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Reaktion des Berührens der schmerzhaften Stelle. | Reaktion des Berührens der schmerzhaften Stelle. | ||
Kein lokales Merkmal an der Empfindung. So wenig wie ein Zeitliches am Erinnerungsbild. (Zeitliche Merkmale an der Photographie.) | |||
Schmerz von andern Sinnesempfindungen unterschieden durch charakteristischen Ausdruck. Dadurch verwandt der Freude (die keine Sinnesempfindung). | |||
484. Ist das Wortklauberei:—Freude, Genuß, Entzücken seien nicht Empfindungen?—Fragen wir uns einmal: Wieviel Analogie besteht denn zwischen dem Entzücken und dem, was wir z. B. "Sinnesempfindungen” nennen? | |||
485. Das Bindeglied zwischen ihnen wäre der Schmerz. Denn sein Begriff ähnelt dem der Tastempfindung, z. B. (durch die Merkmale der Lokalisierung, echten Dauer, Intensität, Qualität) und zugleich dem der Gemütsbewegungen durch den Ausdruck (Mienen, Gebärden, Laute). | |||
486. "Ich fühle große Freude."—Wo?—Das klingt unsinnig. Und doch sagt man auch "Ich fühle eine freudige Erregung in meiner Brust."—Warum aber ist Freude nicht lokalisiert? Ist es, weil sie über den ganzen Körper verteilt ist? Auch dann ist sie nicht lokalisiert, wenn etwa das Gefühl, das sie hervorruft, dies ist; wenn wir uns etwa am Geruch einer Blume freuen. Die Freude äußert sich im Gesichtsausdruck, im Benehmen. (Aber wir sagen nicht, wir freuten uns im Gesicht.) | |||
487. "Aber ich habe doch ein wirkliches ''Gefühl'' der Freude!" Ja, wenn du dich freust, so freust du dich wirklich. Und freilich ist Freude nicht freudiges Benehmen, noch auch ein Gefühl um die Mundwinkel und Augen. | |||
"Aber 'Freude' bezeichnet doch etwas Inneres." Nein. "Freude" bezeichnet gar nichts. Weder Inneres noch Äußeres. | |||
488. Fortsetzung der Klassifizierung der psychologischen Begriffe. | |||
Gemütsbewegungen. Ihnen gemeinsam echte Dauer, ein Verlauf. (Zorn flammt auf, läßt nach, verschwindet; ebenso: Freude, Depression, Furcht.) | |||
Unterschied von den Empfindungen: sie sind nicht lokalisiert (auch nicht diffus!). | |||
Gemeinsam: sie haben ein charakteristisches Ausdrucksbeneh men. (Gesichtsausdruck.) Und daraus folgt schon: auch charakteristische Empfindungen. So geht die Trauer oft mit dem Weinen einher, und mit ihm, charakteristische Empfindungen. (Die tränenschwere Stimme.) Aber diese Empfindungen sind nicht die Gemütsbewegungen. (In dem Sinne, wie die Ziffer 2 nicht die Zahl 2 ist.) | |||
Unter den Gemütsbewegungen könnte man gerichtete von ungerichteten unterscheiden. Furcht ''vor'' etwas, Freude ''über'' etwas. | |||
Dies Etwas ist das Objekt, nicht die Ursache der Gemütsbewegung. | |||
489. Das Sprachspiel "Ich fürchte mich" enthält schon das Objekt. | |||
Angst ''könnte'' man ungerichtete Furcht nennen, insofern ihre Außerungen ähnlich oder gleich denen der Furcht sind. | |||
Der ''Inhalt'' einer Gemütsbewegung—darunter stellt man sich so etwas vor wie ein ''Bild'' oder etwas, wovon ein Bild gemacht werden kann. (Die Finsternis der Depression, die sich auf einen herniedersenkt, die Flamme des Zornes.) | |||
490. Man könnte auch das menschliche Gesicht ein solches Bild nennen und den ''Verlauf'' der Leidenschaft durch seine Veränderungen darstellen. | |||
491. Zum Unterschied von den Empfindungen: sie unterrichten uns nicht über die Außenwelt. (Grammatische Bemerkung.) | |||
Liebe und Haß könnte man Gemütsdispositionen nennen: auch Furcht in einem bestimmten Sinne. | |||
492. Es ist eines, akute Furcht empfinden, und ein Anderes, jemanden 'chronisch' fürchten. Aber Furcht ist keine Empfindung. | |||
'Schreckliche Furcht': sind es die ''Empfindungen'', die so schrecklich sind? | |||
Typische Ursachen des Schmerzes einerseits, der Depression, Trauer, Freude anderseits. Ursache dieser zugleich ihr Objekt. | |||
Das Benehmen des Schmerzes und das Benehmen der Traurigkeit.—Man kann diese nur mit ihren äußeren Anlässen beschreiben. (Wenn die Mutter das Kind allein läßt, mag es vor Trauer weinen; wenn es hinfällt, vor Schmerz.) Benehmen und Art des Anlasses gehören zusammen. | |||
493. Es gibt furchtvolle Gedanken, hoffnungsvolle, freudige, zornige, etc. | |||
494. Gemütsbewegungen drücken sich in Gedanken aus. Einer redet zornig, furchtsam, traurig, freudig, etc., nicht kreuzschmerzlịch. | |||
Ein Gedanke fößt mir Gemütsbewegungen (Furcht, Trauer etc.) ein, nicht Körperschmerz. | |||
495. Fast möchte ich sagen: Man fühlt die Trauer so wenig im Körper, wie das Sehen im Auge. | |||
496. (Das Schreckliche an der Furcht sind nicht die Furchtempfindungen.) Diese Sache erinnert auch an das Hören eines Geräusches ''aus einer bestimmten Richtung''. Es ist beinahe, als fühlte man die Beschwerde in der Magengegend, Beklemmung des Atems, aus der Richtung der Furcht. D. h. eigentlich, daß "Mir ist schlecht vor Furcht" nicht eine ''Ursache'' der Furcht angibt. | |||
497. "Wo spürst du den Kummer?"—In der Seele.——Was für Konsequenzen ziehen wir aus dieser Ortsangabe? Eine ist, daß wir ''nicht'' von einem körperlichen Ort des Kummers reden. Aber wir deuten ''doch'' auf unsern Leib, als wäre der Kummer in ihm. Ist das, weil wir ein körperliches Unbehagen spüren? Ich weiß die Ursache nicht. Aber warum soll ich annehmen, sie sei ein leibliches Unbehagen? | |||
498. Denke dir folgende Frage: Kann man sich einen Schmerz, sagen wir von der Qualität des rheumatischen Schmerzes, denken, aber ''ohne'' Örtlichkeit? Kann man sich ihn ''vorstellen''? | |||
Wenn du anfangst, darüber nachzudenken, so siehst du, wie sehr du das Wissen um den Ort des Schmerzes in ein Merkmal des ''Gefühlten'' verwandeln möchtest, in ein Merkmal eines Sinnesdatums, des privaten Objekts, das vor meiner Seele steht. | |||
499. Wenn die Angst furchtbar ist, und wenn ich in ihr mir meiner Atmung bewußt bin und einer Spannung in meinen Gesichtsmuskeln,—sagt das, daß diese ''Gefühle'' mir furchtbar sind? Könnten sie nicht sogar eine Linderung bedeuten? (Dostojewski.) | |||
500. Warum verwendet man aber das Wort "leiden" für die Furcht und auch für den Schmerz? Nun, es sind ja Verbindungen genug.— | |||
501. Auf die Außerung "Ich kann nicht ohne Furcht daran denken ...." antwortet man etwa: "Es ist kein Grund zur Furcht, denn ...." Das ist jedenfalls ''ein'' Mittel, Furcht zu beseitigen. Gegensatz zum Schmerz. | |||
502. Daß es ein Furchtkonglomerat von Empfindungen, Gedanken etc. (z. B.) gibt, heißt nicht, daß Furcht ein Konglomerat (Syndrom) ist. | |||
503. Wer im Studierzimmer sich die Trauer vormacht, der wird sich allerdings leicht der Spannungen in seinem Gesicht bewußt werden. Aber trauere wirklich, oder folge einer traurigen Handlung im Film, und frage dich, ob du dir deines Gesichts bewußt warst. | |||
504. Liebe ist kein Gefühl. Liebe wird erprobt, Schmerzen nicht. Man sagt nicht: "Das war kein wahrer Schmerz, sonst hätte er nicht so schnell nachgelassen". | |||
505. Ein Zusammenhang zwischen den Stimmungen und Sinneseindrücken ist, daß wir die Stimmungsbegriffe zur Beschreibung von Sinneseindrücken und Vorstellungen benützen. Wir sagen von einem Thema, ciner Landschaft, sie seien traurig, fröhlich, etc.. Aber viel wichtiger ist es natürlich, daß wir das menschliche Gesicht, die Handlung, das Benehmen durch alle Stimmungsbegriffe beschreiben. | |||
506. Ein freundlicher Mund, ein freundliches Auge. Wie denkt man sich eine freundliche Hand?—Wahrscheinlich geöffnet und nicht als Faust.—Und könnte man sich die Haarfarbe des Menschen als Ausdruck der Freundlichkeit oder des Gegenteils denken?—Aber so gestellt, scheint dies die Frage zu sein, ob uns das ''gelingen'' kann. Die Frage sollte lauten: Wollen wir etwas eine freundliche oder unfreundliche Haarfarbe nennen? Wollten wir solchen Worten Sinn geben, so würden wir uns etwa einen Menschen denken, dessen Haare dunkel werden, wenn er zornig wird. Das Hineinlesen des bösen Ausdrucks in die dunkeln Haare aber geschähe mittels einer schon früher fertigen Idee. | |||
Man kann sagen: Das freundliche Auge, der freundliche Mund, das Wedeln des Hundes sind, unter andern, primäre und von cinander unabhängige Symbole der Freundlichkeit; ich meine: sie sind Teile der Phänomene, die man Freundlichkeit nennt. Will man sich andere Erscheinungen als Ausdruck der Freundlichkeit denken, so sieht man jene Symbole in sie hinein. Wir sagen "Er macht ein finsteres Gesicht"; vielleicht, weil die Augen durch die Augenbrauen stärker beschattet werden; und nun übertragen wir die Idee der Finsternis auf die Haarfarbe. |