Zettel: Difference between revisions

4,674 bytes added ,  3 years ago
no edit summary
No edit summary
No edit summary
Line 95: Line 95:


"Ich habe auf ihn angespielt", heißt ungefähr: Ich ''wollte'', daß jemand bei diesen Worten an ihn denken solle. Aber "Ich wollte" ist nicht die Beschreibung eines Seelenzustandes, und "verstehen, daß N gemeint war" ist dies auch nicht.
"Ich habe auf ihn angespielt", heißt ungefähr: Ich ''wollte'', daß jemand bei diesen Worten an ihn denken solle. Aber "Ich wollte" ist nicht die Beschreibung eines Seelenzustandes, und "verstehen, daß N gemeint war" ist dies auch nicht.
27. Wenn die Situation zweideutig ist, ist es dann zweifelhaft, ob ich ihn meine? Bei meiner Aussage, ich habe ihn oder habe ihn nicht gemeint, urteile ich nicht nach der Situation. Und wenn ich nun nicht nach der Situation urteile, wonach urteile ich? Scheinbar nach gar nichts. Denn ich erinnere mich wohl an die Situation, aber ''deute'' sie. Ich kann z. B. meinen Seitenblick auf ihn ''jetzt nachahmen'', aber das Meinen erscheint als eine ganz ungreifbare, feine Atmosphäre des Sprechens und Handelns. (Ein verdächtiges Bild!)
28. Im Laufe eines Gesprächs will ich auf etwas zeigen; ich habe bereits den Anfang einer Zeigebewegung gemacht; führe sie aber nicht aus. Später sage ich: "Ich wollte damals darauf zeigen. Ich erinnere mich noch deutlich, daß ich schon den Finger aufgehoben hatte." In dem Strom dieser Vorgänge, Gedanken und Empfindungen war dies der Anfang einer Gebärde des Zeigens.
Ja, wenn ich die ganze Gebärde machte und sagte "Er liegt dort drüben", so wäre das kein Zeigen, wenn nicht diese Worte zu einer Sprache gehörten.
29. “Du hast mit der Hand eine Bewegung gemacht; hast du etwas damit gemeint ?—Ich dachte, du meintest, ich solle zu dir kommen."
Also er konnte etwas meinen oder auch nichts meinen. Und wenn das erstere: dann eben seine Handbewegung,—oder etwas Anderes? Hat er mit seinem Ausdruck etwas Anderes als diesen gemeint, oder hat er nur seinen Ausdruck—''gemeint''?
30. Könnte man auch antworten: "Ich habe etwas mit dieser Bewegung gemeint, was ich nur durch diese Bewegung ausdrücken kann"? (Musik, musikalischer Gedanke.)
31. "Freilich dachte ich an ihn: ich habe ihn vor mir gesehen!"—Aber nicht nach seinem Bilde ''erkannt''.
32. Stelle dir einen deiner Bekannten vor!——Nun sage, wer es war!—Manchmal kommt das Bild zuerst und der Name danach. Aber errate ich den Namen nach der Ähnlichkeit des Bildes?—Und wenn nun der Name dem Bild erst nachfolgt,—war die Vorstellung jenes Menschen schon mit dem Bild da, oder war sie erst mit dem Namen vollständig? Ich habe ja auf den Namen nicht aus dem Bild geschlossen; und eben darum kann ich sagen, die Vorstellung von ihm sei schon mit dem Bild gekommen.
33. Es ist, wie wenn man eine ''Tendenz'', eine Bereitschaft erlebte (James). Und warum soll ich es nicht so nennen? (Und manche würden auch, was da geschicht, durch Innervationen von Muskeln, Ansätze zu Bewegungen oder gar Vorstellungen von ihnen erklären. Nur mußt du das Erlebnis einer Tendenz nicht unter dem Bild eines nicht ganz fertigen Erlebnisses ansehen.
Es scheint uns oft, als mache der Geist beim Verstehen der Bedeutung kleine rudimentare Bewegungen, wie ein Unschlüssiger, der nicht weiß, welchen Weg er gehen soll—gehe also das Gebiet der möglichen Anwendungen ab.
34. Denke dir Menschen, die von Kind auf mit großer Schnelligkeit kritzeln, während sie reden: was sie reden, gleichsam illustrieren.
Muß ich annehmen, daß, wer aus der Vorstellung oder Erinnerung etwas zeichnet oder beschreibt oder nachahmt, seine Darstellung von irgend etwas ''abliest''?!—Was spricht dafür?
35. Gedanken erraten. Spielkarten liegen auf einem Tisch. Ich will, daß der Andre eine von ihnen berühren soll. Ich schließe die Augen und denke an cine dieser Karten; der Andre soll erraten, welche ich meine.—Er läßt sich darauf etwa eine Karte einfallen und wünscht dabei, meine Meinung zu treffen. Er berührt die Karte, und ich sage "Ja, die war's", oder sie war's nicht. Eine Variante dieses Spiels wäre es, daß ich auf eine bestimmte Karte ''schaue'', so zwar, daß der Andre die Richtung meines Blicks nicht sieht, und daß er nun die Karte crraten muß, auf die ich schaue. Daß dies eine Variante des ersten Spiels ist, ist wichtig. Es kann hier wichtig sein, ''wie'' ich an die Karte denke, weil ''es'' sich zeigen könnte, daß davon die Zuverlässigkeit des Erratens abhängt. Sage ich aber im gewöhnlichen Leben "Ich dachte soeben an N", so fragt man mich nicht "''Wie'' hast du an ihn gedacht?".
36. Man möchte fragen: "Hätte einer, der in dein Inneres zu sehen imstande wäre, dort sehen können, daß du das sagen ''wolltest''?"
Angenommen, ich hätte mir meinen Vorsatz auf einem Zettel notiert, so hätte ein Andrer meinem Vorsatz dort lesen können. Und kann ich mir denken, daß er ihn auf irgend einem Wege hätte ''sicherer'' erfahren können, als so? Gewiß nicht.
37. (Über einem Musikstück steht, vom Komponisten darübergeschrieben, [[File:Zettel 37.png|6px|link=]] = 88, aber um es heute richtig zu spielen, muß es [[File:Zettel 37.png|6px|link=]] = 94 gespielt werden: welches ist ''das vom Komponisten gemeinte Tempo''?)