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308. Man könnte sich ja dann auch denken, daß er, statt die 'Anwendung der Regel zu erraten', sie ''erfindet''. Nun, wie sähe das aus?—Soll er etwa sagen: "Der Regel + 1" folgen, möge einmal heißen zu schreiben: 1, 1+1, 1+1+1, u. s. w."? Aber was meint er damit? Das "u. s. w." setzt ja eben schon das Beherrschen einer Technik voraus.
308. Man könnte sich ja dann auch denken, daß er, statt die 'Anwendung der Regel zu erraten', sie ''erfindet''. Nun, wie sähe das aus?—Soll er etwa sagen: "Der Regel + 1" folgen, möge einmal heißen zu schreiben: 1, 1+1, 1+1+1, u. s. w."? Aber was meint er damit? Das "u. s. w." setzt ja eben schon das Beherrschen einer Technik voraus.
Statt "u. s. w." hätte er auch sagen können: "Du weißt schon, was ich meine." Und seine Erklärung wäre einfach eine ''Definition'' des Ausdrucks "der Regel + 1 folgen" gewesen. ''Das'' wäre seine "Erfindung" gewesen.
309. Wir kopieren die Ziffern von 1 bis 100 etwa und ''schließen'', ''denken'' auf diese Weise.
Ich könnte es so sagen: Wenn ich die Ziffern von 1 bis 100 kopiere,—wie weiß ich, daß ich eine Ziffernreihe erhalten werde, die beim Zählen stimmt? Und ''was'' ist hier eine Kontrolle ''wofür''? Oder wie soll ich hier die wichtige Erfahrungstatsache beschreiben? Soll ich sagen, die Erfahrung lehrt, daß ich immer gleich zähle? Oder, daß beim Kopieren keine Ziffer verloren geht? Oder, daß die Ziffern auf dem Papier stehen bleiben, wie sie sind, auch wenn ich nicht hinschaue? Oder ''alle'' diese Tatsachen? Oder soll ich sagen, daß wir einfach nicht in Schwierigkeiten kommen? Oder daß uns fast immer alles in Ordnung zu sein scheint ?
''So'' denken wir. ''So'' handeln wir. ''So'' reden wir darüber.
310. Denke, du solltest beschreiben, wie Menschen das Zählen (im Dezimalsystem z. B.) lernen. Du beschreibst, was der Lehrer sagt und tut, und wie der Schüler darauf reagiert. In dem, was der Lehrer sagt und tut, werden sich z. B. Worte und Gebärden finden, die den Schüler zum Fortsetzen einer Reihe aufmuntern sollen; auch Worte wie "Er kann jetzt zählen". Soll nun die Beschreibung, die ich von dem Vorgang des Lehrens und Lernens gebe, außer den Worten des Lehrers auch mein eigenes Urteil enthalten: der Schüler könne jetzt zählen oder der Schüler habe nun das System der Zahlworte verstanden? Wenn ich so ein Urteil nicht in die Beschreibung aufnehmen ist sie dann unvollständig? Und wenn ich es aufnehme, gehe ich über die bloße Beschreibung hinaus? Kann ich mich jener Urteile enthalten mit der Begründung: "''Das ist alles, was geschieht''"?
311. Muß ich nicht vielmehr fragen: "Was tut die Beschreibung überhaupt? Wozu dient sie?"—Was eine vollständige und eine unvollständige Beschreibung ist, wissen wir allerdings in anderem Zusammenhang. Frage dich: Wie verwendet man die Ausdrücke "vollständige" und "unvollständige Beschreibung"?
Eine Rede vollständig (oder unvollständig) wiedergeben. Gehört dazu auch die Wiedergabe des Tonfalls, des Mienenspiels, der Echtheit oder Unechtheit der Gefühle, der Absichten des Redners, der Anstrengung des Redens? Ob das oder jenes für uns zur vollständigen Beschreibung gehört, wird vom Zweck der Beschreibung abhängen, davon, was der Empfänger mit der Beschreibung anfängt.
312. Der Ausdruck “Das ist alles, was ''geschieht''", grenzt ab, was wir "geschehen" nennen.
313. Hier ist die Versuchung überwältigend, noch etwas zu sagen, wenn schon alles beschrieben ist.—Woher dieser Drang? Welche Analogie, welche falsche Interpretation erzeugt ihn?
314. Hier stoßen wir auf eine merkwürdige und charakteristische Erscheinung in philosophischen Untersuchungen: Die Schwierigkeit—könnte ich sagen—ist nicht, die Lösung zu finden, sondern etwas als die Lösung anzuerkennen, was aussieht, als wäre es erst eine Vorstufe zu ihr. "Wir haben schon alles gesagt.—Nicht etwas, was daraus folgt, sondern eben ''das'' ist die Lösung!"
Das hängt, glaube ich, damit zusammen, daß wir falschlich cine Erklärung erwarten; während eine Beschreibung die Lösung der Schwierigkeit ist, wenn wir sie richtig in unsere Betrachtung einordnen. Wenn wir bei ihr verweilen, nicht versuchen, über sie hinauszukommen.
Die Schwierigkeit ist hier: Halt zu machen.
315. "Warum verlangst du Erklärungen? Wenn diese gegeben sein werden, wirst du ja doch wieder vor einem Ende stehen. Sie können dich nicht weiterführen, als du jetzt bist.”
316. Man kann einen roten Gegenstand als Muster für das Malen eines ''rötlichen'' Weiß oder eines rötlichen Gelb (etc.) verwenden—aber kann man es auch als Muster für das Malen eines blaugrünen Farbtones z. B. verwenden?—Wie, wenn ich jemanden mit allen äußern Zeichen des genauen Kopierens einen roten Fleck blaugrün 'wiedergeben' sähe?—Ich würde sagen "Ich weiß nicht, wie er es macht!" Oder auch "Ich weiß nicht, ''was'' er macht!"—Aber angenommen, er 'kopierte' nun diesen Ton von Rot bei verschiedenen Gelegenheiten in Blaugrün und etwa andere Töne von Rot regelmäßig in andern blaugrünen Tönen—soll ich nun sagen, er kopiere, oder er kopiere nicht?
Was heißt es aber, daß ich nicht weiß, 'was er macht'? Sche ich denn nicht, was er macht?—Aber ich sehe nicht ''in ihn hinein''.—Nur dieses Gleichnis nicht! Wenn ich ihn Rot in Rot kopieren sehe,—was weiß ich denn da? Weiß ich, ''wie'' ich es mache? Freilich, man sagt: ich male eben die ''gleiche'' Farbe.—Aber wie, wenn ''er'' sagt "Und ich male die Quint zu dieser Farbe"? Sehe ich einen besonderen Vorgang der Vermittlung, wenn ich die 'gleiche' Farbe male?
Nimm an, ich kenne ihn als einen ehrlichen Menschen; er gibt, wie ich es beschrieben habe, ein Rot durch ein Blaugrün wieder—aber nun ''nicht'' den gleichen Ton immer durch den gleichen, sondern einmal durch einen, einmal durch einen andern Ton.—Soll ich sagen "Ich weiß nicht, was er macht"?—Er macht, was ich sehe—aber ''ich'' würde es nie tun; ich weiß nicht, warum er es tut; seine Handlungsweise 'ist mir unverständlich'.
317. Man könnte sich ein negatives Bildnis denken, das ist cines, das darstellen ''soll'', wie Herr N. ''nicht'' aussieht (das also ein schlechtes Porträt ist, wenn es dem Herrn N. ähnlich sieht).
318. Ich kann nicht beschreiben, wie eine Regel (allgemein) zu verwenden ist, als indem ich dich ''lehre'', ''abrichte'', eine Regel zu verwenden.
319. Ich kann nun z. B. einen solchen Unterricht im Sprechfilm aufnehmen. Der Lehrer wird manchmal sagen "So ist es recht". Sollte der Schüler ihn fragen "warum?"—so wird er nichts oder doch nichts Relevantes antworten, auch nicht das: "Nun, weil wir's Alle so machen"; das wird nicht der Grund sein.
320. Warum nenne ich die Regeln des Kochens nicht willkürlich, und warum bin ich versucht, die Regeln der Grammatik willkürlich zu nennen? Weil 'Kochen' durch seinen Zweck definiert ist, dagegen 'Sprechen' nicht. Darum ist der Gebrauch der Sprache in einem gewissen Sinne autonom, in dem das Kochen und Waschen es nicht ist. Wer sich beim Kochen nach andern als den richtigen Regeln richtet, kocht schlecht; aber wer sich nach andern Regeln, als denen des Schach richtet, spielt ''ein anderes Spiel''; und wer sich nach andern grammatischen Regeln richtet, als den und den, spricht darum nichts Falsches, sondern von etwas Anderem.
321. Wenn man eine Regel, ein Wort des Satzes betreffend, dem Satz beifügt, so ändert sich sein Sinn nicht.
322. Die Sprache ist für uns nicht als Einrichtung definiert, die einen bestimmten Zweck erfüllt. Sondern "Sprache" ist für uns ein Sammelname, und ich verstehe darunter die deutsche Sprache, die englische Sprache u. s. w. und noch verschiedene Zeichensysteme, die mit diesen Sprachen eine größere oder geringere Verwandtschaft haben.
323. Unsere Kenntnis vieler Sprachen läßt uns die Philosophie, die in den Formen einer jeden niedergelegt sind, nicht recht ernst nehmen. Dabei sind wir aber blind dafür, daß wir selbst starke Vorurteile für, wie gegen gewisse Ausdrucksformen haben, daß eben auch diese besondere Übereinanderlagerung mehrerer Sprachen für uns ein bestimmtes Bild ergibt.
324. Lernt das Kind nur sprechen oder auch denken? Lernt es den Sinn des Multiplizierens ''vor''—oder ''nach'' dem Multiplizieren?
325. Wie bin ich denn zum Begriff 'Satz' oder zum Begriff "Sprache gekommen? Doch nur durch die Sprachen, die ich gelernt habe.—Aber die scheinen mich in gewissem Sinne über sich selbst hinausgeführt zu haben, denn ich bin jetzt im Stande, eine neue Sprache zu konstruieren, z. B. Wörter zu erfinden.—Also gehört diese Konstruktion noch zum Begriff der Sprache. Aber nur, wenn ich ihn so festlegen will.
326. Der Begriff des Lebewesens hat die gleiche Unbestimmtheit, wie der der Sprache.
327. Vergleiche: Ein Spiel erfinden—eine Sprache erfinden—eine Maschine erfinden.
328. Daß der und der Satz keinen Sinn hat, ist in der Philosophie von Bedeutung; aber auch, daß er komisch klingt.
329. Ich mache einen Plan nicht nur, um mich Andern verständlich zu machen, sondern auch, um selbst über die Sache klar zu werden. (D. h. die Sprache ist nicht nur Mittel zur Mitteilung.)
330. Was heißt das: "Das ist doch nicht mehr dasselbe Spiel!” Wie verwende ich diesen Satz? Als Mitteilung? Nun, etwa als Einleitung zu einer Mitteilung, die die Unterschiede aufzählt und ihre Folgen erklärt. Aber auch um auszudrücken, daß ich eben darum hier nicht mehr mittue, oder doch eine andere Stellung zu dem Spiel einnehme.