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167. Wie kann mir doch das vorschweben?—Nicht in den Dimensionen, an die du denkst.
167. Wie kann mir doch das vorschweben?—Nicht in den Dimensionen, an die du denkst.
168. Wie weiß ich, daß einer entzückt ist? Wie lernt man den sprachlichen Ausdruck des Entzückens? Woran knüpft er sich? An den Ausdruck von Körperempfindungen? Fragen wir einen, was er in der Brust, in den Gesichtsmuskeln spürt um herauszufinden, ob er Genuß empfindet?
169. Heißt das aber, es gäbe nicht Empfindungen, die oft beim Genießen der Musik wiederkehren? Durchaus nicht.
170. Ein Gedicht macht uns beim Lesen einen Eindruck. "Fühlst du dasselbe, während du es liest, wie wenn du etwas Gleichgültiges liest?"—Wie habe ich auf diese Frage antworten gelernt? Ich werde vielleicht sagen: "Natürlich nicht!"—was soviel heißt, wie: mich ergreift ''dies'', und das Andere nicht.
"Ich erlebe dabei etwas Anderes."—Und welcher Art ist dies?—Ich kann nichts Befriedigendes antworten. Denn, was ich angebe, ist nicht das Wichtigste.—"Hast du aber nicht ''während'' des Lesens genossen?" Freilich——denn die entgegengesetzte Antwort hieße: ich hätte es früher oder später genossen, und das will ich nicht sagen.
Aber nun erinnerst du dich ja doch an Empfindungen und Vorstellungen beim Lesen und zwar solche, die mit dem Genießen, mit dem Eindruck zusammenhängen.—Aber die hatten ihre Bedeutsamkeit nur durch ihre Umgebung erhalten: durch das Lesen des Gedichts, durch meine Vertrautheit mit der Sprache, dem Metrum und unzähligen Zusammenhangen.
Du mußt dich doch fragen, wie haben wir den Ausdruck "Ist das nicht herrlich!" überhaupt gelernt?—Niemand erklärte ihn uns, indem er sich auf Empfindungen, Vorstellungen oder Gedanken bezog, die das Hören begleiten! Ja, wir würden nicht bezweifeln, daß er's genossen hat, wenn er keine solchen Erlebnisse anzugeben wüßte; wohl aber, wenn es sich zeigte, daß er gewisse Zusammenhänge nicht versteht.
171. Aber zeigt sich das Verständnis nicht z. B. darin, mit welchem Ausdruck einer das Gedicht liest, die Melodic singt? Gewiß. Aber was ist nun hier das Erlebnis während des Lesens? Da müßte man ja sagen: der genieße und verstehe es, der es gut gelesen hört oder in den Sprechorganen fühlt.
172. Man kann auch vom Verstehen einer musikalischen Phrase sagen, es sei das Verstehen einer ''Sprache''.
173. Ich denke an eine ganz kurze von nur zwei Takten. Du sagst "Was liegt nicht alles in ihr!" Aber es ist nur sozusagen cine optische Täuschung, wenn du denkst, beim Hören gehe vor, was in ihr liegt. ("Es kommt drauf an, ''wer's'' sagt".) (Nur in dem Fluß der Gedanken und des Lebens haben die Worte Bedeutung.)
174. Nicht ''das'' enthält die Täuschung: “''Jetzt'' habe ich's verstanden”—und nun folgt vielleicht eine lange Erklärung dessen, was ich verstanden habe.
175. Weist das Thema auf nichts außer sich? Oh ja! Das heißt aber:—Der Eindruck, den es mir macht, hängt mit Dingen in seiner Umgebung zusammen—z. B. mit unserer Sprache und ihrer Intonation, also mit dem ganzen Feld unserer Sprachspiele.
Wenn ich z. B. sage: Es ist, als ob hier ein Schluß gezogen würde oder, als ob hier etwas bekräftigt würde oder, als ob ''dies'' eine Antwort auf das Frühere wäre,—so setzt mein Verständnis eben die Vertrautheit mit Schlüssen, Bekräftigungen, Antworten voraus.
176. Die Worte "Gottlob! Noch etwas Weniges hat man geflüchtet—vor den Fingern der Kroaten", mit ihrem Ton und Blick, scheinen allerdings schon jede Nuance ihrer Bedeutung in sich zu tragen. Nur darum aber, weil wir sie als Teil einer bestimmten Szene kennen. Man könnte aber eine ganz andere Szene um diese Worte (im gleichen Tone gesprochen bauen um zu zeigen, wie ihre besondere Seele in der Geschichte liegt, zu der sie gehören.
177. Wenn ich einen mit verbannender Gebärde sagen höre "Weichel", erlebe ich hier die Bedeutung des Wortes, wie in dem Spiel, wenn ich mir's für mich vorsage und es einmal ''so'' und einmal ''so'' 'meine?—Denn er konnte ja auch sagen "Weiche von mir", und dann erlebte ich vielleicht die ganze Phrase so und so; aber auch das einzelne Wort? Die ergänzenden Worte waren es vielleicht, die mir den Eindruck machten.
178. Das besondere Erlebnis der Bedeutung ist charakterisiert dadurch, daß wir mit einer Erklärung und der Vergangenheitsform reagieren: gerade so, als erklärten wir die Bedeutung eines Worts für praktische Zwecke.
179. ''Vergiß'', vergiß, daß du diese Erlebnisse selber hast!
180. Wie konnte er das Wort in der Bedeutung hören? Wie war es möglich?! Gar nicht——in ''diesen'' Dimensionen.——
181. Aber ist es also nicht wahr, daß das Wort für mich jetzt das bedeutet? Warum nicht? Es kommt ja dieser Sinn mit der übrigen Verwendung des Wortes nicht in Konflikt.
Es sagt einer: "Gib ihm die Nachricht .... und ''meine'' damit ....!"——Was wäre der Sinn dieses Befehls?
182. "Als ich das Wort jetzt aussprach, bedeutete es für mich....". Warum sollte das nicht einfach Wahnsinn sein? Weil ''ich'' das erlebte? Das ist kein Grund.
183. Der, den ich bedeutungsblind nenne, wird wohl den Auftrag verstehen: "Sag ihm, er solle zur Bank gehen,—ich meine die Gartenbank", aber nicht: "Sag das Wort Bank und meine damit Gartenbank". Welche Formen geistiger Defekte bei Menschen vorgefunden werden, kümmert diese Untersuchung nicht; wohl aber die Möglichkeit solcher Formen. Nicht, ob es Menschen gibt, die eines Gedankens vom Typus "Ich wollte damals ...." nicht fähig sind,—sondern wie der Begriff so eines Defekts durchzuführen wäre, interessiert uns.
Wenn du annimmst, daß einer ''das'' nicht kann, wie ist es dann mit ''dem''? Soll er es auch nicht können?—Wohin führt uns dieser Begriff? Denn wir haben ja hier Paradigmen.
184. Verschiedene Menschen empfinden es sehr verschieden stark, wenn die Rechtschreibung eines Worts geändert wird. Und die Empfindung ist nicht nur Pietät für einen alten Gebrauch.—Wem die Orthographie nur eine praktische Frage ist, dem geht ein Gefühl ab, nicht unähnlich dem, welches einem "Bedeutungsblinden" mangeln würde. (Goethe über Personennamen. Die Nummer des Gefangenen.)
185. Wie mancher auch die Frage nicht versteht "Welche Farbe hat für dich der Vokal ''a''?"—Wenn einer sie nicht verstunde, wenn er erklärte, sie sei Unsinn,—könnten wir sagen, er verstehe nicht deutsch, oder nicht die Bedeutungen der Wörter "Farbe", "Vokal”, etc.?
Im Gegenteil: Wenn er diese Worte verstehen gelernt hat, dann kann er auch auf jene Fragen 'mit Verständnis' oder 'ohne Verständnis' reagieren.
186. Mißverständnis—Unverständnis. Verständnis wird durch Erklärung bewirkt; aber auch durch Abrichtung.
187. Warum kann man einer Katze nicht das Apportieren beibringen? Versteht sie nicht, was man will? Und worin besteht hier Verstehen und Unverständnis ?
188. "Ich lese jedes Wort mit dem ihm entsprechenden Gefühl. Das Wort aber z. B. mit dem Abergefühl—u.s.w."——Und selbst wenn das wahr ist,—was bedeutet es eigentlich? Was ist die Logik des Begriffs 'Abergefühl'?—Es wird ja nicht ein Gefühl dadurch, daß ich es "Gefühl" nenne.
189. Ist Lügen ein bestimmtes Erlebnis? Nun, kann ich denn jemandem sagen "Ich werde dich jetzt anlügen" und es dann tun?
190. Inwiefern ist mir die Lüge bewußt, während ich lüge? Nur insofern, als sie mir nicht später erst zum Bewußtsein kommt, und ich doch später weiß, daß ich gelogen habe. Das Sich-der-Lüge-bewußt-sein ist ein ''Können''. Dem widerspricht nicht, daß es charakteristische Gefühle des Lügens gibt. [''Randbemerkung:'' Absicht.]
191. Das Wissen wird eben nicht in Worte ''übersetzt'', wenn es sich äußert. Die Worte sind keine Übersetzung eines Andern, welches vor ihnen da war,
192. "Sich etwas vornehmen, ist ein besonderer innerer Vorgang."—Aber was für ein Vorgang—auch wenn du ihn erdichten dürftest—könnte denn das leisten, was wir vom Vorsatz fordern?
193. Ist es nicht genau so mit dem Verbum "verstehen"? Es erklärt mir jemand die Route, die ich dort und dorthin zu nehmen habe. Er fragt "Hast du mich verstanden?" Ich antworte "Ich hab's verstanden."—Will ich ihm mitteilen, was in mir während seiner Erklärung vorging?—Und doch liebe sich auch das mitteilen.
194.‌ ‌Denk‌ ‌dir‌ ‌dieses‌ ‌Spiel:‌ ‌Eine‌ ‌Liste‌ ‌von‌ ‌Wörtern‌ ‌verschiedener‌ ‌Sprachen‌ ‌und‌ ‌von‌ sinnlosen‌ ‌Lautreihen‌ ‌wird‌ ‌mir‌ ‌vorgelesen.‌ ‌Ich‌ ‌soll‌ ‌nach‌ ‌jedem‌ ‌sagen,‌ ‌ob‌ ‌ich‌ ‌es‌ ‌verstehe‌ ‌oder‌ ‌nicht;‌ ‌auch,‌ ‌was‌ ‌beim‌ ‌Verstehen‌ ‌oder‌ ‌Nichtverstehen‌ ‌in‌ ‌mir‌ ‌vorging.—Auf‌ ‌das‌ ‌Wort‌ "Baum"‌ ‌werde‌ ‌ich,‌ ‌ohne‌ ‌mich‌ ‌zu‌ ‌bedenken,‌ ‌mit‌ ‌"ja"‌ ‌antworten‌ ‌(ein‌ ‌Bild‌ ‌mag‌ ‌mir‌ ‌dabei‌ ‌vorschweben);‌ ‌auf‌ ‌eine‌ ‌Lautzusammenstellung,‌ ‌die‌ ‌ich‌ ‌noch‌ ‌nie‌ ‌gehört‌ ‌habe,‌ ‌antworte‌ ich‌ ‌ebenso‌ ‌unbedenklich‌ ‌mit‌ ‌"nein".‌ ‌Bei‌ ‌Wörtern,‌ ‌die‌ ‌einen‌ ‌speziellen‌ ‌Farbton‌ ‌bezeichnen,‌ ‌wird‌ ‌häufig‌ ‌ein‌ ‌Vorstellen‌ ‌der‌ ‌Antwort‌ ‌vorhergehen;‌ ‌bei‌ ‌seltenen‌ ‌Wörtern ("Kontinuum"‌ ‌etwa)‌ ‌ein‌ ‌Uberlegen;‌ ‌bei‌ ‌Wörtern,‌ ‌wie‌ ‌der‌ ‌Artikel‌ ‌"das‌ ‌etwa‌ ‌ein‌ ‌Achselzucken;‌ ‌Wörter‌ ‌einer‌ ‌fremden‌ ‌Sprache‌ ‌werde‌ ‌ich‌ ‌''manchmal‌'' ‌ins‌ ‌Deutsche‌ Übersetzen;‌ ‌schweben‌ ‌mir‌ ‌Bilder‌ ‌vor,‌ ‌so‌ ‌sind‌ ‌es‌ ‌manchmal‌ ‌die‌ ‌der‌ ‌Gegenstände,‌ ‌die‌ von‌ ‌den‌ ‌Worten‌ ‌bezeichnet‌ ‌werden‌ ‌(wieder‌ ‌tausenderlei‌ ‌Fälle),‌ ‌manchmal‌ ‌andere‌ ‌Bilder.‌ ‌
Dies‌ ‌Spiel‌ ‌könnte‌ ‌man‌ ‌durch‌ ‌eines‌ ‌ergänzen,‌ ‌in‌ ‌welchem‌ ‌ciner‌ ‌die‌ ‌Namen‌ ‌von‌ ''Tätigkeiten‌'' ‌nennt‌ ‌und‌ ‌bei‌ ‌jeder‌ ‌fragt:‌ ‌"Kannst‌ ‌du‌ ‌das?"—Das‌ ‌Subjekt‌ ‌soll‌ ‌angeben,‌ ‌welche‌ ‌Gründe‌ ‌es‌ ‌hatte,‌ ‌die‌ ‌Frage‌ ‌mit‌ ‌"ja"‌ ‌oder‌ ‌"nein"‌ ‌zu‌ ‌beantworten.‌‌
195.‌ ‌Denken‌ ‌wir‌ ‌uns‌ ‌eine‌ ‌Art‌ ‌Vexierbild,‌ ‌worin‌ ‌nicht‌ ‌''ein‌'' ‌bestimmter‌ ‌Gegenstand‌ ‌aufzufinden‌ ‌ist,‌ ‌sondern‌ ‌das‌ ‌uns‌ ‌auf‌ ‌den‌ ‌ersten‌ ‌Blick‌ ‌als‌ ‌ein‌ ‌Gewirr‌ ‌nichtssagender‌ ‌Striche‌ ‌erscheint‌ ‌und‌ ‌nach‌ ‌einigem‌ ‌Suchen‌ ‌erst‌ ‌als,‌ ‌sagen‌ ‌wir,‌ ‌ein‌ ‌Landschaftsbild.—Worin‌ ‌besteht‌ ‌der‌ ‌Unterschied‌ zwischen‌ ‌dem‌ ‌Anblick‌ ‌des‌ ‌Bildes‌ ‌vor‌ ‌und‌ ‌nach‌ ‌der‌ ‌Lösung?‌ ‌Daß‌ ‌wir‌ ‌es‌ ‌beide‌ ‌Male‌ ‌anders‌ ‌sehen,‌ ‌ist‌ ‌klar.‌ ‌In‌ ‌wiefern‌ ‌aber‌ ‌kann‌ ‌man‌ ‌nach‌ ‌der‌ ‌Auflösung‌ ‌sagen,‌ ‌jetzt‌ ‌sage‌ ‌uns‌ ‌das‌ ‌Bild‌ etwas,‌ ‌früher‌ ‌habe‌ ‌es‌ ‌uns‌ ‌nichts‌ ‌gesagt?‌ ‌
196.‌ ‌Wir‌ ‌können‌ ‌diese‌ ‌Frage‌ ‌auch‌ ‌so‌ ‌stellen:‌ ‌Was‌ ‌ist‌ ‌das‌ ‌allgemeine‌ ‌Charakteristikum‌ dafür,‌ ‌daß‌ ‌die‌ ‌Lösung‌ ‌gefunden‌ ‌ist?‌ ‌
197.‌ ‌Ich‌ ‌will‌ ‌annehmen,‌ ‌daß‌ ‌ich,‌ ‌sobald‌ ‌es‌ ‌gelöst‌ ‌ist,‌ ‌die‌ ‌Lösung‌ ‌dadurch‌ kenntlich‌ ‌mache,‌ ‌daß‌ ‌ich‌ ‌gewisse‌ ‌Striche‌ ‌des‌ ‌Bildes‌ ‌stark‌ ‌nachziehe‌ ‌und‌ ‌etwa‌ ‌Schatten‌ ‌eintrage.‌ ‌Warum‌ ‌nennst‌ ‌du‌ ‌nun‌ ‌das‌ ‌Bild,‌ ‌was‌ ‌du‌ ‌eingezeichnet‌ ‌hast,‌ eine‌ ‌Auflösung?‌
‌(a)‌ ‌Weil‌ ‌es‌ ‌die‌ ‌klare‌ ‌Darstellung‌ ‌einer‌ ‌Gruppe‌ ‌räumlicher‌ Gegenstände‌ ‌ist.‌
(b)‌ ‌Weil‌ ‌es‌ ‌die‌ ‌Darstellung‌ ‌eines‌ ‌regelmäßigen‌ ‌Körpers‌ ‌ist.‌
(c)‌ ‌Weil‌ ‌es‌ ‌eine‌ ‌symmetrische‌ ‌Figur‌ ‌ist.‌