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Wir werden einen wichtigen Unterschied machen zwischen Wesen, die eine Arbeit, selbst eine komplizierte, 'mechanisch' zu verrichten lernen können und solchen, die bei der Arbeit probieren, vergleichen——Was aber "probieren" und "vergleichen" zu nennen ist, kann ich nur wieder an Beispielen erklären, und diese Beispiele werden unserm Leben oder einem, das dem unsern ähnlich ist, entnommen sein. | Wir werden einen wichtigen Unterschied machen zwischen Wesen, die eine Arbeit, selbst eine komplizierte, 'mechanisch' zu verrichten lernen können und solchen, die bei der Arbeit probieren, vergleichen——Was aber "probieren" und "vergleichen" zu nennen ist, kann ich nur wieder an Beispielen erklären, und diese Beispiele werden unserm Leben oder einem, das dem unsern ähnlich ist, entnommen sein. | ||
104. Hat er etwa spielend oder durch Zufall eine Kombination gemacht und verwendet sie nun als Methode, das und jenes zu tun, so werden wir sagen, er denke.—Beim Überlegen würde er Mittel und Wege an seinem geistigen Auge vorbeiziehen lassen. Aber dazu muß er schon welche im Vorrat haben. Das Denken gibt ihm die Möglichkeit zur ''Vervollkomnung'' seiner Methoden. Oder vielmehr: Er 'denkt', wenn er in bestimmter Art und Weise seine Methode vervollkommnet. [''Randbemerkung:'' Wie schaut denn das Forschen aus?] | '''104'''. Hat er etwa spielend oder durch Zufall eine Kombination gemacht und verwendet sie nun als Methode, das und jenes zu tun, so werden wir sagen, er denke.—Beim Überlegen würde er Mittel und Wege an seinem geistigen Auge vorbeiziehen lassen. Aber dazu muß er schon welche im Vorrat haben. Das Denken gibt ihm die Möglichkeit zur ''Vervollkomnung'' seiner Methoden. Oder vielmehr: Er 'denkt', wenn er in bestimmter Art und Weise seine Methode vervollkommnet. [''Randbemerkung:'' Wie schaut denn das Forschen aus?] | ||
105. Man könnte auch sagen: einer denkt, wenn er in bestimmter Weise ''lernt''. | '''105'''. Man könnte auch sagen: einer denkt, wenn er in bestimmter Weise ''lernt''. | ||
106. Und auch dies (könnte man sagen): Wer bei der Arbeit ''denkt'', der wird oft ''Hilfstätigkeiten'' in sie einschalten. Das Wort "denken" nun bezeichnet nicht diese Hilfstätigkeiten, wie Denken ja auch nicht Reden ist. Obwohl der Begriff 'denken' nach Art einer imaginären Hilfstätigkeit gebildet ist. (So wie man sagen könnte, der Begriff des Differentialquotienten sei nach Art eines idealen Quotienten gebildet.) | '''106'''. Und auch dies (könnte man sagen): Wer bei der Arbeit ''denkt'', der wird oft ''Hilfstätigkeiten'' in sie einschalten. Das Wort "denken" nun bezeichnet nicht diese Hilfstätigkeiten, wie Denken ja auch nicht Reden ist. Obwohl der Begriff 'denken' nach Art einer imaginären Hilfstätigkeit gebildet ist. (So wie man sagen könnte, der Begriff des Differentialquotienten sei nach Art eines idealen Quotienten gebildet.) | ||
107. Diese Hilfstätigkeiten sind nicht das Denken; aber man stellt sich das Denken vor als den Strom der unter der Oberfläche dieser Hilfsmittel fließen muß, wenn sie nicht doch nur mechanische Handlungen sein sollen. | '''107'''. Diese Hilfstätigkeiten sind nicht das Denken; aber man stellt sich das Denken vor als den Strom der unter der Oberfläche dieser Hilfsmittel fließen muß, wenn sie nicht doch nur mechanische Handlungen sein sollen. | ||
108. Nimm an, es handle sich um Wesen menschenähnliche Tiere), die wir als Sklaven benützen, kaufen und verkaufen. Sie können nicht sprechen lernen, wohl aber kann man die begabteren unter ihnen zu oft recht komplizierten Arbeiten erziehen; und manche von diesen arbeiten 'denkend', andre bloß mechanisch. Für einen Denkenden zahlen wir mehr, als für einen bloß mechanisch Geschickten. | '''108'''. Nimm an, es handle sich um Wesen menschenähnliche Tiere), die wir als Sklaven benützen, kaufen und verkaufen. Sie können nicht sprechen lernen, wohl aber kann man die begabteren unter ihnen zu oft recht komplizierten Arbeiten erziehen; und manche von diesen arbeiten 'denkend', andre bloß mechanisch. Für einen Denkenden zahlen wir mehr, als für einen bloß mechanisch Geschickten. | ||
109. Wenn es nur ganz wenige Menschen gäbe, die die Antwort auf eine Rechenaufgabe finden könnten, ohne zu sprechen oder zu schreiben, könnte man diese nicht zum Zeugnis dafür anführen, daß man auch ohne Zeichen rechnen könne. Weil es nämlich nicht klar wäre, daß diese Leute überhaupt 'rechnen'. Ebenso kann auch das Zeugnis des Ballard (bei James) einen nicht davon überzeugen, daß man ohne Sprache denken könne. | '''109'''. Wenn es nur ganz wenige Menschen gäbe, die die Antwort auf eine Rechenaufgabe finden könnten, ohne zu sprechen oder zu schreiben, könnte man diese nicht zum Zeugnis dafür anführen, daß man auch ohne Zeichen rechnen könne. Weil es nämlich nicht klar wäre, daß diese Leute überhaupt 'rechnen'. Ebenso kann auch das Zeugnis des Ballard (bei James) einen nicht davon überzeugen, daß man ohne Sprache denken könne. | ||
Ja, warum soll man, wo keine Sprache gebraucht wird, vom 'Denken' reden? Tut man's, so zeigt das eben etwas über den ''Begriff'' des Denkens. | Ja, warum soll man, wo keine Sprache gebraucht wird, vom 'Denken' reden? Tut man's, so zeigt das eben etwas über den ''Begriff'' des Denkens. | ||
110. 'Denken', ein weit verzweigter Begriff. Ein Begriff, der viele Lebensäußerungen in sich verbindet. Die Denk-''phänomene'' liegen weit auseinander. | '''110'''. 'Denken', ein weit verzweigter Begriff. Ein Begriff, der viele Lebensäußerungen in sich verbindet. Die Denk-''phänomene'' liegen weit auseinander. | ||
111. Wir sind auf die Aufgabe gar nicht ''gefaßt'', den Gebrauch des Wortes "denken" z. B. zu beschreiben. (Und warum sollten wir's sein? Wozu ist so eine Beschreibung nütze?) | '''111'''. Wir sind auf die Aufgabe gar nicht ''gefaßt'', den Gebrauch des Wortes "denken" z. B. zu beschreiben. (Und warum sollten wir's sein? Wozu ist so eine Beschreibung nütze?) | ||
Und die naive Vorstellung, die man sich von ihm macht, entspricht gar nicht der Wirklichkeit. Wir erwarten uns eine glatte, regelmäßige Kontur und kriegen eine zerfetzte zu sehen. Hier könnte man wirklich sagen, wir hätten uns ein falsches Bild gemacht. | Und die naive Vorstellung, die man sich von ihm macht, entspricht gar nicht der Wirklichkeit. Wir erwarten uns eine glatte, regelmäßige Kontur und kriegen eine zerfetzte zu sehen. Hier könnte man wirklich sagen, wir hätten uns ein falsches Bild gemacht. | ||
112. Es ist von diesem Wort nicht zu erwarten, daß es eine einheitliche Verwendung habe; es ist vielmehr das Gegenteil zu erwarten. | '''112'''. Es ist von diesem Wort nicht zu erwarten, daß es eine einheitliche Verwendung habe; es ist vielmehr das Gegenteil zu erwarten. | ||
113. Woher nehmen wir den Begriff 'denken', den wir hier betrachten wollen? Aus der Alltagssprache. Was unsrer Aufmerksamkeit zuerst ihre Richtung gibt, ist das Wort "denken". Aber der Gebrauch dieses Worts ist verworren. Und wir können es nicht anders erwarten. Und das läßt sich natürlich von allen psychologischen Verben sagen. Ihre Verwendung ist nicht so klar und so leicht zu übersehen, wie die der Wörter der Mechanik z. B. | '''113'''. Woher nehmen wir den Begriff 'denken', den wir hier betrachten wollen? Aus der Alltagssprache. Was unsrer Aufmerksamkeit zuerst ihre Richtung gibt, ist das Wort "denken". Aber der Gebrauch dieses Worts ist verworren. Und wir können es nicht anders erwarten. Und das läßt sich natürlich von allen psychologischen Verben sagen. Ihre Verwendung ist nicht so klar und so leicht zu übersehen, wie die der Wörter der Mechanik z. B. | ||
114. Man lernt das Wort "denken", d. i. seinen Gebrauch, unter gewissen Umständen, die man aber nicht beschreiben lernt. | '''114'''. Man lernt das Wort "denken", d. i. seinen Gebrauch, unter gewissen Umständen, die man aber nicht beschreiben lernt. | ||
115. Aber ich ''kann'' einen Menschen den Gebrauch des Wortes ''lehren''! Denn dazu ist ein Beschreiben jener Umstände nicht nötig. | '''115'''. Aber ich ''kann'' einen Menschen den Gebrauch des Wortes ''lehren''! Denn dazu ist ein Beschreiben jener Umstände nicht nötig. | ||
116. Ich lehre ihn eben das Wort ''unter bestimmten Umständen''. | '''116'''. Ich lehre ihn eben das Wort ''unter bestimmten Umständen''. | ||
117. Man lernt es etwa nur vom Menschen sagen, es von ihm behaupten oder leugnen. Die Frage "Denkt ein Fisch?" existiert unter seinen Sprachanwendungen nicht, ''wird nicht gestellt''. (Was kann natürlicher sein, als so ein Zustand, so eine Sprachverwendung?) | '''117'''. Man lernt es etwa nur vom Menschen sagen, es von ihm behaupten oder leugnen. Die Frage "Denkt ein Fisch?" existiert unter seinen Sprachanwendungen nicht, ''wird nicht gestellt''. (Was kann natürlicher sein, als so ein Zustand, so eine Sprachverwendung?) | ||
118. "An ''diesen'' Fall hat niemand gedacht"—kann man sagen. Ich kann zwar nicht die Bedingungen aufzählen, unter denen das Wort "denken" zu gebrauchen ist,—aber, wenn ein Umstand den Gebrauch zweifelhaft macht, so kann ich's sagen und auch, ''wie'' die Lage von der gewöhnlichen abweicht. | '''118'''. "An ''diesen'' Fall hat niemand gedacht"—kann man sagen. Ich kann zwar nicht die Bedingungen aufzählen, unter denen das Wort "denken" zu gebrauchen ist,—aber, wenn ein Umstand den Gebrauch zweifelhaft macht, so kann ich's sagen und auch, ''wie'' die Lage von der gewöhnlichen abweicht. | ||
119. Wenn ich in einem bestimmten Zimmer eine bestimmte Tätigkeit auszuführen gelernt habe (das Aufräumen des Zimmers etwa) und diese Technik beherrsche, so folgt doch nicht, daß ich bereit sein müsse, die Einrichtung des Zimmers zu beschreiben; auch wenn ich jede Veränderung in ihr gleich merken würde und auch sofort beschreiben könnte. | '''119'''. Wenn ich in einem bestimmten Zimmer eine bestimmte Tätigkeit auszuführen gelernt habe (das Aufräumen des Zimmers etwa) und diese Technik beherrsche, so folgt doch nicht, daß ich bereit sein müsse, die Einrichtung des Zimmers zu beschreiben; auch wenn ich jede Veränderung in ihr gleich merken würde und auch sofort beschreiben könnte. | ||
120. "Dieses Gesetz wurde nicht in Voraussicht solcher Fälle gegeben." Ist es darum sinnlos? | '''120'''. "Dieses Gesetz wurde nicht in Voraussicht solcher Fälle gegeben." Ist es darum sinnlos? | ||
121. Es wäre doch sehr wohl denkbar, daß einer sich genau in einer Stadt auskennt, d. h., von jedem Ort der Stadt zu jedem andern mit Sicherheit den kürzesten Weg fande,—und dennoch ganz außer Stande wäre, einen Plan der Stadt zu zeichnen. Dab er, sobald er es versucht, nur ''gänzlich Falsches'' hervorbringt. (Unser Begriff vom 'Instinkt'.) | '''121'''. Es wäre doch sehr wohl denkbar, daß einer sich genau in einer Stadt auskennt, d. h., von jedem Ort der Stadt zu jedem andern mit Sicherheit den kürzesten Weg fande,—und dennoch ganz außer Stande wäre, einen Plan der Stadt zu zeichnen. Dab er, sobald er es versucht, nur ''gänzlich Falsches'' hervorbringt. (Unser Begriff vom 'Instinkt'.) | ||
122. Bedenke, unsere Sprache könnte verschiedene Wörter besitzen: fürs 'laute Denken'; fürs denkende Selbstgespräch in der Vorstellung; fürs Innehalten, wobei irgend etwas uns vorschwebt, woraufhin wir aber die Antwort mit Sicherheit geben können. | '''122'''. Bedenke, unsere Sprache könnte verschiedene Wörter besitzen: fürs 'laute Denken'; fürs denkende Selbstgespräch in der Vorstellung; fürs Innehalten, wobei irgend etwas uns vorschwebt, woraufhin wir aber die Antwort mit Sicherheit geben können. | ||
Ein Wort für den Gedanken, der im Satz ausgedrückt ist; eines für den Gedankenblitz, den ich später 'in Worte kleiden' kann, cines für das denkende Arbeiten ohne Worte. | Ein Wort für den Gedanken, der im Satz ausgedrückt ist; eines für den Gedankenblitz, den ich später 'in Worte kleiden' kann, cines für das denkende Arbeiten ohne Worte. | ||
123. "Denken ist eine geistige Tätigkeit."——Denken ist ''keine'' körperliche Tätigkeit. Ist Denken eine Tätigkeit? Nun, man kann einem befehlen "denk darüber nach!". Wenn aber einer in Befolgung dieses Befehls zu sich selbst oder auch zum Andern spricht, verrichtet er da zwei Tätigkeiten? | '''123'''. "Denken ist eine geistige Tätigkeit."——Denken ist ''keine'' körperliche Tätigkeit. Ist Denken eine Tätigkeit? Nun, man kann einem befehlen "denk darüber nach!". Wenn aber einer in Befolgung dieses Befehls zu sich selbst oder auch zum Andern spricht, verrichtet er da zwei Tätigkeiten? | ||
124. Die Anteilnahme an dem Gesprochenen hat ihre spezifischen Zeichen. Sie hat auch ihre spezifischen Folgen und Vorbedingungen. Die Anteilnahme ist ein Erlebtes: man sagt sie von sich selbst, nicht auf Grund einer Beobachtung, aus. Sie ist keine Begleitung des Gesprochenen. Wodurch wäre, was den Satz begleitet, eine Anteilnahme am Inhalt dieses Satzes? (Logische Bedingung.) | '''124'''. Die Anteilnahme an dem Gesprochenen hat ihre spezifischen Zeichen. Sie hat auch ihre spezifischen Folgen und Vorbedingungen. Die Anteilnahme ist ein Erlebtes: man sagt sie von sich selbst, nicht auf Grund einer Beobachtung, aus. Sie ist keine Begleitung des Gesprochenen. Wodurch wäre, was den Satz begleitet, eine Anteilnahme am Inhalt dieses Satzes? (Logische Bedingung.) | ||
125. Vergleiche das Phänomen des Denkens mit dem Phänomen des Brennens! Kann nicht das Brennen, die Flamme uns rätselhaft erscheinen? Und warum die Flamme mehr als der Tisch?——Und wie klärst du dieses Rätsel auf? | '''125'''. Vergleiche das Phänomen des Denkens mit dem Phänomen des Brennens! Kann nicht das Brennen, die Flamme uns rätselhaft erscheinen? Und warum die Flamme mehr als der Tisch?——Und wie klärst du dieses Rätsel auf? | ||
Und wie soll nun das Rätsel des Denkens aufgelöst werden?—Wie das der Flamme? | Und wie soll nun das Rätsel des Denkens aufgelöst werden?—Wie das der Flamme? | ||
126. Ist die Flamme nicht rätselhaft, weil sie ungreifbar ist? Wohl—aber warum macht sie das rätselhaft? Warum soll das Ungreifbare rätselhafter sein, als das Greifbare? Außer, weil wir es greifen ''wollen''.— | '''126'''. Ist die Flamme nicht rätselhaft, weil sie ungreifbar ist? Wohl—aber warum macht sie das rätselhaft? Warum soll das Ungreifbare rätselhafter sein, als das Greifbare? Außer, weil wir es greifen ''wollen''.— | ||
127. Man sagt, die Seele ''verläßt'' den Körper. Um ihr dann aber jede Ähnlichkeit mit dem Körper zu nehmen, und damit man beileibe nicht denkt, es sei irgend ein gasförmiges Ding gemeint, sagt man, die Seele ist unkörperlich, unräumlich; aber mit dem Worte "verläßt" hat man schon alles gesagt. Zeige mir, wie du das Wort "seelisch" gebrauchst, und ich werde schen, ob die Seele "unkörperlich" ist, und was du unter "Geist" verstehst. | '''127'''. Man sagt, die Seele ''verläßt'' den Körper. Um ihr dann aber jede Ähnlichkeit mit dem Körper zu nehmen, und damit man beileibe nicht denkt, es sei irgend ein gasförmiges Ding gemeint, sagt man, die Seele ist unkörperlich, unräumlich; aber mit dem Worte "verläßt" hat man schon alles gesagt. Zeige mir, wie du das Wort "seelisch" gebrauchst, und ich werde schen, ob die Seele "unkörperlich" ist, und was du unter "Geist" verstehst. | ||
128. Ich bin geneigt, vom Leblosen zu reden als von einem, dem etwas abgeht. Ich sehe das Leben unbedingt als ein Plus an, als etwas dem Leblosen Hinzugefügtes. (Psychologische Atmosphäre.) | '''128'''. Ich bin geneigt, vom Leblosen zu reden als von einem, dem etwas abgeht. Ich sehe das Leben unbedingt als ein Plus an, als etwas dem Leblosen Hinzugefügtes. (Psychologische Atmosphäre.) | ||
129. Man sagt vom Tisch und Stuhl nicht: "er denkt jetzt", noch "er denkt jetzt nicht", noch "er denkt nie"; auch von der Pflanze nicht, auch vom Fisch nicht, kaum vom Hund; aber vom Menschen. Und auch nicht von allen Menschen. | '''129'''. Man sagt vom Tisch und Stuhl nicht: "er denkt jetzt", noch "er denkt jetzt nicht", noch "er denkt nie"; auch von der Pflanze nicht, auch vom Fisch nicht, kaum vom Hund; aber vom Menschen. Und auch nicht von allen Menschen. | ||
"Ein Tisch denkt nicht" ist nicht vergleichbar einer Aussage wie "ein Tisch wächst nicht". (Ich wüßte gar nicht, wie das wäre, wenn ein Tisch dächte.) Und hier gibt es offenbar einen graduellen Übergang zu dem Fall des Menschen. | "Ein Tisch denkt nicht" ist nicht vergleichbar einer Aussage wie "ein Tisch wächst nicht". (Ich wüßte gar nicht, wie das wäre, wenn ein Tisch dächte.) Und hier gibt es offenbar einen graduellen Übergang zu dem Fall des Menschen. | ||
130. Man redet nur vom 'Denken' unter ganz bestimmten Umständen. | '''130'''. Man redet nur vom 'Denken' unter ganz bestimmten Umständen. | ||
131. Wie können denn der Sinn und die Wahrheit (oder die Wahrheit und der Sinn) der Sätze zugleich zusammenbrechen? (Mit einander stehen und fallen?) | '''131'''. Wie können denn der Sinn und die Wahrheit (oder die Wahrheit und der Sinn) der Sätze zugleich zusammenbrechen? (Mit einander stehen und fallen?) | ||
132. Und ist es nicht, als wolltest du sagen: "Wenn es sich nicht so und so verhält, hat es keinen Sinn mehr zu sagen, es verhalte sich so"? | '''132'''. Und ist es nicht, als wolltest du sagen: "Wenn es sich nicht so und so verhält, hat es keinen Sinn mehr zu sagen, es verhalte sich so"? | ||
133. Also z. B.: "Wenn ''immer'' falsch gezogen worden wäre, so hätte es keinen Sinn, von einem 'falschen Zug' zu reden." Aber das ist nur eine paradoxe Form, es zu sagen. Die nicht-paradoxe Form wäre: "Die allgemeine Beschreibung ..... hat keinen Sinn." | '''133'''. Also z. B.: "Wenn ''immer'' falsch gezogen worden wäre, so hätte es keinen Sinn, von einem 'falschen Zug' zu reden." Aber das ist nur eine paradoxe Form, es zu sagen. Die nicht-paradoxe Form wäre: "Die allgemeine Beschreibung ..... hat keinen Sinn." | ||
134. Statt "man kann nicht", sage: "es gibt in diesem Spiel nicht". Statt "man kann im Damespiel nicht rochieren"—"es gibt im Damespiel kein Rochieren"; statt "ich kann meine Empfindung nicht vorzeigen"—"es gibt in der Verwendung des Wortes 'Empfindung' kein Vorzeigen dessen, was man har"; statt "man kann nicht alle Kardinalzahlen aufzählen"—"es gibt hier kein Aufzählen aller Glieder”. | '''134'''. Statt "man kann nicht", sage: "es gibt in diesem Spiel nicht". Statt "man kann im Damespiel nicht rochieren"—"es gibt im Damespiel kein Rochieren"; statt "ich kann meine Empfindung nicht vorzeigen"—"es gibt in der Verwendung des Wortes 'Empfindung' kein Vorzeigen dessen, was man har"; statt "man kann nicht alle Kardinalzahlen aufzählen"—"es gibt hier kein Aufzählen aller Glieder”. | ||
135. Das Gespräch, die Anwendung und Ausdeutung der Worte fließt dahin, und nur im Fluß hat das Wort seine Bedeutung. | '''135'''. Das Gespräch, die Anwendung und Ausdeutung der Worte fließt dahin, und nur im Fluß hat das Wort seine Bedeutung. | ||
"Er ist abgereist.”—"Warum?"—Was meintest du, als du das Wort "warum" aussprachst? Woran ''dachtest'' du? | "Er ist abgereist.”—"Warum?"—Was meintest du, als du das Wort "warum" aussprachst? Woran ''dachtest'' du? | ||
136. Denk ans Aufzeigen in der Schule. Muß einer sich die Antwort im Stillen vorgesagt haben, um mit Recht aufzeigen zu konnen? Und ''was'' muß in ihm dazu vorgegangen sein?—Nichts. Aber es ist wichtig, daß er für gewöhnlich eine Antwort wisse, wenn er aufzeigt; und das ist das Kriterium dafür, daß er das Aufzeigen ''versteht''. | '''136'''. Denk ans Aufzeigen in der Schule. Muß einer sich die Antwort im Stillen vorgesagt haben, um mit Recht aufzeigen zu konnen? Und ''was'' muß in ihm dazu vorgegangen sein?—Nichts. Aber es ist wichtig, daß er für gewöhnlich eine Antwort wisse, wenn er aufzeigt; und das ist das Kriterium dafür, daß er das Aufzeigen ''versteht''. | ||
Es muß nichts in ihm vorgegangen sein; und doch wäre der merkwürdig, der in so einem Falle nie etwas über innere Vorgänge zu berichten wüßte. | Es muß nichts in ihm vorgegangen sein; und doch wäre der merkwürdig, der in so einem Falle nie etwas über innere Vorgänge zu berichten wüßte. | ||
137. Manchmal, wenn ich sage "Ich dachte damals .....", kann ich berichten, daß ich mir eben diese Worte laut oder im Stillen gesagt hatte; oder wenn nicht diese, so andere Worte, wovon die gegenwärtigen eine sinngemäße Wiedergabe sind. Das kommt doch manchmal vor! Aber eben auch dies, daß meine gegenwärtigen Worte 'nicht eine ''Wiedergabe''<nowiki/>' sind. Denn 'Wiedergabe' sind sie nur, wenn sie es nach Regeln der Abbildung sind. | '''137'''. Manchmal, wenn ich sage "Ich dachte damals .....", kann ich berichten, daß ich mir eben diese Worte laut oder im Stillen gesagt hatte; oder wenn nicht diese, so andere Worte, wovon die gegenwärtigen eine sinngemäße Wiedergabe sind. Das kommt doch manchmal vor! Aber eben auch dies, daß meine gegenwärtigen Worte 'nicht eine ''Wiedergabe''<nowiki/>' sind. Denn 'Wiedergabe' sind sie nur, wenn sie es nach Regeln der Abbildung sind. | ||
138. Es scheint so, als wäre in einem Satz, der z. B. das Wort "Kugel" enthält, schon der Schatten anderer Verwendungen dieses Worts enthalten. Nämlich eben die ''Möglichkeit'', jene andern Sätze zu bilden.—Wem scheint es so? und unter welchen Umständen? | '''138'''. Es scheint so, als wäre in einem Satz, der z. B. das Wort "Kugel" enthält, schon der Schatten anderer Verwendungen dieses Worts enthalten. Nämlich eben die ''Möglichkeit'', jene andern Sätze zu bilden.—Wem scheint es so? und unter welchen Umständen? | ||
139. Man kommt nicht davon weg, daß der Sinn des Satzes den Satz begleitet; bei dem Satz steht. | '''139'''. Man kommt nicht davon weg, daß der Sinn des Satzes den Satz begleitet; bei dem Satz steht. | ||
140. Man will etwa sagen: "Die eine Verneinung ''tut'' dasselbe mit dem Satz, wie die andere, sie schließt, was er beschreibt, aus." Aber das sind nur andere Worte für eine Gleichsetzung der beiden negativen Sätze (welche nur gilt, wenn der verneinte Satz nicht selbst ein negativer Satz ist). Immer wieder der Gedanke, daß, was wir vom Zeichen sehen, nur eine Außenseite zu einem Innern ist, worin sich die eigentlichen Operationen des Sinnes und der Bedeutung abspielen. | '''140'''. Man will etwa sagen: "Die eine Verneinung ''tut'' dasselbe mit dem Satz, wie die andere, sie schließt, was er beschreibt, aus." Aber das sind nur andere Worte für eine Gleichsetzung der beiden negativen Sätze (welche nur gilt, wenn der verneinte Satz nicht selbst ein negativer Satz ist). Immer wieder der Gedanke, daß, was wir vom Zeichen sehen, nur eine Außenseite zu einem Innern ist, worin sich die eigentlichen Operationen des Sinnes und der Bedeutung abspielen. | ||
141. Unser Problem könnte man (sehr klar) so stellen: Angenommen, wir hätten zwei Systeme der Längenmessung: eine Länge wird in beiden durch ein Zahlzeichen ausgedrückt, diesem folgt ein Wort, das das Maß angibt. Das eine System bezeichnet eine Länge als "n Fuß", und Fuß ist eine Längeneinheit im gewöhnlichen Sinne; im andern System wird eine Länge mit "n W” bezeichnet und 1 Fuß = 1 W. Aber 2 W = 4 Fuß, 3 W = 9 Fuß us.w.—Also heißt der Satz "Dieser Stock ist 1 W lang" dasselbe wie "Dieser Stock ist 1 Fuß lang". Frage: Hat in diesen beiden Sätzen "W" und "Fuß" dieselbe Bedeutung? | '''141'''. Unser Problem könnte man (sehr klar) so stellen: Angenommen, wir hätten zwei Systeme der Längenmessung: eine Länge wird in beiden durch ein Zahlzeichen ausgedrückt, diesem folgt ein Wort, das das Maß angibt. Das eine System bezeichnet eine Länge als "n Fuß", und Fuß ist eine Längeneinheit im gewöhnlichen Sinne; im andern System wird eine Länge mit "n W” bezeichnet und 1 Fuß = 1 W. Aber 2 W = 4 Fuß, 3 W = 9 Fuß us.w.—Also heißt der Satz "Dieser Stock ist 1 W lang" dasselbe wie "Dieser Stock ist 1 Fuß lang". Frage: Hat in diesen beiden Sätzen "W" und "Fuß" dieselbe Bedeutung? | ||
142. Die Frage ist falsch gestellt. Das sieht man, wenn wir die Bedeutungsgleichheit durch eine Gleichung ausdrücken. Die Frage kann nur lauten: "Ist W = Fuß oder nicht?"—Von den Sätzen, in denen diese Zeichen stehen, ist hier nicht die Rede.—Ebenso wenig kann man natürlich in dieser Terminologie fragen, ob "ist" hier das Gleiche bedeutet, wie "ist" dort; wohl aber, ob die Kopula das Gleiche bedeutet, wie das Gleichheitszeichen. Nun, wir sagten ja: 1 Fuß = 1 W; aber Fuß ≠ W. | '''142'''. Die Frage ist falsch gestellt. Das sieht man, wenn wir die Bedeutungsgleichheit durch eine Gleichung ausdrücken. Die Frage kann nur lauten: "Ist W = Fuß oder nicht?"—Von den Sätzen, in denen diese Zeichen stehen, ist hier nicht die Rede.—Ebenso wenig kann man natürlich in dieser Terminologie fragen, ob "ist" hier das Gleiche bedeutet, wie "ist" dort; wohl aber, ob die Kopula das Gleiche bedeutet, wie das Gleichheitszeichen. Nun, wir sagten ja: 1 Fuß = 1 W; aber Fuß ≠ W. | ||
143. Man könnte sagen: in allen Fällen meint man mit "Gedanke" das ''Lebende'' am Satz. Das, ohne welches er tot, eine bloße Lautfolge oder Folge geschriebener Figuren ist. | '''143'''. Man könnte sagen: in allen Fällen meint man mit "Gedanke" das ''Lebende'' am Satz. Das, ohne welches er tot, eine bloße Lautfolge oder Folge geschriebener Figuren ist. | ||
Wenn ich aber ebenso von einem Etwas spräche, welches einer Konfiguration von Schachfiguren Bedeutung gibt, d. h., sie von einer beliebigen Zusammenstellung von Holzklötzchen unterscheidet,—was könnte ich da nicht alles meinen? Die Regeln, die die Schachkonfiguration zu einer Situation eines Spiels machen; die besondern Erlebnisse, die wir mit solchen Spielstellungen verbinden; den Nutzen des Spiels. | Wenn ich aber ebenso von einem Etwas spräche, welches einer Konfiguration von Schachfiguren Bedeutung gibt, d. h., sie von einer beliebigen Zusammenstellung von Holzklötzchen unterscheidet,—was könnte ich da nicht alles meinen? Die Regeln, die die Schachkonfiguration zu einer Situation eines Spiels machen; die besondern Erlebnisse, die wir mit solchen Spielstellungen verbinden; den Nutzen des Spiels. | ||
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Oder wenn wir von einem Etwas sprachen, welches das Papiergeld von bloßen bedruckten Zetteln unterscheidet und ihm seine Bedeutung, sein Leben gibt! | Oder wenn wir von einem Etwas sprachen, welches das Papiergeld von bloßen bedruckten Zetteln unterscheidet und ihm seine Bedeutung, sein Leben gibt! | ||
144. Wie ein Wort verstanden wird, das sagen Worte allein nicht. (Theologie.) | '''144'''. Wie ein Wort verstanden wird, das sagen Worte allein nicht. (Theologie.) | ||
145. Es könnte auch eine Sprache geben, in deren Verwendung der Eindruck, den wir von den Zeichen erhalten, keine Rolle spielt; in der es ein Verstehen im Sinne eines solchen Eindrucks nicht gibt. Die Zeichen werden uns etwa geschrieben übermittelt, und wir können ''sie'' uns nun ''merken''. (D. h. der einzige Eindruck, von dem da die Rede ist, ist das Bild des Zeichens.) Wenn es nun ein Befehl ist, so übertragen wir nach Regeln, Tabellen, das Zeichen in Handlung. Zum Eindruck, ähnlich dem eines Bildes, kommt es nicht und man schreibt auch nicht Geschichten in dieser Sprache. | '''145'''. Es könnte auch eine Sprache geben, in deren Verwendung der Eindruck, den wir von den Zeichen erhalten, keine Rolle spielt; in der es ein Verstehen im Sinne eines solchen Eindrucks nicht gibt. Die Zeichen werden uns etwa geschrieben übermittelt, und wir können ''sie'' uns nun ''merken''. (D. h. der einzige Eindruck, von dem da die Rede ist, ist das Bild des Zeichens.) Wenn es nun ein Befehl ist, so übertragen wir nach Regeln, Tabellen, das Zeichen in Handlung. Zum Eindruck, ähnlich dem eines Bildes, kommt es nicht und man schreibt auch nicht Geschichten in dieser Sprache. | ||
146. In diesem Fall könnte man sagen: "Das Zeichen lebt nur im System." | '''146'''. In diesem Fall könnte man sagen: "Das Zeichen lebt nur im System." | ||
147. Es wäre natürlich auch denkbar, daß wir einen Satz der Wortsprache, um von ihm einen ''Eindruck'' zu erhalten, nach Regeln in ein gezeichnetes Bild übertragen müßten. (Daß erst dies Bild eine Seele hätte.) | '''147'''. Es wäre natürlich auch denkbar, daß wir einen Satz der Wortsprache, um von ihm einen ''Eindruck'' zu erhalten, nach Regeln in ein gezeichnetes Bild übertragen müßten. (Daß erst dies Bild eine Seele hätte.) | ||
148. Es wäre eine Sprache denkbar, in der die Bedeutungen von Worten nach bestimmten Regeln abwechselten, etwa: Vormittag heißt das Wort A dies, Nachmittag jenes. | '''148'''. Es wäre eine Sprache denkbar, in der die Bedeutungen von Worten nach bestimmten Regeln abwechselten, etwa: Vormittag heißt das Wort A dies, Nachmittag jenes. | ||
Oder eine Sprache, in der die Wörter sich täglich änderten, indem an jedem Tag jeder Buchstabe des vorigen Tages durch den nächsten im Alphabet (und z durch a) ersetzt würde. | Oder eine Sprache, in der die Wörter sich täglich änderten, indem an jedem Tag jeder Buchstabe des vorigen Tages durch den nächsten im Alphabet (und z durch a) ersetzt würde. | ||
149. Denke dir diese Sprache: Wörter und Grammatik sind die des Deutschen, aber die Wörter im Satz stehen in der entgegengesetzten Reihenfolge. Ein Satz dieser Sprache klingt also wie ein deutscher Satz, den man vom Schlußpunkt zum Anfang hin liest. Die Ausdrucksmöglichkeiten haben also die gleiche Mannigfaltigkeit, wie im Deutschen. Aber was wir als Satzklang kennen, ist vernichtet. | '''149'''. Denke dir diese Sprache: Wörter und Grammatik sind die des Deutschen, aber die Wörter im Satz stehen in der entgegengesetzten Reihenfolge. Ein Satz dieser Sprache klingt also wie ein deutscher Satz, den man vom Schlußpunkt zum Anfang hin liest. Die Ausdrucksmöglichkeiten haben also die gleiche Mannigfaltigkeit, wie im Deutschen. Aber was wir als Satzklang kennen, ist vernichtet. | ||
150. Jemand, der nicht Deutsch kann, hört mich bei gewissen Anlässen ausrufen: "Welch herrliche Beleuchtung!" Er errät den Sinn und gebraucht nun den Ausruf selber, wie ich es tue, ohne jedoch die drei Wörter zu verstehen. Versteht er den Ausruf? | '''150'''. Jemand, der nicht Deutsch kann, hört mich bei gewissen Anlässen ausrufen: "Welch herrliche Beleuchtung!" Er errät den Sinn und gebraucht nun den Ausruf selber, wie ich es tue, ohne jedoch die drei Wörter zu verstehen. Versteht er den Ausruf? | ||
151. Ich hatte mit Absicht ein Beispiel gewählt, in dem der Mensch einer Empfindung Ausdruck gibt. Denn in diesem Fall sagt man, Laute, die keiner Sprache angehören, seien voll von Bedeutung. | '''151'''. Ich hatte mit Absicht ein Beispiel gewählt, in dem der Mensch einer Empfindung Ausdruck gibt. Denn in diesem Fall sagt man, Laute, die keiner Sprache angehören, seien voll von Bedeutung. | ||
152. Wäre es ebenso leicht, sich den analogen Fall zu denken für diesen Satz: "Wenn der Zug nicht pünktlich um s Uhr ankommt, wird er den Anschluß versäumen"? Was hiebe es etwa in diesem Falle: den Sinn erraten? | '''152'''. Wäre es ebenso leicht, sich den analogen Fall zu denken für diesen Satz: "Wenn der Zug nicht pünktlich um s Uhr ankommt, wird er den Anschluß versäumen"? Was hiebe es etwa in diesem Falle: den Sinn erraten? | ||
153. Es stört uns gleichsam, daß der Gedanke eines Satzes in keinem Moment ganz vorhanden ist. Wir sehen ihn wie einen Gegenstand an, den wir erzeugen und nie ganz besitzen, denn kaum entsteht ein Teil, so verschwindet ein anderer. | '''153'''. Es stört uns gleichsam, daß der Gedanke eines Satzes in keinem Moment ganz vorhanden ist. Wir sehen ihn wie einen Gegenstand an, den wir erzeugen und nie ganz besitzen, denn kaum entsteht ein Teil, so verschwindet ein anderer. | ||
154. (Zu No. 150) Man kann sich leicht eine Sprache vorstellen, in der Menschen ein einziges Wort für jenen Ausruf benutzen. Aber wie wäre es mit einem Wort für den Satz "Wenn der Zug ...."? In was für einem Fall würden wir sagen, daß das Wort tatsächlich für diesen Satz steht? | '''154'''. (Zu No. 150) Man kann sich leicht eine Sprache vorstellen, in der Menschen ein einziges Wort für jenen Ausruf benutzen. Aber wie wäre es mit einem Wort für den Satz "Wenn der Zug ...."? In was für einem Fall würden wir sagen, daß das Wort tatsächlich für diesen Satz steht? | ||
Etwa in diesem: Die Leute benützten anfänglich einen Satz, wie den unsern; dann aber träten Umstände ein, in denen der Satz so häufig ausgesprochen werden müßte, daß sie ihn zu einem Wort zusammenzogen. Diese Leute könnten also noch das Wort durch den Satz erklären. | Etwa in diesem: Die Leute benützten anfänglich einen Satz, wie den unsern; dann aber träten Umstände ein, in denen der Satz so häufig ausgesprochen werden müßte, daß sie ihn zu einem Wort zusammenzogen. Diese Leute könnten also noch das Wort durch den Satz erklären. | ||
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Darum sind Sinn und Bedeutung vage Begriffe. | Darum sind Sinn und Bedeutung vage Begriffe. | ||
155. Worte eines Dichters können uns durch und durch gehen. Und das hängt ''kausal'' natürlich mit dem Gebrauch zusammen, den sie in unserm Leben haben. Und es hängt auch damit zusammen, daß wir, diesem Gebrauch gemäß, unsere Gedanken dorthin und dahin in die wohlbekannte Umgebung der Worte schweifen lassen. | '''155'''. Worte eines Dichters können uns durch und durch gehen. Und das hängt ''kausal'' natürlich mit dem Gebrauch zusammen, den sie in unserm Leben haben. Und es hängt auch damit zusammen, daß wir, diesem Gebrauch gemäß, unsere Gedanken dorthin und dahin in die wohlbekannte Umgebung der Worte schweifen lassen. | ||
156. Gibt es ''einen'' Unterschied der Bedeutung, der sich erklären läßt und einen, der in einer Erklärung nicht zu Tage tritt? | '''156'''. Gibt es ''einen'' Unterschied der Bedeutung, der sich erklären läßt und einen, der in einer Erklärung nicht zu Tage tritt? | ||
157. Der seelenvolle Ausdruck in der Musik,—er ist doch nicht nach Regeln zu erkennen. Und warum können wir uns nicht vorstellen, daß er's für andere Wesen wäre? | '''157'''. Der seelenvolle Ausdruck in der Musik,—er ist doch nicht nach Regeln zu erkennen. Und warum können wir uns nicht vorstellen, daß er's für andere Wesen wäre? | ||
158. Wenn dir plötzlich ein Thema, eine Wendung etwas sagt, so brauchst du dir's nicht erklären zu können. Es ist dir plötzlich auch ''diese'' Geste zugänglich. | '''158'''. Wenn dir plötzlich ein Thema, eine Wendung etwas sagt, so brauchst du dir's nicht erklären zu können. Es ist dir plötzlich auch ''diese'' Geste zugänglich. | ||
159. Du redest doch vom ''Versteben'' der Musik. Du verstehst sie doch, ''während'' du sie hörst! Sollen wir davon sagen, es sei ein Erlebnis, welches das Hören begleite? | '''159'''. Du redest doch vom ''Versteben'' der Musik. Du verstehst sie doch, ''während'' du sie hörst! Sollen wir davon sagen, es sei ein Erlebnis, welches das Hören begleite? | ||
160. Das Sprechen der Musik. Vergiß nicht, daß ein Gedicht, wenn auch in der Sprache der Mitteilung abgefaßt, nicht im Sprachspiel der Mitteilung verwendet wird. | '''160'''. Das Sprechen der Musik. Vergiß nicht, daß ein Gedicht, wenn auch in der Sprache der Mitteilung abgefaßt, nicht im Sprachspiel der Mitteilung verwendet wird. | ||
161. Könnte man sich nicht denken, daß einer, der Musik nie gekannt hat und zu uns kommt und jemanden einen nachdenklichen Chopin spielen hört, daß der überzeugt wäre, dies sei eine Sprache, und man wolle ihm nur den Sinn geheimhalten. | '''161'''. Könnte man sich nicht denken, daß einer, der Musik nie gekannt hat und zu uns kommt und jemanden einen nachdenklichen Chopin spielen hört, daß der überzeugt wäre, dies sei eine Sprache, und man wolle ihm nur den Sinn geheimhalten. | ||
In der Wortsprache ist ein starkes musikalisches Element. (Ein Seufzer, der Tonfall der Frage, der Verkündigung, der Sehnsucht, alle die unzähligen ''Gesten'' des Tonfalls.) | In der Wortsprache ist ein starkes musikalisches Element. (Ein Seufzer, der Tonfall der Frage, der Verkündigung, der Sehnsucht, alle die unzähligen ''Gesten'' des Tonfalls.) | ||
162. Wenn ich aber eine Melodie mit Verständnis höre, geht da nicht etwas Besonderes in mir vor—was nicht vorgeht, wenn ich sie verständnislos höre? Und ''was''?—Es kommt keine Antwort; oder was mir einfällt, ist abgeschmackt. Ich kann wohl sagen: "Jetzt habe ich sie verstanden" und nun etwa über sie reden, sie spielen, sie mit andern vergleichen etc. ''Zeichen'' des Verständnisses mögen das Hören begleiten. | '''162'''. Wenn ich aber eine Melodie mit Verständnis höre, geht da nicht etwas Besonderes in mir vor—was nicht vorgeht, wenn ich sie verständnislos höre? Und ''was''?—Es kommt keine Antwort; oder was mir einfällt, ist abgeschmackt. Ich kann wohl sagen: "Jetzt habe ich sie verstanden" und nun etwa über sie reden, sie spielen, sie mit andern vergleichen etc. ''Zeichen'' des Verständnisses mögen das Hören begleiten. | ||
163. Es ist falsch, das Verstehen einen Vorgang zu nennen, der das Hören begleitet. (Man könnte ja auch die Äußerung davon, das ausdrucksvolle Spiel, nicht eine Begleitung des Hörens nennen.) | '''163'''. Es ist falsch, das Verstehen einen Vorgang zu nennen, der das Hören begleitet. (Man könnte ja auch die Äußerung davon, das ausdrucksvolle Spiel, nicht eine Begleitung des Hörens nennen.) | ||
164. Denn wie läßt sich erklären, was 'ausdrucksvolles Spiel' ist? Gewiß nicht durch etwas, was das Spiel begleitet.—Was gehört also dazu? Eine Kultur, möchte man sagen.—Wer in einer bestimmten Kultur erzogen ist,—dann auf Musik so und so reagiert, dem wird man den Gebrauch des Wortes "ausdrucksvolles Spiel" beibringen können. | '''164'''. Denn wie läßt sich erklären, was 'ausdrucksvolles Spiel' ist? Gewiß nicht durch etwas, was das Spiel begleitet.—Was gehört also dazu? Eine Kultur, möchte man sagen.—Wer in einer bestimmten Kultur erzogen ist,—dann auf Musik so und so reagiert, dem wird man den Gebrauch des Wortes "ausdrucksvolles Spiel" beibringen können. | ||
165. Das Verstehen der Musik ist weder eine Empfindung, noch eine Summe von Empfindungen. Es ein Erlebnis zu nennen, ist aber dennoch insofern richtig, als ''dieser'' Begriff des Verstehens manche Verwandtschaften mit andern Erlebnisbegriffen hat. Man sagt "Ich habe diese Stelle diesmal ganz anders erlebt". Aber doch sagt dieser Ausdruck '''was geschah''<nowiki/>' nur für den, der in einer besonderen, diesen Situationen angehörigen Begriffswelt zu Hause ist. (Analogie: "Ich habe die Partie gewonnen".) | '''165'''. Das Verstehen der Musik ist weder eine Empfindung, noch eine Summe von Empfindungen. Es ein Erlebnis zu nennen, ist aber dennoch insofern richtig, als ''dieser'' Begriff des Verstehens manche Verwandtschaften mit andern Erlebnisbegriffen hat. Man sagt "Ich habe diese Stelle diesmal ganz anders erlebt". Aber doch sagt dieser Ausdruck '''was geschah''<nowiki/>' nur für den, der in einer besonderen, diesen Situationen angehörigen Begriffswelt zu Hause ist. (Analogie: "Ich habe die Partie gewonnen".) | ||
166. Beim Lesen schwebt mir ''das'' vor. So geht also etwas beim Lesen vor sich .... ?—Diese Frage führt ja nicht weiter. | '''166'''. Beim Lesen schwebt mir ''das'' vor. So geht also etwas beim Lesen vor sich .... ?—Diese Frage führt ja nicht weiter. | ||
167. Wie kann mir doch das vorschweben?—Nicht in den Dimensionen, an die du denkst. | '''167'''. Wie kann mir doch das vorschweben?—Nicht in den Dimensionen, an die du denkst. | ||
168. Wie weiß ich, daß einer entzückt ist? Wie lernt man den sprachlichen Ausdruck des Entzückens? Woran knüpft er sich? An den Ausdruck von Körperempfindungen? Fragen wir einen, was er in der Brust, in den Gesichtsmuskeln spürt um herauszufinden, ob er Genuß empfindet? | '''168'''. Wie weiß ich, daß einer entzückt ist? Wie lernt man den sprachlichen Ausdruck des Entzückens? Woran knüpft er sich? An den Ausdruck von Körperempfindungen? Fragen wir einen, was er in der Brust, in den Gesichtsmuskeln spürt um herauszufinden, ob er Genuß empfindet? | ||
169. Heißt das aber, es gäbe nicht Empfindungen, die oft beim Genießen der Musik wiederkehren? Durchaus nicht. | '''169'''. Heißt das aber, es gäbe nicht Empfindungen, die oft beim Genießen der Musik wiederkehren? Durchaus nicht. | ||
170. Ein Gedicht macht uns beim Lesen einen Eindruck. "Fühlst du dasselbe, während du es liest, wie wenn du etwas Gleichgültiges liest?"—Wie habe ich auf diese Frage antworten gelernt? Ich werde vielleicht sagen: "Natürlich nicht!"—was soviel heißt, wie: mich ergreift ''dies'', und das Andere nicht. | '''170'''. Ein Gedicht macht uns beim Lesen einen Eindruck. "Fühlst du dasselbe, während du es liest, wie wenn du etwas Gleichgültiges liest?"—Wie habe ich auf diese Frage antworten gelernt? Ich werde vielleicht sagen: "Natürlich nicht!"—was soviel heißt, wie: mich ergreift ''dies'', und das Andere nicht. | ||
"Ich erlebe dabei etwas Anderes."—Und welcher Art ist dies?—Ich kann nichts Befriedigendes antworten. Denn, was ich angebe, ist nicht das Wichtigste.—"Hast du aber nicht ''während'' des Lesens genossen?" Freilich——denn die entgegengesetzte Antwort hieße: ich hätte es früher oder später genossen, und das will ich nicht sagen. | "Ich erlebe dabei etwas Anderes."—Und welcher Art ist dies?—Ich kann nichts Befriedigendes antworten. Denn, was ich angebe, ist nicht das Wichtigste.—"Hast du aber nicht ''während'' des Lesens genossen?" Freilich——denn die entgegengesetzte Antwort hieße: ich hätte es früher oder später genossen, und das will ich nicht sagen. | ||
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Du mußt dich doch fragen, wie haben wir den Ausdruck "Ist das nicht herrlich!" überhaupt gelernt?—Niemand erklärte ihn uns, indem er sich auf Empfindungen, Vorstellungen oder Gedanken bezog, die das Hören begleiten! Ja, wir würden nicht bezweifeln, daß er's genossen hat, wenn er keine solchen Erlebnisse anzugeben wüßte; wohl aber, wenn es sich zeigte, daß er gewisse Zusammenhänge nicht versteht. | Du mußt dich doch fragen, wie haben wir den Ausdruck "Ist das nicht herrlich!" überhaupt gelernt?—Niemand erklärte ihn uns, indem er sich auf Empfindungen, Vorstellungen oder Gedanken bezog, die das Hören begleiten! Ja, wir würden nicht bezweifeln, daß er's genossen hat, wenn er keine solchen Erlebnisse anzugeben wüßte; wohl aber, wenn es sich zeigte, daß er gewisse Zusammenhänge nicht versteht. | ||
171. Aber zeigt sich das Verständnis nicht z. B. darin, mit welchem Ausdruck einer das Gedicht liest, die Melodic singt? Gewiß. Aber was ist nun hier das Erlebnis während des Lesens? Da müßte man ja sagen: der genieße und verstehe es, der es gut gelesen hört oder in den Sprechorganen fühlt. | '''171'''. Aber zeigt sich das Verständnis nicht z. B. darin, mit welchem Ausdruck einer das Gedicht liest, die Melodic singt? Gewiß. Aber was ist nun hier das Erlebnis während des Lesens? Da müßte man ja sagen: der genieße und verstehe es, der es gut gelesen hört oder in den Sprechorganen fühlt. | ||
172. Man kann auch vom Verstehen einer musikalischen Phrase sagen, es sei das Verstehen einer ''Sprache''. | '''172'''. Man kann auch vom Verstehen einer musikalischen Phrase sagen, es sei das Verstehen einer ''Sprache''. | ||
173. Ich denke an eine ganz kurze von nur zwei Takten. Du sagst "Was liegt nicht alles in ihr!" Aber es ist nur sozusagen cine optische Täuschung, wenn du denkst, beim Hören gehe vor, was in ihr liegt. ("Es kommt drauf an, ''wer's'' sagt".) (Nur in dem Fluß der Gedanken und des Lebens haben die Worte Bedeutung.) | '''173'''. Ich denke an eine ganz kurze von nur zwei Takten. Du sagst "Was liegt nicht alles in ihr!" Aber es ist nur sozusagen cine optische Täuschung, wenn du denkst, beim Hören gehe vor, was in ihr liegt. ("Es kommt drauf an, ''wer's'' sagt".) (Nur in dem Fluß der Gedanken und des Lebens haben die Worte Bedeutung.) | ||
174. Nicht ''das'' enthält die Täuschung: “''Jetzt'' habe ich's verstanden”—und nun folgt vielleicht eine lange Erklärung dessen, was ich verstanden habe. | '''174'''. Nicht ''das'' enthält die Täuschung: “''Jetzt'' habe ich's verstanden”—und nun folgt vielleicht eine lange Erklärung dessen, was ich verstanden habe. | ||
175. Weist das Thema auf nichts außer sich? Oh ja! Das heißt aber:—Der Eindruck, den es mir macht, hängt mit Dingen in seiner Umgebung zusammen—z. B. mit unserer Sprache und ihrer Intonation, also mit dem ganzen Feld unserer Sprachspiele. | '''175'''. Weist das Thema auf nichts außer sich? Oh ja! Das heißt aber:—Der Eindruck, den es mir macht, hängt mit Dingen in seiner Umgebung zusammen—z. B. mit unserer Sprache und ihrer Intonation, also mit dem ganzen Feld unserer Sprachspiele. | ||
Wenn ich z. B. sage: Es ist, als ob hier ein Schluß gezogen würde oder, als ob hier etwas bekräftigt würde oder, als ob ''dies'' eine Antwort auf das Frühere wäre,—so setzt mein Verständnis eben die Vertrautheit mit Schlüssen, Bekräftigungen, Antworten voraus. | Wenn ich z. B. sage: Es ist, als ob hier ein Schluß gezogen würde oder, als ob hier etwas bekräftigt würde oder, als ob ''dies'' eine Antwort auf das Frühere wäre,—so setzt mein Verständnis eben die Vertrautheit mit Schlüssen, Bekräftigungen, Antworten voraus. | ||
176. Die Worte "Gottlob! Noch etwas Weniges hat man geflüchtet—vor den Fingern der Kroaten", mit ihrem Ton und Blick, scheinen allerdings schon jede Nuance ihrer Bedeutung in sich zu tragen. Nur darum aber, weil wir sie als Teil einer bestimmten Szene kennen. Man könnte aber eine ganz andere Szene um diese Worte (im gleichen Tone gesprochen bauen um zu zeigen, wie ihre besondere Seele in der Geschichte liegt, zu der sie gehören. | '''176'''. Die Worte "Gottlob! Noch etwas Weniges hat man geflüchtet—vor den Fingern der Kroaten", mit ihrem Ton und Blick, scheinen allerdings schon jede Nuance ihrer Bedeutung in sich zu tragen. Nur darum aber, weil wir sie als Teil einer bestimmten Szene kennen. Man könnte aber eine ganz andere Szene um diese Worte (im gleichen Tone gesprochen bauen um zu zeigen, wie ihre besondere Seele in der Geschichte liegt, zu der sie gehören. | ||
177. Wenn ich einen mit verbannender Gebärde sagen höre "Weichel", erlebe ich hier die Bedeutung des Wortes, wie in dem Spiel, wenn ich mir's für mich vorsage und es einmal ''so'' und einmal ''so'' 'meine?—Denn er konnte ja auch sagen "Weiche von mir", und dann erlebte ich vielleicht die ganze Phrase so und so; aber auch das einzelne Wort? Die ergänzenden Worte waren es vielleicht, die mir den Eindruck machten. | '''177'''. Wenn ich einen mit verbannender Gebärde sagen höre "Weichel", erlebe ich hier die Bedeutung des Wortes, wie in dem Spiel, wenn ich mir's für mich vorsage und es einmal ''so'' und einmal ''so'' 'meine?—Denn er konnte ja auch sagen "Weiche von mir", und dann erlebte ich vielleicht die ganze Phrase so und so; aber auch das einzelne Wort? Die ergänzenden Worte waren es vielleicht, die mir den Eindruck machten. | ||
178. Das besondere Erlebnis der Bedeutung ist charakterisiert dadurch, daß wir mit einer Erklärung und der Vergangenheitsform reagieren: gerade so, als erklärten wir die Bedeutung eines Worts für praktische Zwecke. | '''178'''. Das besondere Erlebnis der Bedeutung ist charakterisiert dadurch, daß wir mit einer Erklärung und der Vergangenheitsform reagieren: gerade so, als erklärten wir die Bedeutung eines Worts für praktische Zwecke. | ||
179. ''Vergiß'', vergiß, daß du diese Erlebnisse selber hast! | '''179'''. ''Vergiß'', vergiß, daß du diese Erlebnisse selber hast! | ||
180. Wie konnte er das Wort in der Bedeutung hören? Wie war es möglich?! Gar nicht——in ''diesen'' Dimensionen.—— | '''180'''. Wie konnte er das Wort in der Bedeutung hören? Wie war es möglich?! Gar nicht——in ''diesen'' Dimensionen.—— | ||
181. Aber ist es also nicht wahr, daß das Wort für mich jetzt das bedeutet? Warum nicht? Es kommt ja dieser Sinn mit der übrigen Verwendung des Wortes nicht in Konflikt. | '''181'''. Aber ist es also nicht wahr, daß das Wort für mich jetzt das bedeutet? Warum nicht? Es kommt ja dieser Sinn mit der übrigen Verwendung des Wortes nicht in Konflikt. | ||
Es sagt einer: "Gib ihm die Nachricht .... und ''meine'' damit ....!"——Was wäre der Sinn dieses Befehls? | Es sagt einer: "Gib ihm die Nachricht .... und ''meine'' damit ....!"——Was wäre der Sinn dieses Befehls? | ||
182. "Als ich das Wort jetzt aussprach, bedeutete es für mich....". Warum sollte das nicht einfach Wahnsinn sein? Weil ''ich'' das erlebte? Das ist kein Grund. | '''182'''. "Als ich das Wort jetzt aussprach, bedeutete es für mich....". Warum sollte das nicht einfach Wahnsinn sein? Weil ''ich'' das erlebte? Das ist kein Grund. | ||
183. Der, den ich bedeutungsblind nenne, wird wohl den Auftrag verstehen: "Sag ihm, er solle zur Bank gehen,—ich meine die Gartenbank", aber nicht: "Sag das Wort Bank und meine damit Gartenbank". Welche Formen geistiger Defekte bei Menschen vorgefunden werden, kümmert diese Untersuchung nicht; wohl aber die Möglichkeit solcher Formen. Nicht, ob es Menschen gibt, die eines Gedankens vom Typus "Ich wollte damals ...." nicht fähig sind,—sondern wie der Begriff so eines Defekts durchzuführen wäre, interessiert uns. | '''183'''. Der, den ich bedeutungsblind nenne, wird wohl den Auftrag verstehen: "Sag ihm, er solle zur Bank gehen,—ich meine die Gartenbank", aber nicht: "Sag das Wort Bank und meine damit Gartenbank". Welche Formen geistiger Defekte bei Menschen vorgefunden werden, kümmert diese Untersuchung nicht; wohl aber die Möglichkeit solcher Formen. Nicht, ob es Menschen gibt, die eines Gedankens vom Typus "Ich wollte damals ...." nicht fähig sind,—sondern wie der Begriff so eines Defekts durchzuführen wäre, interessiert uns. | ||
Wenn du annimmst, daß einer ''das'' nicht kann, wie ist es dann mit ''dem''? Soll er es auch nicht können?—Wohin führt uns dieser Begriff? Denn wir haben ja hier Paradigmen. | Wenn du annimmst, daß einer ''das'' nicht kann, wie ist es dann mit ''dem''? Soll er es auch nicht können?—Wohin führt uns dieser Begriff? Denn wir haben ja hier Paradigmen. | ||
184. Verschiedene Menschen empfinden es sehr verschieden stark, wenn die Rechtschreibung eines Worts geändert wird. Und die Empfindung ist nicht nur Pietät für einen alten Gebrauch.—Wem die Orthographie nur eine praktische Frage ist, dem geht ein Gefühl ab, nicht unähnlich dem, welches einem "Bedeutungsblinden" mangeln würde. (Goethe über Personennamen. Die Nummer des Gefangenen.) | '''184'''. Verschiedene Menschen empfinden es sehr verschieden stark, wenn die Rechtschreibung eines Worts geändert wird. Und die Empfindung ist nicht nur Pietät für einen alten Gebrauch.—Wem die Orthographie nur eine praktische Frage ist, dem geht ein Gefühl ab, nicht unähnlich dem, welches einem "Bedeutungsblinden" mangeln würde. (Goethe über Personennamen. Die Nummer des Gefangenen.) | ||
185. Wie mancher auch die Frage nicht versteht "Welche Farbe hat für dich der Vokal ''a''?"—Wenn einer sie nicht verstunde, wenn er erklärte, sie sei Unsinn,—könnten wir sagen, er verstehe nicht deutsch, oder nicht die Bedeutungen der Wörter "Farbe", "Vokal”, etc.? | '''185'''. Wie mancher auch die Frage nicht versteht "Welche Farbe hat für dich der Vokal ''a''?"—Wenn einer sie nicht verstunde, wenn er erklärte, sie sei Unsinn,—könnten wir sagen, er verstehe nicht deutsch, oder nicht die Bedeutungen der Wörter "Farbe", "Vokal”, etc.? | ||
Im Gegenteil: Wenn er diese Worte verstehen gelernt hat, dann kann er auch auf jene Fragen 'mit Verständnis' oder 'ohne Verständnis' reagieren. | Im Gegenteil: Wenn er diese Worte verstehen gelernt hat, dann kann er auch auf jene Fragen 'mit Verständnis' oder 'ohne Verständnis' reagieren. | ||
186. Mißverständnis—Unverständnis. Verständnis wird durch Erklärung bewirkt; aber auch durch Abrichtung. | '''186'''. Mißverständnis—Unverständnis. Verständnis wird durch Erklärung bewirkt; aber auch durch Abrichtung. | ||
187. Warum kann man einer Katze nicht das Apportieren beibringen? Versteht sie nicht, was man will? Und worin besteht hier Verstehen und Unverständnis ? | '''187'''. Warum kann man einer Katze nicht das Apportieren beibringen? Versteht sie nicht, was man will? Und worin besteht hier Verstehen und Unverständnis ? | ||
188. "Ich lese jedes Wort mit dem ihm entsprechenden Gefühl. Das Wort aber z. B. mit dem Abergefühl—u.s.w."——Und selbst wenn das wahr ist,—was bedeutet es eigentlich? Was ist die Logik des Begriffs 'Abergefühl'?—Es wird ja nicht ein Gefühl dadurch, daß ich es "Gefühl" nenne. | '''188'''. "Ich lese jedes Wort mit dem ihm entsprechenden Gefühl. Das Wort aber z. B. mit dem Abergefühl—u.s.w."——Und selbst wenn das wahr ist,—was bedeutet es eigentlich? Was ist die Logik des Begriffs 'Abergefühl'?—Es wird ja nicht ein Gefühl dadurch, daß ich es "Gefühl" nenne. | ||
189. Ist Lügen ein bestimmtes Erlebnis? Nun, kann ich denn jemandem sagen "Ich werde dich jetzt anlügen" und es dann tun? | '''189'''. Ist Lügen ein bestimmtes Erlebnis? Nun, kann ich denn jemandem sagen "Ich werde dich jetzt anlügen" und es dann tun? | ||
190. Inwiefern ist mir die Lüge bewußt, während ich lüge? Nur insofern, als sie mir nicht später erst zum Bewußtsein kommt, und ich doch später weiß, daß ich gelogen habe. Das Sich-der-Lüge-bewußt-sein ist ein ''Können''. Dem widerspricht nicht, daß es charakteristische Gefühle des Lügens gibt. [''Randbemerkung:'' Absicht.] | '''190'''. Inwiefern ist mir die Lüge bewußt, während ich lüge? Nur insofern, als sie mir nicht später erst zum Bewußtsein kommt, und ich doch später weiß, daß ich gelogen habe. Das Sich-der-Lüge-bewußt-sein ist ein ''Können''. Dem widerspricht nicht, daß es charakteristische Gefühle des Lügens gibt. [''Randbemerkung:'' Absicht.] | ||
191. Das Wissen wird eben nicht in Worte ''übersetzt'', wenn es sich äußert. Die Worte sind keine Übersetzung eines Andern, welches vor ihnen da war, | '''191'''. Das Wissen wird eben nicht in Worte ''übersetzt'', wenn es sich äußert. Die Worte sind keine Übersetzung eines Andern, welches vor ihnen da war, | ||
192. "Sich etwas vornehmen, ist ein besonderer innerer Vorgang."—Aber was für ein Vorgang—auch wenn du ihn erdichten dürftest—könnte denn das leisten, was wir vom Vorsatz fordern? | '''192'''. "Sich etwas vornehmen, ist ein besonderer innerer Vorgang."—Aber was für ein Vorgang—auch wenn du ihn erdichten dürftest—könnte denn das leisten, was wir vom Vorsatz fordern? | ||
193. Ist es nicht genau so mit dem Verbum "verstehen"? Es erklärt mir jemand die Route, die ich dort und dorthin zu nehmen habe. Er fragt "Hast du mich verstanden?" Ich antworte "Ich hab's verstanden."—Will ich ihm mitteilen, was in mir während seiner Erklärung vorging?—Und doch liebe sich auch das mitteilen. | '''193'''. Ist es nicht genau so mit dem Verbum "verstehen"? Es erklärt mir jemand die Route, die ich dort und dorthin zu nehmen habe. Er fragt "Hast du mich verstanden?" Ich antworte "Ich hab's verstanden."—Will ich ihm mitteilen, was in mir während seiner Erklärung vorging?—Und doch liebe sich auch das mitteilen. | ||
194. Denk dir dieses Spiel: Eine Liste von Wörtern verschiedener Sprachen und von sinnlosen Lautreihen wird mir vorgelesen. Ich soll nach jedem sagen, ob ich es verstehe oder nicht; auch, was beim Verstehen oder Nichtverstehen in mir vorging.—Auf das Wort "Baum" werde ich, ohne mich zu bedenken, mit "ja" antworten (ein Bild mag mir dabei vorschweben); auf eine Lautzusammenstellung, die ich noch nie gehört habe, antworte ich ebenso unbedenklich mit "nein". Bei Wörtern, die einen speziellen Farbton bezeichnen, wird häufig ein Vorstellen der Antwort vorhergehen; bei seltenen Wörtern ("Kontinuum" etwa) ein Uberlegen; bei Wörtern, wie der Artikel "das etwa ein Achselzucken; Wörter einer fremden Sprache werde ich ''manchmal'' ins Deutsche Übersetzen; schweben mir Bilder vor, so sind es manchmal die der Gegenstände, die von den Worten bezeichnet werden (wieder tausenderlei Fälle), manchmal andere Bilder. | '''194'''. Denk dir dieses Spiel: Eine Liste von Wörtern verschiedener Sprachen und von sinnlosen Lautreihen wird mir vorgelesen. Ich soll nach jedem sagen, ob ich es verstehe oder nicht; auch, was beim Verstehen oder Nichtverstehen in mir vorging.—Auf das Wort "Baum" werde ich, ohne mich zu bedenken, mit "ja" antworten (ein Bild mag mir dabei vorschweben); auf eine Lautzusammenstellung, die ich noch nie gehört habe, antworte ich ebenso unbedenklich mit "nein". Bei Wörtern, die einen speziellen Farbton bezeichnen, wird häufig ein Vorstellen der Antwort vorhergehen; bei seltenen Wörtern ("Kontinuum" etwa) ein Uberlegen; bei Wörtern, wie der Artikel "das etwa ein Achselzucken; Wörter einer fremden Sprache werde ich ''manchmal'' ins Deutsche Übersetzen; schweben mir Bilder vor, so sind es manchmal die der Gegenstände, die von den Worten bezeichnet werden (wieder tausenderlei Fälle), manchmal andere Bilder. | ||
Dies Spiel könnte man durch eines ergänzen, in welchem ciner die Namen von ''Tätigkeiten'' nennt und bei jeder fragt: "Kannst du das?"—Das Subjekt soll angeben, welche Gründe es hatte, die Frage mit "ja" oder "nein" zu beantworten. | Dies Spiel könnte man durch eines ergänzen, in welchem ciner die Namen von ''Tätigkeiten'' nennt und bei jeder fragt: "Kannst du das?"—Das Subjekt soll angeben, welche Gründe es hatte, die Frage mit "ja" oder "nein" zu beantworten. | ||
195. Denken wir uns eine Art Vexierbild, worin nicht ''ein'' bestimmter Gegenstand aufzufinden ist, sondern das uns auf den ersten Blick als ein Gewirr nichtssagender Striche erscheint und nach einigem Suchen erst als, sagen wir, ein Landschaftsbild.—Worin besteht der Unterschied zwischen dem Anblick des Bildes vor und nach der Lösung? Daß wir es beide Male anders sehen, ist klar. In wiefern aber kann man nach der Auflösung sagen, jetzt sage uns das Bild etwas, früher habe es uns nichts gesagt? | '''195'''. Denken wir uns eine Art Vexierbild, worin nicht ''ein'' bestimmter Gegenstand aufzufinden ist, sondern das uns auf den ersten Blick als ein Gewirr nichtssagender Striche erscheint und nach einigem Suchen erst als, sagen wir, ein Landschaftsbild.—Worin besteht der Unterschied zwischen dem Anblick des Bildes vor und nach der Lösung? Daß wir es beide Male anders sehen, ist klar. In wiefern aber kann man nach der Auflösung sagen, jetzt sage uns das Bild etwas, früher habe es uns nichts gesagt? | ||
196. Wir können diese Frage auch so stellen: Was ist das allgemeine Charakteristikum dafür, daß die Lösung gefunden ist? | '''196'''. Wir können diese Frage auch so stellen: Was ist das allgemeine Charakteristikum dafür, daß die Lösung gefunden ist? | ||
197. Ich will annehmen, daß ich, sobald es gelöst ist, die Lösung dadurch kenntlich mache, daß ich gewisse Striche des Bildes stark nachziehe und etwa Schatten eintrage. Warum nennst du nun das Bild, was du eingezeichnet hast, eine Auflösung? | '''197'''. Ich will annehmen, daß ich, sobald es gelöst ist, die Lösung dadurch kenntlich mache, daß ich gewisse Striche des Bildes stark nachziehe und etwa Schatten eintrage. Warum nennst du nun das Bild, was du eingezeichnet hast, eine Auflösung? | ||
:(a) Weil es die klare Darstellung einer Gruppe räumlicher Gegenstände ist. | :(a) Weil es die klare Darstellung einer Gruppe räumlicher Gegenstände ist. | ||
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(Wer nicht versteht, warum wir über diese Dinge reden, muß, was wir sagen, als leere Spielerei empfinden.) | (Wer nicht versteht, warum wir über diese Dinge reden, muß, was wir sagen, als leere Spielerei empfinden.) | ||
198. Kann ich mir den Eindruck der Bekanntschaft wegdenken, wo er ist; und hinzudenken, wo er nicht ist? Und was heißt das? Ich sehe z. B. das Gesicht eines Freundes an und frage mich: Wie schaut dieses Gesicht aus, wenn ich es als ein mir fremdes Gesicht sche (als sähe ich es etwa jetzt zum erstenmal)? Was bleibt sozusagen von dem Anblick des Gesichts, wenn ich den Eindruck der Bekanntheit wegdenke, abziehe? Hier bin ich nun geneigt zu sagen: "Es ist ''sehr schwer'', die Bekanntheit von dem Eindruck des Gesichts zu trennen." Aber ich fühle auch, daß das eine schlechte Ausdrucksweise ist. Ich weiß nämlich gar nicht, wie ich es auch nur versuchen soll, diese beiden zu trennen. Der Ausdruck "sie trennen" hat für mich gar keinen klaren Sinn. | '''198'''. Kann ich mir den Eindruck der Bekanntschaft wegdenken, wo er ist; und hinzudenken, wo er nicht ist? Und was heißt das? Ich sehe z. B. das Gesicht eines Freundes an und frage mich: Wie schaut dieses Gesicht aus, wenn ich es als ein mir fremdes Gesicht sche (als sähe ich es etwa jetzt zum erstenmal)? Was bleibt sozusagen von dem Anblick des Gesichts, wenn ich den Eindruck der Bekanntheit wegdenke, abziehe? Hier bin ich nun geneigt zu sagen: "Es ist ''sehr schwer'', die Bekanntheit von dem Eindruck des Gesichts zu trennen." Aber ich fühle auch, daß das eine schlechte Ausdrucksweise ist. Ich weiß nämlich gar nicht, wie ich es auch nur versuchen soll, diese beiden zu trennen. Der Ausdruck "sie trennen" hat für mich gar keinen klaren Sinn. | ||
Ich weiß, was ''es heißt'': "Stell dir diesen Tisch schwarz vor statt braun." Dem entspricht: "Male diesen Tisch, aber schwarz statt braun". | Ich weiß, was ''es heißt'': "Stell dir diesen Tisch schwarz vor statt braun." Dem entspricht: "Male diesen Tisch, aber schwarz statt braun". | ||
199. Wie, wenn man sagte: "Denke dir diesen Schmetterling genau so wie er ist, aber häblich statt schön"?! | '''199'''. Wie, wenn man sagte: "Denke dir diesen Schmetterling genau so wie er ist, aber häblich statt schön"?! | ||
200. ''Wir'' haben in diesem Fall nicht ''bestimmt'', was es heißen soll, sich die Wohlbekanntheit wegzudenken. | '''200'''. ''Wir'' haben in diesem Fall nicht ''bestimmt'', was es heißen soll, sich die Wohlbekanntheit wegzudenken. | ||
Es könnte etwa heißen, sich des Eindrucks entsinnen, den ich hatte, als ich das Gesicht zum ersten Male sah. | Es könnte etwa heißen, sich des Eindrucks entsinnen, den ich hatte, als ich das Gesicht zum ersten Male sah. |