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388. Denn es würde hier das Leben anders verlaufen.—Was uns interessiert, würde ''sie'' nicht interessieren. Andere Begriffe wären da nicht mehr unvorstellbar. Ja, ''wesentlich'' andere Begriffe sind nur so vorstellbar.
388. Denn es würde hier das Leben anders verlaufen.—Was uns interessiert, würde ''sie'' nicht interessieren. Andere Begriffe wären da nicht mehr unvorstellbar. Ja, ''wesentlich'' andere Begriffe sind nur so vorstellbar.


389. Man könnte [jemanden] doch einfach lehren, den Schmerz (z. B.) zu mimen (nicht in der Absicht zu betrügen). Aber wäre es jedem beizubringen? Ich meine: Er könnte ja wohl erlernen, gewisse rohe Schmerzzeichen von sich zu geben, ohne aber je
389. Man könnte [jemanden] doch einfach lehren, den Schmerz (z. B.) zu mimen (nicht in der Absicht zu betrügen). Aber wäre es jedem beizubringen? Ich meine: Er könnte ja wohl erlernen, gewisse rohe Schmerzzeichen von sich zu geben, ohne aber je aus eigenem, aus seiner eigenen Einsicht eine feinere Nachahmung zu geben. (Sprachtalent.) (Man könnte vielleicht einem gescheiten Hund eine Art Schmerzgeheul beibringen; aber es käme doch nie bei ihm zu einem bewußten Nachahmen.)
 
390. 'Diese Menschen hätten nichts Menschenähnliches.' Warum?—Wir könnten uns unmöglich mit ihnen verständigen. Nicht einmal so, wie wir's mit einem Hund können. Wir könnten uns nicht in sie finden.
 
Und doch könnte es ja solche, im übrigen menschliche, Wesen geben.
 
391. Ich will eigentlich sagen, daß die gedanklichen Skrupel im Instinkt anfangen (ihre Wurzeln haben). Oder auch so: das Sprachspiel hat seinen Ursprung nicht in der ''Überlegung''. Die Überlegung ist ein Teil des Sprachspiels.
 
Und der Begriff ist daher im Sprachspiel zu Hause.
 
392. 'Sandhaufen' ist ein unscharf begrenzter Begriff——aber warum verwendet man statt seiner nicht einen scharf begrenzten?—Liegt der Grund in der Natur der Haufen? Welche Erscheinung ist es, deren Natur für unsern Begriff maßgebend ist?
 
393. Man kann sich leicht Ereignisse vorstellen und in alle Einzelheiten ausmalen, die, wenn wir sie eintreten sähen, uns an allem Urteilen irre werden ließen.
 
Sähe ich einmal von meinem Fenster statt der altgewohnten eine ganz neue Umgebung, benähmen sich die Dinge, Menschen und Tiere, wie sie sich nie benommen haben, so würde ich etwa die Worte äußern "Ich bin wahnsinnig geworden"; aber das wäre nur ein Ausdruck dafür, daß ich es aufgebe, mich auszukennen. Und das Gleiche könnte mir auch in der Mathematik zustoBen. Es könnte mir z. B. scheinen, als machte ich immer wieder Rechenfehler, sodaß keine Lösung mir verläßlich erschiene.
 
Das Wichtige aber für mich daran ist, daß es zwischen einem solchen Zustand und dem normalen keine scharfe Grenze gibt.
 
394. Was hieße es, mich darin irren, daß er eine Seele, Bewußt. sein habe? Und was hieße es, daß ich mich irre und selbst keines habe? Was hieße es zu sagen "Ich bin nicht bei Bewußtsein."?——Aber weiß ich nicht doch, daß Bewußtsein in mir ist?—So weiß ich's also, und doch hat die Aussage, es sei so, keinen Zweck?
 
Und wie merkwürdig, daß man lernen kann, sich in dieser Sache mit andern Leuten zu verständigen!
 
395. Einer kann sich bewußtlos stellen; aber auch ''bewußt''?
 
396. Wie wäre es, wenn mir jemand allen Ernstes sagte, er wisse (wirklich) nicht, ob er träume oder wache?—
 
Kann es diese Situation geben: Einer sagt "Ich glaube, ich träume jetzt"; wirklich wacht er bald danach auf, erinnert sich an jene Äußerung im Traum und sagt "So hatte ich also recht!"——Diese Erzählung kann doch nur besagen: Einer habe geträumt, er hätte gesagt, er träume.
 
Denke, ein Bewußtloser sagte (etwa in der Narkose) "Ich bin bei Bewußtsein"—würden wir sagen "Er muß es wissen"?
 
Und wenn Einer im Schlaf spräche "Ich schlafe",—würden wir sagen "Er hat ganz recht?
 
Spricht einer die Unwahrheit, der mir sagt: "Ich bin nicht bei Bewußtsein"? (Und die Wahrheit, wenn er's bewußtlos sagt? Und wie, wenn ein Papagei sagte "Ich verstehe kein Wort", oder ein Grammophon "Ich bin bloß eine Maschine"?)
 
397. Denke, in einem Tagtraum ließe ich mich sprechen "Ich phantasiere bloß", wäre das ''wahr''? Denke, ich schreibe so eine Phantasie oder Erzählung, einen phantasierten Dialog, und in ihm sage ich "Ich phantasiere"——aber, wenn ich es aufschreibe,—wie zeigt sich's, daß diese Worte Worte der Phantasie sind, und daß ich nicht aus der Phantasie herausgetreten bin?
 
Wäre es nicht wirklich möglich, daß der Träumende, sozusagen aus dem Traum heraustretend, im Schlaf spräche "Ich träume"? Es wäre wohl denkbar, daß so ein Sprachspiel existierte.
 
Dies hängt mit dem Problem des 'Meinens' zusammen. Denn ich kann im Dialog eines Stücks schreiben "Ich bin gesund" und es also nicht ''weinen'', obwohl es auch wahr ist. Die Worte gehören zu diesem und nicht zu jenem Sprachspiel.
 
398. 'Wahr' und 'Falsch' im Traum. Ich träume, daß es regnet, und daß ich sage "Es regnet"——anderseits: Ich träume, daß ich sage "Ich träume".
 
399. Hat das Verbum "träumen" eine Gegenwartsform? Wie lernt der Mensch diese gebrauchen?
 
400. Angenommen, ich hätte eine Erfahrung, ähnlich einem Erwachen, befände mich dann in einer ganz andern Umgebung, mit Leuten, die mich versichern, ich habe geschlafen. Angenommen ferner, ich bliebe dabei, ich habe nicht geträumt, sondern auf irgendeine Weise außerhalb meines schlafenden Körpers gelebt. Welche Funktion hat diese Behauptung?
 
401. "'Ich habe Bewußtsein', das ist eine Aussage, an der kein Zweifel möglich ist." Warum soll das nicht das Gleiche sagen, wie dies: "'Ich habe Bewußtsein' ist kein Satz"?
 
Man könnte auch so sagen: Was schadet es, daß einer sagt, "Ich habe Bewußtsein" sei eine Aussage, die keinen Zweifel zulasse? Wie komme ich mit ihm in Widerspruch? Nimm an, jemand sagte mir dies,—warum soll ich mich nicht gewöhnen, ihm nichts darauf zu antworten, statt etwa einen Streit anzufangen? Warum soll ich seine Worte nicht behandeln, wie sein Pfeifen oder Summen?
 
402. "Nichts ist so gewiß wie, daß mir Bewußtsein eignet." Warum soll ich es dann nicht auf sich beruhen lassen? Diese Gewißheit ist wie eine große Kraft, deren Angriffspunkt sich nicht bewegt, die also keine Arbeit leistet.
 
403. Erinnere dich: die meisten sagen, man spüre in der Narkose nichts. Manche aber sagen doch: Man ''könnte'' ja doch etwas fühlen und es nur völlig vergessen.
 
Wenn es also hier solche gibt, die zweifeln und solche, denen kein Zweifel kommt, so könnte die Zweifellosigkeit doch auch viel allgemeiner bestehen.
 
404. Oder der Zweifel könnte doch eine andere, und viel weniger unbestimmte Form haben, als in unserer Gedankenwelt.
 
405. Niemand außer ein Philosoph würde sagen "Ich weiß, daß ich zwei Hände habe"; wohl aber kann man sagen: "ich bin nicht imstande zu bezweifeln, daß ich zwei Hände habe".
 
406. "Wissen" aber wird gewöhnlich nicht in diesem Sinn gebraucht. "Ich weiß, wieviel 97 × 78 ist." "Ich weiß, daß 97 × 78 432 ist." Im ersten Falle teile ich jemandem mit, ich könne etwas, besitze etwas; im zweiten versichere ich einfach, 97 × 78 sei 432. Sagt denn"97 × 78 ist ganz bestimmt 432" nicht, ''ich wisse'', es sei so? Der erste Satz ist kein arithmetischer, noch kann ihn ein solcher ersetzen; statt des zweiten könnte man einen arithmetischen Satz verwenden.
 
407. Kann jemand ''glauben'', daß 25 × 25 = 625 ist? Was heißt es, das zu glauben? Wie zeigt es sich, daß er das glaubt?
 
408. Aber gibt es nicht ein Phänomen des Wissens sozusagen ganz abgesehen vom Sinn der Worte "ich weiß"? Ist es nicht merkwürdig, daß ein Mensch etwas ''wissen'' kann, die Tatsache gleichsam in sich selbst haben kann?—Aber das ist eben ein falsches Bild.—Denn, sagt man, Wissen ist es nur, wenn es sich wirklich verhält, wie er sagt. Aber das ist nicht genug. Es darf sich nicht nur zufällig so verhalten. Er muß nämlich wissen, daß er weiß: das Wissen ist ja sein eigener Seelenzustand: er kann darüber—außer durch eine besondere Verblendung—nicht im Zweifel oder Unrecht sein. Wenn also das Wissen, ''daß'' es so ist, nur ein Wissen ist, wenn es ''wirklich'' so ist; und wenn das Wissen in ihm ist, sodaß er sich darin, ob es ein Wissen ist, nicht irren kann; dann ist er (also) auch unfehlbar darin, daß es ist, wie er das Wissen weiß; und also muß die Tatsache, die er weiß, so wie das Wissen in ihm sein.
 
Und das deutet allerdings auf eine mögliche Art der Verwendung von "Ich weiß". "Ich weiß, daß es so ist", heißt dann: Es ist so oder ich bin verrückt.
 
Also: wenn ich, ohne zu lügen, sage: "Ich weiß, daß es so ist", so kann ich nur durch eine besondere Verblendung im Unrecht sein.
 
409. Wie kommt es, daß der Zweifel nicht der Willkür untersteht?—Und wenn es so ist,—könnte nicht ein Kind durch seine merkwürdige Veranlagung an allem zweifeln?
 
410. Man kann erst zweifeln, wenn man Gewisses gelernt hat; wie man sich erst verrechnen kann, wenn man rechnen gelernt hat. Dann ist es allerdings unwillkürlich.
 
411. Denke, ein Kind wäre ganz besonders gescheit, so gescheit, daß man ihm gleich die Zweifelhaftigkeit der Existenz aller Dinge beibringen kann. Es lernt also vom Anfangan: "Das ist wahrscheinlich ein Sessel.”
 
Und wie lernt es nun die Frage: "Ist das auch wirklich ein Sessel?"—