Bemerkungen über die Farben: Difference between revisions

no edit summary
No edit summary
No edit summary
Line 35: Line 35:
Man muß immer darauf gefaßt sein, etwas ''ganz'' Neues zu lernen.
Man muß immer darauf gefaßt sein, etwas ''ganz'' Neues zu lernen.


16. Die Beschreibung der Phänomene der Farbenblindheit gehört in die Psychologie: also auch die der Phänomene des normalen Sehens? Die Psychologie beschreibt nur die ''Abweichungen'' der Farbenblindheit vom normalen Schen.
16. Die Beschreibung der Phänomene der Farbenblindheit gehört in die Psychologie: also auch die der Phänomene des normalen Sehens? Die Psychologie beschreibt nur die ''Abweichungen'' der Farbenblindheit vom normalen Sehen.


17. Runge (in dem Brief, den Goethe in der Farbenlehre abdruckt) sagt, es gebe durchsichtige und undurchsichtige Farben. Weiß sei eine undurchsichtige Farbe.
17. Runge (in dem Brief, den Goethe in der Farbenlehre abdruckt) sagt, es gebe durchsichtige und undurchsichtige Farben. Weiß sei eine undurchsichtige Farbe.
Line 934: Line 934:


259. Ich gebe einer Farbe einen Namen "F" und sage, es sei die Farbe, die ich dort sehe. Oder vielleicht male ich mein Gesichtsbild und sage dann einfach "Ich sehe ''dies''”. Nun, welche Farbe ist an ''dieser'' Stelle meines Bildes? Wie bestimm ich es? Ich führe etwa das Wort "Kobaldblau" ein: Wie fixiere ich, was 'K' ist? Ich könnte ein Papier als Paradigma dieser Farbe nehmen oder den Farbstoff in einem Topf. Wie bestimmt ich nun, daß eine Oberfläche (z.B.) diese Farbe habe? Alles kommt auf die Vergleichsmethode an.
259. Ich gebe einer Farbe einen Namen "F" und sage, es sei die Farbe, die ich dort sehe. Oder vielleicht male ich mein Gesichtsbild und sage dann einfach "Ich sehe ''dies''”. Nun, welche Farbe ist an ''dieser'' Stelle meines Bildes? Wie bestimm ich es? Ich führe etwa das Wort "Kobaldblau" ein: Wie fixiere ich, was 'K' ist? Ich könnte ein Papier als Paradigma dieser Farbe nehmen oder den Farbstoff in einem Topf. Wie bestimmt ich nun, daß eine Oberfläche (z.B.) diese Farbe habe? Alles kommt auf die Vergleichsmethode an.
260. Was man den "farbigen" Gesamteindruck einer Oberfläche nennen kann, ist nicht etwa eine Art arithmetisches Mittel aller Farben der Oberfläche.
261. [ "Ich sehe (höre fühle etc) X"
"Ich beobachte X"
X steht das erste und zweite mal nicht für den gleichen Begriff, auch wenn beidemale der gleiche Ausdruck steht z.B. "einen Schmerz". Denn auf den ersten Satz könnte die Frage folgen "Was für einen Schmerz?" und dies könnte man beantworten, indem man den Fragenden mit einer Nadel sticht. Folgt aber die Frage "Was für einen Schmerz?" auf den zweiten Satz, so muß die Antwort von andrer Art sein, z.B. "Den Schmerz in meiner Hand."]
262. Ich möchte sagen "An ''dieser'' Stelle in meinem Gesichtsfeld ist ''diese'' Farbe (ganz abgesehen von jeder Deutung)". Aber wozu gebrauche ich diesen Satz? "''Diese''" Farbe muß ja eine sein, die ich reproduzieren kann. Und es muß bestimmt sein, unter welchen Umständen ich von etwas sage, es habe diese Farbe.
263. Denk, jemand zeigte auf eine Stelle einer Iris in einem Rembrandtschen Gesicht und sagte "Die Wand in meinem Zimmer soll in dieser Farbe gemalt werden."
264. Daß wir sagen können, "Diese Stelle in meinem Gesichtsfeld ist graugrün", bedeutet nicht, daß wir wissen, was eine genaue Kopie dieses Farbtons zu nennen wäre.
265. Ich male die Aussicht von meinem Fenster; eine bestimmte Stelle, bestimmt durch ihre Lage in der Architektur eines Hauses, male ich mit Ocker. Ich sage “Diese Stelle sehe ich in dieser Farbe."
Das bedeutet nicht, daß ich an dieser Stelle die Farbe Ocker sche, denn der Farbstoff mag, so umgeben, mir viel heller oder dunkler oder rötlicher (etc.) als Ocker erscheinen.
Ich kann etwa sagen "So, wie ich sie hier (mit Ocker) gemalt habe, sehe ich diese Stelle, nämlich als ein stark rötliches Gelb."
Wie aber, wenn man von mir verlangte, den ''genauen'' Farbton anzugeben, der mir hier erscheint? Wie soll ich ihn angeben und wie bestimmen? Man könnte z.B. von mir verlangen, daß ich ein Farbmuster, ein rechteckiges Stück Papier von dieser Farbe, herstelle. Ich sage nicht, daß so ein Vergleich ohne jedes Interesse ist, aber er zeigt, daß nicht von vornherein klar ist, wie Farbtöne zu vergleichen sind, und also: was hier "Farbengleichheit" bedeutet.
266. Denken wir uns ein Gemälde in kleine Stücke von annähernd gleichmäßiger Färbung zerchnitten und diese Stücke dann als Steine eines Zusammenlegspieles verwendet. Auch dort, wo ein solcher Stein nicht einfarbig ist, soll er keine räumliche Form andeuten, sondern als flacher Farbfleck erscheinen. Erst im Zusammenhang mit den andern wird er ein Stück Himmel, ein Schatten, ein Glanz, eine konkave oder konvexe Fläche etc.
267. Man könnte also sagen, dies Zusammenlegspiel zeige die eigentlichen Farben der Stellen des Bildes.
268. Man könnte geneigt sein, zu glauben, eine Analyse unsrer Farbbegriffe führe am Ende zu den Farben von Stellen unsres Gesichtsfelds, die von jeder räumlichen oder physikalischen Deutung unabhängig wären, denn hier gebe es weder Beleuchtung noch Schatten, noch Glanz, noch Durchsichtigkeit oder Undurchsichtig. keit, etc.
269. Was uns als einfärbiger heller Strich ohne Breite auf dunklem Grunde erscheint, kann weiß aussehen, aber nicht grau. (?) Ein Planet könnte nicht hellgrau aussehen.
270. Würde man aber nicht unter Umständen den Punkt oder den Strich als grau ''deuten''? (Denke an eine Photographie.)
271. Sehe ich wirklich die Haare des Jungen auf der Photographie blond?! – Seh ich sie grau?
''Schließe'' ich nur, daß, was auf dem Bild so ausschaut, in Wirklichkeit blond sein muß?
In ''einem'' Sinne ''sehe'' ich sie blond, in einem andern heller und dunkler grau.
272. 'Dunkelrot' und 'Schwarzrot sind nicht gleichartige Begriffe. Ein Rubin kann in der Durchsicht dunkelrot erscheinen, aber, wenn er klar ist, nicht schwarzrot. Der Maler mag ihn durch einen schwarzroten Fleck darstellen, aber im Bild wird dieser Fleck nicht schwarzrot wirken. Er wird mit Tiefe gesehen, sowie das Flache drei dimensional erscheint.
273. Im Film, wie auf der Photographie, sehen Gesicht und Haare nicht ''grau'' aus, sie machen einen ganz natürlichen Eindruck; Speisen auf einer Schüssel dagegen schen im Film oft grau und darum unappetitlich aus.
274. Was heißt es aber, Haar sehe auf der Photographie blond aus? Wie zeigt sich's daß es so ''aussieht'' und auf die Farbe nicht nur ''geschlossen'' wird? Welche unsrer Reaktionen läßt uns das sagen? – Sicht denn ein Kopf in Stein oder Gips nicht weiß aus?
275. Wenn selbst das Wort "blond" blond ''klingen'' kann, wie viel eher können die photographierten Haare blond ausschauen!
276. Nun, ich würde die Photographie ganz natürlich mit den Worten beschreiben: "An einer Maschine steht ein Mann mit dunklem und ein Junge mit zurückgekämmtem blondem Haar." So würde ich die ''Photographie'' beschreiben, und wenn Einer sagte, das beschreibe nicht sie, sondern die Objekte, die wahrscheinlich photographiert wurden, so könnte ich nur sagen, das Bild sieht so aus als wären die Haare von dieser Farbe gewesen.
277. Wenn ich aufgefordert würde, die Photographie zu beschreiben, würde ich es in jenen Worten tun.
278. Der Farbenblinde versteht die Aussage, er sei farbenblind. Der Blinde die, er sei blind. Aber sie können nicht alle Anwendungen dieser Sätze machen, die der Normale macht. Denn wie dieser Sprachspiele mit Farbworten z.B. beherrscht, die jene nicht erlernen können, so auch Sprachspiele mit den Worten "farbenblind" und "blind".
279. Kann man dem Blinden beschreiben, wie das ist, wenn Einer ''sieht''? – Doch; ein Blinder lernt ja manches über den Unterschied zwischen ihm und dem Sehenden. Und doch möchte man auf jene Frage Nein antworten. – Ist sie aber nicht irreführend gestellt? Man kann einem, der nicht Fußball spielt, sowie einem, der es spielt, beschreiben, 'wie das ist, wenn Einer Fußball spielt', dem letztern vielleicht, damit er die Beschreibung auf ihre Richtigkeit prüfe. Kann man denn dem Sehenden beschreiben, wie das ist, wenn Einer sieht? Aber man ''kann'' ihm doch erklären, was Blindheit ist! D.h., man kann ihm das charakteristische Benehmen des Blinden beschreiben und man kann ihm die Augen verbinden. Anderseits kann man den Blinden nicht zeitweise sehend machen; wohl aber ihm das Benehmen des Sehenden beschreiben.
280. Kann man sagen 'Farbenblindheit' (oder 'Blindheit') sei ein Phänomen, 'Sehen' nicht?
Das wurde etwa heißen: "Ich sehe" ist eine Äußerung, "Ich bin blind" nicht. Aber das ist doch nicht wahr. Man hält mich auf der Straße oft für blind. Ich könnte einem, der es tut, sagen "Ich sche", d.h.: ich bin nicht blind.
281. Man könnte sagen: Es ist ein Phänomen, daß es Leute gibt, die das und das nicht erlernen können. Dies Phänomen ist die Farbenblindheit. – Sie wäre also eine Unfähigkeit; das Schen aber die Fähigkeit.
282. Ich sage dem B, der nicht Schach spielen kann: "A kann Schach nicht erlernen". B kann das verstehen. – Aber nun sage ich Einem, der überhaupt nicht im Stande ist irgend ein Spiel zu erlernen, der und der könne ein Spiel nicht erlernen. Was weiß jener vom Wesen eines Spiels? Kann er z.B. nicht einen gänzlich falschen Begriff von einem Spiel haben? Nun, er mag verstehen, man könne weder ihn noch den Andern zu einer Unterhaltung einladen, weil sie keine Spiele spielen können.
283. Kommt alles, was ich hier sagen will, darauf hinaus, daß die Äußerung "Ich sehe einen roten Kreis" und die "Ich sehe, bin nicht blind" logisch verschieden sind? Wie prüft man einen Menschen, um zu finden, ob die erste Aussage wahr ist? wie, ob die zweite wahr ist? Die Psychologie lehrt Farbenblindheit zu konstatieren, und eben dadurch auch normales Sehen. Aber ''wer'' kann dies erlernen?
284. Ich kann niemand ein Spiel lehren, das ich selbst nicht erlernen kann. Ein Farbenblinder kann den Normalsehenden nicht den normalen Gebrauch der Farbwörter lehren. Ist das wahr? Er kann ihm das Spiel, den Gebrauch nicht ''vorführen''.
285. Könnte nicht der Angehörige eines farbenblinden Volkes auf den Gedanken kommen, sich fremdartige Menschen auszumalen (die wir "normalsehend" nennen würden)? Könnte er so einen normal Sehenden nicht z.B. auf dem Theater darstellen? Wie er auch einen darstellen kann, der die Gabe der Prophetie hat, ohne sie zu haben. Das ist zum mindesten denkbar.
286. Wären aber Farbenblinde je darauf verfallen, sich selbst "farbenblind" zu nennen? – Warum nicht?
Wie aber könnten 'normal Sehende' den 'normalen' Gebrauch der Farbwörter erlernen, wenn sie die Ausnahmen in einer farbenblinden Bevölkerung wären? – Ist es nicht möglich, daß sie eben Farbworte 'normal' gebrauchen, vielleicht, in den Augen der Andern, gewisse Fehler machen, bis diese die ungewöhnlichen Fähigkeiten endlich schätzen lernten?
287. Ich kann mir vorstellen (ausmalen), wie es mir erscheinen wird, wenn ich so einen Menschen treffe.
288. Ich kann mir vorstellen, wie ein Mensch handeln würde, dem das unwichtig ist, was mir wichtig ist. Aber kann ich mir seinen ''Zustand'' vorstellen? – Was heißt das? – Kann ich mir den Zustand Eines vorstellen, dem wichtig ist, was mir wichtig ist?
289. Ich könnte auch Einen genau nachmachen, der eine Multiplikation rechnet, ohne selbst das Multiplizieren erlernen zu können.
Und ich könnte dann Andre nicht multiplizieren lehren, obwohl es denkbar wäre, daß ich den Anstoß dazu gabe, daß Einer es erlernt.
290. Ein Farbenblinder kann offenbar die Prüfung schildern, bei der seine Farbenblindheit zu Tage kam. Und was er hernach schildern kann, das hätte er auch erfinden können.
291. Kann man Einem höhere Mathematik beschreiben, außer indem man sie ihm beibringt? Oder auch: ''Ist'' dieser Unterricht eine ''Beschreibung'' der Rechnungsart? Einem das Tennisspiel beschreiben heißt ''nicht'', es ihn lehren (u.u.). Anderseits: wer nicht wüßte, was Tennis ist und es nun spielen lernt, der weiß es dann. ("Knowledge by description and knowledge by acquaintance.")
292. Wer absolutes Gehör hat, kann ein Sprachspiel erlernen, welches ich nicht erlernen kann.
293. Man könnte sagen, die Begriffe der Menschen zeigen, worauf es ihnen ankommt und worauf nicht. Aber nicht als ''erklärte'' das die besondern Begriffe, die sie haben. Es soll nur die Auffassung ausschließen, als hätten wir richtige, andre Leute falsche Begriffe. (Es gibt einen Übergang von einem Rechenfehler zu einer andern Art des Rechnens.)
294. Wenn Blinde, wie sie es gern tun, vom blauen Himmel und anderen spezifisch visuellen Erscheinungen reden, sagt der Schende oft "Wer weiß, was er sich darunter vorstellt". Warum sagt er es aber nicht von jedem andern Sehenden? Es ist natürlich überhaupt ein falscher Ausdruck.
295. Das, worüber ich so langwierig schreibe, kann einem Andern mit unverdorbenerem Verstande selbstverständlich sein.
296. Wir sagen: "Denken wir uns Menschen, welche ''dieses'' Sprachspiel nicht kennen." Aber damit haben wir noch keine klare Vorstellung vom Leben dieser Menschen, wo es vom unsern abweicht. Wir wissen noch nicht, was wir uns vorzustellen haben; denn das Leben jener Menschen soll ja im übrigen dem unsern entsprechen und es ist erst zu bestimmen, was wir unter den neuen Umständen, ein dem unsern entsprechendes Leben nennen würden.
Ist es nicht, als sagte man: Es gibt Menschen, die ohne den König Schach spielen? Es treten sofort Fragen auf: Wer gewinnt nun, wer verliert, u.a. Du mußt ''weitere'' Entscheidungen treffen, die du in jener ersten Bestimmung noch nicht vorhersiehst. Wie du ja auch die ursprüngliche Technik nicht übersiehst, nur daß sie dir von Fall zu Fall geläufig ist.
297. Zur Verstellung gehört auch, daß man Verstellung beim Andern für möglich halte.
298. Wenn Menschen sich so benehmen, daß wir Verstellung vermuten möchten, aber diese Menschen zeigen untereinander kein Mißtrauen, dann ergeben sie doch nicht das Bild von Menschen, die sich verstellen.
299. 'Wir müssen uns immer wieder über diese Leute wundern.'
300. Wir könnten gewisse Leute auf der Bühne darstellen und ihnen Selbstgespräche (asides) in ihren Mund legen, die sie natürlich im wirklichen Leben nicht aussprächen, die aber doch ihren Gedanken entsprächen. Fremdartige Menschen aber könnten wir so nicht darstellen. Selbst, wenn wir ihre Handlungen voraussehen könnten, könnten wir ihnen keine passenden Selbstgespräche in den Mund legen.
Und doch ist auch in dieser Betrachtungsweise etwas Falsches. Denn Einer könnte, während er handelt, wirklich etwas zu sich selbst sagen und dies könnte z.B. ganz konventionell sein.