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37. (Über einem Musikstück steht, vom Komponisten darübergeschrieben, [[File:Zettel 37.png|6px|link=]] = 88, aber um es heute richtig zu spielen, muß es [[File:Zettel 37.png|6px|link=]] = 94 gespielt werden: welches ist ''das vom Komponisten gemeinte Tempo''?)
37. (Über einem Musikstück steht, vom Komponisten darübergeschrieben, [[File:Zettel 37.png|6px|link=]] = 88, aber um es heute richtig zu spielen, muß es [[File:Zettel 37.png|6px|link=]] = 94 gespielt werden: welches ist ''das vom Komponisten gemeinte Tempo''?)
38. Unterbrich einen Menschen im gänzlich unvorbereiteten und fließenden Reden. Dann frag ihn, was er sagen wollte, und er wird in vielen Fällen den angefangenen Satz fortführen können.—"Dazu mußte ihm schon vorgeschwebt haben, was er sagen wollte."—Ist nicht vielleicht jenes Phänomen der Grund, warum wir sagen, die Fortsetzung hätte ihm vorgeschwebt?
39. Ist es aber nicht sonderbar, daß es so eine Reaktion, so ein Geständnis der Intention gibt? Ist es nicht ein höchst merkwürdiges Sprachinstrument? Was ist eigentlich merkwürdig daran? Nun,—es ist schwer vorstellbar, wie der Mensch diesen Wortgebrauch lernt. Er ist gar so subtil.
40. Aber ist er wirklich subtiler, als der der Worte "Ich habe mir ihn vorgestelle” z. B.? Ja, merkwürdig, sonderbar ist jede solche Sprachverwendung, wenn man nur auf die Betrachtung der Beschreibungen physikalischer Gegenstände eingestellt ist.
41. Sage ich "Ich wollte damals das und das tun", und beruht diese Aussage auf den Gedanken, Vorstellungen, etc., an die ich mich erinnere, so muß ein Andrer, dem ich nur diese Gedanken, Vorstellungen etc. mitteile, daraus mit ebensolcher Sicherheit schließen können, ich hätte damals das und das tun wollen.—Er könnte das aber oft nicht. Ja, schlösse ich selbst nun aus dieser Evidenz auf meine Absicht, so würde der Andre mit Recht sagen, dieser Schluß sei sehr unsicher.
42. Und wie lernt [das Kind] den Ausdruck gebrauchen "Ich war damals im Begriffe zu werfen"? Und wie weiß man, daß es damals wirklich in jenem Seelenzustand war, den ''ich'' "im Begriffe sein ..." nenne?
43. Wie nun, wenn ein Mensch den Ausdruck "Ich war damals im Begriffe ....", oder "Ich wollte damals ...." nie gebrauchte und seinen Gebrauch nicht erlernen könnte? Der Mensch kann doch viel denken, ohne ''das'' zu denken. Er kann ein großes Gebiet der Sprachspiele beherrschen, ohne dieses zu beherrschen.
Ist es aber dann nicht sonderbar, daß wir in dieser Art defekten Menschen nicht begegnen, bei aller der Verschiedenheit der Menschen? Oder finden sich eben diese Leute unter den Geistesschwachen, und es wird nur nicht genügend beobachtet, welcher Sprachverwendungen solche fähig sind und welcher nicht?
44. "Ich hatte die Absicht ...." drückt nicht die Erinnerung an ein Erlebnis aus. (So wenig wie: "Ich war im Begriffe, ....")
45. Absicht (Intention) ist weder Gemütsbewegung, Stimmung, noch Empfindung oder Vorstellung. Sie ist kein Bewußtseinszustand. Sie hat nicht echte Dauer.
46. "Ich habe die Absicht, morgen zu verreisen."—Wann hast du die Absicht? Die ganze Zeit; oder intermittierend?
47. Schau in die Lade, in der du sie zu finden glaubst. Die Lade ist leer.—Ich glaube, du hast sie unter den Empfindungen gesucht.
Überlege, was das eigentlich heißen würde "eine Absicht intermittierend haben". Es hieße etwa: die Absicht haben, sie fallen lassen, sie wieder aufnehmen u. s. f.
48. Unter was für Umständen sagt man "Diese Vorrichtung ist eine Bremse, funktioniert aber nicht"? Das heißt doch: sie erfüllt ihren Zweck nicht. Worin liegt es, daß sie diesen Zweck hat? Man könnte auch sagen: "Es war die ''Absicht'', daß dies als Bremse wirken sollte.” Wessen Absicht? Hier entschwindet uns die Absicht als Zustand der Seele gänzlich.
Könnte man sich nicht auch das denken, daß mehrere Leute eine Absicht hätten, ausführten, ohne daß einer von ihnen sie hat? So kann eine Regierung eine Absicht haben, die kein ''Mensch'' hat.
49. Es könnte ein Verbum geben, welches bedeutet: die Absicht durch Worte oder andere Zeichen laut oder in Gedanken aussprechen. Dies Zeitwort wäre nicht gleichbedeutend unserem "beabsichtigen".
Es könnte ein Verbum geben, welches bedeutet: einer Absicht gemäß handeln; und dieses wäre auch nicht gleichbedeutend unserem “beabsichtigen".
Wieder ein Anderes könnte bedeuten: über eine Absicht brüten; oder sie im Kopfe hin und her wälzen.
50. Man kann einen im Denken stören,—aber im Beabsichtigen?——Im Planen wohl. Auch im Festhalten einer Absicht, nämlich im Denken oder Handeln.
51. Anwendung des Imperativs. Vergleiche die Befehle:
:Heb den Arm!
:Stell dir ..... vor!
:Rechne ..... im Kopf!
:Überlege dir .....!
:Konzentrier deine Aufmerksamkeit auf .....!
:Sieh diese Figur als Würfel an!
mit diesen:
:Beabsichtige .....!
:Meine mit diesen Worten .....!
:Vermute, daß es sich so verhält!
:Glaube, daß es so ist!
:Sei der festen Überzeugung .....!
:Erinnere dich daran, daß dies geschehen ist!
:Zweifle daran, ob es geschehen ist!
:Hoffe auf seine Wiederkehr!
Ist ''das'' der Unterschied, daß die ersten willkürliche, die zweiten unwillkürliche Bewegungen des Geistes sind? Eher kann ich sagen, die Verben der zweiten Gruppe bezeichnen keine Handlungen. (Vergleiche damit den Befehl: "Lache herzlich über diesen Witz!")
52. Kann man jemandem befehlen, einen Satz zu verstehen? Warum kann man einem nicht befehlen: "Versteh das!"? Könnte ich nicht den Befehl "Versteh diesen griechischen Satz!" dadurch befolgen, daß ich Griechisch lernte?——Ähnlich: Man kann sagen "Rufe dir Schmerzen hervor!”, aber nicht "Habe Schmerzen!" Man sagt: "Versetz dich in diesen Zustand!" aber nicht: "Sei in diesem Zustand!"
53. Ich erwarte jeden Augenblick eine Explosion. Ich bin nicht imstande, einer andern Sache meine volle Aufmerksamkeit zu schenken; schaue in ein Buch, aber ohne zu lesen. Auf die Frage, warum ich zerstreut oder nervös scheine, sage ich, ich erwarte en Augenblick die Explosion.—Wie war es nun: Beschrieb dieser Satz eben jenes Verhalten? Aber wie unterscheidet sich dann der Vorgang des Erwartens der Explosion vom Vorgang des Erwartens eines ganz andern Ereignisses, z. B. eines bestimmten Signals? Und wie unterscheidet sich die Erwartung ''eines'' Signals von der Erwartung eines um weniges verschiedenen Signals? Oder war meine Handlungsweise nur Nebenerscheinung der eigentlichen Erwartung, und diese ein besonderer geistiger Vorgang? Und war dieser Vorgang homogen oder gegliedert wie ein Satz (mit ''internen'' Anfang und Ende)? Wie weiß aber der, in dem er vorgeht, welches Ereignisses Erwartung der Vorgang ist? Er scheint nämlich nicht darüber im Ungewissen. Es ist nicht, als konstatierte er einen seelischen oder andern Zustand und machte eine Vermutung über dessen Ursache. Er mag wohl sagen "Ich weiß nicht, ist es nur diese Erwartung, die mich heute so unruhig mache”, aber er wird nicht sagen: "Ich weiß nicht, ist dieser Seelenzustand, in dem ich jetzt bin, die Erwartung einer Explosion, oder von etwas Anderm."
Die Aussage "Ich erwarte jeden Moment einen Knall" ist eine ''Äußerung'' der Erwartung. Diese Wortreaktion ist der Ausschlag des Zeigers, der den Gegenstand der Erwartung anzeigt.
54. Es scheint: die Erwartung und die Tatsache, die die Erwartung befriedigt, passen doch irgendwie zusammen. Man möge nun eine Erwartung beschreiben und eine Tatsache, die zusammen. passen, damit man sieht, worin diese Übereinstimmung besteht. Da denkt man sofort an das Passen einer Vollform in eine entsprechende Hohlform. Aber wenn man diese beiden beschreiben will, so sieht man, daß, soweit sie passen, ''eine'' Beschreibung für beide gilt. (Vergleiche dagegen, was es heißt "Diese Hose paßt nicht zu diesem Rock".)
55. Wie alles Metaphysische ist die Harmonie zwischen Gedanken und Wirklichkeit in der Grammatik der Sprache aufzufinden.
56. Mein Gedanke ist hier: Wenn Einer die Erwartung selbst sehen könnte—er müßte sehen, ''was'' erwartet wird. (So aber, daß es nicht noch einer Projektionsmethode, Vergleichsmethode bedürfte, um von dem, was er sieht, zu der Tatsache zu kommen, die erwartet wird.)
Aber so ist es ja auch: Wer den Ausdruck der Erwartung sicht, sieht, 'was erwartet wird'.
57. Der Gedanke, daß uns erst das Finden zeigt, was wir gesucht, erst die Erfüllung des Wunsches, was wir gewünscht haben, heißt, den Vorgang so beurteilen, wie die Symptome der Erwartung oder des Suchens bei einem Andern. Ich sehe ihn unruhig in seinem Zimmer auf und ab gehen; da kommt jemand zur Tür herein, und er wird ruhig und gibt Zeichen der Befriedigung. Und nun sage ich "Er hat offenbar diesen Menschen erwartet".