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127. Man sagt, die Seele ''verläßt'' den Körper. Um ihr dann aber jede Ähnlichkeit mit dem Körper zu nehmen, und damit man beileibe nicht denkt, es sei irgend ein gasförmiges Ding gemeint, sagt man, die Seele ist unkörperlich, unräumlich; aber mit dem Worte "verläßt" hat man schon alles gesagt. Zeige mir, wie du das Wort "seelisch" gebrauchst, und ich werde schen, ob die Seele "unkörperlich" ist, und was du unter "Geist" verstehst.
127. Man sagt, die Seele ''verläßt'' den Körper. Um ihr dann aber jede Ähnlichkeit mit dem Körper zu nehmen, und damit man beileibe nicht denkt, es sei irgend ein gasförmiges Ding gemeint, sagt man, die Seele ist unkörperlich, unräumlich; aber mit dem Worte "verläßt" hat man schon alles gesagt. Zeige mir, wie du das Wort "seelisch" gebrauchst, und ich werde schen, ob die Seele "unkörperlich" ist, und was du unter "Geist" verstehst.
128. Ich bin geneigt, vom Leblosen zu reden als von einem, dem etwas abgeht. Ich sehe das Leben unbedingt als ein Plus an, als etwas dem Leblosen Hinzugefügtes. (Psychologische Atmosphäre.)
129. Man sagt vom Tisch und Stuhl nicht: "er denkt jetzt", noch "er denkt jetzt nicht", noch "er denkt nie"; auch von der Pflanze nicht, auch vom Fisch nicht, kaum vom Hund; aber vom Menschen. Und auch nicht von allen Menschen.
"Ein Tisch denkt nicht" ist nicht vergleichbar einer Aussage wie "ein Tisch wächst nicht". (Ich wüßte gar nicht, wie das wäre, wenn ein Tisch dächte.) Und hier gibt es offenbar einen graduellen Übergang zu dem Fall des Menschen.
130. Man redet nur vom 'Denken' unter ganz bestimmten Umständen.
131. Wie können denn der Sinn und die Wahrheit (oder die Wahrheit und der Sinn) der Sätze zugleich zusammenbrechen? (Mit einander stehen und fallen?)
132. Und ist es nicht, als wolltest du sagen: "Wenn es sich nicht so und so verhält, hat es keinen Sinn mehr zu sagen, es verhalte sich so"?
133. Also z. B.: "Wenn ''immer'' falsch gezogen worden wäre, so hätte es keinen Sinn, von einem 'falschen Zug' zu reden." Aber das ist nur eine paradoxe Form, es zu sagen. Die nicht-paradoxe Form wäre: "Die allgemeine Beschreibung ..... hat keinen Sinn."
134. Statt "man kann nicht", sage: "es gibt in diesem Spiel nicht". Statt "man kann im Damespiel nicht rochieren"—"es gibt im Damespiel kein Rochieren"; statt "ich kann meine Empfindung nicht vorzeigen"—"es gibt in der Verwendung des Wortes 'Empfindung' kein Vorzeigen dessen, was man har"; statt "man kann nicht alle Kardinalzahlen aufzählen"—"es gibt hier kein Aufzählen aller Glieder”.
135. Das Gespräch, die Anwendung und Ausdeutung der Worte fließt dahin, und nur im Fluß hat das Wort seine Bedeutung.
"Er ist abgereist.”—"Warum?"—Was meintest du, als du das Wort "warum" aussprachst? Woran ''dachtest'' du?
136. Denk ans Aufzeigen in der Schule. Muß einer sich die Antwort im Stillen vorgesagt haben, um mit Recht aufzeigen zu konnen? Und ''was'' muß in ihm dazu vorgegangen sein?—Nichts. Aber es ist wichtig, daß er für gewöhnlich eine Antwort wisse, wenn er aufzeigt; und das ist das Kriterium dafür, daß er das Aufzeigen ''versteht''.
Es muß nichts in ihm vorgegangen sein; und doch wäre der merkwürdig, der in so einem Falle nie etwas über innere Vorgänge zu berichten wüßte.
137. Manchmal, wenn ich sage "Ich dachte damals .....", kann ich berichten, daß ich mir eben diese Worte laut oder im Stillen gesagt hatte; oder wenn nicht diese, so andere Worte, wovon die gegenwärtigen eine sinngemäße Wiedergabe sind. Das kommt doch manchmal vor! Aber eben auch dies, daß meine gegenwärtigen Worte 'nicht eine ''Wiedergabe''<nowiki/>' sind. Denn 'Wiedergabe' sind sie nur, wenn sie es nach Regeln der Abbildung sind.
138. Es scheint so, als wäre in einem Satz, der z. B. das Wort "Kugel" enthält, schon der Schatten anderer Verwendungen dieses Worts enthalten. Nämlich eben die ''Möglichkeit'', jene andern Sätze zu bilden.—Wem scheint es so? und unter welchen Umständen?
139. Man kommt nicht davon weg, daß der Sinn des Satzes den Satz begleitet; bei dem Satz steht.
140. Man will etwa sagen: "Die eine Verneinung ''tut'' dasselbe mit dem Satz, wie die andere, sie schließt, was er beschreibt, aus." Aber das sind nur andere Worte für eine Gleichsetzung der beiden negativen Sätze (welche nur gilt, wenn der verneinte Satz nicht selbst ein negativer Satz ist). Immer wieder der Gedanke, daß, was wir vom Zeichen sehen, nur eine Außenseite zu einem Innern ist, worin sich die eigentlichen Operationen des Sinnes und der Bedeutung abspielen.
141. Unser Problem könnte man (sehr klar) so stellen: Angenommen, wir hätten zwei Systeme der Längenmessung: eine Länge wird in beiden durch ein Zahlzeichen ausgedrückt, diesem folgt ein Wort, das das Maß angibt. Das eine System bezeichnet eine Länge als "n Fuß", und Fuß ist eine Längeneinheit im gewöhnlichen Sinne; im andern System wird eine Länge mit "n W” bezeichnet und 1 Fuß = 1 W. Aber 2 W = 4 Fuß, 3 W = 9 Fuß us.w.—Also heißt der Satz "Dieser Stock ist 1 W lang" dasselbe wie "Dieser Stock ist 1 Fuß lang". Frage: Hat in diesen beiden Sätzen "W" und "Fuß" dieselbe Bedeutung?
142. Die Frage ist falsch gestellt. Das sieht man, wenn wir die Bedeutungsgleichheit durch eine Gleichung ausdrücken. Die Frage kann nur lauten: "Ist W = Fuß oder nicht?"—Von den Sätzen, in denen diese Zeichen stehen, ist hier nicht die Rede.—Ebenso wenig kann man natürlich in dieser Terminologie fragen, ob "ist" hier das Gleiche bedeutet, wie "ist" dort; wohl aber, ob die Kopula das Gleiche bedeutet, wie das Gleichheitszeichen. Nun, wir sagten ja: 1 Fuß = 1 W; aber Fuß ≠ W.
143. Man könnte sagen: in allen Fällen meint man mit "Gedanke" das ''Lebende'' am Satz. Das, ohne welches er tot, eine bloße Lautfolge oder Folge geschriebener Figuren ist.
Wenn ich aber ebenso von einem Etwas spräche, welches einer Konfiguration von Schachfiguren Bedeutung gibt, d. h., sie von einer beliebigen Zusammenstellung von Holzklötzchen unterscheidet,—was könnte ich da nicht alles meinen? Die Regeln, die die Schachkonfiguration zu einer Situation eines Spiels machen; die besondern Erlebnisse, die wir mit solchen Spielstellungen verbinden; den Nutzen des Spiels.
Oder wenn wir von einem Etwas sprachen, welches das Papiergeld von bloßen bedruckten Zetteln unterscheidet und ihm seine Bedeutung, sein Leben gibt!
144. Wie ein Wort verstanden wird, das sagen Worte allein nicht. (Theologie.)
145. Es könnte auch eine Sprache geben, in deren Verwendung der Eindruck, den wir von den Zeichen erhalten, keine Rolle spielt; in der es ein Verstehen im Sinne eines solchen Eindrucks nicht gibt. Die Zeichen werden uns etwa geschrieben übermittelt, und wir können ''sie'' uns nun ''merken''. (D. h. der einzige Eindruck, von dem da die Rede ist, ist das Bild des Zeichens.) Wenn es nun ein Befehl ist, so übertragen wir nach Regeln, Tabellen, das Zeichen in Handlung. Zum Eindruck, ähnlich dem eines Bildes, kommt es nicht und man schreibt auch nicht Geschichten in dieser Sprache.
146. In diesem Fall könnte man sagen: "Das Zeichen lebt nur im System."
147. Es wäre natürlich auch denkbar, daß wir einen Satz der Wortsprache, um von ihm einen ''Eindruck'' zu erhalten, nach Regeln in ein gezeichnetes Bild übertragen müßten. (Daß erst dies Bild eine Seele hätte.)
148. Es wäre eine Sprache denkbar, in der die Bedeutungen von Worten nach bestimmten Regeln abwechselten, etwa: Vormittag heißt das Wort A dies, Nachmittag jenes.
Oder eine Sprache, in der die Wörter sich täglich änderten, indem an jedem Tag jeder Buchstabe des vorigen Tages durch den nächsten im Alphabet (und z durch a) ersetzt würde.
149. Denke dir diese Sprache: Wörter und Grammatik sind die des Deutschen, aber die Wörter im Satz stehen in der entgegengesetzten Reihenfolge. Ein Satz dieser Sprache klingt also wie ein deutscher Satz, den man vom Schlußpunkt zum Anfang hin liest. Die Ausdrucksmöglichkeiten haben also die gleiche Mannigfaltigkeit, wie im Deutschen. Aber was wir als Satzklang kennen, ist vernichtet.
150. Jemand, der nicht Deutsch kann, hört mich bei gewissen Anlässen ausrufen: "Welch herrliche Beleuchtung!" Er errät den Sinn und gebraucht nun den Ausruf selber, wie ich es tue, ohne jedoch die drei Wörter zu verstehen. Versteht er den Ausruf?
151. Ich hatte mit Absicht ein Beispiel gewählt, in dem der Mensch einer Empfindung Ausdruck gibt. Denn in diesem Fall sagt man, Laute, die keiner Sprache angehören, seien voll von Bedeutung.
152. Wäre es ebenso leicht, sich den analogen Fall zu denken für diesen Satz: "Wenn der Zug nicht pünktlich um s Uhr ankommt, wird er den Anschluß versäumen"? Was hiebe es etwa in diesem Falle: den Sinn erraten?
153. Es stört uns gleichsam, daß der Gedanke eines Satzes in keinem Moment ganz vorhanden ist. Wir sehen ihn wie einen Gegenstand an, den wir erzeugen und nie ganz besitzen, denn kaum entsteht ein Teil, so verschwindet ein anderer.
154. (Zu No. 150) Man kann sich leicht eine Sprache vorstellen, in der Menschen ein einziges Wort für jenen Ausruf benutzen. Aber wie wäre es mit einem Wort für den Satz "Wenn der Zug ...."? In was für einem Fall würden wir sagen, daß das Wort tatsächlich für diesen Satz steht?
Etwa in diesem: Die Leute benützten anfänglich einen Satz, wie den unsern; dann aber träten Umstände ein, in denen der Satz so häufig ausgesprochen werden müßte, daß sie ihn zu einem Wort zusammenzogen. Diese Leute könnten also noch das Wort durch den Satz erklären.
Aber kann es auch den Fall geben, in dem Leute ''nur'' ein Wort für jenen Sinn besäßen, also für jenen Gebrauch? Warum nicht? Man muß sich vorstellen, wie einer den Gebrauch dieses Wortes lernt, und unter welchen Umständen wir sagen würden, daß das Wort wirklich jenen Satz vertritt.
Bedenk aber dies: In unserer Sprache sagt jemand "Er kommt um 5 Uhr an"; ein Andrer antwortet "Nein, 10 Minuten nach 5". Gibt es diese Art Gespräch auch in der andern Sprache?
Darum sind Sinn und Bedeutung vage Begriffe.
155. Worte eines Dichters können uns durch und durch gehen. Und das hängt ''kausal'' natürlich mit dem Gebrauch zusammen, den sie in unserm Leben haben. Und es hängt auch damit zusammen, daß wir, diesem Gebrauch gemäß, unsere Gedanken dorthin und dahin in die wohlbekannte Umgebung der Worte schweifen lassen.
156. Gibt es ''einen'' Unterschied der Bedeutung, der sich erklären läßt und einen, der in einer Erklärung nicht zu Tage tritt?
157. Der seelenvolle Ausdruck in der Musik,—er ist doch nicht nach Regeln zu erkennen. Und warum können wir uns nicht vorstellen, daß er's für andere Wesen wäre?
158. Wenn dir plötzlich ein Thema, eine Wendung etwas sagt, so brauchst du dir's nicht erklären zu können. Es ist dir plötzlich auch ''diese'' Geste zugänglich.
159. Du redest doch vom ''Versteben'' der Musik. Du verstehst sie doch, ''während'' du sie hörst! Sollen wir davon sagen, es sei ein Erlebnis, welches das Hören begleite?
160. Das Sprechen der Musik. Vergiß nicht, daß ein Gedicht, wenn auch in der Sprache der Mitteilung abgefaßt, nicht im Sprachspiel der Mitteilung verwendet wird.
161. Könnte man sich nicht denken, daß einer, der Musik nie gekannt hat und zu uns kommt und jemanden einen nachdenklichen Chopin spielen hört, daß der überzeugt wäre, dies sei eine Sprache, und man wolle ihm nur den Sinn geheimhalten.
In der Wortsprache ist ein starkes musikalisches Element. (Ein Seufzer, der Tonfall der Frage, der Verkündigung, der Sehnsucht, alle die unzähligen ''Gesten'' des Tonfalls.)
162. Wenn ich aber eine Melodie mit Verständnis höre, geht da nicht etwas Besonderes in mir vor—was nicht vorgeht, wenn ich sie verständnislos höre? Und ''was''?—Es kommt keine Antwort; oder was mir einfällt, ist abgeschmackt. Ich kann wohl sagen: "Jetzt habe ich sie verstanden" und nun etwa über sie reden, sie spielen, sie mit andern vergleichen etc. ''Zeichen'' des Verständnisses mögen das Hören begleiten.
163. Es ist falsch, das Verstehen einen Vorgang zu nennen, der das Hören begleitet. (Man könnte ja auch die Äußerung davon, das ausdrucksvolle Spiel, nicht eine Begleitung des Hörens nennen.)
164. Denn wie läßt sich erklären, was 'ausdrucksvolles Spiel' ist? Gewiß nicht durch etwas, was das Spiel begleitet.—Was gehört also dazu? Eine Kultur, möchte man sagen.—Wer in einer bestimmten Kultur erzogen ist,—dann auf Musik so und so reagiert, dem wird man den Gebrauch des Wortes "ausdrucksvolles Spiel" beibringen können.
165. Das Verstehen der Musik ist weder eine Empfindung, noch eine Summe von Empfindungen. Es ein Erlebnis zu nennen, ist aber dennoch insofern richtig, als ''dieser'' Begriff des Verstehens manche Verwandtschaften mit andern Erlebnisbegriffen hat. Man sagt "Ich habe diese Stelle diesmal ganz anders erlebt". Aber doch sagt dieser Ausdruck '''was geschah''<nowiki/>' nur für den, der in einer besonderen, diesen Situationen angehörigen Begriffswelt zu Hause ist. (Analogie: "Ich habe die Partie gewonnen".)
166. Beim Lesen schwebt mir ''das'' vor. So geht also etwas beim Lesen vor sich .... ?—Diese Frage führt ja nicht weiter.
167. Wie kann mir doch das vorschweben?—Nicht in den Dimensionen, an die du denkst.