Tagebücher 1914-1916: Difference between revisions

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Also: wenn ''alles'', was gezeigt werden braucht, durch die Existenz der Subjekt-Prädikat SÄTZE etc. gezeigt wird, dann ist die Aufgabe der Philosophie eine andere, als ich ursprünglich annahm. Wenn dem aber nicht so ist, so müßte das Fehlende durch eine Art Erfahrung gezeigt werden, und das halte ich für ausgeschlossen.
Also: wenn ''alles'', was gezeigt werden braucht, durch die Existenz der Subjekt-Prädikat SÄTZE etc. gezeigt wird, dann ist die Aufgabe der Philosophie eine andere, als ich ursprünglich annahm. Wenn dem aber nicht so ist, so müßte das Fehlende durch eine Art Erfahrung gezeigt werden, und das halte ich für ausgeschlossen.


Die Unklarheit liegt ''offenbar'' in der Frage, worin eigentlich die logische Identität von Zeichen und Bezeichnetem besteht! Und diese Frage ist ''(wieder)'' eine Hauptansicht des ganzen philosophischen Problems.
Die Unklarheit liegt ''offenbar'' in der Frage, worin eigentlich die logische Identität von Zeichen und Bezeichnetem besteht! Und diese Frage ist (''wieder'') eine Hauptansicht des ganzen philosophischen Problems.


Es sei eine Frage der Philosophie gegeben: etwa die, ob "A ist gut" ein Subjekt-Prädikat Satz sei; oder die, ob "A ist heller als B" ein Relations-Satz seil ''Wie läßt sich so eine Frage überhaupt entscheiden?!'' Was für eine Evidenz kann mich darüber beruhigen, ''daß – zum Beispiel – die'' erste Frage bejaht werden muß? (Dies ist eine ungemein wichtige Frage.) Ist die einzige Evidenz hier wieder ''jenes höchst zweifelhafte "Einleuchten"??'' Nehmen wir eine ganz ähnliche Frage, die aber einfacher und grundlegender ist; nämlich diese: ist ein Punkt in unserem Gesichtsbild ein ''einfacher Gegenstand'', ein ''Ding?'' Solche Fragen habe ich doch bisher immer als die eigentlichen philosophischen angesehen – und sie sind es auch gewiß in einem Sinne – aber noch­ mals, wdche Evidenz könnte so eine Frage überhaupt entscheiden? Ist hier nicht ein Fehler in der Fragestellung; denn es scheint als leuchtete mir über diese Frage ''gar nichts'' ein; es scheint als könnte ich mit Bestimmtheit sagen, daß diese Fragen überhaupt nie entschieden werden könnten.
Es sei eine Frage der Philosophie gegeben: etwa die, ob "A ist gut" ein Subjekt-Prädikat Satz sei; oder die, ob "A ist heller als B" ein Relations-Satz seil ''Wie läßt sich so eine Frage überhaupt entscheiden''?! Was für eine Evidenz kann mich darüber beruhigen, ''daß – zum Beispiel – die'' erste Frage bejaht werden muß? (Dies ist eine ungemein wichtige Frage.) Ist die einzige Evidenz hier wieder ''jenes höchst zweifelhafte "Einleuchten"''?? Nehmen wir eine ganz ähnliche Frage, die aber einfacher und grundlegender ist; nämlich diese: ist ein Punkt in unserem Gesichtsbild ein ''einfacher Gegenstand'', ein ''Ding''? Solche Fragen habe ich doch bisher immer als die eigentlichen philosophischen angesehen – und sie sind es auch gewiß in einem Sinne – aber noch­ mals, wdche Evidenz könnte so eine Frage überhaupt entscheiden? Ist hier nicht ein Fehler in der Fragestellung; denn es scheint als leuchtete mir über diese Frage ''gar nichts'' ein; es scheint als könnte ich mit Bestimmtheit sagen, daß diese Fragen überhaupt nie entschieden werden könnten.




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7. 9. 14.
7. 9. 14.


Bedenke, daß auch ein unanalysierter Subjekt-Prädikat Satz etwas ''ganz. Bestimmtes'' klar aussagt.
Bedenke, daß auch ein unanalysierter Subjekt-Prädikat Satz etwas ''ganz Bestimmtes'' klar aussagt.


Kann man nicht sagen: Es kommt nicht darauf an, daß wir es mit nicht analysierbaren Subjekt-Prädikat Sätzen zu tun haben, sondern darauf, daß unsere Subjekt-Prädikat Sätze sich ''in jeder'' Beziehung so wie solche benehmen, d. h. also, daß die Logik ''unserer'' Subjekt-Prädikat Sätze dieselbe ist, wie die Logik jener anderen. Es kommt uns Ja nur darauf an die Logik abzuschließen, und unser Haupteinwand gegen die nicht analysierten Subjekt-Prädikat Sätze war der, daß wir ihre Syntax nicht aufstelle können, solang wir ihre Analyse nicht kennen. Muß aber nicht die Logik eines scheinbaren Subjekt-Prädikat Satzes dieselbe sein wie die Logik eines wirklichen? Wenn eine Definition überhaupt möglich ist, die dem Satz die Subjekt-Prädikat Form gibt...?
Kann man nicht sagen: Es kommt nicht darauf an, daß wir es mit nicht analysierbaren Subjekt-Prädikat Sätzen zu tun haben, sondern darauf, daß unsere Subjekt-Prädikat Sätze sich ''in jeder'' Beziehung so wie solche benehmen, d. h. also, daß die Logik ''unserer'' Subjekt-Prädikat Sätze dieselbe ist, wie die Logik jener anderen. Es kommt uns Ja nur darauf an die Logik abzuschließen, und unser Haupteinwand gegen die nicht analysierten Subjekt-Prädikat Sätze war der, daß wir ihre Syntax nicht aufstelle können, solang wir ihre Analyse nicht kennen. Muß aber nicht die Logik eines scheinbaren Subjekt-Prädikat Satzes dieselbe sein wie die Logik eines wirklichen? Wenn eine Definition überhaupt möglich ist, die dem Satz die Subjekt-Prädikat Form gibt...?
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Es handelt sich in den obigen Fällen darum anzugeben, wie Sätze in sich zusammenhängen. Wie der ''Satz-Verband'' zustande kommt. [''Vgl.'' 4.221.]
Es handelt sich in den obigen Fällen darum anzugeben, wie Sätze in sich zusammenhängen. Wie der ''Satz-Verband'' zustande kommt. [''Vgl.'' 4.221.]


Wie kann sich eine Funktion ''auf einen Satz beziehen??'' Immer die uralten Fragen!
Wie kann sich eine Funktion ''auf einen Satz beziehen''?? Immer die uralten Fragen!


Nur sich nicht von Fragen überhäufen lassen; nur es sich bequem machen!
Nur sich nicht von Fragen überhäufen lassen; nur es sich bequem machen!
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und: (∃''φ'').(∃x).~''φ''x.</p>
und: (∃''φ'').(∃x).~''φ''x.</p>


Ist einer von diesen eine Tautologie? Sind dies Sätze einer Wissenschaft d. h., sind dies überhaupt ''Sätze?''
Ist einer von diesen eine Tautologie? Sind dies Sätze einer Wissenschaft d. h., sind dies überhaupt ''Sätze''?


Erinnern wir uns aber, daß die ''Variable'' und ''nicht'' die Allgemeinheitsbezeichnung die Logik charakterisiert!
Erinnern wir uns aber, daß die ''Variable'' und ''nicht'' die Allgemeinheitsbezeichnung die Logik charakterisiert!
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Und hier braucht man auch Sätze von der Art der letzten zwei, um die Gegenstände identifizieren zu können.
Und hier braucht man auch Sätze von der Art der letzten zwei, um die Gegenstände identifizieren zu können.


Aus alledem folgt natürlich, daß es ''ganz. allgemeine Sätze gibt!''
Aus alledem folgt natürlich, daß es ''ganz allgemeine Sätze gibt''!


Genügt oben nicht der erste Satz (∃x,y,''φ'')''φ''x.~''φ''y.x ≠ y? Die Schwierigkeit der Identifizierung kann man dadurch wegschaffen, indem man die ganze Welt in ''einem'' allgemeinen Satz beschreibt, welcher anfängt: "(∃x,y,z ... ''φ'',''ψ'' ... R,S ...)" und nun folgt ein logisches Produkt, etc.
Genügt oben nicht der erste Satz (∃x,y,''φ'')''φ''x.~''φ''y.x ≠ y? Die Schwierigkeit der Identifizierung kann man dadurch wegschaffen, indem man die ganze Welt in ''einem'' allgemeinen Satz beschreibt, welcher anfängt: "(∃x,y,z ... ''φ'',''ψ'' ... R,S ...)" und nun folgt ein logisches Produkt, etc.
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26. 5. 15.
26. 5. 15.


Wie aber soll ich jetzt das allgemeine ''Wesen'' des ''Satz.es'' erklären? Wir können wohl sagen: alles, was der Fall ist (oder nicht ist), kann durch einen Satz abgebildet werden. Aber hier haben wir den Aus­ druck ''"der Fall sein"!'' Er ist ebenso problematisch.
Wie aber soll ich jetzt das allgemeine ''Wesen'' des ''Satz.es'' erklären? Wir können wohl sagen: alles, was der Fall ist (oder nicht ist), kann durch einen Satz abgebildet werden. Aber hier haben wir den Aus­druck "''der Fall sein''"! Er ist ebenso problematisch.


Das Gegenstück zum Satze bilden die Gegenstände.
Das Gegenstück zum Satze bilden die Gegenstände.
Line 1,903: Line 1,903:
Eigentümlich: Die Wörter "Wahr" und "Falsch" beziehen sich auf die Beziehung des Satzes zur Welt; daß diese Wörter in ihm selbst zur Darstellung verwendet werden können!
Eigentümlich: Die Wörter "Wahr" und "Falsch" beziehen sich auf die Beziehung des Satzes zur Welt; daß diese Wörter in ihm selbst zur Darstellung verwendet werden können!


Wir sagten: Wenn ein Satz nur von p abhängig ist, und wenn er p bejaht, dann verneint er es nicht, und umgekehrt: ''Ist dies das Bild jener gegenseitigen Ausschließung von p und ~p?'' Der Tatsache, daß ~p ''das'' ist, was ''außerhalb'' p liegt?
Wir sagten: Wenn ein Satz nur von p abhängig ist, und wenn er p bejaht, dann verneint er es nicht, und umgekehrt: ''Ist dies das Bild jener gegenseitigen Ausschließung von p und ~p''? Der Tatsache, daß ~p ''das'' ist, was ''außerhalb'' p liegt?


''Es scheint doch so''! Der Satz "~p" ist in demselben Sinne das, was außerhalb "p" liegt. – (Vergiß auch nicht, daß das Bild sehr komplizierte Koordinaten zur Welt haben kann.)
''Es scheint doch so''! Der Satz "~p" ist in demselben Sinne das, was außerhalb "p" liegt. – (Vergiß auch nicht, daß das Bild sehr komplizierte Koordinaten zur Welt haben kann.)
Line 2,025: Line 2,025:
Es scheint mir durchaus möglich, daß Flächen in unserem Gesichtsbild einfache Gegenstände sind, indem wir nämlich keinen einzigen Punkt dieser Fläche separat wahrnehmen; Gesichtsbilder von Sternen scheinen es sogar sicher zu sein. Wenn ich nämlich z.B. sage, diese Uhr liegt nicht in der Lade, so braucht daraus durchaus nicht LOGISCH FOLGEN, daß ein Rad, welches in der Uhr ist, nicht in der Lade liegt, denn ''ich wußte'' vielleicht ''gar nicht'', daß das Rad in der Uhr war, habe daher auch nicht mit "diese Uhr" einen Komplex meinen können, in welchem das Rad vorkommt. Und es ist gewiß, daß ich – beiläufig gesprochen – nicht alle Teile meines ''theoretischen'' Gesichtsbildes sehe. Wer weiß, ''ob'' ich unendlich viele Punkte sehe!
Es scheint mir durchaus möglich, daß Flächen in unserem Gesichtsbild einfache Gegenstände sind, indem wir nämlich keinen einzigen Punkt dieser Fläche separat wahrnehmen; Gesichtsbilder von Sternen scheinen es sogar sicher zu sein. Wenn ich nämlich z.B. sage, diese Uhr liegt nicht in der Lade, so braucht daraus durchaus nicht LOGISCH FOLGEN, daß ein Rad, welches in der Uhr ist, nicht in der Lade liegt, denn ''ich wußte'' vielleicht ''gar nicht'', daß das Rad in der Uhr war, habe daher auch nicht mit "diese Uhr" einen Komplex meinen können, in welchem das Rad vorkommt. Und es ist gewiß, daß ich – beiläufig gesprochen – nicht alle Teile meines ''theoretischen'' Gesichtsbildes sehe. Wer weiß, ''ob'' ich unendlich viele Punkte sehe!


Nehmen wir nun an, wir sähen einen kreisförmigen Fleck: ist die Kreisform seine ''Eigenschaft?'' Gewiß nicht. Sie scheint eine strukturelle "Eigenschaft" zu sein. Und wenn ich bemerke, daß ein Fleck kreisrund ist, bemerke ich da nicht eine unendlich komplexe strukturelle Eigenschaft? Oder ich bemerke nur, daß der Fleck eine endliche Ausdehnung hat, und auch das schon scheint eine unendlich komplexe Struktur ''vorauszusetzen''.
Nehmen wir nun an, wir sähen einen kreisförmigen Fleck: ist die Kreisform seine ''Eigenschaft''? Gewiß nicht. Sie scheint eine strukturelle "Eigenschaft" zu sein. Und wenn ich bemerke, daß ein Fleck kreisrund ist, bemerke ich da nicht eine unendlich komplexe strukturelle Eigenschaft? Oder ich bemerke nur, daß der Fleck eine endliche Ausdehnung hat, und auch das schon scheint eine unendlich komplexe Struktur ''vorauszusetzen''.


Nicht: ein Satz folgt aus einem anderen, sondern die Wahrheit des einen folgt aus der Wahrheit des anderen. (Darum ''folgt'' aus "Alle Menschen sind sterblich", "Wenn Sokrates ein Mensch ist, so ist er sterblich".)
Nicht: ein Satz folgt aus einem anderen, sondern die Wahrheit des einen folgt aus der Wahrheit des anderen. (Darum ''folgt'' aus "Alle Menschen sind sterblich", "Wenn Sokrates ein Mensch ist, so ist er sterblich".)