Zettel: Difference between revisions

10,695 bytes added ,  3 years ago
no edit summary
No edit summary
No edit summary
Line 989: Line 989:


330. Was heißt das: "Das ist doch nicht mehr dasselbe Spiel!” Wie verwende ich diesen Satz? Als Mitteilung? Nun, etwa als Einleitung zu einer Mitteilung, die die Unterschiede aufzählt und ihre Folgen erklärt. Aber auch um auszudrücken, daß ich eben darum hier nicht mehr mittue, oder doch eine andere Stellung zu dem Spiel einnehme.
330. Was heißt das: "Das ist doch nicht mehr dasselbe Spiel!” Wie verwende ich diesen Satz? Als Mitteilung? Nun, etwa als Einleitung zu einer Mitteilung, die die Unterschiede aufzählt und ihre Folgen erklärt. Aber auch um auszudrücken, daß ich eben darum hier nicht mehr mittue, oder doch eine andere Stellung zu dem Spiel einnehme.
331. Man ist versucht, Regeln der Grammatik durch Sätze zu rechtfertigen von der Art "Aber es gibt doch wirklich vier primäre Farben". Und gegen die Möglichkeit dieser Rechtfertigung, die nach dem Modell der Rechtfertigung eines Satzes durch den Hinweis auf seine Verifikation gebaut ist, richtet sich das Wort, daß die Regeln der Grammatik willkürlich sind.
Kann man aber nicht doch in irgendeinem Sinne sagen, daß die Grammatik der Farbwörter die Welt, wie sie tatsächlich ist, charakterisiert? Man möchte sagen: Kann ich nicht wirklich vergebens nach einer fünften primären Farbe suchen? Nimmt man nicht die primären Farben zusammen, weil sie eine Ahnlichkeit haben; oder zum mindesten die ''Farben'', im Gegensatz z. B. zu den Formen oder Tönen, weil sie eine Ahnlichkeit haben? Oder habe ich, wenn ich diese Einteilung der Welt als die richtige hinstelle, schon eine vorgefaßte Idee als Paradigma im Kopf? Von der ich dann etwa nur sagen kann: "Ja, das ist die Art, wie wir die Dinge betrachten", oder "Wir wollen eben ein solches Bild machen". Wenn ich nämlich sage: "die primären Farben haben doch eine bestimmte Ähnlichkeit miteinander"—woher nehme ich den Begriff dieser Ähnlichkeit? Ist nicht so, wie der Begriff "primäre Farbe nichts Andres ist, als 'blau oder rot oder grün oder gelb',—auch der Begriff jener Ähnlichkeit nur durch die vier Farben gegeben?—Ja, sind sie nicht die gleichen? -"Ja, könnte man denn auch rot, grün und kreisförmig zusammen. fassen?"—Warum nicht?!
332. Glaub doch nicht, daß du den Begriff der Farbe in dir hältst, weil du auf ein farbiges Objekt schaust,—wie immer du schaust.
(So wenig, wie du den Begriff der negativen Zahl besitzt, dadurch, daß du Schulden hast.)
333. "Rot ist etwas Spezifisches", das müßte soviel heißen, wie: "Das ist etwas Spezifisches"—wobei man auf etwas Rotes deutet. Aber damit das verständlich wäre, müßte man schon unsern ''Begriff'' 'rot', den Gebrauch jenes Musters, meinen.
334. Ich kann doch offenbar eine Erwartung einmal in den Worten "ich erwarte einen roten Kreis", ein andermal statt der letzten beiden Worte durch das farbige Bild eines roten Kreises ausdrücken. Aber in diesem Ausdruck entsprechen den beiden Wörtern "rot" und "Kreis" nicht zwei Dinge. Also ist der Ausdruck der zweiten Sprache von ''ganz anderer Art''.
335. Es gäbe außer dieser auch eine Sprache, in der 'roter Kreis' durch Nebeneinanderstellen eines Kreises und eines roten Flecks ausgedrückt würde.
336. Wenn ich nun auch zwei Zeichen bei mir habe, den Ausdruck "roter Kreis" und das farbige Bild, oder die Vorstellung des roten Kreises, so wäre doch die Frage: Wie ist denn dann das eine Wort der Farbe, das andere der Form zugeordnet?
Denn man scheint sagen zu können, das cine Wort lenke die Aufmerksamkeit auf die Farbe, das andere auf die Form. Aber was heißt das? Wie kann man diese Wörter in dieses Bild übersetzen?
Oder auch: Wenn mir das Wort "rot" eine Farbe ins Gedächtnis ruft, so muß sie doch mit einer Form verbunden sein; wie kann ich denn dann von der Form abstrahieren?
Die wichtige Frage ist dabei nie: wie weiß er, wovon er abstrahieren soll? sondern: wie ist das überhaupt möglich? oder: was heißt es?
337. Vielleicht wird es klarer, wenn man ''die'' beiden Sprachen vergleicht, in deren einer ein rotes Täfelchen und eines mit einem Kreis darauf (etwa einem schwarzen auf weißem Grund) die Worte "roter Kreis" ersetzen; und in der andren statt dessen ein roter Kreis gemalt wird.
Wie geht denn hier die Übersetzung vor sich? Er schaut etwa zuerst auf das rote Täfelchen und wählt einen roten Stift, dann auf den Kreis, und macht nun mit diesem Stift einen Kreis.
Es würde etwa zuerst gelernt, daß das erste Täfelchen immer die Wahl des Bleistiftes bestimmt, das zweite, was wir mit ihm zeichnen sollen. Die beiden Täfelchen gehören also verschiedenen Wortarten an (etwa Hauptwort und Tätigkeitswort). In der anderen Sprache aber gäbe es nichts, was man hier zwei Wörter nennen könnte.
338. Wenn einer sagte "Rot ist zusammengesetzt"—so könnten wir nicht erraten, worauf er damit anspielt, was er mit diesem Satz wird anfangen wollen. Sagt er aber: "Dieser Sessel ist zusammengesetzt", so mögen wir zwar nicht gleich wissen, von welcher Zusammensetzung er spricht, können aber gleich an mehr als einen Sinn für seine Aussage denken.
Was für eine Art von Faktum ist nun dies, worauf ich aufmerksam machte?
Jedenfalls ist es ein ''wichtiges'' Faktum.—Uns ist keine Technik geläufig, auf die dieser Satz anspielen könnte.
339. Wir beschreiben hier ein Sprachspiel, welches wir ''nicht lernen können''.
340. "Dann muß etwas ganz Anderes in ihm vorgehen, etwas, was wir nicht kennen."—''Das zeigt ums'', wonach wir bestimmen, ob ‘im Andern' etwas Anderes als oder dasselbe wie in uns stattfindet. Das zeigt uns, ''wonach'' wir die innern Vorgänge beurteilen.
341. Kannst du dir vorstellen, was der rot-grün Blinde sieht? Kannst du das Bild des Zimmers malen, wie er es sieht?
Kann ''er'' es malen, wie er es sicht? Kann ich also malen, wie ich es sehe? In welchem Sinne kann ich es?
342. "Wer alles nur grau, schwarz und weiß sahe, dem müßte etwas ''gegeben'' werden, damit er wüßte, was rot, grün etc. ist. Und was müßte ihm gegeben werden? Nun, die Farben. Also z. B. ''dies'' und ''dies'' und ''dies''. (Denk dir, z. B., daß farbige Vorbilder in sein Gehirn eingeführt werden müßten zu den bloß grauen und schwarzen.) Aber müßte das geschehen als Mittel zum Zweck des künftigen Handelns? Oder schließt eben dieses Handeln diese Vorbilder ein? Will ich sagen: "Es müßte ihm etwas gegeben werden, denn es ist klar, er könnte sonst nicht ...."—oder: Sein sehendes Benehmen ''enthält'' neue Bestandteile?
343. Auch: was würden wir eine "Erklärung des Sehens" ''nennen''? Soll man sagen: Nun, du weißt doch sonst, was "Erklärung" heißt; verwende diesen Begriff also auch hier!
344. Kann ich sagen: "Schau es an! so wirst du sehen, daß es sich nicht erklären läßt."—Oder: "Trinke die Farbe Rot in dich ein, so wirst du sehen, daß sie nicht durch etwas Anderes darzustellen ist!"——Und wenn der Andere nun mir beistimmt, zeigt es, daß er dasselbe eingetrunken hat, wie ich?—Und was bedeutet nun unsere Geneigtheit, dies zu sagen? Rot erscheint uns isoliert dazustehen. Warum? Was ist dieser Schein, diese Geneigtheit ''wert''?
Man könnte aber fragen: Auf welche Eigentümlichkeit des Begriffs deutet diese unsre Neigung?
345. Denke an den Satz "Rot ist keine Mischfarbe" und an seine Funktion.
Das Sprachspiel mit den Farben ist eben durch das charakterisiert, was wir tun können, und was wir nicht tun können.
346. "Ein rötliches Grün gibt es nicht", ist den Sätzen verwandt, die wir als Axiome in der Mathematik gebrauchen.
347. Daß wir mit gewissen Begriffen ''rechnen'', mit andern nicht, zeigt nur, wie verschiedener Art die Begriffswerkzeuge sind (wie wenig Grund wir haben, hier je Einförmigkeit anzunehmen). [''Randbemerkung:'' Zu Sätzen über Farben, die den mathematischen ähnlich sind, z. B.: Blau ist dunkler als weiß. Dazu Goethes Farbenlehre.]
348. "Die Möglichkeit der Übereinstimmung bedingt schon ''eine'' Übereinstimmung."—Denke, jemand sagte: "Schachspielenkönnen ist eine Art des Schachspielens"!
349. Es ist sehr schwer, Gedankenbahnen zu beschreiben, wo schon viel Fahrgeleise sind—ob deine eigenen oder andere—und nicht in eins der ausgefahrenen Geleise zu kommen. Es ist schwer: ''nur wenig'' von einem alten Gedankengeleise abzuweichen.
350. "Es ist, als wären unsere Begriffe bedingt durch ein Gerüst von Tatsachen."
Das hieß doch: Wenn du dir gewisse Tatsachen anders denkst, sie anders beschreibst, als sie sind, dann kannst du die Anwendung gewisser Begriffe dir nicht mehr vorstellen, weil die Regeln ihrer Anwendung kein Analogon unter den neuen Umständen haben.—Was ich sage, kommt also ''darauf'' hinaus: Ein Gesetz wird für Menschen gegeben, und ein Jurist mag wohl fähig sein, Konsequenzen für jeden Fall zu ziehen, der ihm gewöhnlich vorkommt, das Gesetz hat also offenbar seine Verwendung, einen Sinn. Trotzdem aber setzt seine Gültigkeit allerlei voraus; und wenn das Wesen, welches er zu richten hat, ganz vom gewöhnlichen Menschen abweicht, dann wird z. B. die Entscheidung, ob er eine Tat mit böser Absicht begangen hat, nicht etwa schwer, sondern (einfach) unmöglich werden.
351. "Wenn die Menschen nicht im allgemeinen über die Farben der Dinge übereinstimmten, wenn Unstimmigkeiten nicht Ausnahmen wären, könnte es unsern Farbbegriff nicht geben.” Nein:—''gäbe'' es unsern Farbbegriff nicht.
352. Will ich also sagen, gewisse Tatsachen seien gewissen Begriffsbildungen günstig oder ungünstig? Und lehrt das die Erfahrung? Es ist Erfahrungstatsache, daß Menschen ihre Begriffe ändern, wechseln, wenn sie neue Tatsachen kennenlernen; wenn dadurch, was ihnen früher wichtig war, unwichtig wird und umgekehrt. (Man findet z. B.: was früher als Artunterschied galt, sei eigentlich ''nur'' ein Gradunterschied.)
353. Aber kann man nicht sagen: "Wenn es nur ''eine'' Substanz gäbe, so hätte man keinen Gebrauch für das Wort "Substanz'"? Aber das heißt doch: Der Begriff 'Substanz' setzt den Begriff 'Unterschied der Substanz' voraus. (Wie der des Schachkönigs den des Schachzuges, oder wie der der ''Farbe'' den der ''Farben''.)
354. Zwischen Grün und Rot, will ich sagen, sei eine ''geometrische'' Leere, nicht eine physikalische.
355. Aber entspricht dieser also nichts Physikalisches? Das leugne ich nicht. (Und wenn es bloß unsre Gewöhnung an ''diese'' Begriffe ist, an diese Sprachspiele wäre. Aber ich sage nicht, daß es so ist. Wenn wir einem Menschen die und die Technik durch Exempel beibringen,—daß er dann mit einem bestimmten neuen Fall ''so'' und nicht ''so'' geht, oder daß er dann stockt, daß für ihn also dies und nicht jenes die 'natürliche' Fortsetzung ist, ist allein schon ein höchst wichtiges Naturfaktum.
356. "Aber wenn ich mit 'bläulichgelb' grün meine, so fasse ich eben diesen Ausdruck anders als nach der ursprünglichen Weise auf. Die ursprüngliche Auffassung bezeichnet einen andern und eben ''nicht gangbaren'' Weg."
Was ist aber hier das richtige Gleichnis? Das vom physisch nicht gangbaren Weg, oder vom Nichtexistieren des Weges? Also das Gleichnis der physikalischen oder der mathematischen Unmöglichkeit?
357. Wir haben ein System der Farben wie ein System der Zahlen.
Liegen die Systeme in ''unserer'' Natur oder in der Natur der Dinge? Wie soll man's sagen?—''Nicht'' in der Natur der Zahlen oder Farben.