5,953
edits
No edit summary |
No edit summary |
||
Line 318: | Line 318: | ||
97. Was man nachmacht, ist etwa der Ton der Rede, die Miene und dergleichen, und das genügt uns. Das beweist, daß ''hier'' die wichtigen Begleitphänomene der Rede liegen. | 97. Was man nachmacht, ist etwa der Ton der Rede, die Miene und dergleichen, und das genügt uns. Das beweist, daß ''hier'' die wichtigen Begleitphänomene der Rede liegen. | ||
98. Sagen wir, es denke ''jeder'', der sinnvoll spricht? Z. B. der Bauende im Sprachspiel No.2? Könnten wir uns nicht das Bauen und Rufen der Wörter etc. in einer Umgebung denken, in der wir es mit einem Denken nicht im entferntesten in Zusammenhang brachten? | 98. Sagen wir, es denke ''jeder'', der sinnvoll spricht? Z. B. der Bauende im Sprachspiel [[Philosophische_Untersuchungen#2|No.2]]? Könnten wir uns nicht das Bauen und Rufen der Wörter etc. in einer Umgebung denken, in der wir es mit einem Denken nicht im entferntesten in Zusammenhang brachten? | ||
99. (Zum Sprachspiel [[Philosophische_Untersuchungen#2|No.2]]) "Du setzt eben stillschweigend schon voraus, daß diese Menschen ''denken''; daß sie in ''dieser'' Beziehung den uns bekannten Menschen gleichen; daß sie jenes Sprachspiel nicht rein mechanisch betreiben. Denn stelltest du dir vor, sie täten's, so würdest du's selbst nicht den Gebrauch einer rudimentären Sprache nennen. | |||
Was soll ich nun dem antworten? Es ist natürlich wahr, das Leben jener Menschen muß dem unsern in vieler Bezichung gleichen, und ich habe über diese Ähnlichkeiten nichts gesagt. Das Wichtige aber ist, daß ihre Sprache, wie auch ihr Denken, rudimentar sein kann, daß es ein 'primitives Denken' gibt, welches durch ein primitives ''Verhalten'' zu beschreiben ist. Die Umgebung ist nicht die 'Denkbegleitung' des Sprechens. | |||
100. Denken wir uns, daß einer eine Arbeit verrichtet, in der es ein Vergleichen, Versuchen, Wahlen gibt. Er stellt etwa einen Gebrauchsgegenstand aus gewissen Materialstücken mit gegebenen Werkzeugen her. Immer wieder entsteht das Problem "Soll ich ''dies'' Stück dazu nehmen?"—Das Stück wird verworfen, ein anderes versucht. Stücke werden versuchsweise zusammengestellt, auseinandergenommen; es wird nach einem passenden gesucht etc., etc. Ich denke mir nun diesen ganzen Hergang gefilmt. Der Arbeitende gibt etwa auch Laute von sich, wie "hm" oder "ha!" Sozusagen Laute des Zögerns, des plötzlichen Findens, des Entschlusses, der Zufriedenheit, der Unzufriedenheit. Aber kein Wort wird geredet. Jene Laute mögen im Film aufgenommen werden. Der Film wird mir vorgeführt, und ich erfinde nun ein Selbstgespräch des Arbeitenden, welches zu seiner Arbeitsweise, dem Rhythmus seiner Arbeit, seinem Mienenspiel, seinen Gebärden und Naturlauten paßt, welches all dem entspricht. Ich lasse ihn also manchmal sagen "Nein, das Stück ist zu lang, vielleicht paßt ein anderes besser."——Oder "Was soll ich jetzt tun?"——"Ich hab's!”——Oder "Das ist ganz gut" etc. | |||
Wenn der Arbeitende reden kann,—wäre es eine Verfälschung des wirklichen Vorgangs, wenn er ihn genau beschriebe und etwa sagte: "Dann dachte ich: Nein, das geht nicht; ich muß es anders versuchen." us.w.—obwohl er während der Arbeit nicht gesprochen und sich auch diese Worte nicht vorgestellt hatte? | |||
Ich will sagen: Kann er nicht seine wortlosen Gedanken später in Worten wiedergeben? So zwar, daß wir, die den Arbeitsvorgang sähen, mit dieser Wiedergabe einverstanden sein könnten?—Umsomehr, wenn wir den Mann nicht nur einmal, sondern öfters bei der Arbeit zugesehen hätten? | |||
101. Wir könnten natürlich sein 'Denken' von der Tätigkeit nicht trennen. Das Denken ist eben keine Begleitung der Arbeit; so wenig wie der denkenden Rede. | |||
102. Wenn wir Wesen bei der Arbeit sähen, deren Arbeits''rhythmus'', deren Mienenspiel etc. dem unseren ähnlich wäre, nur daß sie nicht ''sprächen'', dann würden wir vielleicht sagen, sie dächten, überlegten, machten Entscheidungen. Es wäre eben da ''viel'', was dem Tun des gewöhnlichen Menschen entspricht. Und es ist nicht zu entscheiden, ''wie'' genau die Entsprechung sein muß, damit wir den Begriff 'denken' auch bei ihnen anzuwenden ein Recht haben. | |||
103. Und wozu sollen wir auch diese Entscheidung fallen? | |||
Wir werden einen wichtigen Unterschied machen zwischen Wesen, die eine Arbeit, selbst eine komplizierte, 'mechanisch' zu verrichten lernen können und solchen, die bei der Arbeit probieren, vergleichen——Was aber "probieren" und "vergleichen" zu nennen ist, kann ich nur wieder an Beispielen erklären, und diese Beispiele werden unserm Leben oder einem, das dem unsern ähnlich ist, entnommen sein. | |||
104. Hat er etwa spielend oder durch Zufall eine Kombination gemacht und verwendet sie nun als Methode, das und jenes zu tun, so werden wir sagen, er denke.—Beim Überlegen würde er Mittel und Wege an seinem geistigen Auge vorbeiziehen lassen. Aber dazu muß er schon welche im Vorrat haben. Das Denken gibt ihm die Möglichkeit zur ''Vervollkomnung'' seiner Methoden. Oder vielmehr: Er 'denkt', wenn er in bestimmter Art und Weise seine Methode vervollkommnet. [''Randbemerkung:'' Wie schaut denn das Forschen aus?] | |||
105. Man könnte auch sagen: einer denkt, wenn er in bestimmter Weise ''lernt''. | |||
106. Und auch dies (könnte man sagen): Wer bei der Arbeit ''denkt'', der wird oft ''Hilfstätigkeiten'' in sie einschalten. Das Wort "denken" nun bezeichnet nicht diese Hilfstätigkeiten, wie Denken ja auch nicht Reden ist. Obwohl der Begriff 'denken' nach Art einer imaginären Hilfstätigkeit gebildet ist. (So wie man sagen könnte, der Begriff des Differentialquotienten sei nach Art eines idealen Quotienten gebildet.) |