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(Wer nicht versteht, warum wir über diese Dinge reden, muß, was wir sagen, als leere Spielerei empfinden.)
(Wer nicht versteht, warum wir über diese Dinge reden, muß, was wir sagen, als leere Spielerei empfinden.)


198. Kann ich mir den Eindruck der Bekanntschaft wegdenken, wo er ist; und hinzudenken, wo er nicht ist? Und was heißt das? Ich sehe z. B. das Gesicht eines Freundes an und frage mich: Wie schaut dieses Gesicht aus, wenn ich es als ein mir fremdes Gesicht sche (als sähe ich es etwa jetzt zum erstenmal)? Was bleibt
198. Kann ich mir den Eindruck der Bekanntschaft wegdenken, wo er ist; und hinzudenken, wo er nicht ist? Und was heißt das? Ich sehe z. B. das Gesicht eines Freundes an und frage mich: Wie schaut dieses Gesicht aus, wenn ich es als ein mir fremdes Gesicht sche (als sähe ich es etwa jetzt zum erstenmal)? Was bleibt sozusagen von dem Anblick des Gesichts, wenn ich den Eindruck der Bekanntheit wegdenke, abziehe? Hier bin ich nun geneigt zu sagen: "Es ist ''sehr schwer'', die Bekanntheit von dem Eindruck des Gesichts zu trennen." Aber ich fühle auch, daß das eine schlechte Ausdrucksweise ist. Ich weiß nämlich gar nicht, wie ich es auch nur versuchen soll, diese beiden zu trennen. Der Ausdruck "sie trennen" hat für mich gar keinen klaren Sinn.
 
Ich weiß, was ''es heißt'': "Stell dir diesen Tisch schwarz vor statt braun." Dem entspricht: "Male diesen Tisch, aber schwarz statt braun".
 
199. Wie, wenn man sagte: "Denke dir diesen Schmetterling genau so wie er ist, aber häblich statt schön"?!
 
200. ''Wir'' haben in diesem Fall nicht ''bestimmt'', was es heißen soll, sich die Wohlbekanntheit wegzudenken.
 
Es könnte etwa heißen, sich des Eindrucks entsinnen, den ich hatte, als ich das Gesicht zum ersten Male sah.
 
201. Die zeichnerische Darstellung des Innern eines Radio empfängers wird für den, der keine Kunde von solchen Dingen hat, Gewirr sinnloser Striche sein. Hat er aber den Apparat und seine Funktion kennengelernt, so wird jene Zeichnung für ihn ein sinnvolles Bild sein.
 
Gegeben nun irgend eine mir jetzt sinnlose körperliche Gestalt (etwa im Bild)—kann ich nach Belieben sie sinnvoll vorstellen? Das wäre, als fragte man: Kann ich mir einen beliebig geformten Gegenstand als Gebrauchsgegenstand vorstellen? Aber für welchen Gebrauch?
 
Man könnte eine Klasse von Körperformen sich methodisch als Wohnungen von Tieren oder Menschen denken. Eine andere Klasse als Waffen. Eine etwa als Modelle von Landschaften. Etc. etc. Und hier weiß ich also, wie ich einer sinnlosen Form Sinn andichten kann.
 
202. Überlege wohl, wie wir das Wort "erkennen" benützen! Ich erkenne die Möbel in meinem Zimmer, meinen Freund, den ich täglich sehe. Aber kein 'Wiedererkennen spielt sich ab'.
 
203. Man könnte sagen: Ich hätte keinen Eindruck von dem Zimmer als Ganzes, könnte ich nicht meinen Blick schnell in ihm dahin und dorthin schweifen lassen und mich nicht frei in ihm herumbewegen. (Stream of thought.) Aber nun ist die Frage, wie manifestiert es sich, daß ich 'von ihm als Ganzes einen Eindruck habe'? Z. B. in der Selbstverständlichkeit, mit der ich mich in ihm zurechtfinde; in der Abwesenheit des Suchens, Zweifelns und der Verwunderung. Darin, daß eine Unzahl von Tätigkeiten durch seine Wände begrenzt sind, und daß ich alles das als "mein Zimmer" in der Rede zusammenfasse. Darin, daß ich es nützlich und notwendig finde, mich immer wieder des Begriffs 'mein Zimmer' zu bedienen im Gegensatz zu seinen Wänden, Ecken, etc.
 
204. Wie sieht die Beschreibung einer 'Einstellung' aus?
 
Man sagt z. B.: “Sieh von diesen Flecken ab und auch von dieser kleinen Unregelmäßigkeit, und schau es als Bild eines .... an!"
 
"Denk dir das weg! Wär's dir auch ohne dieses . . . . unangenehm?" Man wird doch sagen, ich ändere mein Gesichtsbild—wie durch Blinzeln oder Weghalten eines Details. Dieses "Absehen von ..." spielt doch eine ganz ähnliche Rolle, wie etwa die Anfertigung eines neuen Bildes.
 
205. Nun wohl,—und das sind gute Gründe dafür zu sagen, wir hätten durch unsre Einstellung unsern Gesichtseindruck geändert. D. h., es sind dies) gute Gründe, den Begriff 'Gesichtseindruck' so zu begrenzen.
 
206. "Aber ich kann doch offenbar im Sehen Elemente (Striche z. B.) ''zusammennehmen''!" Aber warum nennt man es "zusammennehmen"? Warum braucht man hier ein Wort—''wesentlich''—das schon eine andere Bedeutung hat? (Es ist hier natürlich wie im Fall des Wortes "Kopf''rechnen''".)
 
207. Wenn ich jemandem sage: "Nimm diese Striche (oder anderes) zusammen!" was wird er tun? Nun, Verschiedenes, je nach den Umständen. Vielleicht soll er sie zu zwei und zwei zählen oder in eine Lade legen oder anblicken etc.
 
208. Überlegen wir uns, was man über ein Phänomen, wie dieses, sagt:
 
Die Figur [[File:Zettel 208.png|20px|link=]] einmal als ein F, einmal als das Spiegelbild eines F sehen.
 
Ich will fragen: Worin besteht es, die Figur einmal so, einmal anders sehen?—Sehe ich wirklich jedesmal etwas Anderes? Oder ''deute'' ich nur, was ich sehe, auf verschiedene Weise?—Ich bin geneigt, das erste zu sagen. Aber warum? Nun, Deuten ist eine Handlung. Es kann z. B. darin bestehen, daß einer sagt "Das ''soll'' ein F sein"; oder daß er's nicht sagt, aber das Zeichen beim Kopieren durch ein F ersetzt; oder sich überlegt: "Was mag das wohl sein? Es wird ein F sein, das dem Schreiber mißglückt ist."—Sehen ist keine Handlung, sondern ein Zustand. (Grammatische Bemerkung.) Und wenn ich die Figur nie anders als F gelesen, mir nie überlegt habe, was es wohl sein mag, so wird man sagen, ich ''sehe'' sie als F; wenn man nämlich weiß, daß es sich auch anders sehen läßt. "Deuten" würde ich es nennen, wenn ich sagte: "Das soll gewiß ein F sein; der Schreiber schreibt alle seine F so."
 
Wie ist man denn überhaupt zu dem Begriff des 'Dies als das kommen? Bei welchen Gelegenheiten wird er gebildet, ist für ihn ein Bedarf? (Sehr häufig in der Kunst.) Dort z. B., wo es sich um ein Phrasieren durchs Auge oder Ohr handelt. Wir sagen "Du mußt diese Takte als Einleitung hören", "Du mußt nach dieser Tonart hin hören", "Wenn man diese Figur einmal als .... gesehen hat, ist es schwer, sie anders zu sehen", "Ich höre das französische 'ne .... pas' als zweiteilige Verneinung, aber nicht als 'nicht ein Schritt'", etc. etc. Ist es nun ein wirkliches Schen oder Hören? Nun: so nennen wir es; mit diesen Worten reagieren wir in bestimmten Situationen. Und ''auf'' diese Worte reagieren wir wieder durch bestimmte Handlungen.
 
209. Diese Form, die ich sehe—möchte ich sagen—ist nicht einfach ''eine'' Form, sondern sie ist eine von den mir bekannten Formen; sie ist eine im Vorhinein ausgezeichnete Form. Sie ist eine von den Formen, deren Bild schon früher in mir war, und nur weil sie so einem Bild entspricht, ist sie die wohlbekannte Form. (Ich trage gleichsam einen Katalog solcher Formen mit mir herum und die Gegenstände, die dort abgebildet sind, sind dann die wohlbekannten.)
 
210. Aber daß ich das Bild schon früher mit mir herumgetragen habe, wäre nur eine kausale Erklärung des gegenwärtigen Eindrucks. Es ist, als sagte man: diese Bewegung geht so leicht, als wäre sie eingeübt worden.
 
211. "Wenn ich gefragt werde 'Siehst du dort eine Kugel?, ein andermal 'Siehst du dort die Halbkugel?', so kann, was ich sehe, beide Male das Gleiche sein, und wenn ich antworte 'Ja', so unterscheide ich doch zwischen den beiden Hypothesen. Wie ich im Schachspiel zwischen einem Bauern und dem König unterscheide, auch wenn der gegenwärtige Zug einer ist, den beide machen könnten, und wenn selbst eine Königsfigur als Bauer