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'''164'''. Denn wie läßt sich erklären, was 'ausdrucksvolles Spiel' ist? Gewiß nicht durch etwas, was das Spiel begleitet.—Was gehört also dazu? Eine Kultur, möchte man sagen.—Wer in einer bestimmten Kultur erzogen ist,—dann auf Musik so und so reagiert, dem wird man den Gebrauch des Wortes "ausdrucksvolles Spiel" beibringen können. | '''164'''. Denn wie läßt sich erklären, was 'ausdrucksvolles Spiel' ist? Gewiß nicht durch etwas, was das Spiel begleitet.—Was gehört also dazu? Eine Kultur, möchte man sagen.—Wer in einer bestimmten Kultur erzogen ist,—dann auf Musik so und so reagiert, dem wird man den Gebrauch des Wortes "ausdrucksvolles Spiel" beibringen können. | ||
'''165'''. Das Verstehen der Musik ist weder eine Empfindung, noch eine Summe von Empfindungen. Es ein Erlebnis zu nennen, ist aber dennoch insofern richtig, als ''dieser'' Begriff des Verstehens manche Verwandtschaften mit andern Erlebnisbegriffen hat. Man sagt "Ich habe diese Stelle diesmal ganz anders erlebt". Aber doch sagt dieser Ausdruck '''was geschah'' | '''165'''. Das Verstehen der Musik ist weder eine Empfindung, noch eine Summe von Empfindungen. Es ein Erlebnis zu nennen, ist aber dennoch insofern richtig, als ''dieser'' Begriff des Verstehens manche Verwandtschaften mit andern Erlebnisbegriffen hat. Man sagt "Ich habe diese Stelle diesmal ganz anders erlebt". Aber doch sagt dieser Ausdruck '<nowiki/>''was geschah''' nur für den, der in einer besonderen, diesen Situationen angehörigen Begriffswelt zu Hause ist. (Analogie: "Ich habe die Partie gewonnen".) | ||
'''166'''. Beim Lesen schwebt mir ''das'' vor. So geht also etwas beim Lesen vor sich .... ?—Diese Frage führt ja nicht weiter. | '''166'''. Beim Lesen schwebt mir ''das'' vor. So geht also etwas beim Lesen vor sich ....?—Diese Frage führt ja nicht weiter. | ||
'''167'''. Wie kann mir doch das vorschweben?—Nicht in den Dimensionen, an die du denkst. | '''167'''. Wie kann mir doch das vorschweben?—Nicht in den Dimensionen, an die du denkst. | ||
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Es könnte etwa heißen, sich des Eindrucks entsinnen, den ich hatte, als ich das Gesicht zum ersten Male sah. | Es könnte etwa heißen, sich des Eindrucks entsinnen, den ich hatte, als ich das Gesicht zum ersten Male sah. | ||
201. Die zeichnerische Darstellung des Innern eines Radio empfängers wird für den, der keine Kunde von solchen Dingen hat, Gewirr sinnloser Striche sein. Hat er aber den Apparat und seine Funktion kennengelernt, so wird jene Zeichnung für ihn ein sinnvolles Bild sein. | '''201'''. Die zeichnerische Darstellung des Innern eines Radio empfängers wird für den, der keine Kunde von solchen Dingen hat, Gewirr sinnloser Striche sein. Hat er aber den Apparat und seine Funktion kennengelernt, so wird jene Zeichnung für ihn ein sinnvolles Bild sein. | ||
Gegeben nun irgend eine mir jetzt sinnlose körperliche Gestalt (etwa im Bild)—kann ich nach Belieben sie sinnvoll vorstellen? Das wäre, als fragte man: Kann ich mir einen beliebig geformten Gegenstand als Gebrauchsgegenstand vorstellen? Aber für welchen Gebrauch? | Gegeben nun irgend eine mir jetzt sinnlose körperliche Gestalt (etwa im Bild)—kann ich nach Belieben sie sinnvoll vorstellen? Das wäre, als fragte man: Kann ich mir einen beliebig geformten Gegenstand als Gebrauchsgegenstand vorstellen? Aber für welchen Gebrauch? | ||
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Man könnte eine Klasse von Körperformen sich methodisch als Wohnungen von Tieren oder Menschen denken. Eine andere Klasse als Waffen. Eine etwa als Modelle von Landschaften. Etc. etc. Und hier weiß ich also, wie ich einer sinnlosen Form Sinn andichten kann. | Man könnte eine Klasse von Körperformen sich methodisch als Wohnungen von Tieren oder Menschen denken. Eine andere Klasse als Waffen. Eine etwa als Modelle von Landschaften. Etc. etc. Und hier weiß ich also, wie ich einer sinnlosen Form Sinn andichten kann. | ||
202. Überlege wohl, wie wir das Wort "erkennen" benützen! Ich erkenne die Möbel in meinem Zimmer, meinen Freund, den ich täglich sehe. Aber kein 'Wiedererkennen spielt sich ab'. | '''202'''. Überlege wohl, wie wir das Wort "erkennen" benützen! Ich erkenne die Möbel in meinem Zimmer, meinen Freund, den ich täglich sehe. Aber kein 'Wiedererkennen spielt sich ab'. | ||
203. Man könnte sagen: Ich hätte keinen Eindruck von dem Zimmer als Ganzes, könnte ich nicht meinen Blick schnell in ihm dahin und dorthin schweifen lassen und mich nicht frei in ihm herumbewegen. (Stream of thought.) Aber nun ist die Frage, wie manifestiert es sich, daß ich 'von ihm als Ganzes einen Eindruck habe'? Z. B. in der Selbstverständlichkeit, mit der ich mich in ihm zurechtfinde; in der Abwesenheit des Suchens, Zweifelns und der Verwunderung. Darin, daß eine Unzahl von Tätigkeiten durch seine Wände begrenzt sind, und daß ich alles das als "mein Zimmer" in der Rede zusammenfasse. Darin, daß ich es nützlich und notwendig finde, mich immer wieder des Begriffs 'mein Zimmer' zu bedienen im Gegensatz zu seinen Wänden, Ecken, etc. | '''203'''. Man könnte sagen: Ich hätte keinen Eindruck von dem Zimmer als Ganzes, könnte ich nicht meinen Blick schnell in ihm dahin und dorthin schweifen lassen und mich nicht frei in ihm herumbewegen. (Stream of thought.) Aber nun ist die Frage, wie manifestiert es sich, daß ich 'von ihm als Ganzes einen Eindruck habe'? Z. B. in der Selbstverständlichkeit, mit der ich mich in ihm zurechtfinde; in der Abwesenheit des Suchens, Zweifelns und der Verwunderung. Darin, daß eine Unzahl von Tätigkeiten durch seine Wände begrenzt sind, und daß ich alles das als "mein Zimmer" in der Rede zusammenfasse. Darin, daß ich es nützlich und notwendig finde, mich immer wieder des Begriffs 'mein Zimmer' zu bedienen im Gegensatz zu seinen Wänden, Ecken, etc. | ||
204. Wie sieht die Beschreibung einer 'Einstellung' aus? | '''204'''. Wie sieht die Beschreibung einer 'Einstellung' aus? | ||
Man sagt z. B.: “Sieh von diesen Flecken ab und auch von dieser kleinen Unregelmäßigkeit, und schau es als Bild eines .... an!" | Man sagt z. B.: “Sieh von diesen Flecken ab und auch von dieser kleinen Unregelmäßigkeit, und schau es als Bild eines .... an!" | ||
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"Denk dir das weg! Wär's dir auch ohne dieses . . . . unangenehm?" Man wird doch sagen, ich ändere mein Gesichtsbild—wie durch Blinzeln oder Weghalten eines Details. Dieses "Absehen von ..." spielt doch eine ganz ähnliche Rolle, wie etwa die Anfertigung eines neuen Bildes. | "Denk dir das weg! Wär's dir auch ohne dieses . . . . unangenehm?" Man wird doch sagen, ich ändere mein Gesichtsbild—wie durch Blinzeln oder Weghalten eines Details. Dieses "Absehen von ..." spielt doch eine ganz ähnliche Rolle, wie etwa die Anfertigung eines neuen Bildes. | ||
205. Nun wohl,—und das sind gute Gründe dafür zu sagen, wir hätten durch unsre Einstellung unsern Gesichtseindruck geändert. D. h., es sind dies) gute Gründe, den Begriff 'Gesichtseindruck' so zu begrenzen. | '''205'''. Nun wohl,—und das sind gute Gründe dafür zu sagen, wir hätten durch unsre Einstellung unsern Gesichtseindruck geändert. D. h., es sind dies) gute Gründe, den Begriff 'Gesichtseindruck' so zu begrenzen. | ||
206. "Aber ich kann doch offenbar im Sehen Elemente (Striche z. B.) ''zusammennehmen''!" Aber warum nennt man es "zusammennehmen"? Warum braucht man hier ein Wort—''wesentlich''—das schon eine andere Bedeutung hat? (Es ist hier natürlich wie im Fall des Wortes "Kopf''rechnen''".) | '''206'''. "Aber ich kann doch offenbar im Sehen Elemente (Striche z. B.) ''zusammennehmen''!" Aber warum nennt man es "zusammennehmen"? Warum braucht man hier ein Wort—''wesentlich''—das schon eine andere Bedeutung hat? (Es ist hier natürlich wie im Fall des Wortes "Kopf''rechnen''".) | ||
207. Wenn ich jemandem sage: "Nimm diese Striche (oder anderes) zusammen!" was wird er tun? Nun, Verschiedenes, je nach den Umständen. Vielleicht soll er sie zu zwei und zwei zählen oder in eine Lade legen oder anblicken etc. | '''207'''. Wenn ich jemandem sage: "Nimm diese Striche (oder anderes) zusammen!" was wird er tun? Nun, Verschiedenes, je nach den Umständen. Vielleicht soll er sie zu zwei und zwei zählen oder in eine Lade legen oder anblicken etc. | ||
208. Überlegen wir uns, was man über ein Phänomen, wie dieses, sagt: | '''208'''. Überlegen wir uns, was man über ein Phänomen, wie dieses, sagt: | ||
Die Figur [[File:Zettel 208.png|20px|link=]] einmal als ein F, einmal als das Spiegelbild eines F sehen. | Die Figur [[File:Zettel 208.png|20px|link=]] einmal als ein F, einmal als das Spiegelbild eines F sehen. | ||
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Wie ist man denn überhaupt zu dem Begriff des 'Dies als das kommen? Bei welchen Gelegenheiten wird er gebildet, ist für ihn ein Bedarf? (Sehr häufig in der Kunst.) Dort z. B., wo es sich um ein Phrasieren durchs Auge oder Ohr handelt. Wir sagen "Du mußt diese Takte als Einleitung hören", "Du mußt nach dieser Tonart hin hören", "Wenn man diese Figur einmal als .... gesehen hat, ist es schwer, sie anders zu sehen", "Ich höre das französische 'ne .... pas' als zweiteilige Verneinung, aber nicht als 'nicht ein Schritt'", etc. etc. Ist es nun ein wirkliches Schen oder Hören? Nun: so nennen wir es; mit diesen Worten reagieren wir in bestimmten Situationen. Und ''auf'' diese Worte reagieren wir wieder durch bestimmte Handlungen. | Wie ist man denn überhaupt zu dem Begriff des 'Dies als das kommen? Bei welchen Gelegenheiten wird er gebildet, ist für ihn ein Bedarf? (Sehr häufig in der Kunst.) Dort z. B., wo es sich um ein Phrasieren durchs Auge oder Ohr handelt. Wir sagen "Du mußt diese Takte als Einleitung hören", "Du mußt nach dieser Tonart hin hören", "Wenn man diese Figur einmal als .... gesehen hat, ist es schwer, sie anders zu sehen", "Ich höre das französische 'ne .... pas' als zweiteilige Verneinung, aber nicht als 'nicht ein Schritt'", etc. etc. Ist es nun ein wirkliches Schen oder Hören? Nun: so nennen wir es; mit diesen Worten reagieren wir in bestimmten Situationen. Und ''auf'' diese Worte reagieren wir wieder durch bestimmte Handlungen. | ||
209. Diese Form, die ich sehe—möchte ich sagen—ist nicht einfach ''eine'' Form, sondern sie ist eine von den mir bekannten Formen; sie ist eine im Vorhinein ausgezeichnete Form. Sie ist eine von den Formen, deren Bild schon früher in mir war, und nur weil sie so einem Bild entspricht, ist sie die wohlbekannte Form. (Ich trage gleichsam einen Katalog solcher Formen mit mir herum und die Gegenstände, die dort abgebildet sind, sind dann die wohlbekannten.) | '''209'''. Diese Form, die ich sehe—möchte ich sagen—ist nicht einfach ''eine'' Form, sondern sie ist eine von den mir bekannten Formen; sie ist eine im Vorhinein ausgezeichnete Form. Sie ist eine von den Formen, deren Bild schon früher in mir war, und nur weil sie so einem Bild entspricht, ist sie die wohlbekannte Form. (Ich trage gleichsam einen Katalog solcher Formen mit mir herum und die Gegenstände, die dort abgebildet sind, sind dann die wohlbekannten.) | ||
210. Aber daß ich das Bild schon früher mit mir herumgetragen habe, wäre nur eine kausale Erklärung des gegenwärtigen Eindrucks. Es ist, als sagte man: diese Bewegung geht so leicht, als wäre sie eingeübt worden. | '''210'''. Aber daß ich das Bild schon früher mit mir herumgetragen habe, wäre nur eine kausale Erklärung des gegenwärtigen Eindrucks. Es ist, als sagte man: diese Bewegung geht so leicht, als wäre sie eingeübt worden. | ||
211. "Wenn ich gefragt werde 'Siehst du dort eine Kugel?, ein andermal 'Siehst du dort die Halbkugel?', so kann, was ich sehe, beide Male das Gleiche sein, und wenn ich antworte 'Ja', so unterscheide ich doch zwischen den beiden Hypothesen. Wie ich im Schachspiel zwischen einem Bauern und dem König unterscheide, auch wenn der gegenwärtige Zug einer ist, den beide machen könnten, und wenn selbst eine Königsfigur als Bauer fungierte."—Man ist in der Philosophie immer in Gefahr, einen Mythus des Symbolismus zu erzeugen, oder einen der seelischen Vorgänge. Statt einfach zu sagen, was jeder weiß und zugeben muß. | '''211'''. "Wenn ich gefragt werde 'Siehst du dort eine Kugel?, ein andermal 'Siehst du dort die Halbkugel?', so kann, was ich sehe, beide Male das Gleiche sein, und wenn ich antworte 'Ja', so unterscheide ich doch zwischen den beiden Hypothesen. Wie ich im Schachspiel zwischen einem Bauern und dem König unterscheide, auch wenn der gegenwärtige Zug einer ist, den beide machen könnten, und wenn selbst eine Königsfigur als Bauer fungierte."—Man ist in der Philosophie immer in Gefahr, einen Mythus des Symbolismus zu erzeugen, oder einen der seelischen Vorgänge. Statt einfach zu sagen, was jeder weiß und zugeben muß. | ||
212. Ist es Introspektion, was mich lehrt, ob ich's mit einem echten Schen zu tun habe, oder doch mit einem Deuten? Zuerst einmal muß ich mir klar werden, was ich denn ein Deuten nennen würde; woran sich erkennen läßt, ob etwas ein Deuten oder ein Schen zu nennen ist. [''Randbemerkung:'' Einer Deutung entsprechend sehen.] | '''212'''. Ist es Introspektion, was mich lehrt, ob ich's mit einem echten Schen zu tun habe, oder doch mit einem Deuten? Zuerst einmal muß ich mir klar werden, was ich denn ein Deuten nennen würde; woran sich erkennen läßt, ob etwas ein Deuten oder ein Schen zu nennen ist. [''Randbemerkung:'' Einer Deutung entsprechend sehen.] | ||
213. Sehe ich die Figur nicht einmal so, einmal anders, auch wenn ich nicht mit Worten oder sonst wie reagiere? | '''213'''. Sehe ich die Figur nicht einmal so, einmal anders, auch wenn ich nicht mit Worten oder sonst wie reagiere? | ||
Aber "einmal so", "einmal anders" sind ja Worte, und mit welchem Recht gebrauche ich sie hier? Kann ich dir oder mir selbst mein Recht erweisen? (Es sei denn durch eine weitere Reaktion.) | Aber "einmal so", "einmal anders" sind ja Worte, und mit welchem Recht gebrauche ich sie hier? Kann ich dir oder mir selbst mein Recht erweisen? (Es sei denn durch eine weitere Reaktion.) | ||
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Aber ich weiß doch, daß es zwei Eindrücke sind, auch wenn ich's nicht sage! Aber wie weiß ich, daß, was ich dann sage, das ist, was ich wußte? Welche Konsequenzen folgen daraus, daß ich dies als das deute? Welche daraus, daß ich dies als das sche? | Aber ich weiß doch, daß es zwei Eindrücke sind, auch wenn ich's nicht sage! Aber wie weiß ich, daß, was ich dann sage, das ist, was ich wußte? Welche Konsequenzen folgen daraus, daß ich dies als das deute? Welche daraus, daß ich dies als das sche? | ||
214. Erlebnis der wirklichen Größe. Wir sehen ein Bild, das die Form eines Sessels zeigt; man sagt uns, es stelle eine Konstruktion von Hausgröße vor. Nun sehen wir sie anders. | '''214'''. Erlebnis der wirklichen Größe. Wir sehen ein Bild, das die Form eines Sessels zeigt; man sagt uns, es stelle eine Konstruktion von Hausgröße vor. Nun sehen wir sie anders. | ||
215. Denk dir, jemand, der auf die Sonne schaut, hätte plötzlich die ''Empfindung'', daß nicht sie sicht bewegt, sondern wir an ihr vorüberziehen. Nun will er sagen, er habe einen neuen Bewegungszustand gesehen, in dem wir uns befinden; und denke, er zeigt nun durch Gebärden, welche Bewegung er meint, und daß es nicht die der Sonne ist. Wir hätten es hier mit zwei verschiedenen Anwendungen des Wortes "Bewegung" zu tun. | '''215'''. Denk dir, jemand, der auf die Sonne schaut, hätte plötzlich die ''Empfindung'', daß nicht sie sicht bewegt, sondern wir an ihr vorüberziehen. Nun will er sagen, er habe einen neuen Bewegungszustand gesehen, in dem wir uns befinden; und denke, er zeigt nun durch Gebärden, welche Bewegung er meint, und daß es nicht die der Sonne ist. Wir hätten es hier mit zwei verschiedenen Anwendungen des Wortes "Bewegung" zu tun. | ||
216. Nicht den Aspektwechsel sieht man, sondern den Deutungswechsel. | '''216'''. Nicht den Aspektwechsel sieht man, sondern den Deutungswechsel. | ||
217. Du siehst es nicht einer Deutung, sondern einem Deuten gemal. | '''217'''. Du siehst es nicht einer Deutung, sondern einem Deuten gemal. | ||
218. Ich deute die Worte; wohl aber deute ich auch die Mienen? Deute ich einen Gesichtsausdruck als drohend oder freundlich? Es ''kann'' geschehen. | '''218'''. Ich deute die Worte; wohl aber deute ich auch die Mienen? Deute ich einen Gesichtsausdruck als drohend oder freundlich? Es ''kann'' geschehen. | ||
Wenn ich nun sagte: "Es ist nicht genug, daß ich das drohende Gesicht wahrnehme, sondern ich muß es erst deuten."—Es zückt jemand das Messer auf mich, und ich sage: "Ich fasse das als eine Drohung auf." | Wenn ich nun sagte: "Es ist nicht genug, daß ich das drohende Gesicht wahrnehme, sondern ich muß es erst deuten."—Es zückt jemand das Messer auf mich, und ich sage: "Ich fasse das als eine Drohung auf." | ||
219. Chinesische Gebärden verstehen wir so wenig wie chinesische Sätze. | '''219'''. Chinesische Gebärden verstehen wir so wenig wie chinesische Sätze. | ||
220. Das Bewußtsein in des Andern Gesicht. Schau ins Gesicht des Andern, und sich das Bewußtsein in ihm und einen bestimmten Bewußtseins''ton''. Du siehst auf ihm, in ihm, Freude, Gleichgültigkeit, Interesse, Rührung, Dumpfheit u.s.f. Das Licht im Gesicht des Andern. | '''220'''. Das Bewußtsein in des Andern Gesicht. Schau ins Gesicht des Andern, und sich das Bewußtsein in ihm und einen bestimmten Bewußtseins''ton''. Du siehst auf ihm, in ihm, Freude, Gleichgültigkeit, Interesse, Rührung, Dumpfheit u.s.f. Das Licht im Gesicht des Andern. | ||
Schaust du in ''dich'', um den Grimm in ''seinem'' Gesicht zu erkennen? Er ist dort so deutlich wie in deiner eigenen Brust. | Schaust du in ''dich'', um den Grimm in ''seinem'' Gesicht zu erkennen? Er ist dort so deutlich wie in deiner eigenen Brust. | ||
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(Und was will man nun sagen? Daß das Gesicht des Andern mich zur Nachahmung anregt, und daß ich also kleine Bewegungen und Muskelspannungen im eigenen empfinde und die Summe dieser ''meine''? Unsinn. Unsinn,—denn du machst Annahmen statt bloß zu beschreiben. Wem hier Erklärungen im Kopf spuken, der vernachlässigt es, sich auf die wichtigsten Tatsachen zu besinnen.) | (Und was will man nun sagen? Daß das Gesicht des Andern mich zur Nachahmung anregt, und daß ich also kleine Bewegungen und Muskelspannungen im eigenen empfinde und die Summe dieser ''meine''? Unsinn. Unsinn,—denn du machst Annahmen statt bloß zu beschreiben. Wem hier Erklärungen im Kopf spuken, der vernachlässigt es, sich auf die wichtigsten Tatsachen zu besinnen.) | ||
221. "Das Bewußtsein ist so deutlich in seinem Gesicht und Benehmen, wie in mir selbst." | '''221'''. "Das Bewußtsein ist so deutlich in seinem Gesicht und Benehmen, wie in mir selbst." | ||
222. Das menschliche Auge sehen wir nicht als Empfänger, es scheint nicht etwas einzulassen, sondern auszusenden. Das Ohr empfängt; das Auge blickt. (Es wirft Blicke, es blitzt, strahlt, leuchtet. Mit dem Auge kann man schrecken, nicht mit dem Ohr, der Nase. Wenn du das Auge siehst, so siehst du etwas von ihm ausgehen. Du siehst den Blick des Auges. | '''222'''. Das menschliche Auge sehen wir nicht als Empfänger, es scheint nicht etwas einzulassen, sondern auszusenden. Das Ohr empfängt; das Auge blickt. (Es wirft Blicke, es blitzt, strahlt, leuchtet. Mit dem Auge kann man schrecken, nicht mit dem Ohr, der Nase. Wenn du das Auge siehst, so siehst du etwas von ihm ausgehen. Du siehst den Blick des Auges. | ||
223. "Wenn du nur von deinen physiologischen Vorurteilen wegkommst, wirst du gar nichts daran finden, daß das Blicken des Auges auch gesehen werden kann." Ich sage ja auch, ich sehe den Blick, den du dem Andern zuwirfst. Und wollte man mich verbessern und sagen, ich ''sähe'' ihn eigentlich nicht, so hielte ich das für bloße Dummheit. | '''223'''. "Wenn du nur von deinen physiologischen Vorurteilen wegkommst, wirst du gar nichts daran finden, daß das Blicken des Auges auch gesehen werden kann." Ich sage ja auch, ich sehe den Blick, den du dem Andern zuwirfst. Und wollte man mich verbessern und sagen, ich ''sähe'' ihn eigentlich nicht, so hielte ich das für bloße Dummheit. | ||
Anderseits habe ich mit meiner Redeweise nicht etwas ''zugegeben'', und ich widerspreche dem, der mir sagt, ich sähe den Blick 'geradeso' wie die Gestalt und Farbe des Auges. | Anderseits habe ich mit meiner Redeweise nicht etwas ''zugegeben'', und ich widerspreche dem, der mir sagt, ich sähe den Blick 'geradeso' wie die Gestalt und Farbe des Auges. | ||
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Denn das 'naive Sprechen', d.h. unsere naive, normale Ausdrucksweise enthält ja keine Theorie des Sehens—zeigt dir keine ''Theorie'', sondern nur einen ''Begriff'' des Sehens. | Denn das 'naive Sprechen', d.h. unsere naive, normale Ausdrucksweise enthält ja keine Theorie des Sehens—zeigt dir keine ''Theorie'', sondern nur einen ''Begriff'' des Sehens. | ||
224. Laß einen Menschen zornig, hochmütig, ironisch blicken; und nun verhäng sein Gesicht, daß nur die Augen frei bleiben,—in denen der ganze Ausdruck vereint schien: Ihr Ausdruck ist nun überraschend ''vieldeutig''. | '''224'''. Laß einen Menschen zornig, hochmütig, ironisch blicken; und nun verhäng sein Gesicht, daß nur die Augen frei bleiben,—in denen der ganze Ausdruck vereint schien: Ihr Ausdruck ist nun überraschend ''vieldeutig''. | ||
225. "Man ''sieht'' Gemütsbewegung.”—Im Gegensatz wozu?Man sieht nicht die Gesichtsverziehungen und ''schließt'' nun (wie der Arzt, der eine Diagnose stellt) auf Freude, Trauer, Langeweile. Man beschreibt sein Gesicht unmittelbar als traurig, glückstrahlend, gelangweilt, auch wenn man nicht imstande ist, eine andere Beschreibung der Gesichtszüge zu geben.—Die Trauer ist im Gesicht personifiziert, möchte man sagen. | '''225'''. "Man ''sieht'' Gemütsbewegung.”—Im Gegensatz wozu?Man sieht nicht die Gesichtsverziehungen und ''schließt'' nun (wie der Arzt, der eine Diagnose stellt) auf Freude, Trauer, Langeweile. Man beschreibt sein Gesicht unmittelbar als traurig, glückstrahlend, gelangweilt, auch wenn man nicht imstande ist, eine andere Beschreibung der Gesichtszüge zu geben.—Die Trauer ist im Gesicht personifiziert, möchte man sagen. | ||
Dies gehört zum Begriff der Gemütsbewegung. | Dies gehört zum Begriff der Gemütsbewegung. | ||
226. (Die Haßlichkeit eines Menschen kann im Bild, im gemalten, abstoßen, wie in der Wirklichkeit, aber auch in der Beschreibung, in den Worten.) | '''226'''. (Die Haßlichkeit eines Menschen kann im Bild, im gemalten, abstoßen, wie in der Wirklichkeit, aber auch in der Beschreibung, in den Worten.) | ||
227. Es ist sonderbar: Unser Verstehen einer Geste möchten wir durch ihre Übersetzung in Worte erklären, und das Verstehen von Worten durch Übersetzung in eine Geste. (So werden wir hin und her geworfen, wenn wir suchen wollen, wo das Verstehen eigentlich liegt.) | '''227'''. Es ist sonderbar: Unser Verstehen einer Geste möchten wir durch ihre Übersetzung in Worte erklären, und das Verstehen von Worten durch Übersetzung in eine Geste. (So werden wir hin und her geworfen, wenn wir suchen wollen, wo das Verstehen eigentlich liegt.) | ||
Und wirklich werden wir Worte durch eine Geste, und eine Geste durch Worte erklären. | Und wirklich werden wir Worte durch eine Geste, und eine Geste durch Worte erklären. | ||
228. Erkläre cinem, die Zeigerstellung, die du aufgezeichnet hast, solle ausdrücken: die Zeiger dieser Uhr stünden jetzt so.—Die Unbeholfenheit, mit der das Zeichen, wie ein Stummer, durch allerlei suggestive Gebärden sich verständlich zu machen sucht—sie verschwindet, wenn wir erkennen, daß es aufs ''System'' ankommt, dem das Zeichen angehört. | '''228'''. Erkläre cinem, die Zeigerstellung, die du aufgezeichnet hast, solle ausdrücken: die Zeiger dieser Uhr stünden jetzt so.—Die Unbeholfenheit, mit der das Zeichen, wie ein Stummer, durch allerlei suggestive Gebärden sich verständlich zu machen sucht—sie verschwindet, wenn wir erkennen, daß es aufs ''System'' ankommt, dem das Zeichen angehört. | ||
Man wollte sagen: nur der ''Gedanke'' kann es ''sagen'', das Zeichen nicht. | Man wollte sagen: nur der ''Gedanke'' kann es ''sagen'', das Zeichen nicht. | ||
229. Eine ''Deutung'' ist doch etwas, was in Zeichen gegeben wird. Es ist diese Deutung im Gegensatz zu einer andern (die anders lautet).—Wenn man also sagen wollte "Jeder Satz bedarf noch einer Deutung", so hieße das: kein Satz kann ohne einen Zusatz verstanden werden. | '''229'''. Eine ''Deutung'' ist doch etwas, was in Zeichen gegeben wird. Es ist diese Deutung im Gegensatz zu einer andern (die anders lautet).—Wenn man also sagen wollte "Jeder Satz bedarf noch einer Deutung", so hieße das: kein Satz kann ohne einen Zusatz verstanden werden. | ||
230. Ähnlich wäre es fast, wenn man beim Würfeln, wieviel ein Wurf gelten soll, durch einen weitern Wurf bestimmte. | '''230'''. Ähnlich wäre es fast, wenn man beim Würfeln, wieviel ein Wurf gelten soll, durch einen weitern Wurf bestimmte. | ||
231. Mit "Intention" meine ich hier das, was das Zeichen im Gedanken verwendet. Die Intention scheint zu interpretieren, die endgültige Interpretation zu geben; aber nicht ein weiteres Zeichen oder Bild, sondern etwas Anderes, das, was man nicht wieder interpretieren kann. Aber ein psychologisches Ende ist erreicht, kein logisches. | '''231'''. Mit "Intention" meine ich hier das, was das Zeichen im Gedanken verwendet. Die Intention scheint zu interpretieren, die endgültige Interpretation zu geben; aber nicht ein weiteres Zeichen oder Bild, sondern etwas Anderes, das, was man nicht wieder interpretieren kann. Aber ein psychologisches Ende ist erreicht, kein logisches. | ||
Denken wir eine Zeichensprache, eine 'abstrakte', ich meine eine, die uns fremd ist, in der wir uns nicht heimisch fühlen, in der, wie wir sagen würden, wir nicht ''denken''; und denken wir uns diese Sprache interpretiert durch eine Übersetzung in eine, wir wir sagen möchten, unzweideutige Bildersprache; eine Sprache, die aus perspektivisch gemalten Bildern besteht. Es ist ganz klar, daß es viel leichter ist, sich verschiedene ''Deutungen'' der Schriftzeichen zu denken, als eines in gewohnter Art gemalten Bildes. Hier werden wir auch geneigt sein zu denken, es gebe keine Möglichkeit der Deutung mehr. | Denken wir eine Zeichensprache, eine 'abstrakte', ich meine eine, die uns fremd ist, in der wir uns nicht heimisch fühlen, in der, wie wir sagen würden, wir nicht ''denken''; und denken wir uns diese Sprache interpretiert durch eine Übersetzung in eine, wir wir sagen möchten, unzweideutige Bildersprache; eine Sprache, die aus perspektivisch gemalten Bildern besteht. Es ist ganz klar, daß es viel leichter ist, sich verschiedene ''Deutungen'' der Schriftzeichen zu denken, als eines in gewohnter Art gemalten Bildes. Hier werden wir auch geneigt sein zu denken, es gebe keine Möglichkeit der Deutung mehr. | ||
232. Wir könnten da auch sagen, wir lebten nicht in der Zeichensprache, wohl aber im gemalten Bilde. | '''232'''. Wir könnten da auch sagen, wir lebten nicht in der Zeichensprache, wohl aber im gemalten Bilde. | ||
233. "Nur das intendierte Bild reicht als Maßstab an die Wirklichkeit heran. Von außen betrachtet, steht es gleich tot und isoliert da."—Es ist, als hätten wir ein Bild erst so angeschaut, daß wir in ihm leben und die Gegenstände in ihm uns als wirkliche umgeben, und dann traten wir zurück und wären nun außerhalb, sähen den Rahmen, und das Bild wäre eine bemalte Fläche. So, wenn wir intendieren, umgeben uns die ''Bilder'' der Intention, und wir leben unter ihnen. Aber wenn wir aus der Intention heraustreten, so sind es bloße Flecke auf einer Leinwand, ohne Leben und ohne Interesse für uns. Wenn wir intendieren, leben wir im Raum der Intention, unter den Bildern (Schatten) der Intention zugleich mit den wirklichen Dingen. Denken wir, wir sitzen im verdunkelten Kino und leben im Film. Der Saal wird nun erhellt, aber das Lichtspiel auf der Leinwand geht weiter. Aber jetzt stehen wir plötzlich außerhalb und sehen es als Bewegungen von lichten und dunkeln Flecken auf einer Leinwand. | '''233'''. "Nur das intendierte Bild reicht als Maßstab an die Wirklichkeit heran. Von außen betrachtet, steht es gleich tot und isoliert da."—Es ist, als hätten wir ein Bild erst so angeschaut, daß wir in ihm leben und die Gegenstände in ihm uns als wirkliche umgeben, und dann traten wir zurück und wären nun außerhalb, sähen den Rahmen, und das Bild wäre eine bemalte Fläche. So, wenn wir intendieren, umgeben uns die ''Bilder'' der Intention, und wir leben unter ihnen. Aber wenn wir aus der Intention heraustreten, so sind es bloße Flecke auf einer Leinwand, ohne Leben und ohne Interesse für uns. Wenn wir intendieren, leben wir im Raum der Intention, unter den Bildern (Schatten) der Intention zugleich mit den wirklichen Dingen. Denken wir, wir sitzen im verdunkelten Kino und leben im Film. Der Saal wird nun erhellt, aber das Lichtspiel auf der Leinwand geht weiter. Aber jetzt stehen wir plötzlich außerhalb und sehen es als Bewegungen von lichten und dunkeln Flecken auf einer Leinwand. | ||
(Im Traum geschieht es manchmal, daß wir eine Geschichte erst lesen und dann in ihr selbst agieren. Und nach dem Aufwachen aus einem Traum ist es manchmal, als wären wir aus dem Traum heraus zurückgetreten und sehen ihn jetzt als ein fremdes Bild vor uns.) Und es heißt auch etwas, "in den Seiten eines Buches leben". | (Im Traum geschieht es manchmal, daß wir eine Geschichte erst lesen und dann in ihr selbst agieren. Und nach dem Aufwachen aus einem Traum ist es manchmal, als wären wir aus dem Traum heraus zurückgetreten und sehen ihn jetzt als ein fremdes Bild vor uns.) Und es heißt auch etwas, "in den Seiten eines Buches leben". | ||
234. Nicht das findet statt, daß sich dieses Symbol nicht mehr deuten läßt, sondern: ich deute nicht. Ich deute nicht, weil ich mich in dem gegenwärtigen Bild heimisch fühle. Wenn ich deute, so schreite ich auf dem Gedankenweg von Stufe zu Stufe. | '''234'''. Nicht das findet statt, daß sich dieses Symbol nicht mehr deuten läßt, sondern: ich deute nicht. Ich deute nicht, weil ich mich in dem gegenwärtigen Bild heimisch fühle. Wenn ich deute, so schreite ich auf dem Gedankenweg von Stufe zu Stufe. | ||
235. Sche ich das gedachte Symbol 'von außen' an, so kommt es mir zum Bewußtsein, daß es so und so gedeutet werden ''könnte''; ist es eine Stufe meines Gedankenweges, so ist es ein mir natürlicher Aufenthalt, und es beschäftigt (und beunruhigt) mich seine weitere Deutbarkeit nicht.—Wie ich die Tabelle, den Fahrplan bei mir habe und verwende, ohne daß es mich beschäftigt, daß eine Tabelle verschiedenerlei Deutungen zuläßt. | '''235'''. Sche ich das gedachte Symbol 'von außen' an, so kommt es mir zum Bewußtsein, daß es so und so gedeutet werden ''könnte''; ist es eine Stufe meines Gedankenweges, so ist es ein mir natürlicher Aufenthalt, und es beschäftigt (und beunruhigt) mich seine weitere Deutbarkeit nicht.—Wie ich die Tabelle, den Fahrplan bei mir habe und verwende, ohne daß es mich beschäftigt, daß eine Tabelle verschiedenerlei Deutungen zuläßt. | ||
236. Wenn ich den Vorgang der Intention beschreiben will, so fühle ich vor allem, daß sie noch am ehesten leisten kann, was sie soll, wenn sie ein äußerst getreues Bild von dem enthält, was sie intendiert. Aber ferner, daß auch das nicht ausreicht, weil ja das Bild, was immer es ist, sich verschieden deuten läßt; daß also dieses Bild doch wieder isoliert dasteht. Wie man das Bild allein ins Auge faßt, ist es plötzlich tot, und es ist, als wäre ihm etwas genommen worden, was es zuvor belebt hatte. Es ist kein Gedanke, keine Intention, und wie immer wir es uns begleitet denken, durch artikulierte oder unartikulierte Vorgänge, und durch welche Empfindungen immer: es bleibt isoliert, weist nicht aus sich heraus auf eine Realität außer ihm. | '''236'''. Wenn ich den Vorgang der Intention beschreiben will, so fühle ich vor allem, daß sie noch am ehesten leisten kann, was sie soll, wenn sie ein äußerst getreues Bild von dem enthält, was sie intendiert. Aber ferner, daß auch das nicht ausreicht, weil ja das Bild, was immer es ist, sich verschieden deuten läßt; daß also dieses Bild doch wieder isoliert dasteht. Wie man das Bild allein ins Auge faßt, ist es plötzlich tot, und es ist, als wäre ihm etwas genommen worden, was es zuvor belebt hatte. Es ist kein Gedanke, keine Intention, und wie immer wir es uns begleitet denken, durch artikulierte oder unartikulierte Vorgänge, und durch welche Empfindungen immer: es bleibt isoliert, weist nicht aus sich heraus auf eine Realität außer ihm. | ||
Nun sagt man: "Freilich intendiert das Bild nicht, sondern wir müssen mit ihm etwas intendieren". Aber wenn dieses Intendieren, Meinen wieder etwas ist, was mit dem Bild geschieht, so sehe ich nicht ein, warum das an einen Menschen gebunden sein soll. Man kann ja auch den Vorgang der Verdauung als chemischen Prozeß studieren, unabhängig davon, ob er in einem Lebewesen stattfindet. Wir wollen sagen "Das Meinen ist doch wesentlich ein geistiger Vorgang, ein Vorgang des bewußten Lebens, nicht der toten Materie". Aber was soll einen solchen ausmachen, als die spezifische Art dessen, was vorgeht—solange wir eben an einen Vorgang denken. Und nun scheint es uns, als ob gar kein Vorgang, welcher Art immer, das Intendieren sein kann.—Wir sind eben hier mit der Grammatik des ''Vorgangs'' nicht zufrieden, und nicht mit der spezifischen Art ''eines'' Vorgangs.—Man könnte sagen: jeden Vorgang würden wir in diesem Sinne "tot" nennen! | Nun sagt man: "Freilich intendiert das Bild nicht, sondern wir müssen mit ihm etwas intendieren". Aber wenn dieses Intendieren, Meinen wieder etwas ist, was mit dem Bild geschieht, so sehe ich nicht ein, warum das an einen Menschen gebunden sein soll. Man kann ja auch den Vorgang der Verdauung als chemischen Prozeß studieren, unabhängig davon, ob er in einem Lebewesen stattfindet. Wir wollen sagen "Das Meinen ist doch wesentlich ein geistiger Vorgang, ein Vorgang des bewußten Lebens, nicht der toten Materie". Aber was soll einen solchen ausmachen, als die spezifische Art dessen, was vorgeht—solange wir eben an einen Vorgang denken. Und nun scheint es uns, als ob gar kein Vorgang, welcher Art immer, das Intendieren sein kann.—Wir sind eben hier mit der Grammatik des ''Vorgangs'' nicht zufrieden, und nicht mit der spezifischen Art ''eines'' Vorgangs.—Man könnte sagen: jeden Vorgang würden wir in diesem Sinne "tot" nennen! | ||
237. Fast könnte man sagen: "Die Meinung ''geht'', während jeder Vorgang steht". | '''237'''. Fast könnte man sagen: "Die Meinung ''geht'', während jeder Vorgang steht". | ||
238. Man sagt: Wie kann denn diese Gebärde, diese Haltung der Hand, dieses Bild der Wunsch sein, daß das und das der Fall wäre? Sie ist weiter nichts als eine Hand über einem Tisch und steht allein und ohne ''Sinn'' da! Wie eine einzelne Kulisse, die von der Aufführung eines Theaterstücks allein in einem Zimmer stehengeblieben ist. Sie hatte Leben nur im Stück. | '''238'''. Man sagt: Wie kann denn diese Gebärde, diese Haltung der Hand, dieses Bild der Wunsch sein, daß das und das der Fall wäre? Sie ist weiter nichts als eine Hand über einem Tisch und steht allein und ohne ''Sinn'' da! Wie eine einzelne Kulisse, die von der Aufführung eines Theaterstücks allein in einem Zimmer stehengeblieben ist. Sie hatte Leben nur im Stück. | ||
239. "Der Gedanke stand in diesem Augenblick vor meiner Seele."—Und wie?—"Ich hatte dieses Bild."—So war das Bild der Gedanke? Nein; denn hätte ich einem bloß das Bild mitgeteilt, so hätte er nicht den Gedanken erhalten. | '''239'''. "Der Gedanke stand in diesem Augenblick vor meiner Seele."—Und wie?—"Ich hatte dieses Bild."—So war das Bild der Gedanke? Nein; denn hätte ich einem bloß das Bild mitgeteilt, so hätte er nicht den Gedanken erhalten. | ||
240. Das Bild war der Schlüssel. Oder es ''erschien'' doch als Schlüssel. | '''240'''. Das Bild war der Schlüssel. Oder es ''erschien'' doch als Schlüssel. | ||
241. Denken wir uns eine Bildergeschichte in schematischen Bildern, also ähnlicher der Erzählung in einer Sprache, als eine Folge realistischer Bilder. Man könnte in so einer Bildersprache etwa insbesondere den Gang von Schlachten festgehalten haben. (Sprachspiel.) Und ein Satz unserer Wortsprache kommt so cinem Bild dieser Bildersprache viel näher als man meint. | '''241'''. Denken wir uns eine Bildergeschichte in schematischen Bildern, also ähnlicher der Erzählung in einer Sprache, als eine Folge realistischer Bilder. Man könnte in so einer Bildersprache etwa insbesondere den Gang von Schlachten festgehalten haben. (Sprachspiel.) Und ein Satz unserer Wortsprache kommt so cinem Bild dieser Bildersprache viel näher als man meint. | ||
242. Denken wir auch daran, daß wir uns solche Bilder nicht erst in realistische übertragen, um sie zu verstehen', so wenig wir uns je Photographien oder die Bilder eines Films in farbige Bilder übertragen, obwohl uns schwarz-weiße Menschen oder Pflanzen in der Wirklichkeit unsagbar fremd und schrecklich vorkämen. | '''242'''. Denken wir auch daran, daß wir uns solche Bilder nicht erst in realistische übertragen, um sie zu verstehen', so wenig wir uns je Photographien oder die Bilder eines Films in farbige Bilder übertragen, obwohl uns schwarz-weiße Menschen oder Pflanzen in der Wirklichkeit unsagbar fremd und schrecklich vorkämen. | ||
Wie, wenn wir nun hier sagten "Ein Bild ist etwas nur in einer Bildersprache"? | Wie, wenn wir nun hier sagten "Ein Bild ist etwas nur in einer Bildersprache"? | ||
243. Gewiß, ich lese eine Geschichte und kümmere mich den Teufel um ein System der Sprache. Ich lese einfach, habe Eindrücke, sehe Bilder vor mir, etc. Ich lasse die Geschichte an mir vorüberziehen wie Bilder, wie eine Bildergeschichte. (Damit will ich natürlich nicht sagen, daß jeder Satz in mir ein visuelles Bild oder mehrere hervorruft, und daß das etwa der Zweck eines Satzes sci.) | '''243'''. Gewiß, ich lese eine Geschichte und kümmere mich den Teufel um ein System der Sprache. Ich lese einfach, habe Eindrücke, sehe Bilder vor mir, etc. Ich lasse die Geschichte an mir vorüberziehen wie Bilder, wie eine Bildergeschichte. (Damit will ich natürlich nicht sagen, daß jeder Satz in mir ein visuelles Bild oder mehrere hervorruft, und daß das etwa der Zweck eines Satzes sci.) | ||
244. "Sätze dienen ja dazu zu beschreiben, wie sich alles verhält", denken wir. Der Satz als ''Bild''. | '''244'''. "Sätze dienen ja dazu zu beschreiben, wie sich alles verhält", denken wir. Der Satz als ''Bild''. | ||
245. Ich verstehe dieses Bild genau, ich könnte es in Ton modellieren.—Ich verstehe diese Beschreibung genau, ich könnte cine Zeichnung nach ihr machen. | '''245'''. Ich verstehe dieses Bild genau, ich könnte es in Ton modellieren.—Ich verstehe diese Beschreibung genau, ich könnte cine Zeichnung nach ihr machen. | ||
Man könnte in vielen Fällen als Kriterium des Verstehens festsetzen, daß man den Sinn des Satzes muß zeichnerisch darstellen können. (Ich denke etwa an eine offiziell festgelegte Prüfung des Verstehens.) Wie wird man z. B. im Kartenlesen geprüft? | Man könnte in vielen Fällen als Kriterium des Verstehens festsetzen, daß man den Sinn des Satzes muß zeichnerisch darstellen können. (Ich denke etwa an eine offiziell festgelegte Prüfung des Verstehens.) Wie wird man z. B. im Kartenlesen geprüft? | ||
246. Und das sinnvolle Bild ist das, was ich nicht nur zeichnen, sondern auch plastisch darstellen kann. Und dies zu sagen hätte Sinn. Aber das Denken des Satzes ist nicht eine Tätigkeit, die man nach den Worten vollzieht (wie etwa das Singen nach den Noten). Das folgende Beispiel zeigt dies. Hat es Sinn zu sagen "Ich habe so viele Freunde, als eine Lösung der Gleichung ..... ergibt"? Ob dies Sinn hat, ist der Gleichung unmittelbar nicht anzusehen. Und man weiß, während man den Satz liest, nicht, ob er sich denken läßt oder nicht. Ob er sich verstehen läßt oder nicht. | '''246'''. Und das sinnvolle Bild ist das, was ich nicht nur zeichnen, sondern auch plastisch darstellen kann. Und dies zu sagen hätte Sinn. Aber das Denken des Satzes ist nicht eine Tätigkeit, die man nach den Worten vollzieht (wie etwa das Singen nach den Noten). Das folgende Beispiel zeigt dies. Hat es Sinn zu sagen "Ich habe so viele Freunde, als eine Lösung der Gleichung ..... ergibt"? Ob dies Sinn hat, ist der Gleichung unmittelbar nicht anzusehen. Und man weiß, während man den Satz liest, nicht, ob er sich denken läßt oder nicht. Ob er sich verstehen läßt oder nicht. | ||
247. Was heißt es denn: "entdecken, daß ein Satz keinen Sinn har"? | '''247'''. Was heißt es denn: "entdecken, daß ein Satz keinen Sinn har"? | ||
Und was heißt das: "wenn ich etwas damit meine, muß es doch Sinn haben": | Und was heißt das: "wenn ich etwas damit meine, muß es doch Sinn haben": | ||
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Und "wenn ich etwas damit meine"—heißt das etwas ''Ähnliches'' wie: "wenn ich mir etwas dabei vorstellen kann"?—Von der Vorstellung führt oft ein Weg zur weiteren Verwendung. | Und "wenn ich etwas damit meine"—heißt das etwas ''Ähnliches'' wie: "wenn ich mir etwas dabei vorstellen kann"?—Von der Vorstellung führt oft ein Weg zur weiteren Verwendung. | ||
248. (Etwas, was auf den ersten Blick ausschaut wie ein Satz und keiner ist.) Der folgende Vorschlag zur Konstruktion einer Straßenwalze wurde mir einmal mitgeteilt. Der Motor befindet sich im Innern der hohlen Walze. Die Kurbelwelle läuft durch die Mitte der Walze und ist an beiden Enden durch Speichen mit dem Walzenrand verbunden. Der Zylinder des Motors ist an der Innenseite der Walze befestigt. Auf den ersten Blick sieht diese Konstruktion wie eine Maschine aus. Aber sie ist ein starres System, und der Kolben kann sich im Zylinder nicht aus und ein bewegen. Wir haben ihn der Bewegungsmöglichkeit beraubt und wissen es nicht. | '''248'''. (Etwas, was auf den ersten Blick ausschaut wie ein Satz und keiner ist.) Der folgende Vorschlag zur Konstruktion einer Straßenwalze wurde mir einmal mitgeteilt. Der Motor befindet sich im Innern der hohlen Walze. Die Kurbelwelle läuft durch die Mitte der Walze und ist an beiden Enden durch Speichen mit dem Walzenrand verbunden. Der Zylinder des Motors ist an der Innenseite der Walze befestigt. Auf den ersten Blick sieht diese Konstruktion wie eine Maschine aus. Aber sie ist ein starres System, und der Kolben kann sich im Zylinder nicht aus und ein bewegen. Wir haben ihn der Bewegungsmöglichkeit beraubt und wissen es nicht. | ||
249. "Nichts leichter, als sich einen 4-dimensionalen Würfel vorstellen! Er schaut so aus:<ref>Im Original findet man keine Zeichnung: der Leser möge sich etwas Passendes aus denken. Es gibt verschiedene Möglichkeiten; wir haben eine Zeichnung von <span class=plainlinks>[https://commons.wikimedia.org/wiki/User:A2569875 A2569875]</span> (<span class=plainlinks>[https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en CC BY-SA]</span>) benutzt. Herausg.</ref> | '''249'''. "Nichts leichter, als sich einen 4-dimensionalen Würfel vorstellen! Er schaut so aus:<ref>Im Original findet man keine Zeichnung: der Leser möge sich etwas Passendes aus denken. Es gibt verschiedene Möglichkeiten; wir haben eine Zeichnung von <span class=plainlinks>[https://commons.wikimedia.org/wiki/User:A2569875 A2569875]</span> (<span class=plainlinks>[https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en CC BY-SA]</span>) benutzt. Herausg.</ref> | ||
[[File:Zettel 249.gif|center|link=https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Net_of_tesseract.gif|class=comfy]] | [[File:Zettel 249.gif|center|link=https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Net_of_tesseract.gif|class=comfy]] | ||
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nur mit 4 Ausdehnungen?"—Nein; das ''meine'' ich nicht!——Was aber meine ich? Was ist mein Bild? Nun, der 4-dimensionale Würfel, wie du ihn gezeichnet hast, ist es ''nicht''! Ich habe jetzt als Bild nur die ''Worte'' und die Ablehnung alles dessen, was du mir zeigen kannst. | nur mit 4 Ausdehnungen?"—Nein; das ''meine'' ich nicht!——Was aber meine ich? Was ist mein Bild? Nun, der 4-dimensionale Würfel, wie du ihn gezeichnet hast, ist es ''nicht''! Ich habe jetzt als Bild nur die ''Worte'' und die Ablehnung alles dessen, was du mir zeigen kannst. | ||
250. Sind die Rosen rot im Finstern?—Man kann an die Rose im Finstern als rot denken.— | '''250'''. Sind die Rosen rot im Finstern?—Man kann an die Rose im Finstern als rot denken.— | ||
(Daß man sich etwas 'denken' kann, sagt nicht, daß es Sinn hat, es zu sagen.) | (Daß man sich etwas 'denken' kann, sagt nicht, daß es Sinn hat, es zu sagen.) | ||
251. "Die Annahme, daß dieser Mensch—der sich ganz normal benimmt—dennoch blind ist, hat doch Sinn!"—D. h.: 'es ist doch eine Annahme', 'ich kann doch so etwas wirklich annehmen'. Und das heißt: ich mache mir doch ein Bild von dem, was ich annehme. Wohl, aber geht es weiter? Wenn ich die Annahme, daß einer blind ist, unter andern Umständen mache, bestätige ich mir doch nie, daß diese Annahme wirklich Sinn hat. Und daß ich mir dabei wirklich etwas denke, ein Bild habe, spielt dann gar keine Rolle. Dieses Bild wird erst hier wichtig, wo es sozusagen der einzige Anhaltspunkt dafür ist, daß ich wirklich eine Annahme gemacht habe. Ja es ist alles, was von der Annahme hier noch übrig ist. | '''251'''. "Die Annahme, daß dieser Mensch—der sich ganz normal benimmt—dennoch blind ist, hat doch Sinn!"—D. h.: 'es ist doch eine Annahme', 'ich kann doch so etwas wirklich annehmen'. Und das heißt: ich mache mir doch ein Bild von dem, was ich annehme. Wohl, aber geht es weiter? Wenn ich die Annahme, daß einer blind ist, unter andern Umständen mache, bestätige ich mir doch nie, daß diese Annahme wirklich Sinn hat. Und daß ich mir dabei wirklich etwas denke, ein Bild habe, spielt dann gar keine Rolle. Dieses Bild wird erst hier wichtig, wo es sozusagen der einzige Anhaltspunkt dafür ist, daß ich wirklich eine Annahme gemacht habe. Ja es ist alles, was von der Annahme hier noch übrig ist. | ||
252. "Ich kann mir sehr wohl vorstellen, daß einer so handelt und doch nichts Schandbares in der Handlung sieht."—Und nun folgt eine Beschreibung, wie man sich das vorzustellen habe. | '''252'''. "Ich kann mir sehr wohl vorstellen, daß einer so handelt und doch nichts Schandbares in der Handlung sieht."—Und nun folgt eine Beschreibung, wie man sich das vorzustellen habe. | ||
"Ich kann mir eine menschliche Gesellschaft vorstellen, in welcher es als unanständig gilt zu rechnen, außer zum Zeitvertreib." Das heißt ungefähr soviel wie: ich könnte mir dies Bild leicht weiter ausmalen. | "Ich kann mir eine menschliche Gesellschaft vorstellen, in welcher es als unanständig gilt zu rechnen, außer zum Zeitvertreib." Das heißt ungefähr soviel wie: ich könnte mir dies Bild leicht weiter ausmalen. | ||
253. "Ich habe tatsächlich nie gesehen, daß ein schwarzer Fleck allmählich heller wird, bis er weiß ist, dann das Weiß immer rötlicher, bis er rot ist. Aber ich weiß, daß es möglich ist, weil ich es mir vorstellen kann." | '''253'''. "Ich habe tatsächlich nie gesehen, daß ein schwarzer Fleck allmählich heller wird, bis er weiß ist, dann das Weiß immer rötlicher, bis er rot ist. Aber ich weiß, daß es möglich ist, weil ich es mir vorstellen kann." | ||
254. (Wenn man mit jemandem über eine Zeiteinteilung redet, so geschieht es oft, daß man die Uhr zieht, nicht um zu sehen, wievel Uhr es ist, sondern um sich ein Bild der überdachten Einteilung machen zu können.) | '''254'''. (Wenn man mit jemandem über eine Zeiteinteilung redet, so geschieht es oft, daß man die Uhr zieht, nicht um zu sehen, wievel Uhr es ist, sondern um sich ein Bild der überdachten Einteilung machen zu können.) | ||
255. Wie kann man durch Denken die Wahrheit lernen? Wie man ein Gesicht besser sehen lernt, wenn man es zeichnet. | '''255'''. Wie kann man durch Denken die Wahrheit lernen? Wie man ein Gesicht besser sehen lernt, wenn man es zeichnet. | ||
256. Die Philosophen, die glauben, daß man im Denken die Erfahrung gleichsam ausdehnen kann, sollten daran denken, daß man durchs Telefon die Rede, aber nicht die Masern übertragen kann. | '''256'''. Die Philosophen, die glauben, daß man im Denken die Erfahrung gleichsam ausdehnen kann, sollten daran denken, daß man durchs Telefon die Rede, aber nicht die Masern übertragen kann. | ||
Ich kann auch nicht die Zeit als begrenzt empfinden, wenn ich will, oder das Gesichtsfeld als homogen etc. | Ich kann auch nicht die Zeit als begrenzt empfinden, wenn ich will, oder das Gesichtsfeld als homogen etc. | ||
257. Wäre es möglich, eine ''neue'' Farbe zu entdecken? (Denn der Farbenblinde ist ja in derselben Lage wie wir, seine Farben bilden ein ebenso komplettes System, wie die unsern; er sieht keine Lücke, wo die übrigen Farben noch hinein gehörten.) | '''257'''. Wäre es möglich, eine ''neue'' Farbe zu entdecken? (Denn der Farbenblinde ist ja in derselben Lage wie wir, seine Farben bilden ein ebenso komplettes System, wie die unsern; er sieht keine Lücke, wo die übrigen Farben noch hinein gehörten.) | ||
(Vergleich mit der Mathematik.) | (Vergleich mit der Mathematik.) | ||
258. Man kann in der Logik die Allgemeinheit nicht weiter ausdehnen, als unsere logische Voraussicht reicht. Oder richtiger: als unser logischer Blick reicht. | '''258'''. Man kann in der Logik die Allgemeinheit nicht weiter ausdehnen, als unsere logische Voraussicht reicht. Oder richtiger: als unser logischer Blick reicht. | ||
259. "Wie aber kann der menschliche Verstand der Wirklichkeit vorausfliegen, und selbst das Unverifizierbare ''denken''?"—Warum sollen wir nicht das Unverifizierbare ''reden''? Wir machten es ja selbst unverifizierbar. | '''259'''. "Wie aber kann der menschliche Verstand der Wirklichkeit vorausfliegen, und selbst das Unverifizierbare ''denken''?"—Warum sollen wir nicht das Unverifizierbare ''reden''? Wir machten es ja selbst unverifizierbar. | ||
Es wird ein falscher ''Schein'' erzeugt? Und wie kann es auch nur So ''scheinen''? Willst du denn nicht sagen, daß dies ''so'' auch nicht einmal eine Beschreibung ist? Nun, dann ist es also kein ''falscher'' Schein, sondern vielmehr einer, der uns der Orientierung beraubt. So daß wir uns an den Kopf greifen und eben fragen: Wie ist es möglich? | Es wird ein falscher ''Schein'' erzeugt? Und wie kann es auch nur So ''scheinen''? Willst du denn nicht sagen, daß dies ''so'' auch nicht einmal eine Beschreibung ist? Nun, dann ist es also kein ''falscher'' Schein, sondern vielmehr einer, der uns der Orientierung beraubt. So daß wir uns an den Kopf greifen und eben fragen: Wie ist es möglich? | ||
260. Man kann nur scheinbar "über jede mögliche Erfahrung hinausgehen"; ja, dieses Wort hat auch nur scheinbar Sinn, weil es nach Analogie sinnvoller Ausdrücke gebildet ist. | '''260'''. Man kann nur scheinbar "über jede mögliche Erfahrung hinausgehen"; ja, dieses Wort hat auch nur scheinbar Sinn, weil es nach Analogie sinnvoller Ausdrücke gebildet ist. | ||
261. Die "Philosophie des Als Ob" beruht ganz auf dieser Verwechslung zwischen Gleichnis und Wirklichkeit. | '''261'''. Die "Philosophie des Als Ob" beruht ganz auf dieser Verwechslung zwischen Gleichnis und Wirklichkeit. | ||
262. "Ich kann doch nicht in den Gedanken, durch Worte, eine Voraussicht erschleichen von etwas, was ich ''nicht kenne''. | '''262'''. "Ich kann doch nicht in den Gedanken, durch Worte, eine Voraussicht erschleichen von etwas, was ich ''nicht kenne''. | ||
(Nihil est in intellectu .....) | (Nihil est in intellectu .....) | ||
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Als könnte ich in den Gedanken gleichsam von hinten herum kommen und einen Blick von etwas erhaschen, was von vorn zu sehen unmöglich ist." | Als könnte ich in den Gedanken gleichsam von hinten herum kommen und einen Blick von etwas erhaschen, was von vorn zu sehen unmöglich ist." | ||
263. Daher ist auch etwas daran richtig, daß die Unvorstellbarkeit ein Kriterium der Unsinnigkeit ist. | '''263'''. Daher ist auch etwas daran richtig, daß die Unvorstellbarkeit ein Kriterium der Unsinnigkeit ist. | ||
264. Wie, wenn einer sagte: "Ich kann mir nicht vorstellen, wie das ist, wenn man einen Sessel sieht, außer wenn ich ihn gerade ''sehe''"? Wäre er berechtigt, das zu sagen? | '''264'''. Wie, wenn einer sagte: "Ich kann mir nicht vorstellen, wie das ist, wenn man einen Sessel sieht, außer wenn ich ihn gerade ''sehe''"? Wäre er berechtigt, das zu sagen? | ||
265. ''Bin ich berechtigt'' zu sagen, "Ich kann |||||||||| nicht als Gestalt sehen"? Was berechtigt mich dazu? (Was berechtigt den Blinden zu sagen, er könne nicht sehen?) | '''265'''. ''Bin ich berechtigt'' zu sagen, "Ich kann |||||||||| nicht als Gestalt sehen"? Was berechtigt mich dazu? (Was berechtigt den Blinden zu sagen, er könne nicht sehen?) | ||
266. Kannst du dir absolutes Gehör vorstellen, wenn du es nicht hast?—Kannst du es dir vorstellen, ''wenn'' du es hast?—Kann ein Blinder sich das Sehen vorstellen? Kann ''ich'' mir es vorstellen?—Kann ich mir vorstellen, daß ich so und so spontan reagiere, wenn ich's nicht tue?—Kann ich mir's besser vorstellen, wenn ich's tue? ((Gehört zu der Frage: Kann ich mir vorstellen, daß jemand |||||||||| als artikulierte Gestalt sieht.)) | '''266'''. Kannst du dir absolutes Gehör vorstellen, wenn du es nicht hast?—Kannst du es dir vorstellen, ''wenn'' du es hast?—Kann ein Blinder sich das Sehen vorstellen? Kann ''ich'' mir es vorstellen?—Kann ich mir vorstellen, daß ich so und so spontan reagiere, wenn ich's nicht tue?—Kann ich mir's besser vorstellen, wenn ich's tue? ((Gehört zu der Frage: Kann ich mir vorstellen, daß jemand |||||||||| als artikulierte Gestalt sieht.)) | ||
267. Soll es Erfahrungstatsache sein, daß, wer ein Erlebnis hatte, es sich vorstellen kann, und daß es ein Andrer ''nicht'' kann? (Wie weiß ich, daß der Blinde sich die Farben vorstellen kann?) Aber: er kann ein Sprachspiel nicht spielen (nicht erlernen). Aber wie? Erfahrungsgemäß oder eo ipso? Das letztere. | '''267'''. Soll es Erfahrungstatsache sein, daß, wer ein Erlebnis hatte, es sich vorstellen kann, und daß es ein Andrer ''nicht'' kann? (Wie weiß ich, daß der Blinde sich die Farben vorstellen kann?) Aber: er kann ein Sprachspiel nicht spielen (nicht erlernen). Aber wie? Erfahrungsgemäß oder eo ipso? Das letztere. | ||
268. Was würden wir dem sagen, der behauptete, er könne sich genau vorstellen, wie es ist, absolutes Gehör zu haben, ohne daß er's hat? | '''268'''. Was würden wir dem sagen, der behauptete, er könne sich genau vorstellen, wie es ist, absolutes Gehör zu haben, ohne daß er's hat? | ||
269. Wenn man glaubt, sich einen vierdimensionalen Raum vorstellen zu können, warum nicht auch vierdimensionale Farben, das sind Farben, die außer dem Grad der Sättigung, dem Farbton und der Lichtstärke noch eine vierte Bestimmung zulassen? | '''269'''. Wenn man glaubt, sich einen vierdimensionalen Raum vorstellen zu können, warum nicht auch vierdimensionale Farben, das sind Farben, die außer dem Grad der Sättigung, dem Farbton und der Lichtstärke noch eine vierte Bestimmung zulassen? | ||
270. "Wie kann es denn Sinn haben, von einer mir ganz neuen Art der Sinneswahrnehmung zu reden, die ich vielleicht einmal haben werde? Wenn du nämlich nicht etwa vom Sinnes''organ'' reden willst." | '''270'''. "Wie kann es denn Sinn haben, von einer mir ganz neuen Art der Sinneswahrnehmung zu reden, die ich vielleicht einmal haben werde? Wenn du nämlich nicht etwa vom Sinnes''organ'' reden willst." | ||
271. Wozu dient ein Satz wie dieser: "Wir können uns die Empfindungen eines Jongleurs wie Rastelli gar nicht vorstellen"? | '''271'''. Wozu dient ein Satz wie dieser: "Wir können uns die Empfindungen eines Jongleurs wie Rastelli gar nicht vorstellen"? | ||
272. "Es hat Sinn, von einer endlosen Baumreihe zu reden; ich kann mir doch vorstellen, daß eine Baumreihe ohne Ende weiterläuft." D. h. etwa: Wenn es Sinn hat zu sagen, die Baumreihe komme hier zu einem Ende, hat es Sinn zu sagen, [sie komme nie zu einem Ende]."<ref>Vermutung der Herausgeber.</ref> Ramsey pflegte auf solche Fragen zu antworten: es sei ''eben doch'' möglich, so etwas zu denken. So etwa, wie man sagt "Die Technik leistet heute eben Dinge, die du dir gar nic vorstellen kannst."——Nun, da muß man herausfinden, was du dabei denkst. (Daß du versicherst, diese Phrase ließe sich ''denken''—was kann ich damit machen? Darauf kommt es ja nicht an. Ihr Zweck ist ja nicht der, Nebel in deiner Seele aufsteigen zu lassen.) ''Was'' du meinst—Wie ist es herauszufinden? Wir müssen geduldig prüfen, wie dieser Satz angewandt werden soll. Wie ''rund um ihn'' alles aussieht. Da wird sich sein Sinn zeigen. | '''272'''. "Es hat Sinn, von einer endlosen Baumreihe zu reden; ich kann mir doch vorstellen, daß eine Baumreihe ohne Ende weiterläuft." D. h. etwa: Wenn es Sinn hat zu sagen, die Baumreihe komme hier zu einem Ende, hat es Sinn zu sagen, [sie komme nie zu einem Ende]."<ref>Vermutung der Herausgeber.</ref> Ramsey pflegte auf solche Fragen zu antworten: es sei ''eben doch'' möglich, so etwas zu denken. So etwa, wie man sagt "Die Technik leistet heute eben Dinge, die du dir gar nic vorstellen kannst."——Nun, da muß man herausfinden, was du dabei denkst. (Daß du versicherst, diese Phrase ließe sich ''denken''—was kann ich damit machen? Darauf kommt es ja nicht an. Ihr Zweck ist ja nicht der, Nebel in deiner Seele aufsteigen zu lassen.) ''Was'' du meinst—Wie ist es herauszufinden? Wir müssen geduldig prüfen, wie dieser Satz angewandt werden soll. Wie ''rund um ihn'' alles aussieht. Da wird sich sein Sinn zeigen. | ||
273. Hardy: "That 'the finite cannot understand the infinite' should surely be a theological and not a mathematical war-cry." Es ist wahr, dieser Ausdruck ist ungeschickt. Aber was Leute damit sagen wollen, ist: "Es muß hier doch mit rechten Dingen zugehen! Woher dieser Sprung von Endlichen zum Unendlichen?” Und so ganz unsinnig ist die Ausdrucksweise auch nicht—nur ist das 'Endliche', was das Unendliche nicht soll denken können, nicht der Mensch', oder 'unser Verstand', sondern der Kalkül. Und ''wie'' dieser das 'Unendliche' denkt, dies ist wohl einer Untersuchung wert. Und die ist zu vergleichen der genauen Untersuchung und Klärung der Geschäftsgebarung eines Unternehmens durch einen Chartered Accountant. Das Ziel ist eine übersichtliche, vergleichende Darstellung aller Anwendungen, Illustrationen, Auffassungen des Kalküls. Die vollkommene Übersicht über alles, was Unklarheit schaffen kann. Und diese Übersicht muß sich auf ein weites Gebiet erstrecken, denn die Wurzeln unserer Ideen reichen weit.—"Das Endliche kann nicht das Unendliche verstehen", heißt hier: ''So'' kann es nicht zugehen, wie ihr es in charakteristischer Oberflächlichkeit darstellt. | '''273'''. Hardy: "That 'the finite cannot understand the infinite' should surely be a theological and not a mathematical war-cry." Es ist wahr, dieser Ausdruck ist ungeschickt. Aber was Leute damit sagen wollen, ist: "Es muß hier doch mit rechten Dingen zugehen! Woher dieser Sprung von Endlichen zum Unendlichen?” Und so ganz unsinnig ist die Ausdrucksweise auch nicht—nur ist das 'Endliche', was das Unendliche nicht soll denken können, nicht der Mensch', oder 'unser Verstand', sondern der Kalkül. Und ''wie'' dieser das 'Unendliche' denkt, dies ist wohl einer Untersuchung wert. Und die ist zu vergleichen der genauen Untersuchung und Klärung der Geschäftsgebarung eines Unternehmens durch einen Chartered Accountant. Das Ziel ist eine übersichtliche, vergleichende Darstellung aller Anwendungen, Illustrationen, Auffassungen des Kalküls. Die vollkommene Übersicht über alles, was Unklarheit schaffen kann. Und diese Übersicht muß sich auf ein weites Gebiet erstrecken, denn die Wurzeln unserer Ideen reichen weit.—"Das Endliche kann nicht das Unendliche verstehen", heißt hier: ''So'' kann es nicht zugehen, wie ihr es in charakteristischer Oberflächlichkeit darstellt. | ||
Der Gedanke kann gleichsam ''fliegen'', er braucht nicht zu gehen. Du verstehst, d. h. übersiehst deine Transaktionen nicht und projizierst quasi dein Unverständnis in die Idee eines Mediums, in dem das Erstaunlichste möglich ist. | Der Gedanke kann gleichsam ''fliegen'', er braucht nicht zu gehen. Du verstehst, d. h. übersiehst deine Transaktionen nicht und projizierst quasi dein Unverständnis in die Idee eines Mediums, in dem das Erstaunlichste möglich ist. | ||
274. Das 'wirklich Unendliche' ist ein 'bloßes Wort'. Besser wäre zu sagen: dieser Ausdruck schafft vorläufig bloß ein Bild,—das noch in der Luft hängt; dessen Anwendung du uns noch schuldig bist. | '''274'''. Das 'wirklich Unendliche' ist ein 'bloßes Wort'. Besser wäre zu sagen: dieser Ausdruck schafft vorläufig bloß ein Bild,—das noch in der Luft hängt; dessen Anwendung du uns noch schuldig bist. | ||
275. Eine unendlich lange Kugelreihe, ein unendlich langer Stab. Denk dir, davon sei in einer Art Märchen die Rede. Welche Anwendung könnte man, wenn auch nur fiktiv, von diesem Begriff machen? Die Frage sei jetzt nicht: Kann es so etwas geben? Sondern: Was stellen wir uns vor? Lass also deiner Einbildung wirklich die Zügel schießen! Du kannst es jetzt haben, wie du's willst. Du brauchst nur zu ''sagen'', wie du's willst. Mach also (nur) ein Wortbild; illustrier es, wie du willst—durch Zeichnungen, durch Vergleiche etc.! Du kannst also—gleichsam—eine Werkzeichnung anfertigen.—Und nun ist noch die Frage, wie nach ihr gearbeitet werden soll. | '''275'''. Eine unendlich lange Kugelreihe, ein unendlich langer Stab. Denk dir, davon sei in einer Art Märchen die Rede. Welche Anwendung könnte man, wenn auch nur fiktiv, von diesem Begriff machen? Die Frage sei jetzt nicht: Kann es so etwas geben? Sondern: Was stellen wir uns vor? Lass also deiner Einbildung wirklich die Zügel schießen! Du kannst es jetzt haben, wie du's willst. Du brauchst nur zu ''sagen'', wie du's willst. Mach also (nur) ein Wortbild; illustrier es, wie du willst—durch Zeichnungen, durch Vergleiche etc.! Du kannst also—gleichsam—eine Werkzeichnung anfertigen.—Und nun ist noch die Frage, wie nach ihr gearbeitet werden soll. | ||
276. Ich glaube, im Reihenstück ganz fein eine Zeichnung zu erblicken, die nurmehr des "u.s.w." bedarf, um in die Unendlichkeit zu reichen. | '''276'''. Ich glaube, im Reihenstück ganz fein eine Zeichnung zu erblicken, die nurmehr des "u.s.w." bedarf, um in die Unendlichkeit zu reichen. | ||
"Ich erblicke ein Charakteristikum in ihr.”—Nun, doch etwas, was dem algebraischen Ausdruck entspricht.—"Ja, aber nichts Geschriebenes, sondern förmlich etwas Ätherisches."—Welches seltsame Bild.—"Etwas, was nicht der algebraische Ausdruck ist, sondern wofür dieser nur eben der ''Ausdruck'' ist." | "Ich erblicke ein Charakteristikum in ihr.”—Nun, doch etwas, was dem algebraischen Ausdruck entspricht.—"Ja, aber nichts Geschriebenes, sondern förmlich etwas Ätherisches."—Welches seltsame Bild.—"Etwas, was nicht der algebraische Ausdruck ist, sondern wofür dieser nur eben der ''Ausdruck'' ist." | ||
277. Ich erblicke etwas in ihr—ähnlich wie eine Gestalt im Vexierbild. Und sehe ich das, so sage ich "Das ist alles, was ich brauche."—Wer den Wegweiser findet, sucht nun nicht nach einer weiteren Instruktion, sondern er ''geht''. (Und sagte ich statt "er geht" "er richtet sich nun nach ihm", so könnte der Unterschied der beiden nur sein, daß der zweite Ausdruck auf gewisse psychologische Begleiterscheinungen anspielt.) | '''277'''. Ich erblicke etwas in ihr—ähnlich wie eine Gestalt im Vexierbild. Und sehe ich das, so sage ich "Das ist alles, was ich brauche."—Wer den Wegweiser findet, sucht nun nicht nach einer weiteren Instruktion, sondern er ''geht''. (Und sagte ich statt "er geht" "er richtet sich nun nach ihm", so könnte der Unterschied der beiden nur sein, daß der zweite Ausdruck auf gewisse psychologische Begleiterscheinungen anspielt.) | ||
278. Was heißt es: Man kann eine gerade Strecke beliebig verlängern? Gibt es hier nicht ein "Und so weiter ad inf.", das ganz verschieden ist von dem der mathematischen Induktion? Nach dem Bisherigen bestünde der Ausdruck für die Möglichkeit der Verlängerns, im Sinn der Beschreibung des verlängerten Stückes oder des Verlängerns. Hier scheint es sich nun zunächst gar nicht um Zahlen zu handeln. Ich kann mir denken, daß der Bleistift, der die Strecke zeichnet, seine Bewegung fortsetzt und nun immer so weiter geht. Ist es aber auch denkbar, daß die Möglichkeit nicht besteht, diesen Vorgang mit einem zählbaren Vorgang zu begleiten? Ich glaube nicht. | '''278'''. Was heißt es: Man kann eine gerade Strecke beliebig verlängern? Gibt es hier nicht ein "Und so weiter ad inf.", das ganz verschieden ist von dem der mathematischen Induktion? Nach dem Bisherigen bestünde der Ausdruck für die Möglichkeit der Verlängerns, im Sinn der Beschreibung des verlängerten Stückes oder des Verlängerns. Hier scheint es sich nun zunächst gar nicht um Zahlen zu handeln. Ich kann mir denken, daß der Bleistift, der die Strecke zeichnet, seine Bewegung fortsetzt und nun immer so weiter geht. Ist es aber auch denkbar, daß die Möglichkeit nicht besteht, diesen Vorgang mit einem zählbaren Vorgang zu begleiten? Ich glaube nicht. | ||
279. Wann sagen wir: "Die Linie gibt mir das ''als Regel'' ein—immer das Gleiche."? Und anderseits: "Sie gibt mir immer wieder ein, was ich zu tun habe—sie ist keine Regel."? | '''279'''. Wann sagen wir: "Die Linie gibt mir das ''als Regel'' ein—immer das Gleiche."? Und anderseits: "Sie gibt mir immer wieder ein, was ich zu tun habe—sie ist keine Regel."? | ||
Im ersten Fall heißt es: ich habe keine weitere Instanz dafür, was ich zu tun habe. Die Regel tut es ganz allein; ich brauche ihr nur zu folgen (und folgen ist eben ''eins''). Ich fühle nicht z. B.: es ist seltsam, daß mir die Linie immer etwas sagt.—Der andre Satz sagt: Ich weiß nicht, was ich tun werde; die Linie wird's mir sagen. | Im ersten Fall heißt es: ich habe keine weitere Instanz dafür, was ich zu tun habe. Die Regel tut es ganz allein; ich brauche ihr nur zu folgen (und folgen ist eben ''eins''). Ich fühle nicht z. B.: es ist seltsam, daß mir die Linie immer etwas sagt.—Der andre Satz sagt: Ich weiß nicht, was ich tun werde; die Linie wird's mir sagen. | ||
280. Man könnte sich denken, daß einer mit solchen Gefühlen multipliziert, richtig multipliziert; immer wieder sagt "Ich weiß nicht—jetzt gibt mir die Regel auf einmal ''das'' ein!"—und daß wir antworten: "Freilich; du gehst ja ganz nach der Regel vor." | '''280'''. Man könnte sich denken, daß einer mit solchen Gefühlen multipliziert, richtig multipliziert; immer wieder sagt "Ich weiß nicht—jetzt gibt mir die Regel auf einmal ''das'' ein!"—und daß wir antworten: "Freilich; du gehst ja ganz nach der Regel vor." | ||
281. Zu sagen, die Punkte, die dieses Experiment liefert, liegen durchschnittlich auf dieser Linie, z. B. einer Geraden, sagt etwas Ähnliches, wie: "Aus dieser Entfernung gesehen, scheinen sie in einer Geraden zu liegen." | '''281'''. Zu sagen, die Punkte, die dieses Experiment liefert, liegen durchschnittlich auf dieser Linie, z. B. einer Geraden, sagt etwas Ähnliches, wie: "Aus dieser Entfernung gesehen, scheinen sie in einer Geraden zu liegen." | ||
Ich kann von einer Strecke sagen, der allgemeine Eindruck ist der einer Geraden; aber nicht von der Linie [[File:Zettel 281.png|90px|link=]]; obwohl es möglich wäre, sie als Stück einer längeren Linie zu sehen, in der sich die Abweichung von der Geraden verlieren würden. Ich kann nicht sagen: "Dies Linienstück schaut gerade aus, denn es kann das Stück einer Linie sein, die mir als Ganzes den Eindruck der Geraden macht.” (Berge auf der Erde und auf dem Mond. Erde eine Kugel.) | Ich kann von einer Strecke sagen, der allgemeine Eindruck ist der einer Geraden; aber nicht von der Linie [[File:Zettel 281.png|90px|link=]]; obwohl es möglich wäre, sie als Stück einer längeren Linie zu sehen, in der sich die Abweichung von der Geraden verlieren würden. Ich kann nicht sagen: "Dies Linienstück schaut gerade aus, denn es kann das Stück einer Linie sein, die mir als Ganzes den Eindruck der Geraden macht.” (Berge auf der Erde und auf dem Mond. Erde eine Kugel.) | ||
282. "Sie gibt mir verantwortungslos dies oder das ein" heißt: ich kann es dich nicht lehren, ''wie'' ich der Linie folge. Ich setze nicht voraus, daß du ihr folgen wirst wie ich, auch wenn du ihr folgst. | '''282'''. "Sie gibt mir verantwortungslos dies oder das ein" heißt: ich kann es dich nicht lehren, ''wie'' ich der Linie folge. Ich setze nicht voraus, daß du ihr folgen wirst wie ich, auch wenn du ihr folgst. | ||
283. Was heißt es: verstehen, daß etwas ein Befehl ist, wenn man auch den Befehl selber noch nicht versteht? ("Er meint: ich soll etwas tun—aber ''was'' er wünscht, weiß ich nicht.") | '''283'''. Was heißt es: verstehen, daß etwas ein Befehl ist, wenn man auch den Befehl selber noch nicht versteht? ("Er meint: ich soll etwas tun—aber ''was'' er wünscht, weiß ich nicht.") | ||
284. Der Satz "Ich muß den Befehl verstehen, ehe ich nach ihm handeln kann", hat natürlich einen guten Sinn; aber wieder keinen metalogischen. | '''284'''. Der Satz "Ich muß den Befehl verstehen, ehe ich nach ihm handeln kann", hat natürlich einen guten Sinn; aber wieder keinen metalogischen. | ||
285. Die Idee, die man dabei vom Verstchen hat, ist etwa, daß man dadurch von den Worten näher an die Ausführung heran kommt.—In welchem Sinne ist das richtig? | '''285'''. Die Idee, die man dabei vom Verstchen hat, ist etwa, daß man dadurch von den Worten näher an die Ausführung heran kommt.—In welchem Sinne ist das richtig? | ||
286. "Aber ich muß einen Befehl verstehen, um nach ihm handeln zu können." Hier ist das "''Muß''" verdächtig.— | '''286'''. "Aber ich muß einen Befehl verstehen, um nach ihm handeln zu können." Hier ist das "''Muß''" verdächtig.— | ||
Denk auch an die Frage: "Wie lange vor dem Befolgen mußt du den Befehl verstehen?" | Denk auch an die Frage: "Wie lange vor dem Befolgen mußt du den Befehl verstehen?" | ||
287. "Ich kann den Befehl nicht ausführen, weil ich nicht verstehe, was du meinst.——Ja, jetzt verstehe ich dich."—Was ging da vor, als ich plötzlich den Andern verstand? Da gab es viele Möglichkeiten. Der Befehl konnte z. B. mit falscher Betonung gegeben worden sein; und es fiel mir plötzlich die richtige Betonung ein. Einem Dritten würde ich dann sagen "Jetzt verstehe ich ihn, er meint ....." und würde den Befehl in richtiger Betonung wiederholen. Und in der richtigen Betonung verstünde ich ihn nun; d. h., ich müßte nun nicht noch einen ''Sinn'' erfassen (etwas ''außerhalb'' des Satzes, also ätherisches), sondern es genügt mir vollkommen der wohlbekannte deutsche Wortlaut.—Oder der Befehl ist mir in verständlichem Deutsch gegeben worden, schien mir aber ungereimt. Dann fällt mir eine Erklärung ein; und nun kann ich ihn ausführen.—Oder es konnten mir mehrere Deutungen vorschweben, für deren eine ich mich endlich entscheide. | '''287'''. "Ich kann den Befehl nicht ausführen, weil ich nicht verstehe, was du meinst.——Ja, jetzt verstehe ich dich."—Was ging da vor, als ich plötzlich den Andern verstand? Da gab es viele Möglichkeiten. Der Befehl konnte z. B. mit falscher Betonung gegeben worden sein; und es fiel mir plötzlich die richtige Betonung ein. Einem Dritten würde ich dann sagen "Jetzt verstehe ich ihn, er meint ....." und würde den Befehl in richtiger Betonung wiederholen. Und in der richtigen Betonung verstünde ich ihn nun; d. h., ich müßte nun nicht noch einen ''Sinn'' erfassen (etwas ''außerhalb'' des Satzes, also ätherisches), sondern es genügt mir vollkommen der wohlbekannte deutsche Wortlaut.—Oder der Befehl ist mir in verständlichem Deutsch gegeben worden, schien mir aber ungereimt. Dann fällt mir eine Erklärung ein; und nun kann ich ihn ausführen.—Oder es konnten mir mehrere Deutungen vorschweben, für deren eine ich mich endlich entscheide. | ||
288. Wenn der Befehl ''nicht'' befolgt wird—wo ist dann der Schatten seiner Befolgung, den du zu sehen meintest; weil dir die Form vorschwebte: Er befiehlt ''das und das''. | '''288'''. Wenn der Befehl ''nicht'' befolgt wird—wo ist dann der Schatten seiner Befolgung, den du zu sehen meintest; weil dir die Form vorschwebte: Er befiehlt ''das und das''. | ||
289. Wenn die Verbindung des Meinens ''vor'' dem Befehl hergestellt werden konnte, dann auch nach dem Befehl. | '''289'''. Wenn die Verbindung des Meinens ''vor'' dem Befehl hergestellt werden konnte, dann auch nach dem Befehl. | ||
290. “Er hat ''das'' getan, was ich ihm befohlen habe.”—Warum soll man hier nicht sagen: es sei eine Identität der Handlung und der ''Worte''?! Wozu soll ich einen Schatten zwischen die beiden stellen? Wir haben ja eine Projektionsmethode.—Nur ist es eine andere Identität: "Ich habe das getan, was er getan hat" und anderseits "Ich habe das getan, was er befohlen hat". | '''290'''. “Er hat ''das'' getan, was ich ihm befohlen habe.”—Warum soll man hier nicht sagen: es sei eine Identität der Handlung und der ''Worte''?! Wozu soll ich einen Schatten zwischen die beiden stellen? Wir haben ja eine Projektionsmethode.—Nur ist es eine andere Identität: "Ich habe das getan, was er getan hat" und anderseits "Ich habe das getan, was er befohlen hat". | ||
291. "Verbindung des Bildes mit dem Abgebildeten" könnte man die Projektionsstrahlen nennen; aber auch die Technik des Projizierens. | '''291'''. "Verbindung des Bildes mit dem Abgebildeten" könnte man die Projektionsstrahlen nennen; aber auch die Technik des Projizierens. | ||
292. Die Doppeldeutigkeit unserer Ausdrucksweise: Wenn uns ein Befehl in einer Chiffer gegeben wäre und der Schlüssel zur Übersetzung ins Deutsche, so könnten wir den Vorgang, den deutschen Befehl zu bilden, mit den Worten bezeichnen: "aus der Chiffer ableiten, was wir zu tun haben", oder "ableiten, welches die Befolgung des Befehls ist". Wenn wir anderseits nach dem Befehl handeln, ihn befolgen, so kann man auch hier in gewissen Fällen von einem Ableiten der Befolgung reden. | '''292'''. Die Doppeldeutigkeit unserer Ausdrucksweise: Wenn uns ein Befehl in einer Chiffer gegeben wäre und der Schlüssel zur Übersetzung ins Deutsche, so könnten wir den Vorgang, den deutschen Befehl zu bilden, mit den Worten bezeichnen: "aus der Chiffer ableiten, was wir zu tun haben", oder "ableiten, welches die Befolgung des Befehls ist". Wenn wir anderseits nach dem Befehl handeln, ihn befolgen, so kann man auch hier in gewissen Fällen von einem Ableiten der Befolgung reden. | ||
293. Ich gebe die Regeln eines Spiels. Der Andere macht, diesen Regeln ganz entsprechend, einen Zug, dessen Möglichkeit ich nicht vorausgesehen hatte, und der das Spiel stört, so wie ich's nämlich wollte. Ich muß nun sagen: "Ich habe schlechte Regeln gegeben"; ich muß meine Regeln ändern oder vielleicht ergänzen. | '''293'''. Ich gebe die Regeln eines Spiels. Der Andere macht, diesen Regeln ganz entsprechend, einen Zug, dessen Möglichkeit ich nicht vorausgesehen hatte, und der das Spiel stört, so wie ich's nämlich wollte. Ich muß nun sagen: "Ich habe schlechte Regeln gegeben"; ich muß meine Regeln ändern oder vielleicht ergänzen. | ||
So habe ich also schon zum Voraus ein Bild des Spiels? In gewissem Sinne: ja! | So habe ich also schon zum Voraus ein Bild des Spiels? In gewissem Sinne: ja! | ||
Line 898: | Line 898: | ||
Die Regel führt mich also zu etwas, wovon ich sage: "Dieses Bild hatte ich nicht erwartet; ich stellte mir eine Lösung immer ''so'' vor: ......" | Die Regel führt mich also zu etwas, wovon ich sage: "Dieses Bild hatte ich nicht erwartet; ich stellte mir eine Lösung immer ''so'' vor: ......" | ||
294. Im einen Fall machen wir den Zug eines bestehenden Spiels, im andern setzen wir eine Spielregel fest. Man könnte auch das Zichen mit einer Spielfigur auf diese beiden Arten auffassen: als Paradigma für künftige Züge, und als Zug einer Partie. | '''294'''. Im einen Fall machen wir den Zug eines bestehenden Spiels, im andern setzen wir eine Spielregel fest. Man könnte auch das Zichen mit einer Spielfigur auf diese beiden Arten auffassen: als Paradigma für künftige Züge, und als Zug einer Partie. | ||
295. Du mußt bedenken, daß es ein Sprachspiel geben kann, 'eine Reihe von Ziffern fortsetzen', in dem keine Regel, kein Regelausdruck je gegeben wird, sondern das Lernen nur durch Beispiele geschicht. So daß die Idee, jeder Schritt sei durch ein Etwas—eine Art Vorbild—in unserm Geiste zu rechtfertigen, diesen Leuten gänzlich fremd wäre. | '''295'''. Du mußt bedenken, daß es ein Sprachspiel geben kann, 'eine Reihe von Ziffern fortsetzen', in dem keine Regel, kein Regelausdruck je gegeben wird, sondern das Lernen nur durch Beispiele geschicht. So daß die Idee, jeder Schritt sei durch ein Etwas—eine Art Vorbild—in unserm Geiste zu rechtfertigen, diesen Leuten gänzlich fremd wäre. | ||
296. Wie seltsam: Es scheint, als ob zwar eine physische (mechanische) Führung versagen, Unvorhergesehenes zulassen könnte, aber eine Regel nicht! Sie wäre sozusagen die einzig verläßliche Führung. Aber worin besteht es, daß eine Führung eine Bewegung nicht zuläßt und worin, daß eine Regel sie nicht zuläßt?—Wie weiß man das eine, und wie das andere? | '''296'''. Wie seltsam: Es scheint, als ob zwar eine physische (mechanische) Führung versagen, Unvorhergesehenes zulassen könnte, aber eine Regel nicht! Sie wäre sozusagen die einzig verläßliche Führung. Aber worin besteht es, daß eine Führung eine Bewegung nicht zuläßt und worin, daß eine Regel sie nicht zuläßt?—Wie weiß man das eine, und wie das andere? | ||
297. "Wie mach ich's denn, um ein Wort immer richtig, d. h., sinnvoll anzuwenden; schau ich immer in der Grammatik nach? Nein; daß ich etwas meine—was ich meine, hindert mich, Unsinn zu sagen."—"Ich meine etwas mit den Worten" heißt hier: Ich ''weiß'', daß ich sie anwenden kann. | '''297'''. "Wie mach ich's denn, um ein Wort immer richtig, d. h., sinnvoll anzuwenden; schau ich immer in der Grammatik nach? Nein; daß ich etwas meine—was ich meine, hindert mich, Unsinn zu sagen."—"Ich meine etwas mit den Worten" heißt hier: Ich ''weiß'', daß ich sie anwenden kann. | ||
Ich kann aber glauben, sie anwenden zu können, und es zeigt sich, daß ich im Irrtum war. | Ich kann aber glauben, sie anwenden zu können, und es zeigt sich, daß ich im Irrtum war. | ||
298. Daraus folgt nicht, daß Verstehen die Tätigkeit ist, durch die wir unser Verständnis zeigen. Die Frage, ob es diese Tätigkeit ist, ist irreführend. Sie darf nicht so aufgefaßt werden: "Ist also das Verstehen diese Tätigkeit—ist es nicht doch eine ''andere''?"—Sondern so: "Wird 'Verstehen' zur Bezeichnung dieser Tätigkeit gebraucht wird es nicht ''anders'' gebraucht?" | '''298'''. Daraus folgt nicht, daß Verstehen die Tätigkeit ist, durch die wir unser Verständnis zeigen. Die Frage, ob es diese Tätigkeit ist, ist irreführend. Sie darf nicht so aufgefaßt werden: "Ist also das Verstehen diese Tätigkeit—ist es nicht doch eine ''andere''?"—Sondern so: "Wird 'Verstehen' zur Bezeichnung dieser Tätigkeit gebraucht wird es nicht ''anders'' gebraucht?" | ||
299. Wir sagen: "Wenn ihr beim Multiplizieren wirklich der Regel folgt, ''muß'' das Gleiche herauskommen." Nun, wenn dies nur die etwas hysterische Ausdrucksweise der Universitätssprache ist, so braucht sie uns nicht sehr zu interessieren. Es ist aber der Ausdruck einer Einstellung zu der Technik des Rechnens, die sich überall in unserm Leben zeigt. Die Emphase des Muß entspricht nur der Unerbittlichkeit dieser Einstellung, sowohl zur Technik des Rechnens, als auch zu unzähligen verwandten Übungen. | '''299'''. Wir sagen: "Wenn ihr beim Multiplizieren wirklich der Regel folgt, ''muß'' das Gleiche herauskommen." Nun, wenn dies nur die etwas hysterische Ausdrucksweise der Universitätssprache ist, so braucht sie uns nicht sehr zu interessieren. Es ist aber der Ausdruck einer Einstellung zu der Technik des Rechnens, die sich überall in unserm Leben zeigt. Die Emphase des Muß entspricht nur der Unerbittlichkeit dieser Einstellung, sowohl zur Technik des Rechnens, als auch zu unzähligen verwandten Übungen. | ||
300. Mit den Worten: "''Diese'' Zahl ist die folgerechte Fortsetzung dieser Reihe," könnte ich einen dazu bringen, daß er in Zukunft das und das "folgerechte Fortsetzung" nennt. Was 'das und das' ist, kann ich nur an Beispielen zeigen. D. h., ich lehre ihn eine Reihe (Grundreihe) fortsetzen, ohne einen Ausdruck des 'Gesetzes der Reihe' zu verwenden; vielmehr, um ein Substrat zu erhalten für die Bedeutung algebraischer Regeln, oder was ihnen ähnlich ist. | '''300'''. Mit den Worten: "''Diese'' Zahl ist die folgerechte Fortsetzung dieser Reihe," könnte ich einen dazu bringen, daß er in Zukunft das und das "folgerechte Fortsetzung" nennt. Was 'das und das' ist, kann ich nur an Beispielen zeigen. D. h., ich lehre ihn eine Reihe (Grundreihe) fortsetzen, ohne einen Ausdruck des 'Gesetzes der Reihe' zu verwenden; vielmehr, um ein Substrat zu erhalten für die Bedeutung algebraischer Regeln, oder was ihnen ähnlich ist. | ||
301. Er muß ''ohne Grund'' so fortsetzen. Aber nicht, weil man ihm den Grund noch nicht begreiflich machen kann, sondern weil es—in ''diesem'' System—keinen Grund gibt. ("Die Kette der Gründe hat ein Ende.”) | '''301'''. Er muß ''ohne Grund'' so fortsetzen. Aber nicht, weil man ihm den Grund noch nicht begreiflich machen kann, sondern weil es—in ''diesem'' System—keinen Grund gibt. ("Die Kette der Gründe hat ein Ende.”) | ||
Und das ''so'' (in "so fortsetzen") ist durch eine Ziffer, einen Wert, bezeichnet. Denn auf ''dieser'' Stufe wird der Regelausdruck durch den Wert erklärt, nicht der Wert durch die Regel. | Und das ''so'' (in "so fortsetzen") ist durch eine Ziffer, einen Wert, bezeichnet. Denn auf ''dieser'' Stufe wird der Regelausdruck durch den Wert erklärt, nicht der Wert durch die Regel. | ||
302. Denn dort, wo es heißt "Aber ''siehst'' du denn nicht .....?" nützt ja eben die Regel nichts, sie ist Erklärtes, nicht Erklärendes. | '''302'''. Denn dort, wo es heißt "Aber ''siehst'' du denn nicht .....?" nützt ja eben die Regel nichts, sie ist Erklärtes, nicht Erklärendes. | ||
303. "Er erfaßt die Regel intuitiv."—Warum aber die Regel? Und nicht, wie er jetzt fortsetzen soll? | '''303'''. "Er erfaßt die Regel intuitiv."—Warum aber die Regel? Und nicht, wie er jetzt fortsetzen soll? | ||
304. “Hat er nur das Richtige gesehen, diejenige der unendlich vielen Beziehungen, die ich ihm nahezubringen trachte,—hat er sie nur einmal erfaßt, so wird er jetzt ohne weiteres die Reihe richtig fortsetzen. Ich gebe zu, er kann diese Beziehung, die ich meine, nur erraten (intuitiv erraten)—ist es aber gelungen, dann ist das Spiel gewonnen."—Aber dieses Richtige von mir Gemeinte gibt es gar nicht. Der Vergleich ist falsch. Es gibt hier nicht quasi ein Rädchen, das er erfassen soll, die richtige Maschine, die ihn, einmal gewählt, automatisch weiterbringt. Es könnte ja sein, daß sich in unserm Gehirn so etwas abspielt, aber das interessiert uns nicht. | '''304'''. “Hat er nur das Richtige gesehen, diejenige der unendlich vielen Beziehungen, die ich ihm nahezubringen trachte,—hat er sie nur einmal erfaßt, so wird er jetzt ohne weiteres die Reihe richtig fortsetzen. Ich gebe zu, er kann diese Beziehung, die ich meine, nur erraten (intuitiv erraten)—ist es aber gelungen, dann ist das Spiel gewonnen."—Aber dieses Richtige von mir Gemeinte gibt es gar nicht. Der Vergleich ist falsch. Es gibt hier nicht quasi ein Rädchen, das er erfassen soll, die richtige Maschine, die ihn, einmal gewählt, automatisch weiterbringt. Es könnte ja sein, daß sich in unserm Gehirn so etwas abspielt, aber das interessiert uns nicht. | ||
305. "Tu dasselbe!" Aber dabei muß ich ja auf die Regel zeigen. Die muß er also schon ''anzuwenden'' gelernt haben. Denn was bedeutet ihr Ausdruck sonst für ihn? | '''305'''. "Tu dasselbe!" Aber dabei muß ich ja auf die Regel zeigen. Die muß er also schon ''anzuwenden'' gelernt haben. Denn was bedeutet ihr Ausdruck sonst für ihn? | ||
306. Die Bedeutung der Regel erraten, sie intuitiv zu erfassen, könnte doch nur heißen: ihre ''Anwendung'' erraten. Und das kann nun nicht heißen: die ''Art'', die ''Regel'' ihrer Anwendung erraten. Und vom Erraten ist hier überhaupt keine Rede. | '''306'''. Die Bedeutung der Regel erraten, sie intuitiv zu erfassen, könnte doch nur heißen: ihre ''Anwendung'' erraten. Und das kann nun nicht heißen: die ''Art'', die ''Regel'' ihrer Anwendung erraten. Und vom Erraten ist hier überhaupt keine Rede. | ||
307. Ich könnte z. B. erraten, welche Fortsetzung dem Andern ''Freude'' machen wird (etwa nach seinem Gesicht). Die Anwendung der Regel erraten könnte man nur, sofern man bereits unter verschiedenen Anwendungen wählen kann. | '''307'''. Ich könnte z. B. erraten, welche Fortsetzung dem Andern ''Freude'' machen wird (etwa nach seinem Gesicht). Die Anwendung der Regel erraten könnte man nur, sofern man bereits unter verschiedenen Anwendungen wählen kann. | ||
308. Man könnte sich ja dann auch denken, daß er, statt die 'Anwendung der Regel zu erraten', sie ''erfindet''. Nun, wie sähe das aus?—Soll er etwa sagen: "Der Regel + 1" folgen, möge einmal heißen zu schreiben: 1, 1+1, 1+1+1, u. s. w."? Aber was meint er damit? Das "u. s. w." setzt ja eben schon das Beherrschen einer Technik voraus. | '''308'''. Man könnte sich ja dann auch denken, daß er, statt die 'Anwendung der Regel zu erraten', sie ''erfindet''. Nun, wie sähe das aus?—Soll er etwa sagen: "Der Regel + 1" folgen, möge einmal heißen zu schreiben: 1, 1+1, 1+1+1, u. s. w."? Aber was meint er damit? Das "u. s. w." setzt ja eben schon das Beherrschen einer Technik voraus. | ||
Statt "u. s. w." hätte er auch sagen können: "Du weißt schon, was ich meine." Und seine Erklärung wäre einfach eine ''Definition'' des Ausdrucks "der Regel + 1 folgen" gewesen. ''Das'' wäre seine "Erfindung" gewesen. | Statt "u. s. w." hätte er auch sagen können: "Du weißt schon, was ich meine." Und seine Erklärung wäre einfach eine ''Definition'' des Ausdrucks "der Regel + 1 folgen" gewesen. ''Das'' wäre seine "Erfindung" gewesen. | ||
309. Wir kopieren die Ziffern von 1 bis 100 etwa und ''schließen'', ''denken'' auf diese Weise. | '''309'''. Wir kopieren die Ziffern von 1 bis 100 etwa und ''schließen'', ''denken'' auf diese Weise. | ||
Ich könnte es so sagen: Wenn ich die Ziffern von 1 bis 100 kopiere,—wie weiß ich, daß ich eine Ziffernreihe erhalten werde, die beim Zählen stimmt? Und ''was'' ist hier eine Kontrolle ''wofür''? Oder wie soll ich hier die wichtige Erfahrungstatsache beschreiben? Soll ich sagen, die Erfahrung lehrt, daß ich immer gleich zähle? Oder, daß beim Kopieren keine Ziffer verloren geht? Oder, daß die Ziffern auf dem Papier stehen bleiben, wie sie sind, auch wenn ich nicht hinschaue? Oder ''alle'' diese Tatsachen? Oder soll ich sagen, daß wir einfach nicht in Schwierigkeiten kommen? Oder daß uns fast immer alles in Ordnung zu sein scheint ? | Ich könnte es so sagen: Wenn ich die Ziffern von 1 bis 100 kopiere,—wie weiß ich, daß ich eine Ziffernreihe erhalten werde, die beim Zählen stimmt? Und ''was'' ist hier eine Kontrolle ''wofür''? Oder wie soll ich hier die wichtige Erfahrungstatsache beschreiben? Soll ich sagen, die Erfahrung lehrt, daß ich immer gleich zähle? Oder, daß beim Kopieren keine Ziffer verloren geht? Oder, daß die Ziffern auf dem Papier stehen bleiben, wie sie sind, auch wenn ich nicht hinschaue? Oder ''alle'' diese Tatsachen? Oder soll ich sagen, daß wir einfach nicht in Schwierigkeiten kommen? Oder daß uns fast immer alles in Ordnung zu sein scheint ? | ||
Line 940: | Line 940: | ||
''So'' denken wir. ''So'' handeln wir. ''So'' reden wir darüber. | ''So'' denken wir. ''So'' handeln wir. ''So'' reden wir darüber. | ||
310. Denke, du solltest beschreiben, wie Menschen das Zählen (im Dezimalsystem z. B.) lernen. Du beschreibst, was der Lehrer sagt und tut, und wie der Schüler darauf reagiert. In dem, was der Lehrer sagt und tut, werden sich z. B. Worte und Gebärden finden, die den Schüler zum Fortsetzen einer Reihe aufmuntern sollen; auch Worte wie "Er kann jetzt zählen". Soll nun die Beschreibung, die ich von dem Vorgang des Lehrens und Lernens gebe, außer den Worten des Lehrers auch mein eigenes Urteil enthalten: der Schüler könne jetzt zählen oder der Schüler habe nun das System der Zahlworte verstanden? Wenn ich so ein Urteil nicht in die Beschreibung aufnehmen ist sie dann unvollständig? Und wenn ich es aufnehme, gehe ich über die bloße Beschreibung hinaus? Kann ich mich jener Urteile enthalten mit der Begründung: "''Das ist alles, was geschieht''"? | '''310'''. Denke, du solltest beschreiben, wie Menschen das Zählen (im Dezimalsystem z. B.) lernen. Du beschreibst, was der Lehrer sagt und tut, und wie der Schüler darauf reagiert. In dem, was der Lehrer sagt und tut, werden sich z. B. Worte und Gebärden finden, die den Schüler zum Fortsetzen einer Reihe aufmuntern sollen; auch Worte wie "Er kann jetzt zählen". Soll nun die Beschreibung, die ich von dem Vorgang des Lehrens und Lernens gebe, außer den Worten des Lehrers auch mein eigenes Urteil enthalten: der Schüler könne jetzt zählen oder der Schüler habe nun das System der Zahlworte verstanden? Wenn ich so ein Urteil nicht in die Beschreibung aufnehmen ist sie dann unvollständig? Und wenn ich es aufnehme, gehe ich über die bloße Beschreibung hinaus? Kann ich mich jener Urteile enthalten mit der Begründung: "''Das ist alles, was geschieht''"? | ||
311. Muß ich nicht vielmehr fragen: "Was tut die Beschreibung überhaupt? Wozu dient sie?"—Was eine vollständige und eine unvollständige Beschreibung ist, wissen wir allerdings in anderem Zusammenhang. Frage dich: Wie verwendet man die Ausdrücke "vollständige" und "unvollständige Beschreibung"? | 311. Muß ich nicht vielmehr fragen: "Was tut die Beschreibung überhaupt? Wozu dient sie?"—Was eine vollständige und eine unvollständige Beschreibung ist, wissen wir allerdings in anderem Zusammenhang. Frage dich: Wie verwendet man die Ausdrücke "vollständige" und "unvollständige Beschreibung"? |