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Man kann sagen: Das freundliche Auge, der freundliche Mund, das Wedeln des Hundes sind, unter andern, primäre und von cinander unabhängige Symbole der Freundlichkeit; ich meine: sie sind Teile der Phänomene, die man Freundlichkeit nennt. Will man sich andere Erscheinungen als Ausdruck der Freundlichkeit denken, so sieht man jene Symbole in sie hinein. Wir sagen "Er macht ein finsteres Gesicht"; vielleicht, weil die Augen durch die Augenbrauen stärker beschattet werden; und nun übertragen wir die Idee der Finsternis auf die Haarfarbe.
Man kann sagen: Das freundliche Auge, der freundliche Mund, das Wedeln des Hundes sind, unter andern, primäre und von cinander unabhängige Symbole der Freundlichkeit; ich meine: sie sind Teile der Phänomene, die man Freundlichkeit nennt. Will man sich andere Erscheinungen als Ausdruck der Freundlichkeit denken, so sieht man jene Symbole in sie hinein. Wir sagen "Er macht ein finsteres Gesicht"; vielleicht, weil die Augen durch die Augenbrauen stärker beschattet werden; und nun übertragen wir die Idee der Finsternis auf die Haarfarbe.
507. Wer fragt, ob Vergnügen eine Empfindung ist, unterscheidet wahrscheinlich nicht zwischen Grund und Ursache, denn sonst fiele ihm auf, daß man ''an etwas'' Vergnügen hat, was nicht heißt, daß dies Etwas eine Empfindung in uns verursacht.
508. Aber Vergnügen geht doch jedenfalls mit einem Gesichtsausdruck zusammen, und den sehen wir zwar nicht an uns selbst, aber spüren ihn doch.
Und versuch einmal über etwas sehr Trauriges nachzudenken mit dem Gesichtsausdruck strahlender Freude!
509. Es ist ja möglich, daß die Drüsen des Traurigen anders sezernieren, als die des Fröhlichen; auch, daß diese Sekretion die oder eine Ursache der Trauer ist. Aber folgt daraus, daß die Trauer eine durch diese Sekretion ''hervorgerufene'' Empfinding ist?
510. Aber der Gedanke ist hier: "Du ''fühlst'' doch die Trauer——also mußt du sie ''irgendwo'' fühlen; sonst wäre sie eine Chimäre." Aber wenn du so denken willst, rufe dir die Verschiedenheit von Sehen und Schmerz ins Gedächtnis. Ich fühle den Schmerz in der Wunde——aber die Farbe im Auge? So wie wir hier ein Schema verwenden wollen, statt bloß das wirklich Gemeinsame zu notieren, sehen wir alles falsch vereinfacht.
511. Wollte man aber ein Analogon zum Ort des Schmerzes finden, so wäre es natürlich nicht die Seele (wie ja der Ort des Körperschmerzes nicht der Körper ist), sondern der ''Gegenstand'' der Reue.
512. Denke, man sagte: Fröhlichkeit wäre ein Gefühl, und Traurigkeit bestünde darin, daß man ''nicht'' fröhlich ist.—Ist denn die Abwesenheit eines Gefühls ein Gefühl?
513. Man spricht von einem Gefühl der Überzeugung, weil es einen ''Ton'' der Überzeugung gibt. Ja, das Charakteristikum aller 'Gefühle' ist, daß es einen Ausdruck, d. i. eine Miene, Gebärde des Gefühls gibt.
514. Nun könnte man aber so sagen: Das Gesicht eines Menschen ist durchaus nicht immer dieselbe Gestalt. Es ändert sich von Minute zu Minute; manchmal wenig, manchmal bis zur Unkenntlichkeit. Dennoch ist es möglich, das Bild seiner Physiognomie zu zeichnen. Freilich, ein Bild, auf dem das Gesicht lächelt, zeigt nicht, wie es weinend aussieht. Aber es läßt darauf immerhin Schlüsse zu.—Uns so wäre es auch möglich, eine Art ungefähre Physiognomie des Glaubens (z. B.) zu beschreiben.
515. Ich gebe Zeichen des Entzückens und des Verständnisses.
516. Kann man das 'sich auskennen' ein Erlebnis nennen? Nicht doch. Aber es gibt Erlebnisse charakteristisch für den Zustand des Sich-auskennens und des Sich-nicht-auskennens. (Sich nicht auskennen und lügen.)
517. Es ist aber doch wichtig, daß es alle diese Paraphrasen gibt! Daß man die Sorge mit den Worten beschreiben kann "Ewiges Düstere steigt herunter". Ich habe vielleicht die Wichtigkeit dieses Paraphrasierens nie genügend betont.
518. Warum kann der Hund Furcht, aber nicht Reue empfinden? Wäre es richtig zu sagen "Weil er nicht sprechen kann"?
519. Nur wer über die Vergangenheit nachdenken kann, kann bereuen. Das heißt aber nicht, daß nur so einer erfahrungsgemäß des Gefühls der Reue fähig ist.
520. Es ist ja auch nichts Erstaunliches, daß gewisse Begriffe nur auf ein Wesen anwendbar sein sollten, das z. B. eine Sprache besitzt.
521. "Der Hund ''meint'' etwas mit seinem Wedeln."—Wie würde man das begründen?—Sagt man auch: "Die Pflanze, wenn sie ihre Blätter hängen läßt, meint damit, daß sie Wasser braucht"?—
522. Wir würden kaum fragen, ob das Krokodil etwas damit meint, wenn es mit offenem Rachen auf einen Menschen zukommt. Und wir würden erklären: das Krokodil könne nicht denken, und darum sei eigentlich hier von einem Meinen keine Rede.
523. Vergessen wir doch einmal ganz, daß uns der Seelenzustand des Fürchtenden interessiert. Gewiß ist, daß uns auch sein Benehmen unter gewissen Umständen als Anzeichen für künftiges Verhalten interessieren kann. Warum sollten wir also nicht dafür ein Wort haben?
Man könnte nun fragen, ob dies Wort sich wirklich einfach auf das Benehmen, einfach auf die Veränderung des Körpers bezöge. Und das können wir verneinen. Es liegt uns ja nichts daran, den Gebrauch dieses Worts derart zu vereinfachen. Es bezieht sich auf das Benchmen unter gewissen äußeren Umständen. Wenn wir diese Umstände und jenes Benchmen beobachten, sagen wir, einer sei ...., oder habe .....
524. Es könnte einen Furchtbegriff geben, der nur auf Tiere, also nur durch Beobachtung, Anwendung fande.—Du willst doch nicht sagen, daß so ein Begriff keinen Nutzen hätte. Das Verbum, das beiläufig dem Wort "fürchten" entspräche, hätte dann keine erste Person, und keine seiner Formen ware Äußerung der Furcht.
525. Ich will nun sagen, daß Menschen, welche einen solchen Begriff verwenden, seinen Gebrauch ''nicht'' müßten beschreiben können. Und sollten sie es versuchen, so wäre es möglich, sie gäben eine ganz unzulängliche Beschreibung. (Wie die meisten, wenn sie versuchen wollten, die Verwendung des Geldes richtig zu beschreiben.) (Sie sind auf so eine Aufgabe nicht gefaßt.)
526. Wer sich unter den und den Umständen so und so benimmt, von dem sagen wir, er sei traurig. (Auch vom Hunde.) Insofern kann man nicht sagen, das Benehmen sei die ''Ursache'' der Trauer; sie ist ihr Anzeichen. Sie die Wirkung der Trauer zu nennen, wäre auch nicht einwandfrei.—Sagt er es von sich (er sei traurig), so wird er im allgemeinen dafür als Grund nicht sein trauriges Gesicht u. dergl. angeben. Wie aber wäre es damit: "Erfahrung hat mich gelehrt, daß ich traurig werde, sobald ich anfange, traurig dazusitzen, etc."? Das könnte zweierlei besagen. Erstens: "Sobald ich, etwa einer leichten Neigung folgend, es mir gestatte, mich so und so zu halten und zu benehmen, gerate ich in den Zustand, in diesem Benehmen verharren zu müssen." Es könnte ja sein, daß Zahnschmerzen durch Stöhnen ärger würden.—Zweitens aber könnte jener Satz eine Spekulation enthalten über die Ursache der menschlichen Trauer; des Inhalts, daß, wer imstande wäre auf irgend eine Weise gewisse Körperzustände hervorzurufen, den Menschen traurig machen würde. Hier ist aber die Schwierigkeit, daß wir einen Menschen, der unter allen Umständen traurig ''aussähe'' und sich ''benähme'', nicht traurig nennen würden. Ja, wenn wir einem solchen den Ausdruck "Ich bin traurig" beibrüchten, und er sagte das stets und ständig mit dem Ausdruck der Trauer, so hätten diese Worte, so wie die übrigen Zeichen, ihren normalen Sinn verloren.