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Und wie lernt es nun die Frage: "Ist das auch wirklich ein Sessel?"—
Und wie lernt es nun die Frage: "Ist das auch wirklich ein Sessel?"—
412. Betreibe ich Kinderpsychologie?—Ich bringe den Begriff des Lehrens mit dem Begriff der Bedeutung in Verbindung.
413. Einer sei ein überzeugter Realist, der Andere ein überzeugter Idealist und lehrt seine Kinder dementsprechend. In einer so wichtigen Sache, wie der Existenz oder Nichtexistenz der äußern Welt wollen sie ihren Kindern nichts Falsches beibringen.
Was wird man sie nun lehren? Auch dies zu sagen "Es gibt physikalische Gegenstände", beziehungsweise das Gegenteil?
Wenn einer an Feen nicht glaubt, so braucht er seine Kinder nicht lehren "Es gibt keine Feen", sondern er kann es unterlassen, sie das Wort "Fee" zu lehren. Bei welcher Gelegenheit sollen sie sagen "Es gibt ....", oder "Es gibt nicht ...."? Nur wenn sie Leute treffen, die entgegengesetzten Glaubens sind.
414. Aber der Idealist wird den Kindern doch das Wort "Sessel" beibringen, denn er will sie ja lehren, dies und jenes zu tun, z. B. einen Sessel zu holen. Wo wird sich also, was die ideali erzogenen Kinder sagen, von dem, was die realistischen sagen, unterscheiden? Wird der Unterschied nicht nur der der Schlachtrufe sein?
415. Fängt denn nicht das Spiel "Das ist wahrscheinlich ein ...." mit der Enttäuschung an? Und kann die erste Einstellung die auf die mögliche Enttäuschung sein?
416. "So muß man ihm also zuerst eine falsche Sicherheit beibringen?
Es ist bei ihrem Sprachspiel von Sicherheit oder von Unsicherheit noch nicht die Rede. Erinnere dich: sie lernen ja etwas ''tun''.
417. Das Sprachspiel "Was ist das?"—"Ein Sessel."—ist nicht das Gleiche wie: "Wofür hältst du das?"—"Es dürfte ein Sessel sein."
418. Einen im Anfang lehren "Das scheint rot", hat gar keinen Sinn. Das muß er ja spontan sagen, wenn er einmal gelernt hat, was "rot" heißt, d. i. die Technik der Wortverwendung.
419. Die Grundlage jeder Erklärung ist die Abrichtung. (Das sollten Erzicher bedenken.)
420. "Es scheint mir rot."—"Und wie ist rot?"—"''So''." Dabei muß auf das richtige Paradigma gezeigt werden.
421. Wenn er zuerst die Farbnamen lernt, was wird ihm beigebracht? Nun, er lernt z. B. beim Anblick von etwas Rotem "Rot" ausrufen.—Ist das aber die richtige Beschreibung, oder hätte es heißen sollen: "Er lernt 'rot' nennen, ''was auch wir'' 'rot' nennen"?—Beide Beschreibungen sind richtig.
Wie unterscheidet sich davon das Sprachspiel "Wie kommt es dir vor?"?
Man könnte einem doch die Farbwörter beibringen, indem man ihn auf weiße Gegenstände durch farbige Brillen schauen läßt. Was ich ihn aber lehre, muß ein ''Können'' sein. Er ''kann'' also jetzt auf Befehle etwas Rotes bringen, oder Gegenstände nach ihren Farben ordnen. Aber was ist denn etwas Rotes?
422. Warum lehrt man das Kind nicht zuerst gleich das Sprachspiel "Es scheint mir rot"? Weil es noch nicht imstande ist, den feineren Unterschied zwischen Schein und Sein zu verstehen?
423. Die rote Gesichtsempfindung ist ein neuer ''Begriff''.
424. Das Sprachspiel, was wir ihm dann beibringen, ist: "Mir scheint es ...., dir scheint es ...." Im ersten Sprachspiel kommt eine Person als wahrnehmendes Subjekt nicht vor.
425. Du gibst dem Sprachspiel ein neues Gelenk. Was aber nicht heißt, daß nun davon immer Gebrauch gemacht wird.
426. Das innere Hinblicken auf die Empfindung—welche Verbindung soll es denn zwischen Wort und Empfindung her stellen; und wozu soll denn diese Verbindung dienen? Hat man mich ''das'' gelehrt, als ich diesen Satz gebrauchen, diesen Gedanken denken lernte? (Ihn zu denken, ist ja etwas, was ich lernen mußte.)
Wir lernen allerdings auch dies, unsre Aufmerksamkeit auf Dinge und auf Empfindungen richten. Wir lernen beobachten und die Beobachtung beschreiben. Aber wie lehrt man mich dies; wie wird in diesem Falle meine 'innere Tätigkeit' kontrolliert? Wonach wird beurteilt, ob ich wirklich Acht gegeben habe?
427. "Der Sessel ist der gleiche, ob ich ihn betrachte oder nicht"—das ''müßte'' nicht wahr sein. Menschen werden oft verlegen, wenn man sie anschaut. "Der Sessel fahrt fort zu existieren, ob ich ihn anschaue oder nicht." Das könnte ein Erfahrungssatz, oder es könnte grammatisch aufzufassen sein. Man kann aber auch einfach an den begrifflichen Unterschied zwischen Sinnescindruck und Objekt dabei denken.
428. Ist aber nicht die Übereinstimmung der Menschen dem Spiel wesentlich? Muß, wer es lernt, also nicht zuerst die Bedeutung von "gleich" kennen, und setzt die nicht auch Übereinstimmung voraus? U. s. f.
429. Du sagst "''Das'' ist rot", aber wie wird entschieden, ob du recht hast? Entscheidet es nicht die Übereinstimmung der Menschen?—Aber berufe ich mich denn auf diese Übereinstimmung in meinen Farburteilen? Geht es denn ''so'' vor sich: Ich lasse cine Anzahl Leute einen Gegenstand anschauen; jedem von ihnen fällt dabei eines einer gewissen Gruppe von Wörtern (der sogenannten Farbwörter) ein; ist der Mehrzahl der Betrachter das Wort "rot" z. B. eingefallen (zu dieser Mehrzahl muß ich selbst nicht gehören), so gebührt dem Gegenstand das Prädikat "rot". So cine Technik könnte ja ihre Wichtigkeit haben.
430. Die ''Farbwörter'' werden ''so'' gelehrt: "Das ist rot" z. B.—Unser Sprachspiel kommt freilich nur zustande, wenn eine gewisse Übereinstimmung herrscht, aber der Begriff der Übereinstimmung tritt ins Sprachspiel nicht ein. Wäre die Übereinstimmung vollkommen, so könnte ihr Begriff ganz unbekannt sein.
431. ''Entscheidet'' die Übereinstimmung der Menschen, was rot ist? Wird das durch den Appell an die Mehrheit entschieden? Wurde uns beigebracht, die Farbe ''so'' zu bestimmen?
432. Ich beschreibe eben das Sprachspiel "Bring etwas Rotes" dem, der es schon selbst spielen kann. Den Andern könnte ich es nur lehren. (Relativität.)
433. "Was ich wahrnehme, ist ''dies''—" und nun folgt eine Form der ''Beschreibung''. Das Wort "dies" könnte man auch so erklären: Denken wir uns eine direkte Übertragung des Erlebnisses!—Aber was ist nun unser Kriterium dafür, daß das Erlebnis wirklich übertragen wurde? "Nun, er hat eben dann das, was ich habe."—Aber wie '''hat''<nowiki/>' ''er'' es?
434. Was heißt es, "eine Empfindung mit einem Wort bezeichnen, benennen"? Gibt es da nichts zu untersuchen?
Denk dir, du kämest von einem Sprachspiel mit physikalischen Gegenständen—und nun hieße es, es werden jetzt auch ''Empfindungen'' benannt. Wäre das nicht, als würde zuerst von einer Übertragung des Besitzes, und dann auf einmal von einer Ubertragung der Freude am Besitz oder des Stolzes auf den Besitz gesprochen? Müssen wir da nicht etwas Neues lernen? Etwas Neues, was wir auch "übertragen" nennen.
435. Die Beschreibung des subjektiv Geschenen ist nahe oder entfernt verwandt der Beschreibung eines Gegenstandes, aber funktioniert eben daher nicht als Beschreibung eines Gegenstands. Wie vergleicht man Gesichtsempfindungen? Wie vergleiche ich meine mit des Andern Gesichtsempfindungen?
436. "Verifying by inspection" ist ein gänzlich irreführender Ausdruck. Er sagt nämlich, daß zuerst ein Vorgang, die Inspektion geschicht, und die wäre mit dem Schauen durch ein Mikroskop vergleichbar oder mit dem Vorgang des Umwendens des Kopfes, ''um etwas zu sehen''. Und, daß dann das Sehen erfolgen misse. Man könnte von "Sehen durch Umwenden" oder "Sehen durch Schauen" reden. Aber dann ist eben das Umwenden (oder Schauen) ein dem Sehen externer Vorgang, der uns daher nur praktisch interessiert. Was man sagen möchte, ist: "Sehen durch Schen".
437. Die Ursachen, warum wir einen Satz glauben, sind für die Frage, was es denn ist, das wir glauben, allerdings irrelevant; aber nicht die Gründe, die ja mit dem Satz grammatisch verwandt sind und uns sagen, wer er ist.
438. Es ist nichts gewöhnlicher, als daß die Bedeutung eines Ausdrucks in der Weise schwankt, daß ein Phänomen bald als Symptom, bald als Kriterium eines Sachverhalts angesehen wird. Und meistens wird dann in einem solchen Fall der Wechsel der Bedeutung nicht gemerkt. In der Wissenschaft ist es üblich, Phänomene, die genaue Messungen zulassen, zu definierenden Kriterien eines Ausdrucks zu machen; und man ist dann geneigt zu meinen, nun sei die eigentliche Bedeutung ''gefunden'' worden. Eine Unmenge von Verwirrungen ist auf diese Weise entstanden.
Es gibt z. B. Grade des Vergnügens, aber es ist dumm, von einer Messung des Vergnügens zu reden. Es ist wahr, daß in gewissen Fällen ein meßbares Phänomen den Platz einnimmt, den vor ihm ein nicht meßbares hatte. Das Wort, das diesen Platz bezeichnet, wechselt dann seine Bedeutung, und seine alte Bedeutung ist mehr oder weniger obsolet geworden. Man beruhigt sich dann damit, der eine Begriff sei der genauere, der andere der ungenauere; und beachtet nicht, daß hier in jedem besondern Fall ein anderes Verhältnis zwischen dem 'genauen' und dem 'ungenauen' vorliegt. Es ist der alte Fehler, die besondern Fälle nicht zu prüfen.
439. Die zureichende Evidenz geht, ohne bestimmte Grenzen zu haben, in die unzureichende über. Soll ich sagen, eine natürliche Grundlage dieser Begriffsbildung sei das komplizierte Wesen und die Mannigfaltigkeit der menschlichen Fälle?
So müßte also bei einer weit geringeren Mannigfaltigkeit eine scharf begrenzte Begriffsbildung natürlich erscheinen. Und warum scheint es so schwer, sich den vereinfachten Fall vorzustellen?
440. Wie hätten wir uns ein komplettes Regelverzeichnis für die Verwendung eines Worts zu denken?—Was versteht man unter einem kompletten Regelverzeichnis für die Verwendung einer Figur im Schachspiel? Könnten wir uns nicht immer Zweifelfalle konstruieren, in denen das normale Regelverzeichnis nicht entscheidet? Denke etwa an so eine Frage: wie ist es festzustellen, wer zuletzt gezogen hat, wenn die Zuverlässigkeit des Gedächtnisses der Spieler angezweifelt wird?
Die Verkehrsregelung in den Straßen erlaubt und verbietet gewisse Handlungen der Fahrer und Fußgänger; aber sie versucht nicht, ihre sämtlichen Bewegungen durch Vorschriften zu leiten. Und es wäre sinnlos, von einer 'idealen' Verkehrsordnung zu reden, die das täte; wir wüßten zunächst gar nicht, was wir uns unter diesem Ideal zu denken hätten. Wünscht einer die Verkehrsordnung in irgendwelchen Punkten strenger zu gestalten, so bedeutet das nicht, er wünsche sie so einem Ideal anzunähern.
441. Betrachte auch diesen Satz: "Die Regeln eines Spiels können wohl eine gewisse Freiheit lassen, aber sie müssen ''doch'' ganz bestimmte Regeln sein." Das ist, als sagte man: "Du kannst zwar einem Menschen durch vier Wände eine gewisse Bewegungsfreiheit lassen, aber die Wände müssen vollkommen starr sein"—und das ist nicht wahr. "Nun, die Wände können wohl elastisch sein, aber dann haben sie eine ganz bestimmte Elastizität."—Was sagt das nun doch? Es scheint zu sagen, daß man diese Elastizität muß angeben können, aber das ist wieder nicht wahr. “Die Wand hat immer ''eine bestimmte'' Elastizität—ob ich sie kenne oder nicht.": das ist eigentlich das Bekenntnis zu einer Ausdrucksform. Derjenigen, die sich der ''Form'' eines Ideals der Genauigkeit bedient. Gleichsam als cines Parameters der Darstellung.
442. Das Bekenntnis zu einer Ausdrucksform, wenn es ausgesprochen wird in der Verkleidung als ein Satz, der von den ''Gegenständen'' (statt von dem Zeichen handelt, muß '''a priori''<nowiki/>' sein. Denn sein Gegenteil wird wirklich undenkbar, insofern ihm eine Denkform, Ausdrucksform entspricht, die wir ausgeschlossen haben.
443. Denke dir, die Menschen pflegten auf Gegenstände immer ''in der'' Weise zu zeigen, daß sie mit dem Finger in der Luft gleichsam einen Kreis um den Gegenstand beschrieben, dann könnte man sich einen Philosophen denken, der sagte: "Alle Dinge sind kreisrund; denn der Tisch sieht ''so'' aus, der Öfen ''so'', die Lampe ''so''" etc., indem er jedesmal einen Kreis um das Ding schlägt.
444. Wir haben nun eine ''Theorie''; eine 'dynamische Theorie'<ref>Freud spricht von seiner 'dynamischen' Theorie des Traums.</ref> des Satzes, der Sprache, aber sie erscheint uns nicht als Theorie. Es ist ja das Charakteristische einer solchen Theorie, daß sie cinen besonderen, klar anschaulichen Fall ansieht und sagt: "''Das'' zeigt, wie es sich überhaupt verhält; dieser Fall ist das Urbild ''aller'' Fälle."——"Natürlich! So muß es sein", sagen wir und sind zufrieden. Wir sind auf eine Form der Darstellung gekommen, die uns ''einleuchtet''. Aber es ist, als haben wir nun etwas geschen, was ''unter'' der Oberfläche liegt.
Die Tendenz, den klaren Fall zu verallgemeinern, scheint in der Logik ihre strenge Berechtigung zu haben: man scheint hier mit ''voller'' Berechtigung zu schließen: "Wenn ''ein'' Satz ein Bild ist, so muß jeder Satz ein Bild sein, denn sie müssen alle wesensgleich sein." Denn wir sind ja in der Täuschung, das Sublime, Wesentliche unserer Untersuchung bestehe darin, daß sie ''ein'' allumfassendes Wesen erfasse.
445. Wie kann ich den Satz ''jetzt'' verstehen, wenn die Analyse soll zeigen können, ''was'' ich eigentlich verstehe?—Hier spielt die Idee des Verstehens als eines sonderbaren geistigen Vorgangs hinein.