Zettel 


Go back to top
Report an error

Download/print PDF · Plain HTML


Ludwig Wittgenstein

Zettel


1. W. James: der Gedanke sei schon am Anfang des Satzes fertig. Wie kann man das wissen?—Aber die Absicht, ihn auszusprechen, kann schon bestehen, ehe das erste Wort gesagt ist. Denn fragt man Einen "weißt du, was du sagen willst?", so wird er es oft bejahen.

2. Ich sage Einem "ich werde dir jetzt das Thema .... vorpfeifen", ich habe die Absicht, es zu pfeifen, und ich weiß schon, was ich pfeifen werde.

Ich habe die Absicht, dieses Thema zu pfeifen: habe ich es damit in irgendeinem Sinne etwa in Gedanken schon gepfiffen?

3. "Ich sage das nicht nur, ich meine etwas damit."—Soll man darauf fragen "Was?"——Dann kommt wieder ein Satz zur Antwort.—Oder kann man nicht so fragen, da der Satz etwa sagte "Ich sage das nicht nur, sondern es bewegt mich auch."

4. (Eine der irreführendsten Redeweisen ist die Frage "Was meine ich damit?"—Man könnte in den meisten Fällen darauf antworten "Gar nichts—ich sage ....".)

5. Kann ich denn nicht mit Worten meinen, was ich will?——Schau auf die Tür deines Zimmers, sage dabei eine Reihe beliebiger Laute, und meine damit eine Beschreibung dieser Tür!

6. "Sag 'a b c d' und meine damit: Das Wetter ist schön."—Soll ich also sagen, daß das Aussprechen eines Satzes einer uns geläufigen Sprache ein ganz anderes Erlebnis ist, als das Aussprechen von Lauten, die uns nicht als Satz geläufig sind? Wenn ich also die Sprache erlernte, in welcher "abcd" jenen Sinn haben,—würde ich nach und nach das uns bekannte Erlebnis beim Aussprechen dieser Buchstaben kriegen? Ja und nein.—Eine Hauptverschiedenheit der beiden Fälle liegt darin, daß ich mich im ersten nicht bewegen kann. Es ist da, als wäre eines meiner Gelenke in Schienen und ich noch nicht an sie gewöhnt und hätte die möglichen Bewegungen noch nicht inne, stieße also sozusagen in einemfort an.

7. Wenn ich zwei Freunde gleichen Namens habe, und ich schreibe einem von ihnen einen Brief; worin liegt es, daß ich ihn nicht dem andern schreibe? Am Inhalt? Aber der könnte für beide passen. (Die Adresse habe ich noch nicht geschrieben.) Nun, die Verbindung kann in der Vorgeschichte liegen. Dann aber auch in dem, was dem Schreiben folgt. Wenn mich nun jemand fragt "An welchen der beiden schreibst du?" und ich antworte ihm, schließe ich die Antwort aus der Vorgeschichte? Gebe ich sie nicht beinahe, wie ich sage "Ich habe Zahnschmerzen"?—Könnte ich im Zweifel darüber sein, welchem von beiden ich schreibe? Und wie sieht so ein Zweifelsfall aus?—Ja, wäre nicht auch der Fall einer Täuschung möglich: ich glaube dem Einen zu schreiben und schreibe dem Andern? Und wie sähe der Fall einer solchen Täuschung aus?

8. (Man sagt manchmal: "Was wollte ich nur in dieser Lade suchen?—Ach ja, die Photographie!" Und wenn uns dies einfällt, erinnern wir uns wieder an den Zusammenhang unsrer Handlung mit dem, was vorherging. Es könnte aber auch den · Fall geben: Ich öffne die Lade und krame in ihr; endlich komme ich gleichsam zur Besinnung und frage mich "Warum suche ich in dieser Lade herum?" Und dann kommt die Antwort "Ich will die Photographie des .... sehen". "Ich will", nicht "Ich wollte". Das Öffnen der Lade etc. geschah sozusagen automatisch und erhielt nachträglich eine Interpretation.)

9. "Ich wollte mit dieser Bemerkung ihn treffen." Wenn ich das höre, so kann ich mir dazu eine Situation und ihre Geschichte vorstellen. Ich könnte sie auf dem Theater darstellen, mich in den Seelenzustand versetzen, in dem ich ihn treffen will.—Aber wie ist dieser Seelenzustand zu beschreiben? also zu identifizieren?—Ich denke mich in die Situation hinein, nehme eine gewisse Miene und Stimme an etc. Was verbindet meine Worte mit ihm? Die Situation und meine Gedanken. Und meine Gedanken nicht anders als Worte, die ich ausspreche.

10. Angenommen, ich wollte auf einmal alle Wörter meiner Sprache durch andere ersetzen; wie könnte ich wissen, an welcher Stelle eines der neuen Wörter steht? Sind es die Vorstellungen, die die Plätze der Wörter halten?

11. Ich bin geneigt zu sagen: Ich 'zeige' in verschiedenen Sinne auf diesen Körper, auf seine Gestalt, auf seine Farbe etc.—Was heißt das?

Was heißt es: Ich 'höre' in anderem Sinne: das Klavier, seinen Klang, das Musikstück, den Klavierspieler, seine Geläufigkeit? Ich 'heirate' in einem Sinne eine Frau, in einem andern ihr Geld.

12. Das Meinen stellt man sich hier als eine Art geistiges Zeigen, Hinweisen vor.

13. In manchen spiritistischen Handlungen ist es wesentlich, daß man an eine bestimmte Person denke. Und wir haben hier den Eindruck, also wäre 'an ihn denken' gleichsam, ihn mit meinen Gedanken aufspießen. Oder es ist, als stache ich immer wieder mit den Gedanken nach ihm hin. Denn sie schweifen etwa immer wieder ein wenig von ihm ab.

14. "Ich mußte plötzlich an ihn denken." Sein Bild schwebte mir etwa plötzlich vor. Wußte ich, daß es sein, des N. Bild war? Ich sagte es mir nicht. Worin lag es also, daß es das seine war? Vielleicht in dem, was ich später sagte oder tat.

15. Wenn Max sagt "Der Fürst trägt Vatersorge für die Truppen", so meint er Wallenstein.—Angenommen, jemand sagte: Wir wissen nicht, ob er Wallenstein meint; er könne in diesem Satz auch einen andern Fürsten meinen.

16. "Daß du das Klavierspiel meintest, bestand darin, daß du ans Klavierspiel dachtest."

"Daß du in diesem Brief diesen Menschen mit dem Wort 'du' meintest, bestand darin, daß du an ihn schriebst."

Der Irrtum ist zu sagen, Meinen bestehe in etwas.

17. "Als ich das sagte, wollte ich ihm nur einen Wink geben."—Wie kann ich wissen, daß ich es nur sagte, um ihm einen Wink zu geben? Nun, die Worte "Als ich es sagte etc." beschreiben eine bestimmte uns verständliche Situation. Wie schaut die Situation aus? Um sie zu beschreiben, muß ich einen Zusammenhang beschreiben.

18. Wie tritt er in diese Vorgänge ein:

ich stach nach ihm,

ich sprach zu ihm,

ich rief ihn,

ich sprach von ihm,

ich stellte mir ihn vor,

ich achte ihn?

19. Es ist falsch zu sagen: Ich meinte ihn, indem ich auf ihn sah. "Meinen" bezeichnet nicht: eine Tätigkeit, die ganz oder teilweise in den 'Außerungen' des Meinens besteht.