich beruhen lassen? Diese Gewißheit ist wie eine große Kraft, deren Angriffspunkt sich nicht bewegt, die also keine Arbeit leistet.
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{{ParZ|407}} Kann jemand ''glauben'', daß 25 × 25 = 625 ist? Was heißt es, das zu glauben? Wie zeigt es sich, daß er das glaubt?
{{ParZ|407}} Kann jemand ''glauben'', daß 25 × 25 = 625 ist? Was heißt es, das zu glauben? Wie zeigt es sich, daß er das glaubt?


{{ParZ|408}} Aber gibt es nicht ein Phänomen des Wissens sozusagen ganz abgesehen vom Sinn der Worte »ich weiß«? Ist es nicht merkwürdig, daß ein Mensch etwas ''wissen'' kann, die Tatsache gleichsam in sich selbst haben kann?—Aber das ist eben ein falsches Bild.—Denn, sagt man, Wissen ist es nur, wenn es sich wirklich verhält, wie er sagt. Aber das ist nicht genug. Es darf sich nicht nur zufällig so verhalten. Er muß nämlich wissen, daß er weiß: das Wissen ist ja sein eigener Seelenzustand: er kann darüber—außer durch eine besondere Verblendung—nicht im Zweifel oder Unrecht sein. Wenn also das Wissen, ''daß'' es so ist, nur ein Wissen ist, wenn es ''wirklich'' so ist; und wenn das Wissen in ihm ist, sodaß er sich darin, ob es ein Wissen ist, nicht irren kann; dann ist er (also) auch unfehlbar darin, daß es ist, wie er das Wissen weiß; und also muß die Tatsache, die er weiß, so wie das Wissen in ihm sein.
{{ParZ|408}} Aber gibt es nicht ein Phänomen des Wissens sozusagen ganz abgesehen vom Sinn der Worte »ich weiß«? Ist es nicht merkwürdig, daß ein Mensch etwas ''wissen'' kann, die Tatsache gleichsam in sich selbst haben kann? – Aber das ist eben ein falsches Bild. – Denn, sagt man, Wissen ist es nur, wenn es sich wirklich verhält, wie er sagt. Aber das ist nicht genug. Es darf sich nicht nur zufällig so verhalten. Er muß nämlich wissen, daß er weiß: das Wissen ist ja sein eigener Seelenzustand: er kann darüber – außer durch eine besondere Verblendung – nicht im Zweifel oder Unrecht sein. Wenn also das Wissen, ''daß'' es so ist, nur ein Wissen ist, wenn es ''wirklich'' so ist; und wenn das Wissen in ihm ist, sodaß er sich darin, ob es ein Wissen ist, nicht irren kann; dann ist er (also) auch unfehlbar darin, daß es ist, wie er das Wissen weiß; und also muß die Tatsache, die er weiß, so wie das Wissen in ihm sein.


Und das deutet allerdings auf eine mögliche Art der Verwendung von »Ich weiß«. »Ich weiß, daß es so ist«, heißt dann: Es ist so oder ich bin verrückt.
Und das deutet allerdings auf eine mögliche Art der Verwendung von »Ich weiß«. »Ich weiß, daß es so ist«, heißt dann: Es ist so oder ich bin verrückt.
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Also: wenn ich, ohne zu lügen, sage: »Ich weiß, daß es so ist«, so kann ich nur durch eine besondere Verblendung im Unrecht sein.
Also: wenn ich, ohne zu lügen, sage: »Ich weiß, daß es so ist«, so kann ich nur durch eine besondere Verblendung im Unrecht sein.


{{ParZ|409}} Wie kommt es, daß der Zweifel nicht der Willkür untersteht?—Und wenn es so ist,—könnte nicht ein Kind durch seine merkwürdige Veranlagung an allem zweifeln?
{{ParZ|409}} Wie kommt es, daß der Zweifel nicht der Willkür untersteht? – Und wenn es so ist, – könnte nicht ein Kind durch seine merkwürdige Veranlagung an allem zweifeln?


{{ParZ|410}} Man kann erst zweifeln, wenn man Gewisses gelernt hat; wie man sich erst verrechnen kann, wenn man rechnen gelernt hat. Dann ist es allerdings unwillkürlich.
{{ParZ|410}} Man kann erst zweifeln, wenn man Gewisses gelernt hat; wie man sich erst verrechnen kann, wenn man rechnen gelernt hat. Dann ist es allerdings unwillkürlich.
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{{ParZ|411}} Denke, ein Kind wäre ganz besonders gescheit, so gescheit, daß man ihm gleich die Zweifelhaftigkeit der Existenz aller Dinge beibringen kann. Es lernt also vom Anfangan: »Das ist wahrscheinlich ein Sessel.«
{{ParZ|411}} Denke, ein Kind wäre ganz besonders gescheit, so gescheit, daß man ihm gleich die Zweifelhaftigkeit der Existenz aller Dinge beibringen kann. Es lernt also vom Anfangan: »Das ist wahrscheinlich ein Sessel.«


Und wie lernt es nun die Frage: »Ist das auch wirklich ein Sessel?«—
Und wie lernt es nun die Frage: »Ist das auch wirklich ein Sessel?« –


{{ParZ|412}} Betreibe ich Kinderpsychologie?—Ich bringe den Begriff des Lehrens mit dem Begriff der Bedeutung in Verbindung.
{{ParZ|412}} Betreibe ich Kinderpsychologie? – Ich bringe den Begriff des Lehrens mit dem Begriff der Bedeutung in Verbindung.


{{ParZ|413}} Einer sei ein überzeugter Realist, der Andere ein überzeugter Idealist und lehrt seine Kinder dementsprechend. In einer so wichtigen Sache, wie der Existenz oder Nichtexistenz der äußern Welt wollen sie ihren Kindern nichts Falsches beibringen.
{{ParZ|413}} Einer sei ein überzeugter Realist, der Andere ein überzeugter Idealist und lehrt seine Kinder dementsprechend. In einer so wichtigen Sache, wie der Existenz oder Nichtexistenz der äußern Welt wollen sie ihren Kindern nichts Falsches beibringen.
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Es ist bei ihrem Sprachspiel von Sicherheit oder von Unsicherheit noch nicht die Rede. Erinnere dich: sie lernen ja etwas ''tun''.
Es ist bei ihrem Sprachspiel von Sicherheit oder von Unsicherheit noch nicht die Rede. Erinnere dich: sie lernen ja etwas ''tun''.


{{ParZ|417}} Das Sprachspiel »Was ist das?«—»Ein Sessel.«—ist nicht das Gleiche wie: »Wofür hältst du das?«—»Es dürfte ein Sessel sein.«
{{ParZ|417}} Das Sprachspiel »Was ist das?« – »Ein Sessel.« – ist nicht das Gleiche wie: »Wofür hältst du das?« – »Es dürfte ein Sessel sein.«


{{ParZ|418}} Einen im Anfang lehren »Das scheint rot«, hat gar keinen Sinn. Das muß er ja spontan sagen, wenn er einmal gelernt hat, was »rot« heißt, d. i. die Technik der Wortverwendung.
{{ParZ|418}} Einen im Anfang lehren »Das scheint rot«, hat gar keinen Sinn. Das muß er ja spontan sagen, wenn er einmal gelernt hat, was »rot« heißt, d. i. die Technik der Wortverwendung.
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{{ParZ|419}} Die Grundlage jeder Erklärung ist die Abrichtung. (Das sollten Erzieher bedenken.)
{{ParZ|419}} Die Grundlage jeder Erklärung ist die Abrichtung. (Das sollten Erzieher bedenken.)


{{ParZ|420}} »Es scheint mir rot.«—»Und wie ist rot?«—»''So''.« Dabei muß auf das richtige Paradigma gezeigt werden.
{{ParZ|420}} »Es scheint mir rot.« – »Und wie ist rot?« – »''So''.« Dabei muß auf das richtige Paradigma gezeigt werden.


{{ParZ|421}} Wenn er zuerst die Farbnamen lernt, was wird ihm beigebracht? Nun, er lernt z. B. beim Anblick von etwas Rotem »Rot« ausrufen.—Ist das aber die richtige Beschreibung, oder hätte es heißen sollen: »Er lernt ›rot‹ nennen, ''was auch wir'' ›rot‹ nennen«?—Beide Beschreibungen sind richtig.
{{ParZ|421}} Wenn er zuerst die Farbnamen lernt, was wird ihm beigebracht? Nun, er lernt z. B. beim Anblick von etwas Rotem »Rot« ausrufen. – Ist das aber die richtige Beschreibung, oder hätte es heißen sollen: »Er lernt ›rot‹ nennen, ''was auch wir'' ›rot‹ nennen«? – Beide Beschreibungen sind richtig.


Wie unterscheidet sich davon das Sprachspiel »Wie kommt es dir vor?«?
Wie unterscheidet sich davon das Sprachspiel »Wie kommt es dir vor?«?
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{{ParZ|425}} Du gibst dem Sprachspiel ein neues Gelenk. Was aber nicht heißt, daß nun davon immer Gebrauch gemacht wird.
{{ParZ|425}} Du gibst dem Sprachspiel ein neues Gelenk. Was aber nicht heißt, daß nun davon immer Gebrauch gemacht wird.


{{ParZ|426}} Das innere Hinblicken auf die Empfindung—welche Verbindung soll es denn zwischen Wort und Empfindung her stellen; und wozu soll denn diese Verbindung dienen? Hat man mich ''das'' gelehrt, als ich diesen Satz gebrauchen, diesen Gedanken denken lernte? (Ihn zu denken, ist ja etwas, was ich lernen mußte.)
{{ParZ|426}} Das innere Hinblicken auf die Empfindung – welche Verbindung soll es denn zwischen Wort und Empfindung her stellen; und wozu soll denn diese Verbindung dienen? Hat man mich ''das'' gelehrt, als ich diesen Satz gebrauchen, diesen Gedanken denken lernte? (Ihn zu denken, ist ja etwas, was ich lernen mußte.)


Wir lernen allerdings auch dies, unsre Aufmerksamkeit auf Dinge und auf Empfindungen richten. Wir lernen beobachten und die Beobachtung beschreiben. Aber wie lehrt man mich dies; wie wird in diesem Falle meine ›innere Tätigkeit‹ kontrolliert? Wonach wird beurteilt, ob ich wirklich Acht gegeben habe?
Wir lernen allerdings auch dies, unsre Aufmerksamkeit auf Dinge und auf Empfindungen richten. Wir lernen beobachten und die Beobachtung beschreiben. Aber wie lehrt man mich dies; wie wird in diesem Falle meine ›innere Tätigkeit‹ kontrolliert? Wonach wird beurteilt, ob ich wirklich Acht gegeben habe?


{{ParZ|427}} »Der Sessel ist der gleiche, ob ich ihn betrachte oder nicht«—das ''müßte'' nicht wahr sein. Menschen werden oft verlegen, wenn man sie anschaut. »Der Sessel fahrt fort zu existieren, ob ich ihn anschaue oder nicht.« Das könnte ein Erfahrungssatz, oder es könnte grammatisch aufzufassen sein. Man kann aber auch einfach an den begrifflichen Unterschied zwischen Sinneseindruck und Objekt dabei denken.
{{ParZ|427}} »Der Sessel ist der gleiche, ob ich ihn betrachte oder nicht« – das ''müßte'' nicht wahr sein. Menschen werden oft verlegen, wenn man sie anschaut. »Der Sessel fahrt fort zu existieren, ob ich ihn anschaue oder nicht.« Das könnte ein Erfahrungssatz, oder es könnte grammatisch aufzufassen sein. Man kann aber auch einfach an den begrifflichen Unterschied zwischen Sinneseindruck und Objekt dabei denken.


{{ParZ|428}} Ist aber nicht die Übereinstimmung der Menschen dem Spiel wesentlich? Muß, wer es lernt, also nicht zuerst die Bedeutung von »gleich« kennen, und setzt die nicht auch Übereinstimmung voraus? U. s. f.
{{ParZ|428}} Ist aber nicht die Übereinstimmung der Menschen dem Spiel wesentlich? Muß, wer es lernt, also nicht zuerst die Bedeutung von »gleich« kennen, und setzt die nicht auch Übereinstimmung voraus? U. s. f.


{{ParZ|429}} Du sagst »''Das'' ist rot«, aber wie wird entschieden, ob du recht hast? Entscheidet es nicht die Übereinstimmung der Menschen?—Aber berufe ich mich denn auf diese Übereinstimmung in meinen Farburteilen? Geht es denn ''so'' vor sich: Ich lasse eine Anzahl Leute einen Gegenstand anschauen; jedem von ihnen fällt dabei eines einer gewissen Gruppe von Wörtern (der sogenannten Farbwörter) ein; ist der Mehrzahl der Betrachter das Wort »rot« z. B. eingefallen (zu dieser Mehrzahl muß ich selbst nicht gehören), so gebührt dem Gegenstand das Prädikat »rot«. So eine Technik könnte ja ihre Wichtigkeit haben.
{{ParZ|429}} Du sagst »''Das'' ist rot«, aber wie wird entschieden, ob du recht hast? Entscheidet es nicht die Übereinstimmung der Menschen? – Aber berufe ich mich denn auf diese Übereinstimmung in meinen Farburteilen? Geht es denn ''so'' vor sich: Ich lasse eine Anzahl Leute einen Gegenstand anschauen; jedem von ihnen fällt dabei eines einer gewissen Gruppe von Wörtern (der sogenannten Farbwörter) ein; ist der Mehrzahl der Betrachter das Wort »rot« z. B. eingefallen (zu dieser Mehrzahl muß ich selbst nicht gehören), so gebührt dem Gegenstand das Prädikat »rot«. So eine Technik könnte ja ihre Wichtigkeit haben.


{{ParZ|430}} Die ''Farbwörter'' werden ''so'' gelehrt: »Das ist rot« z. B.—Unser Sprachspiel kommt freilich nur zustande, wenn eine gewisse Übereinstimmung herrscht, aber der Begriff der Übereinstimmung tritt ins Sprachspiel nicht ein. Wäre die Übereinstimmung vollkommen, so könnte ihr Begriff ganz unbekannt sein.
{{ParZ|430}} Die ''Farbwörter'' werden ''so'' gelehrt: »Das ist rot« z. B. – Unser Sprachspiel kommt freilich nur zustande, wenn eine gewisse Übereinstimmung herrscht, aber der Begriff der Übereinstimmung tritt ins Sprachspiel nicht ein. Wäre die Übereinstimmung vollkommen, so könnte ihr Begriff ganz unbekannt sein.


{{ParZ|431}} ''Entscheidet'' die Übereinstimmung der Menschen, was rot ist? Wird das durch den Appell an die Mehrheit entschieden? Wurde uns beigebracht, die Farbe ''so'' zu bestimmen?
{{ParZ|431}} ''Entscheidet'' die Übereinstimmung der Menschen, was rot ist? Wird das durch den Appell an die Mehrheit entschieden? Wurde uns beigebracht, die Farbe ''so'' zu bestimmen?
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{{ParZ|432}} Ich beschreibe eben das Sprachspiel »Bring etwas Rotes« dem, der es schon selbst spielen kann. Den Andern könnte ich es nur lehren. (Relativität.)
{{ParZ|432}} Ich beschreibe eben das Sprachspiel »Bring etwas Rotes« dem, der es schon selbst spielen kann. Den Andern könnte ich es nur lehren. (Relativität.)


{{ParZ|433}} »Was ich wahrnehme, ist ''dies''—« und nun folgt eine Form der ''Beschreibung''. Das Wort »dies« könnte man auch so erklären: Denken wir uns eine direkte Übertragung des Erlebnisses!—Aber was ist nun unser Kriterium dafür, daß das Erlebnis wirklich übertragen wurde? »Nun, er hat eben dann das, was ich habe.«—Aber wie ›''hat''‹ er es?
{{ParZ|433}} »Was ich wahrnehme, ist ''dies'' – « und nun folgt eine Form der ''Beschreibung''. Das Wort »dies« könnte man auch so erklären: Denken wir uns eine direkte Übertragung des Erlebnisses! – Aber was ist nun unser Kriterium dafür, daß das Erlebnis wirklich übertragen wurde? »Nun, er hat eben dann das, was ich habe.« – Aber wie ›''hat''‹ er es?


{{ParZ|434}} Was heißt es, »eine Empfindung mit einem Wort bezeichnen, benennen«? Gibt es da nichts zu untersuchen?
{{ParZ|434}} Was heißt es, »eine Empfindung mit einem Wort bezeichnen, benennen«? Gibt es da nichts zu untersuchen?


Denk dir, du kämest von einem Sprachspiel mit physikalischen Gegenständen—und nun hieße es, es werden jetzt auch ''Empfindungen'' benannt. Wäre das nicht, als würde zuerst von einer Übertragung des Besitzes, und dann auf einmal von einer Übertragung der Freude am Besitz oder des Stolzes auf den Besitz gesprochen? Müssen wir da nicht etwas Neues lernen? Etwas Neues, was wir auch »übertragen« nennen.
Denk dir, du kämest von einem Sprachspiel mit physikalischen Gegenständen – und nun hieße es, es werden jetzt auch ''Empfindungen'' benannt. Wäre das nicht, als würde zuerst von einer Übertragung des Besitzes, und dann auf einmal von einer Übertragung der Freude am Besitz oder des Stolzes auf den Besitz gesprochen? Müssen wir da nicht etwas Neues lernen? Etwas Neues, was wir auch »übertragen« nennen.


{{ParZ|435}} Die Beschreibung des subjektiv Gesehenen ist nahe oder entfernt verwandt der Beschreibung eines Gegenstandes, aber funktioniert eben daher nicht als Beschreibung eines Gegenstands. Wie vergleicht man Gesichtsempfindungen? Wie vergleiche ich meine mit des Andern Gesichtsempfindungen?
{{ParZ|435}} Die Beschreibung des subjektiv Gesehenen ist nahe oder entfernt verwandt der Beschreibung eines Gegenstandes, aber funktioniert eben daher nicht als Beschreibung eines Gegenstands. Wie vergleicht man Gesichtsempfindungen? Wie vergleiche ich meine mit des Andern Gesichtsempfindungen?
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So müßte also bei einer weit geringeren Mannigfaltigkeit eine scharf begrenzte Begriffsbildung natürlich erscheinen. Und warum scheint es so schwer, sich den vereinfachten Fall vorzustellen?
So müßte also bei einer weit geringeren Mannigfaltigkeit eine scharf begrenzte Begriffsbildung natürlich erscheinen. Und warum scheint es so schwer, sich den vereinfachten Fall vorzustellen?


{{ParZ|440}} Wie hätten wir uns ein komplettes Regelverzeichnis für die Verwendung eines Worts zu denken?—Was versteht man unter einem kompletten Regelverzeichnis für die Verwendung einer Figur im Schachspiel? Könnten wir uns nicht immer Zweifelfalle konstruieren, in denen das normale Regelverzeichnis nicht entscheidet? Denke etwa an so eine Frage: wie ist es festzustellen, wer zuletzt gezogen hat, wenn die Zuverlässigkeit des Gedächtnisses der Spieler angezweifelt wird?
{{ParZ|440}} Wie hätten wir uns ein komplettes Regelverzeichnis für die Verwendung eines Worts zu denken? – Was versteht man unter einem kompletten Regelverzeichnis für die Verwendung einer Figur im Schachspiel? Könnten wir uns nicht immer Zweifelfalle konstruieren, in denen das normale Regelverzeichnis nicht entscheidet? Denke etwa an so eine Frage: wie ist es festzustellen, wer zuletzt gezogen hat, wenn die Zuverlässigkeit des Gedächtnisses der Spieler angezweifelt wird?


Die Verkehrsregelung in den Straßen erlaubt und verbietet gewisse Handlungen der Fahrer und Fußgänger; aber sie versucht nicht, ihre sämtlichen Bewegungen durch Vorschriften zu leiten. Und es wäre sinnlos, von einer ›idealen‹ Verkehrsordnung zu reden, die das täte; wir wüßten zunächst gar nicht, was wir uns unter diesem Ideal zu denken hätten. Wünscht einer die Verkehrsordnung in irgendwelchen Punkten strenger zu gestalten, so bedeutet das nicht, er wünsche sie so einem Ideal anzunähern.
Die Verkehrsregelung in den Straßen erlaubt und verbietet gewisse Handlungen der Fahrer und Fußgänger; aber sie versucht nicht, ihre sämtlichen Bewegungen durch Vorschriften zu leiten. Und es wäre sinnlos, von einer ›idealen‹ Verkehrsordnung zu reden, die das täte; wir wüßten zunächst gar nicht, was wir uns unter diesem Ideal zu denken hätten. Wünscht einer die Verkehrsordnung in irgendwelchen Punkten strenger zu gestalten, so bedeutet das nicht, er wünsche sie so einem Ideal anzunähern.


{{ParZ|441}} Betrachte auch diesen Satz: »Die Regeln eines Spiels können wohl eine gewisse Freiheit lassen, aber sie müssen ''doch'' ganz bestimmte Regeln sein.« Das ist, als sagte man: »Du kannst zwar einem Menschen durch vier Wände eine gewisse Bewegungsfreiheit lassen, aber die Wände müssen vollkommen starr sein«—und das ist nicht wahr. »Nun, die Wände können wohl elastisch sein, aber dann haben sie eine ganz bestimmte Elastizität.«—Was sagt das nun doch? Es scheint zu sagen, daß man diese Elastizität muß angeben können, aber das ist wieder nicht wahr. »Die Wand hat immer ''eine bestimmte'' Elastizität—ob ich sie kenne oder nicht.«: das ist eigentlich das Bekenntnis zu einer Ausdrucksform. Derjenigen, die sich der ''Form'' eines Ideals der Genauigkeit bedient. Gleichsam als eines Parameters der Darstellung.
{{ParZ|441}} Betrachte auch diesen Satz: »Die Regeln eines Spiels können wohl eine gewisse Freiheit lassen, aber sie müssen ''doch'' ganz bestimmte Regeln sein.« Das ist, als sagte man: »Du kannst zwar einem Menschen durch vier Wände eine gewisse Bewegungsfreiheit lassen, aber die Wände müssen vollkommen starr sein« – und das ist nicht wahr. »Nun, die Wände können wohl elastisch sein, aber dann haben sie eine ganz bestimmte Elastizität.« – Was sagt das nun doch? Es scheint zu sagen, daß man diese Elastizität muß angeben können, aber das ist wieder nicht wahr. »Die Wand hat immer ''eine bestimmte'' Elastizität – ob ich sie kenne oder nicht.«: das ist eigentlich das Bekenntnis zu einer Ausdrucksform. Derjenigen, die sich der ''Form'' eines Ideals der Genauigkeit bedient. Gleichsam als eines Parameters der Darstellung.


{{ParZ|442}} Das Bekenntnis zu einer Ausdrucksform, wenn es ausgesprochen wird in der Verkleidung als ein Satz, der von den ''Gegenständen'' (statt von dem Zeichen) handelt, muß ›''a priori''‹ sein. Denn sein Gegenteil wird wirklich undenkbar, insofern ihm eine Denkform, Ausdrucksform entspricht, die wir ausgeschlossen haben.
{{ParZ|442}} Das Bekenntnis zu einer Ausdrucksform, wenn es ausgesprochen wird in der Verkleidung als ein Satz, der von den ''Gegenständen'' (statt von dem Zeichen) handelt, muß ›''a priori''‹ sein. Denn sein Gegenteil wird wirklich undenkbar, insofern ihm eine Denkform, Ausdrucksform entspricht, die wir ausgeschlossen haben.
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{{ParZ|443}} Denke dir, die Menschen pflegten auf Gegenstände immer ''in der'' Weise zu zeigen, daß sie mit dem Finger in der Luft gleichsam einen Kreis um den Gegenstand beschrieben, dann könnte man sich einen Philosophen denken, der sagte: »Alle Dinge sind kreisrund; denn der Tisch sieht ''so'' aus, der Öfen ''so'', die Lampe ''so''« etc., indem er jedesmal einen Kreis um das Ding schlägt.
{{ParZ|443}} Denke dir, die Menschen pflegten auf Gegenstände immer ''in der'' Weise zu zeigen, daß sie mit dem Finger in der Luft gleichsam einen Kreis um den Gegenstand beschrieben, dann könnte man sich einen Philosophen denken, der sagte: »Alle Dinge sind kreisrund; denn der Tisch sieht ''so'' aus, der Öfen ''so'', die Lampe ''so''« etc., indem er jedesmal einen Kreis um das Ding schlägt.


{{ParZ|444}} Wir haben nun eine ''Theorie''; eine ›dynamische Theorie‹<ref>Freud spricht von seiner ›dynamischen‹ Theorie des Traums.</ref> des Satzes, der Sprache, aber sie erscheint uns nicht als Theorie. Es ist ja das Charakteristische einer solchen Theorie, daß sie einen besonderen, klar anschaulichen Fall ansieht und sagt: »''Das'' zeigt, wie es sich überhaupt verhält; dieser Fall ist das Urbild ''aller'' Fälle.«——»Natürlich! So muß es sein«, sagen wir und sind zufrieden. Wir sind auf eine Form der Darstellung gekommen, die uns ''einleuchtet''. Aber es ist, als haben wir nun etwas gesehen, was ''unter'' der Oberfläche liegt.
{{ParZ|444}} Wir haben nun eine ''Theorie''; eine ›dynamische Theorie‹<ref>Freud spricht von seiner ›dynamischen‹ Theorie des Traums.</ref> des Satzes, der Sprache, aber sie erscheint uns nicht als Theorie. Es ist ja das Charakteristische einer solchen Theorie, daß sie einen besonderen, klar anschaulichen Fall ansieht und sagt: »''Das'' zeigt, wie es sich überhaupt verhält; dieser Fall ist das Urbild ''aller'' Fälle.« –– »Natürlich! So muß es sein«, sagen wir und sind zufrieden. Wir sind auf eine Form der Darstellung gekommen, die uns ''einleuchtet''. Aber es ist, als haben wir nun etwas gesehen, was ''unter'' der Oberfläche liegt.


Die Tendenz, den klaren Fall zu verallgemeinern, scheint in der Logik ihre strenge Berechtigung zu haben: man scheint hier mit ''voller'' Berechtigung zu schließen: »Wenn ''ein'' Satz ein Bild ist, so muß jeder Satz ein Bild sein, denn sie müssen alle wesensgleich sein.« Denn wir sind ja in der Täuschung, das Sublime, Wesentliche unserer Untersuchung bestehe darin, daß sie ''ein'' allumfassendes Wesen erfasse.
Die Tendenz, den klaren Fall zu verallgemeinern, scheint in der Logik ihre strenge Berechtigung zu haben: man scheint hier mit ''voller'' Berechtigung zu schließen: »Wenn ''ein'' Satz ein Bild ist, so muß jeder Satz ein Bild sein, denn sie müssen alle wesensgleich sein.« Denn wir sind ja in der Täuschung, das Sublime, Wesentliche unserer Untersuchung bestehe darin, daß sie ''ein'' allumfassendes Wesen erfasse.


{{ParZ|445}} Wie kann ich den Satz ''jetzt'' verstehen, wenn die Analyse soll zeigen können, ''was'' ich eigentlich verstehe?—Hier spielt die Idee des Verstehens als eines sonderbaren geistigen Vorgangs hinein.
{{ParZ|445}} Wie kann ich den Satz ''jetzt'' verstehen, wenn die Analyse soll zeigen können, ''was'' ich eigentlich verstehe? – Hier spielt die Idee des Verstehens als eines sonderbaren geistigen Vorgangs hinein.


{{ParZ|446}} Denk doch einmal gar nicht an das Verstehen als ›seelischen Vorgang‹!—Denn ''das'' ist die Redeweise, die dich verwirrt. Sondern frage dich: in was für einem Fall, unter was für Umständen sagen wir denn »jetzt weiß ich weiter«, wenn uns die Formel eingefallen ist?
{{ParZ|446}} Denk doch einmal gar nicht an das Verstehen als ›seelischen Vorgang‹! – Denn ''das'' ist die Redeweise, die dich verwirrt. Sondern frage dich: in was für einem Fall, unter was für Umständen sagen wir denn »jetzt weiß ich weiter«, wenn uns die Formel eingefallen ist?


Es ist jene Redeweise, die uns hindert, die Tatsachen unparteiisch zu sehen. Betrachte die Aussprache eines Worts durch die Darstellungsform der Schreibung! Wie leicht kann man sich da überreden, daß zwei Worte—z. B. »für« und »führ«—im täglichen Gebrauche verschiedenen Klang haben—weil man sie verschieden ausspricht, wenn man sein Augenmerk gerade auf den Unterschied ihrer Schreibung richtet. Damit zu vergleichen ist die Meinung, ein Violinspieler mit feinem Gehör greife f immer etwas höher als eis. Überlege dir solche Fälle!''So'' kann es geschehen, daß das Darstellungsmittel eine ''Einbildung'' erzeugt. Denken wir also nicht, wir ''müßten'' einen spezifischen seelischen Vorgang finden, weil das Verbum »verstehen« dasteht, und weil man sagt: Verstehen sei eine seelische Tätigkeit.
Es ist jene Redeweise, die uns hindert, die Tatsachen unparteiisch zu sehen. Betrachte die Aussprache eines Worts durch die Darstellungsform der Schreibung! Wie leicht kann man sich da überreden, daß zwei Worte – z. B. »für« und »führ« – im täglichen Gebrauche verschiedenen Klang haben – weil man sie verschieden ausspricht, wenn man sein Augenmerk gerade auf den Unterschied ihrer Schreibung richtet. Damit zu vergleichen ist die Meinung, ein Violinspieler mit feinem Gehör greife f immer etwas höher als eis. Überlege dir solche Fälle! ''So'' kann es geschehen, daß das Darstellungsmittel eine ''Einbildung'' erzeugt. Denken wir also nicht, wir ''müßten'' einen spezifischen seelischen Vorgang finden, weil das Verbum »verstehen« dasteht, und weil man sagt: Verstehen sei eine seelische Tätigkeit.


{{ParZ|447}} Die Unruhe in der Philosophie, könnte man sagen, kommt daher, daß wir die Philosophie falsch ansehen, falsch sehen, nämlich gleichsam in (endlose) Längsstreifen zerlegt, statt in (begrenzte) Querstreifen. Diese Umstellung der Auffassung macht die ''größte'' Schwierigkeit. Wir wollen also gleichsam den unbegrenzten Streifen erfassen und klagen, daß es nicht Stück für Stück möglich ist. Freilich nicht, wenn man unter einem Stück einen endlosen Längsstreifen versteht. Wohl aber, wenn man einen Querstreifen darunter versteht.—Aber dann kommen wir ja mit unserer Arbeit wieder nicht zu Ende!—Freilich nicht, denn sie hat keins.
{{ParZ|447}} Die Unruhe in der Philosophie, könnte man sagen, kommt daher, daß wir die Philosophie falsch ansehen, falsch sehen, nämlich gleichsam in (endlose) Längsstreifen zerlegt, statt in (begrenzte) Querstreifen. Diese Umstellung der Auffassung macht die ''größte'' Schwierigkeit. Wir wollen also gleichsam den unbegrenzten Streifen erfassen und klagen, daß es nicht Stück für Stück möglich ist. Freilich nicht, wenn man unter einem Stück einen endlosen Längsstreifen versteht. Wohl aber, wenn man einen Querstreifen darunter versteht. – Aber dann kommen wir ja mit unserer Arbeit wieder nicht zu Ende! – Freilich nicht, denn sie hat keins.


(Statt der turbulenten Mutmaßungen und Erklärungen wollen wir ruhige Erwägung sprachlicher Tatsachen setzen.)
(Statt der turbulenten Mutmaßungen und Erklärungen wollen wir ruhige Erwägung sprachlicher Tatsachen setzen.)
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{{ParZ|450}} Wer philosophiert, macht oft zu einem Wortausdruck die falsche, unpassende Geste.
{{ParZ|450}} Wer philosophiert, macht oft zu einem Wortausdruck die falsche, unpassende Geste.


{{ParZ|451}} (Man sagt das ''Gewöhnliche''—mit der falschen Gebärde.)
{{ParZ|451}} (Man sagt das ''Gewöhnliche'' – mit der falschen Gebärde.)


{{ParZ|452}} Wie kommt es, daß die Philosophie ein so komplizierter Bau ist? Sie sollte doch gänzlich einfach sein, wenn sie jenes Letzte von aller Erfahrung Unabhängige ist, wofür du sie ausgibst.—Die Philosophie löst Knoten auf in unserm Denken; daher muß ihr Resultat einfach sein, das Philosophieren aber so kompliziert wie die Knoten, welche es auflöst.
{{ParZ|452}} Wie kommt es, daß die Philosophie ein so komplizierter Bau ist? Sie sollte doch gänzlich einfach sein, wenn sie jenes Letzte von aller Erfahrung Unabhängige ist, wofür du sie ausgibst. – Die Philosophie löst Knoten auf in unserm Denken; daher muß ihr Resultat einfach sein, das Philosophieren aber so kompliziert wie die Knoten, welche es auflöst.


{{ParZ|453}} (Wie man manchmal eine Musik nur im innern Ohr reproduzieren kann, aber sie nicht pfeifen, weil das Pfeifen schon die innere Stimme übertönt, so ist manchmal die Stimme eines philosophischen Gedankens so leise, daß sie vom Lärm des gesprochenen Wortes schon übertönt wird und nicht mehr gehört werden kann, wenn man gefragt wird und reden soll.)
{{ParZ|453}} (Wie man manchmal eine Musik nur im innern Ohr reproduzieren kann, aber sie nicht pfeifen, weil das Pfeifen schon die innere Stimme übertönt, so ist manchmal die Stimme eines philosophischen Gedankens so leise, daß sie vom Lärm des gesprochenen Wortes schon übertönt wird und nicht mehr gehört werden kann, wenn man gefragt wird und reden soll.)


{{ParZ|454}} Plato: »—Wie? sagt er, die sollte nicht nutzen? Denn wenn doch einmal die Besonnenheit die Erkenntnis der Erkenntnisse ist und den andern Erkenntnissen vorsteht, so muß sie ja auch dieser sich auf das Gute beziehenden Erkenntnis vorstehen und uns so doch nutzen.—Macht auch sie uns, sprach ich, etwa gesund und nicht die Heilkunde? Und so auch mit den andern Künsten; verrichtet sie die Geschäfte derselben und nicht viel mehr jede von ihnen das ihrige? Oder haben wir nicht lange schon eingestanden, daß sie nur der Erkenntnisse und Unkenntnisse Erkenntnis wäre und keiner anderen Sache?—Allerdings wohl.—Sie also wird uns nicht die Gesundheit bewirken?—Wohl nicht.—Weil nämlich die Gesundheit für eine andere Kunst gehört?—Ja.—Also auch nicht den Nutzen, Freund, wird sie uns bewirken. Denn auch dieses Geschäft haben wir jetzt einer andern Kunst beigelegt.—Freilich.—Wie kann also die Besonnenheit nützlich sein, wenn sie uns gar keinen Nutzen bringt?«
{{ParZ|454}} Plato: » – Wie? sagt er, die sollte nicht nutzen? Denn wenn doch einmal die Besonnenheit die Erkenntnis der Erkenntnisse ist und den andern Erkenntnissen vorsteht, so muß sie ja auch dieser sich auf das Gute beziehenden Erkenntnis vorstehen und uns so doch nutzen. – Macht auch sie uns, sprach ich, etwa gesund und nicht die Heilkunde? Und so auch mit den andern Künsten; verrichtet sie die Geschäfte derselben und nicht viel mehr jede von ihnen das ihrige? Oder haben wir nicht lange schon eingestanden, daß sie nur der Erkenntnisse und Unkenntnisse Erkenntnis wäre und keiner anderen Sache? – Allerdings wohl. – Sie also wird uns nicht die Gesundheit bewirken? – Wohl nicht. – Weil nämlich die Gesundheit für eine andere Kunst gehört? – Ja. – Also auch nicht den Nutzen, Freund, wird sie uns bewirken. Denn auch dieses Geschäft haben wir jetzt einer andern Kunst beigelegt. – Freilich. – Wie kann also die Besonnenheit nützlich sein, wenn sie uns gar keinen Nutzen bringt?«


{{ParZ|455}} (Der Philosoph ist nicht Bürger einer Denkgemeinde. Das ist, was ihn zum Philosophen macht.)
{{ParZ|455}} (Der Philosoph ist nicht Bürger einer Denkgemeinde. Das ist, was ihn zum Philosophen macht.)
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{{ParZ|460}} Man kann in gewissem Sinn mit philosophischen Irrtümern nicht vorsichtig genug umgehen, sie enthalten so viel Wahrheit.
{{ParZ|460}} Man kann in gewissem Sinn mit philosophischen Irrtümern nicht vorsichtig genug umgehen, sie enthalten so viel Wahrheit.


{{ParZ|461}} Ich möchte doch, daß du sagst: »Ja, es ist wahr, das könnte man sich denken, das konnte auch geschehen!« Aber wollte ich dich darauf aufmerksam machen, daß du imstande bist, dir dies vorzustellen?——Ich wollte dies Bild vor deine Augen stellen, und deine ''Anerkennung'' dieses Bildes besteht darin, daß du nun geneigt bist, einen gegebenen Fall anders zu betrachten: nämlich ihn mit ''dieser'' Bilderreihe zu vergleichen. Ich habe deine ''Anschauungsweise'' geändert. (Ich habe irgendwo gelesen, daß gewissen indischen Mathematikern zum Beweis eines Satzes eine geometrische Figur dient mit den Worten: »Sieh' dies an!« Auch dies Ansehen bewirkt eine Änderung der Anschauungsweise.)
{{ParZ|461}} Ich möchte doch, daß du sagst: »Ja, es ist wahr, das könnte man sich denken, das konnte auch geschehen!« Aber wollte ich dich darauf aufmerksam machen, daß du imstande bist, dir dies vorzustellen? –– Ich wollte dies Bild vor deine Augen stellen, und deine ''Anerkennung'' dieses Bildes besteht darin, daß du nun geneigt bist, einen gegebenen Fall anders zu betrachten: nämlich ihn mit ''dieser'' Bilderreihe zu vergleichen. Ich habe deine ''Anschauungsweise'' geändert. (Ich habe irgendwo gelesen, daß gewissen indischen Mathematikern zum Beweis eines Satzes eine geometrische Figur dient mit den Worten: »Sieh' dies an!« Auch dies Ansehen bewirkt eine Änderung der Anschauungsweise.)


{{ParZ|462}} (Die Klassifikationen der Philosophen und Psychologen: sie klassifizieren Wolken nach ihrer Gestalt.)
{{ParZ|462}} (Die Klassifikationen der Philosophen und Psychologen: sie klassifizieren Wolken nach ihrer Gestalt.)


{{ParZ|463}} Zur Mathematik: »Du hast einen falschen Begriff.—Aber aufklären läßt sich die Sache nicht dadurch, daß ich gegen deine Worte wettere; sondern nur dadurch, daß ich versuche, deine Aufmerksamkeit von gewissen Ausdrücken, Illustrationen, Vorstellungen weg und auf die ''Verwendung'' der Wörter ''hin'' zu lenken.«
{{ParZ|463}} Zur Mathematik: »Du hast einen falschen Begriff. – Aber aufklären läßt sich die Sache nicht dadurch, daß ich gegen deine Worte wettere; sondern nur dadurch, daß ich versuche, deine Aufmerksamkeit von gewissen Ausdrücken, Illustrationen, Vorstellungen weg und auf die ''Verwendung'' der Wörter ''hin'' zu lenken.«


{{ParZ|464}} Der Stammbaum der psychologischen Phänomene: ''Nicht Exaktheit'' strebe ich an, sondern Übersichtlichkeit.
{{ParZ|464}} Der Stammbaum der psychologischen Phänomene: ''Nicht Exaktheit'' strebe ich an, sondern Übersichtlichkeit.
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{{ParZ|468}} »Der Mensch denkt, fürchtet sich, etc. etc.«: das könnte man etwa einem antworten, der gefragt hat, welche Kapitel ein Buch über Psychologie enthalten soll.
{{ParZ|468}} »Der Mensch denkt, fürchtet sich, etc. etc.«: das könnte man etwa einem antworten, der gefragt hat, welche Kapitel ein Buch über Psychologie enthalten soll.


{{ParZ|469}} Denke, jemand sagt: »Der Mensch hofft.« Wie hätte man dies allgemeine naturgeschichtliche Phänomen zu beschreiben?—Man könnte ein Kind beobachten und warten, bis es eines Tages Hoffnung äußert; und man könnte dann sagen: »Heute hat es zum ersten Mal gehofft«. Aber das klingt doch seltsam! Obwohl es ganz natürlich wäre zu sagen »Heute hat es zum ersten Mal gesagt ›ich hoffe‹«. Und warum seltsam?—Man sagt doch nicht von einem Säugling, er hoffe ...., noch auch, er hoffe nicht...., und man sagt es doch vom Erwachsenen.—Nun, das tägliche Leben wird nach und nach zu dem, worin für Hoffnung Platz ist.
{{ParZ|469}} Denke, jemand sagt: »Der Mensch hofft.« Wie hätte man dies allgemeine naturgeschichtliche Phänomen zu beschreiben? – Man könnte ein Kind beobachten und warten, bis es eines Tages Hoffnung äußert; und man könnte dann sagen: »Heute hat es zum ersten Mal gehofft«. Aber das klingt doch seltsam! Obwohl es ganz natürlich wäre zu sagen »Heute hat es zum ersten Mal gesagt ›ich hoffe‹«. Und warum seltsam? – Man sagt doch nicht von einem Säugling, er hoffe ...., noch auch, er hoffe nicht...., und man sagt es doch vom Erwachsenen. – Nun, das tägliche Leben wird nach und nach zu dem, worin für Hoffnung Platz ist.


Aber nun sagt man: Man kann eben nicht sicher sein, wann das Kind wirklich anfängt zu hoffen, denn Hoffnung ist ein innerer Vorgang. Welcher Unsinn! Wie weiß man denn dann überhaupt, wovon man redet?
Aber nun sagt man: Man kann eben nicht sicher sein, wann das Kind wirklich anfängt zu hoffen, denn Hoffnung ist ein innerer Vorgang. Welcher Unsinn! Wie weiß man denn dann überhaupt, wovon man redet?
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Alle haben echte Dauer. Möglichkeit der Angabe des Anfangs und Endes. Möglichkeit der Gleichzeitigkeit, des zeitlichen Zusammenfallens.
Alle haben echte Dauer. Möglichkeit der Angabe des Anfangs und Endes. Möglichkeit der Gleichzeitigkeit, des zeitlichen Zusammenfallens.


Alle haben Grade und qualitative Mischungen. Grad: kaum merkbar—nicht auszuhalten.
Alle haben Grade und qualitative Mischungen. Grad: kaum merkbar – nicht auszuhalten.


In diesem Sinne gibt es nicht Lage- oder Bewegungsempfindung. Ort der Empfindung am Leib: unterscheidet Sehen und Hören von Druck-, Temperatur-, Geschmacks- und Schmerzempfindung.
In diesem Sinne gibt es nicht Lage- oder Bewegungsempfindung. Ort der Empfindung am Leib: unterscheidet Sehen und Hören von Druck-, Temperatur-, Geschmacks- und Schmerzempfindung.
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{{ParZ|476}} Und fragt man das, so rücken die Sinne für uns gleich weiter auseinander, als sie auf den ersten Blick zu liegen schienen.
{{ParZ|476}} Und fragt man das, so rücken die Sinne für uns gleich weiter auseinander, als sie auf den ersten Blick zu liegen schienen.


{{ParZ|477}} Was ist den Sinneserlebnissen gemeinsam?—Die Antwort, daß sie uns die Außenwelt kennen lehren, ist eine falsche und eine richtige. Sie ist richtig, sofern sie auf ein ''logisches'' Kriterium deuten soll.
{{ParZ|477}} Was ist den Sinneserlebnissen gemeinsam? – Die Antwort, daß sie uns die Außenwelt kennen lehren, ist eine falsche und eine richtige. Sie ist richtig, sofern sie auf ein ''logisches'' Kriterium deuten soll.


{{ParZ|478}} Die Dauer der Empfindung. Vergleiche die Dauer einer Tonempfindung mit der Dauer der Tastempfindung, die dich lehrt, daß du eine Kugel in der Hand hältst; und mit dem »Gefühl«, das dich lehrt, daß deine Kniee gebogen sind.
{{ParZ|478}} Die Dauer der Empfindung. Vergleiche die Dauer einer Tonempfindung mit der Dauer der Tastempfindung, die dich lehrt, daß du eine Kugel in der Hand hältst; und mit dem »Gefühl«, das dich lehrt, daß deine Kniee gebogen sind.
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{{ParZ|480}} Ich fühle meinen Arm und seltsamerweise möchte ich nun sagen: ich fühle ihn im Raum in bestimmter Lage; als wäre nämlich das Körpergefühl in einem Raum in der Form des Arms verteilt, sodaß ich, um es darzustellen, den Arm etwa in Gips in seiner richtigen Lage darstellen müßte.
{{ParZ|480}} Ich fühle meinen Arm und seltsamerweise möchte ich nun sagen: ich fühle ihn im Raum in bestimmter Lage; als wäre nämlich das Körpergefühl in einem Raum in der Form des Arms verteilt, sodaß ich, um es darzustellen, den Arm etwa in Gips in seiner richtigen Lage darstellen müßte.


{{ParZ|481}} Ja, es ist seltsam. Mein Unterarm liegt jetzt horizontal, und ich möchte sagen, daß ich das fühle; aber nicht so, als hätte ich ein Gefühl, das immer mit dieser Lage zusammengeht (als fühlte man etwa Blutleere oder Plethora)—sondern, als wäre eben das ›Körpergefühl‹ des Arms horizontal angeordnet oder verteilt, wie etwa ein Dunst oder Staubteilchen an der Oberfläche meines Armes so im Raume verteilt sind. Es ist also nicht wirklich, als fühlte ich die Lage meines Arms, sondern als fühlte ich meinen ''Arm'', und das Gefühl hätte die und die ''Lage''. D. h. aber nur: ich ''weiß'' einfach, wie er liegt—ohne es zu wissen, ''weil'' .... Wie ich auch weiß, wo ich den Schmerz empfinde—es aber nicht weiß, weil ....
{{ParZ|481}} Ja, es ist seltsam. Mein Unterarm liegt jetzt horizontal, und ich möchte sagen, daß ich das fühle; aber nicht so, als hätte ich ein Gefühl, das immer mit dieser Lage zusammengeht (als fühlte man etwa Blutleere oder Plethora) – sondern, als wäre eben das ›Körpergefühl‹ des Arms horizontal angeordnet oder verteilt, wie etwa ein Dunst oder Staubteilchen an der Oberfläche meines Armes so im Raume verteilt sind. Es ist also nicht wirklich, als fühlte ich die Lage meines Arms, sondern als fühlte ich meinen ''Arm'', und das Gefühl hätte die und die ''Lage''. D. h. aber nur: ich ''weiß'' einfach, wie er liegt – ohne es zu wissen, ''weil'' .... Wie ich auch weiß, wo ich den Schmerz empfinde – es aber nicht weiß, weil ....


{{ParZ|482}} Es ist uns förmlich, als hätte der Schmerz einen Körper, als wäre er ein Ding, ein Körper mit Form und Farbe. Warum? Hat er die Form des schmerzenden Körperteils? Man möchte z. B. sagen: »Ich könnte den Schmerz ''beschreiben'', wenn ich nur die nötigen Worte und Elementarbedeutungen dazu hätte.« Man fühlt: es fehlt einem nur die notwendige Nomenklatur. (James.) Als könnte man die Empfindung sogar malen, wenn nur der Andere diese Sprache verstünde.—Und man kann den Schmerz ja wirklich räumlich und zeitlich beschreiben.
{{ParZ|482}} Es ist uns förmlich, als hätte der Schmerz einen Körper, als wäre er ein Ding, ein Körper mit Form und Farbe. Warum? Hat er die Form des schmerzenden Körperteils? Man möchte z. B. sagen: »Ich könnte den Schmerz ''beschreiben'', wenn ich nur die nötigen Worte und Elementarbedeutungen dazu hätte.« Man fühlt: es fehlt einem nur die notwendige Nomenklatur. (James.) Als könnte man die Empfindung sogar malen, wenn nur der Andere diese Sprache verstünde. – Und man kann den Schmerz ja wirklich räumlich und zeitlich beschreiben.


{{ParZ|483}} (Wenn Empfindungen die Lage der Glieder und die Bewegungen charakterisieren, so ist ihr Ort jedenfalls nicht das Gelenk.)
{{ParZ|483}} (Wenn Empfindungen die Lage der Glieder und die Bewegungen charakterisieren, so ist ihr Ort jedenfalls nicht das Gelenk.)
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Schmerz von andern Sinnesempfindungen unterschieden durch charakteristischen Ausdruck. Dadurch verwandt der Freude (die keine Sinnesempfindung).
Schmerz von andern Sinnesempfindungen unterschieden durch charakteristischen Ausdruck. Dadurch verwandt der Freude (die keine Sinnesempfindung).


{{ParZ|484}} Ist das Wortklauberei:—Freude, Genuß, Entzücken seien nicht Empfindungen?—Fragen wir uns einmal: Wieviel Analogie besteht denn zwischen dem Entzücken und dem, was wir z. B. »Sinnesempfindungen« nennen?
{{ParZ|484}} Ist das Wortklauberei: – Freude, Genuß, Entzücken seien nicht Empfindungen? – Fragen wir uns einmal: Wieviel Analogie besteht denn zwischen dem Entzücken und dem, was wir z. B. »Sinnesempfindungen« nennen?


{{ParZ|485}} Das Bindeglied zwischen ihnen wäre der Schmerz. Denn sein Begriff ähnelt dem der Tastempfindung, z. B. (durch die Merkmale der Lokalisierung, echten Dauer, Intensität, Qualität) und zugleich dem der Gemütsbewegungen durch den Ausdruck (Mienen, Gebärden, Laute).
{{ParZ|485}} Das Bindeglied zwischen ihnen wäre der Schmerz. Denn sein Begriff ähnelt dem der Tastempfindung, z. B. (durch die Merkmale der Lokalisierung, echten Dauer, Intensität, Qualität) und zugleich dem der Gemütsbewegungen durch den Ausdruck (Mienen, Gebärden, Laute).


{{ParZ|486}} »Ich fühle große Freude.«—Wo?—Das klingt unsinnig. Und doch sagt man auch »Ich fühle eine freudige Erregung in meiner Brust.«—Warum aber ist Freude nicht lokalisiert? Ist es, weil sie über den ganzen Körper verteilt ist? Auch dann ist sie nicht lokalisiert, wenn etwa das Gefühl, das sie hervorruft, dies ist; wenn wir uns etwa am Geruch einer Blume freuen. Die Freude äußert sich im Gesichtsausdruck, im Benehmen. (Aber wir sagen nicht, wir freuten uns im Gesicht.)
{{ParZ|486}} »Ich fühle große Freude.« – Wo? – Das klingt unsinnig. Und doch sagt man auch »Ich fühle eine freudige Erregung in meiner Brust.« – Warum aber ist Freude nicht lokalisiert? Ist es, weil sie über den ganzen Körper verteilt ist? Auch dann ist sie nicht lokalisiert, wenn etwa das Gefühl, das sie hervorruft, dies ist; wenn wir uns etwa am Geruch einer Blume freuen. Die Freude äußert sich im Gesichtsausdruck, im Benehmen. (Aber wir sagen nicht, wir freuten uns im Gesicht.)


{{ParZ|487}} »Aber ich habe doch ein wirkliches ''Gefühl'' der Freude!« Ja, wenn du dich freust, so freust du dich wirklich. Und freilich ist Freude nicht freudiges Benehmen, noch auch ein Gefühl um die Mundwinkel und Augen.
{{ParZ|487}} »Aber ich habe doch ein wirkliches ''Gefühl'' der Freude!« Ja, wenn du dich freust, so freust du dich wirklich. Und freilich ist Freude nicht freudiges Benehmen, noch auch ein Gefühl um die Mundwinkel und Augen.
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Angst ''könnte'' man ungerichtete Furcht nennen, insofern ihre Äußerungen ähnlich oder gleich denen der Furcht sind.
Angst ''könnte'' man ungerichtete Furcht nennen, insofern ihre Äußerungen ähnlich oder gleich denen der Furcht sind.


Der ''Inhalt'' einer Gemütsbewegung—darunter stellt man sich so etwas vor wie ein ''Bild'' oder etwas, wovon ein Bild gemacht werden kann. (Die Finsternis der Depression, die sich auf einen herniedersenkt, die Flamme des Zornes.)
Der ''Inhalt'' einer Gemütsbewegung – darunter stellt man sich so etwas vor wie ein ''Bild'' oder etwas, wovon ein Bild gemacht werden kann. (Die Finsternis der Depression, die sich auf einen herniedersenkt, die Flamme des Zornes.)


{{ParZ|490}} Man könnte auch das menschliche Gesicht ein solches Bild nennen und den ''Verlauf'' der Leidenschaft durch seine Veränderungen darstellen.
{{ParZ|490}} Man könnte auch das menschliche Gesicht ein solches Bild nennen und den ''Verlauf'' der Leidenschaft durch seine Veränderungen darstellen.
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Typische Ursachen des Schmerzes einerseits, der Depression, Trauer, Freude anderseits. Ursache dieser zugleich ihr Objekt.
Typische Ursachen des Schmerzes einerseits, der Depression, Trauer, Freude anderseits. Ursache dieser zugleich ihr Objekt.


Das Benehmen des Schmerzes und das Benehmen der Traurigkeit.—Man kann diese nur mit ihren äußeren Anlässen beschreiben. (Wenn die Mutter das Kind allein läßt, mag es vor Trauer weinen; wenn es hinfällt, vor Schmerz.) Benehmen und Art des Anlasses gehören zusammen.
Das Benehmen des Schmerzes und das Benehmen der Traurigkeit. – Man kann diese nur mit ihren äußeren Anlässen beschreiben. (Wenn die Mutter das Kind allein läßt, mag es vor Trauer weinen; wenn es hinfällt, vor Schmerz.) Benehmen und Art des Anlasses gehören zusammen.


{{ParZ|493}} Es gibt furchtvolle Gedanken, hoffnungsvolle, freudige, zornige, etc.
{{ParZ|493}} Es gibt furchtvolle Gedanken, hoffnungsvolle, freudige, zornige, etc.
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{{ParZ|496}} (Das Schreckliche an der Furcht sind nicht die Furchtempfindungen.) Diese Sache erinnert auch an das Hören eines Geräusches ''aus einer bestimmten Richtung''. Es ist beinahe, als fühlte man die Beschwerde in der Magengegend, Beklemmung des Atems, aus der Richtung der Furcht. D. h. eigentlich, daß »Mir ist schlecht vor Furcht« nicht eine ''Ursache'' der Furcht angibt.
{{ParZ|496}} (Das Schreckliche an der Furcht sind nicht die Furchtempfindungen.) Diese Sache erinnert auch an das Hören eines Geräusches ''aus einer bestimmten Richtung''. Es ist beinahe, als fühlte man die Beschwerde in der Magengegend, Beklemmung des Atems, aus der Richtung der Furcht. D. h. eigentlich, daß »Mir ist schlecht vor Furcht« nicht eine ''Ursache'' der Furcht angibt.


{{ParZ|497}} »Wo spürst du den Kummer?«—In der Seele.——Was für Konsequenzen ziehen wir aus dieser Ortsangabe? Eine ist, daß wir ''nicht'' von einem körperlichen Ort des Kummers reden. Aber wir deuten ''doch'' auf unsern Leib, als wäre der Kummer in ihm. Ist das, weil wir ein körperliches Unbehagen spüren? Ich weiß die Ursache nicht. Aber warum soll ich annehmen, sie sei ein leibliches Unbehagen?
{{ParZ|497}} »Wo spürst du den Kummer?« – In der Seele. –– Was für Konsequenzen ziehen wir aus dieser Ortsangabe? Eine ist, daß wir ''nicht'' von einem körperlichen Ort des Kummers reden. Aber wir deuten ''doch'' auf unsern Leib, als wäre der Kummer in ihm. Ist das, weil wir ein körperliches Unbehagen spüren? Ich weiß die Ursache nicht. Aber warum soll ich annehmen, sie sei ein leibliches Unbehagen?


{{ParZ|498}} Denke dir folgende Frage: Kann man sich einen Schmerz, sagen wir von der Qualität des rheumatischen Schmerzes, denken, aber ''ohne'' Örtlichkeit? Kann man sich ihn ''vorstellen''?
{{ParZ|498}} Denke dir folgende Frage: Kann man sich einen Schmerz, sagen wir von der Qualität des rheumatischen Schmerzes, denken, aber ''ohne'' Örtlichkeit? Kann man sich ihn ''vorstellen''?
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Wenn du anfängst, darüber nachzudenken, so siehst du, wie sehr du das Wissen um den Ort des Schmerzes in ein Merkmal des ''Gefühlten'' verwandeln möchtest, in ein Merkmal eines Sinnesdatums, des privaten Objekts, das vor meiner Seele steht.
Wenn du anfängst, darüber nachzudenken, so siehst du, wie sehr du das Wissen um den Ort des Schmerzes in ein Merkmal des ''Gefühlten'' verwandeln möchtest, in ein Merkmal eines Sinnesdatums, des privaten Objekts, das vor meiner Seele steht.


{{ParZ|499}} Wenn die Angst furchtbar ist, und wenn ich in ihr mir meiner Atmung bewußt bin und einer Spannung in meinen Gesichtsmuskeln,—sagt das, daß diese ''Gefühle'' mir furchtbar sind? Könnten sie nicht sogar eine Linderung bedeuten? (Dostojewski.)
{{ParZ|499}} Wenn die Angst furchtbar ist, und wenn ich in ihr mir meiner Atmung bewußt bin und einer Spannung in meinen Gesichtsmuskeln, – sagt das, daß diese ''Gefühle'' mir furchtbar sind? Könnten sie nicht sogar eine Linderung bedeuten? (Dostojewski.)


{{ParZ|500}} Warum verwendet man aber das Wort »leiden« für die Furcht und auch für den Schmerz? Nun, es sind ja Verbindungen genug.
{{ParZ|500}} Warum verwendet man aber das Wort »leiden« für die Furcht und auch für den Schmerz? Nun, es sind ja Verbindungen genug.


{{ParZ|501}} Auf die Äußerung »Ich kann nicht ohne Furcht daran denken ....« antwortet man etwa: »Es ist kein Grund zur Furcht, denn ....« Das ist jedenfalls ''ein'' Mittel, Furcht zu beseitigen. Gegensatz zum Schmerz.
{{ParZ|501}} Auf die Äußerung »Ich kann nicht ohne Furcht daran denken ....« antwortet man etwa: »Es ist kein Grund zur Furcht, denn ....« Das ist jedenfalls ''ein'' Mittel, Furcht zu beseitigen. Gegensatz zum Schmerz.
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{{ParZ|505}} Ein Zusammenhang zwischen den Stimmungen und Sinneseindrücken ist, daß wir die Stimmungsbegriffe zur Beschreibung von Sinneseindrücken und Vorstellungen benützen. Wir sagen von einem Thema, einer Landschaft, sie seien traurig, fröhlich, etc. Aber viel wichtiger ist es natürlich, daß wir das menschliche Gesicht, die Handlung, das Benehmen durch alle Stimmungsbegriffe beschreiben.
{{ParZ|505}} Ein Zusammenhang zwischen den Stimmungen und Sinneseindrücken ist, daß wir die Stimmungsbegriffe zur Beschreibung von Sinneseindrücken und Vorstellungen benützen. Wir sagen von einem Thema, einer Landschaft, sie seien traurig, fröhlich, etc. Aber viel wichtiger ist es natürlich, daß wir das menschliche Gesicht, die Handlung, das Benehmen durch alle Stimmungsbegriffe beschreiben.


{{ParZ|506}} Ein freundlicher Mund, ein freundliches Auge. Wie denkt man sich eine freundliche Hand?—Wahrscheinlich geöffnet und nicht als Faust.—Und könnte man sich die Haarfarbe des Menschen als Ausdruck der Freundlichkeit oder des Gegenteils denken?—Aber so gestellt, scheint dies die Frage zu sein, ob uns das ''gelingen'' kann. Die Frage sollte lauten: Wollen wir etwas eine freundliche oder unfreundliche Haarfarbe nennen? Wollten wir solchen Worten Sinn geben, so würden wir uns etwa einen Menschen denken, dessen Haare dunkel werden, wenn er zornig wird. Das Hineinlesen des bösen Ausdrucks in die dunkeln Haare aber geschähe mittels einer schon früher fertigen Idee.
{{ParZ|506}} Ein freundlicher Mund, ein freundliches Auge. Wie denkt man sich eine freundliche Hand? – Wahrscheinlich geöffnet und nicht als Faust. – Und könnte man sich die Haarfarbe des Menschen als Ausdruck der Freundlichkeit oder des Gegenteils denken? – Aber so gestellt, scheint dies die Frage zu sein, ob uns das ''gelingen'' kann. Die Frage sollte lauten: Wollen wir etwas eine freundliche oder unfreundliche Haarfarbe nennen? Wollten wir solchen Worten Sinn geben, so würden wir uns etwa einen Menschen denken, dessen Haare dunkel werden, wenn er zornig wird. Das Hineinlesen des bösen Ausdrucks in die dunkeln Haare aber geschähe mittels einer schon früher fertigen Idee.


Man kann sagen: Das freundliche Auge, der freundliche Mund, das Wedeln des Hundes sind, unter andern, primäre und von einander unabhängige Symbole der Freundlichkeit; ich meine: sie sind Teile der Phänomene, die man Freundlichkeit nennt. Will man sich andere Erscheinungen als Ausdruck der Freundlichkeit denken, so sieht man jene Symbole in sie hinein. Wir sagen »Er macht ein finsteres Gesicht«; vielleicht, weil die Augen durch die Augenbrauen stärker beschattet werden; und nun übertragen wir die Idee der Finsternis auf die Haarfarbe.
Man kann sagen: Das freundliche Auge, der freundliche Mund, das Wedeln des Hundes sind, unter andern, primäre und von einander unabhängige Symbole der Freundlichkeit; ich meine: sie sind Teile der Phänomene, die man Freundlichkeit nennt. Will man sich andere Erscheinungen als Ausdruck der Freundlichkeit denken, so sieht man jene Symbole in sie hinein. Wir sagen »Er macht ein finsteres Gesicht«; vielleicht, weil die Augen durch die Augenbrauen stärker beschattet werden; und nun übertragen wir die Idee der Finsternis auf die Haarfarbe.
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{{ParZ|509}} Es ist ja möglich, daß die Drüsen des Traurigen anders sezernieren, als die des Fröhlichen; auch, daß diese Sekretion die oder eine Ursache der Trauer ist. Aber folgt daraus, daß die Trauer eine durch diese Sekretion hervorgerufene ''Empfindung'' ist?
{{ParZ|509}} Es ist ja möglich, daß die Drüsen des Traurigen anders sezernieren, als die des Fröhlichen; auch, daß diese Sekretion die oder eine Ursache der Trauer ist. Aber folgt daraus, daß die Trauer eine durch diese Sekretion hervorgerufene ''Empfindung'' ist?


{{ParZ|510}} Aber der Gedanke ist hier: »Du ''fühlst'' doch die Trauer——also mußt du sie ''irgendwo'' fühlen; sonst wäre sie eine Chimäre.« Aber wenn du so denken willst, rufe dir die Verschiedenheit von Sehen und Schmerz ins Gedächtnis. Ich fühle den Schmerz in der Wunde——aber die Farbe im Auge? So wie wir hier ein Schema verwenden wollen, statt bloß das wirklich Gemeinsame zu notieren, sehen wir alles falsch vereinfacht.
{{ParZ|510}} Aber der Gedanke ist hier: »Du ''fühlst'' doch die Trauer –– also mußt du sie ''irgendwo'' fühlen; sonst wäre sie eine Chimäre.« Aber wenn du so denken willst, rufe dir die Verschiedenheit von Sehen und Schmerz ins Gedächtnis. Ich fühle den Schmerz in der Wunde –– aber die Farbe im Auge? So wie wir hier ein Schema verwenden wollen, statt bloß das wirklich Gemeinsame zu notieren, sehen wir alles falsch vereinfacht.


{{ParZ|511}} Wollte man aber ein Analogon zum Ort des Schmerzes finden, so wäre es natürlich nicht die Seele (wie ja der Ort des Körperschmerzes nicht der Körper ist), sondern der ''Gegenstand'' der Reue.
{{ParZ|511}} Wollte man aber ein Analogon zum Ort des Schmerzes finden, so wäre es natürlich nicht die Seele (wie ja der Ort des Körperschmerzes nicht der Körper ist), sondern der ''Gegenstand'' der Reue.


{{ParZ|512}} Denke, man sagte: Fröhlichkeit wäre ein Gefühl, und Traurigkeit bestünde darin, daß man ''nicht'' fröhlich ist.—Ist denn die Abwesenheit eines Gefühls ein Gefühl?
{{ParZ|512}} Denke, man sagte: Fröhlichkeit wäre ein Gefühl, und Traurigkeit bestünde darin, daß man ''nicht'' fröhlich ist. – Ist denn die Abwesenheit eines Gefühls ein Gefühl?


{{ParZ|513}} Man spricht von einem Gefühl der Überzeugung, weil es einen ''Ton'' der Überzeugung gibt. Ja, das Charakteristikum aller ›Gefühle‹ ist, daß es einen Ausdruck, d. i. eine Miene, Gebärde des Gefühls gibt.
{{ParZ|513}} Man spricht von einem Gefühl der Überzeugung, weil es einen ''Ton'' der Überzeugung gibt. Ja, das Charakteristikum aller ›Gefühle‹ ist, daß es einen Ausdruck, d. i. eine Miene, Gebärde des Gefühls gibt.


{{ParZ|514}} Nun könnte man aber so sagen: Das Gesicht eines Menschen ist durchaus nicht immer dieselbe Gestalt. Es ändert sich von Minute zu Minute; manchmal wenig, manchmal bis zur Unkenntlichkeit. Dennoch ist es möglich, das Bild seiner Physiognomie zu zeichnen. Freilich, ein Bild, auf dem das Gesicht lächelt, zeigt nicht, wie es weinend aussieht. Aber es läßt darauf immerhin Schlüsse zu.—Uns so wäre es auch möglich, eine Art ungefähre Physiognomie des Glaubens (z. B.) zu beschreiben.
{{ParZ|514}} Nun könnte man aber so sagen: Das Gesicht eines Menschen ist durchaus nicht immer dieselbe Gestalt. Es ändert sich von Minute zu Minute; manchmal wenig, manchmal bis zur Unkenntlichkeit. Dennoch ist es möglich, das Bild seiner Physiognomie zu zeichnen. Freilich, ein Bild, auf dem das Gesicht lächelt, zeigt nicht, wie es weinend aussieht. Aber es läßt darauf immerhin Schlüsse zu. – Uns so wäre es auch möglich, eine Art ungefähre Physiognomie des Glaubens (z. B.) zu beschreiben.


{{ParZ|515}} Ich gebe Zeichen des Entzückens und des Verständnisses.
{{ParZ|515}} Ich gebe Zeichen des Entzückens und des Verständnisses.
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{{ParZ|520}} Es ist ja auch nichts Erstaunliches, daß gewisse Begriffe nur auf ein Wesen anwendbar sein sollten, das z. B. eine Sprache besitzt.
{{ParZ|520}} Es ist ja auch nichts Erstaunliches, daß gewisse Begriffe nur auf ein Wesen anwendbar sein sollten, das z. B. eine Sprache besitzt.


{{ParZ|521}} »Der Hund ''meint'' etwas mit seinem Wedeln.«—Wie würde man das begründen?—Sagt man auch: »Die Pflanze, wenn sie ihre Blätter hängen läßt, meint damit, daß sie Wasser braucht«?
{{ParZ|521}} »Der Hund ''meint'' etwas mit seinem Wedeln.« – Wie würde man das begründen? – Sagt man auch: »Die Pflanze, wenn sie ihre Blätter hängen läßt, meint damit, daß sie Wasser braucht«?


{{ParZ|522}} Wir würden kaum fragen, ob das Krokodil etwas damit meint, wenn es mit offenem Rachen auf einen Menschen zukommt. Und wir würden erklären: das Krokodil könne nicht denken, und darum sei eigentlich hier von einem Meinen keine Rede.
{{ParZ|522}} Wir würden kaum fragen, ob das Krokodil etwas damit meint, wenn es mit offenem Rachen auf einen Menschen zukommt. Und wir würden erklären: das Krokodil könne nicht denken, und darum sei eigentlich hier von einem Meinen keine Rede.
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Man könnte nun fragen, ob dies Wort sich wirklich einfach auf das Benehmen, einfach auf die Veränderung des Körpers bezöge. Und das können wir verneinen. Es liegt uns ja nichts daran, den Gebrauch dieses Worts derart zu vereinfachen. Es bezieht sich auf das Benehmen unter gewissen äußeren Umständen. Wenn wir diese Umstände und jenes Benehmen beobachten, sagen wir, einer sei ...., oder habe .....
Man könnte nun fragen, ob dies Wort sich wirklich einfach auf das Benehmen, einfach auf die Veränderung des Körpers bezöge. Und das können wir verneinen. Es liegt uns ja nichts daran, den Gebrauch dieses Worts derart zu vereinfachen. Es bezieht sich auf das Benehmen unter gewissen äußeren Umständen. Wenn wir diese Umstände und jenes Benehmen beobachten, sagen wir, einer sei ...., oder habe .....


{{ParZ|524}} Es könnte einen Furchtbegriff geben, der nur auf Tiere, also nur durch Beobachtung, Anwendung fände.—Du willst doch nicht sagen, daß so ein Begriff keinen Nutzen hätte. Das Verbum, das beiläufig dem Wort »fürchten« entspräche, hätte dann keine erste Person, und keine seiner Formen wäre Äußerung der Furcht.
{{ParZ|524}} Es könnte einen Furchtbegriff geben, der nur auf Tiere, also nur durch Beobachtung, Anwendung fände. – Du willst doch nicht sagen, daß so ein Begriff keinen Nutzen hätte. Das Verbum, das beiläufig dem Wort »fürchten« entspräche, hätte dann keine erste Person, und keine seiner Formen wäre Äußerung der Furcht.


{{ParZ|525}} Ich will nun sagen, daß Menschen, welche einen solchen Begriff verwenden, seinen Gebrauch ''nicht'' müßten beschreiben können. Und sollten sie es versuchen, so wäre es möglich, sie gäben eine ganz unzulängliche Beschreibung. (Wie die meisten, wenn sie versuchen wollten, die Verwendung des Geldes richtig zu beschreiben.) (Sie sind auf so eine Aufgabe nicht gefaßt.)
{{ParZ|525}} Ich will nun sagen, daß Menschen, welche einen solchen Begriff verwenden, seinen Gebrauch ''nicht'' müßten beschreiben können. Und sollten sie es versuchen, so wäre es möglich, sie gäben eine ganz unzulängliche Beschreibung. (Wie die meisten, wenn sie versuchen wollten, die Verwendung des Geldes richtig zu beschreiben.) (Sie sind auf so eine Aufgabe nicht gefaßt.)


{{ParZ|526}} Wer sich unter den und den Umständen so und so benimmt, von dem sagen wir, er sei traurig. (Auch vom Hunde.) Insofern kann man nicht sagen, das Benehmen sei die ''Ursache'' der Trauer; sie ist ihr Anzeichen. Sie die Wirkung der Trauer zu nennen, wäre auch nicht einwandfrei.—Sagt er es von sich (er sei traurig), so wird er im allgemeinen dafür als Grund nicht sein trauriges Gesicht u. dergl. angeben. Wie aber wäre es damit: »Erfahrung hat mich gelehrt, daß ich traurig werde, sobald ich anfange, traurig dazusitzen, etc.«? Das könnte zweierlei besagen. Erstens: »Sobald ich, etwa einer leichten Neigung folgend, es mir gestatte, mich so und so zu halten und zu benehmen, gerate ich in den Zustand, in diesem Benehmen verharren zu müssen.« Es könnte ja sein, daß Zahnschmerzen durch Stöhnen ärger würden.—Zweitens aber könnte jener Satz eine Spekulation enthalten über die Ursache der menschlichen Trauer; des Inhalts, daß, wer imstande wäre auf irgend eine Weise gewisse Körperzustände hervorzurufen, den Menschen traurig machen würde. Hier ist aber die Schwierigkeit, daß wir einen Menschen, der unter allen Umständen traurig ''aussähe'' und sich ''benähme'', nicht traurig nennen würden. Ja, wenn wir einem solchen den Ausdruck »Ich bin traurig« beibrächten, und er sagte das stets und ständig mit dem Ausdruck der Trauer, so hätten diese Worte, so wie die übrigen Zeichen, ihren normalen Sinn verloren.
{{ParZ|526}} Wer sich unter den und den Umständen so und so benimmt, von dem sagen wir, er sei traurig. (Auch vom Hunde.) Insofern kann man nicht sagen, das Benehmen sei die ''Ursache'' der Trauer; sie ist ihr Anzeichen. Sie die Wirkung der Trauer zu nennen, wäre auch nicht einwandfrei. – Sagt er es von sich (er sei traurig), so wird er im allgemeinen dafür als Grund nicht sein trauriges Gesicht u. dergl. angeben. Wie aber wäre es damit: »Erfahrung hat mich gelehrt, daß ich traurig werde, sobald ich anfange, traurig dazusitzen, etc.«? Das könnte zweierlei besagen. Erstens: »Sobald ich, etwa einer leichten Neigung folgend, es mir gestatte, mich so und so zu halten und zu benehmen, gerate ich in den Zustand, in diesem Benehmen verharren zu müssen.« Es könnte ja sein, daß Zahnschmerzen durch Stöhnen ärger würden. – Zweitens aber könnte jener Satz eine Spekulation enthalten über die Ursache der menschlichen Trauer; des Inhalts, daß, wer imstande wäre auf irgend eine Weise gewisse Körperzustände hervorzurufen, den Menschen traurig machen würde. Hier ist aber die Schwierigkeit, daß wir einen Menschen, der unter allen Umständen traurig ''aussähe'' und sich ''benähme'', nicht traurig nennen würden. Ja, wenn wir einem solchen den Ausdruck »Ich bin traurig« beibrächten, und er sagte das stets und ständig mit dem Ausdruck der Trauer, so hätten diese Worte, so wie die übrigen Zeichen, ihren normalen Sinn verloren.


{{ParZ|527}} Ist es nicht so, als wollte man sich einen Gesichtsausdruck vorstellen, der nicht allmählicher, schwer faßbarer Veränderungen fähig wäre, sondern, sagen wir nur fünf Stellungen hätte; bei einer Veränderung ginge die eine mit einem Ruck in die andere über. Wäre nun dies starre Lächeln z. B. wirklich ein Lächeln? Und warum nicht?—»Lächeln« nennen wir eine Miene in einem normalen Mienenspiel.—Ich könnte mich vielleicht nicht so dazu verhalten, wie zu einem Lächeln. Es würde mich z. B. nicht selber zum Lächeln bringen. »Kein Wunder« will man sagen, »daß wir diesen Begriff haben unter ''diesen'' Umständen.«
{{ParZ|527}} Ist es nicht so, als wollte man sich einen Gesichtsausdruck vorstellen, der nicht allmählicher, schwer faßbarer Veränderungen fähig wäre, sondern, sagen wir nur fünf Stellungen hätte; bei einer Veränderung ginge die eine mit einem Ruck in die andere über. Wäre nun dies starre Lächeln z. B. wirklich ein Lächeln? Und warum nicht? – »Lächeln« nennen wir eine Miene in einem normalen Mienenspiel. – Ich könnte mich vielleicht nicht so dazu verhalten, wie zu einem Lächeln. Es würde mich z. B. nicht selber zum Lächeln bringen. »Kein Wunder« will man sagen, »daß wir diesen Begriff haben unter ''diesen'' Umständen.«


{{ParZ|528}} Eine Hilfskonstruktion. Ein Stamm, den wir versklaven wollen. Die Regierung und die Wissenschaft geben aus, daß die Leute dieses Stammes keine Seelen haben; man könne sie also zu jedem beliebigen Zweck gebrauchen. Natürlich interessiert uns dennoch ihre Sprache; denn wir wollen ihnen ja z. B. Befehle geben und Berichte von ihnen erhalten. Auch wollen wir wissen, was sie unter einander reden, da dies mit ihrem übrigen Verhalten zusammenhängt. Aber auch, was bei ihnen unsern ›psychologischen Äußerungen‹ entspricht, muß uns interessieren; denn wir wollen sie arbeitsfähig erhalten; darum sind uns ihre Äußerungen des Schmerzes, des Unwohlseins, der Niedergeschlagenheit, der Lebenslust etc., etc. von Wichtigkeit. Ja, wir haben auch gefunden, daß man diese Leute mit gutem Erfolg als Versuchsobjekte in physiologischen und psychologischen Laboratorien verwenden kann, da ihre Reaktionen—auch die Sprachreaktionen—ganz die der seelenbegabten Menschen sind. Man habe auch gefunden, daß man diesen Wesen durch eine Methode, die sehr ähnlich unserm ›Unterricht‹ ist, unsere Sprache statt der ihrigen beibringen kann.
{{ParZ|528}} Eine Hilfskonstruktion. Ein Stamm, den wir versklaven wollen. Die Regierung und die Wissenschaft geben aus, daß die Leute dieses Stammes keine Seelen haben; man könne sie also zu jedem beliebigen Zweck gebrauchen. Natürlich interessiert uns dennoch ihre Sprache; denn wir wollen ihnen ja z. B. Befehle geben und Berichte von ihnen erhalten. Auch wollen wir wissen, was sie unter einander reden, da dies mit ihrem übrigen Verhalten zusammenhängt. Aber auch, was bei ihnen unsern ›psychologischen Äußerungen‹ entspricht, muß uns interessieren; denn wir wollen sie arbeitsfähig erhalten; darum sind uns ihre Äußerungen des Schmerzes, des Unwohlseins, der Niedergeschlagenheit, der Lebenslust etc., etc. von Wichtigkeit. Ja, wir haben auch gefunden, daß man diese Leute mit gutem Erfolg als Versuchsobjekte in physiologischen und psychologischen Laboratorien verwenden kann, da ihre Reaktionen – auch die Sprachreaktionen – ganz die der seelenbegabten Menschen sind. Man habe auch gefunden, daß man diesen Wesen durch eine Methode, die sehr ähnlich unserm ›Unterricht‹ ist, unsere Sprache statt der ihrigen beibringen kann.


{{ParZ|529}} Diese Wesen lernen nun z. B. rechnen, schriftlich oder mündlich rechnen. Wir bringen sie aber auf irgend eine Weise dahin, daß sie uns das Ergebnis einer Multiplikation sagen können, nachdem sie, ohne zu schreiben oder zu sprechen, sich eine Weile in ›nachdenkender‹ Haltung verhalten haben. Wenn man die Art und Weise betrachtet, wie sie dies ›Kopfrechnen‹ lernen und die Erscheinungen, die es umgeben, so liegt das Bild nahe, der Prozeß des Rechnens sei gleichsam untergetaucht und gehe nun ''unter'' der Wasserfläche vor sich.
{{ParZ|529}} Diese Wesen lernen nun z. B. rechnen, schriftlich oder mündlich rechnen. Wir bringen sie aber auf irgend eine Weise dahin, daß sie uns das Ergebnis einer Multiplikation sagen können, nachdem sie, ohne zu schreiben oder zu sprechen, sich eine Weile in ›nachdenkender‹ Haltung verhalten haben. Wenn man die Art und Weise betrachtet, wie sie dies ›Kopfrechnen‹ lernen und die Erscheinungen, die es umgeben, so liegt das Bild nahe, der Prozeß des Rechnens sei gleichsam untergetaucht und gehe nun ''unter'' der Wasserfläche vor sich.


Wir müssen natürlich für verschiedene Zwecke einen Befehl haben der Art »Rechne dies im Kopf!«; eine Frage »Hast du es gerechnet?«; ja auch: »Wie weit bist du?«; eine Aussage des Automaten »Ich habe .... gerechnet«; etc. Kurz: alles, was ''wir'' unter uns über das Kopfrechnen sagen, hat auch Interesse für uns, wenn sie es sagen. Und was für Kopfrechnen gilt, gilt auch für alle anderen Formen des Denkens.——Äußert einer von uns die Meinung, diese Wesen ''müßten'' doch irgendeine Art von Seele haben, in der dies und jenes vor sich ginge, so lachen wir ihn aus.
Wir müssen natürlich für verschiedene Zwecke einen Befehl haben der Art »Rechne dies im Kopf!«; eine Frage »Hast du es gerechnet?«; ja auch: »Wie weit bist du?«; eine Aussage des Automaten »Ich habe .... gerechnet«; etc. Kurz: alles, was ''wir'' unter uns über das Kopfrechnen sagen, hat auch Interesse für uns, wenn sie es sagen. Und was für Kopfrechnen gilt, gilt auch für alle anderen Formen des Denkens. –– Äußert einer von uns die Meinung, diese Wesen ''müßten'' doch irgendeine Art von Seele haben, in der dies und jenes vor sich ginge, so lachen wir ihn aus.


{{ParZ|530}} Die Sklaven sagen auch: »Als ich das Wort ›Bank‹ hörte, bedeutete es für mich .....«. Frage: Auf dem Hintergrund ''welcher'' Sprachtechnik sagen sie das? Denn darauf kommt alles an. Was hatten wir sie gelehrt, welche Benutzung des Wortes »bedeuten«? Und was, wenn überhaupt irgend etwas, entnehmen wir ihrer Äußerung? Denn wenn wir gar nichts mit ihr anfangen können, so könnte sie uns als Kuriosität interessieren.——Denken wir uns einen Stamm von Menschen, die keine Träume kennen, und die unsere Traumerzählungen hören. Einer von uns käme zu diesen nichtträumenden Leuten und lernte nach und nach, sich mit ihnen zu verständigen.—Vielleicht denkt man, sie würden nun das Wort »träumen« nie verstehen. Aber sie würden bald eine Verwendung dafür finden. Und ihre Ärzte könnten sich sehr wohl für das Phänomen interessieren und wichtige Schlüsse aus den Träumen des Fremden ziehen.——Auch kann man nicht sagen, daß für diese Leute das Verbum »träumen« nichts Anderes bedeuten könnte als: einen Traum erzählen. Denn der Fremde würde ja beide Ausdrücke gebrauchen: »träumen« und »einen Traum erzählen«, und die Leute jenes Stammes dürften nicht »ich träumte ...« mit »ich erzählte den Traum .....« verwechseln.
{{ParZ|530}} Die Sklaven sagen auch: »Als ich das Wort ›Bank‹ hörte, bedeutete es für mich .....«. Frage: Auf dem Hintergrund ''welcher'' Sprachtechnik sagen sie das? Denn darauf kommt alles an. Was hatten wir sie gelehrt, welche Benutzung des Wortes »bedeuten«? Und was, wenn überhaupt irgend etwas, entnehmen wir ihrer Äußerung? Denn wenn wir gar nichts mit ihr anfangen können, so könnte sie uns als Kuriosität interessieren. –– Denken wir uns einen Stamm von Menschen, die keine Träume kennen, und die unsere Traumerzählungen hören. Einer von uns käme zu diesen nichtträumenden Leuten und lernte nach und nach, sich mit ihnen zu verständigen. – Vielleicht denkt man, sie würden nun das Wort »träumen« nie verstehen. Aber sie würden bald eine Verwendung dafür finden. Und ihre Ärzte könnten sich sehr wohl für das Phänomen interessieren und wichtige Schlüsse aus den Träumen des Fremden ziehen. –– Auch kann man nicht sagen, daß für diese Leute das Verbum »träumen« nichts Anderes bedeuten könnte als: einen Traum erzählen. Denn der Fremde würde ja beide Ausdrücke gebrauchen: »träumen« und »einen Traum erzählen«, und die Leute jenes Stammes dürften nicht »ich träumte ...« mit »ich erzählte den Traum .....« verwechseln.


{{ParZ|531}} »Ich nehme an, es schwebe ihm ein Bild vor.«—Könnte ich auch annehmen, es schwebe diesem Ofen ein Bild vor?—Und warum scheint dies unmöglich? Ist denn also die menschliche Gestalt dazu nötig?
{{ParZ|531}} »Ich nehme an, es schwebe ihm ein Bild vor.« – Könnte ich auch annehmen, es schwebe diesem Ofen ein Bild vor? – Und warum scheint dies unmöglich? Ist denn also die menschliche Gestalt dazu nötig?


{{ParZ|532}} Der Schmerzbegriff ist charakterisiert durch seine bestimmte Funktion in unserm Leben.
{{ParZ|532}} Der Schmerzbegriff ist charakterisiert durch seine bestimmte Funktion in unserm Leben.
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{{ParZ|534}} Nur inmitten gewisser normaler Lebensäußerungen gibt es eine Schmerzäußerung. Nur inmitten von noch viel weitgehender bestimmter Lebensäußerung den Ausdruck der Trauer oder der Zuneigung. U. s. f.
{{ParZ|534}} Nur inmitten gewisser normaler Lebensäußerungen gibt es eine Schmerzäußerung. Nur inmitten von noch viel weitgehender bestimmter Lebensäußerung den Ausdruck der Trauer oder der Zuneigung. U. s. f.


{{ParZ|535}} Wenn ich mir, und wenn ein Andrer sich einen Schmerz vorstellen kann, oder wir doch sagen, daß wir es können,—wie kann man herausfinden, ob wir ihn uns richtig vorstellen, und wie genau?
{{ParZ|535}} Wenn ich mir, und wenn ein Andrer sich einen Schmerz vorstellen kann, oder wir doch sagen, daß wir es können, – wie kann man herausfinden, ob wir ihn uns richtig vorstellen, und wie genau?


{{ParZ|536}} Ich mag wissen, daß er Schmerzen hat, aber ich weiß nie den genauen Grad seiner Schmerzen. Hier ist also etwas, was er weiß und die Schmerzäußerung mir nicht mitteilt. Etwas rein Privates.
{{ParZ|536}} Ich mag wissen, daß er Schmerzen hat, aber ich weiß nie den genauen Grad seiner Schmerzen. Hier ist also etwas, was er weiß und die Schmerzäußerung mir nicht mitteilt. Etwas rein Privates.
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{{ParZ|538}} Es hat auch keinen Sinn zu sagen: »Ich kümmere mich nicht um mein eigenes Stöhnen, weil ''ich weiß'', daß ich Schmerzen habe« oder »weil ich meine Schmerzen ''fühle''.«
{{ParZ|538}} Es hat auch keinen Sinn zu sagen: »Ich kümmere mich nicht um mein eigenes Stöhnen, weil ''ich weiß'', daß ich Schmerzen habe« oder »weil ich meine Schmerzen ''fühle''.«


Wohl aber ist es wahr:—»Ich kümmere mich nicht um mein Stöhnen.«
Wohl aber ist es wahr: – »Ich kümmere mich nicht um mein Stöhnen.«


{{ParZ|539}} Ich schließe aus der Beobachtung seines Benehmens, daß er zum Arzt muß; aber ich ziehe diesen Schluß für mich ''nicht'' aus der Beobachtung meines Benehmens. Oder vielmehr: ich tue auch dies manchmal, aber ''nicht'' in analogen Fällen.
{{ParZ|539}} Ich schließe aus der Beobachtung seines Benehmens, daß er zum Arzt muß; aber ich ziehe diesen Schluß für mich ''nicht'' aus der Beobachtung meines Benehmens. Oder vielmehr: ich tue auch dies manchmal, aber ''nicht'' in analogen Fällen.


{{ParZ|540}} Es hilft hier, wenn man bedenkt, daß es ein primitives Verhalten ist, die schmerzende Stelle des Andern zu pflegen, zu behandeln, und nicht nur die eigene—also auf des Andern Schmerzbenehmen zu achten, wie auch, auf das eigene Schmerzbenehmen ''nicht'' zu achten.
{{ParZ|540}} Es hilft hier, wenn man bedenkt, daß es ein primitives Verhalten ist, die schmerzende Stelle des Andern zu pflegen, zu behandeln, und nicht nur die eigene – also auf des Andern Schmerzbenehmen zu achten, wie auch, auf das eigene Schmerzbenehmen ''nicht'' zu achten.


{{ParZ|541}} Was aber will hier das Wort »primitiv« sagen? Doch wohl, daß die Verhaltungsweise ''vorsprachlich'' ist: daß ein Sprachspiel ''auf ihr'' beruht, daß sie das Prototyp einer Denkweise ist und nicht das Ergebnis des Denkens.
{{ParZ|541}} Was aber will hier das Wort »primitiv« sagen? Doch wohl, daß die Verhaltungsweise ''vorsprachlich'' ist: daß ein Sprachspiel ''auf ihr'' beruht, daß sie das Prototyp einer Denkweise ist und nicht das Ergebnis des Denkens.


{{ParZ|542}} »Falsch aufgezäumt« kann man von einer Erklärung sagen, wie dieser: Wir pflegten den Andern, weil wir nach Analogie des eigenen Falles glaubten, auch er habe ein Schmerzerlebnis.—Statt zu sagen: Lerne also aus diesem besondern Kapitel des menschlichen Benehmens—aus dieser Sprachverwendung—eine neue Seite.
{{ParZ|542}} »Falsch aufgezäumt« kann man von einer Erklärung sagen, wie dieser: Wir pflegten den Andern, weil wir nach Analogie des eigenen Falles glaubten, auch er habe ein Schmerzerlebnis. – Statt zu sagen: Lerne also aus diesem besondern Kapitel des menschlichen Benehmens – aus dieser Sprachverwendung – eine neue Seite.


{{ParZ|543}} Zu meinem Begriff gehört hier mein Verhältnis zur Erscheinung.
{{ParZ|543}} Zu meinem Begriff gehört hier mein Verhältnis zur Erscheinung.


{{ParZ|544}} Wenn wir dem Arzt mitteilen, wir hätten Schmerzen—in welchen Fällen ist es nützlich, daß er sich einen Schmerz vorstelle?—Und geschieht dies nicht auf sehr mannigfache Weise? (So mannigfach, wie sich an einen Schmerz erinnern.) (Wissen, wie ein Mensch ausschaut.)
{{ParZ|544}} Wenn wir dem Arzt mitteilen, wir hätten Schmerzen – in welchen Fällen ist es nützlich, daß er sich einen Schmerz vorstelle? – Und geschieht dies nicht auf sehr mannigfache Weise? (So mannigfach, wie sich an einen Schmerz erinnern.) (Wissen, wie ein Mensch ausschaut.)


{{ParZ|545}} Angenommen, es erklärt einer, wie ein Kind den Gebrauch des Wortes »Schmerz« lernt, in dieser Weise: Wenn das Kind sich bei bestimmten Anlässen so und so benimmt, denke ich, es fühle, was ich in solchen Fällen fühle; und wenn es so ist, so assoziiert das Kind das Wort mit seinem Gefühl und gebraucht das Wort, wenn das Gefühl wieder auftritt.——''Was'' erklärt diese Erklärung? Frage dich: ''Welche'' Art der Unwissenheit behebt sie?-Sicher sein, daß der Andre Schmerzen hat, zweifeln, ob er sie hat, u. s. f., sind soviele natürliche instinktive Arten des Verhältnisses zu den andern Menschen, und unsre Sprache ist nur ein Hilfsmittel und weiterer Ausbau dieses Verhaltens. Unser Sprachspiel ist ein Ausbau des primitiven Benehmens. (Denn unser ''Sprachspiel'' ist Benehmen.) (Instinkt.)
{{ParZ|545}} Angenommen, es erklärt einer, wie ein Kind den Gebrauch des Wortes »Schmerz« lernt, in dieser Weise: Wenn das Kind sich bei bestimmten Anlässen so und so benimmt, denke ich, es fühle, was ich in solchen Fällen fühle; und wenn es so ist, so assoziiert das Kind das Wort mit seinem Gefühl und gebraucht das Wort, wenn das Gefühl wieder auftritt. –– ''Was'' erklärt diese Erklärung? Frage dich: ''Welche'' Art der Unwissenheit behebt sie?-Sicher sein, daß der Andre Schmerzen hat, zweifeln, ob er sie hat, u. s. f., sind soviele natürliche instinktive Arten des Verhältnisses zu den andern Menschen, und unsre Sprache ist nur ein Hilfsmittel und weiterer Ausbau dieses Verhaltens. Unser Sprachspiel ist ein Ausbau des primitiven Benehmens. (Denn unser ''Sprachspiel'' ist Benehmen.) (Instinkt.)


{{ParZ|546}} »Ich bin nicht sicher, ob er Schmerzen hat.«—Wenn sich nun einer immer, wenn er dies sagt, mit einer Nadel stäche, um die Bedeutung des Wortes »Schmerz« lebhaft vor der Seele zu haben, (um sich nicht mit der Vorstellung begnügen zu müssen) und zu wissen, worüber er beim Andern im Zweifel ist!—Wäre nun der Sinn seiner Aussage gesichert?
{{ParZ|546}} »Ich bin nicht sicher, ob er Schmerzen hat.« – Wenn sich nun einer immer, wenn er dies sagt, mit einer Nadel stäche, um die Bedeutung des Wortes »Schmerz« lebhaft vor der Seele zu haben, (um sich nicht mit der Vorstellung begnügen zu müssen) und zu wissen, worüber er beim Andern im Zweifel ist! – Wäre nun der Sinn seiner Aussage gesichert?


{{ParZ|547}} Er hat also den wahren Schmerz; und der Besitz ''dieses'' ist es, was er beim Andern bezweifelt.—Aber wie macht er das nur?——Es ist, als sagte man mir: »Hier hast du einen Sessel. Siehst du ihn genau?—Gut—nun übertrage ihn ins Französische!«
{{ParZ|547}} Er hat also den wahren Schmerz; und der Besitz ''dieses'' ist es, was er beim Andern bezweifelt. – Aber wie macht er das nur? –– Es ist, als sagte man mir: »Hier hast du einen Sessel. Siehst du ihn genau? – Gut – nun übertrage ihn ins Französische!«


{{ParZ|548}} Er hat also den wirklichen Schmerz, und nun weiß er, was er beim Andern bezweifeln soll. Er hat den Gegenstand vor sich, und es ist ''kein'' ›Benehmen‹ oder dergleichen. (Aber jetzt!) Zum Bezweifeln, ob der Andre Schmerzen hat, braucht er den ''Begriff'' ›Schmerz‹, nicht Schmerzen.
{{ParZ|548}} Er hat also den wirklichen Schmerz, und nun weiß er, was er beim Andern bezweifeln soll. Er hat den Gegenstand vor sich, und es ist ''kein'' ›Benehmen‹ oder dergleichen. (Aber jetzt!) Zum Bezweifeln, ob der Andre Schmerzen hat, braucht er den ''Begriff'' ›Schmerz‹, nicht Schmerzen.
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{{ParZ|551}} »Der Geruch ist herrlich!« Ist ein Zweifel darüber, daß der Geruch es ist, der herrlich ist?
{{ParZ|551}} »Der Geruch ist herrlich!« Ist ein Zweifel darüber, daß der Geruch es ist, der herrlich ist?


So ist es eine Eigenschaft des Geruches?—Warum nicht? Es ist eine Eigenschaft der Zehn, durch zwei teilbar zu sein und auch, die Zahl meiner Finger zu sein.
So ist es eine Eigenschaft des Geruches? – Warum nicht? Es ist eine Eigenschaft der Zehn, durch zwei teilbar zu sein und auch, die Zahl meiner Finger zu sein.


Es könnte aber eine Sprache geben, in der die Leute nur die Augen schließen und sagen »Oh, dieser Geruch!« und es keinen Subjekt-Prädikat-Satz gibt, der dem äquivalent ist. Das ist eben eine ›spezifische‹ Reaktion.
Es könnte aber eine Sprache geben, in der die Leute nur die Augen schließen und sagen »Oh, dieser Geruch!« und es keinen Subjekt-Prädikat-Satz gibt, der dem äquivalent ist. Das ist eben eine ›spezifische‹ Reaktion.


{{ParZ|552}} Zu dem Sprachspiel mit den Worten »er hat Schmerzen« gehört—möchte man sagen—nicht nur das Bild des Benehmens, sondern auch das Bild des Schmerzes.—Aber hier muß man sich in Acht nehmen: Denke an mein Beispiel von den privaten Tabellen, die nicht zum ''Spiel'' gehören.—Es entsteht der Eindruck der ›privaten Tabelle‹ im Spiel durch die ''Abwesenheit'' einer Tabelle und durch die Ähnlichkeit des Spiels mit einem solchen, das mit einer Tabelle gespielt wird.
{{ParZ|552}} Zu dem Sprachspiel mit den Worten »er hat Schmerzen« gehört – möchte man sagen – nicht nur das Bild des Benehmens, sondern auch das Bild des Schmerzes. – Aber hier muß man sich in Acht nehmen: Denke an mein Beispiel von den privaten Tabellen, die nicht zum ''Spiel'' gehören. – Es entsteht der Eindruck der ›privaten Tabelle‹ im Spiel durch die ''Abwesenheit'' einer Tabelle und durch die Ähnlichkeit des Spiels mit einem solchen, das mit einer Tabelle gespielt wird.


{{ParZ|553}} Bedenke: Wir gebrauchen das Wort »Ich weiß nicht« oft in seltsamer Weise; wenn wir z. B. sagen, wir wissen nicht, ob dieser wirklich mehr fühlt als der Andere, oder es nur stärker zum Ausdruck bringt. Es ist dann nicht klar, welche Art der Untersuchung die Frage entscheiden könnte. Natürlich ist die Äußerung nicht ganz müßig: Wir wollen sagen, daß wir wohl die Gefühle des A und des B miteinander vergleichen können, aber uns die Umstände an einem Vergleich des A mit dem C irre werden lassen.
{{ParZ|553}} Bedenke: Wir gebrauchen das Wort »Ich weiß nicht« oft in seltsamer Weise; wenn wir z. B. sagen, wir wissen nicht, ob dieser wirklich mehr fühlt als der Andere, oder es nur stärker zum Ausdruck bringt. Es ist dann nicht klar, welche Art der Untersuchung die Frage entscheiden könnte. Natürlich ist die Äußerung nicht ganz müßig: Wir wollen sagen, daß wir wohl die Gefühle des A und des B miteinander vergleichen können, aber uns die Umstände an einem Vergleich des A mit dem C irre werden lassen.
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{{ParZ|556}} Die Unsicherheit hat ihren Grund nicht darin, daß er seine Schmerzen nicht außen am Rock trägt. Und es ist auch gar keine Unsicherheit ''in jedem besonders Fall''. Wenn die Grenze zwischen zwei Ländern strittig wäre, würde daraus folgen, daß die Landesangehörigkeit jedes einzelnen Bewohners fraglich wäre?
{{ParZ|556}} Die Unsicherheit hat ihren Grund nicht darin, daß er seine Schmerzen nicht außen am Rock trägt. Und es ist auch gar keine Unsicherheit ''in jedem besonders Fall''. Wenn die Grenze zwischen zwei Ländern strittig wäre, würde daraus folgen, daß die Landesangehörigkeit jedes einzelnen Bewohners fraglich wäre?


{{ParZ|557}} Denke, Leute könnten das Funktionieren des Nervensystems im Andern beobachten. Sie unterschieden dann echte und geheuchelte Empfindung in sicherer Weise.—Oder könnten sie doch wieder daran zweifeln, daß der Andere bei diesen Zeichen etwas spürt?—Man könnte sich jedenfalls leicht vorstellen, daß, was sie da sehen, ihr Verhalten ohne alle Skrupel bestimmt.
{{ParZ|557}} Denke, Leute könnten das Funktionieren des Nervensystems im Andern beobachten. Sie unterschieden dann echte und geheuchelte Empfindung in sicherer Weise. – Oder könnten sie doch wieder daran zweifeln, daß der Andere bei diesen Zeichen etwas spürt? – Man könnte sich jedenfalls leicht vorstellen, daß, was sie da sehen, ihr Verhalten ohne alle Skrupel bestimmt.


Und nun kann man dies doch auf das äußere Benehmen übertragen.
Und nun kann man dies doch auf das äußere Benehmen übertragen.
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{{ParZ|569}} Und ein Muster ist im Teppich mit vielen andern Mustern verwoben.
{{ParZ|569}} Und ein Muster ist im Teppich mit vielen andern Mustern verwoben.


{{ParZ|570}} »So ''kann'' man sich nicht verstellen.«—Und das kann eine Erfahrung sein,—daß nämlich niemand, der sich so benimmt, sich später so und so benehmen werde; aber auch eine begriffliche Feststellung (»Das wäre nicht mehr Verstellung«); und die beiden können zusammenhängen.
{{ParZ|570}} »So ''kann'' man sich nicht verstellen.« – Und das kann eine Erfahrung sein, – daß nämlich niemand, der sich so benimmt, sich später so und so benehmen werde; aber auch eine begriffliche Feststellung (»Das wäre nicht mehr Verstellung«); und die beiden können zusammenhängen.


Das kann man nicht mehr »Verstellung« nennen.
Das kann man nicht mehr »Verstellung« nennen.
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Klagt einer z. B., so kann ich mit völliger Sicherheit vertrauensvoll reagieren, oder unsicher und wie einer, der Verdacht hat. Es braucht dazu keine Worte noch Gedanken.
Klagt einer z. B., so kann ich mit völliger Sicherheit vertrauensvoll reagieren, oder unsicher und wie einer, der Verdacht hat. Es braucht dazu keine Worte noch Gedanken.


{{ParZ|574}} Ist das, wovon er sagt, er habe es, und wovon ich sage, ich habe es, ohne daß wir dies aus irgendeiner Beobachtung erschließen,—ist es dasselbe, wie das, was wir aus der Beobachtung des Benehmens des Andern und aus seiner Überzeugungs''äußerung'' entnehmen?
{{ParZ|574}} Ist das, wovon er sagt, er habe es, und wovon ich sage, ich habe es, ohne daß wir dies aus irgendeiner Beobachtung erschließen, – ist es dasselbe, wie das, was wir aus der Beobachtung des Benehmens des Andern und aus seiner Überzeugungs''äußerung'' entnehmen?


{{ParZ|575}} Kann man sagen: Ich ''schließe'', daß er handeln wird, wie ''er'' zu handeln ''beabsichtigt''?
{{ParZ|575}} Kann man sagen: Ich ''schließe'', daß er handeln wird, wie ''er'' zu handeln ''beabsichtigt''?
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(Fall der falschen Geste.)
(Fall der falschen Geste.)


{{ParZ|576}} Warum schließe ich nie von meinen Worten auf meine wahrscheinlichen Handlungen? Aus demselben Grunde, aus welchem ich nicht von meinem Gesichtsausdruck auf mein wahrscheinliches Benehmen schließe.—Denn nicht das ist das Interessante, daß ich nicht aus meinem Ausdruck der Gemütsbewegung auf meine Gemütsbewegung schließe, sondern, daß ich aus jenem Ausdruck auch nicht auf mein späteres Verhalten schließe, wie dies doch die Andern tun, die mich beobachten.
{{ParZ|576}} Warum schließe ich nie von meinen Worten auf meine wahrscheinlichen Handlungen? Aus demselben Grunde, aus welchem ich nicht von meinem Gesichtsausdruck auf mein wahrscheinliches Benehmen schließe. – Denn nicht das ist das Interessante, daß ich nicht aus meinem Ausdruck der Gemütsbewegung auf meine Gemütsbewegung schließe, sondern, daß ich aus jenem Ausdruck auch nicht auf mein späteres Verhalten schließe, wie dies doch die Andern tun, die mich beobachten.


{{ParZ|577}} Willkürlich sind gewisse Bewegungen mit ihrer normalen ''Umgebung'' von Absicht, Lernen, Versuchen, Handeln. Bewegungen, von denen es Sinn hat zu sagen, sie seien manchmal willkürlich, manchmal unwillkürlich, sind Bewegungen in einer speziellen Umgebung
{{ParZ|577}} Willkürlich sind gewisse Bewegungen mit ihrer normalen ''Umgebung'' von Absicht, Lernen, Versuchen, Handeln. Bewegungen, von denen es Sinn hat zu sagen, sie seien manchmal willkürlich, manchmal unwillkürlich, sind Bewegungen in einer speziellen Umgebung


{{ParZ|578}} Wenn einer uns nun sagte, ''er'' esse unwillkürlich,—welche Evidenz würde mich dies glauben machen?
{{ParZ|578}} Wenn einer uns nun sagte, ''er'' esse unwillkürlich, – welche Evidenz würde mich dies glauben machen?


{{ParZ|579}} Man ruft sich ein Niesen oder einen Hustenanfall hervor, aber nicht eine willkürliche Bewegung. Und der Wille ruft das Niesen nicht hervor und auch nicht das Gehen.
{{ParZ|579}} Man ruft sich ein Niesen oder einen Hustenanfall hervor, aber nicht eine willkürliche Bewegung. Und der Wille ruft das Niesen nicht hervor und auch nicht das Gehen.


{{ParZ|580}} Mein Ausdruck kam daher, daß ich mir das Wollen als ein Herbeiführen dachte,—aber nicht als ein Verursachen, sondern—ich möchte sagen—als ein direktes, nicht-kausales Herbeiführen. Und dieser Idee liegt die Vorstellung zu Grunde, daß der kausale Nexus die Verbindung zweier Maschinenteile durch einen Mechanismus, etwa eine Reihe von Zahnrädern ist.
{{ParZ|580}} Mein Ausdruck kam daher, daß ich mir das Wollen als ein Herbeiführen dachte, – aber nicht als ein Verursachen, sondern – ich möchte sagen – als ein direktes, nicht-kausales Herbeiführen. Und dieser Idee liegt die Vorstellung zu Grunde, daß der kausale Nexus die Verbindung zweier Maschinenteile durch einen Mechanismus, etwa eine Reihe von Zahnrädern ist.


{{ParZ|581}} Ist »Ich tue mein Möglichstes« die Äußerung eines Erlebnisses?''Ein'' Unterschied: Man sagt »Tue dein Möglichstes!«
{{ParZ|581}} Ist »Ich tue mein Möglichstes« die Äußerung eines Erlebnisses? ''Ein'' Unterschied: Man sagt »Tue dein Möglichstes!«


{{ParZ|582}} Wenn einer mich auf der Straße trifft und fragt »Wohin gehst du?« und ich antworte »Ich weiß es nicht«, so nimmt er an, ich habe keine bestimmte ''Absicht''; nicht, ich wisse nicht, ob ich meine Absicht werde ausführen können. (Hebel.)
{{ParZ|582}} Wenn einer mich auf der Straße trifft und fragt »Wohin gehst du?« und ich antworte »Ich weiß es nicht«, so nimmt er an, ich habe keine bestimmte ''Absicht''; nicht, ich wisse nicht, ob ich meine Absicht werde ausführen können. (Hebel.)


{{ParZ|583}} Was ist der Unterschied zwischen diesen beiden: Einer Linie unwillkürlich folgen——Einer Linie mit Absicht folgen.
{{ParZ|583}} Was ist der Unterschied zwischen diesen beiden: Einer Linie unwillkürlich folgen –– Einer Linie mit Absicht folgen.


Was ist der Unterschied zwischen diesen beiden: Eine Linie mit Bedacht und großer Aufmerksamkeit nachziehen——Aufmerksam beobachten, wie meine Hand einer Linie folgt.
Was ist der Unterschied zwischen diesen beiden: Eine Linie mit Bedacht und großer Aufmerksamkeit nachziehen –– Aufmerksam beobachten, wie meine Hand einer Linie folgt.


{{ParZ|584}} Gewisse Unterschiede sind leicht anzugeben. Einer liegt im Voraussehen dessen, was die Hand tun wird.
{{ParZ|584}} Gewisse Unterschiede sind leicht anzugeben. Einer liegt im Voraussehen dessen, was die Hand tun wird.
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Man sieht ihr nicht erstaunt oder mit Interesse beim Schreiben zu; denkt nicht »Was wird sie nun schreiben?« Aber nicht, weil man eben wünschte, sie solle das schreiben. Denn, daß sie schreibt, was ich wünsche, könnte mich ja erst recht in Erstaunen versetzen.
Man sieht ihr nicht erstaunt oder mit Interesse beim Schreiben zu; denkt nicht »Was wird sie nun schreiben?« Aber nicht, weil man eben wünschte, sie solle das schreiben. Denn, daß sie schreibt, was ich wünsche, könnte mich ja erst recht in Erstaunen versetzen.


{{ParZ|587}} Das Kind lernt gehen, kriechen, spielen. Es lernt nicht, willkürlich und unwillkürlich spielen. Aber was macht die Bewegungen des Spiels zu willkürlichen Bewegungen?—Wie wäre es denn, wenn sie unwillkürlich wären?—Ich könnte ebensowohl fragen: Was macht denn diese Bewegung zu einem Spielen?—Ihr Charakter und ihre Umgebung.
{{ParZ|587}} Das Kind lernt gehen, kriechen, spielen. Es lernt nicht, willkürlich und unwillkürlich spielen. Aber was macht die Bewegungen des Spiels zu willkürlichen Bewegungen? – Wie wäre es denn, wenn sie unwillkürlich wären? – Ich könnte ebensowohl fragen: Was macht denn diese Bewegung zu einem Spielen? – Ihr Charakter und ihre Umgebung.


{{ParZ|588}} Aktiv und passiv. Kann man es befehlen oder nicht? Dies scheint vielleicht eine weithergeholte Unterscheidung, ist es aber nicht. Es ist ähnlich wie: »Kann man sich (''logische'' Möglichkeit) dazu entschließen oder nicht?«—Und das heißt: Wie ist es von Gedanken, Gefühlen etc. umgeben?
{{ParZ|588}} Aktiv und passiv. Kann man es befehlen oder nicht? Dies scheint vielleicht eine weithergeholte Unterscheidung, ist es aber nicht. Es ist ähnlich wie: »Kann man sich (''logische'' Möglichkeit) dazu entschließen oder nicht?« – Und das heißt: Wie ist es von Gedanken, Gefühlen etc. umgeben?


{{ParZ|589}} »Wenn ich mich anstrenge, ''tue'' ich doch etwas, habe doch nicht bloß eine Empfindung.« Und so ist es auch; denn man befiehlt einem: »Streng dich an!« und er kann die Absicht äußern »Ich werde mich jetzt anstrengen«. Und wenn er sagt »Ich kann nicht mehr!«—so heißt das nicht »Ich kann das Gefühl in meinen Gliedern—den Schmerz z. B.—nicht länger ertragen«.—Andererseits aber ''leidet'' man unter der Anstrengung wie unter Schmerzen. »Ich bin gänzlich erschöpft«—wer das sagte, sich aber so frisch bewegte wie je, den würde man nicht verstehen.
{{ParZ|589}} »Wenn ich mich anstrenge, ''tue'' ich doch etwas, habe doch nicht bloß eine Empfindung.« Und so ist es auch; denn man befiehlt einem: »Streng dich an!« und er kann die Absicht äußern »Ich werde mich jetzt anstrengen«. Und wenn er sagt »Ich kann nicht mehr!« – so heißt das nicht »Ich kann das Gefühl in meinen Gliedern – den Schmerz z. B. – nicht länger ertragen«. – Andererseits aber ''leidet'' man unter der Anstrengung wie unter Schmerzen. »Ich bin gänzlich erschöpft« – wer das sagte, sich aber so frisch bewegte wie je, den würde man nicht verstehen.


{{ParZ|590}} Die Verbindung unseres Hauptproblems mit dem epistemologischen Problem des Wollens ist mir schon früher einmal aufgefallen. Wenn in der Psychologie ein solches hartnäckiges Problem auftritt, so ist es nie eine Frage nach der tatsächlichen Erfahrung (eine solche ist immer viel gutmütiger), sondern ein logisches, also eigentlich grammatisches Problem.
{{ParZ|590}} Die Verbindung unseres Hauptproblems mit dem epistemologischen Problem des Wollens ist mir schon früher einmal aufgefallen. Wenn in der Psychologie ein solches hartnäckiges Problem auftritt, so ist es nie eine Frage nach der tatsächlichen Erfahrung (eine solche ist immer viel gutmütiger), sondern ein logisches, also eigentlich grammatisches Problem.
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Ich kann mich nicht unbeobachtet beobachten. Und ich beobachte mich nicht zu dem gleichen Zweck wie den Andern.
Ich kann mich nicht unbeobachtet beobachten. Und ich beobachte mich nicht zu dem gleichen Zweck wie den Andern.


{{ParZ|593}} Wenn ein Kind im Zorn mit den Füßen stampft und heult,—wer würde sagen, es täte dies unwillkürlich? Und warum? Warum nimmt man an, es täte dies nicht unwillkürlich? Was sind die ''Zeichen'' des willkürlichen Handelns? Gibt es solche Zeichen?—Was sind denn die Zeichen der unwillkürlichen Bewegung? Sie folgt Befehlen nicht, wie die willkürliche Handlung. Es gibt ein »Komm her!«, »Geh dort hin«, »Mach diese Armbewegung!«; aber nicht »Laß dein Herz klopfen!«
{{ParZ|593}} Wenn ein Kind im Zorn mit den Füßen stampft und heult, – wer würde sagen, es täte dies unwillkürlich? Und warum? Warum nimmt man an, es täte dies nicht unwillkürlich? Was sind die ''Zeichen'' des willkürlichen Handelns? Gibt es solche Zeichen? – Was sind denn die Zeichen der unwillkürlichen Bewegung? Sie folgt Befehlen nicht, wie die willkürliche Handlung. Es gibt ein »Komm her!«, »Geh dort hin«, »Mach diese Armbewegung!«; aber nicht »Laß dein Herz klopfen!«


{{ParZ|594}} Es gibt ein bestimmtes Zusammenspiel von Bewegungen, Worten, Mienen wie den Äußerungen des Unwillens oder der Bereitschaft, die die willkürlichen Bewegungen des normalen Menschen charakterisieren. Wenn man das Kind ruft, so kommt es nicht automatisch: Es gibt da z. B. die Gebärde »Ich will nicht!«. Oder das freudige Kommen, den Entschluß zu kommen, das Fortlaufen mit dem Zeichen der Furcht, die Wirkungen des Zuredens, alle die Reaktionen des Spiels, die Zeichen des Überlegens und seine Wirkungen.
{{ParZ|594}} Es gibt ein bestimmtes Zusammenspiel von Bewegungen, Worten, Mienen wie den Äußerungen des Unwillens oder der Bereitschaft, die die willkürlichen Bewegungen des normalen Menschen charakterisieren. Wenn man das Kind ruft, so kommt es nicht automatisch: Es gibt da z. B. die Gebärde »Ich will nicht!«. Oder das freudige Kommen, den Entschluß zu kommen, das Fortlaufen mit dem Zeichen der Furcht, die Wirkungen des Zuredens, alle die Reaktionen des Spiels, die Zeichen des Überlegens und seine Wirkungen.


{{ParZ|595}} Wie könnte ich mir beweisen, daß ich meinen Arm willkürlich bewegen kann? Etwa, indem ich mir sage »Ich werde ihn jetzt bewegen« und er sich nun bewegt? Oder soll ich sagen »Einfach, indem ich ihn bewege«? Aber wie weiß ich, daß ich es getan habe, und er sich nicht nur durch Zufall bewegt hat? Fühle ich es am Ende doch? Und wie, wenn mich meine Erinnerung an frühere Gefühle täuschte, und es also gar nicht die richtigen maßgebenden Gefühle waren?! (Und welches sind die Richtigen?) Und wie weiß denn der Andere, ob ''ich'' den Arm willkürlich bewegt habe? Ich werde ihm vielleicht sagen »Befiehl mir, welche Bewegung du willst, und ich werde sie machen, um dich zu überzeugen«.—Und was fühlst du denn in deinem Arm? »Nun, das Gewöhnliche.« Es ist nichts Ungewöhnliches an den Gefühlen,—der Arm ist z. B. nicht gefühllos (wie wenn er ›eingeschlafen‹ wäre).
{{ParZ|595}} Wie könnte ich mir beweisen, daß ich meinen Arm willkürlich bewegen kann? Etwa, indem ich mir sage »Ich werde ihn jetzt bewegen« und er sich nun bewegt? Oder soll ich sagen »Einfach, indem ich ihn bewege«? Aber wie weiß ich, daß ich es getan habe, und er sich nicht nur durch Zufall bewegt hat? Fühle ich es am Ende doch? Und wie, wenn mich meine Erinnerung an frühere Gefühle täuschte, und es also gar nicht die richtigen maßgebenden Gefühle waren?! (Und welches sind die Richtigen?) Und wie weiß denn der Andere, ob ''ich'' den Arm willkürlich bewegt habe? Ich werde ihm vielleicht sagen »Befiehl mir, welche Bewegung du willst, und ich werde sie machen, um dich zu überzeugen«. – Und was fühlst du denn in deinem Arm? »Nun, das Gewöhnliche.« Es ist nichts Ungewöhnliches an den Gefühlen, – der Arm ist z. B. nicht gefühllos (wie wenn er ›eingeschlafen‹ wäre).


{{ParZ|596}} Eine Bewegung meines Körpers, von der ich nicht weiß, daß sie stattfindet oder stattgefunden hat, wird man unwillkürlich nennen.—Wie ist es aber, wenn ich bloß ''versuche'', ein Gewicht zu heben, eine Bewegung also nicht stattfindet? Wie wäre es, wenn einer sich unwillkürlich anstrengte, ein Gewicht zu heben? Unter welchen Umständen würde man ''dies'' Verhalten ›unwillkürlich‹ nennen?
{{ParZ|596}} Eine Bewegung meines Körpers, von der ich nicht weiß, daß sie stattfindet oder stattgefunden hat, wird man unwillkürlich nennen. – Wie ist es aber, wenn ich bloß ''versuche'', ein Gewicht zu heben, eine Bewegung also nicht stattfindet? Wie wäre es, wenn einer sich unwillkürlich anstrengte, ein Gewicht zu heben? Unter welchen Umständen würde man ''dies'' Verhalten ›unwillkürlich‹ nennen?


{{ParZ|597}} Kann nicht die Ruhe ebenso willkürlich sein, wie Bewegung? Kann das Unterlassen der Bewegung nicht willkürlich sein? Welch besseres Argument gegen ein Innervationsgefühl?
{{ParZ|597}} Kann nicht die Ruhe ebenso willkürlich sein, wie Bewegung? Kann das Unterlassen der Bewegung nicht willkürlich sein? Welch besseres Argument gegen ein Innervationsgefühl?
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{{ParZ|599}} Man zieht ganz andere Schlüsse aus der unwillkürlichen Bewegung, als aus der willkürlichen: das ''charakterisiert'' die willkürliche Bewegung.
{{ParZ|599}} Man zieht ganz andere Schlüsse aus der unwillkürlichen Bewegung, als aus der willkürlichen: das ''charakterisiert'' die willkürliche Bewegung.


{{ParZ|600}} Aber wie weiß ich, daß diese Bewegung willkürlich war?—Ich weiß es nicht, ich äußere es.
{{ParZ|600}} Aber wie weiß ich, daß diese Bewegung willkürlich war? – Ich weiß es nicht, ich äußere es.


{{ParZ|601}} »Ich ziehe so stark, wie ich kann.« Wie weiß ich das? Sagt es mir mein Muskelgefühl? Die Worte sind ein Signal; und sie haben eine ''Funktion''.
{{ParZ|601}} »Ich ziehe so stark, wie ich kann.« Wie weiß ich das? Sagt es mir mein Muskelgefühl? Die Worte sind ein Signal; und sie haben eine ''Funktion''.
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Aber ''erlebe'' ich denn nichts? Erlebe ich denn nicht etwas? Etwas Spezifisches? Ein spezifisches Gefühl der Anstrengung und des Nicht-weiter-könnens, des Anlangens an der Grenze? Freilich, aber diese Ausdrücke sagen nicht mehr, als »Ich ziche so stark, wie ich kann.«
Aber ''erlebe'' ich denn nichts? Erlebe ich denn nicht etwas? Etwas Spezifisches? Ein spezifisches Gefühl der Anstrengung und des Nicht-weiter-könnens, des Anlangens an der Grenze? Freilich, aber diese Ausdrücke sagen nicht mehr, als »Ich ziche so stark, wie ich kann.«


{{ParZ|602}} Vergleiche damit diesen Fall: Jemand soll sagen, was er fühlt, wenn ihm ein Gewicht auf der flachen Hand ruht. Ich kann mir nun vorstellen, daß hier ein Zwiespalt entsteht: Einerseits sagt er sich, was er fühle, sei eine Pressung gegen die Handfläche und eine Spannung in den Muskeln seines Arms; anderseits will er sagen: »aber das ist doch nicht alles; ich empfinde doch einen Zug, ein Streben des Gewichts nach unten!«—Empfindet er denn ein solches ›Streben‹? Ja: wenn er nämlich an das ›Streben‹ denkt. Mit dem Wort »Streben« geht hier ein bestimmtes Bild, eine Geste, ein Tonfall; und in diesem siehst du das Erlebnis des Strebens.
{{ParZ|602}} Vergleiche damit diesen Fall: Jemand soll sagen, was er fühlt, wenn ihm ein Gewicht auf der flachen Hand ruht. Ich kann mir nun vorstellen, daß hier ein Zwiespalt entsteht: Einerseits sagt er sich, was er fühle, sei eine Pressung gegen die Handfläche und eine Spannung in den Muskeln seines Arms; anderseits will er sagen: »aber das ist doch nicht alles; ich empfinde doch einen Zug, ein Streben des Gewichts nach unten!« – Empfindet er denn ein solches ›Streben‹? Ja: wenn er nämlich an das ›Streben‹ denkt. Mit dem Wort »Streben« geht hier ein bestimmtes Bild, eine Geste, ein Tonfall; und in diesem siehst du das Erlebnis des Strebens.


(Denke auch daran: Manche Leute sagen, von dem und dem ›gehe ein Fluidum aus‹.—Daher fiel uns auch das Wort »''Einfluß''« ein.)
(Denke auch daran: Manche Leute sagen, von dem und dem ›gehe ein Fluidum aus‹. – Daher fiel uns auch das Wort »''Einfluß''« ein.)


{{ParZ|603}} Die Unvorhersehbarkeit des menschlichen Benehmens. Wäre sie nicht vorhanden,—würde man dann auch sagen, man könne nie wissen, was im Andern vorgeht?
{{ParZ|603}} Die Unvorhersehbarkeit des menschlichen Benehmens. Wäre sie nicht vorhanden, – würde man dann auch sagen, man könne nie wissen, was im Andern vorgeht?


{{ParZ|604}} Aber wie wär's, wenn das menschliche Benehmen nicht unvorhersehbar wäre? Wie hat man sich das vorzustellen? (D. h.: wie auszumalen, welche Verbindungen anzunehmen?)
{{ParZ|604}} Aber wie wär's, wenn das menschliche Benehmen nicht unvorhersehbar wäre? Wie hat man sich das vorzustellen? (D. h.: wie auszumalen, welche Verbindungen anzunehmen?)
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{{ParZ|606}} Die Idee vom Denken als einem Vorgang im Kopf, in dem gänzlich abgeschlossenen Raum, gibt ihm etwas Okkultes.
{{ParZ|606}} Die Idee vom Denken als einem Vorgang im Kopf, in dem gänzlich abgeschlossenen Raum, gibt ihm etwas Okkultes.


{{ParZ|607}} Ist das Denken sozusagen ein spezifisch ''organischer'' Vorgang der Seele—gleichsam ein Kauen und Verdauen in der Seele? Kann man ihn dann durch einen anorganischen Vorgang ersetzen, der den gleichen Zweck erfüllt, sozusagen mit einer Prothese das Denken besorgen? Wie müßte man sich eine Denkprothese vorstellen?
{{ParZ|607}} Ist das Denken sozusagen ein spezifisch ''organischer'' Vorgang der Seele – gleichsam ein Kauen und Verdauen in der Seele? Kann man ihn dann durch einen anorganischen Vorgang ersetzen, der den gleichen Zweck erfüllt, sozusagen mit einer Prothese das Denken besorgen? Wie müßte man sich eine Denkprothese vorstellen?


{{ParZ|608}} Keine Annahme scheint mir natürlicher, als daß dem Assoziieren oder Denken kein Prozeß im Gehirn zugeordnet ist; so zwar, daß es also unmöglich wäre, aus Gehirnprozessen Denkprozesse abzulesen. Ich meine das so: Wenn ich rede oder schreibe, so geht, nehme ich an, ein meinem gesprochenen oder geschriebenen Gedanken zugeordnetes System von Impulsen von meinem Gehirn aus. Aber warum sollte das ''System'' sich weiter in zentraler Richtung fortsetzen? Warum soll nicht sozusagen diese Ordnung aus dem Chaos entspringen? Der Fall wäre ähnlich dem—daß sich gewisse Pflanzenarten durch Samen vermehrten so daß ein Same immer dieselbe Pflanzenart erzeugt, von der er erzeugt wurde,—daß aber ''nichts'' in dem Samen der Pflanze, die aus ihm wird, entspricht; so daß es unmöglich ist, aus den Eigenschaften oder der Struktur des Samens auf die der Pflanze, die aus ihm wird, zu schließen,—daß man dies nur aus seiner ''Geschichte'' tun kann. So könnte also aus etwas ganz Amorphem ein Organismus sozusagen ursachelos werden; und es ist kein Grund, warum sich dies nicht mit unserem Gedanken, also mit unserem Reden oder Schreiben etc. wirklich so verhalten sollte.
{{ParZ|608}} Keine Annahme scheint mir natürlicher, als daß dem Assoziieren oder Denken kein Prozeß im Gehirn zugeordnet ist; so zwar, daß es also unmöglich wäre, aus Gehirnprozessen Denkprozesse abzulesen. Ich meine das so: Wenn ich rede oder schreibe, so geht, nehme ich an, ein meinem gesprochenen oder geschriebenen Gedanken zugeordnetes System von Impulsen von meinem Gehirn aus. Aber warum sollte das ''System'' sich weiter in zentraler Richtung fortsetzen? Warum soll nicht sozusagen diese Ordnung aus dem Chaos entspringen? Der Fall wäre ähnlich dem – daß sich gewisse Pflanzenarten durch Samen vermehrten so daß ein Same immer dieselbe Pflanzenart erzeugt, von der er erzeugt wurde, – daß aber ''nichts'' in dem Samen der Pflanze, die aus ihm wird, entspricht; so daß es unmöglich ist, aus den Eigenschaften oder der Struktur des Samens auf die der Pflanze, die aus ihm wird, zu schließen, – daß man dies nur aus seiner ''Geschichte'' tun kann. So könnte also aus etwas ganz Amorphem ein Organismus sozusagen ursachelos werden; und es ist kein Grund, warum sich dies nicht mit unserem Gedanken, also mit unserem Reden oder Schreiben etc. wirklich so verhalten sollte.


{{ParZ|609}} Es ist also wohl möglich, daß gewisse psychologische Phänomene physiologisch nicht untersucht werden ''können'', weil ihnen physiologisch nichts entspricht.
{{ParZ|609}} Es ist also wohl möglich, daß gewisse psychologische Phänomene physiologisch nicht untersucht werden ''können'', weil ihnen physiologisch nichts entspricht.
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{{ParZ|611}} Das Vorurteil zugunsten des psycho-physischen Parallelismus ist cine Frucht primitiver Auffassungen unserer Begriffe. Denn wenn man Kausalität zwischen psychologischen Erscheinungen zuläßt, die nicht physiologisch vermittelt ist, so denkt man damit das Eingeständnis eines nebelhaften Seelenwesens zu machen.
{{ParZ|611}} Das Vorurteil zugunsten des psycho-physischen Parallelismus ist cine Frucht primitiver Auffassungen unserer Begriffe. Denn wenn man Kausalität zwischen psychologischen Erscheinungen zuläßt, die nicht physiologisch vermittelt ist, so denkt man damit das Eingeständnis eines nebelhaften Seelenwesens zu machen.


{{ParZ|612}} Denke dir diese Erscheinung: Wenn ich will, daß jemand sich einen Text merkt, den ich ihm vorspreche, so daß er ihn mir später wiederholen kann, muß ich ihm ein Papier und einen Bleistift geben; und während ich spreche, schreibt er Striche, Zeichen auf das Papier; soll er später den Text reproduzieren, so folgt er jenen Strichen mit den Augen und sagt den Text her. Ich nehme aber an, seine Aufzeichnung sei keine ''Schrift'', sie hänge nicht durch Regeln mit den Worten des Textes zusammen; und doch kann er ohne diese Aufzeichnung den Text nicht reproduzieren; und wird an ihr etwas geändert, wird sie zum Teil zerstört, so bleibt er beim ›Lesen‹ stecken oder spricht den Text unsicher oder unzuverlässig oder kann die Worte überhaupt nicht finden.—Das ließe sich doch denken!—Was ich die ›Aufzeichnung‹ nannte, wäre dann keine ''Wiedergabe'' des Textes, nicht eine Übersetzung sozusagen in einem anderen Symbolismus. Der Text wäre nicht in der Aufzeichnung ''niedergelegt''. Und warum sollte er in unserm Nervensystem niedergelegt sein?
{{ParZ|612}} Denke dir diese Erscheinung: Wenn ich will, daß jemand sich einen Text merkt, den ich ihm vorspreche, so daß er ihn mir später wiederholen kann, muß ich ihm ein Papier und einen Bleistift geben; und während ich spreche, schreibt er Striche, Zeichen auf das Papier; soll er später den Text reproduzieren, so folgt er jenen Strichen mit den Augen und sagt den Text her. Ich nehme aber an, seine Aufzeichnung sei keine ''Schrift'', sie hänge nicht durch Regeln mit den Worten des Textes zusammen; und doch kann er ohne diese Aufzeichnung den Text nicht reproduzieren; und wird an ihr etwas geändert, wird sie zum Teil zerstört, so bleibt er beim ›Lesen‹ stecken oder spricht den Text unsicher oder unzuverlässig oder kann die Worte überhaupt nicht finden. – Das ließe sich doch denken! – Was ich die ›Aufzeichnung‹ nannte, wäre dann keine ''Wiedergabe'' des Textes, nicht eine Übersetzung sozusagen in einem anderen Symbolismus. Der Text wäre nicht in der Aufzeichnung ''niedergelegt''. Und warum sollte er in unserm Nervensystem niedergelegt sein?


{{ParZ|613}} Warum soll nicht ein Naturgesetz einen Anfangs- und einen Endzustand eines Systems verbinden, den Zustand zwischen beiden aber übergehen? (Nur denke man nicht an ''Wirkung''!)
{{ParZ|613}} Warum soll nicht ein Naturgesetz einen Anfangs- und einen Endzustand eines Systems verbinden, den Zustand zwischen beiden aber übergehen? (Nur denke man nicht an ''Wirkung''!)


{{ParZ|614}} »Wie kommt es, daß ich den Baum aufrecht sehe, auch wenn ich meinen Kopf zur Seite neige, und also das Netzhautbild das eines schiefstehenden Baums ist?« Wie kommt es also, daß ich den Baum auch unter diesen Umständen als einen aufrechten anspreche?—»Nun, ich bin mir der Neigung meines Kopfes bewußt, und ich bringe also die nötige Korrektur an der Auffassung meiner Gesichtseindrücke an.«—Aber heißt das nicht, Primäres mit Sekundärem verwechseln? Denke dir, wir wüßten ''gar nichts'' von der innern Beschaffenheit des Auges,—würde dies Problem überhaupt auftauchen? Wir bringen ja hier in Wahrheit keine Korrekturen an, dies ist ja bloß eine Erklärung.
{{ParZ|614}} »Wie kommt es, daß ich den Baum aufrecht sehe, auch wenn ich meinen Kopf zur Seite neige, und also das Netzhautbild das eines schiefstehenden Baums ist?« Wie kommt es also, daß ich den Baum auch unter diesen Umständen als einen aufrechten anspreche? – »Nun, ich bin mir der Neigung meines Kopfes bewußt, und ich bringe also die nötige Korrektur an der Auffassung meiner Gesichtseindrücke an.« – Aber heißt das nicht, Primäres mit Sekundärem verwechseln? Denke dir, wir wüßten ''gar nichts'' von der innern Beschaffenheit des Auges, – würde dies Problem überhaupt auftauchen? Wir bringen ja hier in Wahrheit keine Korrekturen an, dies ist ja bloß eine Erklärung.


Wohl——aber da nun die Struktur des Auges einmal bekannt ist,''wie kommt es'', daß wir so handeln, so reagieren? Aber muß es hier eine physiologische Erklärung geben? Wie, wenn wir sie auf sich beruhen ließen? Aber so würdest du doch nicht sprechen, wenn du das Verhalten einer Maschine prüftest!—Nun, wer sagt, daß in diesem Sinne das Lebewesen, der tierische Leib eine Maschine ist?
Wohl –– aber da nun die Struktur des Auges einmal bekannt ist, ''wie kommt es'', daß wir so handeln, so reagieren? Aber muß es hier eine physiologische Erklärung geben? Wie, wenn wir sie auf sich beruhen ließen? Aber so würdest du doch nicht sprechen, wenn du das Verhalten einer Maschine prüftest! – Nun, wer sagt, daß in diesem Sinne das Lebewesen, der tierische Leib eine Maschine ist?


{{ParZ|615}} (Ich habe noch nie eine Bemerkung darüber gelesen, daß, wenn man ein Auge schließt und »nur mit einem Auge sieht«, man die Finsternis (Schwärze) nicht zugleich mit dem geschlossenen sieht.)
{{ParZ|615}} (Ich habe noch nie eine Bemerkung darüber gelesen, daß, wenn man ein Auge schließt und »nur mit einem Auge sieht«, man die Finsternis (Schwärze) nicht zugleich mit dem geschlossenen sieht.)
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{{ParZ|617}} Wie verhält es sich mit dem Blinden; kann ihm ein Teil der ''Sprache'' nicht erklärt werden? Oder vielmehr nicht ''beschrieben'' werden?
{{ParZ|617}} Wie verhält es sich mit dem Blinden; kann ihm ein Teil der ''Sprache'' nicht erklärt werden? Oder vielmehr nicht ''beschrieben'' werden?


{{ParZ|618}} Ein Blinder kann sagen, er sei blind und die Leute um ihn seien sehend. »Ja, aber meint er nicht doch etwas Anderes mit den Worten ›blind‹ und ›sehend‹ als der Sehende?« Worauf beruht es, daß man so etwas sagen will? Nun, wenn einer nicht wüßte, wie ein Leopard ausschaut, so könnte er doch sagen und verstehen »Dieser Ort ist sehr gefährlich, es gibt Leoparden dort«. Man würde aber doch vielleicht sagen, er weiß nicht, was ein Leopard ist, also nicht oder nur unvollständig, was das Wort »Leopard« bedeutet, bis man ihm einmal ein solches Tier zeigt. Nun kommt es uns mit den Blinden ähnlich vor. Sie wissen sozusagen nicht, wie sehen ist.—Ist nun ›Furcht nicht kennen‹ analog dem ›nie einen Leoparden gesehen haben‹? Das will ich natürlich verneinen.
{{ParZ|618}} Ein Blinder kann sagen, er sei blind und die Leute um ihn seien sehend. »Ja, aber meint er nicht doch etwas Anderes mit den Worten ›blind‹ und ›sehend‹ als der Sehende?« Worauf beruht es, daß man so etwas sagen will? Nun, wenn einer nicht wüßte, wie ein Leopard ausschaut, so könnte er doch sagen und verstehen »Dieser Ort ist sehr gefährlich, es gibt Leoparden dort«. Man würde aber doch vielleicht sagen, er weiß nicht, was ein Leopard ist, also nicht oder nur unvollständig, was das Wort »Leopard« bedeutet, bis man ihm einmal ein solches Tier zeigt. Nun kommt es uns mit den Blinden ähnlich vor. Sie wissen sozusagen nicht, wie sehen ist. – Ist nun ›Furcht nicht kennen‹ analog dem ›nie einen Leoparden gesehen haben‹? Das will ich natürlich verneinen.


{{ParZ|619}} Könnte ich denn nicht z. B. annehmen, daß er etwas Rotes sieht, wenn ich ihn auf den Kopf schlage? Es könnte das ja bei Sehenden einer Erfahrung entsprechen.
{{ParZ|619}} Könnte ich denn nicht z. B. annehmen, daß er etwas Rotes sieht, wenn ich ihn auf den Kopf schlage? Es könnte das ja bei Sehenden einer Erfahrung entsprechen.
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Das angenommen, so ist er doch für das praktische Leben blind. D. h., er reagiert nicht wie der normale Mensch. Wenn aber jemand mit den Augen blind wäre, dagegen sich so benähme, daß wir sagen müßten, er sieht mit den Handflächen (dieses Benehmen ist leicht auszumalen), so würden wir ihn als Sehenden behandeln und auch die Erklärung des Wortes ›rot‹ mit dem Täfelchen würden wir hier für möglich halten.
Das angenommen, so ist er doch für das praktische Leben blind. D. h., er reagiert nicht wie der normale Mensch. Wenn aber jemand mit den Augen blind wäre, dagegen sich so benähme, daß wir sagen müßten, er sieht mit den Handflächen (dieses Benehmen ist leicht auszumalen), so würden wir ihn als Sehenden behandeln und auch die Erklärung des Wortes ›rot‹ mit dem Täfelchen würden wir hier für möglich halten.


{{ParZ|620}} Du gibst jemandem ein Signal, wenn du dir etwas vorstellst; du benützt verschiedene Signale für verschiedene Vorstellungen.—Wie vereinbart ihr, was jedes Signal bedeuten soll?
{{ParZ|620}} Du gibst jemandem ein Signal, wenn du dir etwas vorstellst; du benützt verschiedene Signale für verschiedene Vorstellungen. – Wie vereinbart ihr, was jedes Signal bedeuten soll?


{{ParZ|621}} Gehörsvorstellung, Gesichtsvorstellung, wie unterscheiden sie sich von den Empfindungen? Nicht durch »Lebhaftigkeit«.
{{ParZ|621}} Gehörsvorstellung, Gesichtsvorstellung, wie unterscheiden sie sich von den Empfindungen? Nicht durch »Lebhaftigkeit«.
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{{ParZ|623}} Ich lese eine Geschichte und stelle mir während des Lesens, also während des aufmerksamen Schauens, also deutlichen Sehens, alles mögliche vor.
{{ParZ|623}} Ich lese eine Geschichte und stelle mir während des Lesens, also während des aufmerksamen Schauens, also deutlichen Sehens, alles mögliche vor.


{{ParZ|624}} Es könnte Leute geben, die nie den Ausdruck gebrauchen »etwas vor dem inneren Auge sehen«, oder einen ähnlichen; und diese könnten doch imstande sein, ›aus der Vorstellung‹, oder nach der Erinnerung zu zeichnen, zu modellieren, Andere nachzuahmen, etc. Ein solcher möge auch, ehe er etwas aus der Erinnerung zeichnet, die Augen schließen oder wie blind vor sich hinstarren. Und doch könnte er leugnen, daß er dann vor sich ''sieht'', was später zeichnet. Aber wieviel müßte ich auf diese Äußerung geben? Ist nach ihr zu beurteilen, ob er eine Gesichtsvorstellung hat? (Nicht nur ''danach''. Denk an den Ausdruck: »Jetzt sehe ich es vor mir—jetzt nicht mehr.« Es gibt da eine echte Dauer.)
{{ParZ|624}} Es könnte Leute geben, die nie den Ausdruck gebrauchen »etwas vor dem inneren Auge sehen«, oder einen ähnlichen; und diese könnten doch imstande sein, ›aus der Vorstellung‹, oder nach der Erinnerung zu zeichnen, zu modellieren, Andere nachzuahmen, etc. Ein solcher möge auch, ehe er etwas aus der Erinnerung zeichnet, die Augen schließen oder wie blind vor sich hinstarren. Und doch könnte er leugnen, daß er dann vor sich ''sieht'', was später zeichnet. Aber wieviel müßte ich auf diese Äußerung geben? Ist nach ihr zu beurteilen, ob er eine Gesichtsvorstellung hat? (Nicht nur ''danach''. Denk an den Ausdruck: »Jetzt sehe ich es vor mir – jetzt nicht mehr.« Es gibt da eine echte Dauer.)


{{ParZ|625}} Ich hätte früher auch sagen können: Der ''Zusammenhang'' zwischen Vorstellen und Sehen ist eng; eine ''Ähnlichkeit'' aber gibt es nicht.
{{ParZ|625}} Ich hätte früher auch sagen können: Der ''Zusammenhang'' zwischen Vorstellen und Sehen ist eng; eine ''Ähnlichkeit'' aber gibt es nicht.


Die Sprachspiele, die diese Begriffe verwenden, sind grundverschieden,—hängen aber zusammen.
Die Sprachspiele, die diese Begriffe verwenden, sind grundverschieden, – hängen aber zusammen.


{{ParZ|626}} Unterschied: ›trachten, etwas zu sehen‹ und ›trachten, sich etwas vorzustellen‹. Im ersten Fall sagt man etwa »Schau genau hin!«, im zweiten »Schließ die Augen!«
{{ParZ|626}} Unterschied: ›trachten, etwas zu sehen‹ und ›trachten, sich etwas vorzustellen‹. Im ersten Fall sagt man etwa »Schau genau hin!«, im zweiten »Schließ die Augen!«
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{{ParZ|628}} Das Vorgestellte nicht im gleichen ''Raum'' wie das Gesehene. Sehen ist mit Schauen verbunden.
{{ParZ|628}} Das Vorgestellte nicht im gleichen ''Raum'' wie das Gesehene. Sehen ist mit Schauen verbunden.


{{ParZ|629}} »Sehen und Vorstellen sind verschiedene Phänomene.«—Die Wörter »sehen« und »vorstellen« haben verschieden Bedeutung! Ihre Bedeutungen beziehen sich auf eine Menge wichtiger Arten und Weisen menschlichen Verhaltens, auf Phänomene des menschlichen Lebens.
{{ParZ|629}} »Sehen und Vorstellen sind verschiedene Phänomene.« – Die Wörter »sehen« und »vorstellen« haben verschieden Bedeutung! Ihre Bedeutungen beziehen sich auf eine Menge wichtiger Arten und Weisen menschlichen Verhaltens, auf Phänomene des menschlichen Lebens.


{{ParZ|630}} Sag dir wieder, wenn einer darauf besteht, was er »Gesichtsvorstellung« nennt, sei ähnlich dem Gesichtseindruck: daß er sich vielleicht irrt! Oder: Wie, wenn er sich darin irrte? Das heißt: Was weißt du von der Ähnlichkeit seines Gesichtseindrucks und seiner Gesichtsvorstellung?! (Ich rede vom Andern, weil, was von ihm gilt, auch von mir gilt.)
{{ParZ|630}} Sag dir wieder, wenn einer darauf besteht, was er »Gesichtsvorstellung« nennt, sei ähnlich dem Gesichtseindruck: daß er sich vielleicht irrt! Oder: Wie, wenn er sich darin irrte? Das heißt: Was weißt du von der Ähnlichkeit seines Gesichtseindrucks und seiner Gesichtsvorstellung?! (Ich rede vom Andern, weil, was von ihm gilt, auch von mir gilt.)
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{{ParZ|633}} Wir ›verscheuchen‹ nicht Gesichtseindrücke, aber Vorstellungen. Und wir sagen von jenen auch nicht, wir könnten sie ''nicht'' verscheuchen.
{{ParZ|633}} Wir ›verscheuchen‹ nicht Gesichtseindrücke, aber Vorstellungen. Und wir sagen von jenen auch nicht, wir könnten sie ''nicht'' verscheuchen.


{{ParZ|634}} Wenn Einer wirklich sagte »Ich weiß nicht, sehe ich jetzt einen Baum, oder stelle ich mir einen vor«, so würde ich zunächst glauben, er meine: »oder bilde ich mir nur ein, es stehe dort einer«. Meint er das nicht, so könnte ich ihn überhaupt nicht verstehen—wollte mir aber jemand diesen Fall erklären und sagte »Er hat eben so außergewöhnlich lebhafte Vorstellungen, daß er sie für Sinneseindrücke halten kann«—verstünde ich es jetzt?
{{ParZ|634}} Wenn Einer wirklich sagte »Ich weiß nicht, sehe ich jetzt einen Baum, oder stelle ich mir einen vor«, so würde ich zunächst glauben, er meine: »oder bilde ich mir nur ein, es stehe dort einer«. Meint er das nicht, so könnte ich ihn überhaupt nicht verstehen – wollte mir aber jemand diesen Fall erklären und sagte »Er hat eben so außergewöhnlich lebhafte Vorstellungen, daß er sie für Sinneseindrücke halten kann« – verstünde ich es jetzt?


{{ParZ|635}} Muß man aber hier unterscheiden: (a) mir das Gesicht eines Freundes z. B. vorstellen, aber nicht in dem Raum, der mich umgibt—(b) mir an dieser Wand dort ein Bild vorstellen?
{{ParZ|635}} Muß man aber hier unterscheiden: (a) mir das Gesicht eines Freundes z. B. vorstellen, aber nicht in dem Raum, der mich umgibt – (b) mir an dieser Wand dort ein Bild vorstellen?


Man könnte auf die Aufforderung »Stell dir dort drüben einen runden Fleck vor« sich einbilden, wirklich einen dort zu sehen.
Man könnte auf die Aufforderung »Stell dir dort drüben einen runden Fleck vor« sich einbilden, wirklich einen dort zu sehen.
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{{ParZ|641}} (Daß man nämlich die Willenshandlung des Vorstellens nicht mit der Bewegung des Körpers vergleichen kann, ist klar; denn, ob die Bewegung stattgefunden hat, das zu beurteilen sind auch Andere befähigt; während es bei der Bewegung meiner Vorstellungen immer nur darauf ankäme, was ich zu sehen behaupte, was immer irgend ein Anderer sieht. Es würden also die sich bewegenden wirklichen Gegenstände aus der Betrachtung herausfallen, da es auf sie gar nicht ankäme.)
{{ParZ|641}} (Daß man nämlich die Willenshandlung des Vorstellens nicht mit der Bewegung des Körpers vergleichen kann, ist klar; denn, ob die Bewegung stattgefunden hat, das zu beurteilen sind auch Andere befähigt; während es bei der Bewegung meiner Vorstellungen immer nur darauf ankäme, was ich zu sehen behaupte, was immer irgend ein Anderer sieht. Es würden also die sich bewegenden wirklichen Gegenstände aus der Betrachtung herausfallen, da es auf sie gar nicht ankäme.)


{{ParZ|642}} Sagte man also: »Vorstellungen sind innere Bilder, ähnlich oder ganz so wie meine Gesichtseindrücke, nur meinem Willen untertan«—so hätte das vorerst noch keinen Sinn.
{{ParZ|642}} Sagte man also: »Vorstellungen sind innere Bilder, ähnlich oder ganz so wie meine Gesichtseindrücke, nur meinem Willen untertan« – so hätte das vorerst noch keinen Sinn.


Denn wenn einer zu berichten gelernt hat, was er dort sieht, oder was ihm dort zu sein ''scheint'', so ist es doch nicht klar, was der Befehl bedeute, er solle jetzt ''das'' dort sehen, oder es solle ihm jetzt ''das'' dort zu sein scheinen.
Denn wenn einer zu berichten gelernt hat, was er dort sieht, oder was ihm dort zu sein ''scheint'', so ist es doch nicht klar, was der Befehl bedeute, er solle jetzt ''das'' dort sehen, oder es solle ihm jetzt ''das'' dort zu sein scheinen.
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{{ParZ|645}} Nichts könnte falscher sein als zu sagen, Sehen und Vorstellen seien verschiedene Tätigkeiten. Das ist, als sagte man im Schach ziehen und verlieren seien verschiedene Tätigkeiten.
{{ParZ|645}} Nichts könnte falscher sein als zu sagen, Sehen und Vorstellen seien verschiedene Tätigkeiten. Das ist, als sagte man im Schach ziehen und verlieren seien verschiedene Tätigkeiten.


{{ParZ|646}} Wenn wir als Kinder die Worte »sehen«, »schauen«, »vorstellen« gebrauchen lernen, so spielen bei dieser Abrichtung Willenshandlungen und Befehle eine Rolle. Aber für jedes der drei Wörter eine Andere. Das Sprachspiel »Schaul« und »Stell dir .... vor!«—Wie soll ich sie nur vergleichen?—Wenn wir jemanden abrichten wollen, daß er auf den Befehl »Schau ....!« reagiert, und dazu, daß er den Befehl »Stell dir .... vor!« versteht, so müssen wir ihn doch offenbar ganz Anderes lehren. Reaktionen, die zu diesem Sprachspiel gehören, gehören zu jenem nicht. Ja, ein enger Zusammenhang der Sprachspiele ist natürlich da, aber eine Ähnlichkeit?—Stücke des einen sind Stücken des andern ähnlich, aber die ähnlichen Stücke sind nicht homolog.
{{ParZ|646}} Wenn wir als Kinder die Worte »sehen«, »schauen«, »vorstellen« gebrauchen lernen, so spielen bei dieser Abrichtung Willenshandlungen und Befehle eine Rolle. Aber für jedes der drei Wörter eine Andere. Das Sprachspiel »Schaul« und »Stell dir .... vor!« – Wie soll ich sie nur vergleichen? – Wenn wir jemanden abrichten wollen, daß er auf den Befehl »Schau ....!« reagiert, und dazu, daß er den Befehl »Stell dir .... vor!« versteht, so müssen wir ihn doch offenbar ganz Anderes lehren. Reaktionen, die zu diesem Sprachspiel gehören, gehören zu jenem nicht. Ja, ein enger Zusammenhang der Sprachspiele ist natürlich da, aber eine Ähnlichkeit? – Stücke des einen sind Stücken des andern ähnlich, aber die ähnlichen Stücke sind nicht homolog.


{{ParZ|647}} Ich könnte mir etwas Ähnliches für wirkliche Spiele denken.
{{ParZ|647}} Ich könnte mir etwas Ähnliches für wirkliche Spiele denken.
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{{ParZ|648}} Ein Sprachspiel analog einem Teil eines andern. Ein Raum in begrenzte Stücke eines Raums projiziert. Ein ›löchriger‹ Raum. (Zu »Innen und Aussen«.)
{{ParZ|648}} Ein Sprachspiel analog einem Teil eines andern. Ein Raum in begrenzte Stücke eines Raums projiziert. Ein ›löchriger‹ Raum. (Zu »Innen und Aussen«.)


{{ParZ|649}} Denken wir uns eine Variante des Tennisspiels: es wird in die Regeln dieses Spiels die aufgenommen, der Spieler habe sich bei gewissen Spielhandlungen das und das ''vorzustellen''! (Der Zweck dieser Regel sei, das Spiel zu erschweren.) Der erste Einwand ist: man könne in diesem Spiel zu leicht schwindeln. Aber dem wird mit der Annahme begegnet, das Spiel werde nur von ehrlichen und zuverlässigen Menschen gespielt. Hier haben wir also ein Spiel mit innern Spielhandlungen.
{{ParZ|649}} Denken wir uns eine Variante des Tennisspiels: es wird in die Regeln dieses Spiels die aufgenommen, der Spieler habe sich bei gewissen Spielhandlungen das und das ''vorzustellen''! (Der Zweck dieser Regel sei, das Spiel zu erschweren.) Der erste Einwand ist: man könne in diesem Spiel zu leicht schwindeln. Aber dem wird mit der Annahme begegnet, das Spiel werde nur von ehrlichen und zuverlässigen Menschen gespielt. Hier haben wir also ein Spiel mit innern Spielhandlungen.


Welcher Art ist nun die innere Spielhandlung, worin besteht sie? Darin, daß er—der Spielregel gemäß—sich ..... vorstellt.—Könnte man aber nicht auch sagen: ''Wir wissen nicht'', welcher Art die innere Spielhandlung ist, die er der Regel gemäß ausführt; wir kennen nur ihre Äußerungen? Die innere Spielhandlung sei ein X, dessen Natur wir nicht kennen. Oder: Es gebe auch hier nur äußere Spielhandlungen: die Mitteilung der Spielregel und das, was man die ›Äußerung des innern Vorgangs‹ nennt.——Nun, kann man das Spiel nicht auf alle drei Arten beschreiben? Auch das mit dem ›unbekannten‹ X ist eine ganz mögliche Beschreibungsart. Der eine sagt, die sogenannte ›innere‹ Spielhandlung sei mit einer Spielhandlung im gewöhnlichen Sinne nicht vergleichbar—der Andre sagt, sie ''sei'' mit einer solchen vergleichbar—der Dritte: sie sci vergleichbar nur mit einer Handlung, die im Geheimen geschieht, und die niemand kennt, als der Handelnde.
Welcher Art ist nun die innere Spielhandlung, worin besteht sie? Darin, daß er – der Spielregel gemäß – sich ..... vorstellt. – Könnte man aber nicht auch sagen: ''Wir wissen nicht'', welcher Art die innere Spielhandlung ist, die er der Regel gemäß ausführt; wir kennen nur ihre Äußerungen? Die innere Spielhandlung sei ein X, dessen Natur wir nicht kennen. Oder: Es gebe auch hier nur äußere Spielhandlungen: die Mitteilung der Spielregel und das, was man die ›Äußerung des innern Vorgangs‹ nennt. –– Nun, kann man das Spiel nicht auf alle drei Arten beschreiben? Auch das mit dem ›unbekannten‹ X ist eine ganz mögliche Beschreibungsart. Der eine sagt, die sogenannte ›innere‹ Spielhandlung sei mit einer Spielhandlung im gewöhnlichen Sinne nicht vergleichbar – der Andre sagt, sie ''sei'' mit einer solchen vergleichbar – der Dritte: sie sci vergleichbar nur mit einer Handlung, die im Geheimen geschieht, und die niemand kennt, als der Handelnde.


Wichtig ist für uns, daß wir die ''Gefahren'' des Ausdrucks »innere Spielhandlung« sehen. Er ist gefährlich, weil er Verwirrung anrichtet.
Wichtig ist für uns, daß wir die ''Gefahren'' des Ausdrucks »innere Spielhandlung« sehen. Er ist gefährlich, weil er Verwirrung anrichtet.


{{ParZ|650}} Erinnerung: »Ich sehe uns noch an jenem Tisch sitzen«.—Aber habe ich wirklich das gleiche Gesichtsbild—oder eines von denen, welche ich damals hatte? Sehe ich auch gewiß den Tisch und meinen Freund vom gleichen Gesichtspunkt wie damals, also mich selbst nicht?——Mein Erinnerungsbild ist nicht Evidenz jener vergangenen Situation; wie eine Photographie es wäre, die, damals aufgenommen, mir jetzt bezeugt, daß es damals so war. Das Erinnerungsbild und die Erinnerungsworte stehen auf ''gleicher'' Stufe.
{{ParZ|650}} Erinnerung: »Ich sehe uns noch an jenem Tisch sitzen«. – Aber habe ich wirklich das gleiche Gesichtsbild – oder eines von denen, welche ich damals hatte? Sehe ich auch gewiß den Tisch und meinen Freund vom gleichen Gesichtspunkt wie damals, also mich selbst nicht? –– Mein Erinnerungsbild ist nicht Evidenz jener vergangenen Situation; wie eine Photographie es wäre, die, damals aufgenommen, mir jetzt bezeugt, daß es damals so war. Das Erinnerungsbild und die Erinnerungsworte stehen auf ''gleicher'' Stufe.


{{ParZ|651}} Das Achselzucken, Kopfschütteln, Nicken u.s.f. nennen wir Zeichen vor allem darum, weil sie in dem Gebrauch unsrer ''Wortsprache'' eingebettet sind.
{{ParZ|651}} Das Achselzucken, Kopfschütteln, Nicken u.s.f. nennen wir Zeichen vor allem darum, weil sie in dem Gebrauch unsrer ''Wortsprache'' eingebettet sind.


{{ParZ|652}} Wenn man es für selbstverständlich hält, daß der Mensch sich an seiner Phantasie vergnügt, so bedenke man, daß die Phantasie nicht einem gemalten Bild, einer Plastik oder einem Film entspricht, sondern einem komplexen Gebilde aus heterogenen Bestandteilen—Zeichen und Bildern.
{{ParZ|652}} Wenn man es für selbstverständlich hält, daß der Mensch sich an seiner Phantasie vergnügt, so bedenke man, daß die Phantasie nicht einem gemalten Bild, einer Plastik oder einem Film entspricht, sondern einem komplexen Gebilde aus heterogenen Bestandteilen – Zeichen und Bildern.


{{ParZ|653}} Manche Menschen erinnern sich an ein musikalisches Thema in der Weise, daß das Notenbild vor ihnen auftaucht, und sie es herunterlesen.
{{ParZ|653}} Manche Menschen erinnern sich an ein musikalisches Thema in der Weise, daß das Notenbild vor ihnen auftaucht, und sie es herunterlesen.
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Es wäre denkbar, daß, was wir »Erinnern« bei einem Menschen nennen, darin bestünde, daß er sich im Geiste ein Buch nachschlagen sähe, und das, was er in diesem Buch liest, eben das Erinnerte wäre. (Wie ''reagiere'' ich auf eine Erinnerung?)
Es wäre denkbar, daß, was wir »Erinnern« bei einem Menschen nennen, darin bestünde, daß er sich im Geiste ein Buch nachschlagen sähe, und das, was er in diesem Buch liest, eben das Erinnerte wäre. (Wie ''reagiere'' ich auf eine Erinnerung?)


{{ParZ|654}} Kann man ein Erinnerungserlebnis beschreiben?—Gewiß.—Aber kann man das Erinnerungshafte an diesem Erlebnis beschreiben? ''Was heißt das?'' (Das unbeschreibliche Aroma.)
{{ParZ|654}} Kann man ein Erinnerungserlebnis beschreiben? – Gewiß. – Aber kann man das Erinnerungshafte an diesem Erlebnis beschreiben? ''Was heißt das?'' (Das unbeschreibliche Aroma.)


{{ParZ|655}} »Ein Bild (Vorstellungsbild, Erinnerungsbild) der Sehnsucht«. Man denkt, man habe schon alles damit getan, daß man von einem ›Bild‹ redet; denn die Sehnsucht ist eben ein Bewußtseinsinhalt, und dessen Bild ist etwas, was ihm (sehr) ähnlich ist, wenn auch undeutlicher als das Original.
{{ParZ|655}} »Ein Bild (Vorstellungsbild, Erinnerungsbild) der Sehnsucht«. Man denkt, man habe schon alles damit getan, daß man von einem ›Bild‹ redet; denn die Sehnsucht ist eben ein Bewußtseinsinhalt, und dessen Bild ist etwas, was ihm (sehr) ähnlich ist, wenn auch undeutlicher als das Original.
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Die Sprache hat eben eine vielfache Wurzel; sie hat Wurzeln, nicht ''eine'' Wurzel. [''Randbemerkung:'' ((Sich eines Gedankens, einer Absicht erinnern.)) ''Keim.'']
Die Sprache hat eben eine vielfache Wurzel; sie hat Wurzeln, nicht ''eine'' Wurzel. [''Randbemerkung:'' ((Sich eines Gedankens, einer Absicht erinnern.)) ''Keim.'']


{{ParZ|657}} »Es schmeckt genau wie Zucker«. Wie kommt es, daß ich dessen so sicher sein kann?—Und zwar auch, wenn es sich dann als falsch herausstellt. Und was erstaunt mich daran? Daß ich den Begriff Zucker in eine so ''feste'' Verbindung mit der Geschmacksempfindung bringe. Daß ich die Substanz Zucker direkt im Geschmack zu erkennen scheine.
{{ParZ|657}} »Es schmeckt genau wie Zucker«. Wie kommt es, daß ich dessen so sicher sein kann? – Und zwar auch, wenn es sich dann als falsch herausstellt. Und was erstaunt mich daran? Daß ich den Begriff Zucker in eine so ''feste'' Verbindung mit der Geschmacksempfindung bringe. Daß ich die Substanz Zucker direkt im Geschmack zu erkennen scheine.


Aber statt des Ausdrucks »Es schmeckt genau ....« könnte ich ja primitiver »Zucker!« ausrufen. Und kann man denn sagen, bei dem Wort ›schwebe mir die Substanz Zucker vor‹? Wie tut sie das?
Aber statt des Ausdrucks »Es schmeckt genau ....« könnte ich ja primitiver »Zucker!« ausrufen. Und kann man denn sagen, bei dem Wort ›schwebe mir die Substanz Zucker vor‹? Wie tut sie das?
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{{ParZ|658}} Kann ich sagen, dieser Geschmack brächte gebieterisch den Namen »Zucker« mit sich; oder aber das Bild eines Stücks Zucker? Keines von beiden scheint richtig. Ja, gebieterisch ist das Verlangen nach dem Begriff ›Zucker‹ allerdings und zwar ebenso, wie nach dem Begriff ›rot‹, wenn wir ihn zur Beschreibung des Gesehenen verwenden.
{{ParZ|658}} Kann ich sagen, dieser Geschmack brächte gebieterisch den Namen »Zucker« mit sich; oder aber das Bild eines Stücks Zucker? Keines von beiden scheint richtig. Ja, gebieterisch ist das Verlangen nach dem Begriff ›Zucker‹ allerdings und zwar ebenso, wie nach dem Begriff ›rot‹, wenn wir ihn zur Beschreibung des Gesehenen verwenden.


{{ParZ|659}} Ich erinnere mich, daß Zucker so geschmeckt hat. Es kommt mir das Erlebnis zurück ins Bewußtsein. Aber freilich: wie weiß ich, daß es das frühere Erlebnis ist? Das Gedächtnis hilft mir da nicht mehr. Nein, diese Worte,—das Erlebnis komme zurück ....,—sind nur eine Umschreibung, keine Beschreibung des Erinnerns.
{{ParZ|659}} Ich erinnere mich, daß Zucker so geschmeckt hat. Es kommt mir das Erlebnis zurück ins Bewußtsein. Aber freilich: wie weiß ich, daß es das frühere Erlebnis ist? Das Gedächtnis hilft mir da nicht mehr. Nein, diese Worte, – das Erlebnis komme zurück ...., – sind nur eine Umschreibung, keine Beschreibung des Erinnerns.


Aber wenn ich sage »Es schmeckt genau wie Zucker«, so findet in einem wichtigen Sinne gar kein Erinnern statt. Ich ''begründe'' also mein Urteil oder meinen Ausruf ''nicht''. Wer mich fragt, »Was meinst du mit ›Zucker‹?«—dem werde ich allerdings ein Stück Zucker zu zeigen trachten. Und wer fragt »Wie weißt du, daß Zucker so schmeckt«, werde ich allerdings antworten »ich habe tausende Male Zucker gegessen«—aber das ist nicht eine Rechtfertigung, die ich mir selbst gebe.
Aber wenn ich sage »Es schmeckt genau wie Zucker«, so findet in einem wichtigen Sinne gar kein Erinnern statt. Ich ''begründe'' also mein Urteil oder meinen Ausruf ''nicht''. Wer mich fragt, »Was meinst du mit ›Zucker‹?« – dem werde ich allerdings ein Stück Zucker zu zeigen trachten. Und wer fragt »Wie weißt du, daß Zucker so schmeckt«, werde ich allerdings antworten »ich habe tausende Male Zucker gegessen« – aber das ist nicht eine Rechtfertigung, die ich mir selbst gebe.


{{ParZ|660}} »Es schmeckt wie Zucker.« Man erinnert sich genau und mit Sicherheit, wie Zucker schmeckt. Ich sage nicht »Ich glaube, so schmeckt Zucker«. Welch merkwürdiges Phänomen! Eben das Phänomen des Gedächtnisses.—Aber ist es richtig, es ein merkwürdiges Phänomen zu nennen?
{{ParZ|660}} »Es schmeckt wie Zucker.« Man erinnert sich genau und mit Sicherheit, wie Zucker schmeckt. Ich sage nicht »Ich glaube, so schmeckt Zucker«. Welch merkwürdiges Phänomen! Eben das Phänomen des Gedächtnisses. – Aber ist es richtig, es ein merkwürdiges Phänomen zu nennen?


Es ist ja nichts weniger als merkwürdig. Jene Sicherheit ist ja nicht (um ein Haar) merkwürdiger, als es die Unsicherheit wäre. Was ist denn merkwürdig? Das, daß ich mit Sicherheit sage »Das schmeckt wie Zucker«? oder, daß es dann wirklich Zucker ist? Oder, daß andere dasselbe finden?
Es ist ja nichts weniger als merkwürdig. Jene Sicherheit ist ja nicht (um ein Haar) merkwürdiger, als es die Unsicherheit wäre. Was ist denn merkwürdig? Das, daß ich mit Sicherheit sage »Das schmeckt wie Zucker«? oder, daß es dann wirklich Zucker ist? Oder, daß andere dasselbe finden?
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Wenn das sichere Erkennen des Zuckers merkwürdig ist, so wäre es also das Nichterkennen weniger.
Wenn das sichere Erkennen des Zuckers merkwürdig ist, so wäre es also das Nichterkennen weniger.


{{ParZ|661}} »Welcher seltsame und furchtbare Laut. Ich werde ihn nie vergessen.« Und warum sollte man das nicht vom Erinnern sagen können (»Welche seltsame .... Erfahrung ....«), wenn man zum ersten Mal in die Vergangenheit gesehen hat?
{{ParZ|661}} »Welcher seltsame und furchtbare Laut. Ich werde ihn nie vergessen.« Und warum sollte man das nicht vom Erinnern sagen können (»Welche seltsame .... Erfahrung ....«), wenn man zum ersten Mal in die Vergangenheit gesehen hat?


{{ParZ|662}} Erinnern: ein Sehen in die Vergangenheit. ''Träumen'' könnte man so nennen, wenn es uns Vergangenes vorführt. Nicht aber Erinnern; denn auch wenn es uns Szenen mit halluzinatorischer Klarheit zeigte, so lehrt es uns nun doch erst, daß dies das Vergangene sei.
{{ParZ|662}} Erinnern: ein Sehen in die Vergangenheit. ''Träumen'' könnte man so nennen, wenn es uns Vergangenes vorführt. Nicht aber Erinnern; denn auch wenn es uns Szenen mit halluzinatorischer Klarheit zeigte, so lehrt es uns nun doch erst, daß dies das Vergangene sei.
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Es zeigt uns eben ''nicht'' die Vergangenheit. So wenig, wie unsere Sinne die Gegenwart.
Es zeigt uns eben ''nicht'' die Vergangenheit. So wenig, wie unsere Sinne die Gegenwart.


{{ParZ|664}} Man kann auch nicht sagen, sie teile uns die Vergangenheit mit. Denn selbst, wäre das Gedächtnis eine hörbare Stimme, die zu uns spräche,—wie könnten wir sie verstehen? Sagt sie uns z. B. »Gestern war schönes Wetter«, wie kann ich lernen, was »gestern« bedeutet?
{{ParZ|664}} Man kann auch nicht sagen, sie teile uns die Vergangenheit mit. Denn selbst, wäre das Gedächtnis eine hörbare Stimme, die zu uns spräche, – wie könnten wir sie verstehen? Sagt sie uns z. B. »Gestern war schönes Wetter«, wie kann ich lernen, was »gestern« bedeutet?


{{ParZ|665}} Ich führe mir selbst nur ''so'' etwas vor, wie ich es auch den Andern vorführe.
{{ParZ|665}} Ich führe mir selbst nur ''so'' etwas vor, wie ich es auch den Andern vorführe.
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{{ParZ|666}} Ich kann dem Andern mein gutes Gedächtnis vorführen, und auch mir selbst vorführen. Ich kann mich selbst ausfragen. (Vokabeln, Daten.)
{{ParZ|666}} Ich kann dem Andern mein gutes Gedächtnis vorführen, und auch mir selbst vorführen. Ich kann mich selbst ausfragen. (Vokabeln, Daten.)


{{ParZ|667}} Aber wie führe ich mir das Erinnern vor? Nun, ich frage mich »Wie verbrachte ich den heutigen Morgen?« und antworte mir darauf.—Aber was habe ich mir nun eigentlich vorgeführt? War es das Erinnern? Nämlich, wie das ist, sich an etwas zu erinnern?—Hätte ich denn damit einem ''Andern'' das Erinnern vorgeführt?
{{ParZ|667}} Aber wie führe ich mir das Erinnern vor? Nun, ich frage mich »Wie verbrachte ich den heutigen Morgen?« und antworte mir darauf. – Aber was habe ich mir nun eigentlich vorgeführt? War es das Erinnern? Nämlich, wie das ist, sich an etwas zu erinnern? – Hätte ich denn damit einem ''Andern'' das Erinnern vorgeführt?


{{ParZ|668}} Die Bedeutung eines Wortes vergessen—sich wieder an sie erinnern. Was für Vorgänge gibt es da? An was erinnert man sich, was fällt einem da ein, wenn man sich wieder daran erinnert, was das englische Wort »perhaps« bedeutet.
{{ParZ|668}} Die Bedeutung eines Wortes vergessen – sich wieder an sie erinnern. Was für Vorgänge gibt es da? An was erinnert man sich, was fällt einem da ein, wenn man sich wieder daran erinnert, was das englische Wort »perhaps« bedeutet.


{{ParZ|669}} Wenn man mich fragt: »Weißt du das ABC?« und ich antworte mit »ja«, so sage ich doch nicht, daß ich jetzt im Geist das ABC durchgehe, oder in einem besondern Gemütszustand bin, der irgendwie dem Hersagen des ABC äquivalent ist.
{{ParZ|669}} Wenn man mich fragt: »Weißt du das ABC?« und ich antworte mit »ja«, so sage ich doch nicht, daß ich jetzt im Geist das ABC durchgehe, oder in einem besondern Gemütszustand bin, der irgendwie dem Hersagen des ABC äquivalent ist.
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{{ParZ|670}} Man kann doch einen Spiegel besitzen; besitzt man dann auch das Spiegelbild, das sich in ihm zeigt?
{{ParZ|670}} Man kann doch einen Spiegel besitzen; besitzt man dann auch das Spiegelbild, das sich in ihm zeigt?


{{ParZ|671}} Etwas sagen, ist eine Tätigkeit, geneigt sein, etwas zu sagen, ein ''Zustand''. »Aber warum besteht der?«—Gib dir darüber Rechenschaft, wie der Ausdruck verwendet wird!
{{ParZ|671}} Etwas sagen, ist eine Tätigkeit, geneigt sein, etwas zu sagen, ein ''Zustand''. »Aber warum besteht der?« – Gib dir darüber Rechenschaft, wie der Ausdruck verwendet wird!


{{ParZ|672}} »Solange die Temperatur des Stabes nicht unter ..... herabsinkt, kann man ihn schmieden.« Es hat also Sinn zu sagen: »ich kann ihn von 5 bis 6 Uhr schmieden«. Oder: »Ich kann von 5 bis 6 Schach spielen«, d. h., ich habe von 5 bis 6 Zeit.—»Solange mein Puls nicht unter .... herabsinkt, kann ich die Rechnung ausführen.« Diese Rechnung braucht 1½ Minuten; wielange braucht es aber: sie ausführen ''können''? Und wenn du sie eine Stunde lang rechnen ''kannst'', fängst du da immer wieder von Frischem an?
{{ParZ|672}} »Solange die Temperatur des Stabes nicht unter ..... herabsinkt, kann man ihn schmieden.« Es hat also Sinn zu sagen: »ich kann ihn von 5 bis 6 Uhr schmieden«. Oder: »Ich kann von 5 bis 6 Schach spielen«, d. h., ich habe von 5 bis 6 Zeit. – »Solange mein Puls nicht unter .... herabsinkt, kann ich die Rechnung ausführen.« Diese Rechnung braucht 1½ Minuten; wielange braucht es aber: sie ausführen ''können''? Und wenn du sie eine Stunde lang rechnen ''kannst'', fängst du da immer wieder von Frischem an?


{{ParZ|673}} Die Aufmerksamkeit ist dynamisch, nicht statisch—möchte man sagen. Ich vergleiche das Aufmerken zuerst mit einem Hinstarren: das ist es aber nicht, was ich Aufmerksamkeit nenne; und will nun sagen, ich finde, man ''könne'' nicht statisch aufmerken.
{{ParZ|673}} Die Aufmerksamkeit ist dynamisch, nicht statisch – möchte man sagen. Ich vergleiche das Aufmerken zuerst mit einem Hinstarren: das ist es aber nicht, was ich Aufmerksamkeit nenne; und will nun sagen, ich finde, man ''könne'' nicht statisch aufmerken.


{{ParZ|674}} Wenn ich in einem bestimmten Falle sage: die Aufmerksamkeit besteht in der Bereitschaft, jeder kleinsten Bewegung, die sich zeigen mag, zu folgen,—so siehst du schon, daß die Aufmerksamkeit nicht das starre Hinschauen ist, sondern ein Begriff anderer Art.
{{ParZ|674}} Wenn ich in einem bestimmten Falle sage: die Aufmerksamkeit besteht in der Bereitschaft, jeder kleinsten Bewegung, die sich zeigen mag, zu folgen, – so siehst du schon, daß die Aufmerksamkeit nicht das starre Hinschauen ist, sondern ein Begriff anderer Art.


{{ParZ|675}} Zustände: ›Einen Berg ersteigen können‹, kann man einen Zustand meines Körpers nennen. Ich sage: »Ich kann hinaufsteigen—ich meine: ich bin stark genug dazu«. Vergleiche damit diesen Zustand des Könnens: »Ja, ich kann dorthin gehen—ich meine: ich habe Zeit dazu.«
{{ParZ|675}} Zustände: ›Einen Berg ersteigen können‹, kann man einen Zustand meines Körpers nennen. Ich sage: »Ich kann hinaufsteigen – ich meine: ich bin stark genug dazu«. Vergleiche damit diesen Zustand des Könnens: »Ja, ich kann dorthin gehen – ich meine: ich habe Zeit dazu.«


{{ParZ|676}} Welche Rolle spielen falsche Sätze in einem Sprachspiel? Ich glaube, es gibt verschiedene Fälle.
{{ParZ|676}} Welche Rolle spielen falsche Sätze in einem Sprachspiel? Ich glaube, es gibt verschiedene Fälle.
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(2) Es werden meteorologische Beobachtungen angestellt und nach gewissen Regeln aus ihnen das Wetter für den nächsten Tag vorhergesagt. Die Vorhersage trifft ein oder nicht.
(2) Es werden meteorologische Beobachtungen angestellt und nach gewissen Regeln aus ihnen das Wetter für den nächsten Tag vorhergesagt. Die Vorhersage trifft ein oder nicht.


Im ersten Fall kann man sagen, er spielt falsch; im zweiten nicht—wie ich seinerzeit glaubte.
Im ersten Fall kann man sagen, er spielt falsch; im zweiten nicht – wie ich seinerzeit glaubte.


Man wird hier (nämlich) von einer Frage geplagt, die etwa so lautet: Gehört die Verifikation noch (mit) zum Sprachspiel?
Man wird hier (nämlich) von einer Frage geplagt, die etwa so lautet: Gehört die Verifikation noch (mit) zum Sprachspiel?


{{ParZ|677}} Ich behaupte: »Wenn ''dies'' eintrifft, so wird ''das'' eintreffen. Habe ich darin Recht, so zahlst du mir einen Schilling, habe ich Unrecht, so zahle ich dir einen, bleibt es unentschieden, so zahlt keiner.« Das könnte man auch so ausdrücken: Der Fall, in welchem die Prämisse ''nicht'' eintrifft, interessiert uns nicht, wir reden nicht von ihm. Oder auch: es ist uns hier nicht natürlich, die Wörter »ja« und »nein« so zu gebrauchen, wie in dem Fall (und solche Fälle gibt es), in welchem uns die materielle Implikation interessiert. Mit »Nein« wollen wir hier sagen »p und nicht q«, mit »Ja« nur »p und q«. Es gibt keinen Satz vom ausgeschlossenen Dritten, der ''so'' lautet: Du gewinnst die Wette oder verlierst sie—ein Drittes gibt es nicht.
{{ParZ|677}} Ich behaupte: »Wenn ''dies'' eintrifft, so wird ''das'' eintreffen. Habe ich darin Recht, so zahlst du mir einen Schilling, habe ich Unrecht, so zahle ich dir einen, bleibt es unentschieden, so zahlt keiner.« Das könnte man auch so ausdrücken: Der Fall, in welchem die Prämisse ''nicht'' eintrifft, interessiert uns nicht, wir reden nicht von ihm. Oder auch: es ist uns hier nicht natürlich, die Wörter »ja« und »nein« so zu gebrauchen, wie in dem Fall (und solche Fälle gibt es), in welchem uns die materielle Implikation interessiert. Mit »Nein« wollen wir hier sagen »p und nicht q«, mit »Ja« nur »p und q«. Es gibt keinen Satz vom ausgeschlossenen Dritten, der ''so'' lautet: Du gewinnst die Wette oder verlierst sie – ein Drittes gibt es nicht.


{{ParZ|678}} Einer wirft im Würfelspiel etwa 5, dann 4 und sagt »Hatte ich bloß statt der seine 4 geworfen, so hätte ich gewonnen«! Die Bedingtheit ist nicht physikalisch sondern nur mathematisch, denn man könnte antworten: »Hättest du zuerst 4 geworfen,—wer weiß, was du danach geworfen hättest!«
{{ParZ|678}} Einer wirft im Würfelspiel etwa 5, dann 4 und sagt »Hatte ich bloß statt der seine 4 geworfen, so hätte ich gewonnen«! Die Bedingtheit ist nicht physikalisch sondern nur mathematisch, denn man könnte antworten: »Hättest du zuerst 4 geworfen, – wer weiß, was du danach geworfen hättest!«


{{ParZ|679}} Sagst du nun »Die Verwendung des Konjunktivs beruht auf dem Glauben an ein Naturgesetz«—so kann man entgegnen: »Sie ''beruht'' nicht auf diesem Glauben; sie und dieser Glaube stehen auf gleicher Stufe.« (Ich hörte im Film einen Vater zu seiner Tochter sagen, er hätte eine Andre zur Frau nehmen sollen: »''Sie'' hätte deine Mutter sein sollen«! Warum ist das unrichtig?)
{{ParZ|679}} Sagst du nun »Die Verwendung des Konjunktivs beruht auf dem Glauben an ein Naturgesetz« – so kann man entgegnen: »Sie ''beruht'' nicht auf diesem Glauben; sie und dieser Glaube stehen auf gleicher Stufe.« (Ich hörte im Film einen Vater zu seiner Tochter sagen, er hätte eine Andre zur Frau nehmen sollen: »''Sie'' hätte deine Mutter sein sollen«! Warum ist das unrichtig?)


{{ParZ|680}} Das Schicksal steht im Gegensatz zum Naturgesetz. Das Naturgesetz will man ergründen und verwenden, das Schicksal nicht.
{{ParZ|680}} Das Schicksal steht im Gegensatz zum Naturgesetz. Das Naturgesetz will man ergründen und verwenden, das Schicksal nicht.
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Oder auch ''so'': es gibt bedingte Vorhersagen, und »p impliziert q« ist ''keine'' solche.
Oder auch ''so'': es gibt bedingte Vorhersagen, und »p impliziert q« ist ''keine'' solche.


{{ParZ|682}} Den Satz »Wenn p eintrifft, so trifft q ein«, will ich »S« nennen.—»S oder nicht-S« ist eine Tautologie: aber ist es (auch) der Satz vom ausgeschlossenen Dritten? Oder auch so: Wenn ich sagen will, daß die Vorhersage »S« richtig, falsch oder unentschieden sein kann, wird das durch den Satz ausgedrückt »nicht (S oder nicht-S)«?
{{ParZ|682}} Den Satz »Wenn p eintrifft, so trifft q ein«, will ich »S« nennen. – »S oder nicht-S« ist eine Tautologie: aber ist es (auch) der Satz vom ausgeschlossenen Dritten? Oder auch so: Wenn ich sagen will, daß die Vorhersage »S« richtig, falsch oder unentschieden sein kann, wird das durch den Satz ausgedrückt »nicht (S oder nicht-S)«?


{{ParZ|683}} Ist die Verneinung eines Satzes identisch mit der Disjunktion der nicht ausgeschlossenen Fälle? Sie ist es in manchen Fällen. (Z. B. in diesem: »Die Permutation der Elemente A B C, die er anschrieb, war nicht A C B.«)
{{ParZ|683}} Ist die Verneinung eines Satzes identisch mit der Disjunktion der nicht ausgeschlossenen Fälle? Sie ist es in manchen Fällen. (Z. B. in diesem: »Die Permutation der Elemente A B C, die er anschrieb, war nicht A C B.«)


{{ParZ|684}} Der wichtige Sinn des Fregeschen Behauptungszeichens wird vielleicht am besten dadurch gefaßt, daß wir sagen: es bezeichnet deutlich den ''Anfang des Satzes''.—Das ist ''wichtig'': denn unsere philosophischen Schwierigkeiten, das Wesen der ›Negation‹ und des ›Denkens‹ betreffend, hängen damit zusammen, daß ein Satz »<math>\vdash</math> nicht p«, oder »<math>\vdash</math> ich glaube p« wohl den Satz »p« enthält, aber nicht »<math>\vdash</math>p«. (Denn wenn ich jemanden sagen höre: »es regnet«, so weiß ich nicht, was er gesagt hat, wenn ich nicht weiß, ob ich den ''Anfang'' des Satzes gehört habe.)
{{ParZ|684}} Der wichtige Sinn des Fregeschen Behauptungszeichens wird vielleicht am besten dadurch gefaßt, daß wir sagen: es bezeichnet deutlich den ''Anfang des Satzes''. – Das ist ''wichtig'': denn unsere philosophischen Schwierigkeiten, das Wesen der ›Negation‹ und des ›Denkens‹ betreffend, hängen damit zusammen, daß ein Satz »<math>\vdash</math> nicht p«, oder »<math>\vdash</math> ich glaube p« wohl den Satz »p« enthält, aber nicht »<math>\vdash</math>p«. (Denn wenn ich jemanden sagen höre: »es regnet«, so weiß ich nicht, was er gesagt hat, wenn ich nicht weiß, ob ich den ''Anfang'' des Satzes gehört habe.)


{{ParZ|685}} Ein Widerspruch verhindert mich, im Sprachspiel zur Tat zu kommen.
{{ParZ|685}} Ein Widerspruch verhindert mich, im Sprachspiel zur Tat zu kommen.
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{{ParZ|690}} Unser Motto könnte sein: »Lassen wir uns nicht behexen!«
{{ParZ|690}} Unser Motto könnte sein: »Lassen wir uns nicht behexen!«


{{ParZ|691}} »Der Kretische Lügner«. Statt zu sagen »ich lüge«, könnte er auch hinschreiben »dieser Satz ist falsch«. Die Antwort darauf wäre: »Wohl, aber welchen Satz meinst du?«—»Nun, ''diesen'' Satz.«—»Ich verstehe, aber von welchem Satz ist in ''ihm'' die Rede?«—»Von ''diesem''.«—»Gut, und auf welchen Satz spielt ''dieser'' an?« u.s.w. Er könnte uns so nicht erklären, was er meint, ehe er zu einem kompletten Satz übergeht.—Man kann auch sagen: Der fundamentale Fehler liegt darin, daß man denkt, ein Wort, z. B. »dieser Satz«, könne auf seinen Gegenstand gleichsam anspielen (aus der Entfernung hindeuten), ohne ihn vertreten zu müssen.
{{ParZ|691}} »Der Kretische Lügner«. Statt zu sagen »ich lüge«, könnte er auch hinschreiben »dieser Satz ist falsch«. Die Antwort darauf wäre: »Wohl, aber welchen Satz meinst du?« – »Nun, ''diesen'' Satz.« – »Ich verstehe, aber von welchem Satz ist in ''ihm'' die Rede?« – »Von ''diesem''.« – »Gut, und auf welchen Satz spielt ''dieser'' an?« u.s.w. Er könnte uns so nicht erklären, was er meint, ehe er zu einem kompletten Satz übergeht. – Man kann auch sagen: Der fundamentale Fehler liegt darin, daß man denkt, ein Wort, z. B. »dieser Satz«, könne auf seinen Gegenstand gleichsam anspielen (aus der Entfernung hindeuten), ohne ihn vertreten zu müssen.


{{ParZ|692}} Stellen wir uns die Frage: Welchem praktischen Zweck kann Russell's Theorie der Typen dienen?—R. macht uns darauf aufmerksam, daß wir manchmal den Ausdruck der Allgemeinheit einschränken müssen um zu vermeiden, daß unerwünschte Konsequenzen aus ihm gezogen werden.
{{ParZ|692}} Stellen wir uns die Frage: Welchem praktischen Zweck kann Russell's Theorie der Typen dienen? – R. macht uns darauf aufmerksam, daß wir manchmal den Ausdruck der Allgemeinheit einschränken müssen um zu vermeiden, daß unerwünschte Konsequenzen aus ihm gezogen werden.


{{ParZ|693}} Das Raisonnement, das zu einem endlosen Regreß führt, ist nicht darum aufzugeben, ›weil wir so nie das Ziel erreichen können‹, sondern, weil es hier ein Ziel nicht gibt; so daß es gar keinen Sinn hat zu sagen »wir können es nicht erreichen«.
{{ParZ|693}} Das Raisonnement, das zu einem endlosen Regreß führt, ist nicht darum aufzugeben, ›weil wir so nie das Ziel erreichen können‹, sondern, weil es hier ein Ziel nicht gibt; so daß es gar keinen Sinn hat zu sagen »wir können es nicht erreichen«.
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aber die Regel zur Bildung der 100sten Stelle von F'(n) wird F(100,100); d. h., sie sagt uns nur, daß die 100ste Stelle sich selber gleich sein soll, ist also für n = 100 ''keine'' Regel.
aber die Regel zur Bildung der 100sten Stelle von F'(n) wird F(100,100); d. h., sie sagt uns nur, daß die 100ste Stelle sich selber gleich sein soll, ist also für n = 100 ''keine'' Regel.


Die Spielregel lautet »Tu das Gleiche, wie ....!«—und im besondern Fall wird sie nun »Tu das Gleiche, wie das, was du tust!«
Die Spielregel lautet »Tu das Gleiche, wie ....!« – und im besondern Fall wird sie nun »Tu das Gleiche, wie das, was du tust!«


{{ParZ|695}} Das ''Verstehen'' der mathematischen Frage. Wie wissen wir, ob wir eine mathematische Frage verstehen?
{{ParZ|695}} Das ''Verstehen'' der mathematischen Frage. Wie wissen wir, ob wir eine mathematische Frage verstehen?


Eine Frage—kann man sagen—ist ein Auftrag. Und einen Auftrag verstehen, heißt: wissen, was man zu tun hat. Ein Auftrag kann natürlich ganz vag sein—z. B., wenn ich sage: »Bring ihm etwas, was ihm gut tut!« Aber dies kann heißen: denk an ihn, seinen Zustand etc. in freundlicher Weise und dann bring ihm etwas, was deiner Gesinnung gegen ihn entspricht.
Eine Frage – kann man sagen – ist ein Auftrag. Und einen Auftrag verstehen, heißt: wissen, was man zu tun hat. Ein Auftrag kann natürlich ganz vag sein – z. B., wenn ich sage: »Bring ihm etwas, was ihm gut tut!« Aber dies kann heißen: denk an ihn, seinen Zustand etc. in freundlicher Weise und dann bring ihm etwas, was deiner Gesinnung gegen ihn entspricht.


{{ParZ|696}} Die mathematische Frage ist eine Herausforderung. Und man könnte sagen: sie hat Sinn, wenn sie uns zu einer mathematischen Tätigkeit anspornt.
{{ParZ|696}} Die mathematische Frage ist eine Herausforderung. Und man könnte sagen: sie hat Sinn, wenn sie uns zu einer mathematischen Tätigkeit anspornt.
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Sie schreiben z. B. ''π'' bis zur fünften Stelle so: [[File:Zettel 699.png|70px|link=]] Wer ihnen zusähe, fände es schwer zu erraten, ''was'' sie tun. Und sie könnten es vielleicht selbst nicht erklären. Es kann ja dieses Zahlzeichen, in etwas anderer Schrift geschrieben, seine Erscheinung (für uns) zur Unkenntlichkeit ändern. Und was die Leute täten, erschiene uns rein intuitiv.
Sie schreiben z. B. ''π'' bis zur fünften Stelle so: [[File:Zettel 699.png|70px|link=]] Wer ihnen zusähe, fände es schwer zu erraten, ''was'' sie tun. Und sie könnten es vielleicht selbst nicht erklären. Es kann ja dieses Zahlzeichen, in etwas anderer Schrift geschrieben, seine Erscheinung (für uns) zur Unkenntlichkeit ändern. Und was die Leute täten, erschiene uns rein intuitiv.


{{ParZ|700}} Warum zählen wir? Hat es sich als praktisch erwiesen? Haben wir unsere Begriffe, z. B. die psychologischen, weil es sich als vorteilhaft erwiesen hat?—Und doch haben wir ''gewisse'' Begriffe eben deswegen, haben sie deswegen eingeführt.
{{ParZ|700}} Warum zählen wir? Hat es sich als praktisch erwiesen? Haben wir unsere Begriffe, z. B. die psychologischen, weil es sich als vorteilhaft erwiesen hat? – Und doch haben wir ''gewisse'' Begriffe eben deswegen, haben sie deswegen eingeführt.


{{ParZ|701}} Übrigens tritt der Unterschied zwischen dem, was man Sätze der Mathematik nennt und Erfahrungssätzen zu Tage, wenn man bedenkt, ob es Sinn hat zu sagen: »ich wünschte, 2 × 2 wäre 5!«
{{ParZ|701}} Übrigens tritt der Unterschied zwischen dem, was man Sätze der Mathematik nennt und Erfahrungssätzen zu Tage, wenn man bedenkt, ob es Sinn hat zu sagen: »ich wünschte, 2 × 2 wäre 5!«


{{ParZ|702}} Wenn man bedenkt, daß die Gleichung 2 + 2 = 4 ein Beweis des Satzes ist »es gibt gerade Zahlen«, so sieht man, wie lose hier das Wort »Beweis« gebraucht ist. Aus der Gleichung 2 + 2 = 4 soll der Satz »es gibt gerade Zahlen« hervorgehen?!—Und was ist der Beweis der Existenz von Primzahlen?—Die Methode der Zerlegung in Primfaktoren. Aber in dieser Methode wird ja ''überhaupt nicht geredet'', auch nicht von ›Primzahlen‹.
{{ParZ|702}} Wenn man bedenkt, daß die Gleichung 2 + 2 = 4 ein Beweis des Satzes ist »es gibt gerade Zahlen«, so sieht man, wie lose hier das Wort »Beweis« gebraucht ist. Aus der Gleichung 2 + 2 = 4 soll der Satz »es gibt gerade Zahlen« hervorgehen?! – Und was ist der Beweis der Existenz von Primzahlen? – Die Methode der Zerlegung in Primfaktoren. Aber in dieser Methode wird ja ''überhaupt nicht geredet'', auch nicht von ›Primzahlen‹.


{{ParZ|703}} »Die Kinder müßten, um das Rechnen der Volksschule zu verstehen, bedeutende Philosophen sein; in Ermanglung dessen brauchen sie die Übung.«
{{ParZ|703}} »Die Kinder müßten, um das Rechnen der Volksschule zu verstehen, bedeutende Philosophen sein; in Ermanglung dessen brauchen sie die Übung.«
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{{ParZ|710}} Man kann die Rechnung als Ornament betrachten. Eine Figur in der Ebene kann an eine andere passen oder nicht, mit anderen in verschiedener Weise zusammengefaßt werden. Wenn die Figur noch gefärbt ist, so gibt es dann noch ein Passen. (Die Farbe ist nur eine weitere Dimension.)
{{ParZ|710}} Man kann die Rechnung als Ornament betrachten. Eine Figur in der Ebene kann an eine andere passen oder nicht, mit anderen in verschiedener Weise zusammengefaßt werden. Wenn die Figur noch gefärbt ist, so gibt es dann noch ein Passen. (Die Farbe ist nur eine weitere Dimension.)


{{ParZ|711}} Es gibt eine Betrachtungsweise der elektrischen Maschinen und Apparate (Dynamos, Radiostationen, etc., etc.), die sozusagen ohne vorgefaßtes Verständnis diese Gegenstände als eine Verteilung von Kupfer, Eisen, Gummi, etc. im Raum ansieht. Und diese Betrachtungsweise könnte zu manchem interessanten Resultat führen. Sie ist ganz analog der eines mathematischen Satzes als Ornament.—Es ist natürlich eine durchaus strenge und korrekte Auffassung; und das Charakteristische und Schwierige an ihr ist, daß sie den Gegenstand ohne jede vorgefaßte Idee betrachtet (sozusagen von einem Marsstandpunkt), oder vielleicht richtiger: die normale vorgefaßte Idee zerstört (durchkreuzt).
{{ParZ|711}} Es gibt eine Betrachtungsweise der elektrischen Maschinen und Apparate (Dynamos, Radiostationen, etc., etc.), die sozusagen ohne vorgefaßtes Verständnis diese Gegenstände als eine Verteilung von Kupfer, Eisen, Gummi, etc. im Raum ansieht. Und diese Betrachtungsweise könnte zu manchem interessanten Resultat führen. Sie ist ganz analog der eines mathematischen Satzes als Ornament. – Es ist natürlich eine durchaus strenge und korrekte Auffassung; und das Charakteristische und Schwierige an ihr ist, daß sie den Gegenstand ohne jede vorgefaßte Idee betrachtet (sozusagen von einem Marsstandpunkt), oder vielleicht richtiger: die normale vorgefaßte Idee zerstört (durchkreuzt).


{{ParZ|712}} (Der Stil meiner Sätze ist außerordentlich stark von Frege beeinflußt. Und wenn ich wollte, so könnte ich wohl diesen Einfluß feststellen, wo ihn auf den ersten Blick keiner sähe.)
{{ParZ|712}} (Der Stil meiner Sätze ist außerordentlich stark von Frege beeinflußt. Und wenn ich wollte, so könnte ich wohl diesen Einfluß feststellen, wo ihn auf den ersten Blick keiner sähe.)


{{ParZ|713}} »Leg es ''hier'' hin«—wobei ich mit dem Finger den Platz bezeichne—dies ist eine ''absolute'' Ortsangabe. Und wer sagt, der Raum sei absolut, möchte als Argument dafür vorbringen: »Es gibt doch einen ''Ort'': ''Hier''.« [''Randbemerkung:'' ((Vielleicht zu den ersten Sprachspielen.))]
{{ParZ|713}} »Leg es ''hier'' hin« – wobei ich mit dem Finger den Platz bezeichne – dies ist eine ''absolute'' Ortsangabe. Und wer sagt, der Raum sei absolut, möchte als Argument dafür vorbringen: »Es gibt doch einen ''Ort'': ''Hier''.« [''Randbemerkung:'' ((Vielleicht zu den ersten Sprachspielen.))]


{{ParZ|714}} Man könnte sich eine Geisteskrankheit denken, in welcher Einer Namen nur in Anwesenheit ihrer Träger gebrauchen und verstehen kann.
{{ParZ|714}} Man könnte sich eine Geisteskrankheit denken, in welcher Einer Namen nur in Anwesenheit ihrer Träger gebrauchen und verstehen kann.
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Hängt das nicht davon ab, was das Kriterium dafür ist, daß eine Farbe auf Deutsch ›rot‹ heißt?
Hängt das nicht davon ab, was das Kriterium dafür ist, daß eine Farbe auf Deutsch ›rot‹ heißt?


{{ParZ|717}} »Gott kannst du nicht mit einem Andern reden hören, sondern nur, wenn du der Angeredete bist.«—Das ist eine grammatische Bemerkung.
{{ParZ|717}} »Gott kannst du nicht mit einem Andern reden hören, sondern nur, wenn du der Angeredete bist.« – Das ist eine grammatische Bemerkung.


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