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106. Und auch dies (könnte man sagen): Wer bei der Arbeit ''denkt'', der wird oft ''Hilfstätigkeiten'' in sie einschalten. Das Wort "denken" nun bezeichnet nicht diese Hilfstätigkeiten, wie Denken ja auch nicht Reden ist. Obwohl der Begriff 'denken' nach Art einer imaginären Hilfstätigkeit gebildet ist. (So wie man sagen könnte, der Begriff des Differentialquotienten sei nach Art eines idealen Quotienten gebildet.)
106. Und auch dies (könnte man sagen): Wer bei der Arbeit ''denkt'', der wird oft ''Hilfstätigkeiten'' in sie einschalten. Das Wort "denken" nun bezeichnet nicht diese Hilfstätigkeiten, wie Denken ja auch nicht Reden ist. Obwohl der Begriff 'denken' nach Art einer imaginären Hilfstätigkeit gebildet ist. (So wie man sagen könnte, der Begriff des Differentialquotienten sei nach Art eines idealen Quotienten gebildet.)
107. Diese Hilfstätigkeiten sind nicht das Denken; aber man stellt sich das Denken vor als den Strom der unter der Oberfläche dieser Hilfsmittel fließen muß, wenn sie nicht doch nur mechanische Handlungen sein sollen.
108. Nimm an, es handle sich um Wesen menschenähnliche Tiere), die wir als Sklaven benützen, kaufen und verkaufen. Sie können nicht sprechen lernen, wohl aber kann man die begabteren unter ihnen zu oft recht komplizierten Arbeiten erziehen; und manche von diesen arbeiten 'denkend', andre bloß mechanisch. Für einen Denkenden zahlen wir mehr, als für einen bloß mechanisch Geschickten.
109. Wenn es nur ganz wenige Menschen gäbe, die die Antwort auf eine Rechenaufgabe finden könnten, ohne zu sprechen oder zu schreiben, könnte man diese nicht zum Zeugnis dafür anführen, daß man auch ohne Zeichen rechnen könne. Weil es nämlich nicht klar wäre, daß diese Leute überhaupt 'rechnen'. Ebenso kann auch das Zeugnis des Ballard (bei James) einen nicht davon überzeugen, daß man ohne Sprache denken könne.
Ja, warum soll man, wo keine Sprache gebraucht wird, vom 'Denken' reden? Tut man's, so zeigt das eben etwas über den ''Begriff'' des Denkens.
110. 'Denken', ein weit verzweigter Begriff. Ein Begriff, der viele Lebensäußerungen in sich verbindet. Die Denk-''phänomene'' liegen weit auseinander.
111. Wir sind auf die Aufgabe gar nicht ''gefaßt'', den Gebrauch des Wortes "denken" z. B. zu beschreiben. (Und warum sollten wir's sein? Wozu ist so eine Beschreibung nütze?)
Und die naive Vorstellung, die man sich von ihm macht, entspricht gar nicht der Wirklichkeit. Wir erwarten uns eine glatte, regelmäßige Kontur und kriegen eine zerfetzte zu sehen. Hier könnte man wirklich sagen, wir hätten uns ein falsches Bild gemacht.
112. Es ist von diesem Wort nicht zu erwarten, daß es eine einheitliche Verwendung habe; es ist vielmehr das Gegenteil zu erwarten.
113. Woher nehmen wir den Begriff 'denken', den wir hier betrachten wollen? Aus der Alltagssprache. Was unsrer Aufmerksamkeit zuerst ihre Richtung gibt, ist das Wort "denken". Aber der Gebrauch dieses Worts ist verworren. Und wir können es nicht anders erwarten. Und das läßt sich natürlich von allen psychologischen Verben sagen. Ihre Verwendung ist nicht so klar und so leicht zu übersehen, wie die der Wörter der Mechanik z. B.
114. Man lernt das Wort "denken", d. i. seinen Gebrauch, unter gewissen Umständen, die man aber nicht beschreiben lernt.
115. Aber ich ''kann'' einen Menschen den Gebrauch des Wortes ''lehren''! Denn dazu ist ein Beschreiben jener Umstände nicht nötig.
116. Ich lehre ihn eben das Wort ''unter bestimmten Umständen''.
117. Man lernt es etwa nur vom Menschen sagen, es von ihm behaupten oder leugnen. Die Frage "Denkt ein Fisch?" existiert unter seinen Sprachanwendungen nicht, ''wird nicht gestellt''. (Was kann natürlicher sein, als so ein Zustand, so eine Sprachverwendung?)
118. "An ''diesen'' Fall hat niemand gedacht"—kann man sagen. Ich kann zwar nicht die Bedingungen aufzählen, unter denen das Wort "denken" zu gebrauchen ist,—aber, wenn ein Umstand den Gebrauch zweifelhaft macht, so kann ich's sagen und auch, ''wie'' die Lage von der gewöhnlichen abweicht.
119. Wenn ich in einem bestimmten Zimmer eine bestimmte Tätigkeit auszuführen gelernt habe (das Aufräumen des Zimmers etwa) und diese Technik beherrsche, so folgt doch nicht, daß ich bereit sein müsse, die Einrichtung des Zimmers zu beschreiben; auch wenn ich jede Veränderung in ihr gleich merken würde und auch sofort beschreiben könnte.
120. "Dieses Gesetz wurde nicht in Voraussicht solcher Fälle gegeben." Ist es darum sinnlos?
121. Es wäre doch sehr wohl denkbar, daß einer sich genau in einer Stadt auskennt, d. h., von jedem Ort der Stadt zu jedem andern mit Sicherheit den kürzesten Weg fande,—und dennoch ganz außer Stande wäre, einen Plan der Stadt zu zeichnen. Dab er, sobald er es versucht, nur ''gänzlich Falsches'' hervorbringt. (Unser Begriff vom 'Instinkt'.)