Logisch-philosophische Abhandlung: Difference between revisions

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ein Satzzeichen.
ein Satzzeichen.


Frege’s „Urteilsstrich“ „<math>\vdash</math>“ ist logisch ganz bedeutungslos; er zeigt bei Frege (und Russell) nur an, dass diese Autoren die so bezeichneten Sätze für wahr halten. „<math>\vdash</math>“ gehört daher ebenso wenig zum Satzgefüge, wie etwa die Nummer des Satzes. Ein Satz kann unmöglich von sich selbst aussagen, dass er wahr ist.)<references />
Frege’s „Urteilsstrich“ „<math>\vdash</math>“ ist logisch ganz bedeutungslos; er zeigt bei Frege (und Russell) nur an, dass diese Autoren die so bezeichneten Sätze für wahr halten. „<math>\vdash</math>“ gehört daher ebenso wenig zum Satzgefüge, wie etwa die Nummer des Satzes. Ein Satz kann unmöglich von sich selbst aussagen, dass er wahr ist.)
 
Ist die Reihenfolge der Wahrheitsmöglichkeiten im Schema durch eine Kombinationsregel ein für allemal festgesetzt, dann ist die letzte Kolonne allein schon ein Ausdruck der Wahrheits- bedingungen. Schreiben wir diese Kolonne als Reihe hin, so wird das Satzzeichen zu:
 
„(WW–W)(''p'', ''q'')“ oder deutlicher „(WWFW)(''p'', ''q'')“.
 
(Die Anzahl der Stellen in der linken Klammer ist durch die Anzahl der Glieder in der rechten bestimmt.)
 
4.45               Für ''n'' Elementarsätze gibt es ''L<sub>n</sub>'' mögliche Gruppen von Wahr- heitsbedingungen.
 
Die Gruppen von Wahrheitsbedingungen, welche zu den Wahrheitsmöglichkeiten einer Anzahl von Elementarsätzen ge- hören, lassen sich in eine Reihe ordnen.
 
4.46               Unter den möglichen Gruppen von Wahrheitsbedingungen gibt es zwei extreme Fälle.
 
In dem einen Fall ist der Satz für sämtliche Wahrheitsmög- lichkeiten der Elementarsätze wahr. Wir sagen, die Wahrheits- bedingungen sind t a u t o l o g i s c h.
 
Im zweiten Fall ist der Satz für sämtliche Wahrheitsmöglich- keiten falsch: Die Wahrheitsbedingungen sind ko nt r a d i k t o - r i s c h.
 
Im ersten Fall nennen wir den Satz eine Tautologie, im zwei- ten Fall eine Kontradiktion.
 
4.461 Der Satz zeigt was er sagt, die Tautologie und die Kontradiktion, dass sie nichts sagen.
 
Die Tautologie hat keine Wahrheitsbedingungen, denn sie ist bedingungslos wahr; und die Kontradiktion ist unter keiner Bedingung wahr.
 
Tautologie und Kontradiktion sind sinnlos.
 
(Wie der Punkt von dem zwei Pfeile in entgegengesetzter Richtung auseinandergehen.)
 
(Ich weiss z. B. nichts über das Wetter, wenn ich weiss, dass es regnet oder nicht regnet.)
 
4.4611 Tautologie und Kontradiktion sind aber nicht unsinnig; sie gehö- ren zum Symbolismus, und zwar ähnlich wie die „0“ zum Sym- bolismus der Arithmetik.
 
4.462                         Tautologie und Kontradiktion sind nicht Bilder der Wirklichkeit. Sie stellen keine mögliche Sachlage dar. Denn jene lässt j e d e mögliche Sachlage zu, diese ke i n e.
 
In der Tautologie heben die Bedingungen der Übereinstim- mung mit der Welt—die darstellenden Beziehungen—einander auf, so dass sie in keiner darstellenden Beziehung zur Wirklich- keit steht.
 
4.463                             Die Wahrheitsbedingungen bestimmen den Spielraum, der den Tatsachen durch den Satz gelassen wird.
 
(Der Satz, das Bild, das Modell, sind im negativen Sinne wie ein fester Körper, der die Bewegungsfreiheit der anderen beschränkt; im positiven Sinne, wie der von fester Substanz be- grenzte Raum, worin ein Körper Platz hat.)
 
Die Tautologie lässt der Wirklichkeit den ganzen—unend- lichen—logischen Raum; die Kontradiktion erfüllt den ganzen logischen Raum und lässt der Wirklichkeit keinen Punkt. Keine von beiden kann daher die Wirklichkeit irgendwie bestimmen.
 
4.464                             Die Wahrheit der Tautologie ist gewiss, des Satzes möglich, der Kontradiktion unmöglich.
 
(Gewiss, möglich, unmöglich: Hier haben wir das Anzeichen jener Gradation, die wir in der Wahrscheinlichkeitslehre brau- chen.)
 
4.465                             Das logische Produkt einer Tautologie und eines Satzes sagt das- selbe, wie der Satz. Also ist jenes Produkt identisch mit dem Satz. Denn man kann das Wesentliche des Symbols nicht än- dern, ohne seinen Sinn zu ändern.
 
4.466                             Einer bestimmten logischen Verbindung von Zeichen entspricht eine bestimmte logische Verbindung ihrer Bedeutungen; j e d e b e l i e b i g e Verbindung entspricht nur den unverbundenen Zei- chen.
 
Das heisst, Sätze die für jede Sachlage wahr sind, können überhaupt keine Zeichenverbindungen sein, denn sonst könnten ihnen nur bestimmte Verbindungen von Gegenständen entspre- chen.
 
(Und keiner logischen Verbindung entspricht ke i n e Verbindung der Gegenstände.)
 
Tautologie und Kontradiktion sind die Grenzfälle der Zeichenverbindung, nämlich ihre Auflösung.
 
4.4661 Freilich sind auch in der Tautologie und Kontradiktion die Zei- chen noch mit einander verbunden, d. h. sie stehen in Bezie- hungen zu einander, aber diese Beziehungen sind bedeutungslos, dem S y mb o l unwesentlich.
 
4.5 Nun scheint es möglich zu sein, die allgemeinste Satzform anzu- geben: das heisst, eine Beschreibung der Sätze i r g e n d e i n e r Zeichensprache zu geben, so dass jeder mögliche Sinn durch ein Symbol, auf welches die Beschreibung passt, ausgedrückt wer- den kann, und dass jedes Symbol, worauf die Beschreibung passt, einen Sinn ausdrücken kann, wenn die Bedeutungen der Namen entsprechend gewählt werden.
 
Es ist klar, dass bei der Beschreibung der allgemeinsten Satz- form nu r ihr Wesentliches beschrieben werden darf,—sonst wäre sie nämlich nicht die allgemeinste.
 
Dass es eine allgemeine Satzform gibt, wird dadurch bewie- sen, dass es keinen Satz geben darf, dessen Form man nicht hätte voraussehen (d. h. konstruieren) können. Die allgemeine Form des Satzes ist: Es verhält sich so und so.
 
4.51               Angenommen, mir wären a l l e Elementarsätze gegeben: Dann lässt sich einfach fragen: welche Sätze kann ich aus ihnen bilden. Und das sind a l l e Sätze und s o sind sie begrenzt.
 
4.52              Die Sätze sind Alles, was aus der Gesamtheit aller Elementar- sätze folgt (natürlich auch daraus, dass es die G e s a mt h e i t a l l e r ist). (So könnte man in gewissem Sinne sagen, dass a l l e Sätze Verallgemeinerungen der Elementarsätze sind.)
 
4.53              Die allgemeine Satzform ist eine Variable.
 
5                         Der Satz ist eine Wahrheitsfunktion der Elementarsätze.
 
(Der Elementarsatz ist eine Wahrheitsfunktion seiner selbst.)
 
5.01               Die Elementarsätze sind die Wahrheitsargumente des Satzes.
 
5.02              Es liegt nahe, die Argumente von Funktionen mit den Indices von Namen zu verwechseln. Ich erkenne nämlich sowohl am Ar- gument wie am Index die Bedeutung des sie enthaltenden Zeichens.
 
In Russell’s „+''<sub>c</sub>''“ ist z. B. „''c''“ ein Index, der darauf hinweist, dass das ganze Zeichen das Additionszeichen für Kardinalzahlen ist. Aber diese Bezeichnung beruht auf willkürlicher Übereinkunft und man könnte statt „+''<sub>c</sub>''“ auch ein einfaches Zeichen wählen; in „∼''p''“ aber ist „''p''“ kein Index, sondern ein Argument: der Sinn von „∼''p''“ ka n n n i cht verstanden werden, ohne dass vorher der Sinn von „''p''“ verstanden worden wäre. (Im Namen Julius Cäsar ist „Julius“ ein Index. Der Index ist immer ein Teil einer Beschreibung des Gegenstandes, dessen Namen wir ihn an- hängen. Z. B. D e r Cäsar aus dem Geschlechte der Julier.)
 
Die Verwechslung von Argument und Index liegt, wenn ich mich nicht irre, der Theorie Frege’s von der Bedeutung der Sätze und Funktionen zugrunde. Für Frege waren die Sätze der Logik Namen, und deren Argumente die Indices dieser Namen.
 
5.1                   Die Wahrheitsfunktionen lassen sich in Reihen ordnen. Das ist die Grundlage der Wahrscheinlichkeitslehre.
 
5.101 Die Wahrheitsfunktionen jeder Anzahl von Elementarsätzen lassen sich in einem Schema folgender Art hinschreiben:<references />